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ATZ/MTZ-Fachbuch

VIII

Richard van Basshuysen


Fred Schäfer Hrsg.

Handbuch
Verbrennungsmotor
Grundlagen · Komponenten ·
Systeme · Perspektiven
7. Auflage
ATZ/MTZ-Fachbuch
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Richard van Basshuysen  Fred Schäfer
Herausgeber

Handbuch
Verbrennungsmotor
Grundlagen, Komponenten, Systeme,
Perspektiven

7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Mit1804Abbildungenundmehrals1400Literaturstellen
Herausgeber
Richard van Basshuysen Fred Schäfer
Bad Wimpfen, Deutschland Hamm, Deutschland

ISBN 978-3-658-04677-4 ISBN 978-3-658-04678-1 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-658-04678-1

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;


detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann
benutzt werden dürften.

Lektorat: Ewald Schmitt/Elisabeth Lange

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.

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V

Vorwort zur 7. Auflage

Die Komplexität, die heute einen modernen Verbrennungsmotor ausmacht, ist sicherlich einer der Gründe dafür,
dass ein Einzelner nicht mehr in der Lage ist, alle wichtigen Zusammenhänge in ihrer Tiefe umfassend darzustel-
len. Vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, dass es bisher weltweit überraschenderweise keine Gesamtdar-
stellung zu diesem Thema gibt. Eine Vielzahl von Fachbüchern beschäftigt sich zwar mit Teilaspekten des
Verbrennungsmotors; es fehlte jedoch ein Werk, das alle bedeutenden Aspekte von Diesel- und Ottomotoren
berücksichtigt.

Die über 100-jährige Entwicklung des Verbrennungsmotors hat bezüglich der unterschiedlichen Anforderungen,
der großen Anzahl von Bauelementen und deren Zusammenwirken eine explosionsartige Vielfalt an wichtigen
Erkenntnissen und Detailwissen hervorgebracht. Mit einem aktualisierten und erweiterten Umfang auf über
1200 Seiten, 1804 Abbildungen und mehr als 1400 Literaturangaben sind die wesentlichen Inhalte der Technik
des Verbrennungsmotors dargestellt.

Es war das besondere Bestreben der Herausgeber, Akzente an der richtigen Stelle zu setzen und damit ein Werk
zu präsentieren, das Defizite in der Fachliteratur beseitigt. Von besonderer Bedeutung ist, dass diese Überarbei-
tung und Erweiterung in kürzester Zeit entstand und somit den aktuellen, hohen Stand der heutigen technischen
Entwicklung widerspiegelt und einen Blick in die Zukunft erlaubt.

Besonders wichtig war es den Herausgebern, Theorie und Praxis in einem ausgewogenen Verhältnis darzustel-
len. Das gelang vor allem dadurch, dass über 130 Autoren aus Wissenschaft und Industrie zur Mitarbeit gewon-
nen werden konnten. Mit ihrer Hilfe entstand ein Werk, das in Lehre, Forschung und Praxis gleichermaßen ein
einmaliger Helfer und Ratgeber bei der täglichen Arbeit ist.

Es richtet sich vor allem an in Wissenschaft und Praxis tätige Fachleute der Automobil-, Motoren-, Mineralöl-,
und Zubehörindustrie und an Studenten, es ein hilfreicher Begleiter durch das Studium sein soll. Darüber hinaus
soll es Patentanwälten, dem Kraftfahrzeuggewerbe, Regierungsstellen, Umweltorganisationen, Journalisten
sowie interessierten Laien ein nützlicher Ratgeber sein.

Die Frage nach der Zukunft des Verbrennungsmotors spiegelt sich in vielen neuen Ansätzen zur Lösung der
Probleme beispielsweise im Zusammenhang mit Kraftstoffverbrauch und Umweltverträglichkeit. Insbesondere
unter diesen Aspekten, im Vergleich zu den Alternativen, fällt die Prognose nicht schwer, dass uns der Hubkol-
benmotor für den mobilen Einsatz in seinen grundlegenden Elementen noch lange erhalten bleiben wird. Neue
Antriebssysteme haben das Problem, gegen eine über 100-jährige Entwicklung mit weltweit enormen Entwick-
lungskapazitäten konkurrieren zu müssen. Das gilt sicherlich auch für den Elektroantrieb für Kraftfahrzeuge ent-
gegen der zur Zeit von politischer Seite entfachten Euphorie.

Neben der Darstellung des aktuellen Standes der Motorenentwicklung ist die Beantwortung der Fragen wichtig:
Wohin entwickelt sich der Verbrennungsmotor? Wie ist sein Potenzial im Hinblick auf Kraftstoffverbrauch,
Kostenoptimierung und Umweltverträglichkeit nach über hundert Jahren Entwicklungszeit zu bewerten? Welche
Möglichkeiten bieten alternative Kraftstoffe und alternative Antriebssysteme in der Zukunft? Sind Range Exten-
der und hybride Antriebe nur Brückenfunktionen hin zum reinen Elektroantrieb? Gibt es Wettbewerbssysteme,
die ihn in den nächsten Jahrzehnten ablösen könnten? Auf diese Fragen wurden nach dem heutigen Kenntnis-
stand schlüssige Antworten gegeben.

Wenn auch der Schwerpunkt des Buches beim Pkw-Motor liegt, betreffen grundsätzliche Zusammenhänge auch
Nutzfahrzeugmotoren. Neu ist auch, dass die in vielen Bereichen unterschiedlichen Aspekte des Ottomotors im
Vergleich zum Dieselmotor in diesem Buch herausgearbeitet werden. Sind in einigen Jahren überhaupt noch
grundsätzliche Unterschiede zwischen Diesel- und Ottomotoren vorhanden? Man denke an die sich annähernden
Verbrennungsverfahren zwischen Otto- und Dieselmotoren: Ottomotoren mit Direkteinspritzung – zukünftig
vielleicht Dieselmotoren mit homogener Verbrennung.
VI

Unser besonderer Dank gilt allen unseren Autoren für ihre konstruktive und disziplinierte Mitarbeit sowie ihr
Verständnis für die schwierige Aufgabe, die Beiträge so vieler Mitarbeiter zu koordinieren. Besonders hervorzu-
heben ist die Termintreue der Autoren, die es ermöglichte, auch das Erscheinen des überarbeiteten und erweiter-
ten Buches zeitnah und damit aktuell am Markt zu platzieren – ein besonders erwähnenswerter Vorgang, wie wir
meinen.
Nach dem großen Erfolg der ersten sechs Auflagen – von 2002 bis 2013 wurden mehr als 25.000 Exemplare in
deutscher und englischer Sprache gedruckt – wurde der Inhalt für diese siebte Auflage durch eine sorgfältige
Bearbeitung unter anderem des Kapitels Kraftstoffverbrauch aktualisiert. Dabei wird der wachsenden Bedeutung
der Diskussion um Treibhausgase wie CO2 besonders Rechnung getragen und der Einfluss der Motorapplikation
auf die CO2-Emission gezeigt. An anderen Stellen wurde, wo erforderlich, der Inhalt auf den aktuellen Stand der
Technik gebracht und die Literaturstellen durchgängig ergänzt. So sind es inzwischen über 1400 Literaturstellen
geworden, die den Nutzen des Lesers weiter verbessern.

Dem Springer Vieweg Verlag und insbesondere dem Lektorat Ewald Schmitt und Elisabeth Lange sei für die
konstruktive und vorausschauende Mitarbeit herzlich gedankt.

Last but not least danken die Herausgeber insbesondere der Firma IAV GmbH für die fachliche und materielle
Unterstützung bei der Entstehung dieses Werkes, ohne deren Mithilfe dieses Handbuch so nicht hätte realisiert
werden können.

Bad Wimpfen/Hamm, im Jahr 2014 Richard van Basshuysen, VDI


Fred Schäfer, VDI/SAE
VII

Die Herausgeber

Dr.-Ing. E.h. Richard van Basshuysen, VDI, wurde 1932 in Bingen/Rhein geboren.
Nach einer Lehre mit Abschluss als Kfz-Schlosser studierte er an der Fachhochschule
Braunschweig/Wolfenbüttel von 1953 bis 1955 mit Abschluss als Ingenieur für Maschi-
nenbau. 1982 wurde ihm der Hochschulgrad Diplom-Ingenieur verliehen.
Von 1955 bis 1965 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Aral AG in Bochum. 1965
wechselte er zur NSU AG, wo er die Versuchsleitung der Motor- und Getriebeentwick-
lung einschließlich der Wankelmotorentwicklung übernahm und zum stellvertretenden
Leiter des Fahrzeugversuchs berufen wurde. In dieser Funktion war ermitverantwortlich
für die Entwicklung der Fahrzeuge Prinz 4, NSU 1000 und 1200, RO 80 und K 70. 1969
wurde die NSU AG von der heutigen Audi AG übernommen. Bei der Audi AG begrün-
dete er dann als Entwicklungsleiter die Fahrzeugkomfortklasse V8/A8 und war Leiter der
Motoren- und Getriebeentwicklung und parallel dazu Aufsichtsratsmitglied der Audi AG als gewählter Vertreter
der leitenden Angestellten. Seine bedeutendste Entwicklung war die des weltweit ersten abgasentgifteten Pkw-
Dieselmotors mit Direkteinspritzung und Turboaufladung, die er gegen große Widerstände auch im eigenen
Hause im VW-Konzern durchsetzte. Da dieser Motor 20 % weniger Kraftstoff als sein Vorgänger als Kammer-
dieselmotor verbraucht und ein Motor mit hoher Leistung und sehr hohem Drehmoment ist, hat er sich weltweit
durchgesetzt. In Europa wuchs sein Marktanteil von circa 12 % im Jahr 1989 auf circa 50 % nach nur etwas mehr
als einer Dekade.
Nach seiner aktiven Laufbahn in der Automobilindustrie gründete Richard van Basshuysen 1992 ein Ingenieur-
büro, das er bis heute leitet. Auch war er 20 Jahre lang Herausgeber der international bedeutenden technisch-wis-
senschaftlichen Fachzeitschriften ATZ (Automobiltechnische Zeitschrift) und MTZ (Motortechnische Zeitschrift).
Er berät internationale Automobilhersteller und Ingenieurdienstleister und ist Autor und Herausgeber technisch-
wissenschaftlicher Fachbücher, die auch ins Englische und Chinesische übersetzt wurden und werden. Außerdem
ist er seit 2006 zusammen mit Prof. Dr. Ing. Fred Schäfer Herausgeber und Mitautor des Internetportals www.
motorlexikon.de. Darüber hinaus war er Beiratsmitglied und Mitglied des Vorstandes in verschiedenen Gremien
wie dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und dem Österreichischen Verein für Kraftfahrzeugtechnik. Auch ist
er Autor und Mitautor von über 60 technisch-wissenschaftlichen Publikationen. 2001 erhielt er für die Entwick-
lung des zukunftsweisenden Dieselmotor mit Direkteinspritzung den hochdotierten Ernst-Blickle-Preis 2000 und
die BENZ-DAIMLER-MAYBACH-EHRENMEDAILLE des VDI für ,,seine herausragende Ingenieurleistung
bei der Entwicklung des Pkw-Dieselmotors mit Direkteinspritzung sowie seine langjährigen Engagements als
Herausgeber der ATZ/MTZ und als Beiratsmitglied der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik“. Für
sein Lebenswerk wurde ihm 2004 von der Universität Magdeburg die Ehrendoktorwürde verliehen.

Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer wurde im Jahr 1948 in Neuwied am Rhein geboren. Nach
einer Lehre als Maschinenbauer folgte ein Studium des Maschinenbaus an der staatlichen
Ingenieurschule Koblenz. Im Anschluss daran absolvierte er ein Studium an der Universi-
tät Kaiserslautern in der Fachrichtung Kraft- und Arbeitsmaschinen mit dem Abschluss
,,Dipl.-Ing.“. Die Promotion zum Dr.-Ing. am Institut für Kraft- und Arbeitsmaschinen der
Universität in Kaiserslautern wurde mit dem Thema ,,Reaktionskinetische Untersuchungen
der Wasserstoff-Methanolverbrennung im Ottomotor“ abgeschlossen. Der weitere Berufs-
weg führte zur Audi AG nach Neckarsulm, zunächst als Assistent des Entwicklungsleiters.
Weitere Stationen während der zehnjährigen Tätigkeit waren Hauptgruppenleiter im Moto-
renversuch und im Anschluss daran Leiter der Abteilung Motorkonstruktion. 1990 wurde
er zum Professor für Kraft- und Arbeitsmaschinen an die damalige Fachhochschule Iser-
lohn berufen, die heute Teil der Fachhochschule Südwestfalen mit Sitz in Iserlohn ist. Im Rahmen dieser Tätigkeit
leitet er das Labor für Verbrennungsmotoren und Strömungsmaschinen. Herr Prof. Dr.-Ing. Schäfer war in vielen
Hochschulgremien tätig unter anderem im Senat der Hochschule. In der Funktion als Prodekan für Lehre und
Forschung war er Mitglied im Leitungsgremium des Fachbereiches Maschinenbau. Herr Prof. Dr.-Ing. Schäfer ist
darüber hinaus freiberuflich im Bereich Forschung und Entwicklung auf dem Sektor der Motorentechnik tätig.
Zusammen mit Herrn Dr. van Basshuysen war er unter anderem von 1996 bis 2003 Herausgeber der Zeitschrif-
tenbeilage Shell-Lexikon Verbrennungsmotor, welche im Jahr 2004 als Buch mit dem Titel ,,Lexikon Motoren-
technik“ erschienen ist. Darüber hinaus ist er mit Herrn Dr.-Ing. E.h. van Basshuysen Herausgeber und Mitautor
des Internetportals www.motorlexikon.de und des „Handbuch Verbrennungsmotor“. Herr Prof. Dr.-Ing. Fred
Schäfer ist seit Jahren Mitglied des VDI und der SAE.
IX

Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

1 Geschichtlicher Rückblick Prof. Dr. Ing. Stefan Zima (†)/


Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer

2 Definition und Einteilung Dr.-Ing. Hanns Erhard Heinze/


der Hubkolbenmotoren Prof. Dr.-Ing Helmut Tschöke
2.1 Definitionen
2.2 Möglichkeiten der Einteilung

3 Kenngrößen Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher


3.1 Hubvolumen
3.2 Verdichtungsverhältnis
3.3 Drehzahl und Kolbengeschwindigkeit
3.4 Drehmoment und Leistung
3.5 Kraftstoffverbrauch
3.6 Gasarbeit und Mitteldruck
3.7 Wirkungsgrad
3.8 Luftdurchsatz und Zylinderfüllung
3.9 Luft-Kraftstoff-Verhältnis

4 Kennfelder Dipl.-Ing. Bernd Haake


4.1 Verbrauchskennfelder
4.2 Emissionskennfelder
4.3 Zündungs- und Einspritzkennfelder
4.4 Abgastemperaturkennfelder

5 Thermodynamische Grundlagen Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer


5.1 Kreisprozesse
5.2 Vergleichsprozesse
5.3 Offene Vergleichsprozesse
5.4 Wirkungsgrade
5.5 Energiebilanz am Motor

6 Triebwerk
6.1 Kurbeltrieb Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima (†)/
6.2 Drehschwingungen Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer
6.3 Variabilität von Verdichtung Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer
und Hubvolumen

7 Motorkomponenten
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung Dr.-Ing. Uwe Mohr/
Dr.-Ing. Wolfgang Ißler
7.2 Pleuel Dr. Thierry Garnier
7.3 Kolbenringe Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer/
Dipl.-Phys. Hans-Rainer Brillert
7.4 Kurbelgehäuse Dipl.-Ing. Günter Helsper/
Dipl.-Ing. Karl B. Langlois/
Dr.-Ing. Michael Wagner
Dipl.-Ing. Gerd Ohrnberger
X

7.5 Zylinder Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer/


Dr.-Ing. Arnim Robota
7.6 Ölwanne Dipl.-Ing. Günter Helsper/
Dipl.-Ing. Karl B. Langlois/
Dr.-Ing. Michael Wagner
Dipl.-Ing. Gerd Ohrnberger
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung Dr.-Ing. Uwe Meinig
7.8 Zylinderkopf Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Hannibal/
Dipl.-Ing. Johann Schopp
7.9 Kurbelwellen Dr. sc. techn. ETH Werner Menk
Dipl. Ing., MBA Ilias Papadimitriou
Guido Rau
7.10 Ventiltriebskomponenten Wolfgang Christgen/Michael
Haas/Norbert Nitz
7.11 Ventile Dr. Olaf Josef/
Dipl.-Ing. Axel Linke
7.12 Ventilfedern Dr.-Ing. Rudolf Bonse
7.13 Ventilsitzringe Dr.-Ing. Gerd Krüger
7.14 Ventilführungen
7.15 Ölpumpe Dr. Christof Lamparski
7.16 .1 – Nockenwelle Dipl.-Ing. Hermann Hoffmann/
7.16.9 Dr.-Ing. Martin Lechner/
Dipl.-Ing. GwL. Falk Schneider/
Dipl.-Ing. Markus Lettmann/
Dipl.-Ing. Rolf Kirschner
7.16.10 Nockenwellenverstellsysteme Andreas Strauss
7.17 Kettentrieb Dr.-Ing. Peter Bauer
7.18 Riementriebe Dipl.-Ing. Ralf Walter/
Dipl.-Ing. Wolfgang Körfer/
Dipl.-Ing. Michael Neu/
Dipl.-Ing. Franz Fusenig
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren Dipl.-Ing. Dr. techn. Rainer Aufischer
Dipl.-Ing. Andreas Weber/
7.20 Ansaugsysteme Dipl.-Ing. (FH) Alexander Korn
7.20.1 Komponenten der Ansaugsysteme Dipl.-Ing. Andreas Weber/
Dipl.-Ing. Andreas Pelz/
Dipl.-Ing. (FH) Alexander Korn
7.20.2 Akustik Dipl.-Ing. (FH) Matthias Alex
7.21 Dichtsysteme
7.21.1 Zylinderkopfdichtungssysteme Dipl.-Ing. Armin Diez
7.21.2 Spezialdichtungen Dipl.-Ing. Wilhelm Kullen/
Dr.-Ing. Oliver Göb
7.21.3 Elastomer-Dichtsysteme Dipl.-Ing. Eberhard Griesinger
7.21.4 Entwicklungsmethoden Dipl.-Ing. Uwe Georg Klump/
Dr. rer. nat. Hans-Peter Werner
7.22 Verschraubungen am Motor Dipl.-Ing. Siegfried Jende/
Dipl.-Ing. Thomas Kurtz
7.23 Abgaskrümmer Dipl.-Ing. Hubert Neumaier
7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren Dipl.-Ing. Peter Amm/
Dipl.-Ing. Franz Pawellek
Mirko Sierakowski
7.25 Steuerorgane des Zweitaktmotors Dr.-Ing. Uwe Meinig
XI

8 Motoren
8.1 Motorkonzepte Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer
8.2 Aktuelle Motoren
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren Andreas Bilek
8.4 Kreiskolbenmotor/Wankelmotor Mazda Motors (Deutschland)
Leverkusen
8.5 Kleinvolumige Motoren für handgeführte Dr.-Ing. Tim Gegg
Arbeitsgeräte

9 Tribologie
9.1 Reibung Dr.-Ing. Franz Maassen
9.2 Schmierung Prof. Dr. Stefan Zima (†)

10 Ladungswechsel
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher/
10.2 Ladungswechselrechnung Dr.-Ing. Sören Bernhardt
10.3 Gaswechsel bei Zweitaktmotoren Dr.-Ing. Uwe Meinig
10.4 – Variable Ventilsteuerungen Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Hannibal/
10.4.3 Dipl.-Ing. Andreas Knecht/
Dipl.-Ing. Wolfgang Stephan
10.4.4 Perspektiven des variablen Ventiltriebs Prof. Dr.-Ing. Rudolf Flierl/
Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Hannibal
10.5 Impulsaufladung mit steuerbaren Dipl.-Ing. Werner Wallrafen
Ansaugluft-Ventilen

11 Aufladung von Verbrennungsmotoren


11.1 Mechanische Aufladung Prof. Dr.-Ing. Hans Zellbeck/
11.2 Abgasturboaufladung Dr.-Ing. Tilo Roß
11.3 Ladeluftkühlung
11.4 Zusammenwirken von Motor und Verdichter
11.5 Dynamisches Verhalten
11.6 Zusatzmaßnahmen bei aufgeladenen
Verbrennungsmotoren
11.7 Leistungsexplosion durch Register- und Dipl.-Ing. Marc Sens/
zweistufige Aufladung bei Personenkraftwagen Dipl.-Ing. Guido Lautrich
(Hochaufladung)
11.8 Ermittlung von Turboladerkennfeldern an Dipl.-Ing. Marc Sens/
Turboladerprüfständen Dr.-Ing. Panagiotis Grigoriadis

12 Gemischbildungsverfahren und -systeme


12.1 Innere Gemischbildung Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer
12.2 Äußere Gemischbildung
12.3 – Gemischbildung bei Ottomotoren
12.3.7
12.3.8.1 Saugrohreinspritzsysteme Dipl.-Ing. Achim Koch
12.3.8.2 Systeme für Direkteinspritzung
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren Prof. Dr.-Ing Helmut Tschöke
12.4.1 Einspritzsysteme – Überblick
12.4.2 Systeme mit einspritzsynchroner
Druckerzeugung
12.4.3 Systeme mit zentralem Druckspeicher Dipl.-Ing. Wolfgang Bloching/
Dr. Klaus Wenzlawski
XII

12.4.4 Einspritzdüsen und Düsenhalter Prof. Dr.-Ing. Helmut Tschöke


12.4.5 Anpassung des Einspritzsystems an den Motor
12.5 Kraftstoffversorgungssystem Dr.-Ing. Thomas Zapp
12.5.1 Kraftstoffbehälter
12.5.2 Das Tankentlüftungssystem
12.5.3 Anforderungen an ein Kraftstofffördersystem Dipl.-Ing. Holger Dilchert/
Dipl.-Ing. Bernd Jäger/
Dipl.-Ing. Frank Kühnel/
Dipl.-Ing. Ralph Schröder
12.5.4 Die Füllstandsmessung Dipl.-Ing. Knut Schröter

13 Zündung Dr. Manfred Adolf/


13.1 Zündung – Ottomotor Dipl.-Ing. Heinz-Georg Schmitz
13.2 Zündkerzen
13.3 Zündung – Dieselmotor

14 Verbrennung Univ. Prof. Dr.-Ing. habil.


14.1 Kraftstoffe und Kraftstoffchemie Günter P. Merker/
14.2 Oxidation von Kohlenwasserstoffen Dr.-Ing. Peter Eckert
14.3 Selbstzündung
14.4 Flammenausbreitung
14.5 Modellbildung und Simulation

15 Verbrennungsverfahren
15.1 Dieselmotoren Prof. Dr.-Ing Helmut Tschöke/
Dr.-Ing. Detlef Hieber
15.2 Ottomotoren Dipl.-Ing. Marc Sens/
Dipl.-Ing. Reinhold Bals/
Dipl.-Ing. Ralf Wascheck/
Dipl.-Ing. Michael Riess
15.3 Zweitakt-Dieselmotor Dr.-Ing. Uwe Meinig
15.4 Zweitakt-Ottomotor

16 Elektronik und Mechanik für Motor-


und Getriebesteuerung
16.1 Umweltanforderungen Dr. rer. Nat.-Phys. Thomas Riepl/
Dipl.-Ing. Karl Smirra
16.2 Standalone-Produkte Dr. rer. Nat.-Phys. Thomas Riepl
16.3 Verbindungstechnik
16.4 Getriebesteuergeräte Dr. rer. nat.-Phys.
Matthias Wieczorek
16.5 Elektronischer Aufbau, Strukturen und Dipl.-Ing. Gerwin Höreth/
Bauelemente Dipl.-Ing. Rainer Riecke
16.6 Steuergeräteelektronik Dipl.-Ing. Gerwin Höreth/
Dipl.-Ing. Alexander Sedlmeier/
Dipl.-Ing. Martin Götzenberger/
Dipl.-Ing. Peter Bertelshofer
16.7 Software-Strukturen Dipl.-Ing. Gerhard Wirrer/
Dipl.-Ing. Thomas Vogt
16.8 Die Steuerung des Verbrennungsmotors Dipl.-Ing. Alfred Brandl/
Dipl.-Ing. Martin Jehle
16.9 Funktionen Dipl.-Ing. Martin Jehle
16.10 Sicherheitskonzepte in Getriebesteuerungen Dipl.-Ing. Peter Bertelshofer
XIII

17 System Antriebsstrang
17.1 Antriebsstrang-Architektur Dr.-Ing. Michael Ulm
17.2 Längsdynamik des Kraftfahrzeuges
17.3 Getriebetypen
17.4 Leistungsebene und Signalverarbeitungsebene
17.5 Getriebesteuerung Dipl.-Ing. Friedrich Graf
17.6 Integriertes Antriebsstrangmanagement (IPM®)
17.7 Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung Dipl.-Ing. Uwe Möhrstädt

18 Sensoren Dr.-Ing. Anton Grabmaier/


18.1 Temperatursensoren Dr.-Ing. Bernd Last
18.2 Füllstandsensoren
18.3 Klopfsensoren
18.4 Abgassensoren
18.5 Drucksensoren
18.6 Luftmassensensor
18.7 Drehzahlsensoren
18.8 Brennraumdrucksensoren für Dieselmotoren

19 Aktuatoren
19.1 Antriebe Dipl.-Ing. Stefan Klöckner
19.2 Drosselklappenstellglieder
19.3 Drall- und Tumbleklappen/
Resonanzaufladung
19.4 Turbolader mit variabler
Turbinengeometrie
19.5 Abgasrückführventile Dipl.-Wirt.-Ing. Axel Tuschik
19.6 Verdunstungsemission, Komponenten

20 Kühlung von Verbrennungsmotoren Dipl.-Ing. Matthias Banzhaf/


20.1 Allgemeines Dr.-Ing. Wolfgang Kramer
20.2 Anforderungen an das Kühlsystem
20.3 Berechnungsgrundlagen und Simulations-Tools
20.4 Subsysteme der Motorkühlung
20.5 Kühlmodule
20.6 Gesamtsystem Motorkühlung

21 Abgasemissionen
21.1 Gesetzliche Vorschriften ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn.
21.2 Abgasmesstechnik Ernst Pucher
21.3 Schadstoffe und ihre Entstehung
21.4 Minderung von Schadstoffen
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor
21.5.1 Katalysatoraufbau und chemische Reaktionen Dipl.-Ing. Stefan Brandt
21.5.2 Katalysatorkonzepte stöchiometrisch Dr. Stephan Siemund/
betriebener Motoren Dr.-Ing. Susanne Stiebels
21.5.3 Katalysatorkonzepte für Magermotoren Dipl.-Ing. Stefan Brandt/
Dipl.-Ing. Uwe Dahle
21.5.4 Metallische Katalysatorträger Dr. Andrée Bergmann
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor
21.6.1 Diesel-Oxidationskatalysatoren Dr. rer. nat. Peter Scherm
XIV

21.6.2 NOx Adsorber für Diesel-Pkw Dr. rer. nat. Tilman Beutel
21.6.3 Partikel/Partikelfilter Dr. h.c. Dipl.-Ing.
Andreas C. R. Mayer/
Dr. Markus Kasper/
Prof. Dr. Heinz Burtscher
21.6.4 Katalytischer Partikelfilter Dipl.-Ing. Alfred Punke

22 Betriebsstoffe
22.1 Kraftstoffe Wolfgang Dörmer
22.1.1 Dieselkraftstoff
22.1.2.3 Alternative Ottokraftstoffe Norbert Neumann/
22.2 Schmierstoffe Volker Clasen/
Dr. Ulrich Pfisterer/
22.3 Kühlmittel Volker Clasen/
Dr. Oliver Busch

23 Filtration von Betriebsstoffen Dr.-Ing. Pius Trautmann


23.1 Luftfilter
23.2 Kraftstofffilter
23.3 Motorölfilter

24 Berechnung und Simulation


24.1 Festigkeits- und Schwingungsberechnung Dr. Peter Klumpp
24.1.1 Methoden
24.1.2 Ausgewählte Anwendungsbeispiele
24.1.3 Kolbenberechnungen Priv.-Doz. Dr.-Ing. Ralf Meske/
Klaus Lades

25 Verbrennungsdiagnostik – Indizieren und Dr. Ernst Winklhofer/


Visualisieren in der Verbrennungs- Dr. Walter F. Piock/
entwicklung Dr. Rüdiger Teichmann
25.1 Themenstellung
25.2 Indizieren
25.3 Visualisieren

26 Kraftstoffverbrauch Prof. Dr.-Ing. Peter Steinberg/


26.1 Allgemeine Einflussgrößen Dr.-Ing. Dirk Goßlau
26.2 Motorische Maßnahmen
26.3 Getriebeübersetzungen
26.4 Fahrerverhalten
26.5 CO2-Emissionen

27 Geräuschemissionen Dr.-Ing. Hans-Walter Wodtke/


27.1 Physikalische Grundlagen und Begriffe Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn.
27.2 Gesetzliche Außengeräuschvorschriften Hartmut Bathelt/
27.3 Geräuschquellen des Außengeräusches Dipl.-Ing. Andreas Gruber
27.4 Maßnahmen zur Außengeräuschminderung
27.5 Motorgeräusch im Innenraum
27.6 Akustische Leitlinien für den Motorkonstrukteur
27.7 Messtechniken und Analysemethoden
27.8 Psychoakustik
XV

27.9 Sound-Engineering
27.10 Simulationswerkzeuge
27.11 Anti-Noise-Systeme: Geräuschminderung durch
Gegenschall

28 Motorenmesstechnik Univ. Prof. Dr. Christian Beidl/


Dipl.-Ing. Dr. techn.
Klaus-Christoph Harms/
Dr. Christoph R. Weidinger

29 Hybridantriebe Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer/


29.1 Historie Dipl.-Ing. Carsten von Essen
29.2 Grundlagen der Hybridantriebe
(allgemeiner Überblick)
29.3 Einteilung der Hybridantriebe
29.4 Elektrische Antriebssysteme
29.5 Energiespeichersysteme
29.6 Getriebe für Hybridantriebe
29.7 Energiemanagement
29.8 Betriebsstrategien
29.9 Aktuelle Hybridfahrzeuge
29.10 Zukünftige Entwicklung
29.11 Range Extender Hon.-Prof. Dr.-Ing. habil. Eduard Köhler/
Dr.-Ing. Martin Hopp

30 Alternative Fahrzeugantriebe und APUs Prof. Dr.-Ing. Ulrich Seiffert/


(Auxiliary Power Units) Prof. Dr.-Ing. Burghard Voß/
B.Sc. Maximilian Zehmisch
30.1 Gründe für Alternativen
30.2 Elektroantrieb
30.3 Stirlingmotor
30.4 Gasturbine
30.5 Brennstoffzelle als Fahrzeugantrieb
30.6 Zusammenfassende Bewertung der
Alternativen Energien und Antriebe
30.7 Wasserstoff-Verbrennungsmotor
30.8 Stromerzeugung durch eine Auxiliary Power Unit (APU)

31 Energiemanagement in Motor und Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer/


Fahrzeug Dr.-Ing. E.h. Johannes Liebl
31.1 Verluste bei der Energieumwandlung
31.2 Bedarfsorientiertes Energiemanagement
31.3 Stromerzeugung im Fahrzeug
31.4 Wärmemanagement

32 Energien für Antriebe nach 2020 Dipl.-Ing. (FH) Rolf Brück/


Dipl. Chem.-Ing. Peter Hirth/
Dr. Eberhard Jacob/
Wolfgang Maus

33 Ausblick Dr.-Ing. E.h. Richard van Basshuysen


XVII

Firmen- und Hochschulverzeichnis

Firmenverzeichnis

Akustikzentrum GmbH, Lenting Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn.


Hartmut Bathelt
Andreas Stihl AG & Co. KG, Waiblingen Dr.-Ing. Tim Gegg
Audi AG, Ingolstadt Dipl.-Ing. Andreas Gruber
Dr. Peter Klumpp
AVL List GmbH, A-Graz Dr. F. Walter Piock
Dr. Rüdiger Teichmann
Dr. Ernst Winklhofer
Dr. Christoph R. Weidinger
Dipl.-Ing. Dr. techn. Klaus-Christoph
Harms
BorgWarner BERU Systems GmbH, Ludwigsburg Dr. Manfred Adolf
Dipl.-Ing. Heinz-Georg Schmitz
(ehemals)
Bleistahl, Wetter Dr.-Ing. Gerd Krüger (ehemals)
BMW Group, München Dipl.-Ing. Johann Schopp
Dr.-Ing. E.h. Johannes Liebl
BRP-Powertrain GmbH & Co. KG, Gunskirchen Dipl.-Ing. Gerd Ohrnberger
Dr.-Ing. Michael Wagner (ehemals)
Continental Automotive GmbH Dipl.-Ing. Peter Bertelshofer
Dipl.-Ing. Wolfgang Bloching
Dipl.-Ing. Alfred Brandl
Dipl.-Ing. Holger Dilchert
Dipl.-Ing. Martin Götzenberger
Dr.-Ing. Anton Grabmaier
Dipl.-Ing. Friedrich Graf
Dipl.-Ing. Gerwin Höreth
Dipl.-Ing. Bernd Jäger
Dipl.-Ing. Martin Jehle
Dipl.-Ing. Stefan Klöckner
Dipl.-Ing. Achim Koch
Dipl.-Ing. Frank Kühnel
Dr.-Ing. Bernd Last
Dipl.-Ing. Uwe Möhrstädt
Dipl.-Ing. Rainer Riecke
Dr. rer.nat. Dipl.-Phys.Thomas Riepl
Dipl.-Ing. Ralph Schröder
Dipl.-Ing. Knut Schröter
Dipl.-Ing. Alexander Sedlmeier
Dipl.-Ing. Karl Smirra
Dipl.-Wirt.-Ing. Axel Tuschik
Dr.-Ing. Michael Ulm
Dipl.-Ing. Thomas Vogt
XVIII

Dipl.-Ing. Werner Wallrafen


Dr. Klaus Wenzlawski
Dr. rer. nat.-Phys. Matthias Wieczorek
Dipl.-Ing. Gerhard Wirrer
Dr.-Ing. Thomas Zapp
Deutsche BP AG, Bochum Dr. Oliver Busch
Wolfgang Dörmer
Norbert Neumann
Dr. Ulrich Pfisterer
Deutsche BP AG, Hamburg Volker Clasen
Dr.-Ing. h.c. F. Porsche AG, Weissach Dipl.-Ing. Günter Helsper (ehemals)
Dipl.-Ing. Karl B. Langlois

ElringKlinger AG, Dettingen/Erms Dipl.-Ing. Armin Diez


Dr.-Ing. Oliver Göb
Dipl.-Ing. Eberhard Griesinger
Dipl.-Ing. Uwe Georg Klump
Dipl.-Ing. Wilhelm Kullen
Dr. rer. nat. Hans-Peter Werner
Emitec Produktion Eisenach GmbH, Hörselberg-Hainich Dr. Andrée Bergmann
Emitec Gesellschaft für Emissionstechnologie mbH, Dipl.-Ing. (FH) Rolf Brück
Lohmar Dipl. Chem.-Ing. Peter Hirth
Dr. Eberhard Jacob
Wolfgang Maus
ehemals Engelhardt Technologies GmbH, Hannover Dr. rer. nat. Tilman Beutel
Dipl.-Ing. Stefan Brandt (ehemals)
Dipl.-Ing. Uwe Dahle
Dipl.-Ing. Alfred Punke
Dr. rer. nat. Peter Scherm
Dr. Stephan Siemund
Dr.-Ing. Susanne Stiebels
Federal-Mogul Burscheid GmbH, Burscheid Dipl.-Phys. Hans-Rainer Brillert
Dr.-Ing. Arnim Robota
Federal-Mogul Wiesbaden GmbH & Co. KG, Wiesbaden Dr. Thierry Garnier
Federal-Mogul Nürnberg GmbH, Nürnberg Klaus Lades
Priv.-Doz. Dr.-Ing. Ralf Meske
FEV GmbH, Aachen Dipl.-Ing. Bernd Haake
Dr.-Ing. Franz Maassen
Gates GmbH, Aachen Dipl.-Ing. Franz Fusenig
Dipl.-Ing. Wolfgang Körfer
Dipl.-Ing. Michael Neu
Dipl.-Ing. Ralf Walter
Georg Fischer Automotive AG, CH-Schaffhausen Dr. sc. techn. ETH Werner Menk
Dipl. Ing., MBA Ilias Papadimitriou
Guido Rau
XIX

Geräte- und Pumpenbau GmbH Dr. Eugen Schmidt, Dipl.-Ing. Peter Amm
Merbelsrod Dipl.-Ing. Franz Pawellek
Hilite International/Hydraulik-Ring, Nürtingen Dipl.-Ing. Andreas Knecht
hofer mechatronik, Oberboihingen Dipl.-Ing. Wolfgang Stephan
IAV GmbH, Berlin Dr.-Ing. Panagiotis Grigoriadis
Dipl.-Ing. Guido Lautrich
Dipl.-Ing. Michael Riess
Dipl.-Ing. Marc Sens
Dipl.-Ing. Carsten von Essen
Prof. Dr.-Ing. Burghard Voß
B.Sc. Maximilian Zehmisch
IAV GmbH, Gifhorn Dr.-Ing. Peter Eckert (ehemals)
Dipl.-Ing. Reinhold Bals
Dipl.-Ing. Ralf Wascheck
IGS Zwickau Mirko Sierakowski
iwis motorsysteme GmbH & Co. KG, München Dr.-Ing. Peter Bauer
KSPG AG, Neckarsulm Dr.-Ing. Martin Hopp
Hon.-Prof. Dr.-Ing. habil. Eduard Köhler
(ehemals)
KTM Sportmotorcycle AG Andreas Bilek (ehemals)
MAHLE GmbH, Stuttgart Dipl.-Ing. Rolf Kirschner
Dipl.-Ing. Markus Lettmann
Dipl.-Ing. GwL. Falk Schneider
MAHLE Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart Dipl.-Ing. Matthias Banzhaf
Dr.-Ing. Wolfgang Kramer
MAHLE International GmbH, Stuttgart Dipl.-Ing. Hermann Hoffmann
Dr.-Ing. Uwe Mohr
Dr.-Ing. Martin Lechner (ehemals)
Dr.-Ing. Wolfgang Ißler

Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg Dipl.-Ing. (FH) Matthias Alex


Dipl.-Ing. (FH) Alexander Korn
Dipl.-Ing. Andreas Pelz
Dr.-Ing. Pius Trautmann
Dipl.-Ing. Andreas Weber
Matter Engineering AG, CH-Wohlen Dr. Markus Kasper

Mazda Motors (Deutschland) GmbH, Leverkusen

Miba-Bearing Group – Miba Gleitlager GmbH, Dipl.-Ing. Dr. techn. Rainer Aufischer
A-Laarkirchen

Muhr und Bender KG, Attendorn Dr.-Ing. Rudolf Bonse


Peiner Umformtechnik GmbH, Peine Dipl.-Ing. Siegfried Jende (ehemals)

Richard Bergner Verbindungstechnik GmbH & Co. KG, Dipl.-Ing. Thomas Kurtz
Schwabach
XX

Schaeffler Engineering GmbH, Werdohl Dr.-Ing. Hans-Walter Wodtke


Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Wolfgang Christgen
Herzogenaurach Michael Haas
Norbert Nitz
Andreas Strauss
SHW Automotive GmbH, Bad Schussenried Dr. Christof Lamparski (ehemals)
Dr.-Ing. Uwe Meinig

Tenneco GmbH, Edenkoben Dipl.-Ing. Hubert Neumaier

TRW Automotive, Barsinghausen Dipl.-Ing. Axel Linke


Dr.-Ing. Olaf Josef
TTM Technik Thermische Maschinen, Dr. h.c. Dipl.-Ing. C. R.
CH-Niederrohrdorf Andreas Mayer

Hochschulverzeichnis

Fachhochschule Aargau, CH-Windisch Prof. Dr. Heinz Burtscher


Technische Hochschule Mittelhessen Prof. Dr.-Ing. Claus Breuer
(THM), Friedberg Prof. Dr.-Ing. Stefan Zima (†)
Technische Hochschule Karlsruhe Dr.-Ing. Sören Bernhardt
Fachhochschule Südwestfalen, Iserlohn Prof. Dr.-Ing. Wilhelm Hannibal
Prof. Dr.-Ing. Fred Schäfer
Brandenburgische Technische Universität
Cottbus-Senftenberg Dr.-Ing. Dirk Goßlau
Prof. Dr.-Ing. Peter Steinberg
Technische Universität Braunschweig Prof. Dr.-Ing. Ulrich Seiffert
Technische Universität Darmstadt Univ. Prof. Dr. Christian Beidl
Technische Universität Dresden Prof. Dr.-Ing. Hans Zellbeck
Dr.-Ing. Tilo Roß
Technische Universität Hannover Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil.
Günter P. Merker
Technische Universität Kaiserslautern Prof. Dr.-Ing. Rudolf Flierl
Technische Universität Wien ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn.
Ernst Pucher
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Dr.-Ing. Hanns Erhard Heinze
Dr.-Ing. Detlef Hieber
Prof. Dr.-Ing. Helmut Tschöke
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher
XXI

Autorenverzeichnis

Adolf, Manfred, Dr. BorgWarner BERU Systems GmbH, Ludwigsburg

Alex, Matthias, Dipl.-Ing. (FH) Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg

Amm, Peter, Dipl.-Ing. Geräte- und Pumpenbau GmbH, Dr. Eugen Schmidt,
Merbelsrod

Aufischer, Rainer, Dipl.-Ing. Miba Bearing Group – Miba Gleitlager GmbH, A-Laakirchen
Dr. techn.

Bals, Reinhold, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Gifhorn

Banzhaf, Matthias, Dipl.-Ing. MAHLE Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart

Bathelt, Hartmut, Akustikzentrum GmbH, Lenting


Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn.

Bauer, Peter, Dr.-Ing. iwis motorsysteme GmbH & Co. KG,


München

Beidl, Christian, Univ. Prof. Dr. Technische Universität Darmstadt, Institut für
Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe

Bergmann, Andrée, Dr. Emitec Produktion Eisenach GmbH, Hörselberg-Hainich

Bernhardt, Sören, Dr.-Ing. Universität Karlsruhe

Bertelshofer, Peter, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Beutel, Tilman, Dr. rer. nat. ehemals Engelhardt Technologies GmbH, Hannover

Bilek, Andreas ehemals KTM Sportmotorcycle AG

Bloching, Wolfgang, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Bonse, Rudolf, Dr.-Ing. Muhr und Bender KG, Attendorn

Brandl, Alfred, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Brandt, Stefan, Dipl.-Ing. ehemals Engelhardt Technologies GmbH, Hannover

Breuer, Claus, Prof. Dr.-Ing. Technische Hochschule Mittelhessen (THM), Friedberg

Brillert, Hans-Rainer, Dipl.-Phys. Federal-Mogul Burscheid GmbH, Burscheid

Brück, Rolf, Dipl.-Ing. (FH) Emitec Gesellschaft für Emissionstechnologie mbH,


Lohmar

Burtscher, Heinz, Prof. Dr. Fachhochschule Aargau, CH-Windisch

Busch, Oliver, Dr. Deutsche BP AG, Bochum


XXII

Christgen, Wolfgang Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Herzogenaurach

Clasen, Volker Deutsche BP AG, Hamburg

Dahle, Uwe, Dipl.-Ing. ehemals Engelhardt Technologies GmbH, Hannover

Diez, Armin, Dipl.-Ing. ElringKlinger AG, Dettingen/Erms

Dilchert, Holger, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Dörmer, Wolfgang Deutsche BP AG, Bochum

Eckert, Peter, Dr.-Ing. ehemals IAV GmbH, Gifhorn

Flierl, Rudolf, Prof. Dr.-Ing. TU Kaiserslautern

Fusenig, Franz, Dipl.-Ing. Gates GmbH, Aachen

Garnier, Thierry, Dr. Federal-Mogul Wiesbaden GmbH

Gegg, Tim, Dr.-Ing. Andreas Stihl AG & Co. KG, Waiblingen

Göb, Oliver, Dr.-Ing. ElringKlinger AG, Dettingen/Erms

Götzenberger, Martin, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Goßlau, Dirk, Dr.-Ing. Brandenburgische Technische Universität Cottbus-


Senftenberg, Lehrstuhl Fahrzeugtechnik und -antriebe

Grabmaier, Anton, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH

Graf, Friedrich, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Griesinger, Eberhard, Dipl.-Ing. ElringKlinger AG, Dettingen/Erms

Grigoriadis, Panagiotis, Dr.-Ing. IAV GmbH, Berlin

Gruber, Andreas, Dipl.-Ing. Audi AG, Ingolstadt

Haake, Bernd, Dipl.-Ing. FEV GmbH, Aachen

Haas, Michael Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Herzogenaurach

Hannibal, Wilhelm, Prof. Dr.-Ing. FH Südwestfalen, Iserlohn

Harms, Klaus-Christoph, AVL List GmbH, A-Graz


Dipl.-Ing. Dr. techn.

Heinze, Hanns Erhard, Dr.-Ing. Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Helsper, Günter, Dipl.-Ing. Dr.-Ing. h.c. F. Porsche AG, Weissach

Hieber, Detlef, Dr.-Ing. Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg


XXIII

Hirth, Peter, Dipl. Chem.-Ing. Emitec Gesellschaft für Emissionstechnologie mbH,


Lohmar

Hoffmann, Hermann, Dipl.-Ing. MAHLE International GmbH, Stuttgart

Hopp, Martin, Dr.-Ing. KSPG AG, Neckarsulm

Höreth, Gerwin, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Ißler, Wolfgang, Dr.-Ing. MAHLE International GmbH, Stuttgart

Jäger, Bernd, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Jacob, Eberhard, Dr. Emitec Gesellschaft für Emissionstechnologie mbH,


Lohmar

Jehle, Martin, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Jende, Siegfried, Dipl.-Ing. ehemals Peiner Umformtechnik GmbH, Peine

Josef, Olaf, Dr.-Ing. TRW Automotive, Barsinghausen

Kasper, Markus, Dr. Matter Engineering AG, CH-Wohlen

Kirschner, Rolf, Dipl.-Ing. MAHLE GmbH, Stuttgart

Klöckner, Stefan, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Klump, Uwe Georg, Dipl.-Ing. ElringKlinger AG, Dettingen/Erms

Klumpp, Peter, Dr. Audi AG, Ingolstadt

Knecht, Andreas, Dipl.-Ing. Hilite International/Hydraulik-Ring, Nürtingen

Koch, Achim, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Köhler, Eduard, Hon.-Prof. ehemals KSPG AG, Neckarsulm


Dr.-Ing. habil.

Körfer, Wolfgang, Dipl.-Ing. Gates GmbH, Aachen

Korn, Alexander, Dipl.-Ing. (FH) Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg

Kramer, Wolfgang, Dr.-Ing. MAHLE Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart

Krüger, Gerd, Dr.-Ing. ehemals Bleistahl, Wetter

Kühnel, Frank, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Kullen, Wilhelm, Dipl.-Ing. ElringKlinger AG, Dettingen/Erms

Kurtz, Thomas, Dipl.-Ing. Richard Bergner Verbindungstechnik GmbH & Co. KG,
Schwabach

Lades, Klaus Federal-Mogul Nürnberg GmbH, Nürnberg


XXIV

Lamparski, Christof, Dr. ehemals SHW Automotive GmbH, Bad Schussenried

Langlois, Karl B., Dipl.-Ing. Dr.-Ing. h.c. F. Porsche AG, Weissach

Last, Bernd, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH

Lautrich, Guido, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Berlin

Lechner, Martin, Dr. techn. ehemals MAHLE International GmbH, Stuttgart

Lettmann, Markus, Dipl.-Ing. MAHLE GmbH, Stuttgart

Liebl, Johannes, Dr.-Ing. E.h. BMW Group, München

Linke, Axel, Dipl.-Ing. TRW Automotive, Barsinghausen

Maassen, Franz, Dr.-Ing. FEV GmbH, Aachen

Maus, Wolfgang Emitec Gesellschaft für Emissionstechnologie mbH,


Lohmar

Mayer, Andreas C. R., TTM Technik Thermische Maschinen, CH-Niederrohrdorf


Dr. h.c. Dipl.-Ing.

Mazda Motors (Deutschland) GmbH


Leverkusen

Meinig, Uwe, Dr.-Ing. SHW Automotive GmbH, Bad Schussenried

Menk, Werner, Dr. sc. techn. ETH Georg Fischer Automotive AG, CH-Schaffhausen

Merker, Günter P., ehemals Leiter Institut für Technische Verbrennung,


Univ. Prof. Dr.-Ing. habil. Universität Hannover

Meske, Ralf, Priv.-Doz. Dr.-Ing. Federal-Mogul Nürnberg GmbH, Nürnberg

Möhrstädt, Uwe, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Mohr, Uwe, Dr.-Ing. MAHLE International GmbH, Stuttgart

Neu, Michael, Dipl.-Ing. Gates GmbH, Aachen

Neumaier, Hubert, Dipl.-Ing. Tenneco GmbH, Edenkoben

Neumann, Norbert Deutsche BP AG, Bochum

Nitz, Norbert Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Herzogenaurach

Ohrnberger, Gerd, Dipl.-Ing. BRP-Powertrain GmbH & Co. KG, A-Gunskirchen

Papadimitriou, Ilias, Dipl. Ing., MBA Georg Fischer Automotive AG, CH-Schaffhausen

Pawellek, Franz, Dipl.-Ing. Geräte- und Pumpenbau GmbH, Dr. Eugen Schmidt,
Merbelsrod
XXV

Pelz, Andreas, Dipl.-Ing. Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg

Pfisterer, Ulrich, Dr. Deutsche BP AG, Bochum

Piock, F. Walter, Dr. AVL List GmbH, A-Graz

Pucher, Ernst, Technische Universität Wien, Institut für Verbrennungs-


ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. kraftmaschinen und Kraftfahrzeugbau, A-Wien

Punke, Alfred, Dipl.-Ing. ehemals Engelhardt Technologies GmbH, Hannover

Rau, Guido Georg Fischer Automotive AG, CH-Schaffhausen

Riecke, Rainer, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Riepl, Thomas, Dr. rer. nat.-Phys. Continental Automotive GmbH

Riess, Michael, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Berlin

Robota, Arnim, Dr.-Ing. Federal-Mogul Burscheid GmbH

Roß, Tilo, Dr.-Ing. Technische Universität Dresden

Schäfer, Fred, Prof. Dr.-Ing. FH Südwestfalen, Iserlohn

Scherm, Peter, Dr. rer. nat. ehemals Engelhardt Technologies GmbH, Hannover

Schmitz, Heinz-Georg, Dipl.-Ing. ehemals BERU AG, Ludwigsburg

Schneider, Falk, Dipl.-Ing. Gwl. MAHLE GmbH, Stuttgart

Schopp, Johann, Dipl.-Ing. BMW Group, München

Schröder, Ralph, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Schröter, Knut, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Sedlmeier, Alexander, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Seiffert, Ulrich, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität Braunschweig

Sens, Marc, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Berlin

Siemund Stefan, Dr. ehemals Engelhardt Technologies GmbH, Hannover

Sierakowski, Mirko IGS Zwickau

Smirra, Karl, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Spicher, Ulrich, Prof. Dr.-Ing. Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Steinberg, Peter, Prof. Dr.-Ing. Brandenburgische Technische Universität Cottbus-


Senftenberg, Lehrstuhl Fahrzeugtechnik und -antriebe
XXVI

Stephan, Wolfgang, Dipl.-Ing. hofer mechatronik, Oberboihingen


Stiebels, Susanne, Dr.-Ing. ehemals Engelhardt Technologies GmbH, Hannover

Strauss, Andreas Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Herzogenaurach

Teichmann, Rüdiger, Dr. AVL List GmbH, A-Graz

Trautmann, Pius, Dr.-Ing. Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg

Tschöke, Helmut, Prof. Dr.-Ing. Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Tuschik, Axel, Dipl.-Wirt.-Ing. Continental Automotive GmbH

Ulm, Michael, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH

van Basshuysen, Richard, ehem. Herausgeber ATZ und MTZ, Bad Wimpfen
Dr.-Ing. E. h.

Vogt, Thomas, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

von Essen, Carsten, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Berlin

Voß, Burghard, Prof. Dr.-Ing. IAV GmbH, Berlin

Wagner, Michael, Dr.-Ing. ehemals BRP-Powertrain GmbH & Co. KG,


A-Gunskirchen

Wallrafen, Werner, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Walter, Ralf, Dipl.-Ing. Gates GmbH, Aachen

Wascheck, Ralf, Dipl.-Ing. IAV GmbH, Gifhorn

Weber, Andreas, Dipl.-Ing. Mann + Hummel GmbH, Ludwigsburg

Weidinger, Christoph R., Dr. AVL List GmbH, A-Graz

Wenzlawski, Klaus, Dr. Continental Automotive GmbH

Werner, Hans-Peter, Dr. rer. nat. ElringKlinger AG, Dettingen/Erms

Wieczorek, Matthias, Continental Automotive GmbH


Dr. rer. nat.-Phys.

Winklhofer, Ernst, Dr. AVL List GmbH, A-Graz

Wirrer, Gerhard, Dipl.-Ing. Continental Automotive GmbH

Wodtke, Hans-Walter, Dr.-Ing. Schaeffler Engineering GmbH, Werdohl

Zapp, Thomas, Dr.-Ing. Continental Automotive GmbH

Zehmisch, Maximilian, B.Sc. IAV GmbH, Berlin

Zellbeck, Hans, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität Dresden

Zima, Stefan, Prof. Dr.-Ing. (†) FH Gießen-Friedberg, FB Maschinenbau, Friedberg


XXVII

Inhaltverzeichnis

1 Geschichtlicher Rückblick ................................................................................................................... 1

2 Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren ............................................................................ 8


2.1 Definitionen ................................................................................................................................. 8
2.2 Möglichkeiten der Einteilung ....................................................................................................... 9
2.2.1 Verbrennungsverfahren .................................................................................................. 9
2.2.2 Kraftstoff ........................................................................................................................ 9
2.2.3 Arbeitsverfahren ............................................................................................................ 9
2.2.4 Gemischbildung ............................................................................................................. 10
2.2.5 Ladungswechselsteuerung .............................................................................................. 10
2.2.6 Ladungseinbringung ....................................................................................................... 10
2.2.7 Bauform ......................................................................................................................... 10
2.2.8 Zündung ......................................................................................................................... 11
2.2.9 Kühlung ......................................................................................................................... 12
2.2.10 Lastregelung ................................................................................................................... 12
2.2.11 Einsatzzweck .................................................................................................................. 13
2.2.12 Drehzahl- und Leistungsabstufung ................................................................................. 13

3 Kenngrößen .......................................................................................................................................... 14
3.1 Hubvolumen ................................................................................................................................ 14
3.2 Verdichtungsverhältnis ................................................................................................................ 15
3.3 Drehzahl und Kolbengeschwindigkeit ......................................................................................... 16
3.4 Drehmoment und Leistung ........................................................................................................... 17
3.5 Kraftstoffverbrauch ...................................................................................................................... 18
3.6 Gasarbeit und Mitteldruck ........................................................................................................... 19
3.7 Wirkungsgrad .............................................................................................................................. 22
3.8 Luftdurchsatz und Zylinderfüllung .............................................................................................. 22
3.9 Luft-Kraftstoff-Verhältnis ............................................................................................................ 23

4 Kennfelder ............................................................................................................................................ 26
4.1 Verbrauchskennfelder .................................................................................................................. 28
4.2 Emissionskennfelder .................................................................................................................... 29
4.3 Zündungs- und Einspritzkennfelder ............................................................................................. 32
4.4 Abgastemperaturkennfelder ......................................................................................................... 33

5 Thermodynamische Grundlagen ......................................................................................................... 34


5.1 Kreisprozesse ............................................................................................................................... 34
5.2 Vergleichsprozesse ...................................................................................................................... 35
5.2.1 Einfache Modellprozesse ............................................................................................... 35
5.2.1.1 Der Gleichraumprozess ................................................................................. 36
5.2.1.2 Gleichdruckprozess ....................................................................................... 36
5.2.1.3 Seiliger-Prozess ............................................................................................. 37
5.2.1.4 Vergleichende Betrachtung der Kreisprozesse .............................................. 37
5.2.2 Exergieverluste .............................................................................................................. 37
XXVIII

5.3 Offene Vergleichsprozesse .......................................................................................................... 39


5.3.1 Arbeitsprozess des vollkommenen Motors ..................................................................... 39
5.3.1.1 Grundlagen der Berechnung .......................................................................... 39
5.3.1.2 Arbeit des vollkommenen Motors ................................................................. 41
5.3.1.3 Wirkungsgrad des vollkommenen Motors ..................................................... 41
5.3.1.4 Exergieverlust beim vollkommenen Prozess ................................................. 41
5.3.2 Annäherung an den realen Arbeitsprozess ..................................................................... 42
5.3.2.1 Nulldimensionale Modelle ............................................................................. 42
5.3.2.2 Mehrdimensionale Modelle ........................................................................... 44
5.4 Wirkungsgrade ............................................................................................................................. 45
5.5 Energiebilanz am Motor .............................................................................................................. 46
5.5.1 Bilanzgleichung ............................................................................................................. 46

6 Triebwerk ............................................................................................................................................. 48
6.1 Kurbeltrieb ................................................................................................................................... 48
6.1.1 Aufbau und Funktion ..................................................................................................... 48
6.1.2 Kräfte am Kurbeltrieb .................................................................................................... 51
6.1.3 Tangentialkraftverlauf und mittlere Tangentialkraft ...................................................... 56
6.1.4 Massenkräfte .................................................................................................................. 58
6.1.4.1 Massenkräfte am Einzylinder-Triebwerk ....................................................... 59
6.1.4.2 Massenkräfte am Zweizylinder-V-Triebwerk ................................................ 59
6.1.4.3 Massenkräfte und Massenmomente bei Mehrzylinder-Triebwerken ............. 61
6.1.4.4 Beispiel (Fünfzylinder-Reihenmotor) ............................................................ 62
6.1.5 Massenausgleich ............................................................................................................ 64
6.1.5.1 Ausgleich am Einzylinder-Triebwerk ............................................................ 64
6.1.5.2 Ausgleich am Mehrzylinder-Triebwerk ......................................................... 65
6.1.6 Innere Momente ............................................................................................................. 68
6.1.7 Kröpfungs- und Zündfolgen ........................................................................................... 68
6.2 Drehschwingungen ...................................................................................................................... 69
6.2.1 Grundlagen ..................................................................................................................... 69
6.2.2 Reduktion der Maschinenanlage .................................................................................... 71
6.2.3 Eigenfrequenzen und Eigenschwingungsformen ............................................................ 71
6.2.4 Erregerkräfte, -arbeit und -amplituden ........................................................................... 71
6.2.5 Maßnahmen zur Verringerung der Kurbelwellenausschläge .......................................... 73
6.2.6 Zweimassenschwungräder ............................................................................................. 74
6.3 Variabilität von Verdichtung und Hubvolumen ........................................................................... 76
6.3.1 Variables Hubvolumen ................................................................................................... 76
6.3.2 Variable Verdichtung ..................................................................................................... 76

7 Motorkomponenten .............................................................................................................................. 81
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung ............................................................................ 81
7.1.1 Kolben ............................................................................................................................ 81
7.1.1.1 Anforderungen und Funktion ......................................................................... 81
7.1.1.2 Konstruktive Gestaltung ................................................................................ 81
7.1.1.3 Desachsierung der Nabenbohrung ................................................................. 83
7.1.1.4 Einbau- und Laufspiele .................................................................................. 84
7.1.1.5 Kolbenmassen ................................................................................................ 84
7.1.1.6 Betriebstemperaturen ..................................................................................... 85
7.1.1.7 Kolbenkühlung .............................................................................................. 85
7.1.1.8 Kolbenbauarten .............................................................................................. 86
7.1.1.9 Kolbenherstellung .......................................................................................... 90
7.1.1.10 Laufflächenschutz/Oberflächenschutz ........................................................... 91
7.1.1.11 Kolbenwerkstoffe .......................................................................................... 92
XXIX

7.1.2 Kolbenbolzen ................................................................................................................. 93


7.1.2.1 Funktion ......................................................................................................... 93
7.1.2.2 Bauarten ......................................................................................................... 94
7.1.2.3 Anforderung und Dimensionierung ............................................................... 94
7.1.2.4 Werkstoffe ..................................................................................................... 95
7.1.3 Kolbenbolzensicherungen .............................................................................................. 96
7.2 Pleuel ........................................................................................................................................... 96
7.2.1 Aufbau des Pleuels ......................................................................................................... 96
7.2.2 Belastung ....................................................................................................................... 97
7.2.3 Pleuelverschraubung ...................................................................................................... 98
7.2.4 Gestaltung ...................................................................................................................... 99
7.2.4.1 Pleuelstangenverhältnis ................................................................................. 99
7.2.5 Pleuelfertigung ............................................................................................................... 100
7.2.5.1 Rohteileherstellung ........................................................................................ 100
7.2.5.2 Bearbeitung ................................................................................................... 100
7.2.6 Pleuel-Werkstoffe .......................................................................................................... 102
7.3 Kolbenringe ................................................................................................................................. 103
7.3.1 Ausführungsformen ....................................................................................................... 104
7.3.1.1 Verdichtungsringe ......................................................................................... 104
7.3.1.2 Ölabstreifringe ............................................................................................... 105
7.3.2 Ringbestückungen .......................................................................................................... 106
7.3.3 Kenngrößen .................................................................................................................... 107
7.3.4 Kolbenringherstellung .................................................................................................... 109
7.3.4.1 Formgebung ................................................................................................... 109
7.3.4.2 Verschleißschutzschichten ............................................................................. 109
7.3.4.3 Oberflächenbehandlungen ............................................................................. 110
7.3.4.4 Werkstoffe für Kolbenringe ........................................................................... 111
7.3.5 Beanspruchung, Schäden, Verschleiß, Reibung ............................................................. 111
7.4 Kurbelgehäuse ............................................................................................................................. 112
7.4.1 Aufgaben und Funktionen .............................................................................................. 112
7.4.2 Gestaltung von Zylinderkurbelgehäusen ........................................................................ 114
7.4.2.1 Kurbelgehäusebauart ..................................................................................... 114
7.4.3 Optimierung der Akustik ................................................................................................ 119
7.4.4 Minimierung der Kurbelgehäusemasse .......................................................................... 120
7.4.5 Gießverfahren für Kurbelgehäuse .................................................................................. 122
7.4.5.1 Druckguss ...................................................................................................... 122
7.4.5.2 Kokillenguss .................................................................................................. 122
7.4.5.3 Lost-Foam-Verfahren .................................................................................... 122
7.4.5.4 Sandguss ........................................................................................................ 123
7.4.5.5 Squeeze-Casting ............................................................................................ 123
7.5 Zylinder ....................................................................................................................................... 123
7.5.1 Gestaltung von Zylindern ............................................................................................... 124
7.5.1.1 Monometall-Bauart ........................................................................................ 124
7.5.1.2 Einsatztechnik ................................................................................................ 125
7.5.1.3 Verbundtechnik ............................................................................................. 126
7.5.2 Bearbeitung von Zylinderlaufflächen ............................................................................. 127
7.5.2.1 Bearbeitungsverfahren ................................................................................... 128
7.5.3 Zylinderkühlung ............................................................................................................. 129
7.5.3.1 Flüssigkeitskühlung ....................................................................................... 129
7.5.3.2 Luftkühlung ................................................................................................... 129
7.6 Ölwanne ....................................................................................................................................... 130
7.6.1 Ölwannenbauart ............................................................................................................. 130
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung ............................................................................................................. 131
7.7.1 Gesetzliche Randbedingungen ....................................................................................... 131
7.7.2 Technische Anforderungen ............................................................................................ 132
7.7.3 Systemaufbau aktueller Kurbelgehäuseentlüftungssysteme ........................................... 135
XXX

7.7.4Ölabscheidung ................................................................................................................ 135


7.7.4.1 Grobölabscheidung ........................................................................................ 137
7.7.4.2 Ölnebelabscheidung ....................................................................................... 137
7.7.5 Kurbelgehäusedruckregelung ......................................................................................... 141
7.7.5.1 Druckregelventile ............................................................................................... 141
7.7.5.2 Impaktor-Druckregelventile ........................................................................... 142
7.7.6 Module und Ventilhaubenintegration ............................................................................. 144
7.8 Zylinderkopf ................................................................................................................................ 145
7.8.1 Grundauslegung des Zylinderkopfes .............................................................................. 145
7.8.1.1 Auslegung der Grundgeometrie ..................................................................... 146
7.8.1.2 Festlegung der Fertigungsverfahren ............................................................... 147
7.8.1.3 Auslegung der Gaswechselorgane ................................................................. 147
7.8.1.4 Variable Ventilsteuerungen ........................................................................... 147
7.8.2 Die Konstruktion des Zylinderkopfes ............................................................................ 147
7.8.2.1 Auslegung der Grobabmessungen ................................................................. 147
7.8.2.2 Brennraum- und Kanalauslegung .................................................................. 148
7.8.2.3 Ventiltriebsauslegung .................................................................................... 151
7.8.2.4 Kühlkonzepte ................................................................................................. 151
7.8.2.5 Ölhaushalt ...................................................................................................... 152
7.8.2.6 Konstruktive Detailauslegungen .................................................................... 152
7.8.2.7 Konstruktion in Baustufen ............................................................................. 153
7.8.2.8 CAD-Einsatz in der Konstruktion .................................................................. 153
7.8.2.9 Rechnergestützte Auslegung .......................................................................... 154
7.8.3 Gießverfahren ................................................................................................................ 156
7.8.3.1 Sandguss ........................................................................................................ 157
7.8.3.2 Kokillenguss .................................................................................................. 158
7.8.3.3 Lost-Foam-Verfahren (Vollform-Verfahren) ................................................. 159
7.8.3.4 Druckgussverfahren ....................................................................................... 160
7.8.4 Modell- und Formenbau ................................................................................................. 161
7.8.5 Mechanische Bearbeitung und Qualitätssicherung ......................................................... 162
7.8.5.1 Großserienfertigung ....................................................................................... 162
7.8.5.2 Prototypenfertigung ....................................................................................... 162
7.8.5.3 Qualitätssicherung der Zylinderköpfe ............................................................ 162
7.8.6 Ausgeführte Bauformen von Zylinderköpfen ................................................................. 163
7.8.6.1 Zylinderköpfe an Ottomotoren ...................................................................... 163
7.8.6.2 Zylinderköpfe an Dieselmotoren ................................................................... 165
7.8.6.3 Sonderbauformen von Zylinderköpfen .......................................................... 167
7.8.7 Perspektiven in der Zylinderkopftechnologie ................................................................. 169
7.9 Kurbelwellen ................................................................................................................................ 171
7.9.1 Funktion im Fahrzeug .................................................................................................... 171
7.9.1.1 Kurbelwellen im Hubkolbenmotor ................................................................ 171
7.9.1.2 Anforderungen ............................................................................................... 171
7.9.2 Herstellung und Eigenschaften ....................................................................................... 172
7.9.2.1 Verfahren und Werkstoffe ............................................................................. 172
7.9.2.2 Werkstoffliche Eigenschaften von Kurbelwellen ........................................... 173
7.9.3 Leichtbau und Verfahren zur Steigerung der Festigkeit ................................................. 174
7.9.3.1 Hohlgegossene Kurbelwellen ........................................................................ 174
7.9.3.2 ADI Austempered Ductil Iron (ausferritisches Gusseisen) ............................ 174
7.9.3.3 Erhöhung der Bauteilfestigkeit durch Nachbehandlung ................................. 174
7.9.3.4 Kombination Werkstoffentwicklung/optimiertes Festwalzen ........................ 175
7.9.4 Berechnung von Kurbelwellen ....................................................................................... 176
7.10 Ventiltriebskomponenten ............................................................................................................. 177
7.10.1 Standard-Ventiltrieb ....................................................................................................... 177
7.10.1.1 Ventiltriebe mit direktem Antrieb .................................................................. 178
7.10.1.2 Ventiltriebe mit indirektem Antrieb ............................................................... 179
7.10.1.3 Hydraulischer Ventilspielausgleich ............................................................... 181
7.10.1.4 Mechanische Ventilspieleinstellung .............................................................. 182
7.10.1.5 Variable Ventiltriebe ..................................................................................... 182
XXXI

7.10.2 Riemenspannsysteme, Spann- und Umlenkrollen ......................................................... 189


7.10.2.1 Einführung ..................................................................................................... 189
7.10.2.2 Automatische Riemenspannsysteme für Zahnriementriebe ........................... 190
7.10.2.3 Spann- und Umlenkrollen für Zahnriementriebe ........................................... 190
7.10.2.4 Zahnriementriebe in öliger Umgebung .......................................................... 191
7.10.2.5 Ausblick ......................................................................................................... 191
7.10.3 Kettenspann- und Führungssysteme ............................................................................... 191
7.10.3.1 Einführung ..................................................................................................... 191
7.10.3.2 Kette .............................................................................................................. 192
7.10.3.3 Kettenspannelement ....................................................................................... 192
7.10.3.4 Spann- und Führungsschienen ....................................................................... 193
7.10.3.5 Kettenräder .................................................................................................... 194
7.11 Ventile ......................................................................................................................................... 194
7.11.1 Funktion und Begriffserklärungen ................................................................................. 194
7.11.2 Fertigungsmethoden und Ventilarten ............................................................................. 195
7.11.2.1 Monometallventile ......................................................................................... 195
7.11.2.2 Bimetallventile .............................................................................................. 195
7.11.2.3 Hohlventile .................................................................................................... 196
7.11.3 Ausführungsformen ......................................................................................................... 197
7.11.3.1 Ventilkopf ...................................................................................................... 197
7.11.3.2 Ventilsitz ....................................................................................................... 197
7.11.3.3 Ventilschaft ................................................................................................... 197
7.11.3.4 Ventilführung ................................................................................................ 198
7.11.4 Ventilwerkstoffe .............................................................................................................. 198
7.11.4.1 Wärmebehandlung ......................................................................................... 198
7.11.4.2 Oberflächenveredelung .................................................................................. 199
7.11.5 Sonder-Ventilausführungen ............................................................................................. 199
7.11.5.1 Ventile mit werkstofflich bedingt geringer Masse .......................................... 199
7.11.5.2 Abgassteuerventile ......................................................................................... 199
7.11.6 Ventilkegelstücke ............................................................................................................. 199
7.11.6.1 Aufgabe und Funktion .................................................................................... 199
7.11.6.2 Fertigungsmethoden ....................................................................................... 200
7.11.7 Ventildrehvorrichtung ....................................................................................................... 200
7.11.7.1 Aufgabe ......................................................................................................... 200
7.11.7.2 Bauarten und Funktion ................................................................................... 201
7.12 Ventilfedern ................................................................................................................................. 202
7.13 Ventilsitzringe .............................................................................................................................. 205
7.13.1 Einleitung ....................................................................................................................... 205
7.13.2 Anforderungen an Ventilsitzringe .................................................................................. 205
7.13.2.1 Ventilsitzbeanspruchungen ............................................................................ 205
7.13.2.2 Werkstoffe und Eigenschaften ....................................................................... 206
7.13.2.3 Geometrie und Toleranzen ............................................................................. 210
7.13.2.4 Zylinderkopfgeometrie und -montage ........................................................... 212
7.14 Ventilführungen ........................................................................................................................... 213
7.14.1 Anforderungen an Ventilführungen ............................................................................... 213
7.14.1.1 Ventilführungsbeanspruchungen ................................................................... 213
7.14.2 Werkstoffe und Eigenschaften ....................................................................................... 215
7.14.2.1 Werkstoffe ..................................................................................................... 215
7.14.2.2 Werkstoffeigenschaften ................................................................................. 216
7.14.3 Geometrie Ventilführung ............................................................................................... 218
7.14.4 Zylinderkopfmontage ..................................................................................................... 220
7.15 Ölpumpe ...................................................................................................................................... 220
7.15.1 Übersicht über Ölpumpensysteme .................................................................................. 221
7.15.1.1 Innenzahnradpumpe ....................................................................................... 221
7.15.1.2 Außenzahnradpumpe ..................................................................................... 224
7.15.1.3 Flügelzellenpumpe ......................................................................................... 225
7.15.1.4 Vor- und Nachteile der einzelnen Pumpensysteme ........................................ 226
XXXII

7.15.2 Regelprinzipien .............................................................................................................. 227


7.15.2.1 Direkte Regelung ........................................................................................... 227
7.15.2.2 Indirekte Regelung ........................................................................................ 228
7.15.2.3 Rohöl- und reinölseitige Verstellung ............................................................. 229
7.15.2.4 Zwei- oder Mehrstufenregelung .................................................................... 229
7.15.2.5 Registerregelpumpe ....................................................................................... 229
7.15.3 Volumenstrom-Regelpumpen ........................................................................................ 230
7.15.3.1 Innenzahnrad-Regelpumpe (Volumenstromvariable Zahnringpumpe) .......... 231
7.15.3.2 Außenzahnrad-Volumenstrom-Regelpumpe .................................................. 232
7.15.3.3 Flügelzellenpumpe ......................................................................................... 232
7.15.4 Leistungseinsparung im NEFZ- Zyklus ......................................................................... 233
7.15.5 Konstruktionsgrundlagen ............................................................................................... 235
7.15.5.1 Kurbelwellenpumpe ....................................................................................... 236
7.15.5.2 Sumpfpumpe .................................................................................................. 237
7.15.5.3 Ölpumpenkennwerte aus der Praxis ............................................................... 238
7.15.5.4 Vergleich zwischen Kurbelwellen und Sumpfpumpen .................................. 238
7.15.6 Kavitation und Geräuschemission .................................................................................. 241
7.15.7 Berechnung .................................................................................................................... 244
7.15.7.1 Numerische Strömungssimulation CFD ........................................................ 244
7.15.7.2 Eindimensionale Simulation von Strömungsnetzwerken ............................... 246
7.16 Nockenwelle ................................................................................................................................ 246
7.16.1 Aufgaben der Nockenwelle ............................................................................................ 246
7.16.2 Ventiltriebkonfigurationen ............................................................................................. 247
7.16.3 Aufbau einer Nockenwelle ............................................................................................. 248
7.16.4 Technologien und Werkstoffe ........................................................................................ 249
7.16.4.1 Gussnockenwelle ........................................................................................... 250
7.16.4.2 Gebaute Nockenwelle .................................................................................... 250
7.16.4.3 Stahlnockenwelle ........................................................................................... 251
7.16.4.4 Sonderformen von Nockenwellen .................................................................. 251
7.16.4.5 Werkstoffeigenschaften und empfohlene Paarungen ..................................... 254
7.16.5 Massereduktion .............................................................................................................. 255
7.16.6 Einflussfaktoren für Nockenwellenbelastung ................................................................. 255
7.16.7 Auslegung von Nockenprofilen ...................................................................................... 256
7.16.8 Kinematikrechnung ........................................................................................................ 257
7.16.9 Dynamikrechnung .......................................................................................................... 258
7.16.10 Nockenwellenverstellsysteme ........................................................................................ 258
7.17 Kettentrieb ................................................................................................................................... 262
7.17.1 Kettenbauformen ............................................................................................................ 262
7.17.2 Kettenkennwerte ............................................................................................................ 264
7.17.3 Kettenräder ..................................................................................................................... 264
7.17.4 Kettenführungselemente ................................................................................................ 265
7.17.5 Reibungsreduzierungskonzepte von Steuerkettentrieben ............................................... 265
7.18 Riementriebe ................................................................................................................................ 267
7.18.1 Zahnriementriebe zum Antrieb von Nockenwellen ........................................................ 267
7.18.1.1 Antriebselement Zahnriemen ......................................................................... 267
7.18.1.2 Antriebssystem Zahnriemen .......................................................................... 269
7.18.1.3 Zahnriementriebdynamik ............................................................................... 271
7.18.1.4 Ovalradtechnologie ........................................................................................ 272
7.18.1.5 Anwendungsbeispiele .................................................................................... 273
7.18.2 Keilrippenriementriebe zum Antrieb von Nebenaggregaten .......................................... 273
7.18.2.1 Antriebselement Micro-V®-Riemen ............................................................. 274
7.18.2.2 Antriebssystem Nebenaggregatetrieb ............................................................ 275
7.18.2.3 Anwendungsbeispiele .................................................................................... 276
7.18.2.4 Riemengetriebener Starter-Generator (RSG/Start-Stopp-System) ................. 276
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren ................................................................................................... 277
7.19.1 Grundlagen ..................................................................................................................... 277
7.19.1.1 Radiallager ..................................................................................................... 277
7.19.1.2 Axiallager ...................................................................................................... 279
XXXIII

7.19.2 Berechnung und Dimensionierung von Motorlagern ..................................................... 279


7.19.2.1 Belastung ....................................................................................................... 279
7.19.2.2 Zapfenverlagerungsbahn ................................................................................ 280
7.19.2.3 Numerische Lösungen zur Lagerberechnung ................................................. 281
7.19.2.4 Hauptdimensionen: Durchmesser, Breite ....................................................... 281
7.19.2.5 Ölführungsgeometrie ..................................................................................... 281
7.19.2.6 Feindimensionen ............................................................................................ 283
7.19.3 Lagerwerkstoffe ............................................................................................................. 285
7.19.3.1 Lagermetalle .................................................................................................. 285
7.19.3.2 Laufschichten ................................................................................................ 288
7.19.4 Lagerbauarten – Aufbau, Belastbarkeit, Anwendung ..................................................... 289
7.19.4.1 Massivlager ................................................................................................... 290
7.19.4.2 Zweistofflager ................................................................................................ 290
7.19.4.3 Dreistofflager ................................................................................................. 291
7.19.4.4 Miba-Rillenlager ............................................................................................ 292
7.19.4.5 Sputterlager ................................................................................................... 292
7.19.5 Lagerversagen ................................................................................................................ 292
7.19.5.1 Hergang eines Schadens ................................................................................ 292
7.19.5.2 Arten von Lagerschäden ................................................................................ 294
7.19.6 Ausblick ......................................................................................................................... 295
7.20 Ansaugsysteme ............................................................................................................................ 295
7.20.1 Komponenten des Ansaugsystems ................................................................................. 296
7.20.2 Akustik ........................................................................................................................... 301
7.21 Dichtsysteme ............................................................................................................................... 305
7.21.1 Zylinderkopfdichtungssysteme ...................................................................................... 305
7.21.1.1 Ferrolastic-Weichstoff-Zylinderkopfdichtungen ............................................ 305
7.21.1.2 Metall-Elastomer-Zylinderkopfdichtungen .................................................... 306
7.21.1.3 Metalllagen-Zylinderkopfdichtungen Metaloflex® ........................................ 306
7.21.1.4 Ausblick ......................................................................................................... 310
7.21.2 Spezialdichtungen .......................................................................................................... 311
7.21.2.1 Funktionsbeschreibung der Flachdichtung ..................................................... 311
7.21.2.2 Weichstoffdichtungen .................................................................................... 311
7.21.2.3 Metall-Weichstoff-Dichtungen ...................................................................... 311
7.21.2.4 Spezialdichtungen aus Metaloseal£ .............................................................. 313
7.21.2.5 Ausblick ......................................................................................................... 315
7.21.3 Elastomer-Dichtsysteme ................................................................................................ 315
7.21.3.1 Elastomerdichtungen ..................................................................................... 316
7.21.3.2 Metall-Elastomer-Dichtungen ........................................................................ 317
7.21.3.3 Module .......................................................................................................... 318
7.21.4 Entwicklungsmethoden .................................................................................................. 318
7.21.4.1 Finite-Elemente-Analyse ............................................................................... 319
7.21.4.2 Simulation im Labor – Funktions- und Lebensdauerprüfung ........................ 321
7.22 Verschraubungen am Motor ......................................................................................................... 323
7.22.1 Hochfeste Schraubenverbindungen ................................................................................ 323
7.22.2 Qualitätsanforderungen .................................................................................................. 323
7.22.3 Schraubverbindungen ..................................................................................................... 324
7.22.3.1 Zylinderkopfschraube .................................................................................... 325
7.22.3.2 Hauptlagerdeckelschraube ............................................................................. 325
7.22.3.3 Pleuelschraube ............................................................................................... 326
7.22.3.4 Riemenscheibenschraube ............................................................................... 328
7.22.3.5 Schwungradschraube ..................................................................................... 329
7.22.3.6 Nockenwellen-Lagerdeckelschraube ............................................................. 330
7.22.3.7 Ölwannenbefestigungsschraube ..................................................................... 330
7.22.4 Verschrauben in Leichtmetalle ....................................................................................... 330
7.22.5 Schraubenanziehverfahren ............................................................................................. 331
7.22.5.1 Drehmomentgesteuertes Anziehen ................................................................ 331
7.22.5.2 Drehwinkelgesteuertes Anziehen ................................................................... 332
7.22.5.3 Streckgrenzgesteuertes Anziehverfahren ....................................................... 333
XXXIV

7.23 Abgaskrümmer ............................................................................................................................ 333


7.23.1 Ablauf einer Krümmerentwicklung ................................................................................ 335
7.23.2 Krümmer als Einzelkomponente .................................................................................... 335
7.23.2.1 Gusskrümmer ................................................................................................ 335
7.23.2.2 Rohrkrümmer ................................................................................................ 336
7.23.2.3 Einfachwandige Halbschalenkrümmer .......................................................... 336
7.23.2.4 Luftspaltisolierte Krümmer (LSI-Krümmer) ................................................. 336
7.23.3 Krümmer als Teilmodul ................................................................................................. 337
7.23.3.1 Krümmer und Katalysator integriert .............................................................. 337
7.23.3.2 Krümmer und Turbolader integriert ............................................................... 337
7.23.4 Krümmer-Komponenten ................................................................................................ 338
7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren ............................................................................. 338
7.24.1 Anforderungen, Bauarten und konstruktiver Aufbau ..................................................... 338
7.24.2 Flügelrad und Spiralkanal .............................................................................................. 340
7.24.3 Kühlmittelseitige Abdichtung ........................................................................................ 342
7.24.4 Kennfeld und Ähnlichkeitsbeziehungen der Kühlmittelpumpe ...................................... 342
7.24.5 Kavitation ....................................................................................................................... 345
7.24.6 Strömungssimulation, Strömungsanalyse, Festigkeitsnachweis und Optimierung ......... 346
7.24.7 Schaltbare, regelbare und elektrische Kühlmittelpumpen .............................................. 348
7.25 Steuerorgane des Zweitaktmotors ................................................................................................ 352

8 Motoren ................................................................................................................................................. 355


8.1 Motorkonzepte ............................................................................................................................. 355
8.1.1 Motorbauarten ................................................................................................................ 356
8.1.2 Unterscheidungsmerkmale von Motorkonzepten bezüglich des Grundmotors ............... 359
8.1.3 Weitere Konzeptkriterien ............................................................................................... 361
8.1.4 Konzepte der Anordnung des Aggregates im Fahrzeug ................................................. 361
8.2 Aktuelle Motoren ......................................................................................................................... 362
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren ................................................................................................ 378
8.3.1 Motorräder für die Straße (On road) .............................................................................. 378
8.3.1.1 Einzylindermotoren ....................................................................................... 379
8.3.1.2 Zweizylindermotoren ..................................................................................... 379
8.3.1.3 Mehrzylindermotoren .................................................................................... 385
8.3.1.4 Leistungsentwicklung .................................................................................... 387
8.3.1.5 Hub-Bohrungs-Verhältnis .............................................................................. 389
8.3.1.6 Ventiltrieb ...................................................................................................... 390
8.3.1.7 Getriebe ......................................................................................................... 391
8.3.2 Motorräder für das Gelände (Off road) .......................................................................... 393
8.3.2.1 Motocross ...................................................................................................... 393
8.3.2.2 Enduro und Rallye ......................................................................................... 399
8.3.2.3 Trial ............................................................................................................... 400
8.3.3 Gesetzgebung ................................................................................................................. 401
8.3.3.1 Abgasemissionen ........................................................................................... 401
8.3.3.2 Geräuschemissionen ...................................................................................... 409
8.3.4 Rennmotoren .................................................................................................................. 411
8.3.4.1 125 und 250 2T für GP .................................................................................. 411
8.3.4.2 GP1 ................................................................................................................ 413
8.3.5 Sonderanwendungen ...................................................................................................... 418
8.3.5.1 Schneemobil .................................................................................................. 418
8.3.5.2 Wassermotorräder oder PWC (Personal Water Craft) ................................... 418
8.4 Kreiskolbenmotor/Wankelmotor .................................................................................................. 424
8.4.1 Historie .......................................................................................................................... 424
8.4.2 Generelle Funktionsweise eines Kreiskolbenmotors ...................................................... 425
8.4.3 Das Viertaktprinzip ........................................................................................................ 426
8.4.4 Der Kreiskolbenmotor des Pkws Renesis ....................................................................... 427
8.4.4.1 Der Seitenauslass ........................................................................................... 428
8.4.4.2 Variable Ansaugsteuerung und elektronische Drosselklappe ......................... 428
8.4.5 Der Wasserstoff-Kreiskolbenmotor ................................................................................ 430
XXXV

8.5 Kleinvolumige Motoren für handgeführte Arbeitsgeräte ............................................................. 431


8.5.1 Abgasgesetzgebung ........................................................................................................ 431
8.5.2 Maßnahmen zur Reduzierung der Abgasemissionen ...................................................... 432
8.5.2.1 Viertaktmotor im Vergleich zum Zweitaktmotor ........................................... 432
8.5.2.2 Katalysatoren ................................................................................................. 433
8.5.2.3 Resonanzaufladung ........................................................................................ 433
8.5.2.4 Ladungsschichtung ........................................................................................ 434
8.5.3 Gemischbildung und Motormanagement ....................................................................... 436

9 Tribologie .............................................................................................................................................. 439


9.1 Reibung ........................................................................................................................................ 439
9.1.1 Kenngrößen .................................................................................................................... 439
9.1.2 Reibungszustände ........................................................................................................... 439
9.1.3 Verfahren zur Reibungsmessung .................................................................................... 440
9.1.4 Einfluss des Betriebszustandes und der Randbedingungen ............................................ 442
9.1.4.1 Einlaufzustand des Verbrennungsmotors ....................................................... 442
9.1.4.2 Ölviskosität .................................................................................................... 442
9.1.4.3 Temperatureinfluss ........................................................................................ 442
9.1.4.4 Motorbetriebspunkt ....................................................................................... 443
9.1.5 Einfluss der Reibung auf den Kraftstoffverbrauch ......................................................... 443
9.1.6 Reibungsverhalten ausgeführter Verbrennungsmotoren ................................................. 444
9.1.6.1 Reibungsaufteilung ........................................................................................ 444
9.1.6.2 Triebwerk ...................................................................................................... 446
9.1.6.2.1 Kurbelwelle ................................................................................. 446
9.1.6.2.2 Pleuellager und Kolbengruppe .................................................... 447
9.1.6.2.3 Massenausgleich ......................................................................... 447
9.1.6.3 Ventilsteuerung (Ventil- und Steuertrieb) ...................................................... 448
9.1.6.4 Nebenaggregate ............................................................................................. 449
9.1.6.4.1 Ölpumpe ...................................................................................... 449
9.1.6.4.2 Kühlmittelpumpe ......................................................................... 451
9.1.6.4.3 Generator ..................................................................................... 451
9.1.6.4.4 Einspritzpumpe ........................................................................... 452
9.1.6.4.5 Klimakompressor ........................................................................ 452
9.1.6.4.6 Kühlerventilator .......................................................................... 453
9.1.6.4.7 Servolenkungspumpe .................................................................. 453
9.1.6.4.8 Vakuumpumpe ............................................................................ 454
9.1.7 Verfahren zur Reibungsberechnung am Beispiel der Kolbengruppe .............................. 454
9.2 Schmierung .................................................................................................................................. 455
9.2.1 Tribologische Grundlagen .............................................................................................. 455
9.2.1.1 Reibung ......................................................................................................... 456
9.2.1.2 Verschleiß ...................................................................................................... 457
9.2.2 Schmiersystem ............................................................................................................... 458
9.2.2.1 Schmierung .................................................................................................... 458
9.2.2.2 Bauteile und Funktion .................................................................................... 458

10 Ladungswechsel .................................................................................................................................... 465


10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor ............................................................................ 465
10.1.1 Bauformen des Ventiltriebs ............................................................................................ 466
10.1.2 Bauelemente des Ventiltriebs ......................................................................................... 468
10.1.3 Kinematik und Dynamik des Ventiltriebs ...................................................................... 473
10.1.4 Auslegung der Gaswechseleinrichtungen bei Viertaktmotoren ...................................... 475
10.2 Ladungswechselrechnung ............................................................................................................ 488
10.3 Gaswechsel bei Zweitaktmotoren ................................................................................................ 491
10.3.1 Spülverfahren ................................................................................................................. 491
10.3.2 Gaswechselorgane .......................................................................................................... 493
10.3.3 Spülluftversorgung ......................................................................................................... 494
XXXVI

10.4 Variable Ventilsteuerungen .......................................................................................................... 497


10.4.1 Nockenwellenversteller ................................................................................................. 499
10.4.1.1 Überblick zu Funktionsprinzipien von Nockenwellenverstellern ................. 499
10.4.1.2 Motorische Auswirkungen durch Nockenwellenversteller ............................ 501
10.4.1.3 Nockenwellenversteller an Serienmotoren ..................................................... 503
10.4.1.4 Perspektiven von Nockenwellenverstellern ................................................... 505
10.4.2 Systeme mit stufenweiser Ventilhub- oder -öffnungsdauervariation ............................. 507
10.4.3 Vollvariable Ventilsteuerungen ...................................................................................... 510
10.4.3.1 Rückblick auf die Entwicklung vollvariabler
mechanischer Ventilsteuerungen ................................................................... 510
10.4.3.2 Mechanische Systeme in Serie ....................................................................... 512
10.4.3.3 Mechanische Systeme in Entwicklung .......................................................... 517
10.4.3.4 Hydraulisch betätigte Systeme ....................................................................... 521
10.4.3.5 Elektromechanische Systeme ........................................................................ 522
10.4.4 Perspektiven des variablen Ventiltriebs ......................................................................... 525
10.5 Impulsaufladung mit steuerbaren Ansaugluft-Ventilen ................................................................ 527
10.5.1 Einleitung ....................................................................................................................... 527
10.5.2 Anforderungen an die Komponenten für den Serieneinsatz ........................................... 529
10.5.3 Elektrische Systemintegration ........................................................................................ 531
10.5.4 Mechanische Systemintegration ..................................................................................... 531
10.5.5 Integriertes Impulslader-Saugmodul .............................................................................. 531
10.5.6 Ausblick ......................................................................................................................... 531

11 Aufladung von Verbrennungsmotoren ............................................................................................... 533


11.1 Mechanische Aufladung .............................................................................................................. 533
11.2 Abgasturboaufladung ................................................................................................................... 534
11.3 Ladeluftkühlung ........................................................................................................................... 535
11.4 Zusammenwirken von Motor und Verdichter .............................................................................. 537
11.4.1 Viertaktmotor im Verdichterkennfeld ............................................................................ 537
11.4.2 Mechanische Aufladung ................................................................................................. 538
11.4.3 Abgasturboaufladung ..................................................................................................... 538
11.5 Dynamisches Verhalten ............................................................................................................... 544
11.6 Zusatzmaßnahmen bei aufgeladenenVerbrennungsmotoren ........................................................ 547
11.6.1 Ottomotoren ................................................................................................................... 547
11.6.2 Dieselmotoren ................................................................................................................ 548
11.7 Leistungsexplosion durch Register- und zweistufige Aufladung bei Personenkraftwagen
(Hochaufladung) .......................................................................................................................... 548
11.7.1 Historie und Evolution der zweistufigen Aufladeverfahren (Stufenaufladung) .............. 548
11.7.2 Thermodynamik der zweistufigen Aufladung ................................................................ 550
11.7.3 Registeraufladung und zweistufige Aufladekonzepte/-systeme ..................................... 551
11.7.3.1 Registeraufladung .......................................................................................... 551
11.7.3.2 Zweistufige Aufladung .................................................................................. 552
11.7.4 Einsatzgebiete ................................................................................................................ 553
11.8 Ermittlung von Turboladerkennfeldern an Turboladerprüfständen .............................................. 554
11.8.1 Prinzipieller Aufbau eines Turboladerprüfstands ........................................................... 554
11.8.2 Verdichter- und Turbinenkennfelder .............................................................................. 555
11.8.3 Besonderheiten bei der Verwendung von Turboladerkennfeldern
in der Motorprozesssimulation ....................................................................................... 557

12 Gemischbildungsverfahren und -systeme ........................................................................................... 560


12.1 Innere Gemischbildung ................................................................................................................ 560
12.2 Äußere Gemischbildung .............................................................................................................. 560
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) ............................................... 560
12.3.1 Arbeitsweise des Vergasers ............................................................................................ 560
12.3.2 Bauarten ......................................................................................................................... 561
12.3.2.1 Anzahl der Ansaugluftkanäle ......................................................................... 561
XXXVII

12.3.2.2 Lage der Ansaugluftkanäle ............................................................................ 563


12.3.2.3 Bauarten für Sonderanwendungen ................................................................. 563
12.3.3 Wichtige Systeme an Vergasern ..................................................................................... 563
12.3.4 Elektronisch geregelter Vergaser ................................................................................... 565
12.3.5 Gleichdruckvergaser ...................................................................................................... 566
12.3.6 Betriebsverhalten ........................................................................................................... 567
12.3.7 Lambda-Regelung .......................................................................................................... 568
12.3.8 Gemischbildung mittels Benzineinspritzung .................................................................. 568
12.3.8.1 Saugrohreinspritzsysteme .............................................................................. 568
12.3.8.2 Systeme für Direkteinspritzung ..................................................................... 570
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren ............................................................................................. 578
12.4.1 Einspritzsysteme – Überblick ......................................................................................... 580
12.4.2 Systeme mit einspritzsynchroner Druckerzeugung ........................................................ 585
12.4.2.1 Einzelpumpensysteme mit Leitung ................................................................ 585
12.4.2.2 Reiheneinspritzpumpe ................................................................................... 586
12.4.2.3 Verteilereinspritzpumpe ................................................................................ 588
12.4.2.4 Pumpe-Düse-System ..................................................................................... 591
12.4.3 Systeme mit zentralem Druckspeicher ........................................................................... 591
12.4.3.1 Hochdruckpumpe ........................................................................................... 593
12.4.3.3 Injektor .......................................................................................................... 595
12.4.3.4 Einspritzdüse ................................................................................................. 597
12.4.3.5 Elektronik ...................................................................................................... 597
12.4.3.6 Entwicklungstrends ....................................................................................... 598
12.4.4 Einspritzdüsen und Düsenhalter ..................................................................................... 599
12.4.5 Anpassung des Einspritzsystems an den Motor .............................................................. 603
12.5 Kraftstoffversorgungssystem ....................................................................................................... 607
12.5.1 Kraftstoffbehälter ........................................................................................................... 607
12.5.1.1 Dieselkraftstofftank ....................................................................................... 607
12.5.1.2 Ottokraftstofftank .......................................................................................... 607
12.5.2 Das Tankentlüftungssystem ........................................................................................... 608
12.5.3 Anforderungen an ein Kraftstofffördersystem ................................................................ 609
12.5.3.1 Dieselfördersystem ........................................................................................ 609
12.5.3.2 Ottokraftstofffördersystem ............................................................................. 611
12.5.4 Die Füllstandsmessung ................................................................................................... 615
12.5.4.1 Anforderung an die Füllstandsmessung ......................................................... 615
12.5.4.2 Hebelgeber ..................................................................................................... 615
12.5.4.3 MAgnetic Passive Position Sensor ................................................................ 616

13 Zündung ................................................................................................................................................ 617


13.1 Zündung – Ottomotor .................................................................................................................. 617
13.1.1 Einleitung der Zündung .................................................................................................. 617
13.1.2 Anforderungen an das Zündsystem ................................................................................ 617
13.1.3 Mindestzündenergien ..................................................................................................... 617
13.1.4 Grundlagen der Funkenzündung .................................................................................... 617
13.1.4.1 Phasen des Funkens ....................................................................................... 617
13.1.4.2 Energieübertragungswirkungsgrad ................................................................ 618
13.1.5 Spulenzündsystem (induktiv) ......................................................................................... 618
13.1.6 Weitere Zündsysteme ..................................................................................................... 621
13.1.7 Gasmotoren .................................................................................................................... 621
13.1.8 Zusammenfassung/Ausblick .......................................................................................... 621
13.2 Zündkerzen .................................................................................................................................. 622
13.2.1 Anforderungen an Zündkerzen ....................................................................................... 622
13.2.2 Aufbau ........................................................................................................................... 622
13.2.3 Wärmewert ..................................................................................................................... 623
13.2.4 Zündspannungsbedarf .................................................................................................... 624
13.2.5 Zündeigenschaft (und Gemischentflammung) ............................................................... 625
13.2.6 Verschleiß ...................................................................................................................... 626
XXXVIII

13.2.7 Applikation .................................................................................................................... 627


13.3 Zündung – Dieselmotor ............................................................................................................... 628
13.3.1 Selbstzündung und Verbrennung ................................................................................... 628
13.3.2 Kaltstart Dieselmotor ..................................................................................................... 629
13.3.2.1 Wichtige Einflussparameter ........................................................................... 629
13.3.2.2 Startbewertungskriterien ................................................................................ 631
13.3.3 Komponenten zur Kaltstartunterstützung ....................................................................... 631
13.3.3.1 Glühsystem .................................................................................................... 632
13.3.3.2 Heizflansch .................................................................................................... 634
13.3.4 Ausblick ......................................................................................................................... 636
13.3.4.1 Kombinierte Systeme ..................................................................................... 636
13.3.4.2 Ionenstrommessung ....................................................................................... 636
13.3.4.3 Geregelte Glühsysteme .................................................................................. 637

14 Verbrennung ......................................................................................................................................... 638


14.1 Kraftstoffe und Kraftstoffchemie ................................................................................................. 638
14.2 Oxidation von Kohlenwasserstoffen ............................................................................................ 640
14.3 Selbstzündung .............................................................................................................................. 642
14.3.1 Das H2-O2-System .......................................................................................................... 642
14.3.2 Zündung von Kohlenwasserstoffen ................................................................................ 643
14.3.3 Schnelle Kompressionsmaschine ................................................................................... 644
14.3.4 Dieselmotor .................................................................................................................... 644
14.3.5 HCCI-Motor ................................................................................................................... 644
14.3.6 Motorklopfen ................................................................................................................. 645
14.3.7 Modellierung der Selbstzündung .................................................................................... 645
14.3.7.1 Einschritt-Mechanismus ................................................................................ 645
14.3.7.2 Shell-Modell .................................................................................................. 646
14.4 Flammenausbreitung .................................................................................................................... 646
14.4.1 Turbulente Skalen .......................................................................................................... 646
14.4.2 Flammentypen ................................................................................................................ 647
14.4.2.1 Vorgemischte Flammen ................................................................................. 647
14.4.2.2 Nicht-vorgemischte Flammen ........................................................................ 648
14.4.2.3 Partiell-vorgemischte Flammen ..................................................................... 648
14.5 Modellbildung und Simulation .................................................................................................... 649
14.5.1 Klassifizierung von Verbrennungsmodellen .................................................................. 649
14.5.2 Nulldimensionale Modelle ............................................................................................. 650
14.5.2.1 Ersatzbrennverläufe ....................................................................................... 650
14.5.2.2 Wärmeübergangsmodelle .............................................................................. 651
14.5.3 Phänomenologische Modelle ......................................................................................... 652
14.5.3.1 Ottomotorische Verbrennung ........................................................................ 653
14.5.3.2 Dieselmotorische Verbrennung ..................................................................... 653
14.5.4 3D-CFD-Modelle ........................................................................................................... 654

15 Verbrennungsverfahren ....................................................................................................................... 657


15.1 Dieselmotoren .............................................................................................................................. 657
15.1.1 Dieselverbrennung ......................................................................................................... 657
15.1.2 Diesel-Viertakt-Verbrennungsverfahren ........................................................................ 663
15.1.2.1 Verfahren mit indirekter Kraftstoffeinspritzung (IDI) ................................... 664
15.1.2.2 Verfahren mit direkter Kraftstoffeinspritzung (DI) ........................................ 666
15.1.2.3 Gegenüberstellung der Verbrennungsverfahren ............................................. 668
15.1.2.4 Entwicklungsrichtungen ................................................................................ 669
15.1.2.5 Sonderverfahren und Besonderheiten ............................................................ 673
15.2 Ottomotoren ................................................................................................................................. 675
15.2.1 Brennverfahren von Port-Fuel-Injection-(PFI)-Motoren ................................................ 675
Zylinderdruckverlauf, Innenwirkungsgrad und Flammenausbreitung ............................ 675
15.2.2 Brennverfahren von Direct- Injection-Spark-Ignition-(DISI)-Motoren .......................... 684
XXXIX

15.2.2.1 Betriebsarten eines Ottomotors mit Direkteinspritzung ................................. 687


15.2.2.2 Ausprägungen und Spezifika des ottomotorischen Brennverfahrens
mit Direkteinspritzung sowie dessen Technologiebausteine
und Technologiekombinationen .................................................................... 689
15.3 Zweitakt-Dieselmotor .................................................................................................................. 704
15.4 Zweitakt-Ottomotor ..................................................................................................................... 705

16 Elektronik und Mechanik für Motor- und Getriebesteuerung ......................................................... 710


16.1 Umweltanforderungen ................................................................................................................. 710
16.1.1 Einbauklassen ................................................................................................................ 710
16.1.2 Thermisches Management .............................................................................................. 711
16.2 Standalone-Produkte .................................................................................................................... 714
16.3 Verbindungstechnik ..................................................................................................................... 716
16.4 Getriebesteuergeräte .................................................................................................................... 717
16.4.1 Systembeschreibung ....................................................................................................... 718
16.4.2 Getriebesteuergerätetypen .............................................................................................. 718
16.4.3 Anwendungsbeispiele für „Mechatronische Transmission Modules“ ............................ 722
16.4.4 Entscheidungskriterien für die Auswahl des „richtigen“ Steuergeräte-Typen ................ 723
16.5 Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauelemente .................................................................. 724
16.5.1 Grundstruktur ................................................................................................................. 724
16.5.2 Elektronische Bauelemente ............................................................................................ 724
16.5.2.1 Eingangsfilterbaustein Klopf-IC .................................................................... 724
16.5.2.2 Endstufenbaustein .......................................................................................... 724
16.5.2.3 Mikrocontroller .............................................................................................. 725
16.5.2.4 Spannungsregler ............................................................................................ 725
16.5.2.5 DC/DC-Converter .......................................................................................... 728
16.6 Steuergeräteelektronik ................................................................................................................. 731
16.6.1 Allgemeine Beschreibung .............................................................................................. 731
16.6.2 Signalaufbereitung ......................................................................................................... 731
16.6.2.1 Klopfsignal .................................................................................................... 731
16.6.2.2 Lambdasensorsignal ...................................................................................... 732
16.6.2.3 Kurbelwellensignal ........................................................................................ 733
16.6.3 Signalauswertung ........................................................................................................... 733
16.6.4 Signalausgabe ................................................................................................................ 733
16.6.4.1 Magnetventil-Einspritzsignal für Direkteinspritzung ..................................... 734
16.6.4.2 Einspritzsignal für Piezo-Direkteinspritzung ................................................. 734
16.6.5 Spannungsversorgung .................................................................................................... 736
16.6.6 Schnittstellen .................................................................................................................. 736
16.6.6.1 CAN-Bus-Schnittstelle .................................................................................. 736
16.6.6.2 LIN-Bus-Schnittstelle .................................................................................... 736
16.6.6.3 FlexRay-Bus-Schnittstelle ............................................................................. 736
16.6.7 Elektronik für Getriebesteuergeräte ............................................................................... 737
16.7 Software-Strukturen ..................................................................................................................... 741
16.7.1 Aufgabe der Software bei der Steuerung von Motoren .................................................. 741
16.7.2 Anforderungen an die Software ..................................................................................... 741
16.7.3 Das Architekturkonzept der Software ............................................................................ 742
16.7.4 Der Software-Entwicklungsprozess ............................................................................... 743
16.8 Die Steuerung des Verbrennungsmotors ...................................................................................... 743
16.8.1 Fahrerwunsch und Fahrerassistenzsyssteme .................................................................. 743
16.8.2 Antriebsstrangmanagement ............................................................................................ 743
16.8.3 Drehmomentbasierte Funktionsstruktur der Motorsteuerung ......................................... 744
16.8.4 Modellbasierte Funktionen am Beispiel des Saugrohrfüllungsmodells .......................... 745
16.9 Funktionen ................................................................................................................................... 748
16.9.1 l-Regelung ...................................................................................................................... 748
16.9.2 Antiruckelfunktion ......................................................................................................... 750
16.9.3 Drosselklappenregelung ................................................................................................. 752
16.9.4 Klopfregelung ................................................................................................................ 753
XL

16.9.5 „On-Board“-Diagnose (OBD) ........................................................................................ 754


16.9.5.1 Aufgaben der Eigendiagnose ......................................................................... 756
16.9.5.2 Überwachung des Katalysators ...................................................................... 757
16.9.6 Sicherheitskonzepte ....................................................................................................... 758
16.10 Sicherheitskonzepte in Getriebesteuerungen ................................................................................ 760

17 System Antriebsstrang ......................................................................................................................... 765


17.1 Antriebsstrang-Architektur .......................................................................................................... 765
17.2 Längsdynamik des Kraftfahrzeuges ............................................................................................. 765
17.3 Getriebetypen ............................................................................................................................... 766
17.4 Leistungsebene und Signalverarbeitungsebene ............................................................................ 767
17.5 Getriebesteuerung ........................................................................................................................ 768
17.5.1 Funktionen ..................................................................................................................... 768
17.5.1.1 Überblick ....................................................................................................... 768
17.5.1.2 Fahr- oder Schaltstrategie .............................................................................. 769
17.5.1.3 Automatgetriebe mit Planetenradsätzen und Drehmomentwandler ............... 770
17.5.1.4 Automatisiertes Handschaltgetriebe .............................................................. 770
17.5.1.5 Stufenlosgetriebe (CVT) ................................................................................ 771
17.6 Integriertes Antriebsstrangmanagement (IPM®) .......................................................................... 771
17.7 Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung ......................................................................... 773
17.7.1 Überblick ....................................................................................................................... 773
17.7.2 Varianten Hybrid- und Elektroantrieb ............................................................................ 773
17.7.2.1 Mikrohybrid ................................................................................................... 773
17.7.2.2 Mildhybrid ..................................................................................................... 773
17.7.2.3 Vollhybrid ..................................................................................................... 773
17.7.2.4 Plug-in-Hybrid ............................................................................................... 774
17.7.2.5 Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge ........................................................ 774
17.7.3 Komponenten ................................................................................................................. 774
17.7.4 Leistungselektronik ........................................................................................................ 774
17.7.4.1 Drehstrom-Inverter ........................................................................................ 774
17.7.4.2 DC/DC-Wandler ............................................................................................ 775
17.7.5 Elektromotor .................................................................................................................. 776
17.7.5.1 Technologien ................................................................................................. 776
17.7.6 Energiespeicher .............................................................................................................. 777
17.7.6.1 Überblick ....................................................................................................... 777
17.7.6.2 Batteriesystem ............................................................................................... 778

18 Sensoren ................................................................................................................................................ 781


18.1 Temperatursensoren ..................................................................................................................... 781
18.2 Füllstandsensoren ......................................................................................................................... 781
18.3 Klopfsensoren .............................................................................................................................. 781
18.4 Abgassensoren ............................................................................................................................. 783
18.4.1 Lambda-Sensoren ........................................................................................................... 783
18.4.2 NOx-Sensor .................................................................................................................... 783
18.5 Drucksensoren ............................................................................................................................. 784
18.5.1 Normaldrucksensoren .................................................................................................... 785
18.5.1.1 Piezoresistives Messprinzip ........................................................................... 785
18.5.1.2 Kapazitives Messprinzip ................................................................................ 785
18.5.2 Mitteldrucksensoren ....................................................................................................... 786
18.5.3 Hochdrucksensoren ........................................................................................................ 786
18.5.4 Druckschalter ................................................................................................................. 786
18.6 Luftmassensensor ......................................................................................................................... 787
18.6.1 Messprinzip .................................................................................................................... 787
18.6.2 Mass-Airflow-Sensor ..................................................................................................... 787
18.6.3 Sekundär Luftmassensensor (SAF = Secondary Air Flow) ............................................ 788
XLI

18.7 Drehzahlsensoren ......................................................................................................................... 788


18.7.1 Passive Drehzahlsensoren .............................................................................................. 788
18.7.2 Aktive Sensoren ............................................................................................................. 789
18.8 Brennraumdrucksensoren für Dieselmotoren ............................................................................... 789

19 Aktuatoren ............................................................................................................................................ 792


19.1 Antriebe ....................................................................................................................................... 792
19.1.1 Pneumatische Antriebe ................................................................................................... 792
19.1.2 Elektrische Antriebe ....................................................................................................... 792
19.1.2.1 Schrittmotor ................................................................................................... 792
19.1.2.2 DC-Motor ...................................................................................................... 793
19.1.2.3 Torque-Motor ................................................................................................ 793
19.1.2.4 EC-Motor ....................................................................................................... 793
19.1.3 Kommunikation mit der Motorsteuerelektronik ............................................................. 793
19.1.3.1 Gesteuerte Stellglieder ................................................................................... 793
19.1.3.2 Extern geregelte Stellglieder .......................................................................... 793
19.1.3.3 Intern geregelte Stellglieder (smarte Aktuatoren) .......................................... 794
19.1.4 Rückstellung/Default-Position ....................................................................................... 794
19.2 Drosselklappenstellglieder ........................................................................................................... 794
19.2.1 Kernfunktion Ottomotor ................................................................................................. 794
19.2.2 Kernfunktion Dieselmotor .............................................................................................. 794
19.2.3 Zusätzliche Funktionen .................................................................................................. 795
19.2.3.1 Leerlaufregelung Ottomotor .......................................................................... 795
19.2.3.2 Positionssignal ............................................................................................... 795
19.2.3.3 Lastschlagdämpfung ...................................................................................... 795
19.2.3.4 Tempomatfunktion ........................................................................................ 795
19.2.4 „Drive-by-Wire“/E-Gas ................................................................................................. 796
19.2.5 Waste-Gate-Funktion ..................................................................................................... 797
19.2.6 Unterdruck/Vordrosselstellglieder ................................................................................. 797
19.3 Drall- und Tumbleklappen/Resonanzaufladung ........................................................................... 797
19.3.1 Port-Deactivation ........................................................................................................... 797
19.3.2 Schichtladung ................................................................................................................. 798
19.4 Turbolader mit variabler Turbinengeometrie ............................................................................... 799
19.5 Abgasrückführventile ................................................................................................................... 799
19.6 Verdunstungsemission, Komponenten ......................................................................................... 802
19.6.1 Tankentlüftungsventile ................................................................................................... 802
19.6.2 Diagnose Verdunstungsemission ................................................................................... 802
19.6.2.1 Tankdiagnose mit Überdruck ......................................................................... 803
19.6.2.2 Tankdiagnose mit Unterdruck ........................................................................ 804

20 Kühlung von Verbrennungsmotoren .................................................................................................. 806


20.1 Allgemeines ................................................................................................................................. 806
20.2 Anforderungen an das Kühlsystem .............................................................................................. 806
20.3 Berechnungsgrundlagen und Simulations-Tools .......................................................................... 806
20.4 Subsysteme der Motorkühlung .................................................................................................... 808
20.4.1 Kühlmittelkühlung ......................................................................................................... 808
20.4.1.1 Kühlerschutzmittel ......................................................................................... 809
20.4.2 Ladeluftkühlung ............................................................................................................. 811
20.4.3 Abgaskühlung ................................................................................................................ 812
20.4.4 Ölkühlung ...................................................................................................................... 812
20.4.5 Lüfter und Lüfterantriebe ............................................................................................... 813
20.5 Kühlmodule ................................................................................................................................. 814
20.6 Gesamtsystem Motorkühlung ...................................................................................................... 814
XLII

21 Abgasemissionen ................................................................................................................................... 817


21.1 Gesetzliche Vorschriften .............................................................................................................. 817
21.1.1 Europa ............................................................................................................................ 817
21.1.2 Kalifornien und USA ..................................................................................................... 818
21.1.3 Japan .............................................................................................................................. 819
21.1.4 Schwellenländer ............................................................................................................. 819
21.1.5 Harmonisierung der Abgasvorschriften .......................................................................... 819
21.2 Abgasmesstechnik ....................................................................................................................... 820
21.2.1 Messtechnik für die Zertifizierung von Kraftfahrzeugen ............................................... 820
21.2.2 Messtechnik für die Motorenentwicklung ...................................................................... 820
21.3 Schadstoffe und ihre Entstehung .................................................................................................. 825
21.3.1 Ottomotor ....................................................................................................................... 826
21.3.1.1 Limitierte Abgaskomponenten ....................................................................... 826
21.3.1.2 Nichtlimitierte Abgaskomponenten ............................................................... 827
21.3.2 Dieselmotor .................................................................................................................... 828
21.3.2.1 Limitierte Abgaskomponenten ....................................................................... 828
21.3.2.2 Nichtlimitierte Abgaskomponenten ............................................................... 829
21.4 Minderung von Schadstoffen ....................................................................................................... 830
21.4.1 Motorische Maßnahmen ................................................................................................. 830
21.4.1.1 Ottomotor ...................................................................................................... 830
21.4.1.2 Dieselmotor ................................................................................................... 832
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor ................................................................................................ 835
21.5.1 Katalysatoraufbau und chemische Reaktionen ............................................................... 835
21.5.2 Katalysatorkonzepte stöchiometrisch betriebener Motoren ............................................ 836
21.5.2.1 Dreiwegekatalysator ...................................................................................... 836
21.5.2.2 Der Sauerstoffspeicher ................................................................................... 837
21.5.2.3 Kaltstartstrategien .......................................................................................... 838
21.5.2.4 Deaktivierungseffekte und ihre Auswirkung ................................................. 839
21.5.3 Katalysatorkonzepte für Magermotoren ......................................................................... 842
21.5.3.1 Möglichkeiten zur NOx-Reduktion in magerem Abgas .................................. 843
21.5.3.2 Der NOx-Speicherkatalysator ......................................................................... 845
21.5.3.3 System mit Vorkatalysator und NOx-Adsorber .............................................. 851
21.5.4 Metallische Katalysatorträger ........................................................................................ 851
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor ............................................................................................. 859
21.6.1 Diesel-Oxidationskatalysatoren ...................................................................................... 859
21.6.1.1 Schadstoffe im Diesel-Abgas ......................................................................... 859
21.6.1.2 Charakteristika von Diesel-Oxidationskatalysatoren ..................................... 859
21.6.1.3 Deaktivierung der Katalysator-Oberfläche .................................................... 859
21.6.1.4 Beurteilung von Diesel-Oxidationskatalysatoren ........................................... 861
21.6.2 NOx-Adsorber für Diesel-Pkw ........................................................................................ 863
21.6.2.1 Arbeitsbereich des Speicherkatalysators ........................................................ 863
21.6.2.2 Entschwefelung ............................................................................................. 864
21.6.2.3 Regenerationsmethoden ................................................................................. 865
21.6.3 Partikel/Partikelfilter ...................................................................................................... 866
21.6.3.1 Partikeldefinitionen und Partikeleigenschaften .............................................. 866
21.6.3.2 Zielsetzungen für die Partikelfiltration .......................................................... 868
21.6.3.3 Anforderungen an Filtermedien, technische Lösungen .................................. 869
21.6.3.4 Abscheidung und Haftung ............................................................................. 872
21.6.3.5 Regeneration und periodische Reinigung ...................................................... 875
21.6.3.6 Emissionen während Regenerationen und Sekundäremissionen .................... 880
21.6.3.7 Druckverlust .................................................................................................. 881
21.6.3.8 Bauraum und Systemintegration .................................................................... 883
21.6.3.9 Schadensmechanismen/Erfahrungen ............................................................. 883
21.6.3.10 Qualitätskriterien ........................................................................................... 884
21.6.3.11 Eignungstest, Typenprüfung, OBD, Feldkontrolle ........................................ 884
21.6.3.12 Partikelmesstechnik ....................................................................................... 885
XLIII

21.6.3.13 Penetration oder Abscheidegrad .................................................................... 887


21.6.3.14 Global Warming durch Rußpartikel ............................................................... 888
21.6.3.15 Kosten/Nutzen-Betrachtung zur Nachrüstung von Partikelfiltern .................. 888
21.6.4 Katalytischer Partikelfilter ............................................................................................. 888

22 Betriebsstoffe ........................................................................................................................................ 892


22.1 Kraftstoffe .................................................................................................................................... 892
22.1.1 Dieselkraftstoff (DK) ..................................................................................................... 893
22.1.1.1 DK-Komponenten und Zusammensetzung .................................................... 893
22.1.1.2 Kennwerte und Eigenschaften ....................................................................... 894
22.1.1.3 Additive für DK ............................................................................................. 900
22.1.1.4 Alternative Dieselkraftstoffe .......................................................................... 902
22.1.2 Ottokraftstoff (OK) ........................................................................................................ 906
22.1.2.1 OK-Komponenten und Zusammensetzung .................................................... 906
22.1.2.2 Kennwerte und Eigenschaften ....................................................................... 909
22.1.2.3 Alternative Ottokraftstoffe ............................................................................. 921
22.2 Schmierstoffe ............................................................................................................................... 929
22.2.1 Schmierstoffarten ........................................................................................................... 930
22.2.2 Aufgabe der Schmierung ................................................................................................ 930
22.2.3 Arten der Schmierung .................................................................................................... 930
22.2.4 Anforderungen an die Schmierung ................................................................................. 930
22.2.5 Viskosität/Vikositäts-Index (V.I.) .................................................................................. 931
22.2.5.1 Einfluss der Temperatur auf die Viskosität .................................................... 932
22.2.5.2 Einfluss des Drucks auf die Viskosität ........................................................... 933
22.2.5.3 Einfluss der Schergeschwindigkeit auf die Viskosität ................................... 933
22.2.6 Basisflüssigkeiten ........................................................................................................... 934
22.2.6.1 Basisflüssigkeiten aus Mineralöl ................................................................... 934
22.2.6.2 Synthetische Basisflüssigkeiten ..................................................................... 934
22.2.7 Additive für Schmierstoffe ............................................................................................. 935
22.2.7.1 V.I.-Verbesserer ............................................................................................. 936
22.2.7.2 Detergents/Dispersants .................................................................................. 937
22.2.7.3 Antioxidantien und Korrosionsinhibitoren .................................................... 938
22.2.7.4 Reibungs- und Verschleißminderer (EP/AW-Additive) ................................. 938
22.2.7.5 Schauminhibitoren ......................................................................................... 938
22.2.8 Motoröle für Viertaktmotoren ........................................................................................ 938
22.2.8.1 SAE-Viskositätsklassen für Motoröle ............................................................ 939
22.2.8.2 Einbereichsöle ............................................................................................... 939
22.2.8.3 Mehrbereichsöle ............................................................................................ 939
22.2.8.4 Leichtlauföle .................................................................................................. 940
22.2.8.5 Einlauföle ...................................................................................................... 940
22.2.8.6 Gasmotoröle .................................................................................................. 941
22.2.8.7 Wasserstoffmotoröle ...................................................................................... 941
22.2.8.8 Leistungsklassen ............................................................................................ 941
22.2.8.9 Gebrauchtölbeurteilung ................................................................................. 949
22.2.8.10 Rennmotoröle ................................................................................................ 952
22.2.8.11 Wankelmotoröle ............................................................................................ 953
22.2.9 Motoröle für Zweitaktmotoren ....................................................................................... 953
22.2.9.1 Leistungsklassen ............................................................................................ 953
22.2.9.2 Prüfverfahren ................................................................................................. 954
22.3 Kühlmittel .................................................................................................................................... 954
22.3.1 Gefrierschutz .................................................................................................................. 955
22.3.2 Korrosionsschutz ............................................................................................................ 956
22.3.3 Spezifikationen .............................................................................................................. 957
XLIV

23 Filtration von Betriebsstoffen .............................................................................................................. 959


23.1 Luftfilter ...................................................................................................................................... 959
23.1.1 Partikelgrößen und Partikelkonzentrationen in der Umgebungsluft ............................... 959
23.1.2 Kenngrößen zur Charakterisierung von Motorluftfiltern ................................................ 959
23.1.3 Luftfiltermedien für den Einsatz am Verbrennungsmotor .............................................. 960
23.1.4 Prüfung von Luftfilterelementen .................................................................................... 962
23.1.5 Auslegung von Luftfilterelementen ................................................................................ 963
23.1.6 Luftfiltersysteme für Fahrzeuganwendungen ................................................................. 964
23.2 Kraftstofffilter .............................................................................................................................. 965
23.2.1 Weltweite Anforderungen an Kraftstofffiltersysteme .................................................... 965
23.2.2 Charakterisierung von Kraftstofffiltern .......................................................................... 966
23.2.3 Filter und Filtermedien für Dieselkraftstofffilter ............................................................ 966
23.2.4 Wasserabscheidung aus Dieselkraftstoff ........................................................................ 967
23.2.5 Filter und Filtermedien für Ottokraftstofffilter ............................................................... 968
23.2.6 Kraftstofffiltersysteme für den Einsatz an Verbrennungsmotoren ................................. 969
23.3 Motorölfilter ................................................................................................................................ 970
23.3.1 Anforderungen an Motorölfilter ..................................................................................... 971
23.3.2 Charakterisierung von Ölfilterelementen und Ölfiltersystemen ..................................... 972
23.3.3 Filtermedien für Ölfilter ................................................................................................. 972
23.3.4 Ölfiltersysteme und Bauformen von Motorölfiltern ....................................................... 974
23.3.5 Nebenstromfilter zur Rußseparation ............................................................................... 976

24 Berechnung und Simulation ................................................................................................................ 979


24.1 Festigkeits- und Schwingungsberechnung ................................................................................... 979
24.1.1 Methoden ....................................................................................................................... 979
24.1.2 Ausgewählte Anwendungsbeispiele ............................................................................... 981
24.1.3 Kolbenberechnungen ..................................................................................................... 984
24.1.3.1 Überblick ....................................................................................................... 984
24.1.3.2 Anforderungen an Kolbenwerkstoffe und deren Eigenschaften ..................... 986
24.1.3.3 Erstellung des Finite-Elemente-Modells auf Basis der CAD-Geometrie ....... 987
24.1.3.4 Thermodynamische Simulation zur Bestimmung
der thermischen Randbedingung ................................................................... 987
24.1.3.5 FE-Berechnung des Temperaturfeldes ........................................................... 988
24.1.3.6 FE-Berechnung der Spannungen und Deformationen
für jeden zu betrachteten Lastfall .................................................................. 989
24.1.3.7 Abschätzung der Betriebsfestigkeit ............................................................... 993

25 Verbrennungsdiagnostik – Indizieren und Visualisieren in der Verbrennungsentwicklung ......... 996


25.1 Themenstellung ............................................................................................................................ 996
25.2 Indizieren ..................................................................................................................................... 996
25.2.1 Messtechnik ................................................................................................................... 998
25.2.2 Qualitätskriterien ............................................................................................................ 999
25.2.3 Indizieren – Ausblick ..................................................................................................... 1000
25.2.4 Zyklusgenaue signal- und modellbasierte Motorsteuerung ............................................ 1000
25.3 Visualisieren ................................................................................................................................ 1001
25.3.1 Aufgaben- und Themenstellung ..................................................................................... 1001
25.3.2 Visualisieren im realen Motorbetrieb ............................................................................. 1001
25.3.2.1 Strahlungseigenschaften von Gas-, Benzin- und Dieselflammen ................... 1001
25.3.2.2 Flammenspektroskopie .................................................................................. 1001
25.3.2.3 Flammenausbreitung in vorgemischter Ladung bei Fremdzündung .............. 1003
25.3.3 Visualisieren der Verbrennung im realen Motorbetrieb
durch das Eigenleuchten der Flamme ............................................................................. 1004
25.3.3.1 Technische Umsetzung: Flammenausbreitung ............................................... 1004
25.3.3.2 Messgeräte – Messsysteme ............................................................................ 1009
XLV

25.3.4 Visualisieren beleuchteter Vorgänge .............................................................................. 1010


25.3.4.1 Visualisieren der Gemischverteilung ............................................................. 1010
25.3.4.2 Visualisieren von Geschwindigkeitsfeldern ................................................... 1011
25.3.5 Visualisieren – Ausblick ................................................................................................ 1011

26 Kraftstoffverbrauch ............................................................................................................................. 1013


26.1 Allgemeine Einflussgrößen .......................................................................................................... 1014
26.1.1 Luftwiderstand ............................................................................................................... 1014
26.1.2 Gewicht .......................................................................................................................... 1015
26.1.3 Radwiderstand ................................................................................................................ 1017
26.1.4 Kraftstoffverbrauch ........................................................................................................ 1017
26.2 Motorische Maßnahmen .............................................................................................................. 1018
26.2.1 Downsizing .................................................................................................................... 1019
26.2.2 Downspeeding ................................................................................................................ 1022
26.2.3 Dieselmotor .................................................................................................................... 1022
26.2.4 Ottomotor ....................................................................................................................... 1023
26.2.4.1 Magerkonzept, Direkteinspritzung ................................................................. 1023
26.2.5 Brennverfahren HCCI .................................................................................................... 1025
26.2.6 Variabler Ventiltrieb ...................................................................................................... 1025
26.2.6.1 Zündung ......................................................................................................... 1027
26.2.7 Zylinderabschaltung ....................................................................................................... 1028
26.2.7.1 Konzept zur Verbrauchsreduzierung ............................................................. 1028
26.2.7.2 Verbrauchsvorteile im Teillastgebiet ............................................................. 1028
26.2.8 Nebenaggregate .............................................................................................................. 1029
26.2.9 Wärmemanagementmaßnahmen zur Verbrauchsreduzierung ........................................ 1029
26.2.10 Hybridkonzepte .............................................................................................................. 1030
26.3 Getriebeübersetzungen ................................................................................................................. 1033
26.3.1 Auswahl des direkten Ganges ........................................................................................ 1033
26.3.2 Auswahl der Gesamtübersetzung im größten Gang ....................................................... 1033
26.3.2.1 Auslegung auf maximale Höchstgeschwindigkeit ......................................... 1033
26.3.2.2 Überdrehende Auslegung .............................................................................. 1033
26.3.2.3 Unterdrehende Auslegung ............................................................................. 1033
26.4 Fahrerverhalten ............................................................................................................................ 1035
26.5 CO2-Emissionen ........................................................................................................................... 1037
26.5.1 CO2-Emission und Kraftstoffverbrauch .......................................................................... 1037
26.5.2 Motorapplikationseinfluss auf die CO2-Emission ........................................................... 1038
26.5.3 Entwicklung der globalen CO2-Emission ....................................................................... 1039

27 Geräuschemissionen ............................................................................................................................. . 1042


27.1 Physikalische Grundlagen und Begriffe ....................................................................................... 1042
27.2 Gesetzliche Außengeräuschvorschriften ...................................................................................... 1045
27.2.1 Entwicklung der Außengeräuschvorschriften ................................................................. 1045
27.2.2 Das bestehende Außengeräusch-Messverfahren ............................................................ 1045
27.2.3 Das zukünftige Außengeräusch-Messverfahren ............................................................. 1046
27.2.4 Grenzwerte und Einsatztermine der neuen Regelung ..................................................... 1046
27.2.5 Auswirkungen auf die Reduzierung des Verkehrslärms ................................................. 1047
27.3 Geräuschquellen des Außengeräusches ........................................................................................ 1048
27.4 Maßnahmen zur Außengeräuschminderung ................................................................................. 1048
27.4.1 Motorseitige Maßnahmen .............................................................................................. 1048
27.4.2 Fahrzeugseitige Maßnahmen .......................................................................................... 1049
27.5 Motorgeräusch im Innenraum ...................................................................................................... 1050
27.6 Akustische Leitlinien für den Motorkonstrukteur ........................................................................ 1052
27.7 Messtechniken und Analysemethoden ......................................................................................... 1053
27.8 Psychoakustik .............................................................................................................................. 1056
27.9 Sound-Engineering ...................................................................................................................... 1056
27.10 Simulationswerkzeuge ................................................................................................................. 1057
27.11 Anti-Noise-Systeme: Geräuschminderung durch Gegenschall .................................................... 1058
XLVI

28 Motorenmesstechnik ............................................................................................................................ 1060

29 Hybridantriebe ..................................................................................................................................... 1080


29.1 Historie ........................................................................................................................................ 1080
29.2 Grundlagen der Hybridantriebe (allgemeiner Überblick) ............................................................. 1084
29.2.1 Prinzip ............................................................................................................................ 1085
29.2.2 Komponenten ................................................................................................................. 1085
29.2.2.1 Verbrennungsmotor ....................................................................................... 1085
29.2.2.2 E-Maschine .................................................................................................... 1085
29.2.2.3 Generator ....................................................................................................... 1086
29.2.2.4 Elektrischer Energiespeicher ......................................................................... 1086
29.2.2.5 Getriebe ......................................................................................................... 1086
29.2.2.6 Energiemanagement ...................................................................................... 1086
29.2.2.7 Leistungselektronik ....................................................................................... 1086
29.2.3 Funktionen ..................................................................................................................... 1086
29.2.3.1 Start/Stopp (Stopp/Start) ................................................................................ 1086
29.2.3.2 Elektrisches Fahren ........................................................................................ 1086
29.2.3.3 Lastpunktverschiebung .................................................................................. 1086
29.2.3.4 Boosten .......................................................................................................... 1087
29.2.3.5 Segeln ............................................................................................................ 1087
29.2.3.6 Bremsenergierekuperation ............................................................................. 1087
29.2.3.7 Elektrische Nebenaggregate .......................................................................... 1087
29.2.3.8 Automatisches Einparken .............................................................................. 1088
29.3 Einteilung der Hybridantriebe ...................................................................................................... 1088
29.3.1 Arten .............................................................................................................................. 1088
29.3.2 Leistungseinteilung ........................................................................................................ 1089
29.4 Elektrische Antriebssysteme ........................................................................................................ 1091
29.4.1 E-Maschinen .................................................................................................................. 1091
29.4.2 Leistungsbereich ............................................................................................................ 1098
29.4.3 Steuerung ....................................................................................................................... 1098
29.4.4 Leistungselektronik ........................................................................................................ 1098
29.4.5 Stromrichter ................................................................................................................... 1099
29.5 Energiespeichersysteme ............................................................................................................... 1100
29.5.1 Blei-Säure-Batterie ......................................................................................................... 1101
29.5.2 Nickel-Metallhydrid-Batterie ......................................................................................... 1102
29.5.3 Natrium-Nickelchlorid-Batterie ..................................................................................... 1103
29.5.4 Lithium-Ionen-Batterie .................................................................................................. 1103
29.5.5 SuperCaps ...................................................................................................................... 1106
29.5.6 Batteriemanagement ....................................................................................................... 1106
29.6 Getriebe für Hybridantriebe ......................................................................................................... 1109
29.6.1 Getriebe ohne integrierte E-Maschine ............................................................................ 1110
29.6.2 Getriebe mit integrierter E-Maschine ............................................................................. 1111
29.6.3 Sonderbauformen von Getrieben .................................................................................... 1114
29.7 Energiemanagement ..................................................................................................................... 1115
29.7.1 Start/Stopp ..................................................................................................................... 1116
29.7.2 Regelung des Generators ................................................................................................ 1116
29.7.3 Energierückgewinnung .................................................................................................. 1117
29.7.4 Ladezustandsregelung .................................................................................................... 1118
29.7.5 Energieverteilungsmanagement ..................................................................................... 1119
29.7.6 Bordnetz ......................................................................................................................... 1119
29.8 Betriebsstrategien ......................................................................................................................... 1120
29.8.1 Wirkungsgrade ............................................................................................................... 1120
29.8.2 Energiebilanz ................................................................................................................. 1121
29.8.3 Kraftstoffverbrauch ........................................................................................................ 1121
29.8.4 Abgasemissionen ........................................................................................................... 1122
29.8.5 Fahrleistungen ................................................................................................................ 1122
29.8.6 Ansätze zur Festlegung einer Betriebsstrategie .............................................................. 1123
XLVII

29.9 Aktuelle Hybridfahrzeuge ............................................................................................................ 1124


29.9.1 Systeme .......................................................................................................................... 1124
29.9.2 Fahrzeugaufbau .............................................................................................................. 1128
29.10 Zukünftige Entwicklung .............................................................................................................. 1130
29.10.1 Ottohybridantrieb .......................................................................................................... 1131
29.10.2 Dieselhybridantrieb ....................................................................................................... 1131
29.10.3 Reiner Elektroantrieb .................................................................................................... 1131
29.11 Range Extender ............................................................................................................................ 1132
29.11.1 Range Extender: Begriffserläuterung ............................................................................ 1132
29.11.2 Motivation für ein Range-Extender-Modul ................................................................... 1132
29.11.2.1 Geringe batterieelektrische Reichweite ....................................................... 1133
29.11.2.2 Lange Ladezeiten der Batterie ..................................................................... 1133
29.11.2.3 Erwartungen der Verbraucher an Elektromobilität ...................................... 1133
29.11.3 Elektromobilität ............................................................................................................ 1134
29.11.3.1 Mega-Citys und emissionsarmes Fahren ..................................................... 1134
29.11.3.2 Weltweite Beschränkung der CO2-Emissionen durch die Gesetzgebung .... 1134
29.11.3.3 Einsparung von CO2 durch Elektromobilität ............................................... 1134
29.11.4 Antriebsstrang ............................................................................................................... 1136
29.11.4.1 Konventionelle, hybride und elektrische Antriebe ...................................... 1136
29.11.4.2 Range Extender im seriellen Hybridantriebsstrang ..................................... 1138
29.11.4.3 Komponenten des Range-Extender-Antriebsstrangs ................................... 1138
29.11.5 Range Extender ............................................................................................................. 1138
29.11.5.1 Verbrennungsmotoren als Range Extender ................................................. 1138
29.11.5.2 Kraftstoffauswahl ........................................................................................ 1140
29.11.5.3 Kraftstoffverbrauch von seriellem und parallelem Hybrid .......................... 1141
29.11.5.4 Abstimmung (NVH, Funktion) ................................................................... 1142
29.11.5.5 Betriebsstrategien ........................................................................................ 1144
29.11.6 Steuergeräte .................................................................................................................. 1144
29.11.7 Generator ...................................................................................................................... 1144
29.11.7.1 Bauarten ...................................................................................................... 1144
29.11.7.2 E-Maschine ................................................................................................. 1144
29.11.7.3 Seltene Erden .............................................................................................. 1150
29.11.8 Batterie ......................................................................................................................... 1150
29.11.8.1 Batterietechnologie ..................................................................................... 1150
29.11.8.2 Batterie als Schnittstelle .............................................................................. 1150
29.11.9 Leistungselektronik ....................................................................................................... 1152
29.11.10 Aufgaben bei der Fahrzeugintegration .......................................................................... 1154
29.11.11 Anforderungen an ein Range-Extender-Modul ............................................................. 1155
29.11.11.1 Dauerhaltbarkeit ....................................................................................... 1155
29.11.11.2 Verbrauch ................................................................................................. 1155
29.11.11.3 Wartungskosten ........................................................................................ 1156
29.11.11.4 Bauraum/Gewicht ..................................................................................... 1156
29.11.11.5 Anschaffungskosten ................................................................................. 1156
29.11.11.6 Attraktivität für den Automobilhersteller ................................................. 1157

30 Alternative Fahrzeugantriebe und APUs (Auxiliary Power Units) .................................................. 1159


30.1 Gründe für Alternativen ............................................................................................................... 1159
30.2 Elektroantrieb .............................................................................................................................. 1160
30.2.1 Elektromotoren .............................................................................................................. 1161
30.2.2 Traktionsbatterien .......................................................................................................... 1161
30.2.3 Beispiele für Elektrofahrzeuge ....................................................................................... 1163
30.3 Stirlingmotor ................................................................................................................................ 1165
30.4 Gasturbine .................................................................................................................................... 1166
30.5 Brennstoffzelle als Fahrzeugantrieb ............................................................................................. 1167
30.5.1 Der Aufbau der PEM- Brennstoffzelle ........................................................................... 1168
30.5.2 Die Brennstoffzelle im Fahrzeug ................................................................................... 1168
30.5.3 Bewertung der Brennstoffzelle im Vergleich zu anderen Antrieben .............................. 1172
XLVIII

30.6 Zusammenfassende Bewertung der alternativen Energien und Antriebe ..................................... 1173
30.7 Wasserstoff-Verbrennungsmotor ................................................................................................. 1173
30.8 Stromerzeugung durch eine Auxiliary Power Unit (APU) ........................................................... 1175
30.8.1 Die Brennstoffzelle als APU .......................................................................................... 1175
30.8.2 Brennkraftmaschine in Kombination mit einem Lineargenerator
(Freikolbenlineargenerator) ............................................................................................ 1177

31 Energiemanagement in Motor und Fahrzeug .................................................................................... 1179


31.1 Verluste bei der Energieumwandlung .......................................................................................... 1180
31.2 Bedarfsorientiertes Energiemanagement ...................................................................................... 1181
31.3 Stromerzeugung im Fahrzeug ...................................................................................................... 1182
31.3.1 Thermoelektrischer Generator (TEG) ............................................................................ 1183
31.4 Wärmemanagement ..................................................................................................................... 1184

32 Energien für Antriebe nach 2020 ........................................................................................................ 1187


32.1 Kriterien für optimale Antriebstechnologien nach 2020 .............................................................. 1187
32.1.1 Randbedingungen für nachhaltige Energie und zukünftige Powertrain-Systeme ........... 1187
32.1.2 GHG-Emissionen der Energiequellen (GHG = Greenhouse Gas) .................................. 1188
32.2 Emissionsziele und das Sub-Zero-Emissionspotenzial der Antriebe ............................................ 1189
32.3 Potenziell nachhaltig verfügbare Designer-Kraftstoffe ................................................................ 1190
32.3.1 Methanol ........................................................................................................................ 1191
32.3.2 Synthetische C4-C10-Kraftstoffe auf Kohlenwasserstoffbasis ....................................... 1191
32.3.3 Oxymethylenether (OME) .............................................................................................. 1192
32.3.3.1 Monooxymethylenether (OME1) ................................................................... 1192
32.3.3.2 Höhermolekulare OMEs ................................................................................ 1192
32.3.4 Toxizität und Umweltverträglichkeit von C1-Kraftstoffen ............................................ 1193
32.4 Schlussfolgerungen und Ausblick ................................................................................................ 1194

33 Ausblick ................................................................................................................................................. 1195

Sachwortverzeichnis ................................................................................................................................... 1199


1 Geschichtlicher Rückblick

Seit mehr als hundert Jahren werden Kraftfahrzeuge die hohen Arbeitsdrücke im Brennraum von Verbren-
mit Verbrennungsmotoren als Antriebsquelle gebaut. nungsmotoren überhaupt erst aufrechterhalten wer-
Das Aussehen der Fahrzeuge verdeutlicht auf Anhieb den; er war deshalb ebenso eine Voraussetzung für
auch dem technischen Laien, welche Fortschritte in das Beherrschen des motorischen Prozesses wie die
diesem Zeitraum gemacht worden sind. Anders an Dampfmaschinen mit Gasturbinenantrieb gewon-
verhält es sich mit den Motoren: Der Grundaufbau nenen Kenntnisse und Erfahrungen mit Triebwerks-
des Triebwerks ist derselbe geblieben, nur an Dimen- lagern und deren Schmierung.
sionen, Ausführungsart und im Detail ist zu erkennen, Zunächst ging es darum, zentrale Motorfunktionen
dass auch in der Motortechnik eine kontinuierliche darzustellen. Das schwierigste Problem der frühen
Weiterentwicklung stattgefunden hat (Bild 1-1), die Motoren war die Zündung. Die Flammzündung
selbst nach über hundert Jahren nicht an Tempo und (Otto) und ungesteuerte Glührohrzündung (May-
Innovation verloren hat. bach/Daimler) – stellten eine Hürde für die Motor-
Der Ursprung der Kraftfahrzeugmotoren liegt letzt- entwicklung dar, die erst mit elektrischen Zündver-
lich in der Forderung der damaligen Handwerker und fahren überwunden wurde: Abschnapperzündung
Kleingewerbetreibenden nach einer erschwinglichen (Otto), Summerzündung (Benz), die Bosch-Magnet-
und einfachen Kraftquelle – gasbetriebene Stationär- Niederspannungszündung mit Abreißfunken und
motoren zum Antrieb von Arbeitsmaschinen aller schließlich mit der Hochspannungsmagnetzündung
Art. (Bosch). Als Nächstes musste die Gemischbildung
Es wurde von verschiedenen Stellen an solchen An- qualitativ und quantitativ verbessert werden. Mit
trieben gearbeitet. NIKOLAUS AUGUST OTTO hatte Docht-, Oberflächen- und Bürstenvergasern konnten
1876 mit seinem Motor das bereits von dem Franzo- nur die niedrig siedenden Fraktionen des Benzins
sen BEAU DE ROCHAS beschriebene Viertakt-Verfah- (Siedeende circa 100 °C) genutzt werden, außerdem
ren erfolgreich in die Praxis umgesetzt, wobei der verdampften die einzelnen Fraktionen nicht gleich-
entscheidende Vorteil gegenüber den Gasmotoren des zeitig. Im Spritzdüsenvergaser von WILHELM MAY-
Franzosen JEAN JOSEPH ETIENNE LENOIR in der BACH wurde der Kraftstoff nicht mehr „vergast“,
Vorverdichtung des Gemisches lag. Der britische sondern zerstäubt. Jetzt konnte man auch Schwerben-
Ingenieur DOUGALD CLERK „verkürzte“ das Viertakt- zin (Siedeende um 200 °C) verwenden. Das Spektrum
Verfahren zum Zweitakt-Verfahren, indem er die nutzbarer Kraftstoffe wurde erheblich erweitert. Vor
Ladungswechselhübe entfallen ließ. Unabhängig allem aber ließ sich der Kraftstoff in nahezu beliebi-
voneinander schufen KARL BENZ und GOTTLIEB ger Menge aufbereiten – Voraussetzung für weitere
DAIMLER mit WILHELM MAYBACH 1886 den leich- Leistungssteigerung. Vergaser mit selbsttätiger Zu-
ten, weil schnelllaufenden Motor, der zudem mit satzluftregelung von Krebs, Claudel (Zenith) sowie
flüssigen Kraftstoffen betrieben werden konnte. Menesson und Goudard (Solex) verbesserten das
Damit waren die entscheidenden Bedingungen für Betriebsverhalten der Motoren und senkten den
den Antrieb von Kraftfahrzeugen – und später auch Verbrauch.
von Luftschiffen und Flugzeugen – erfüllt. Mit steigender Leistung musste auch mehr Wärme
RUDOLF DIESELS „rationeller Wärmemotor“ 1893 – mit dem Kühlwasser abgeführt werden. Nun erwies
1897 konnte zunächst nur stationär eingesetzt wer- sich die einfache Verdampfungskühlung als leis-
den; das gilt auch für seine Vorläufer, die Motoren tungsbegrenzendes Kriterium: Die Wärmeabfuhr war
von GEORGE BAILEY BRAYTON und HERBERT zu gering, der mitzunehmende Wasservorrat zu groß
AKROYD STUART. Bis der Dieselmotor „auf die und außerdem ließen sich mit natürlichem Wasser-
Straße kam“, sollte es noch Jahrzehnte dauern. umlauf (Thermosyphon) kritische Bauteile nicht
Der grundsätzliche Aufbau des Verbrennungsmotors sicher und ausreichend kühlen. Der Bienenwaben-
war von der Dampfmaschine vorgegeben: Der Kur- kühler von WILHELM MAYBACH bot die physikalisch
beltrieb steuert den Ablauf des thermodynamischen „richtige“ Lösung: Intensivierung des Wärmeüber-
Prozesses und wandelt den Gasdruck erst in eine gangs auf der Seite des schwachen Wärmeüber-
oszillierende und dann in eine Drehbewegung um. gangs – der Luftseite!
Der hohe Entwicklungsstand der Dampfmaschine Nachdem motorseitig diese Grundlagen geschaffen
Ende des 19. Jahrhunderts bildete das Fundament für waren, entwickelte sich das Kraftfahrwesen rasch,
die Motoren: Gießen, Schmieden und genaues Be- wobei die Fortschritte auf der Motorseite die auf der
arbeiten komplizierter Maschinenteile wurden be- Fahrzeugseite beflügelten – und umgekehrt! Immer
herrscht. Mit dem einteiligen selbstspannenden Kol- mehr Firmen nahmen die Fertigung von Fahrzeugen
benring von JOHN RAMSBOTTOME (1854) konnten und Motoren auf. Um die Leistung zu steigern und

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_1
2 1 Geschichtlicher Überblick

Daimler- 1899 1984 Mercedes-Benz


Phönix-Motor M 102

4 Zyl.-Otto
d = 100 mm
s = 140 mm
n = 660 1/min
P = 8,8 kW

4 Zyl.-Otto
d = 89,0 mm
s = 80,25 mm
n = 5200 1/min
P = 77 kW

1998

Opel 1,8 l

4 Zyl.-Otto
d = 80,5 mm
s = 888,2 mm
n = 5400 1/min
P = 85 kW

Bild 1-1 Motoren 1899 bis 2011 [10], [11]

die Laufruhe zu verbessern, erhöhte man die Zylin- wovon die Fahrzeugmotoren profitierten: Erfahrun-
derzahl – von einem auf zwei und dann auf vier, wie gen flossen zurück, andererseits konnten Irrwege in
beim Mercedes-Simplex-Motor. Die Aufteilung des der Flugmotorenentwicklung – weil als solche er-
Arbeitsraums auf mehrere Zylinder gestattet höhere kannt – bei Kfz-Motoren von vorneherein vermieden
Drehzahlen und eine bessere Ausnutzung des Arbeits- werden. Ungeachtet dessen standen mehrere An-
raumes, das heißt höhere spezifische Arbeit (effekti- triebskonzepte im Wettbewerb: Die bewährte tech-
ver Mitteldruck). In anderen Ländern – Frankreich, nisch ausgereifte Dampfmaschine hatte auch als
Italien, England und später in den USA – hatte man Antrieb von Straßenfahrzeugen Vorteile: Selbstanlauf,
ebenfalls den Bau von Kraftfahrzeugen und Motoren ein elastisches, dem Zugkraftbedarf des Fahrzeugs
aufgenommen, zunächst noch an deutschen Vorbil- entsprechendes Betriebsverhalten und ruhiger Lauf.
dern orientiert, doch löste man sich bald davon und Noch vorteilhafter schien der Elektroantrieb. Doch
schuf eigene Konstruktionen. Mit der Fliegerei nahm wurde man sich der Nachteile dieser Antriebskon-
die Motortechnik einen ungeheuren Aufschwung, zepte rasch bewusst.
1 Geschichtlicher Überblick 3

Mit der Motorleistung nahmen Geschwindigkeit und verhältnisse – Voraussetzung für mehr Leistung und
Masse der Fahrzeuge zu. Nun kam es darauf an, niedrigeren Verbrauch.
motorische Funktionen wie Gemischzusammenset- Mit dem Kolbenwettbewerb von 1921, veranstaltet
zung, Zündzeitpunkt, Schmierung und Kühlung an vom Reichsverkehrsministerium, wurden der deutschen
die Bedingungen des Straßenverkehrs anzupassen. Motorenindustrie die Vorteile des Leichtmetallkolbens
Das komplexe technische System Motor musste für gegenüber dem Gusseisenkolben überzeugend aufge-
ungeübtes Personal – nämlich die Fahrzeugbetreiber zeigt. In der Folge wurden in den 1920er Jahren die
– handhabbar gemacht werden. Kraftstoff- und Öl- Motoren auf Leichtmetallkolben umgestellt, was – trotz
verbrauch mussten gesenkt werden; letzterer nicht nur mancher Rückschläge – einen beträchtlichen Zuwachs
aus Kostengründen, sondern weil die mit ganz- und an Leistung und Wirkungsgrad brachte. Mit den Re-
teilverbranntem Öl angereicherten Abgase öffent- gelkolben konnte das Kolbenklappern verringert und
liches Ärgernis erregten. schließlich beseitigt werden. Anfang der 1920er Jahre
Aus diesem Gemenge von Anforderungen, Mängeln, hatte es mit den Pleuellagern der Flugmotoren erheb-
Erfahrungen und neuen Erkenntnissen entwickelten liche Schwierigkeiten gegeben; sie waren an die
sich Motorkonzepte mit unterschiedlichen, aber auch Grenze ihrer Belastbarkeit gestoßen. Das Stahl-Blei-
gleichen konstruktiven Elementen. W-, Stern-, Ein- bronzelager, von NORMAN GILMANN bei Allison
wellen-Gegenkolben und Umlaufmotoren wurden nur (USA) entwickelt, brachte Abhilfe. Diese Lager
vereinzelt für Kraftfahrzeuge gebaut. Die Standard- fanden in Nkw-Dieselmotoren Eingang, dann auch in
bauart war der Reihenmotor mit vier, sechs und acht Pkw-Hochleistungsmotoren. Den nächsten Entwick-
Zylindern, auch V-Motoren mit 8, 12 und sogar lungsschritt stellten die Dreistofflager dar, bestehend
16 Zylindern gab es. Der „typische“ Motor bestand aus Stahlstützschale, Bleibronze-Zwischenschicht
aus niedrigem Kurbelgehäuse mit aufgesetzten Ein- und Weißmetall-Laufschicht; sie waren von Clevite in
zel- oder Doppelzylindern. Zylinder und Zylinder- den USA entwickelt worden.
kopf waren einteilig gegossen, die stehenden Ventile Höhere Drehzahlen und Leistungen sowie gesteigerte
wurden von der/den tief im Kurbelgehäuse gelagerten Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Motoren
Nockenwelle(n) angetrieben. Die Kurbelwelle wurde verlangten eine bessere Motorschmierung.
hängend in Lagerbrücken, nur nach jeder zweiten Von der Docht- und Vasenschmierung (Schmierung
oder sogar dritten Kröpfung gelagert. Zwar hatte man aus Vorratsgefäßen) sowie der Schmierung mittels
mittlerweile die selbsttätigen zu Gunsten zwangsbetä- Handpumpe(n) bei den frühen Fahrzeugmotoren ging
tigter Einlassventile aufgegeben. Dennoch bereitete man zur Tauchschmierung über, bei der durch Ein-
die Ventilsteuerung Schwierigkeiten: Ventile brann- tauchen von Triebwerksteilen oder speziellen Schöpf-
ten durch, Ventilfedern brachen, auch war die Ge- mechanismen die Ölverbraucher mit Schmierstoff
räuschentwicklung hoch. Deshalb schien damals die versorgt wurden; dann folgte die Zwangsumlauf-
laufruhige Knight-Schiebersteuerung überlegen zu schmierung, wie sie in Flugzeugmotoren üblich war.
sein. Doch letztlich konnte sich die konstruktiv und Zweitaktmotoren arbeiteten mit Mischungsschmie-
betriebsmäßig einfachere Ventilsteuerung behaupten. rung, das heißt Ölzugabe zum Kraftstoff.
In den USA wurde der Wandel des Pkw vom Frei- Mit der konstruktiv einfachen Thermosyphonkühlung
zeitvergnügen Wohlhabender zum Gebrauchsgegen- konnte nicht mehr genug Wärme aus thermisch hoch
stand schon vor dem ersten Weltkrieg eingeleitet: belasteten Bauteilen abgeführt werden, so dass man –
1909 hatte HENRY FORD die Produktion des Modell T abgesehen von kleinen Motoren – allgemein die
(Tin Lizzie) aufgenommen; bis 1927 wurden über Zwangsumlaufkühlung einführte.
15 Millionen dieser Fahrzeuge hergestellt. In Europa Das Klopfen war schon im ersten Weltkrieg zu einem
kam es erst durch den ersten Weltkrieg zum Einsatz leistungsbegrenzenden Kriterium bei Ottomotoren
von Kraftfahrzeugen, vornehmlich Nutzfahrzeugen in geworden. 1921 entdeckten in den USA THOMAS
großer Zahl. Die Massenfabrikation erzwang eine MIDGLEY, JR. und T. A. BOYD die Wirksamkeit von
gewisse Vereinheitlichung und Normung von Bautei- Bleitetraethyl (TEL) als „Klopfbremse“. Dadurch
len. Der Betrieb unter den extremen Bedingungen an klopffestere Kraftstoffe erlaubten höhere Verdich-
der Front deckte konstruktive Mängel schonungslos tungsverhältnisse und führten zu besseren Wirkungs-
auf. Einsatz, Wartung und Reparatur so vieler Fahr- graden.
zeuge verlangten die Ausbildung und Schulung des In den 1920 er Jahren wurde eine Vielzahl von
Fahrpersonals. Die durch den Krieg forcierte Ent- Kleinwagen entwickelt, deren Motoren leicht, einfach
wicklung der Flugmotoren gab den Kfz-Motoren und billig sein mussten. Hier bot sich das Zweitakt-
Anfang der 1920 er Jahre kräftige Impulse. Das gilt verfahren mit seiner hohen Leistungsdichte an. Dafür
für die Konzeption (Grundaufbau) wie für Details sprachen zwei – letztlich sich einander ausschließen-
einzelner Bauteile. Neben stehenden Ventilen mit L- de – Argumente: Hohe Leistungsdichte und konstruk-
und T-förmigen Zylinderköpfen baute man nun auch tive Einfachheit. Ventillose Zweitakter mit Kurbel-
Motoren mit hängenden Ventilen und kompakten kastenspülung eigneten sich für Motorräder und
Brennräumen; das ermöglichte höhere Verdichtungs- Kleinkraftwagen, die Schnürle-Umkehrspülung von
4 1 Geschichtlicher Überblick

DKW war ein entscheidender Fortschritt gegenüber eine Abstimmung des Ölwechsels auf die Jahreszei-
der Querstromspülung, weil sie eine bessere Spülung ten (Sommeröl – Winteröl); außerdem musste den
des Zylinders ermöglicht und weil die thermisch hoch niedrigen Außentemperaturen durch Regelung der
belasteten Nasenkolben durch Flachkolben ersetzt Kühlwassertemperatur Rechnung getragen werden,
werden konnten. zuerst durch Abdeckung des Kühlers mit Leder-
Mit den Goldenen Zwanziger Jahren kam die Zeit der decken, dann durch verstellbare Kühlerjalousien und
„großen“ Mercedes, Horch, Stöhr und Maybach mit schließlich durch Thermostatregelung der Motorwas-
8-Zylinder-Reihen- und 12-Zylinder-V-Motoren. In sertemperatur.
England waren es Rolls-Royce, Bentley, Armstrong- In den 1930 er Jahren arbeitete man auch an alternati-
Siddeley, in Frankreich Delage und Bugatti, in den ven Konzepten mit Dampfmotoren für Nutzfahrzeug-
USA Pierce Arrow, Duesenberg, Auburn, Cord, motoren, um Kraftstoffkosten zu sparen und um
Cadillac und Packard. höhere Leistungen darzustellen, als damals mit Die-
Beeinflusst von der Entwicklung im Flugmotorenbau selmotoren möglich war. Auch spielten dabei Erwä-
begann man Motoren aufzuladen, mit – je nach Leis- gungen über eine wirtschaftliche Autarkie eine Rolle.
tungsbedarf zu- und abschaltbaren – Gebläsen in Trotz der vorteilhaften Zugkraft-Kennlinie konnte
Verdrängerbauweise (Roots-Gebläse): Mercedes- sich der Dampfantrieb letztlich nicht gegen den
Benz, Itala oder Bentley und mit Radialgebläsen Verbrennungsmotor, angetrieben mit Gas – Speicher-
(Turboverdichter): Duesenberg. Vorteile schien auch und Generatorgas – durchsetzen. Im und nach dem
Zweiten Weltkrieg mussten auch Pkw-Motoren aus
die Luftkühlung der Flugmotoren zu versprechen.
Kraftstoffmangel auf Generatorgas umgestellt werden
Doch gestaltete sich diese bei Kfz-Motoren wegen
(Bild 1-2).
der niedrigen Fahrzeuggeschwindigkeit und ungüns-
tigerer Betriebsbedingungen erheblich schwieriger.
Ein Pionier der Luftkühlung war die amerikanische
Imbert-Holzgasgenerator für PKW
Firma Franklin Mfg. Co, die schon vor dem ersten
Weltkrieg einen luftgekühlten 6-Zylinder-Reihen- Deckel
motor herstellte. Auch General Motors setzte mit Zentrifugal-Reiniger
Gas-
einem Chevrolet (Chevrolet Copper Engine) auf die Kühler
Holz
Luftkühlung, wobei zur Verbesserung der Wärmeab-
fuhr die Kühlrippen aus Kupfer gefertigt wurden. Gas
Luft-Düsen
Wegen technischer Probleme ging dieser Motor nicht Gas
Luft
in die Großserie. Auch in Europa wurden in den
1920 er und 1930 er Jahren luftgekühlte Kfz-Motoren Luft- und Gas-
Gemisch- Ventilator
Zündloch Luft-
Drossel-
entwickelt und gebaut: Nutzfahrzeugmotoren von Mischer
Holzkohle Herd klappe Verschluss-
Krupp und Phänomen, Pkw-Motoren von Tatra und zum Motor
Gas klappe
Luft-
FERDINAND PORSCHE für den neuen Volkswagen. Regler-Drosselklappe Drossel- Holzwolle
klappe
Der luftgekühlte Boxer-Motor von Volkswagen wur- Feinfilter
Luft
de – erst im Kübel- und im Schwimmwagen – später
im „Käfer“ zu einem Synonym für Zuverlässigkeit
und Robustheit.
In den 1920 er Jahren entstand in Symbiose mit der
Fahrzeug- und Motorenindustrie eine leistungsfähige
Zubehörindustrie, die als Schaltstellen der Entwick-
lung fungierend, nicht nur Wissen und Erfahrungen
auf den jeweiligen Gebieten vereinigte, sondern auch,
da für mehrere oder sogar alle Motorhersteller produ-
zierend, erprobtes, weitgehend vereinheitlichtes und
preisgünstiges Zubehör wie Kolben, Lager, Kühler,
Vergaser, Elektrik und Dieseleinspritz-Einrichtungen Bild 1-2 Holzgasgenerator für Pkw-Motoren [3]
anbieten konnte. Die Bedienung der Motoren wurde
erleichtert, vor allem durch den von CHARLES F.
KETTERING bei General Motors eingeführten elektri- Die Kraftstoffeinspritzung mittels Druckluft („Luft-
schen Anlasser, der nicht nur das Starten des Motors einblasung“) war ein Hindernis für den Einsatz des
erleichterte, sondern auch ungefährlich machte. Diesels im Fahrzeug gewesen. Anfang der 1920 er
Zündzeitpunkt (früh – spät) und Gemischzusammen- Jahre wurde intensiv an einer „kompressorlosen“
setzung (arm – reich) mussten nicht mehr vom Fahrer Einspritzung gearbeitet. Aufbauend auf Vorarbeiten
verstellt werden, sondern erfolgten nun selbsttätig. In vor und im ersten Weltkrieg (L’ORANGE, LEISSNER)
den 1930 er Jahren wurden Pkw zunehmend auch im entstanden kompressorlose Fahrzeug-Dieselmoto-
Winter gefahren Der Ganzjahresbetrieb verlangte ren – in Deutschland von MAN, Benz (später: Merce-
1 Geschichtlicher Überblick 5

des-Benz) und Junkers entwickelt. Auf der Grundlage nur nach jeder zweiten Kröpfung gelagert. Doch das
von Acro-Patenten entwickelte die Fa. Robert Bosch begann sich zu ändern; neue Motoren wurden modern
komplette Einspritzsysteme für Fahrzeug-Dieselmo- konzipiert: Tief unter die Kurbelwellenmitte herabge-
toren. Die Einspritzpumpen hatten Schrägkantensteu- zogene Kurbelgehäuse, Lagerung der Kurbelwelle
erung und Überströmregelung. Weil man die direkte nach jeder Kröpfung, kompakte Brennräume mit
Einspritzung bei Fahrzeugmotoren mit ihrem großen schräg hängenden Ventilen (OHV), dann Tassenstö-
Drehzahlbereich nicht beherrschte, gab man der ßel mit obenliegenden Nockenwellen (OHC) erlaub-
indirekten Einspritzung (Vor- und Wirbelkammer, ten höhere Drehzahlen; auch nahmen die Hubvolu-
Luftspeicher) den Vorzug. Der Dieselmotor bewährte mina zu. Mercedes-Benz beteiligte sich wieder erfolg-
sich im schweren Nutzfahrzeug und wurde zuneh- reich an Rennen; die Motoren der Silberpfeile hatten
mend in leichte Nutzfahrzeuge, schließlich auch in eine von den Flugzeugmotoren abgeleitete Benzin-
Pkw eingesetzt (Mercedes-Benz, Hanomag, Ober- einspritzung und zwangsbetätigt schließende Ventile
hänsli, Colt, Cummins und so weiter). Einer der ers- (desmodromische Steuerung).
ten Pkw mit Dieselantrieb war ein Packard mit Cum- Der wirtschaftliche Aufschwung in der westlichen
mins-Motor. Um die Eignung von Dieselmotoren für Welt ließ den Wohlstand allgemein ansteigen, so dass
Pkw nachzuweisen, wurden speziell umgerüstete sich Angehörige breiter Bevölkerungsschichten ein
Fahrzeuge in Rennen eingesetzt. Ein Packard-Road- Kfz leisten konnten. Die Fahrzeugproduktion nahm
ster mit Cummins-Dieselmotor erreichte auf der zu. Mittel für die Fahrzeugentwicklung standen
Daytona-Beach-Rennstrecke in Florida 1930 eine reichlich zur Verfügung. Mit Japan erschien ein neuer
Geschwindigkeit von 82 Meilen pro Stunden Anbieter auf dem Weltmarkt, der mit hohem Quali-
(131 km/h). In Deutschland war es 1978 ein Merce- tätsstandard, Verringerung der Fertigungstiefe, Aus-
des-Benz C 111, der mit 316,5 km/h einen Rekord gliedern von Fertigungs-, Montage und Entwick-
aufstellte. lungsprozessen, zeitgerechte Zulieferung (just-in-
Ungeachtet der Vorzüge von Dieselmotoren wurden time) die Kfz-Fertigung revolutionierte. Ein globaler
großvolumige Pkw-Ottomotoren zum Antrieb von Wettbewerb zwang zu noch schärferer Kostenbe-
Nfz eingesetzt – in den USA wie in Deutschland, wo trachtung; die Motoren wurden – weit mehr noch als
der 12-Zylinder-Motor des Maybach-Zeppelin Omni- früher – in Hinblick auf wirtschaftliche Fertigung,
busse, Feuerwehrfahrzeuge und Halbketten-Zugma- einfache Wartung und Reparatur gebaut. Die elektro-
schinen antrieb und der Nkw Opel-Blitz mit dem nische Datenverarbeitung (EDV) setzte sich ab den
6-Zylinder-Reihenmotor des Opel-Admiral zum Stan- 1970 er Jahren in der Entwicklung durch und führte
dardfahrzeug der deutschen Wehrmacht wurde. Auch zu Rationalisierung, Beschleunigung und zielgenaue-
kleine Lieferwagen (Tempo, Goliath, Standard) liefen rer Entwicklung mit Rechenmethoden der Finiten
mit Ottomotoren. Andererseits drang der Dieselmotor Elemente (FEM), des Konstruierens mit CAD und der
in den Pkw-Bereich vor. Domäne des Pkw-Diesel- Simulation von motorischen Prozessen.
motors war das Taxi. Immer wieder wurde das Konzept des Hubkolben-
Im Zweiten Weltkrieg stagnierte weltweit die Ent- motors in Frage gestellt: Ende der 1940 er Jahre hatte
wicklung von Pkw-Motoren, jetzt galten andere Prio- Rover in Großbritannien ein Fahrzeug mit Gasturbi-
ritäten! Nach dem Krieg wurde die Fertigung von nenantrieb entwickelt.
Vorkriegsmotoren aufgenommen. In den USA konnte Trotz wesentlicher Vorteile, wie hoher Leistungsdich-
man sich großvolumige Motoren leisten – 6-Zylinder- te, ruhigem Lauf und rauchfreiem Abgas, zeigte sich,
Reihen- und 8-Zylinder-V-Motoren. In Europa ent- dass Gasturbinen hinsichtlich des Wirkungsgrades für
stand eine Vielzahl von Kleinst- und Kleinwagen mit die kleinen Leistungen und die Betriebsbedingungen
Antrieb durch luft- und wassergekühlte Zwei- und von Pkw nicht geeignet sind. In den 1960 er Jahren
Viertaktmotoren. Für Deutschland sind zu nennen: versprach der Kreiskolbenmotor von FELIX WANKEL,
Gutbrod, Lloyd, Goliath und DKW, für Frankreich entwickelt von NSU, eine Alternative zum Hubkol-
Dyna-Panhard, Renault 4 CV und Citroën 2 CV, für benmotor zu werden. Seine Kinematik, Leistungs-
England Austin und Morris und für Italien Fiat. Um dichte und kompakte Bauart sind Vorteile gegenüber
den hohen Kraftstoffverbrauch von Zweitakt-Otto- Hubkolben-Triebwerken. Doch letztlich überwogen
motoren durch Spülverlust zu vermeiden, erhielten die Nachteile: Begrenztes Verdichtungsverhältnis,
Gutbrod- und Goliath-Motoren eine mechanische ungünstiger Brennraum, Verbrennung mit hohem
Benzineinspritzung. Mit dem „Wirtschaftswunder“ Gleichdruckanteil, „späte“ Verbrennung in die Ex-
ging die Nachfrage nach Kleinwagen zurück, so dass pansion hinein, problematische Abdichtung des Ar-
sich der Zweitaktmotor im Pkw nicht behaupten beitsraumes führen zu hohen Verbräuchen und
konnte; lediglich in der DDR wurden die Pkw Wart- schlechten Abgaswerten. Lediglich Mazda gelang es
burg und Trabant bis Ende der 1980 er Jahre damit mit einigem Erfolg, sportliche Fahrzeuge mit Wan-
ausgerüstet. kelmotor zu bauen (siehe Kap. 8.4.4 und [12]).
Anfang der 1950 er Jahre waren noch viele Viertakt- Die Energiekrise der 1970 er Jahre verlangte sparsa-
Pkw-Motoren seitengesteuert und die Kurbelwelle mere und schadstoffärmere Motoren. Ausgehend von
6 1 Geschichtlicher Überblick

der mechanischen Einspritzung wurde – vor allem folgten. In den USA ist das Interesse an Diesel-Pkw
von Bosch vorangetrieben – eine Niederdruckein- nach wie vor gering. In den 1960 er/1970 er Jahren
spritzung mit elektronisch geregelter Kraftstoffzu- kam die Verteilerpumpe auf, die sich gerade für die
messung entwickelt. Trotz hohem Entwicklungsstand kleinen Einspritzmengen der Pkw-Dieselmotoren als
der Vergasertechnik (Doppelvergaser, Registerver- geeignet erwies. Nachdem sich in den 1960 er Jahren
gaser, Gleichdruckvergaser) setzte sich die Benzin- die direkte Einspritzung bei Nkw-Motoren durchge-
einspritzung schnell durch. Immer mehr hielt die setzt hatte, versprach diese auch bei Pkw-Motoren be-
Elektronik Einzug in die Motorsteuerung. Eine ge- achtliche Verbrauchsvorteile. Ford hatte bereits einen
meinsame mikroprozessorgesteuerte Elektronik mit Lieferwagen mit einem Motor mit Direkteinspritzung
Kennfeldspeicherung steuert Zündung und Gemisch- ausgerüstet, als Audi Ende der 1980 er Jahre schad-
bildung. stoffarme Pkw-Motoren mit Direkteinspritzung he-
Da innermotorische Maßnahmen nicht mehr ausreich- rausbrachte. Andere Firmen folgten, so dass heute die
ten, die Schadstoffe auf die gesetzlich begrenzten Direkteinspritzung bei Pkw-Dieselmotoren Standard
Werte zu reduzieren, wurden Dreiwegekatalysatoren ist. Zunehmend wurde die Einspritzung für Pkw-Die-
eingesetzt, die ein genaues Einhalten des stöchio- selmotoren die zentrale Schlüsseltechnologie auf dem
metrischen Luftverhältnisses durch kontinuierliches Weg zur immer sparsameren und saubereren Diesel-
Messen des Sauerstoffgehaltes im Abgas mit der verbrennung, meist in Kombination mit Abgasturbo-
Lambda-Sonde erfordern. Zusätzliche Verbesserung aufladung, Ladeluftkühlung und Abgasrückführung.
erreicht man mit geregelter Abgasrückführung. Heutzutage dominieren Common-Rail-Einspritz-
Die Abgasturboaufladung als Mittel zur Leistungs- systeme mit Drücken von bis zu 2.000 bar und Mehr-
steigerung und Verringerung des Verbrauchs wurde facheinspritzung zur optimalen „Formung“ des Ver-
ab den 1960 er Jahren bei Nkw-Motoren eingesetzt. brennungsablaufes die Dieseleinspritztechnologie.
Mit steigendem Entwicklungsstand konnten Abgas- Um die Dieselkolben thermisch zu entlasten, werden
turbolader so weit „miniaturisiert“ werden, dass man diese durchweg durch Anspritzen der Kolbenunter-
auch Pkw-Ottomotoren damit ausrüstete. Da die seiten oder durch Kühlkanäle gekühlt.
Strömungsmaschine Abgasturbolader und die Kol- In den 1980 er und 1990 er Jahren wurde der La-
benmaschine Verbrennungsmotor unterschiedliches dungswechsel zu einem Schwerpunkt der Entwick-
Betriebsverhalten zeigen, musste man – anfangs lung. Durchflussbeiwerte und Liefergrad konnten mit
meist durch Überbrücken der Turbine mit einem Teil der Mehrventiltechnik verbessert werden; ein weite-
des Abgasstromes (Waste-Gate-Regelung), mittler- res brachten verstellbare Steuerzeiten und Ventilhübe
weile mittels verstellbarer Turbinengeometrie bei sowie Schaltsaugrohre. Die Entwicklung geht nun
Dieselmotoren – „Luftangebot“ des ATL und „Nach- zunehmend in Richtung „vollvariabler“ Ventiltriebe.
frage“ des Motors in Einklang bringen. Weitere Ver- Damit kann der Ansaugvorgang entdrosselt und so
besserung erzielte man durch die Ladeluftkühlung. ein prinzipieller Nachteil des Ottomotors gemildert
Bezüglich ihres Ansprechverhaltens für den Kfz- werden. Die direkte Benzineinspritzung in die Zylin-
Betrieb sind mechanisch angetriebene Lader von der von Ottomotoren liefert höhere Leistung, niedri-
Vorteil. Volkswagen entwickelte einen Spirallader gere Schadstoffemission und geringeren Verbrauch.
(G-Lader), Mercedes-Benz verwendet Roots-Gebläse Motorseitig wurde der Kraftstoffverbrauch mit einem
für „sportliche“ Fahrzeugmotoren. Ein an sich be- ganzen Bündel von Maßnahmen gesenkt: Kleinere
stechendes Konzept der Aufladung ist der Druck- Abmessungen und Massen des Triebwerks (Down-
wellentauscher (Comprex-Lader) der BBC, bei dem sizing), Rollenabgriff statt Gleitabgriff in der Steue-
die Energie aus dem Abgas dynamisch direkt auf die rung, Leichtlauföle, bedarfsgesteuerter Betrieb von
Ladeluft, das heißt ohne Abgasturbine und Turbover- Gebläse und Pumpen und so weiter.
dichter, übertragen wird. Trotz erheblichen Ent- Steigende Drehzahlen und gleichzeitig höhere Kom-
wicklungsaufwands hat sich dieses Prinzip in der fortanforderungen der Kunden, aber auch der Trend
Motorpraxis bisher nicht durchsetzen können. zum Downsizing verlangen Maßnahmen zur Verbes-
Pkw-Dieselmotoren, schon in den 1930 er Jahren serung der Maschinendynamik. Weiterführende Ent-
entwickelt und serienreif gemacht, erfreuten sich ab wicklungen von Ausgleichsvorrichtungen und Dreh-
den 1950 er Jahren einer zwar begrenzten, aber über- schwingungsdämpfern minimieren den Zielkonflikt
zeugten Anhängerschaft durch Taxifahrer und soge- zwischen gewünschter Laufruhe der Motoren und
nannte Vielfahrer, die weniger Wert auf sportliches dem Anstieg der Triebwerksmasse und der Reibung.
Fahren, dafür umso mehr auf geringen Kraftstoff- Begrenzte Ressourcen und insgesamt hoher Schad-
verbrauch und lange Lebensdauer legten. Neben den stoffausstoß zwingen zur Suche nach anderen An-
Motoren von Mercedes-Benz und Borgward gab es triebskonzepten. Zum einen geht es um die Substitu-
zunächst nur Dieselmotoren von Peugeot und Fiat, tion des Erdöls, zum anderen um die Entlastung der
bis in den 1970 er Jahren VW einen Pkw-Diesel Umwelt. Eine von der Politik zeitweise stark favori-
herausbrachte und dann weitere Hersteller in sierte Lösung war die Verwendung regenerativer
Deutschland: Opel, BMW, Ford und Audi damit Energie in Gestalt von Pflanzenöl (Rapsmethylester);
1 Geschichtlicher Überblick 7

doch weder reichen die Rapsanbauflächen für eine schon im Jahr 1900 von FERDINAND PORSCHE im
ausreichende Kraftstoffversorgung aus, ganz abge- „Lohner-Porsche“ eingesetzt wurde. Das primäre Ent-
sehen von den ökologischen Problemen von Mono- wicklungsziel ist und bleibt auch längerfristig die Re-
kulturen; noch ist es technisch sinnvoll, Mineralöle in duktion der Emissionen und des Energieverbrauchs
Kfz-Motoren, wo die Gemischbildung im Milli- zukünftiger Antriebskonzepte. Der Verbrennungs-
sekundenbereich erfolgen muss, durch Rapsöl zu motor bietet hierfür weiterhin enormes Potenzial.
ersetzen, solange man in Hausheizungen wertvolles
Leichtöl (= Dieselöl) zur Wärmeerzeugung ver- Literatur
schwendet. [1] Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Bosch und die Zündung. In:
Eine andere Entwicklung zielt auf die Verwendung Bosch-Schriftenreihe Folge 5. Stuttgart, 1952
[2] Bussien, R. (Hrsg.): Automobiltechnisches Handbuch, 18. Aufl.
von Wasserstoff als Kraftstoff. Wasserstoff in her-
Technik Verlag H. Cram, 1965
kömmlichen Kolbenmotoren kann die Schadstoffsitu- [3] Eckermann, E.: Alte Technik mit Zukunft (Hrsg. Deutsches
ation entschärfen helfen, ebenso wie dessen Einsatz Museum). München: R. Oldenbourg, 1986
in der Brennstoffzelle. Allerdings muss der Wasser- [4] von Fersen, O. (Hrsg.): Ein Jahrhundert Automobiltechnik –
Personenwagen. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1986
stoff in Umkehr der Elektrolyse „erzeugt“ werden, [5] von Frankenberg, R.; Mateucci, M.: Geschichte des Automobils.
was erheblichen Energieeinsatz verlangt. Eine andere Künzelsau: Siegloch, 1988
Möglichkeit der Wasserstoffgewinnung besteht in der [6] Kirchberg, P.: Plaste, Bleche und Planwirtschaft. Die Geschichte
Konvertierung von Methanol oder Benzin; doch des Automobilbaus in der DDR. Berlin: Nicolasche Verlags-
buchhandlung, 2000
damit werden keine Ressourcen geschont. Ein denk- [7] Krebs, R.: 5 Jahrtausende Radfahrzeuge. Berlin: Springer,
bares Szenario besteht im verstärkten Einsatz von 1994
erdgasbetriebenen Motoren, womit einerseits die [8] Sass, F.: Geschichte des deutschen Verbrennungsmotorenbaues.
Energieversorgung bei knapper werdendem Erdöl Berlin: Springer, 1962
[9] Pierburg: Vom Docht zur Düse, Ausgabe 8/1979. Neuss: Fa.
gesichert und der Einstieg in eine Gastechnologie mit Pierburg, 1979
Wasserstoff vorbereitet werden könnte. [10] Zima, S.: Kurbeltriebe, 2. Aufl. Wiesbaden: Vieweg, 1999
Aktuell stellt die „Hybridisierung“ und „Elektrifizie- [11] Steinparzer, F.; Klauer, N,; Kannenberg, D.; Unger, H.: Der
rung“ der Fahrzeugantriebe ganz neue Herausforde- neue aufgeladene 2,0-l-Vierzylinder-Ottomotor von BMW. In:
MTZ 72 (2011) 11, issue 12, pp 928–937
rungen an die Motorenentwicklung, obwohl die [12] Dobler, H.: Renesis – ein neuer Wankelmotor von Mazda. In:
Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor MTZ 61 (2000) 7/8
8 2 Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren

2 Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren

2.1 Definitionen Energie umgesetzt wird. Die bekanntesten Verbren-


nungskraftmaschinen sind Verbrennungsmotoren und
Kolbenmaschinen sind Maschinen, in denen die Gasturbinen. Einen Überblick gibt Bild 2-1.
Energie eines Fluids (Gas oder Flüssigkeit) auf einen Verbrennungsmotoren sind Kolbenmaschinen. Je
bewegten Verdränger (zum Beispiel einen Kolben) nach Ausbildung des gasdichten, veränderlichen Ar-
oder von dem Verdränger auf das Fluid übertragen beitsraums beziehungsweise nach der Kolbenbewe-
wird [1, 2, 14]. Sie gehören damit zu den Fluidener- gung werden Hubkolbenmotoren [15] (mit oszillie-
giemaschinen, die als Arbeitsmaschinen mechanische render Kolbenbewegung) und Rotationskolbenmotoren
Energie aufnehmen, um die Energie des geförderten (mit rotierender Kolbenbewegung) unterschieden. Die
Fluids zu erhöhen. Dagegen wird bei Kraftmaschinen Rotationskolbenmotoren wiederum werden eingeteilt
mechanische Energie als Nutzarbeit am Kolben in Drehkolbenmotoren (mit Innen- und Außenläufer
beziehungsweise am Kurbeltrieb freigesetzt. mit reiner Drehbewegung um feste Achsen) und in
Für die Arbeitsweise von Kolbenmaschinen ist cha- Kreiskolbenmotoren (mit einem Innenläufer, dessen
rakteristisch, dass durch die Bewegung des Verdrän- Achse eine Kreisbewegung ausführt) [7]. Bild 2-2 zeigt
gers (Kolbens) ein sich periodisch verändernder Ar- die unterschiedlichen Wirkprinzipien. Nur der Wankel-
beitsraum entsteht. Abhängig von der Art der Bewe- motor, ein Kreiskolbenmotor, hat Bedeutung erlangt.
gung des Verdrängers unterscheidet man zwischen Nach Art der Prozessführung unterscheidet man
Hub- und Rotationsverdrängermaschinen. Bei Hub- weiterhin zwischen Verbrennungsmotoren mit innerer
kolbenmaschinen bewegt sich als Verdränger ein zy- und mit äußerer Verbrennung. Bei Motoren mit inne-
lindrischer Kolben in einem Zylinder zwischen zwei rer Verbrennung ist das Arbeitsmedium (Luft) zu-
Endlagen, den Totpunkten. Der Begriff „Kolben“ gleich Träger des für die Verbrennung erforderlichen
wird oft auch auf nichtzylinderförmige Verdränger Sauerstoffs. Durch die Verbrennung des zugeführten
angewendet. Bei den Rotationskolbenmaschinen be- Kraftstoffes entsteht Abgas, das in einem Ladungs-
wirkt üblicherweise ein rotierender Verdränger die wechsel vor jedem Arbeitsspiel durch Frischladung
Veränderung des Arbeitsraumes. ersetzt werden muss. Die Verbrennung erfolgt daher
Verbrennungskraftmaschinen sind Maschinen, bei zyklisch, wobei je nach Verbrennungsverfahren zwi-
denen durch die Verbrennung eines zündfähigen schen Otto-, Diesel- und Hybridmotoren unterschie-
Luft-Kraftstoff-Gemisches chemische in mechanische den wird.

Art der Prozessführung Offener Prozess Geschlossener Prozess


innere Verbrennung äußere Verbrennung
Brenngas z Arbeitsmedium
Brenngas = Arbeitsmedium Phasenumwandlung des
Arbeitsmediums
nein ja
Art der Verbrennung zyklische Verbrennung kontinuierliche Verbrennung
Selbst-
Art der Zündeinleitung Fremdzündung
zündung
Motor Diesel- Hybrid- Otto- Rohs- Stirling- Dampf-
Art der [4] [5] [6]
Maschine
Turbine – – – Gas- Heißdampf- Dampf-
heterogen homogen heterogen
Art des Gemisches (homogen) (heterogen)
(im Brennraum) (in kontinuierlicher Flamme)

Bild 2-1 Systematik der Verbrennungskraftmaschinen, nach [3]


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_2
2.2 Möglichkeiten der Einteilung 9

Zylinder Außenläufer Gehäuse Gehäuse Exenterwelle

Kolben

Pleuel

Kurbelwelle Kolben Kolben

a b c

Bild 2-2 Wirkprinzipien von Hub-, Dreh- und Kreiskolbenmotor; a Tauchkolbenmotor; b Drehkolbenmotor:
kraftabgebender Außenläufer mit epitrochoidenförmiger Innenkontur und Innenläufer (Kolben) als Absperr-
organ; c Kreiskolbenmotor (Wankelmotor): Gehäuse mit epitrochoidenförmiger Innenkontur und kraftabgeben-
dem Innenläufer (Kolben), der sich exzentrisch um ein Ritzel dreht und gleichzeitig die Abdichtfunktion hat

Bei Motoren mit äußerer Verbrennung (zum Beispiel Der Ottomotor [16] ist ein Verbrennungsmotor, bei
Stirlingmotor) wird die außerhalb des Arbeitsraumes dem die Verbrennung des verdichteten Kraftstoff-
durch kontinuierliche Verbrennung entstehende Wär- Luft-Gemisches durch zeitlich gesteuerte Fremdzün-
me auf das Arbeitsmedium übertragen. Damit ist ein dung eingeleitet wird. Dagegen entzündet sich beim
Arbeitsprozess mit geschlossenem Kreislauf und be- Dieselmotor [17] der in den Verbrennungsraum ein-
liebigem Kraftstoff möglich. gespritzte flüssige Kraftstoff an der Luftladung, nach-
Im Weiteren werden nur Hubkolbenmotoren mit dem diese vorher durch Verdichtung auf eine für die
innerer, zyklischer Verbrennung betrachtet. Einleitung der Zündung hinreichend hohe Temperatur
gebracht worden ist [8].
Bei Hybridmotoren wird unterschieden zwischen Mo-
2.2 Möglichkeiten der Einteilung
toren mit Ladungsschichtung [18] und Vielstoffmoto-
Die Möglichkeiten der Einteilung von Hubkolbenmo- ren [3] (siehe auch Kapitel 15.1 und 15.2).
toren sind auf Grund der komplexen Zusammenhänge
sehr vielfältig. Hubkolbenmotoren mit innerer Ver- 2.2.2 Kraftstoff
brennung [8] kann man unterscheiden nach: In Verbrennungsmotoren können gasförmige, flüssige
x Verbrennungsverfahren und feste Kraftstoffe verbrannt werden, siehe auch
x Kraftstoff Kapitel 22.1:
x Arbeitsverfahren x Gasförmige Kraftstoffe: Methan, Propan, Butan,
x Gemischbildung Erdgas (CNG), Generator-, Gicht-, Biogas (Klär-,
x Ladungswechselsteuerung Deponiegas), Wasserstoff (auch flüssig speicherbar)
x Ladungseinbringung x Flüssige Kraftstoffe:
x Bauform. Leichtkraftstoffe: Benzin, Kerosin, Benzol, Alko-
Weitere Unterscheidungsmerkmale können sein [9, 10]: hole (Methanol, Ethanol, Butanol), Aceton, Ether,
verflüssigte Gase (LNG, LPG)
x Zündung Schwerkraftstoffe: Petroleum, Gasöl (Dieselkraft-
x Kühlung stoff), Fettsäure-Methyl-Ester (FAME) vorrangig
x Lastregelung in Europa Raps-Methyl-Ester (RME, auch als Bio-
x Einsatzzweck diesel bezeichnet), Pflanzenöle, Schweröle, Mari-
x Drehzahl- und Leistungsabstufung. ne Fuel Oil (MFO)
Einige Einteilungsmerkmale sind heute nur noch von Mischkraftstoffe: Diesel – RME, Diesel – Wasser,
historischer Bedeutung. Diesel – Alkohol, Benzin – Alkohol, Benzin –
Diesel
2.2.1 Verbrennungsverfahren x Feste Kraftstoffe: Kohlenstaub, Entwicklung seit
langem eingestellt.
Nach dem Verbrennungsverfahren wird vorrangig
zwischen dem Ottoverfahren und dem Dieselverfahren 2.2.3 Arbeitsverfahren
unterschieden. Hybridmotoren weisen Merkmale so- Beim Arbeitsverfahren wird zwischen Viertakt- und
wohl des Otto- als auch des Dieselverfahrens auf. Zweitaktverfahren unterschieden. Beiden gemein-
10 2 Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren

sam ist die in einem ersten Takt (Hub) ablaufende Schließbewegung der Ventile erfolgt gleichsinnig mit
Verdichtung der Ladung (Luft- oder Kraftstoffdampf- der Kolbenbewegung in Richtung OT. Umgekehrt hat
Luft-Gemisch) durch Verringerung des Arbeitsrau- der untengesteuerte Motor stehende Ventile und die
mes sowie die im Bereich des oberen Totpunktes der Ventilschließbewegung erfolgt gleichsinnig mit der
Kolbenbewegung einsetzende Zündung, die Verbren- Kolbenbewegung in Richtung UT.
nung mit einer Druckerhöhung bis auf maximalen Bei modernen 4-Takt-Motoren wird ausschließlich
Zylinderdruck und Ausdehnung des Arbeitsgases im die „overhead valves“ (ohv)-Bauweise mit hängen-
darauf folgenden Takt, bei der am Kolben Arbeit den, im Zylinderkopf angeordneten Ventilen verwen-
geleistet wird. det. Die Nockenwelle kann dabei im Zylinderkopf
Das Viertaktverfahren benötigt zwei weitere Takte, oder im Zylinderkurbelgehäuse angeordnet sein.
um das Verbrennungsgas durch Ausschieben aus dem Bei 2-Takt-Motoren kommen überwiegend Schlitz-
Arbeitsraum zu entfernen und durch Ansaugen den steuerungen (Schlitze in der Zylinderbüchse, Kolben
Arbeitsraum mit frischer Ladung zu füllen. als Schieber), in Einzelfällen auch Auslassventile,
Beim Zweitaktverfahren erfolgt der Ladungswechsel Kegel-, Walzen-, Flachschieber sowie Membransteu-
im Bereich des unteren Totpunkts bei nur noch gerin- erungen zur Anwendung. Bei großen 2-Takt-
ger Änderung des Arbeitsvolumens durch Ausspülen Schiffsdieselmotoren werden üblicherweise Auslass-
der Verbrennungsgase mit frischer Ladung, so dass ventile verwendet.
für die Verdichtung und Ausdehnung nicht der volle
Hub ausgenutzt wird. Für den Spülvorgang ist oft ein
2.2.6 Ladungseinbringung
zusätzliches Spülgebläse erforderlich, siehe auch
Kapitel 10. Beim Saugmotor wird die Frischladung (Luft oder
Gemisch) durch den Arbeitskolben in den Zylinder
2.2.4 Gemischbildung gesaugt (Selbstansaugen).
Durch Aufladung wird die Ladungsmenge durch
Eine Unterscheidung von Verbrennungsmotoren be- Vorverdichtung vergrößert; dabei fördert ein Ver-
züglich der Gemischbildung kann folgendermaßen dichter die Frischladung in den Zylinder. Vorrangige
vorgenommen werden, siehe auch Kapitel 12: Ziele der Aufladung sind Leistungs- und Drehmo-
x äußere Gemischbildung: Bildung des Kraftstoff- mentensteigerung, Kraftstoffverbrauchs- und Abgas-
Luft-Gemisches im Einlasssystem (Einspritzung emissionssenkung, siehe auch Kapitel 10 und 11.
oder Vergaser (veraltet)) Eine Übersicht über mögliche Aufladearten gibt
x innere Gemischbildung: Gemischbildung im Ar- Bild 2-3 (nach [11]).
beitsraum (Einspritzung), Die in der Praxis verbreitetste und wirkungsvollste
nach der Qualität des Gemischs: Variante ist die Selbst- oder Eigenaufladung mit
Verdichter:
x homogenes Gemisch: Vergaser und Saugrohrein-
spritzung beim Ottomotor oder Benzindirektein- x Mechanische Aufladung: Der Verdichter wird
spritzung während des Ansaugtakts direkt vom Motor angetrieben.
x inhomogenes Gemisch: Einspritzung innerhalb x Abgasturboaufladung: Eine mit Motorabgas be-
sehr kurzer Zeitintervalle beim Dieselmotor und aufschlagte Turbine (Abgasturbine) treibt den
beim Ottomotor mit Benzindirekteinspritzung Verdichter an.
(BDE) gegen Ende des Verdichtungstaktes
Verschiedenste Kombinationen dieser beiden Stan-
und nach dem Ort der Gemischbildung: dard-Aufladetechniken sind in Anwendung, auch
x direkte Einspritzung in den Arbeitsraum, zum elektrisch angetriebene Verdichter. Daneben finden
Beispiel bei DI-Dieselmotoren und BDE-Motoren noch Verfahren ohne Verdichter Anwendung, die
x indirekte Einspritzung in einen Nebenbrennraum, gasdynamische Vorgänge im Ansaug- und Abgassys-
zum Beispiel Vorkammer- oder Wirbelkammer- tem für die Ladungserhöhung nutzen.
sowie Luftspeicher-Dieselmotoren (IDI)
x Saugrohreinspritzung (bei Ottomotoren), zentral 2.2.7 Bauform
oder zylinderindividuell.
In der fast 130-jährigen Geschichte des Verbren-
nungsmotors sind zahlreiche Varianten der Zylinder-
2.2.5 Ladungswechselsteuerung
anordnung vorgeschlagen worden. Überlebt haben
Zur Steuerung des Ladungswechsels kommen Ventil-, nur einige wenige Standardbauformen [9, 10].
Schlitz- und Schiebersteuerungen zur Anwendung. Ausgehend vom Einzylindermotor werden bei Fahr-
Bei der Ventilsteuerung unterscheidet man obenge- zeugmotoren Zylinderzahlen bis 12 gewählt. Flugmo-
steuerte und untengesteuerte Motoren [8]. Der oben- toren wurden mit bis zu 48 Zylindern und Hochleis-
gesteuerte Motor hat hängende Ventile; das heißt die tungsmotoren mit bis zu 56 Zylindern gebaut.
2.2 Möglichkeiten der Einteilung 11

Aufladung

Fremdaufladung Selbstaufladung

mit Verdichter ohne Verdichter

mit Abgasnutzung ohne Abgasnutzung mit Abgasnutzung ohne Abgasnutzung

Abgasturbo- Mechanische Druckwellen- Resonanz-


aufladung Aufladung aufladung aufladung

Kombinierte mechanische
Kombinierte Fremd- und und Abgasturboaufladung
Abgasturboaufladung

Schwingsaugrohr-
Stauaufladung Stoßaufladung
aufladung

Bild 2-3 Prinzipielle Möglichkeiten der Aufladung, nach [11]

Bei der Zylinderanordnung gibt es zahlreiche Kombi- Nach der Wirkungsweise lassen sich einfach und
nationsmöglichkeiten, die zum Teil selbsterklärend doppelt wirkende Motoren unterscheiden, je nach-
mit Buchstaben bezeichnet werden. Bild 2-4 zeigt dem, ob der Kolben einseitig oder von beiden Seiten
eine Auswahl möglicher Zylinderanordnungen und mit den Verbrennungsgasen beaufschlagt wird. Der
Bauformen. Doppelkolbenmotor hat zwei zu einem Verbren-
Bedeutung haben heute: nungsraum gehörende Kolben, die entweder gegen-
x der Reihenmotor (eine Zylinderbank, eine Kur- läufig (Gegenkolbenmotor) oder gleichläufig (U-Kol-
belwelle). benmotor) angeordnet sind.
x der V-Motor (zwei Zylinderbänke, eine Kurbel- Nach Lage der Zylinderachse unterscheidet man den
welle): An jedem Kurbelzapfen sind zwei Pleuel stehenden, liegenden und hängenden Motor und nach
angelenkt. Übliche V-Winkel sind 45°, 60°, 90°, Lage der Steuerungseinrichtung den obengesteuerten
180°. Der VR-Motor [12] hat einen V-Winkel von und den untengesteuerten Motor.
15°, wobei die Kurbelwelle für jedes Pleuel einen
separaten Kurbelzapfen hat. 2.2.8 Zündung
x der W-Motor (drei Zylinderbänke, eine Kurbel-
welle): Je drei Pleuel sind an einem Kurbelzapfen Die Zündung des Kraftstoff-Luft-Gemisches kann
angelenkt. Ein V-Motor aus zwei VR-Bänken durch Fremd- oder Selbstzündung erfolgen:
wird als V-VR-Motor oder ebenfalls als W-Motor x Fremdzündung (Ottomotor): Ein elektrischer
bezeichnet [12]. Zündfunken entzündet das Gemisch im Zylinder.
x der Boxermotor: Im Unterschied zum V-Motor x Selbstzündung (Dieselmotor): In der durch Kom-
mit 180°-V-Winkel ist jedes Pleuel an einem sepa- pression erhitzten Luft im Zylinder entzündet sich
raten Kurbelzapfen angelenkt. der eingespritzte Kraftstoff von selbst (Kompres-
Bei der Triebwerkausführung hat sich der Kurbeltrieb sionszündung).
bewährt [19]. Als Varianten werden Tauchkolben- x Bei Gasmotoren kann zum Beispiel durch eine
und Kreuzkopfmotoren unterschieden. In der Litera- geringe, selbstzündende Dieselkraftstoffmenge das
tur werden auch noch Kurbelschleifen-und Nocken- Gas-Luft-Gemisch „fremdgezündet“ werden. Auch
triebwerke sowie kurbelwellenlose Motoren (Kurven- Benzin-Luft-Gemische lassen sich bei entspre-
scheiben-, Kurvenbahn-, Taumelscheiben-, Schräg- chend hoher Temperatur selbst entzünden, siehe
scheibenmotor) beschrieben [9]. auch Kapitel 14.3.
12 2 Definition und Einteilung der Hubkolbenmotoren

Reihenmotor V-Motor W-Motor

Boxer-Motor Sternreihen-Motor

X-Motor

Sternmotor Doppelsternmotor Vierfachsternmotor

Doppelreihen-
motor H-Motor

Zweiwellen-Gegen-
kolbenmotor

Taumelscheiben-/
Bild 2-4
Dreiwellen-Gegen-
kolbenmotor Schrägscheibenmotor Zylinderanordnungen von
Hubkolbenmotoren [9, 13]

2.2.9 Kühlung 2.2.10 Lastregelung


Wegen der hohen auftretenden Temperaturen muss Die Motorleistung P
der Verbrennungsmotor zum Schutz der Bauteile und P M ˜Z M ˜2˜S˜n (2.1)
des Schmieröles gekühlt werden. Man unterscheidet
direkte und indirekte Motorkühlung. kann sowohl durch Änderung der Drehzahl n als auch
Die direkte Kühlung erfolgt mit Luft (Luftkühlung) des Drehmomentes M (Last) an den Bedarf angepasst
mit oder ohne Unterstützung durch ein Gebläse. werden. Bei der Lastregelung unterscheidet man:
Bei der indirekten Kühlung wird der Motor mit einer x Quantitätsregelung oder Füllungsregelung: Eine
Wasser-Frostschutz-Korrosionsschutzmischung oder Verstelleinrichtung (Drosselklappe, Dreh-, Flach-
mit Öl gekühlt (Flüssigkeitskühlung). Die Wärme- schieber, Ventil) steuert bei annähernd konstantem
abfuhr an die Umgebung erfolgt durch Wärmeüber- Luftverhältnis O die Gemischmenge, die in den
trager. Dabei wird nach Verdampfungs-, Umlauf-, Zylinder strömt (herkömmliche Ottomotoren).
Durchfluss- und Mischkühlung unterschieden, siehe x Qualitätsregelung: Bei Dieselmotoren und in be-
auch Kapitel 20. stimmten Betriebsbereichen bei einigen Ottomoto-
2.2 Möglichkeiten der Einteilung 13

ren mit Benzindirekteinspritzung (BDE) erfolgt ei- Bei Motoren für Sport- und Rennfahrzeuge werden
ne bedarfsgerechte Zumessung des Kraftstoffes. maximale Drehzahlen von etwa 20.000 1/min er-
Bei annähernd konstanter Luftmenge wird die Ein- reicht.
spritzmenge variiert (variables Luftverhältnis O).
Literatur
2.2.11 Einsatzzweck [1] Grote, K.-H.; Feldhusen, J. (Hrsg.): Dubbel – Taschenbuch für
den Maschinenbau, 24. Aufl. Berlin, Heidelberg, New York:
Einige Beispiele für die Verwendung von Verbren- Springer, 2014
nungsmotoren sind: [2] Kleinert, H.-J. (Hrsg.): Taschenbuch Maschinenbau – Bd. 5:
x Landfahrzeuge: Straßenfahrzeuge (Zwei- und Kolbenmaschinen, Strömungsmaschinen, 1. Aufl. Berlin: Verlag
Technik, 1989
Dreiräder, Pkw, Omnibus, Nkw), Off-Road-Fahr- [3] Reif, K.; Dietsche, K.-H. (Hrsg.): Bosch Kraftfahrtechnisches
zeuge, Schienenfahrzeuge Handbuch, 27. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2011
x Wasserfahrzeuge: Boote, Binnenschiffe, Küsten- [4] Rohs, U.: Kolbenmotor mit kontinuierlicher Verbrennung.
und Hochseeschiffe Offenlegungsschrift DE 199 09 689 A 1, veröffentlicht: 07.09.
x Luftfahrzeuge: Flugzeuge, Luftschiffe 2000
[5] Werdich, M.; Kübler, K.: Stirling-Maschinen: Grundlagen –
x Landwirtschaftliche Maschinen und Fahrzeuge Technik – Anwendung, 11. Aufl. Staufen: Ökobuch, 2007
x Gewerbe- und Industrieanwendungen: Bauma- [6] Buschmann, G. et al.: Zero Emission Engine – Der Dampfmotor
schinen, Förder- und Hebeanlagen, Schlepper, mit isothermer Expansion. In: MTZ 61 (2000) 5, S. 314– 323
[7] Bensinger, W.-D.: Rotationskolben-Verbrennungsmotoren. Ber-
Zugmaschinen lin, Heidelberg: Springer, 1973
x Stationäre Motorenanlagen: Motorenkraftwerke, [8] DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.): DIN 1940: Ver-
Blockheizkraftwerke (BHKW), Elektroaggregate, brennungsmotoren – Hubkolbenmotoren – Begriffe, Formel-
Notstromaggregate und Versorgungsanlagen. zeichen, Einheiten. Berlin: Beuth, 1976
[9] van Basshuysen, R.; Schäfer, F. (Hrsg.): Lexikon Motoren-
technik, 2. Aufl. Wiesbaden: Vieweg, 2006
2.2.12 Drehzahl- und Leistungsabstufung [10] Beier, R. et al.: Verdrängermaschinen, Teil II: Hubkolbenmoto-
ren. Köln: TÜV Rheinland, 1983
Verbrennungsmotoren werden in einem sehr breiten [11] DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.): DIN 6262:
Drehzahl- und Leistungsspektrum verwendet. Ihr Verbrennungsmotoren – Arten der Aufladung – Begriffe. Berlin:
Beuth, 1976
Leistungsbereich reicht von Modellmotoren mit
[12] Braess, H.-H.; Seiffert, U. (Hrsg.): Vieweg Handbuch Kraftfahr-
0,1 kW bis zu Großanlagen mit 100.000 kW. Mit dem zeugtechnik, 5. Aufl. Wiesbaden: Vieweg, 2007
Drehzahlbereich sind auch Leistung und Größe eines [13] Zima, S.: Kurbeltriebe, 2. Aufl. Wiesbaden: Vieweg, 1999
Motors festgelegt. [14] Eifler, W.; Schlücker, E.; Spicher, U.; Will, G.: Küttner Kolben-
maschinen, 7. Aufl. Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2009
Nach der Drehzahl unterscheidet man [1]:
[15] Merker, G.,P.; Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren-
x langsamlaufende Motoren zum Beispiel in Schif- nungsmotoren, 7. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2014
fen (60 bis 200 1/min bei Dieselmotoren) [16] Eichlseder, H. et al.: Grundlagen der Technologie des Otto-
motors, Der Fahrzeugantrieb XIV. Wien, New York: Springer,
x mittelschnelllaufende Motoren (2.00 bis 2008
1.000 1/min bei Dieselmotoren, Höchstdrehzahl [17] Mollenhauer, K.; Tschöke, H. (Hrsg.): Handbuch Dieselmotoren,
< 4.000 1/min bei Ottomotoren) 3. Aufl. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 2007
x schnelllaufende Motoren, zum Beispiel für Pkw [18] van Basshuysen, R. (Hrsg.): Ottomotor mit Direkteinspritzung,
3. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2013
(Höchstdrehzahl > 1.000 1/min bei Dieselmotoren, [19] Köhler, E.; Flierl, R.: Verbrennungsmotoren, 6. Aufl. Wiesba-
Höchstdrehzahl > 4.000 1/min bei Ottomotoren). den: Springer Vieweg, 2012
14 3 Kenngrößen

3 Kenngrößen

Motorkenngrößen dienen dem Entwickler, dem Kon- erhält man für den Kolbenweg die Beziehung:
strukteur sowie dem Benutzer von Verbrennungsmo-
§ l l ·
toren als wichtiges Hilfsmittel bei der Auslegung der sD r ˜ ¨ 1   cos D  ˜ 1  (r / l )2 ˜ sin 2 D ¸ (3.7)
Grundabmessungen, bei der Leistungs- und Ver- © r r ¹
brauchsbetrachtung und bei der Beurteilung und dem
Vergleich verschiedener Motoren. Man unterscheidet sD
ª
¬
1
Os
º
r ˜ « 1  cos D  ˜ 1  1  Os2 ˜ sin 2 D »
¼
(3.8)
zwischen den konstruktiven Motorkenngrößen wie
Hub, Bohrung, Hubvolumen, Verdichtungsverhältnis beziehungsweise
und den Betriebskenngrößen wie Leistung, Dreh- sD r ˜ f (D ) (3.9)
moment, Drehzahl, Mitteldruck, Liefergrad und Kraft- mit f (D) = Hubfunktion.
stoffverbrauch.
Das Schubstangenverhältnis Os liegt bei Pkw-Moto-
ren üblicherweise im Bereich von 0,2 bis 0,35. Mit
3.1 Hubvolumen der Formel für den Kolbenweg lässt sich schwierig
rechnen, vor allem dann, wenn Kolbengeschwindig-
Das Hubvolumen Vh für einen Motorzylinder ist der keit beziehungsweise Kolbenbeschleunigung zu er-
Raum, den der Kolben bei einem Kolbenhub vom mitteln sind. Meistens kann vereinfachend eine Nähe-
unteren Totpunkt bis zum oberen Totpunkt durch- rungsformel benutzt werden, in der der Wurzelaus-
läuft. druck nach einer Potenzreihe (MacLaurin-Reihe) ent-
wickelt wird:
S ˜ dK2
VH Vh ˜ z ˜s˜z (3.1) 1 1
4 1  Os2 ˜ sin 2 D 1  ˜ Os2 ˜ sin 2 D  ˜ Os4 ˜ sin 4 D
2 8
mit
1
s = Kolbenhub  ˜ Os6 ˜ sin6 D  . . . (3.10)
dK = Kolben- beziehungsweise Zylinderdurchmesser 16
Vh = Hubvolumen für einen Zylinder Wegen der Werte von Os | 0,2 bis 0,35 ist bereits das
VH = Gesamthubvolumen des Motors 3. Glied gegenüber dem 1. Glied (1) sehr klein, so
z = Zylinderzahl dass
1
1  Os2 ˜ sin 2 D | 1  ˜ Os2 ˜ sin 2 D (3.11)
2
Herleitung des Kolbenhubs und des Hubvolumens
über Kurbelstellung, siehe Bild 3-1 gesetzt werden kann.
Mit der trigonometrischen Beziehung:
r  l  x r  l  r ˜ cos D  l ˜ cos E 1
˜ 1  cos 2D
sD (3.2)
sin 2 D (3.12)
mit: 2
ergibt sich dann für den Kolbenweg sD:
r = Kurbelradius
ª 1 § 1 ·º
sD | r ˜ « 1  cos D 
l = Pleuellänge
˜ ¨ 1  1  ˜ Os2 ˜ sin 2 D ¸ » (3.13)
Zwischen dem Kurbelwinkel D und dem Pleuel- ¬ Os © 2 ¹¼
schwenkwinkel E (Pleuelwinkel) besteht der Zusam- ª 1 º
menhang: sD | r ˜ « 1  cos D  ˜ Os ˜ 1  cos 2D » (3.14)
¬ 4 ¼
l ˜ sin E r ˜ sin D (3.3)
Für das vom Kurbelwinkel abhängige Brennraum-
§r · volumen VD folgt:
E arcsin ¨ ˜ sin D ¸ (3.4)
©l ¹ VD Vc  AK ˜ sD (3.15)
Mit Berücksichtigung von mit
VC = Kompressionsvolumen (siehe 3.2)
cos E 1  sin2 E 1  (r / l )2 ˜ sin2 D (3.5) AK = Kolbenfläche
und Einführung des Schubstangenverhältnisses Damit ergibt sich:
r ª 1 º
Os (3.6) VD | Vc  AK ˜ r ˜ «1  cos D  ˜ Os ˜ 1  cos 2D » (3.16)
l ¬ 4 ¼

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_3
3.2 Verdichtungsverhältnis 15

3.2 Verdichtungsverhältnis Beim Dieselmotor muss das Verdichtungsverhältnis


mindestens so groß gewählt werden, dass bei Kälte
Das Verdichtungsverhältnis ist definiert als der Quo- ein sicherer Motorstart ermöglicht wird. Generell
tient aus maximalem und minimalem Zylindervolu- steigt der thermodynamische Wirkungsgrad mit stei-
men: Das maximale Zylindervolumen liegt vor, wenn gendem Verdichtungsverhältnis. Ein zu hohes Ver-
sich der Kolben im unteren Totpunkt (UT) befindet. dichtungsverhältnis ergibt jedoch Einbußen im effek-
Bei Kolbenstellung im oberen Totpunkt (OT) ist das tiven Wirkungsgrad bei Volllast, bedingt durch stark
Volumen minimal und wird als Kompressions- oder ansteigende Reibungskräfte. Im Teillastbetrieb wirkt
Totvolumen bezeichnet. sich ein hohes Verdichtungsverhältnis positiv auf den
Das Kompressionsvolumen setzt sich zusammen aus Wirkungsgrad aus. Unabhängig davon begrenzt der
dem Brennraumvolumen des Zylinderkopfes, den aus Festigkeitsgründen limitierte Spitzendruck sowie
Ventiltaschen im Kolben, einer Kolbenmulde sowie der Druckanstieg durch die Verbrennung das prak-
dem Feuerstegvolumen bis zum oberen Verdich- tisch realisierbare Verdichtungsverhältnis.
tungsring. Kompressions- und Hubvolumen lassen Bild 3-2 zeigt den Einfluss des Verdichtungsverhält-
sich durch Auslitern bestimmen. nisses auf den effektiven Wirkungsgrad und den
Bild 3-1 stellt Hub- und Kompressionsvolumen sche- effektiven Mitteldruck bei einem Ottomotor im Voll-
matisch dar. lastbetrieb. Der Zündzeitpunkt wurde auf maximales
Drehmoment eingestellt. Deutlich erkennbar ist ein
Anstieg des Wirkungsgrades bis zu einem Verdich-
tungsverhältnis von circa 17 : 1. Danach fällt der Wir-
kungsgrad ab, im vorliegenden Fall bedingt durch zu-
Vmin
OT nehmende Reibungskräfte sowie durch eine ungüns-
tigere Brennraumform auf Grund zunehmender
Vmax
Quetschflächenanteile.
s Vh

12 0,42
b
UT 0,4
eff. Mitteldruck pme [bar]

eff. Wirkungsgrad he [-]


l
11 0,38

0,36

10 0,34
a
0,32
r
9 0,3
7 9 11 13 15 17 19 21
Verdichtungsverhältnis e [-]

Pme eff. Wirkungsgrad

Bild 3-1 Hubvolumen und Verdichtungsverhältnis


Bild 3-2 Einfluss Verdichtungsverhältnis auf effek-
tiven Mitteldruck und effektiven Wirkungsgrad bei
Für das Verdichtungsverhältnis eines 4-Takt-Motors
Volllast eines Ottomotors [2]
ergibt sich somit:
Vmax Vh  Vc Mit steigender Verdichtung nehmen weiterhin die
H (3.17)
Vmin Vc NOx- und HC-Emissionen zunächst zu. Die Stickoxi-
de steigen durch die erhöhten Verbrennungstempera-
VC = Vmin = Kompressions- oder Totvolumen turen im Brennraum, die HC-Emissionen durch die
Das Verdichtungsverhältnis beim Ottomotor wird stärkere Zerklüftung des Brennraums (relativ größe-
nach oben begrenzt durch Klopfen sowie durch Glüh- rer Anteil an Spalten) sowie der Zunahme des Ver-
zünden. hältnisses von Brennraumoberfläche zu Brennraum-
Beim Ottomotor mit Direkteinspritzung ist eine Er- volumen (Oberflächen-Volumen-Verhältnis). Um
höhung des Verdichtungsverhältnisses (innere Ge- dies zu vermeiden, müssen Brennräume möglichst
mischbildung) auf Grund der verbesserten Innenküh- kompakt ausgeführt werden. Mit steigender Verdich-
lung durch die innere Gemischaufbereitung möglich. tung sinkt zudem wegen des besseren Wirkungs-
Hieraus ergibt sich ein Wirkungsgradvorteil gegen- grades die Abgastemperatur, so dass Nachreaktionen
über dem Ottomotor mit Saugrohreinspritzung (äuße- von unverbrannten Kohlenwasserstoffen und von
re Gemischbildung). Kohlenmonoxid im Auslasstrakt behindert werden.
16 3 Kenngrößen

Eine Verdichtungserhöhung bewirkt aber gleichzeitig Bild 3-4 stellt die möglichen Bereiche des Verdich-
eine bessere Abmagerungsfähigkeit und erlaubt einen tungsverhältnisses für gängige Motoren dar.
späteren Zündzeitpunkt auf Grund der schnelleren Neue Entwicklungen zielen darauf ab, während des
Verbrennung. Hierdurch können HC- und NOx-Emis- Motorlaufs das Verdichtungsverhältnis betriebspunkt-
sionen wieder abgesenkt werden. abhängig zu variieren, zum Beispiel durch Realisie-
Bei 2-Takt-Motoren mit Schlitzsteuerung unterschei- rung einer variablen Verdichtung. Beim Ottomotor
det man zwischen dem geometrischen Verdichtungs- wird im Teillastbetrieb das Verdichtungsverhältnis
verhältnis H und dem effektiven Verdichtungsverhält- wirkungsgradoptimal gewählt, während im Volllast-
nis H c. Bild 3-3 veranschaulicht den Unterschied. Die betrieb das Verdichtungsverhältnis abgesenkt wird,
effektive Verdichtung beginnt erst, nachdem der um Klopfen zu verhindern. Beim Dieselmotor ist die
Kolben die Einlass- und Auslassschlitze verschlossen Verdichtung durch den maximalen Zylinderdruck auf
hat. Das effektive Verdichtungsverhältnis berechnet Grund der Bauteilbelastung begrenzt. Bei Dieselmo-
sich aus toren kann das geometrische Verdichtungsverhältnis
in der Volllast optimal zwischen gutem Wirkungs-
Vhc  Vc
Hc (3.18) grad und maximaler Bauteilbelastung gewählt wer-
Vc den. Zum sicheren Kaltstart wird das Verdichtungs-
verhältnis möglichst hoch eingestellt.
mit

S ˜ dK2 3.3 Drehzahl und


Vhc ˜ sc (3.19)
4 Kolbengeschwindigkeit
Vhc = Restvolumen oberhalb der Schlitze Drehzahl
sc = Resthub oberhalb der Schlitze Anzahl Umdrehungen Kurbelwelle
n (3.20)
Zeit
Winkelgeschwindigkeit
Z 2˜S˜n (3.21)
Kolbengeschwindigkeit
Die Kolbengeschwindigkeit in Abhängigkeit vom
s′ Kurbelwinkel ergibt sich durch die zeitliche Ablei-
s tung aus der Bewegungsgleichung des Kurbeltriebes
zusammen mit der Winkelgeschwindigkeit.
A
dsD dsD dD
sD ˜ (3.22)
dt dD dt
E
dD
Z 2˜S˜n (3.23)
dt
folgt:
Bild 3-3 Geometrisches und effektives Verdichtungs- dsD ª 1 º
sD Z˜ | Z ˜ r ˜ «sin D  ˜ Os ˜ sin 2D » (3.24)
verhältnis beim 2-Takt-Motor dD ¬ 2 ¼

Motortyp H Obere Begrenzung durch


von bis
Zweitakt-Ottomotor 7,5 10 Glühzünden
Ottomotor-SE 9 11 Klopfen, Glühzünden
Ottomotor-SE Turbo 8 10 Klopfen, Glühzünden
Otto-DE 11 14 Klopfen, Glühzünden
Otto-DE Turbo 9 12 Klopfen, Glühzünden
Diesel (Kammermotor) 18 24 Wirkungsgradeinbuße Volllast, Bauteilbelastung, Geräusch
Diesel (Direkteinspritzung) 16 21 Wirkungsgradeinbuße Volllast, Bauteilbelastung, Geräusch
Bild 3-4 Verdichtungsverhältnisse heutiger Motoren
3.4 Drehmoment und Leistung 17

Motortyp Maximale Drehzahl Mittlere Kolbengeschwindigkeit


[1/min] [m/s]
circa circa
Rennmotoren (Formel 1) 18.000 25
Kleinmotoren (2-Takt) 20.000 19
Motorradmotoren 13.500 19
Pkw-Ottomotoren 7.500 20
Pkw-Dieselmotoren 5.000 15
Lkw-Dieselmotoren 2.800 14
Größere Dieselschnellläufer 2.200 12
Mittelschnellläufer (Diesel) 1.200 10
Kreuzkopfmotoren (2-Takt-Diesel) 150 8

Bild 3-5 Maximale Drehzahl und mittlere Kolbengeschwindigkeit bei Nenndrehzahl heutiger Motoren

Mit ansteigender Kolbengeschwindigkeit steigen


1,08
x Massenkräfte
x Verschleiß 1,06
x Strömungswiderstände beim Ansaugen
Faktor kλs

x Reibleistung
x Geräusch 1,04

ebenfalls an. Insbesondere die maximal zulässigen


1,02
Massenkräfte begrenzen die Kolbengeschwindigkeit
und damit auch die maximale Drehzahl. Bei Motoren
mit innerer Gemischbildung, also Dieselmotoren und 1,00
0,00 0,10 0,20 0,30 0,40
Ottomotoren mit Direkteinspritzung, ist die Drehzahl
Schubstangenverhältnis λs
außerdem durch die zur Gemischbildung erforderli-
che Zeit begrenzt. Bei Dieselmotoren ist dies ein
Grund für die im Verhältnis zu einem Ottomotor Bild 3-6 Korrektur der maximalen Kolbengeschwin-
vergleichbarer Größenordnung deutlich niedrigere digkeit durch das reale Ȝs
Höchstdrehzahl.
Kolbengeschwindigkeit zu:
Mittlere Kolbengeschwindigkeit cmax = Z ˜ r (3.26)
cm 2˜s˜n (3.25) Für die Berücksichtigung des endlich langen Pleuels
muss das Maximum der Gleichung (3.24) bestimmt
Die mittlere Kolbengeschwindigkeit ist ein Maß zum
werden. Eine Korrektur nach Bild 3-6 zeigt den Ein-
Vergleich der Triebwerke verschiedener Motoren
fluss anschaulich
untereinander. Sie gibt eine Information über die
Belastung der Gleitpartner und Anhaltspunkte für die cmax = Z ˜ r ˜ kOs (3.27)
Leistungsdichte des Motors.
Im Bild 3-5 sind Drehzahlen und Kolbengeschwin- 3.4 Drehmoment und Leistung
digkeiten heutiger Motoren zur Orientierung aufge-
listet. Die Leistung an einem Betriebspunkt des Motors er-
rechnet sich aus Drehmoment und Winkelgeschwin-
Maximale Kolbengeschwindigkeit digkeit beziehungsweise Motordrehzahl:
Zur Bewertung und Auslegung der Kolbenringe und Pe Md ˜ Z Md ˜ 2 ˜ S ˜ n (3.28)
des Gleitsystems Kolben-Zylinderlaufbahn ist nicht Eine Leistungssteigerung kann nach dieser Gleichung
die mittlere, sondern die maximale Kolbengeschwin- durch Steigerung der Drehzahl oder des Drehmomen-
digkeit maßgebend. Unter Annahme eines unendlich tes realisiert werden. Beiden sind Grenzen gesetzt
langen Pleuels (Os = 0) vereinfacht sich die maximale (siehe Kapitel 3.3).
18 3 Kenngrößen

600 180 3.5 Kraftstoffverbrauch


560 160 Die mit dem Kraftstoff zugeführte Energie ergibt sich
Drehmoment [Nm]

520 140 zu:

Leistung [kW]
480 120 EK mK ˜ Hu (3.31)
440 100 mit
400 80 mK = zugeführte Kraftstoffmasse
360 60 Hu = unterer Heizwert des Kraftstoffs
320 40 Der Kraftstoffverbrauch wird als Volumenstrom oder
0 1000 2000 3000 4000 5000 als Massenstrom gemessen
Motordrehzahl [1/min]
mK
Leistung Drehmoment K
m U K ˜ VK (3.32)
t
Bild 3-7 Leistungs- und Drehmomentverlauf eines mit
Dieselmotors mit Aufladung [6] UK Dichte des Kraftstoffs
Auch der Kraftstoffverbrauch kann zur besseren Ver-
Beispielhaft zeigt Bild 3-7 Motorkennlinien eines
gleichbarkeit auf die innere Leistung oder auf die
Dieselmotors. Eingezeichnet sind das maximale
effektive Leistung bezogen werden.
Drehmoment und die maximale Leistung über der
Innerer spezifischer Kraftstoffverbrauch:
Drehzahl. Das Leistungsmaximum liegt nicht unbe-
dingt bei Höchstdrehzahl. Nicht nur die Spitzenwerte K
m 1
bi (3.33)
von Leistung und Drehmoment, sondern ihr Verlauf Pi Ki ˜ Hu
über der Drehzahl ist maßgebend für die Beurteilung
des Zusammenspiels Motor-Fahrzeug beziehungs- mit
weise Motor-Arbeitsmaschine (siehe auch Kapitel Ki  indizierter Wirkungsgrad oder Innenwirkungs-
3.6: Gasarbeit und Mitteldruck). grad
Bezieht man die effektive Leistung Pe auf das Hub- Effektiver spezifischer Kraftstoffverbrauch:
volumen VH, so spricht man von Literleistung Pl.
K
m 1
Pe be (3.34)
Pl (3.29) Pe Ke ˜ Hu
VH
Wird die Motormasse mM auf die Leistung bezogen, mit
ergibt sich das Leistungsgewicht mG: Ke = effektiver Wirkungsgrad
mM Die Gleichung
mG (3.30)
Pe 1
be (3.35)
Erfahrungswerte hierzu zeigt Bild 3-8. Ke ˜ Hu

Motortyp Literleistung Leistungsgewicht


[kW/l] [kg/kW]
bis bis
Rennmotor (Formel 1) 200 0,4
Pkw-Ottomotor 70 2,0
Pkw-Ottomotor mit Aufladung 100 3,0
Pkw-Dieselmotor (Saugmotor) 45 5,0
Pkw-Dieselmotor (Aufgeladen) 70 4,0
Nutzfahrzeugdieselmotor 30 3,0
Größere Dieselschnellläufer 50 11,0
Mittelschnelllaufender Dieselmotor 25 19,0
Langsamlaufender Großdieselmotor (2-Takt) 3,0 55,0

Bild 3-8 Erfahrungswerte für Literleistung und Leistungsgewicht


3.6 Gasarbeit und Mitteldruck 19

verdeutlicht den Zusammenhang zwischen effektivem


500
Wirkungsgrad und effektivem spezifischen Kraft-
450 205 210
stoffverbrauch, dargestellt in Bild 3-9.
400

Drehmoment [Nm]
350
220
he [-] 300
230 240 250 260
0,45 250
270
200 280
0,4 Euro-Super 150
290 g/kWh
Diesel 100
0,35 50
0
0,3 400 800 1200 1600 2000 2400 2800 3200 3600 4000 4400 4800
Drehzahl [1/min]
0,25
Bild 3-11 Verbrauchskennfeld, Pkw-Dieselmotor
0,2 V8-TDI [8]

0,15
20
200 225 250 275 300 325 350 375 400 425 450 475 500 Leistungsliniendistanz: 20 kW
be [g/kWh] Verbrauchsliniendistanz: 5 g/kWh

150 200 250 300 350 18


be [g/PSh]
194 g/kWh
16
Bild 3-9 Wirkungsgrad über Kraftstoffverbrauch
(HU, Euro-Super = 42,0 MJ/kg; HU, Diesel = 42,8 MJ/kg) 195
14
200
Mitteldruck [bar]

Die Bilder 3-10 bis 3-12 zeigen beispielhaft Leis- 12


tungs- und Kraftstoffverbrauchskennfelder eines
205
Pkw-Ottomotors, eines Pkw-Dieselmotors und eines 10
Nfz-Dieselmotors. Die Isolinien (Muschelkurven)
kennzeichnen Betriebspunkte gleichen Kraftstoff- 100
verbrauchs. Zur Beurteilung des Kraftstoffverbrauchs 8

eines Motors ist nicht nur der Bestpunkt, sondern der 75


Verbrauch an allen genutzten Betriebspunkten zu 6
berücksichtigen.
Bild 3-13 zeigt Erfahrungswerte für den spezifischen
Kraftstoffverbrauch. 4

29
50 kW
2
18 180 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000
Drehzahl in [1/min]
16 160

14 140
Bild 3-12 Leistungs- und Verbrauchskennfeld, Nfz-
Mitteldruck [bar]

12 120 Motor mit VH = 12 l [1]


255
Leistung [kW]

10 100
270
260
8
290
80 3.6 Gasarbeit und Mitteldruck
6 60
310 330 Die Gasarbeit ist die durch den Zylinderdruck am
360
4
400
40 Kolben verrichtete Arbeit. Beim Mitteldruck unter-
2 20 scheidet man zwischen innerem und effektivem
525 g/kWh
Mitteldruck sowie dem Reibmitteldruck.
0 0
1000 2000 3000 4000 5000 6000
Drehzahl [1/min]
Innerer Mitteldruck
Der innere oder indizierte Mitteldruck pmi ist äquiva-
Bild 3-10 Leistungs- und Verbrauchskennfeld, Pkw- lent zu der auf den Kolben wirkenden spezifischen
Ottomotor [7] Arbeit.
20 3 Kenngrößen

Motortyp Spezifischer Kraftstoffverbrauch Wirkungsgrad


[g/kWh] [%]
minimal maximal
Kleinmotoren (2-Takt) 350 24
Motorradmotoren 270 31
Pkw-Ottomotoren 235 36
Pkw-Dieselmotoren IDE 240 35
Pkw-Dieselmotoren DE mit Aufladung 195 43
Lkw-Dieselmotoren mit Aufladung 185 45
Größere Dieselschnellläufer 190 44
Mittelschnellläufer 185 45
Kreuzkopfmotoren (2-Takt-Diesel) 156 54
Bild 3-13 Erfahrungswerte für Kraftstoffverbrauch und Wirkungsgrad im Bestpunkt

Der innere Mitteldruck wird aus dem Zylinderdruck- sels [9] angesehen werden. Bei Saugmotoren ist das
verlauf und dem Hubvolumen bestimmt (Bild 3-14). pmiGW in der Regel negativ, also eine Verlustarbeit.
Aus dem p-V-Diagramm kann der indizierte Mittel- Bei aufgeladenen Motoren ist dieser Anteil meistens
druck durch planimetrieren (Ausmessen des Flächen- positiv.
inhalts) bestimmt werden. Wird die von der Kurve Der innere Mitteldruck, Bild 3-15, lässt sich aus der
eingeschlossene Fläche im Uhrzeigersinn umfahren, während eines Arbeitsspiels am Kolben übertragenen
so ergibt sich ein positiver, wird sie gegen den Uhr- Arbeit der Gaskraft herleiten zu
zeigersinn durchfahren, ein negativer innerer Mittel- dWKA p ˜ AK ˜ dsD (3.36)
druck. Man kann daher zwischen einem inneren
mit
Mitteldruck des Hochdruckteils und einem inneren p = Verbrennungsdruck beziehungsweise Zylinder-
Mitteldruck der Gaswechselschleife unterscheiden. druck
Die Summe dieser beiden Anteile ergibt den inneren AK = Kolben- beziehungsweise Zylinderfläche
Mitteldruck des Motors pmi (Bild 3-15). Der innere sD = Kolbenweg = f (Kurbelwinkel D)
Mitteldruck der Gaswechselschleife pmiGW setzt sich WKA = Gasarbeit am Kolben pro Arbeitsspiel
zusammen aus Ansaug- und Ausschiebearbeit und
kann daher als ein Maß für die Qualität des Gaswech- Mit der Volumenänderung in Abhängigkeit vom Kol-
benweg
AK ˜ dsD dVD (3.37)
14
dVD = Volumenänderung = f (Kurbelwinkel D)
12
und Integration über das gesamte Arbeitsspiel ergibt
10
sich
v³ p ˜ dVD
p [bar]

8
WKA (3.38)
6
Die innere Leistung PiZ eines Zylinders ergibt sich
4 somit zu
2
pUmgebung
PiZ nA ˜ WKA (3.39)
0 mit
0 100 200 300 400 500
nA = Arbeitsspiele pro Zeit = i ˜ n
V [cm3]
n = Motorumdrehungen pro Zeit
i = Arbeitsspiele pro Umdrehung
Bild 3-14 Zylinderdruck über Hubvolumen,
Für 4-Takt-Motor gilt: i = 0,5
(n = 2.000 1/min, pmi = 2 bar, Vh = 500 cm3)
Für 2-Takt-Motor gilt: i = 1

pmi
– = Bild 3-15 Bestimmung des
inneren Mitteldrucks aus den
Vh
Flächen über dem Hubvolumen
3.6 Gasarbeit und Mitteldruck 21

Motortyp Effektiver Mitteldruck [bar]


bis
Motorradmotor 12
Rennmotoren (Formel 1) 16
Pkw-Ottmotoren (ohne Aufladung) 13
Pkw-Ottomotoren (mit Aufladung) 22
Pkw-Dieselmotoren (mit Aufladung) 20
Lkw-Dieselmotoren (mit Aufladung) 24
Größere Dieselschnellläufer 28
Diesel-Mittelschnellläufer 25
Kreuzkopfmotoren (2-Takt-Diesel) 15

Bild 3-16 Effektiver Mitteldruck heutiger Motoren

Damit gilt für die Zylinderleistung wobei:


COV = Varianz (Coefficient of Variation)
PiZ i ˜ n ˜ WKA (3.40) V pmi = Standardabweichung des inneren Mitteldrucks
Die auf das Hubvolumen Vh bezogene Gasarbeit WKA p mi = Mittelwert des inneren Mitteldrucks
je Arbeitsspiel wird als innerer Mitteldruck pmi be- Analog zum inneren Mitteldruck pmi definiert man
zeichnet den effektiven Mitteldruck pme und den Reibmittel-
WKA druck pmr:
pmi (3.41)
Vh Effektiver Mitteldruck
beziehungsweise Der effektive Mitteldruck lässt sich aus dem Dreh-
moment Md bestimmen
pmi ˜ Vh WKA (3.42)
Md ˜ 2 S
Somit kann man die innere Zylinderleistung durch pme (3.47)
VH ˜ i
PiZ i ˜ n ˜ pmi ˜ Vh (3.43) Md = Drehmoment des Motors
i = Arbeitsspiele pro Umdrehung (0,5 für 4-Takt,
ausdrücken. Diese Gleichung gilt für einen Zylinder.
1 für 2-Takt)
Ein Motor mit mehreren Zylindern (z = Zylinderzahl)
VH = Gesamthubvolumen des Motors
hat die innere Leistung
Bild 3-16 stellt Beispiele für den effektiven Mittel-
Pi i ˜ n ˜ pmi ˜ Vh ˜ z i ˜ n ˜ pmi ˜ VH (3.44) druck heutiger Motoren dar.
Zur Beurteilung der Regelmäßigkeit der Verbrennung Reibmitteldruck
wird der indizierte Mitteldruck vieler aufeinander
Der Reibmitteldruck ist die Differenz aus innerem
folgender Zyklen herangezogen, zum Beispiel durch
Mitteldruck und effektivem Mitteldruck
Bildung der Varianz. Auf diese Weise lassen sich un-
regelmäßige Verbrennungen und Zündaussetzer er- pmr pmi  pme (3.48)
mitteln. Dies sind Kriterien für Kohlenwasserstoff- Der Reibmitteldruck nach SAE ist die Verlustleistung
emissionen, Leistung und Rundlauf des Motors. Bei aus mechanischer Reibung des Triebwerks und
gut ausgelegten Motoren ist die Varianz des indizier- Pumpverlusten im Kurbelgehäuse. Die Reibung des
ten Mitteldrucks kleiner als 1 %, wobei die Varianz Motors ist primär von der Motordrehzahl und somit
mit steigender Drehzahl zunimmt. der Kolbengeschwindigkeit abhängig, wobei mit stei-
Die Varianz wird folgendermaßen berechnet gender Motordrehzahl die Reibung zunimmt. Einen
geringeren Einfluss auf die Reibung haben der Zylin-
Vp derdruck, das heißt die Motorlast sowie die Motor-
COV mi
(3.45)
p mi temperatur und die Ölviskosität. Zu den Reibverlus-
ten nach DIN zählen zusätzlich zu den Verlusten nach
2
1 n SAE-Definition auch die Antriebsleistungen für Ne-
V p mi ¦ pmii  p mi
n 1 i 1
(3.46) benaggregate des Motors wie Generator, Klimakom-
pressor oder Servopumpe.
22 3 Kenngrößen

100% Kraftstoffenergie 100% Schleppleistung

Nutzleistung
28,5% Kurbelwelle
11,0% Kolbenringe
9,0%

Kolben
7,5%

9,8%
Pleuel
7,0%

Gaswechsel u. Hilfsaggregate
65,5%
Bild 3-17 Aufteilung des
Thermische Verluste Wirkungsgrades bei einem
61,7%
4-Takt-Ottomotor [4]

3.7 Wirkungsgrad Bild 3-17 zeigt die Aufteilung der eingebrachten


Kraftstoffenergie auf thermische Verluste sowie
Beim Verbrennungsmotor unterscheidet man zwi- Nutz- und Reibleistung. Dargestellt ist weiterhin die
schen innerem, effektivem und mechanischem Wir- Aufteilung der Reibleistung oder Schleppleistung in
kungsgrad. Die Bestimmung von innerem und effek- die jeweiligen Anteile.
tivem Wirkungsgrad geht zunächst von der im Kraft-
stoff gespeicherten Energie aus.
Die mit dem Kraftstoff zugeführte Energie pro Zeit
3.8 Luftdurchsatz und Zylinderfüllung
ergibt sich zu Die Leistung eines Motors ist von der Zylinderfül-
EK lung abhängig. Zur Beurteilung und Kennzeichnung
 K ˜ Hu
m (3.49) der Füllung dienen der Luftaufwand Oa und der Lie-
t
fergrad Ol.
mit
Luftaufwand
m K = zugeführte Kraftstoffmasse pro Zeit
Der Luftaufwand ist ein Maß für die dem Motor zu-
Hu = unterer Heizwert des Kraftstoffes geführte Frischladung. Vorausgesetzt wird, dass die
Betrachtet man die Motorleistung P als Nutzen des Ladung gasförmig vorliegt. Für den Luftaufwand
Motorprozesses und die zugeführte Kraftstoffenergie ergibt sich somit die Beziehung
pro Zeit als Aufwand, so lässt sich der Wirkungsgrad mG mG mG ges
K formulieren Oa bzw. Oa (3.54)
mth Vh ˜ U th VH ˜ U th
Nutzen P P
K (3.50) mG = gesamte einem Zylinder zugeführte Frisch-
Aufwand EK m K ˜ Hu
ladungsmasse je Arbeitsspiel
t mG ges = gesamte dem Motor zugeführte Frischla-
innerer Wirkungsgrad dungsmasse je Arbeitsspiel
mth = theoretische Ladungsmasse je Arbeitsspiel
Pi (Zylinder beziehungsweise gesamter Motor)
Ki (3.51)
 K ˜ Hu
m Uth = theoretische Ladungsdichte
effektiver Wirkungsgrad Die gesamte zugeführte Frischladung besteht beim
Ottomotor aus
Pe
Ke (3.52) mG = mK + mL bzw. mG ges = mK ges + mL ges (3.55)
 K ˜ Hu
m
und beim Dieselmotor aus
Das Verhältnis von effektivem Wirkungsgrad zu mG = mL bzw. mG ges = mL ges (3.56)
innerem Wirkungsgrad, wird durch den mechani-
Die theoretische Frischladungsmasse wird ermittelt
schen Wirkungsgrad beschrieben
aus dem geometrischen Hubvolumen und dem Um-
mechanischer Wirkungsgrad gebungszustand der Ladung. Bei aufgeladenen Moto-
ren wird an Stelle des Umgebungszustandes der
Ke Pe
Km (3.53) thermodynamische Zustand vor den Einlassorganen
Ki Pi angesetzt. Die Ladung besteht bei Motoren mit inne-
3.9 Luft-Kraftstoff-Verhältnis 23

rer Gemischbildung aus Luft, bei Motoren mit äuße- Dabei bedeutet:
rer Gemischbildung aus Luft und Kraftstoff. mZL = Luftmasse in einem Zylinder
Mit der Gasgleichung ergibt sich mZL ges = Luftmasse in allen Motorzylindern
pu ˜ Vh mth ˜ R ˜ Tu bzw. pu ˜ VH mth ges ˜ R ˜ Tu (3.57) mZK = Kraftstoffmasse in einem Zylinder
mZK ges = Kraftstoffmasse in allen Zylindern
mit
Die im Zylinder beziehungsweise in allen Motorzy-
R = RG (Gaskonstante des Gemisches) beim Otto- lindern verbleibende Ladungsmasse lässt sich nicht
motor direkt ermitteln beziehungsweise messtechnisch er-
R = RL (Gaskonstante von Luft) beim Dieselmotor fassen. Näherungsweise wird folgende Vorgehens-
oder Otto-DI weise gewählt:
Tu = Umgebungstemperatur
a) Zylinderdruckindizierung in einem oder allen
pu = Umgebungsdruck
Motorzylindern
Setzt man die Dichte des angesaugten Gemisches b) Annahme, dass die Zylinderladungstemperatur
beziehungsweise der angesaugten Luft gleich der zum Zeitpunkt „Einlassventil schließt“ näherungs-
theoretischen Ladungsdichte Uth, lässt sich der Luft- weise gleich der Temperatur im Einlasskanal vor
aufwand auch durch volumetrische Größen ermitteln dem Einlassventil ist (Messung dieser Temperatur
mit Thermoelement)
mG VG ˜ UG bzw. mG ges VG ges ˜ UG (3.58) c) Ansatz der Gasgleichung zum Zeitpunkt „Einlass-
ventil schließt“
mit
pZEs ˜ VEs mZ ˜ R ˜ TZEs
VG = volumetrischer Ladungseinsatz je Arbeitsspiel
eines Zylinders Für die Gaskonstante R wird wieder RG oder RL
VG ges = volumetrischer Ladungseinsatz je Arbeitsspiel gesetzt.
des Motors Bei 4-Takt-Ottomotoren ist der Kurbelwinkelbereich
Ottomotor: der Ventilüberschneidung (Zeitbereich, in dem so-
wohl Einlassventil als auch Auslassventil beim La-
VG VG ges dungswechsel gleichzeitig geöffnet sind) relativ klein.
Oa bzw. Oa (3.59)
Vh VH Für den Fall der kleinen Ventilüberschneidung kann
in guter Näherung Oa | Ol gesetzt werden.
Dieselmotor:
Bei Motoren ohne Aufladung sind Oa und Ol immer
VL VL ges kleiner als 1, da Strömungswiderstände beim Ansau-
Oa bzw. Oa (3.60)
Vh VH gen und beim Ausschieben ein vollständiges Ausspü-
len des geometrischen Hubvolumens verhindern. Mo-
Um den Luftaufwand am Motor experimentell zu toren mit Aufladung zum Beispiel auch Motoren mit
bestimmen, wird das angesaugte Luftvolumen oder Schwingsaugrohren haben Betriebszustände, bei de-
die Luftmasse gemessen. Zusätzlich müssen Druck nen Oa und Ol größer als 1 sind.
und Temperatur der Luft sowie der Umgebungs- Dieselmotoren, insbesondere solche mit Aufladung,
zustand und beim Ottomotor der Kraftstoffverbrauch haben große Ventilüberschneidungen, um eine Innen-
erfasst werden. kühlung und eine bessere Ausspülung des Brennrau-
mes von Restgasen zu erreichen. Hier kann Oa  Ol
Liefergrad werden.
Der Liefergrad ist ein Maß für die im Zylinder nach Bei schlitzgesteuerten 2-Takt-Motoren existiert ein
Abschluss des Ladungswechsels verbleibende Frisch- erheblicher Unterschied zwischen Luftaufwand und
ladung. Diese wird wie beim Luftaufwand auf die Liefergrad bedingt durch die Überströmverluste. Der
theoretische Ladungsdichte bezogen. Quotient aus Liefergrad und Luftaufwand ergibt den
Fanggrad, welcher ein Maß für die im Zylinder ver-
mZ mZ mZ ges
Ol bzw. Ol (3.61) bleibende Frischladung ist.
mth Vh ˜ U th VH ˜ U th
Für die Zylinderfrischladung mZ beziehungsweise 3.9 Luft-Kraftstoff-Verhältnis
mZ ges gilt
Bei der motorischen Verbrennung wird das Verhält-
beim Ottomotor: nis aus der tatsächlich im Zylinder vorhandenen Luft-
mZ = mZL + mZK bzw. mZ ges = mZL ges + mZK ges (3.62) masse mL zur stöchiometrischen Luftmasse mL, St als
Luft-Kraftstoff-Verhältnis O bezeichnet.
beim Dieselmotor: Der stöchiometrische Luftbedarf LSt ist definiert als
mZ = mZL bzw. mZ ges = mZL ges (3.63) der Quotient aus der Luftmasse und der Kraftstoff-
24 3 Kenngrößen

masse bei stöchiometrischen Verhältnissen mit den stöchiometrischen Komponenten


mL , St MK MK MK MK
LSt (3.64) x ˜c y ˜h q ˜s z ˜o
mK MC MH MS MO
mL mL
O (3.65) Hierbei bedeuten:
mL , St mK ˜ LSt c, h, s, o = Massenanteile der im Kraftstoff
mit enthaltenen Elemente Kohlenstoff
mL ,St = Luftmasse bei stöchiometrischen Verhältnissen (c), Wasserstoff (h), Schwefel (s)
mK = Kraftstoffmasse und Sauerstoff (o)
MC, MH, MS, MO = Molmassen der Elemente im
Der stöchiometrische Luftbedarf kann aus den Mas- Kraftstoff
senanteilen der im Kraftstoff enthaltenen chemischen MK = Molmasse des Kraftstoffs
Elemente ermittelt werden. Dabei sind die bei der
Verbrennung entstehenden Verbrennungsprodukte Unter Berücksichtigung des Massenanteils von Sau-
(Abgase) zu berücksichtigen. Der Verbrennungspro- erstoff in Luft [O2 , L ergibt sich für den stöchiometri-
zess selbst läuft über eine große Anzahl von Zwi- schen Luftbedarf
schenreaktionen ab, an denen zahlreiche, vor allem 1 mO2 , St 1 MO2 nO2 , St
LSt ˜ ˜ ˜ (3.67)
aber auch kurzlebige Verbindungen, sogenannte Ra- [O2 , L mK [O2 , L MK nK
dikale, beteiligt sind. Die wichtigsten Verbrennungs-
produkte bei vollständiger Verbrennung sind Kohlen- mit
dioxid (CO2), Wasser (H2O) und Schwefeldioxid MO2 = Molmasse von Sauerstoff
(SO2) sowie durch die Verbrennung praktisch unver- nO2; nK = Stoffmengen von Sauerstoff und Kraft-
änderter Luftstickstoff (N2, Inertgas). Somit ergibt stoff
sich für die vollständige Verbrennung eines Kraftstof-
y z
fes mit der Zusammensetzung CxHySqOz die chemi- Mit den Beziehungen nO2 , St x   q  und
sche Reaktionsgleichung 4 2
nK = 1 aus den chemischen Reaktionsgleichungen er-
§ y z·
C x H y Sq Oz  ¨ x   q  ¸ ˜ O2 gibt sich
© 4 2¹
1 §M 1 M M ·
y
Ÿ x ˜ CO2  ˜ H 2 O  q ˜ SO2 (3.66) LSt ˜ ¨ O2 ˜ c  ˜ O2 ˜ h  O2 ˜ s  o ¸ (3.68)
2 [O , L
2 © MC 4 MH MS ¹

Einheit Wert
Mittlere Molmasse des Kraftstoffs G/mol 99,1

Gew-% 87,08 Kohlenstoff


Zusammensetzung der Kraftstoffprobe: Gew-% 12,87 Wasserstoff
Gew-% 0,05 Sauerstoff

– 7,2 Kohlenstoff
Theoretische Summenformel – 12,6 Wasserstoff
– 0,0 Sauerstoff

Brennwert (Ho) MJ/kg 45,72


Heizwert (Hu) MJ/kg 42,88

kg Luft
Theoretischer stöchiometrischer Luftbedarf 14,47
kg Krst

Bild 3-18 Beispiel einer Kraftstoffanalyse, Euro-Super


3.9 Luft-Kraftstoff-Verhältnis 25

1 Dieselmotoren werden immer mit Luftüberschuss


LSt ˜ (2,664 ˜ c  7,937 ˜ h  0,988 ˜ s  o) (3.69) (O > 1) kleine Zweitaktmotoren werden in erster Linie
0,232
im Luftmangelbereich (O < 1) betrieben.
Beispielhafte Daten einer Kraftstoffanalyse zeigt
Bild 3-18. Literatur
Die Kraftstoffzumischung im Motorbetrieb wird [1] Mollenhauer, K.; Tschöke, H. (Hrsg.): Handbuch Dieselmotoren.
durch den stöchiometrischen Luftbedarf beeinflusst. Berlin: Springer, 2007. – ISBN 978-3-540-72164-2
[2] Heywood, J. B.: Internal Combustion Engine Fundamentals. New
Daher muss das Gemischbildungssystem bei Anwen- York: Mc Graw-Hill, 1988. – ISBN 0-07-100499-8
dung verschiedener Kraftstoffe (zum Beispiel Benzin [3] Spicher, U.: Umdruck zur Vorlesung Verbrennungsmotoren.
und Alkoholkraftstoffe) jeweils angepasst werden. Karlsruhe: Universität
Bei der motorischen Verbrennung weicht das Mi- [4] Mahle GmbH (Hrsg.): Einflussgrößen auf die Reibleistung der
Kolbengruppe. In: Technische Information Nr. 7148. Stuttgart,
schungsverhältnis mehr oder weniger vom stöchio- 1994
metrischen ab. [5] Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Kraftfahrtechnisches Taschenbuch.
Ein Gemisch mit Luftüberschuss (O > 1) bezeichnet 26. Aufl. Wiesbaden: Vieweg, 2007. – ISBN 978-3-8348-0138-8
[6] Anisizs, F.; Borgmann, K.; Kratochwill, H.; Steinparzer, F.: Der
man als „mageres Gemisch“ (Magerbetrieb), ein Ge- erste Achtzylinder-Dieselmotor mit Direkteinspritzung von
misch mit Luftmangel (O < 1) wird als „fettes Ge- BMW. In: MTZ 60 (1999) 6, S. 362 – 371
misch“ bezeichnet. Ottomotoren mit Saugrohrein- [7] Fortnagel, M.; Heil, B.; Giese, J.; Mürwald, M.; Weining, H.-K.;
spritzung werden heute in weiten Kennfeldbereichen Lückert, P.: Technischer Fortschritt durch Evolution: Neue Vier-
fast nur noch mit stöchiometrischem Gemisch (O = 1) zylinder Ottomotoren von Mercedes-Benz auf der Basis des
erfolgreichen M111. In: MTZ 61 (2000) 9, S. 582 – 590
betrieben. Ottomotoren mit Direkteinspritzung kön- [8] Bach, M.; Bauder, R.; Endress, H.; Pölzl, H.-W.; Wimmer, W.:
nen homogen mit O = 1, homogen-mager (O > 1) und Der neue TDI-Motor von Audi: Teil 3 Thermodynamik. In: MTZ 60
auch geschichtet-mager (im Mittel des Brennraumes (1999), Sonderausgabe 10 Jahre TDI-Motor von Audi, S. 40 – 46
[9] Kuratle, R.: Motorenmeßtechnik. 1. Aufl. Würzburg: Vogel,
O  1, partiell aber auch O = 1) betrieben werden. 1995. – ISBN 978-3-8033-1554-4
4 Kennfelder

Kennfelder werden zwecks Veranschaulichung der Neben den Motoreigenschaften lassen sich im Kenn-
Betriebsstrategie eines Motors sowohl zur Dokumen- feld auch die Eigenschaften des Fahrzeugs und seines
tation der motorischen Betriebsparameter wie Zünd- Antriebstrangs aufzeigen. Dies erfolgt üblicherweise
zeitpunkt, Einspritzzeitpunkt oder Luftverhältnis durch die Fahrwiderstandslinien, die den Zusammen-
verwendet als auch zur Beurteilung der daraus resul- hang zwischen Motordrehzahl und dem vom An-
tierenden gemessenen und errechneten Größen wie triebsstrang aufgenommenen Drehmoment für jeweils
Emissionen, Kraftstoffverbrauch oder Temperaturen. einen Gang für Konstantfahrt in der Ebene zeigen
Das Motorkennfeld stellt eine hoch verdichtete In- (siehe Bild 4-1). Für Berg- beziehungsweise Talfahrt
formationsquelle dar, aus der eine Beurteilung des ergeben sich jeweils parallel verschobene Verläufe
vorliegenden Motors abgeleitet werden kann. Es wird der Fahrwiderstandslinie.
herangezogen, um bestimmte Motoreigenschaften in Liegt der Betriebspunkt des Motors oberhalb der
Abhängigkeit vom Betriebspunkt zu dokumentieren. Fahrwiderstandslinie, wird das Fahrzeug beschleu-
Das Motorkennfeld wird in der zweidimensionalen nigt; liegt er unterhalb, so wird es verzögert. Die für
Darstellung von der Gesamtheit aller möglichen die Beschleunigung verfügbare Überschussleistung
Betriebspunkte aufgespannt, wobei der Betriebspunkt resultiert aus der aktuellen Drehzahl und dem Über-
eines Verbrennungsmotors durch seine Drehzahl und schussdrehmoment, das dem Abstand der Fahrwider-
sein Drehmoment definiert ist. Im Motorkennfeld standslinie zur Volllastlinie entspricht. Bei einem
wird der Betriebsbereich des Verbrennungsmotors Gangwechsel resultiert, für gleiche Fahrgeschwindig-
durch die Volllastkurve sowie die minimale und keit, aus der Änderung der Motordrehzahl bei nähe-
maximale Drehzahl begrenzt (Bild 4-1). Die vom rungsweise gleichem Leistungsbedarf ein geändertes
Motor im jeweiligen Betriebspunkt abgegebene Drehmoment. Der Betriebspunkt verlagert sich ent-
Leistung errechnet sich nach der Beziehung lang der Leistungshyperbel bis zum Schnittpunkt mit
Pe = 2 · S · M · n. Linien konstanter Leistung werden der Fahrwiderstandslinie, die dem Gangwechsel ent-
im Motorkennfeld als Leistungshyperbeln bezeichnet. spricht. Auf diese Weise lassen sich die Änderungen
des Betriebs- oder Emissionsverhaltens in Abhängig-
keit von den Randbedingungen des Fahrzeugs und
Last
Pe = konst. des Fahrbetriebs mithilfe des Motorkennfelds beur-
Pme
M
teilen.
Pe, max
Volllast Für Fahrzustände mit geringem Fahrleistungsbedarf,
wie sie in weiten Bereichen von Emissionszyklen für
die Typprüfung eines Fahrzeugs oder im Stadtverkehr
vorkommen, sind eher Betriebspunkte aus dem linken
Berg unteren Kennfeldbereich mit geringen bis mittleren
Fahrwider- Drehzahl-Last-Kombinationen relevant. Die für Fahr-
standslinien Ebene ten auf der Autobahn typischen Lastkollektive liegen
Tal
Drehzahl dagegen im rechten oberen Bereich des Motorkenn-
nmin nmax felds.
Schiebebetrieb Aus Gründen der Vergleichbarkeit von Motoren mit
unterschiedlichem Hubraum werden anstatt des
Bild 4-1 Motorkennfeld Drehmoments häufig die auf den Hubraum bezoge-
nen spezifischen Kenngrößen der Last, wie der spezi-
Ein Motorkennfeld lässt sich mithilfe von einzelnen fische Mitteldruck pme oder die spezifische Arbeit we,
Punkten mit diskreten Werten darstellen. Liegt eine verwendet.
Vielzahl von Einzelwerten aus dem gesamten Be- Bild 4-2 zeigt am Beispiel eines Ottomotors mit Di-
triebsbereich des Motors vor, können aus diesen rekteinspritzung und Abgasturboaufladung, wie das
Werten durch Interpolation Linien gleicher Ausprä- Motorkennfeld zur Darstellung der Betriebsstrategie
gung der jeweiligen Motoreigenschaft, die sogenann- des Motors eingsetzt wird.
ten Isolinien, erzeugt werden. Die gebräuchlichste Zur Übersicht über die Betriebsstrategie werden im
Kennfelddarstellung betrifft den spezifischen Kraft- Kennfeld charakteristische Bereiche unterschiedlich
stoffverbrauch, dessen Isolinien ähnlich wie die gekennzeichnet. Im vorliegenden Beispiel wird der
Vertiefungen einer Muschelschale verlaufen und Motor im größten Teil des Kennfelds mit einem
daher auch Muschelkurven genannt werden (siehe stöchiometrischem Luft-Kraftstoff-Verhältnis betrie-
Bild 4-3). ben. Diese Strategie ist durch den Einsatz eines

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_4
4 Kennfelder 27

konventionellen Dreiwegekatalysators im gesamten unterstöchiometrisch, während sich unter Einbezie-


Drehzahl-Last-Kollektiv erforderlich, das den zur hung der durchgespülten Luft häufig insgesamt ein
Zertifizierung herangezogenen Fahrzyklus abdeckt. überstöchiometrisches Luft-Kraftstoff-Verhältnis ein-
Im rechten oberen Kennfeldbereich ist eine Fläche stellt. Der spülende Betrieb lässt sich im Übersichts-
hervorgehoben, die ab einer Drehzahl von 3.000 1/min kennfeld gut an der Steuerzeitenstrategie erkennen,
von der Volllastlinie begrenzt wird und bei hohen die durch Isolinien der Ventilüberschneidung darge-
Drehzahlen von etwa 6.000 1/min bis herunter zu stellt ist. Im entsprechenden Betriebsbereich weist die
einer Last von pme = 16 bar reicht. Diese Fläche mar- Ventilüberschneidung Werte größer 20 °KW auf. Als
kiert Betriebspunkte, in denen eine Gemischanreiche- weitere Maßnahme ist im hochlastigen Betrieb bei
rung erfolgt, um die Abgastemperatur aus Bauteil- niedrigen Drehzahlen ein Wechsel von einer Einfach-
schutzgründen zu senken. Der unterstöchiometrische auf eine Doppeleinspritzung appliziert. Eine entspre-
Betrieb ermöglicht zusätzlich die Darstellung einer chend optimierte Abstimmung der Anzahl der Ein-
hohen Motorleistung. Aufgrund der aus der Kraft- spritzimpulse in Verbindung mit weiteren einspritzre-
stoffanreicherung resultierenden negativen Konse- levanten Parametern wie Raildruck, Einspritzzeit-
quenzen für den Kraftstoffverbrauch im realen Fahr- punkte und Mengenanteile der Einspritzungen trägt
zeugbetrieb sind Ziele der Motorentwicklung sowohl zur Vermeidung von motorschädigenden Vorentflam-
die Fläche des betroffenen Kennfeldbereichs als auch mungsereignissen und zur Reduktion der Ölverdün-
den Grad der erforderlichen Anreicherung zu mini- nung bei.
mieren. Dabei stellt die Verwendung eines in den Als verbrauchsmindernde Maßnahmen im Kennfeld-
Zylinderkopf integrierten, gekühlten Abgaskrümmers bereich niedriger Lasten und Drehzahlen ist zum
eine konstruktive Option zur Absenkung der Abgas- einen an den relativ hohen Werten der Ventilüber-
temperaturen dar. schneidung zu erkennen, dass die entdrosselnde Wir-
kung interner Abgasrückführung genutzt wird. Zum
anderen wird als reibungsreduzierende Maßnahme
durch Verwendung eines regelbaren Kühlmittelther-
mostaten die Kühlmitteltemperatur gegenüber dem
restlichen Kennfeld von 90 °C auf 100 °C erhöht.
In ähnlicher Weise lassen sich auch noch weitere
Merkmale, welche die Betriebsstrategie eines Motors
charakterisieren, im Betriebskennfeld darstellen.
Hierzu zählt die Abstimmung diskret oder kontinuier-
lich verstellbarer Motorkomponenten wie zum Bei-
spiel variable Ventilhubsysteme, Tumbleklappen oder
bei Saugmotoren schaltbare Saugrohrlängen.
Bei der vergleichenden Bewertung von Kennfeldern
auf der Basis spezifischer Motorkenngrößen ist zu
berücksichtigen, dass sich grundlegende konstruktive
Auslegungskriterien, wie zum Beispiel das Hubvolu-
men und das Hub-Bohrungs-Verhältnis erfahrungs-
gemäß nur in geringen Unterschieden äußern. Moder-
ne aufgeladene Ottomotoren verdeutlichen dagegen,
Bild 4-2 Übersichtskennfeld Ottomotor dass durch die unterschiedliche Auslegung von Sys-
temkomponenten wie der ladungswechselrelevanten
Der Betrieb des Motors an und nahe der Volllast bei Aufladeeinheit, Variabilitäten im Ventiltrieb oder des
Drehzahlen um 1.500 1/min ist bei dem gezeigten Abgasnachbehandlungssystems in Verbindung mit
Motor ebenfalls nicht stöchiometrisch abgestimmt. der Abstimmung operativer Maßnahmen auch für
Um ein hohes Drehmoment bei niedriger Drehzahl, ähnliche Motoren stark ausgeprägte Unterschiede im
das Eckdrehmoment, darzustellen, kann der Luftmas- Betriebsverhalten realisiert werden. Signifikant unter-
senstrom durch den Abgasturbolader in Grenzen er- schiedliche Leistungswerte des gleichen Basistrieb-
höht werden. Bei großer Ventilüberschneidung führt werks werden für eine unterschiedlich sportive Aus-
das positive Spüldruckgefälle von der Saug- zur prägung der Zielfahrzeuge genutzt oder ermöglichen
Abgasseite bei gleichzeitig geöffneten Ein- und Aus- den Einsatz eines Grundmotors in verschiedensten
lassventilen zu einem Durchspülen der Frischluft. Fahrzeugklassen. Zusätzlich gibt es Motoren, die auf
Durch die Direkteinspritzung von Benzin in den verschiedenen Zielmärkten entweder eine konventio-
Brennraum nach Schließen der Auslassventile wird nelle stöchiometrische Abstimmung oder ein Brenn-
vermieden, dass Kraftstoff direkt in den Auslasskanal verfahren mit geschichtet magerem Betrieb aufwei-
geschoben wird. Bei diesem als „Spülen“ bezeichne- sen. Ein Entscheidungskriterium stellt beispielsweise
ten Verfahren erfolgt die Verbrennung im Zylinder die Verfügbarkeit schwefelfreien Kraftstoffs dar, der
28 4 Kennfelder

eine Voraussetzung für den Schichtbetrieb ist. Die und Drehzahlen ist durch Gemischanreicherung zu-
höheren Kosten der für den Schichtbetrieb erforderli- sätzlich die Einhaltung von Abgastemperaturen unter-
chen aufwändigen Abgasnachbehandlung zur NOx- halb von kritischen Grenztemperaturen zur Ver-
Reduktion und für zusätzliche Komponenten zur meidung von Schädigungen der Abgasturbine oder
externen Abgasrückführung können für den gleichen Alterung des Katalysators zu gewährleisten. Daraus
Grundmotor beim Einsatz in kleineren Fahrzeugklas- resultiert ein zunehmender Gradient des Verbrauchs-
sen zu einer konventionellen Abstimmung führen, anstiegs.
während in oberen Fahrzeugklassen der geschichtet Bild 4-4 zeigt das typische Verbrauchskennfeld eines
magere Betrieb appliziert ist. Diese Beispiele machen Dieselmotors mit Direkteinspritzung und Turboaufla-
deutlich, dass Maßnahmen zur Abgasnachbehandlung dung. Auffällig ist der geringere Anstieg des Ver-
für unterschiedliche Märkte oder auch bereits für brauchs mit abnehmender Last, da die Qualitätsrege-
schärfere Emissionszertifizierungsstufen zu signifi- lung des Dieselmotors nicht mit Drosselverlusten
kanteren Unterschieden im Motorkennfeld führen, als verbunden ist. Trotz der im Vergleich zum Ottomotor
es beispielsweise herstellerspezifische oder konstruk- deutlich günstigeren Teillastverbrauchswerte liegen
tive Unterschiede erwarten lassen. die mit der Fahrzeugkalibrierung realisierten Ver-
bräuche insbesondere im für den Europäischen Fahr-
zyklus relevanten Kennfeldbereich über denen einer
4.1 Verbrauchskennfelder verbrauchsoptimierten Abstimmung. Ursachen hier-
Bild 4-3 zeigt ein typisches Verbrauchskennfeld eines für sind die zur Einhaltung der zulässigen NOx-
turboaufgeladenen Ottomotors mit Benzindirektein- Emissionen erforderlichen hohen Raten der Abgas-
spritzung. Wie bereits erwähnt, werden die Linien rückführung (AGR) sowie die teilweise später kalib-
konstanten spezifischen Kraftstoffverbrauchs auf- rierten Einspritzzeitpunkte.
grund ihrer Form auch Muschelkurven genannt. Das
Minimum des spezifischen Kraftstoffverbrauchs be-
findet sich im niedrigen mittleren Drehzahlbereich im
Bereich von Lasten im leicht aufgeladenen Betrieb. In
einem größeren Bereich um das Verbrauchsminimum
ist der Gradient des Verbrauchsanstiegs flach. Zu
niedrigen Lasten hin steigt der Gradient stark an. We-
sentliche Ursachen hierfür sind zunehmende Drossel-
verluste beim Ottomotor sowie der im Verhältnis zum
abgegebenen Nutzmoment zunehmende Anteil der
Reibung.

Bild 4-4 Verbrauchskennfeld (TC-DI-Dieselmotor)

Das Verbrauchskennfeld eines Motors kann bei


Kenntnis der wesentlichen fahrzeugspezifischen Da-
ten wie Fahrwiderstände und Übersetzungen auch zur
Berechnung des Kraftstoffverbrauchs des Fahrzeugs
verwendet werden. Zur Berechnung des Verbrauchs
im instationären Testzyklus wird die Fahrkurve als
Funktion der fahrzeugspezifischen Parameter in eine
Folge stationärer Betriebspunkte zerlegt, die jeweils
durch die Drehzahl und das Drehmoment charakteri-
Bild 4-3 Verbrauchskennfeld (TC-DI-Ottomotor)
siert sind. Die zu diesen Lastpunkten gehörenden
stationären Verbrauchswerte gehen dann zeitlich ge-
Diese beiden Faktoren führen auch zum sichtbaren wichtet in die Berechnung für den Zyklusverbrauch
Anstieg des Verbrauchs bei konstanter Last und ein. Die zur exakten Verbrauchsberechnung erforder-
zunehmender Drehzahl. Zur Volllast hin erfordert die lichen Modelle berücksichtigen neben den fahrzeug-
zunehmende Klopfneigung eine Spätverlagerung der spezifischen Daten zusätzliche verbrauchsbeeinflus-
Verbrennung, was in einem ungünstigeren Wirkungs- sende Vorgänge wie zum Beispiel den Motorwarm-
grad resultiert. Für Betriebspunkte mit hohen Lasten lauf sowie Gangwechsel und andere instationäre
4.2 Emissionskennfelder 29

Effekte. Mithilfe dieser Modelle lassen sich fahrzeug-


seitige Einflüsse auf das Verbrauchs- und Emissions-
verhalten des Motors im Fahrzeug abschätzen. Als
Anwendungsbeispiele für diese Vorgehensweise
seien die Getriebeabstimmung oder die Strategie bei
der Steuerung eines kontinuierlichen Getriebes
(CVT) genannt.

4.2 Emissionskennfelder
Gegenstand der Emissionskennfelder sind in der Re-
gel die Rohemissionen der gesetzlich limitierten
Schadstoffkomponenten Kohlenwasserstoffe (HC),
Stickoxide (NOx) und Kohlenmonoxid (CO). Üblich
ist dabei die Darstellung der auf die Arbeit bezogenen
spezifischen Werte (in g/kWh) oder als Massenströ- Bild 4-5 Luft-Kraftstoff-Verhältnis (TC-DI-Otto-
me (in g/h). Für Dieselmotoren sowie für Ottomoto- motor)
ren mit Direkteinspritzung sind auch die Kennfelder
der Partikelemissionen von Bedeutung. Neben den
Rohemissionskennfeldern werden häufig auch die An der Volllast findet, bedingt durch die Gemischan-
Emissionswerte hinter den Katalysatoren ausgewie- reicherung, die Verbrennung unter Sauerstoffmangel
sen. Diese erlauben einerseits eine Bewertung der statt. Bei den maximalen Anreicherungsraten im Be-
Konvertierung im Katalysator und sie werden ande- reich des Nennleistungspunkts stellt sich das Maxi-
rerseits zur Abschätzung der vom Fahrzeug in einem mum der CO-Konzentration von 3,0 Vol.-% ein. Die-
Fahrzyklus emittierten Schadstoffmengen herange- se in Bild 4-6 zum Ausdruck kommende Abhängig-
zogen. keit der CO-Konzentration vom Luft-Kraftstoff-Ver-
Die Bilder 4-5 bis 4-9 zeigen charakteristische Kenn- hältnis kann als typisch Ottomotoren gelten. Bei Mo-
felder konventioneller Ottomotoren sowie ausgesuch- toren mit konzeptspezifisch erforderlicher stärkerer
te Kennfelder operativer Parameter mit Relevanz für Gemischanreicherung werden jedoch auch deutlich
das Emissionsverhalten. Die den gezeigten Kennfel- höhere CO-Konzentrationen gemessen.
dern zugrunde liegenden Motoren sind zur effizienten
Abgasnachbehandlung mit Dreiwegekatalysator aus-
gestattet. Die Kennfelder beziehen sich auf den Be-
trieb des betriebswarmen Motors. Dies sowie die an
den ausgewählten Motoren zur exakten Einhaltung ei-
nes stöchiometrischen Gemisches eingesetzte Lamb-
da-(O-)Regelung gewährleisten eine hohe Konvertie-
rung aller Schadstoffkomponenten im Katalysator
nach dem Dreiwegeprinzip. Das in Bild 4-5 gezeigte
Luft-Kraftstoff-Verhältnis weist den großen Kenn-
feldbereich aktiver Lambda-Regelung deutlich aus.
Im gezeigten Beispiel des aufgeladenen Ottomotors
mit Direkteinspritzung wird eine Gemischanreiche-
rung im volllastnahen Bereich bei hohen Drehzahlen
vorgenommen. Im Bereich des Nennleistungspunkts
sind die minimalen Luft-Kraftstoff-Verhältnisse mit
Werten um O = 0.9 kalibriert. Zur Darstellung eines
hohen Eckdrehmoments bei niedriger Drehzahl ist ein Bild 4-6 CO-Konzentration vor Katalysator (TC-DI-
mageres Luft-Kraftstoff-Verhältnis bis zu O = 1.1 im Ottomotor)
Abgas als Resultat einer spülenden Abstimmung mit
großer Ventilüberschneidung zu erkennen. Auch im stöchiometrischen Betrieb kann das Niveau
Die CO-Konzentration ist in erster Linie eine Funk- der NOx-Rohemission durch Abstimmung der opera-
tion des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses, wie die Kenn- tiven Parameter beeinflusst werden. So bietet die
felder in Bild 4-5 und 4-6 zeigen. Im Kennfeldbe- AGR im Teillastbetrieb ein erhebliches Potenzial zur
reich mit aktiver Lambda-Regelung liegen die Kon- Reduktion der NOx-Rohemissionen bei gleichzeitigen
zentrationen üblicherweise in einer unkritischen Grö- Wirkungsgradvorteilen infolge der mit der AGR ver-
ßenordnung zwischen 0,5 Vol.-% und 0,8 Vol.-%. bundenen Entdrosselung des Motors. Die Abgasrück-
30 4 Kennfelder

führung kann entweder extern über ein Ventil oder als des Volllast-Drehmomentverhaltens. Durch die Opti-
interne Abgasrückführung durch Änderung der Steu- mierung der Steuerzeiten als Funktion der Drehzahl
erzeiten realisiert werden. Das Kennfeld der spezifi- lassen sich bei Saugmotoren signifikante Luftauf-
schen NOx-Emissionen eines Ottomotors mit externer wandsvorteile mit der Folge eines verbesserten Dreh-
Abgasrückführung in Bild 4-7 und das zugehörige momentverlaufs realisieren.
Kennfeld der mittels AGR-Ventil kalibrierten AGR- Anders als das Niveau der NOx- und CO-Emissionen
Raten in Bild 4-8 geben ein Beispiel für die prakti- wird das Ausmaß der HC-Rohemissionen deutlich
sche Anwendung der Abgasrückführung. Das Mini- stärker durch konstruktive Parameter beeinflusst. An
mum der NOx-Emissionen wird im Betriebspunkt mit erster Stelle ist hier die Brennraumform zu nennen,
der maximalen AGR-Rate erzielt. Außerhalb des wobei das Oberflächen/Volumenverhältnis eine
Kennfeldbereichs externer AGR stellt sich ein typi- charakteristische Kenngröße darstellt. Die Sensitivität
sches Verhalten der NOx-Emissionen ein. Die zur der HC-Emission gegenüber operativen Parametern
Volllast sowie zu hohen Drehzahlen hin zu erkennen- ist für den betriebswarmen Motor mit Kanaleinsprit-
de starke Abnahme der NOx-Emission ist eine Folge zung zwar vorhanden, in den üblichen Variationsbe-
der Gemischanreicherung. reichen jedoch eher von untergeordneter Bedeutung.
Motoren mit Benzindirekteinspritzung reagieren in
Bezug auf die HC-Emissionen dagegen deutlich
12 NOx [g/kWh] sensitiver auf eine Variation der einspritzungsrele-
vanten Parameter wie Raildruck, Einspritztiming oder
10 Anzahl der Einspritzungen pro Arbeitszyklus. Bei
Effektiver Mitteldruck [bar]

10 15 20 beiden Einspritzkonzepten kann sich eine interne


8 AGR durch variable Steuerzeiten positiv auswirken,
da der gegen Ende des Ausschiebevorgangs typi-
6
scherweise zu verzeichnende HC-Peak wieder der
Verbrennung zugeführt wird. Ein typisches HC-Emis-
4
5 10 15
sions-Kennfeld eines Ottomotors mit Einlassnocken-
20 25 30
2
wellenverstellung ist in Bild 4-9 dargestellt.

0
1000 2000 3000 4000 5000 6000 12 HC [g/kWh]
Drehzahl [1/min]
10
Effektiver Mitteldruck [bar]

Bild 4-7 Spezifische NOx-Emissionen vor Katalysa- 8 5.0


4.0
tor (MPI-Ottomotor) 4.0
3.0
6 2.5
3.0
12 4
externe AGR [%]
4.0
5.0
2 7.0
10 3.0
Effektiver Mitteldruck [bar]

0
8 1000 2000 3000 4000 5000 6000
4
Drehzahl [1/min]
6 8
12
4 15 Bild 4-9 Spezifische HC-Emissionen (MPI-Otto-
motor)
2

Die hier nicht dargestellten Kennfelder der Emissio-


0
1000 2000 3000 4000 5000 6000 nen nach Katalysator sind für moderne Ottomotoren
Drehzahl [1/min] mit Dreiwegekatalysator durch die nahezu vollständi-
ge Konvertierung der Schadstoffe geprägt. Abwei-
chungen von den extrem niedrigen Emissionsniveaus
Bild 4-8 Abgasrückführrate (MPI-Ottomotor) ergeben sich in den Kennfeldbereichen mit unterstö-
chiometrischem Betrieb, wo die katalytische Oxida-
Kontinuierlich wirkende Systeme zur Nockenwellen- tion des HC- und des CO-Anteils aufgrund des Sauer-
verstellung werden bei Großserienmotoren häufig stoffmangels eingeschränkt bleibt.
nicht nur zur Realisierung einer internen Abgasrück- Aufgrund der für Dieselmotoren typischen Verbren-
führung eingesetzt, sondern auch zur Verbesserung nung mit Luftüberschuss stellen sich die CO- und
4.2 Emissionskennfelder 31

HC-Emissionen im Vergleich zum Ottomotor auf


deutlich niedrigerem Niveau ein (Bild 4-10, Bild
4-11). Wegen des im Abgas von Dieselmotoren stets
vorhandenen Restsauerstoffs ist eine weitere Verrin-
gerung dieser Schadstoffkomponenten durch Oxida-
tionskatalysatoren möglich und zur Einhaltung der
Grenzwerte der Abgasgesetzgebung erforderlich.

Bild 4-12 Spezifische NOx-Emissionen (TC-DI-Die-


selmotor)

Zur Erhöhung der Wirksamkeit der AGR, die die


Menge der emittierten NOx reduziert, wird das zu-
rückgeführte Abgas bei Dieselmotoren gekühlt. Dabei
wird das Abgas je nach System vor der Turbine
(Hochdruck-AGR) beziehungsweise nach der Abgas-
nachbehandlung (Niederdruck-AGR) entnommen.
Bild 4-10 Spezifische CO-Emissionen (TC-DI-Die- Das in Bild 4-13 gezeigte Kennfeld der AGR-Raten
selmotor) zeigt, dass die AGR im vorliegenden Beispiel im
Wesentlichen für den emissionsrelevanten Kennfeld-
bereich kalibriert ist. Die AGR-Raten betragen bis zu
50 % und liegen im Vergleich zu denen von Ottomo-
toren auf einem deutlich höheren Niveau. Anders als
beim Ottomotor sind hier die Möglichkeiten der AGR
nicht durch das Auftreten von Verbrennungsausset-
zern begrenzt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die
Verbrennung bei hohem Luftüberschuss erfolgt und
die Sauerstoffkonzentration im Abgas noch bis zu
15 Vol.-% beträgt.

Bild 4-11 Spezifische HC-Emissionen (TC-DI-Die-


selmotor)

Kritischer für Dieselmotoren stellen sich jedoch die


NOx-Rohemissionen (Bild 4-12) dar. Da die katalyti-
sche Nachbehandlung bei Luftüberschuss nicht ziel-
führend ist, verfolgt man hier primär den Weg, die
NOx-Entstehung über eine Beeinflussung des Ver-
brennungsprozesses einzuschränken. Die hierzu ange- Bild 4-13 Abgasrückführrate (TC-DI-Dieselmotor)
wendeten Maßnahmen sind wie beim Ottomotor die
Abgasrückführung sowie die Spätverlegung des Ein- Für Dieselfahrzeuge sind zusätzlich die Partikelemis-
spritzvorgangs, was der Spätzündung im Ottomotor sionen gesetzlich limitiert. Eine gebräuchliche Mess-
weitgehend entspricht. größe zur Beurteilung der Partikelemission von Die-
32 4 Kennfelder

selmotoren ist die Filter Smoke Number (FSN). Die erkennen, dass sich der Vorzündbedarf bei zuneh-
erhöhten Schwarzrauchwerte im emissionsrelevanten mender Drehzahl sowie bei abnehmender Last ten-
Kennfeldbereich (Bild 4-14) deuten auf den Zusam- denziell erhöht. Diese Tendenz wird von weiteren
menhang zwischen der Partikelbildung und der AGR Effekten überlagert. Im unteren Lastbereich ist bereits
hin. Dieser Zusammenhang macht ebenso den be- bei niedrigen Drehzahlen eine deutliche Frühverstel-
kannten Zielkonflikt zwischen NOx- und Partikel- lung der Zündung zu erkennen. Für den gezeigten
emissionen deutlich. Außerhalb des mit AGR abge- Motor ist in diesem Bereich eine interne AGR kali-
stimmten Kennfeldbereichs ist das Niveau der briert. Das als Inertgas wirkende zurückgeführte
Schwärzungszahlen auf relativ niedrigem Niveau. Es Abgas verzögert den Brennverlauf, der entsprechend
steigt erst im volllastnahen Bereich wegen des dort früher eingeleitet werden muss. Weiter zeigt sich im
vorherrschenden geringeren Luft-Kraftstoff-Verhält- oberen Lastbereich eine Spätverstellung der Zündung.
nisses insbesondere bei niedrigen Drehzahlen wieder Dieses Verhalten ist auf die im Bereich hoher Zylin-
signifikant an. derfüllung zunehmende Klopfneigung zurückzufüh-
Der Partikelbildung muss durch eine gute Aufberei- ren. Dem heutigen Stand der Technik entsprechend
tung des eingespritzten Dieselkraftstoffs begegnet können die aus dieser Maßnahme resultierenden
werden. Deshalb stellt die Hochdruckeinspritzung mit Nachteile durch die Anwendung dynamischer Klopf-
hoher Zerstäubungsgüte eine der wesentlichen Ent- regelungssysteme minimiert werden. Diese ermögli-
wicklungsrichtungen moderner Dieselmotoren dar. chen hinsichtlich des Drehmoments optimierte Vor-
Parallel zu den innermotorischen Maßnahmen wur- zündwinkel ohne die Gefahr eines Motorschadens
den für sensible Märkte in den vergangen Jahren Par- aufgrund einer klopfenden Verbrennung.
tikelfiltersysteme eingeführt. Der Grund hierfür liegt
in schärferen Partikel- bei gleichzeitig reduzierten
NOx-Emissionsgrenzwerten sowie der öffentlichen
Diskussion über die Feinstaubbelastung im urbanen
Raum. Abweichend zu der in den Motorkennfeldern
dokumentierten Stationärkalibrierung erfolgen bei der
intermittierenden Regeneration des Partikelfilters
Eingriffe in die Kalibrierung des Motors, die zur zeit-
weisen Anhebung der Abgastemperaturen in be-
stimmten Kennfeldbereichen führen, um so den Ab-
brand der an der Filteroberfläche angesammelten Par-
tikelbeladung zu fördern.

Bild 4-15 Zündzeitpunkt (TC-DI-Ottomotor)

Bei Dieselmotoren wird die Verbrennung primär


durch den Einspritzvorgang gesteuert. Der Einspritz-
beginn hat daher eine vergleichbare Bedeutung wie
beim Ottomotor der Zündwinkel. Durch die Umstel-
lung auf die heute vorherrschende Direkteinspritzung
hat die schnellere Verbrennung mit steileren Gradien-
ten des Zylinderdruckverlaufs zu akustischen Proble-
men geführt. Eine wirkungsvolle Maßnahme zur Ab-
senkung der Zylinderdruckgradienten und zur inner-
motorischen Schadstoffreduktion stellt bei modernen
Bild 4-14 Partikelemissionen (TC-DI-Dieselmotor) EDC-Motorsteuerungen (Electronic Diesel Control)
die Einspritzstrategie mit Vor- und angelagerter
Nacheinspritzung dar. Bei der Voreinspritzung wird
4.3 Zündungs- und Einspritzkennfelder
zunächst durch eine kleinere Einspritzmenge die Ver-
Die typische Kalibrierung der Zündwinkel konventi- brennung ausgelöst. Daran anschließend wird dem
oneller Ottomotoren mit Lambda-Regelung ist stark Prozess während der Haupt- und der gegebenenfalls
vom Betriebspunkt abhängig. In der mittleren Teillast angelagerten Nacheinspritzung die restliche Diesel-
werden die Zündwinkel in der Regel im Bereich des menge zugeführt. Die angelagerte Nacheinspritzung
Wirkungsgradoptimums kalibriert. In Bild 4-15 ist zu erweist sich als wirksames Instrument zur Absenkung
4.4 Abgastemperaturkennfelder 33

der Partikelemissionen. Bild 4-16 und Bild 4-17 zei- 4.4 Abgastemperaturkennfelder
gen die Kennfelder für den Einspritzbeginn der
Haupteinspritzung und die typische Einspritzstrategie Das Verhalten der Abgastemperatur eines Ottomotors
eines modernen Pkw-Dieselmotors. Es ist zu erken- ist in Bild 4-18 dargestellt. Der steile Anstieg der Ab-
nen, wie durch die EDC-Motorsteuerung das Ein- gastemperatur zu hohen Lasten hin erfordert gezielte
spritzmuster an den jeweiligen Lastbereich angepasst Maßnahmen, um den Abgaskatalysator vor thermi-
wird. Bei kleinen Lasten und Drehzahlen wird die scher Alterung oder gar Zerstörung zu schützen. Hier-
Einspritzung auf zwei Voreinspritzungen und eine zu dienen sowohl konstruktive Maßnahmen als auch
Haupteinspritzung aufgeteilt. Bei mittleren Lasten die Kalibrierung der Betriebsparameter des Motors.
wird dieses Einspritzmuster gegebenenfalls um eine Für Motoren mit Abgasturboaufladung ist unter Be-
angelagerte Nacheinspritzung ergänzt. Im Kennfeld- rücksichtigung des Bauteilschutzes zusätzlich die
bereich höherer Last und Drehzahl wird die Anzahl Gastemperatur am Turbineneintritt kritisch. Im Zuge
an Voreinspritzungen reduziert. des Bauteilschutzes wird das Kraftstoff-Luft-Gemisch
bei Ottomotoren daher im Kennfeldbereich kritischer
Abgastemperaturen wie zuvor beschrieben ange-
reichert.

Bild 4-16 Ansteuerbeginn Haupteinspritzung (TC-


DI-Dieselmotor)

Bild 4-18 Abgastemperaturkennfeld am Katalysator-


eintritt (TC-DI-Ottomotor)

Für den Betrieb bei niedrigen Lastpunkten ist da-


gegen eine zu geringe Abgastemperatur zu vermei-
den, damit der Katalysator nicht auskühlt. Aus die-
sem Grund kann hier eine relativ späte Zündeinstel-
lung erforderlich werden. Zusätzlich zu diesen in den
Stationärkennfeldern erkennbaren Maßnahmen wer-
den üblicherweise nach dem Motorkaltstart abwei-
chende Steuergrößen hinsichtlich des Zündwinkels
und der AGR-Raten kalibriert, damit der Katalysator
die für eine Konvertierung der Rohemissionen in
unschädliche Komponenten erforderliche Light-off-
Bild 4-17 Einspritzstrategie (TC-DI-Dieselmotor) Temperatur rasch erreicht.
5 Thermodynamische Grundlagen

Verbrennungsmotoren sind Wärmekraftmaschinen, Betrachtet man den Vorgang örtlich mehrdimensio-


bei denen eine Umwandlung von chemisch gebunde- nal, instationär, mit allen im Gas in Realität vorlie-
ner Energie in mechanische Energie erfolgt [1 – 3]. genden Transportmechanismen, so ergeben sich auf-
Das geschieht mittels eines Reaktionsablaufs, dem wändige mathematische Modelle, für deren physika-
Verbrennungsvorgang, bei dem Energie freigesetzt lisch-chemische Darstellung zum Beispiel die benö-
wird. Ein Teil dieser im Brennraum des Zylinders tigten Stoffdaten wenn überhaupt, nur mit einer ge-
freigesetzten Wärme wird mittels des Kurbeltriebs in wissen Unschärfe vorliegen.
mechanische Energie umgewandelt, die restliche Um qualitative Aussagen bezüglich der Abhängigkeit
Energie wird mit dem Abgas abgeführt und über die bestimmter Prozessgrößen von vorgegebenen Para-
brennraumbegrenzenden Wände an ein Kühlmittel metern zu erhalten, werden daher mehr oder weniger
sowie direkt an die Umgebung abgegeben. einfache Modellrechnungen genutzt. Damit können
Ziel des Prozessablaufs bei der Umwandlung von mit einem stark reduzierten Aufwand prinzipielle
chemischer in mechanische Energie ist es, einen Aussagen über die Wirkung des Energieumsatzes auf
möglichst hohen Prozesswirkungsgrad, der sehr stark motorische Parameter gemacht werden.
von dem Ablauf des thermodynamischen Prozesses Es haben sich in der Vergangenheit eine Reihe von
abhängt, zu erreichen. Betrachtungsweisen ergeben, die von einer einfachen
Diese Umwandlungsprozesse sind sehr komplex, was geschlossenen Prozessführung bis zu mehr oder we-
insbesondere auf den Verbrennungsvorgang, mit seinen niger komplizierten offenen Mehrzonenmodellen [8,
Energie-Stoffaustauschvorgängen und chemischen 12, 13, 19] reichen.
Vorgängen des Gases im Zylinder zutrifft [14]. Aber
auch die Wärmeübertragungsprozesse vom Gas auf
5.1 Kreisprozesse
die unmittelbar den Brennraum umgebende Wand so-
wie auf angrenzende Motorbauteile und das Kühlme- Um grundsätzliche Aussagen zu erhalten, bildet man
dium beziehungsweise das Öl sind nur näherungsweise vereinfachte Modelle und beschreibt sie als Kreispro-
mit großem Aufwand zu erfassen [9, 15 – 17]. zesse. Kreisprozesse sind aufeinander folgende Zu-
Da die Kraftstoffe für Otto- und Dieselmotoren Ge- standsänderungen eines Arbeitsmittels, bei denen die-
mische aus diversen Kohlenwasserstoffen sind, ist eine ses wieder auf den Ausgangszustand zurückgeführt
Behandlung der Reaktionskinetik unter Berücksich- wird. Man bezeichnet sie als geschlossene Kreispro-
tigung der Vielzahl von Reaktionen praktisch nicht zesse mit Wärmezu- und -abfuhr (Bild 5-1) [27].
möglich. Häufig behilft man sich mit der Betrachtung Diese Modellvorstellung vernachlässigt den stoffli-
„reiner“ Substanzen, zum Beispiel Methanol, Methan, chen Umsatz von den Ausgangsprodukten der Ver-
Wasserstoff, für die ein hinreichend genauer Reak- brennung zum Beispiel Luft und Kraftstoff zu den
tionsmechanismus mit allen zugehörenden Stoff- Abgasen (CO, HC, NOx, CO2, HCO, H2, N2 und so
daten vorliegt. Je nach Betrachtungsweise genügt weiter).
auch die Nutzung spezifischer Reaktionsabläufe zum Die vier Takte des Verbrennungsmotors werden über
Beispiel für die NO-Bildung [8] oder die vereinfa- Verdichtung, Wärmezufuhr als „Ersatz“ für den Ver-
chende Annahme eines O–H–C-Gleichgewichtes in brennungsvorgang, Expansion und Wärmeabfuhr, als
der Flammenfront [5]. „Ersatz“ für den Ladungswechsel durchgeführt.
Druck p

Temperatur T

qzu qzu

qab qab

Bild 5-1 Zustandsänderungen


und Arbeiten bei einem Kreis-
Volumen v Entropie s
prozess [20]

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_5
5.2 Vergleichsprozesse 35

pmax

qzu
qzu
pmax

Druck p
Tmax
Temperatur T

Tmax

Tmin pmin
qab
pmin
qab Tmin
Bild 5-2 Zustandsänderungen
Entropie s Volumen v beim Carnot-Prozess [20]

Der Zustand des Mediums am zum Beispiel Beginn Im T-s-Diagramm stellt sich der Carnot-Prozess als
der Verdichtung und am Ende der Wärmeabfuhr ist Rechteck dar. Der thermische Wirkungsgrad ergibt sich
identisch. Solche Zustandsdiagramme für Verbren- als Verhältnis von Nutzarbeit zu zugeführter Wärme.
nungsmotoren sind: qzu  qab q
Kth 1  ab (5.2)
x Druck-Volumen-Diagramm (p-v-Diagramm): Die qzu qzu
darin enthaltene Fläche stellt eine Arbeit dar, die
als indizierte Arbeit bezeichnet wird. Tmin ˜ s1  s2 T
Kth 1 1  min (5.3)
x Temperatur-Entropie-Diagramm (T-s-Diagramm): c
Tmax ˜ s4  s3 Tmax
Die Flächen stellen Wärmen dar. Die Kreispro-
zessarbeit ist die Differenz aus zugeführter und Der thermische Wirkungsgrad nimmt bei gegebenem
abgeführter Wärme. Damit ist die von den Linien Temperaturverhältnis beim Carnot-Prozess den
der Zustandsänderungen umschlossene Fläche ein höchsten überhaupt erreichbaren Wert an. Im p-v-
Diagramm ist die Diagrammfläche des Carnot-Pro-
Maß für die Nutzarbeit des Kreisprozesses.
zesses aber so klein, dass – um eine akzeptable Nutz-
Zentrale Aussagen, die bezüglich des motorischen arbeit (entsprechend der Fläche im p-v-Diagramm) zu
Prozesses mit solchen Kreisprozessen ermöglicht erhalten – die Temperaturen und Drücke auf tech-
werden, sind solche über den Prozesswirkungs- nisch nicht mehr vertretbare Höhen getrieben werden
grad. müssten. Diese Erfahrung musste RUDOLF DIESEL
Als Definition eines solchen Wirkungsgrades, des machen, als er mit seinem rationellen Wärmemotor
thermischen Wirkungsgrades gilt: den Carnot-Prozess verwirklichen wollte. Ein als
qzu  qab qab Rechteck verlaufender Prozess im p-v-Diagramm lie-
Kth 1 (5.1) fert zwar die größte Arbeitsausbeute, hat aber – we-
qzu qzu gen der kleinen Fläche im T-s-Diagramm – einen sehr
Darin bedeuten: qzu = zugeführte Wärmemenge und niedrigen Wirkungsgrad. Als Rechteck verlaufende
qab = abgeführte Wärmemenge. Prozesse sind also für die Praxis nicht geeignet.
Die Theorie der Kreisprozesse geht auf den französi- Die mit einer Wärmekraftmaschine technisch realisier-
schen Offizier SADI CARNOT (1796 bis 1832) zurück, baren Kreisprozesse unterliegen Vorgaben durch Geo-
der erkannte, dass zur Umwandlung von Wärme in metrie und Kinematik der jeweiligen Maschinenart,
Arbeit ein Temperaturgefälle vorhanden sein muss, Bedingungen der Energieumwandlung sowie dem
und dass der thermische Wirkungsgrad einer Wärme- Stand der Technik. Beurteilungskriterien für Vergleichs-
kraftmaschine umso höher ist, je höher die Tempera- prozesse, die im Folgenden beschrieben werden, sind:
tur, bei der die Wärme zugeführt und je niedriger die x Wirkungsgrad
Temperatur, bei der sie abgeführt wird; besonders x Arbeitsausbeute und
deutlich wird das an dem von ihm beschriebenen x technische Realisierbarkeit.
optimalen Kreisprozess, dem sogenannten Carnot-
Prozess (Bild 5-2).
Die Zustandsänderungen des Carnot-Prozesses sind: 5.2 Vergleichsprozesse
x Isotherme Verdichtung 5.2.1 Einfache Modellprozesse
x Isentrope Verdichtung Die motorischen Kreisprozesse beschreiben die Ener-
x Isotherme Expansion gieumwandlung, wobei die einzelnen Zustandsände-
x Isentrope Expansion. rungen des Arbeitsmittels dem tatsächlichen Gesche-
36 5 Thermodynamische Grundlagen

hen im Motor möglichst nahe kommen sollen. Im Er besitzt den thermodynamisch günstigsten Prozess-
Rahmen dieser Betrachtungen stellen Verbrennungs- verlauf, der in einer Maschine mit periodisch verän-
motoren geschlossene Systeme dar, in denen die derlichem Arbeitsraum, unter vertretbarem techni-
Energieumwandlung diskontinuierlich verläuft. Ein schem Aufwand, realisiert werden kann [1]. Der da-
Charakteristikum der Kreisprozesse von Verbren- raus resultierende thermische Wirkungsgrad ist bei
nungsmotoren ist, dass die Zustandsänderungen in gleichem Verdichtungsverhältnis größer als der des
einem Arbeitsraum ablaufen, dessen Größe sich Seiliger- und des Gleichdruckprozesses. Der Wir-
durch die Bewegung des Kurbeltriebs im Laufe des kungsgrad ist abhängig von der Gasart (Isentropen-
Arbeitsspiels ändert. Verdichtung und Expansion las- exponent) und dem Verdichtungsverhältnis. Er steigt
sen sich durch einfache Zustandsänderungen be- mit zunehmendem Verdichtungsverhältnis und be-
schreiben. Die Verbrennung und der Gaswechsel stimmt sich mit:
werden durch Wärmezu- und Wärmeabfuhr ersetzt. qzu v  qab
Ideale Kreisprozesse für Verbrennungsmotoren wer- Kth (5.4)
den nach der Art der Wärmezufuhr unterschieden. qzu v
Ein allgemeiner Prozessverlauf lässt sich mit Wärme-
zufuhr bei konstantem Volumen (isochor) und bei 5.2.1.2 Gleichdruckprozess
konstantem Druck (isobar), wie er von MYRON
SEILIGER (1874 –1952) beschrieben worden ist und Die Zustandsänderungen des Gleichdruckprozesses
als Seiliger-Prozess bezeichnet wird, darstellen. Daraus sind in Bild 5-4 dargestellt. Die Folge der Zustands-
lassen sich Grenzfälle ableiten wie der reine Gleich- änderungen bei diesem Prozess ist:
raum- (nur isochore Wärmezufuhr) und der reine x Isentrope Verdichtung
Gleichdruckprozess (nur isobare Wärmezufuhr). x Isobare Wärmezufuhr
x Isentrope Expansion
5.2.1.1 Der Gleichraumprozess
x Isochore Wärmeabfuhr.
In Bild 5-3 ist der Zustandsverlauf des Gleichraum-
Er kann dann als Vergleichsprozess herangezogen
prozesses dargestellt. Die Folge von Zustandsände-
rungen bei diesem Prozessverlauf ist: werden, wenn aus Gründen der Bauteilbelastung eine
Begrenzung des Höchstdruckes notwendig ist. Der
x Isentrope Verdichtung thermische Wirkungsgrad bestimmt sich dann mit:
x Isochore Wärmezufuhr
x Isentrope Expansion qzu p  qab
Kth (5.5)
x Isochore Wärmeabfuhr. qzu p

Gleichraumprozess
Druck p

Temperatur T

3
3
qzu

qzu

2
2
4
4 qab
1
1 qab

Volumen v
Bild 5-3 Zustandsänderungen
Entropie s
im Gleichraumprozess [20]

qzu
qzu 3
Temperatur T
Druck p

2 3
2

4
1 qab
1 qab

Volumen v Entropie s
Bild 5-4 Zustandsänderungen
im Gleichdruckprozess [20]
5.2 Vergleichsprozesse 37

Druck p qzu qzu

Temperatur T
4
3 4 qzu
3

qzu
2
2
5

5 qab
1
qab
1

Volumen v Entropie s Bild 5-5 Zustandsänderungen


im Seiliger-Prozess [20]

Der Wirkungsgrad dieses Prozesses ist von der Gasart Durch die Aufladung ändert sich der motorische
(Isentropenexponent), dem Verdichtungsverhältnis Prozess prinzipiell nicht; lediglich das Druckniveau
und der zugeführten Wärmemenge bei konstantem wird angehoben. Der Verdichtung im Motor ist die
Druck abhängig. Er steigt mit zunehmendem Ver- im Verdichter vorgeschaltet, und nach der Expansion
dichtungsverhältnis; sinkt jedoch mit zunehmender im Motor und einer Expansion im Abgasrohr folgt die
Wärmezufuhr. Der Gleichdruckprozess erreicht von Expansion in der Turbine.
den drei betrachteten Prozessführungen den gerings- x Isentrope Verdichtung im Verdichter
ten Wirkungsgrad. x Isentrope Verdichtung im Motor
x Isochore Wärmezufuhr im Motor
5.2.1.3 Seiliger-Prozess x Isobare Wärmezufuhr im Motor
x Isentrope Expansion im Motor
Die Zustandsänderungen des Seiliger-Prozesses sind
x Isochore Wärmeabfuhr aus dem Motor
in Bild 5-5 dargestellt. Im Einzelnen sind dies:
x Isobare Wärmezufuhr zur Turbine
x Isentrope Verdichtung x Isentrope Expansion in der Turbine
x Isochore Wärmezufuhr x Isobare Wärmeabfuhr aus der Turbine.
x Isobare Wärmezufuhr Die Arbeiten der Abgasturbine und des Verdichters
x Isentrope (adiabat-reversible) Expansion stellen sich entsprechend als Flächen im p-V-Dia-
x Isochore Wärmeabfuhr. gramm dar (Bild 5-6).
Bei gegebenem Verdichtungsverhältnis ist eine
Höchstdruckbegrenzung vorzugeben. Die zugeführte 5.2.1.4 Vergleichende Betrachtung
Wärme erfolgt teilweise isochor und teilweise isobar. der Kreisprozesse
Der sich aus dieser Prozessführung ergebende thermi-
Bild 5-7 zeigt den Vergleich der drei betrachteten
sche Wirkungsgrad ist:
Prozesse im p-V- und T-s-Diagramm. Der Wirkungs-
qzu v  qzu p  qab grad des Gleichraumprozesses ist dabei bei gleichem
Kth (5.6)
qzu v  qzu p Verdichtungsverhältnis der maximal erreichbare. Das
begründet sich in der geringeren abzuführenden Wär-
Zu beachten ist, dass die Wärmemenge qzu v bei kon- memenge bei gleichem Verdichtungsverhältnis und
stantem Volumen zugeführt wird und daher über die gleicher zugeführter Wärmemenge gegenüber den
Temperaturdifferenz mittels spezifischer Wärme bei beiden anderen Prozessführungen.
konstantem Volumen (cv) zu bestimmen ist, während
die Wärmezufuhr bei konstantem Druck qzu p aus der
Temperaturdifferenz mittels spezifischer Wärme bei
5.2.2 Exergieverluste
konstantem Druck (cp) zu bestimmen ist. Die exergetische Betrachtung der behandelten Pro-
Je nach Aufteilung der zugeführten Wärmemenge auf zessführungen zeigt, dass die Exergie der zugeführten
die isochore und isobare Zustandsänderung ergibt Energie nur teilweise in mechanische Arbeit umge-
sich als Grenzkurve für den thermischen Wirkungs- wandelt werden kann. Unter Exergie soll dabei die
grad diejenige, die bei reinem Gleichraum bezie- Energie verstanden sein, die sich unter Berücksichti-
hungsweise Gleichdruck vorliegen würde. gung einer vorgegebenen Umgebung in jede andere
Betrachtet man diesen Prozessverlauf für einen aufge- Energieform umwandeln lässt. Anergie ist dabei der
ladenen Motor, so ergeben sich die in Bild 5-6 darge- Teil der Energie, der sich nicht in Exergie umwan-
stellten Zusammenhänge. deln lässt [1].
38 5 Thermodynamische Grundlagen

q34
p01 p67
Druck

3 4 p5
Verdichter Abgas- Turbine
sammelrohr
q23
2
pL Ladedruck
pA Abgasgegendruck
p0 atmosph. Druck

5
q51
1
pL 11 7′ 7
pA 10
6
p0 9
0 8′ 8

Fläche 1-2-3-4-5-1 Motorarbeit Volumen


Fläche 0-1-11-9-0 Verdichterarbeit q80
Fläche 7-8-9-10-7 Turbinenarbeit
Fläche 5-7′-6-5 Verlust an kinetischer Energie Bild 5-6 Zustandsänderungen
Fläche 7′-7-8-8′-7′ Umwandlung von kinetischer im Seiliger-Prozess eines
Energie in Wärme und
Nutzung in der Turbine abgasturboaufgeladenen
Motors [20]

Vergleich der Prozesse


Gleiches Verdichtungsverhältnis e
Gleiche zugeführte Wärmemenge q
Gleichraum-
Gleichraum-
Druck p

Temperatur T

Prozess
Prozess
Gemischter
Gemischter Prozess
Prozess

Gleichdruck-
Prozess Gleichdruck-
Prozess

Volumen V Entropie s
beim gemischten Prozess
zusätzlich abgeführte Wärmemenge
beim Gleichdruck-Prozess Bild 5-7 Vergleich der motori-
zusätzlich abgeführte Wärmemenge
schen Vergleichsprozesse [20]

Eine anschauliche Darstellung am Beispiel des Dies würde jedoch bei dem realen Motor einen erheb-
Gleichraumprozesses liefert Bild 5-8. Im p-V-Dia- lichen zusätzlichen technischen Aufwand bedeuten,
gramm sind zwei der Prozessverluste darstellbar: der in keinem Verhältnis zum erzielten Gewinn ste-
x Würde das Medium vom Punkt 4 aus bis auf den hen würde.
Punkt 5, das heißt auf den Ausgangsdruck ent- Der dritte Verlust speist sich aus der Anergie der zu-
spannt, so wäre die Arbeit (Fläche 4-5-1-4) nutz- geführten Energie. Er ist nicht unmittelbar der Pro-
bar. zessführung anzulasten. Hat ein Medium die Umge-
x Die Fläche 5-6-1-5 wäre nutzbar, wenn das Me- bungstemperatur und den Umgebungsdruck erreicht,
dium nicht nur auf den Ausgangsdruck, sondern so befindet es sich im thermischen und mechanischen
auch noch weiter auf die Ausgangstemperatur Gleichgewicht mit der Umgebung. Der zweite Haupt-
expandiert würde. Daran müsste sich eine iso- satz der Thermodynamik verbietet dann die Umwand-
therme Verdichtung auf den Ausgangsdruck an- lung der inneren Energie in Exergie beziehungsweise
schließen. in Nutzarbeit. [1].
5.3 Offene Vergleichsprozesse 39

Druck
x Verbrennungsprodukte liegen im chemischen
3 Gleichgewicht vor.
Mit dem so definierten Prozess lassen sich Einflüsse
der Parameter Verdichtungs- und Luft-Kraftstoff-
Verhältnis auf Mitteldruck, Prozesswirkungsgrad und
2 einige Konzentrationen von Stoffkomponenten be-
4
I
5
stimmen, Bild 5-9.
Pu
1 6 Je nach Betrachtungsweise kann in Anlehnung an die
II
v
einfachen Kreisprozesse eine Prozessführung für die
Verbrennung gewählt werden. Das kann ein isochorer
Temperatur

3 (Gleichraumverbrennung), isobarer (Gleichdruckver-


v2 = konst.
brennung) oder ein gemischt isochorer-isobarer Pro-
zessverlauf sein.
4
v1 = konst. I 5
2 p1 = konst.
5.3.1.1 Grundlagen der Berechnung
II
Tu
1 6 Die Berechnung des Prozesses des vollkommenen
III
0 Motors kann in folgende Schritte aufgeteilt werden:
a b
a) Isentrope Kompression des Frischgemisches. Der
Bild 5-8 Thermodynamische Verluste am Beispiel Ausgangszustand wird beschrieben durch den Druck
des Gleichraumprozesses p0, die Temperatur T0 und die Zusammensetzung des
Frischgases, charakterisiert durch das Luft-Kraftstoff-
Verhältnis O. Dieses ist definiert mit
5.3 Offene Vergleichsprozesse m Luft
O (5.7)
5.3.1 Arbeitsprozess des vollkommenen m Kr ˜ mLuft, stöch
Motors Darin bedeuten m Luft die Luftmasse, m Kr die Kraft-
Die idealen Kreisprozesse sind nur eine grobe Nähe- stoffmasse, mLuft, stöch die stöchiometrische Luftmasse
rung, mit denen wenige prinzipielle Aussagen möglich des entsprechenden Kraftstoffes. Das Verdichtungs-
sind. Bezüglich des Wirkungsgrades liefern sie im verhältnis kann dem des entsprechenden Versuchs-
Vergleich mit der Realität zu „gute“ Werte: Die Ar- motors gewählt werden. Als Repräsentant von Benzin
beitsausbeute ist größer, der Wirkungsgrad besser als kann zum Beispiel Iso-Oktan (C8H18) gewählt wer-
beim realen Motor, weil die Eigenschaften des Ar- den, da dies den physikalisch-chemischen Eigen-
beitsgases Luft als reales Gas behandelt und die Wär- schaften von handelsüblichen Kraftstoffen einigerma-
me-, Ladungswechsel- und Reibungsverluste und die ßen gerecht wird.
chemischen Reaktionen nicht berücksichtigt werden. Es wird vorausgesetzt, dass die Gaszusammensetzung
Um weitergehende Informationen über den Prozess- während der Kompression konstant bleibt. Der Ver-
verlauf zu erhalten und Fragen hinsichtlich der opti- dichtungsendzustand kann mit Hilfe der Isentropen-
malen Prozessführung beantworten zu können, wur- beziehung S1, T1 = S2, T2 und der thermischen Zu-
den Prozessabläufe definiert, die eine bessere An- standsgleichung für ideale Gase
näherung an den realen Motor gestatten. Das ist mög-
lich mit offenen Vergleichsprozessen. Ein zweckmä- p ˜v ¦V ˜ R
i
i m ˜T,
ßiger und häufig verwendeter Vergleichsprozess ist
der Prozess des „vollkommenen“ Motors. mit p = Druck, v = spezifisches Volumen, T = Tem-
Die Randbedingungen, unter denen der Prozess peratur, Rm = allgemeine Gaskonstante, Vi = spezifi-
abläuft, sind wie folgt definiert: sche Molzahl der Komponente i, berechnet werden
aus:
x Ladung im Brennraum ohne Restgas
x Gleiches Luft-Kraftstoff-Verhältnis wie der wirk- § p ·
liche Motor ¦V
i
i ,1 ˜ ¨ si0, T 1  Rm ˜ ln 10 ¸
© p ¹
x Verlustfreier Ladungswechsel (keine Strömungs-
und Lässigkeitsverluste) § p ·
x Verbrennungsablauf nach vorgegebener Gesetz- ¦V ˜ ¨ si0, T 2  Rm ˜ ln 20 ¸
i, 2 (5.8)
mäßigkeit i © p ¹
x Wärmedichte Wandungen Darin bedeutet si0, T 1 die Entropie der Komponente i
x Isentrope Kompression und Expansion mit spezi- beim Standarddruck p0 und der Temperatur T.
fischen Wärmen cp und cv in Abhängigkeit von der Die Lösung der Gleichung kann zum Beispiel auf
Temperatur iterativem Wege erfolgen.
40 5 Thermodynamische Grundlagen

12 500 45 5

hv
ppm hi Vol%

10 000 40 4
n = 2 000 min–1
e = 7,8

7 500 35 3
Prozesswirkungsgrad hi, hv

hi

CO-Konzentration
NO-Konzentration

gemessen
gerechnet { eingefrorene
Konzentrationen
gerechnet { Gleichgewicht
chemisches

5 000 30 2

2 500 25 1

CO

Bild 5-9 Berechnete Größen


NO
mit dem Arbeitsprozess des
0 20 0 vollkommenen Motors und am
0,8 1,2 1,0 1,4
Motorprüfstand gemessene
Luft-Kraftstoff-Verhältnis
Größen [4]

b) Isochore adiabate Verbrennung. Vorausgesetzt 1. Erster Hauptsatz der Thermodynamik


wird, dass sich ein totales chemisches Gleichgewicht für geschlossene Systeme
einstellt. Die Verbrennungsprodukte bestehen zum Setz man voraus, dass während der Verbrennung
Beispiel aus den Komponenten: keine Wärme zu- oder abgeführt und keine Arbeit
CO, CO2, N2, NO, NO2, NH3, O2, O, H, N, H2, H2O verrichtet wird, so folgt daraus: du = 0, das heißt keine
und OH. Änderung der inneren Energie. Damit ergibt sich:
Der Zustand des Gasgemisches im Zylinder nach der
Verbrennung ist gekennzeichnet durch den Druck p3,
¦Vi
i, 2 ˜ ui , T 2 ¦V
i
i, 3 ˜ ui, T 3 (5.9)

die Temperatur T3 und die spezifischen Molzahlen der


beteiligten – in diesem Beispiel 13 – Komponenten. 2. Thermische Zustandsgleichung
Zur Bestimmung dieser Größen sind somit 15 von- Diese ist gegeben mit:
¦V
einander unabhängige Gleichungen notwendig. Diese
p3 ˜ v3 i ˜ Rm ˜ T3 (5.10)
Gleichungen sind: i
5.3 Offene Vergleichsprozesse 41

3. Chemisches Gleichgewicht WVM


KVM (5.16)
Die 13 Gaskomponenten, zwischen denen chemische mKr ˜ Hu
Reaktionen ablaufen, bestehen aus den Basiselemen- mit Hu als unterer Heizwert des Kraftstoffs und mKr
ten Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff und Kohlen- als eingesetzter Kraftstoffmasse. Ist der Wirkungs-
stoff. Zur Beschreibung des chemischen Gleichge- grad definiert als das Verhältnis aus gewonnener
wichtes werden daher neun unabhängige Reaktions- Prozessarbeit WVM und der maximal theoretisch ge-
gleichungen benötigt mit den stöchiometrischen winnbaren Arbeit, so muss mKr ˜ Hu durch den Begriff
Koeffizienten Wj, i ( j = 1 bis 9): Wtheoretisch ersetzt werden. Die Größe Wtheoretisch kann
¦ Pi ˜W j, i 0. μi ist das chemische Potenzial der
i
als die maximal gewinnbare Arbeit bei reversibler
Prozessführung, oder als reversible Reaktionsarbeit
Komponente i und definiert als: gewertet werden. Diese ergibt sich aus der Differenz
pi der freien Enthalpie aus dem Zustand des Frisch-
Pi gi0, T  Rm ˜ T ˜ ln (5.11) gemisches und des Abgases mit
p0
wobei gi0, T die molare freie Enthalpie der Komponen- Wtheoretisch
§ ·
te i im Standardzustand repräsentiert. HTn 0  HTnn0  T0 ˜ ¨ ¦ Sin, p 0 ,T 0  ¦ Sinn, p 0, T 0 ¸ (5.17)
© i i ¹|H
4. Stoffbilanzen u
mKr
Die restlichen vier Gleichungen zur Bestimmung des
Zustandes nach der Verbrennung liefern die Stoffbi- Darin bedeuten: HTn 0 und HTnn0 die Enthalpie der
lanzen. Während der Verbrennung ändert sich die Stoffströme des Verbrannten und des Unverbrannten
Menge der vier Basisstoffe j = 1 – 4 entsprechend O, bei Umgebungszustand; Sin, p 0, T 0 und Sinn, p 0, T 0 die En-
H, N und C nicht, so dass die Stoffbilanzen lauten: tropie der Komponente i im Verbrannten und Unver-
V B, j ¦D j, i ˜V i (5.12) brannten, bezogen auf den Umgebungszustand.
i Die Unterschiede aus reversibler Reaktionsarbeit und
Dj, i gibt die Anzahl der Atome des Basisstoffes j in unterem Heizwert sind für einige als Ersatzkraftstoffe
der Komponente i an. definierte Substanzen, wie zum Beispiel C7H14, C8H18
Das so entstandene nichtlineare Gleichungssystem, oder für Methanol sehr gering, so dass Wtheoretisch
bestehend aus 15 Gleichungen kann zum Beispiel ungefähr gleich Hu gesetzt werden kann. Für Wasser-
mittels eines Newton-Verfahrens gelöst werden. stoff beträgt die Differenz jedoch bereits ca. 6 % [4].
c) Expansion. Die Rahmenbedingungen zur Darstel-
lung des Expansionszustandes sind chemisches Gleich- 5.3.1.4 Exergieverlust beim
gewicht und konstante Gaszusammensetzung. Die vollkommenen Prozess
Zustandsänderung erfolgt isentrop. Damit ergibt sich: Aus dem prinzipiellen Verlauf des Wirkungsgrades
§ p ·
¦i V i, 3 ˜ ¨ si0, T 3  Rm ˜ ln p30 ¸ beim vollkommenen Motor ist ersichtlich, dass dieser
© ¹ mit steigendem Luft-Kraftstoff-Verhältnis ansteigt.
(5.13) Zur weiteren Diskussion dieses Ergebnisses ist es
§ 0 p4 ·
¦i V i, 3 ˜ ¨ si, T 4  Rm ˜ ln p0 ¸ zweckmäßig den Exergieverlust zu betrachten. Die
© ¹ spezifische Exergie für geschlossene Systeme ist
definiert mit:
5.3.1.2 Arbeit des vollkommenen Motors
eT , p uT  u0, T 0  T0 ˜ (sT , P  s0, T 0, p 0 )
Die Arbeit WVM des vollkommenen Motors ergibt (5.18)
sich aus der Differenz der inneren Energie mit:  p0 ˜ (v  v0 )
WVM U4  U1 beziehungsweise mit (5.14) Darin bedeuten uT und sT , P die spezifische innere
Energie beziehungsweise Entropie bei der Tempera-
§ ·
WVM m ˜ ¨ ¦V i ,1 ˜ ui , T 1  ¦V i , 4 ˜ ui , T 4 ¸ , (5.15) tur T und dem Druck p sowie u0, T 0 und s0, T 0, P 0 Grö-
© i i ¹ ßen die sich ergeben, wenn die Verbrennungsgase
wobei U beziehungsweise ui die innere Arbeit reprä- sich im thermodynamischen Gleichgewicht mit der
sentieren. Umgebung befinden.
Der relative Exergieverlust EV der Verbrennung kann
definiert werden mit:
5.3.1.3 Wirkungsgrad des vollkommenen Motors
E2  E3
Der Wirkungsgrad KVM des vollkommenen Motors ist EV , (5.19)
prinzipiell definiert mit: E1
42 5 Thermodynamische Grundlagen

Verlauf von Parametern auch die Ortskoordinate mit


60 einbeziehen. Diese erfordern jedoch wegen ihrer
Mehrdimensionalität hohe Rechenkapazitäten.
rel. Energieverlust [%]

Verbrennung
40 5.3.2.1 Nulldimensionale Modelle
Einfache Modelle der Arbeitsprozessrechnung von
Verbrennungsmotoren sind „nulldimensionale“ Mo-
20 delle, die als Füll- und Entleermethode bekannt ist
[21]. Dabei hängen die Prozessgrößen nur von der Zeit
Abgas
und nicht vom Ort ab. Zwei- oder dreidimensionale
0
Strömungsfelder werden dabei nicht berücksichtigt.
0 1 2 4 6 8 Der Brennraum und die angrenzenden gasführenden
Luft-Kraftstoff-Verhältnis Baugruppen wie zum Beispiel Ansaug- und Abgas-
rohre, beziehungsweise Behälter, Absperrorgane wie
Bild 5-10 Exergieverlust durch Verbrennung und Klappen, Ventile etc. werden bezüglich der Ein- und
Abgas [nach 4] Ausströmvorgänge physikalisch/mathematisch be-
schrieben.
Das Simulationssystem wird aufgebaut aus Behältern
der relative Abgasexergieverlust mit:
mit entsprechenden Volumina, Strömungswiderstän-
E4 den (Drosseln und Blenden) und Rohrleitungen. Die
EA (5.20)
E1 Drosseln und Blenden simulieren zum Beispiel Dros-
selklappen, AGR-Ventile und starke Querschnittsver-
Bild 5-10 zeigt den Verlauf des relativen Exergie- änderungen [25]. Verdichter und Turbine werden bei
verlustes beim vollkommenen Ottoprozess. aufgeladenen Motoren durch entsprechende Kennfel-
Der relative Exergieverlust des Abgases sinkt mit der berücksichtigt.
steigendem Luft-Kraftstoff-Verhältnis, während der Die Lösung des Differentialgleichungssystems der
relative Exergieverlust der Verbrennung mit steigen- Bilanzgleichungen für die Masse und die Energie
dem Luft-Kraftstoff-Verhältnis zunimmt. In Summe unter Berücksichtigung der thermischen Zustands-
resultiert daraus ein Anstieg des Wirkungsgrades mit gleichung liefert die Größen Masse, Temperatur und
dem Luft-Kraftstoff-Verhältnis. Druck im entsprechenden Modellelement.
Beim Ein-Zonen-Modell, als „nulldimensionales“ Mo-
dell, wird die Wärmefreisetzung der chemischen Ener-
5.3.2 Annäherung an den realen gie des Kraftstoffs oft mit Hilfe eines Ersatzbrennver-
Arbeitsprozess laufs vorgegeben. Das System beschreibt sich über
Sowohl die einfachen Kreisprozesse als auch der Massen- und Energiebilanz in definierten System-
Prozess des vollkommenen Motors liefern nur begrenzt grenzen. Die dazu notwendigen Bilanzgleichungen
Aussagen über die realen im Motor ablaufenden Pro- berücksichtigen die unterschiedlichen Möglichkeiten
zesse. Daher sind Modelle notwendig, die eine weitere der Kraftstoffzufuhr in den Brennraum, wobei die
Annäherung an den realen Prozess ermöglichen. Insbe- daraus folgenden unterschiedlichen Randbedingun-
sondere sind Aussagen über indizierter Mitteldruck, gen zur Aufbereitung (Verdampfung) des Kraftstoffs
Innenwirkungsgrad, Verbrennungsverläufe (Brenn- wichtig sind. Neben der Energiefreisetzung werden in
funktionen), Verbrennungstemperaturen, Schadstoff- der Regel Annahmen zum Wärmeübergang [15, 16,
bildung etc. wünschenswert. Solche Aussagen erhält 22, 23] und Ladungswechsel benötigt.
man mit Modellen, die zum Beispiel als Zwei-Zonen- Eine weitere Variante der „nulldimensionalen“ Mo-
Modelle beschrieben werden können. delle sind Zwei-Zonen-Modelle. Hierbei wird der
Weitere Modellrechnungen basieren auf der Vorgabe Brennraum in zwei Zonen unterteilt, die durch eine
des Einspritzratenverlaufs, mit dessen Hilfe Aussagen sogenannte Flammenfront getrennt sind.
über den Brennverlauf und die NO-Emissionen mög- Die Zone eins repräsentiert das unverbrannte Ge-
lich sind [10, 17, 18] oder benutzen Einzonenmodelle misch aus Luft und Kraftstoff, die Zone zwei die
mit vorgegebenem Ersatzbrennverlauf [7]. Verbrennungsprodukte, die sich im OHC(Sauerstoff-
Viele dieser Modelle verzichten auf die Betrachtung des Wasserstoff-Kohlenstoff)-Gleichgewicht befindet. Die
Reaktionsablaufs und bedienen sich stattdessen geeigne- fiktive, räumlich nicht vorhandene Flammenfront, die
ter Funktionen bezüglich der Energiefreisetzung durch außerdem als masselos betrachtet wird, trennt die bei-
die Verbrennung [11], zum Beispiel die Vibe-Funk- den Zonen. Solche Modelle, die reaktionskinetische
tion [6]. Einflüsse berücksichtigen, lassen bei vorgegebenem
Weitergehende thermodynamische Betrachtungen Brennverlauf Rückschlüsse auf die NOx-Bildung
können zu Modellen führen, die neben dem zeitlichen zu [8].
5.3 Offene Vergleichsprozesse 43

Volumen- Volumen-
änderungs- änderungs-
arbeit Zone 1 Zone 1 Zone 2 arbeit Zone 2
Luft und Kraftstoffe Verbrennungsprodukte

OHC-Gleichgewicht
Wandwärme- Wandwärme-
verluste verluste
Zone 1 Zone 2
Bild 5-11 Schematische
infinitesimal dünne Systemgrenze Darstellung des Zwei-Zonen-
Flammenfront Modells

Eine schematische Darstellung des Zwei-Zonen-Mo- darstellt. Im Unverbrannten ändern sich die spezifi-
dells zeigt Bild 5-11. schen Molzahlen definitionsgemäß nicht. Aus diesen
Größen sind Aussagen über die Brenngeschwindigkeit,
Modelle zur Bestimmung des Brennverhaltens die Brenndauer und den Brennverzug möglich. Die
Da eine direkte Bestimmung des zeitlichen Stoffum- Prozessrechnung erfolgt dann mit folgenden Schritten
satzes während der Verbrennung im Motor praktisch als Funktion der Zeit beziehungsweise des Kurbel-
nicht möglich ist, verwendet man Modellrechnungen. winkels D:
Trotz Vereinfachungen zeigen die Erfahrungen, dass 1. Zylinderfüllung zu Beginn der Reaktion
damit sehr gut zumindest qualitative Aussagen mög-
Mit der thermischen Zustandsgleichung
lich sind.
Beschrieben wird im Nachfolgenden ein auf der p ˜v ¦V
i
i ˜ Rm ˜ T (5.21)
Thermodynamik beruhendes Modell, welches wie
folgt definiert ist: und den empirisch ermittelten Größen Brennraum-
x Verwendung des im Motor gemessenen Druckver- druck, Volumen oberhalb des Kolbens und Frisch-
laufs für die Prozessrechnung. gaszusammensetzung lässt sich die Temperatur be-
x Zum Zeitpunkt der Zündung besteht der Zylinder- stimmen.
inhalt aus Restgas und Frischgemisch. 2. Verbrennungsablauf
x Die in den Zylinder einströmende Masse verbleibt Zone I Unverbranntes: Die thermische Zustandsglei-
vollständig im Zylinder (keine Masseverluste). chung und der erste Hauptsatz der Thermodynamik
x Während der Verdichtung finden keine chemi- für offene Systeme ergeben
schen Reaktionen statt.
x Die Ladung im Zylinder besteht während der p ˜ vI ¦V i
iI ˜ Rm ˜ TI und (5.22)
Verbrennung aus zwei homogenen Bereichen in
Bezug auf Druck, Temperatur und Zusammenset- dTI 1 § dq R ˜ T dp kI ·
˜ ¨¨ I  m I ˜ ˜ ¦ V iI ¸¸ (5.23)
zung (Bereich I = Unverbranntes; Bereich II = dD kI
D D
¦V iI ˜ cp mi (TI ) ©
d p d i 1 ¹
Verbranntes).
x Die beiden homogenen Bereiche sind durch eine i 1

infinitesimal dünne Flammenfront getrennt und tau- Zone II (Verbranntes)


schen Masse aber keine Wärme miteinander aus.
Als unbekannte Größen treten hier die kII spezifischen
x Die Zustandsänderung des Bereichs I erfolgt bei
Molzahlen im Verbrannten Vi II, die Temperatur TII
konstanter Enthalpie.
und die umgesetzte Gemischmasse auf. Für die Gas-
x Das aus der „Flammenfront“ austretende Gas wird
zusammensetzung der Zone II sind zum Beispiel die
in den Bereich II überführt und vermischt sich mit
Komponenten CO2, CO, OH, H, O, O2, H2O, H2 und
diesem zu einem neuen Gleichgewichtszustand.
N2 als inerte Komponente sinnvoll. Zur Ermittlung
x Der Wärmeübergang zwischen dem jeweiligen
der kII spezifischen Molzahlen dienen r unabhängige
Bereich („Verbranntes“, „Unverbranntes“) an die
Gleichungen für das chemische Gleichgewicht und b
Brennraumwand folgt vorgegebenen Gesetzmä-
Gleichungen aus den Basisstoffbilanzen (kII = r + b).
ßigkeiten.
Das Gleichungssystem wird vervollständigt durch
x Die Zusammensetzung im Bereich I ändert sich
je eine unabhängige Gleichung für die Temperatur
während der Verbrennung nicht.
im Verbrannten und den Stoffumsatz. Dieser wird
Ziel ist die Bestimmung der Temperatur als Funk- charakterisiert durch die Brennfunktion, definiert
tion der Zeit im Verbrannten und Unverbrannten, mit:
sowie der spezifischen Molzahlen im Verbrannten und
mII
der sogenannten Brennfunktion, die das Verhältnis von xB
verbrannter Kraftstoffmasse zur Gesamtkraftstoffmasse mgesamt
44 5 Thermodynamische Grundlagen

Es ergeben sich somit r Gleichungen der Form:


100
§ · l = 0,92 l = 1,6
¨ ¸
V
kII l = 2,97
p dT
¦ vi, j ˜ ¨ Smi (TII )  Rm ˜ ln k ˜ 0 ¸ ˜ II
0 i II %
¨ II p ¸ dD
¦
i 1
¨ V iII ¸
© i 1 ¹ Basis:
3000

Umgesetzte Gemischmasse
kII
dp Rm ˜ TII Druckverlauf im Brennraum
 ˜ ˜ ¦ vi , j bei n = 4000 1/min K
dD p i 1 Zündzeitpunkt optimal

k
§ II
·
¦
50 2500
¨v vi , j ¸
¸ ˜ dV iII
kII

Temperatur
OT
Rm ˜ TII ˜ ¦ vi , j ˜ ¨ i , j
 i 1
(5.24)
¨ V iII kII ¸ dD Flammentemperatur

¦
i 1
¨ V iII ¸
© i 1 ¹
2000
OT
und b Gleichungen aus der Basisstoffbilanz:
kII
dV i, II
¦a i, l ˜
dD
0 mit l = 1 . . . b (5.25) OT
i 1
0 1500
0 50 100 °kW 150
Die Gleichung für die Temperatur des Verbrannten Winkel seit Zündung
lautet:
Bild 5-12 Berechnete Brennfunktionen und Flam-
dTII 1
mentemperaturen mit Hilfe eines Zwei-Zonen-Modells
dD kII
x B ˜ ¦ V i, j ˜ cpmi (TII ) (Methanol – H2)
i 1
§ § kII kII
· dx
u ¨ ¨¨ ¦ hi, Flamme  ¦ V i, j ˜ Hmi (TII ) ¸¸ B
¨ i1 6
© © i 1 ¹ dD Basis:
Druckverlauf im Brennraum bei n = 4000 1/min
kII
dV Zündzeitpunkt Optimal
 xB ˜ ¦ Hmi (TII ) ˜ i , II
dD l = 0,99
Brenngeschwindigkeit

i 1
4

dqII x B
k
dp II ·
˜ ¦ V i , j ¸¸
l = 0,7
 xB ˜  ˜ Rm ˜ TII ˜ (5.26)
dD p dD i 1 ¹
l = 1,7
2
Die Gleichung für den prozentualen Kraftstoffumsatz l = 2,2
lautet:

dx B 1 § dV x ˜R
˜¨  B m 0
dD Rm §
kII kI
· © m ˜ dD p
˜ ¨ TII ˜ ¦ V i , II  T ˜ ¦ V i, I ¸¸
0 50 100 °kW 150

p ¨© i 1 I i 1 ¹
Winkel seit Zündung

§ dT kII kII
dV T dp
kII
·
u ¨¨ II ˜ ¦ V i, II  TII ˜ ¦ i , II  II ˜ ¦ dV ¸¸
Bild 5-13 Berechnete Brenngeschwindigkeiten mit
D D p dD
i , II
© d i 1 i 1 d i 1 ¹ Hilfe eines Zwei-Zonen-Modells (Methanol – H2)

(1  xB ) ˜ Rm § TII I
k
T dp I
k
··
 ˜ ¨¨ ˜ ¦ dV i, I  I ˜ ¦ dV i, I ¸¸ ¸ (5.27)
p D D ¸ 5.3.2.2 Mehrdimensionale Modelle
© d i 1 p d i 1 ¹¹
Mehrdimensionale Modelle beschreiben die Vorgänge
Damit stehen kII + 3 Gleichungen zur Bestimmung der bei der Prozesssimulation des motorischen Verhaltens
Brennfunktion xB, der Temperatur im Unverbrannten als Funktion der Zeit und des Ortes, wobei die drei
TI, der Temperatur des Verbrannten TII und der Zu- Ortskoordinaten berücksichtigt werden. Damit sind
sammensetzung des verbrannten V1, II . . . V8, II zur Ver- insbesondere das Einströmverhalten in und das Strö-
fügung. mungsverhalten im Zylinder darstellbar. Das ist wich-
Typische Aussagen, die mit solchen Modellen dar- tig um prozessrelevante Parameter wie Drall- und
stellbar sind, zeigen Bild 5-12 und Bild 5-13. Tumbleausbildung zu berechnen beziehungsweise zu
5.4 Wirkungsgrade 45

berücksichtigen. Aber auch Ausströmprozesse, La- b) Energiebilanz: Nicht berücksichtigt sind äu-
dungswechsel, AGR etc. sind damit abbildbar. Diese ßere Kraftfelder, Reibungseinflüsse sowie ört-
als CFD-Simulation benannten Verfahren sind aufwän- liche und zeitliche Druckgradienten.
dig, da die notwendigen Netze zur Berechnung gene- k
wHm, i k r

riert werden und die entsprechenden Anfangs-/Rand- ¦i 1


Vi ˜ U
wt
 ¦ Hm, i ¦ ˜ (v nj, i  v nn
i 1 j 1
j, i ) ˜ J j
bedingungen festgelegt werden müssen [24, 26].
G k
 div IQ ¦V i ˜ U ˜ v ˜ grad Hm, i
Der Grad der Komplexität wird weiter wesentlich
erhöht, wenn die reaktionskinetischen Prozesse sowie i 1
Transportvorgänge von Energie und Materie mit in die G
k
Berechnungen einbezogen werden. ¦ Ii ˜ grad H m, i (5.29)
i 1

Mehrdimensionales Modell Darin bedeuten: i die Anzahl der zugelassenen Kom-


zur Verbrennungssimulation ponenten im Gas; j die Anzahl der zugelassenen
ohne strömungsmechanische Überlagerung chemischen Reaktionen; nn charakterisiert das Ver-
brannte, n das Unverbrannte; Ij ist die Diffusions-
Auch ohne die Überlagerung von reaktionskinetischen
stromdichte; o Jj die Reaktionsgeschwindigkeit der
Abläufen durch strömungsmechanische Gegebenheiten
ist der Aufwand zur Berechnung extrem hoch. Haupt- Reaktion j, I Q charakterisiert den Wärmestrom und
hindernis ist der teilweise nicht bekannte beziehungs- Hm, i die partielle molare Enthalpie der Komponente i.
weise nur fragmentarisch vorliegende Reaktionsablauf
eines Kraftstoffs wie zum Beispiel Benzin, der ein
Gemisch aus vielen Einzelkomponenten darstellt. 5.4 Wirkungsgrade
Daher sind Modellrechnungen oft nur mit einzelnen Die Betrachtung der einfachen Kreisprozesse (Kapitel
Komponenten des Kohlenwasserstoffgemisches Kraft- 5.2) liefern Wirkungsgrade, als thermische Wirkungs-
stoff möglich. grade Kth definiert, die als maximal mögliche Wir-
Eine bessere Annäherung an den realen Prozess der kungsgrade abhängig vom gewählten Prozessverlauf
Verbrennung im Motor gegenüber zum Beispiel null- gewertet werden können. Unter den oben angegebenen
dimensionalen Zwei-Zonen-Modellen, kann erreicht Voraussetzungen liefert der „Vollkommene Motor“
werden, wenn Transportvorgänge wie Diffusion und einen Wirkungsgrad Kv, der bei gleicher Prozessfüh-
Wärmeleitung im Gas mit in die Modellrechnung rung einen geringeren Wirkungsgrad ergibt als Kth.
einbezogen werden. Mit weiterer Annäherung der Rechenmodelle an den
Dies setzt voraus, dass sowohl das zeitliche wie örtli- realen Prozess entfernt man sich immer weiter von
che Verhalten wichtiger Prozessgrößen dargestellt den Idealisierungen; die dann erhaltenen Wirkungs-
wird. Der dazu notwendigen Formulierung der Bilanz- grade werden immer geringer beziehungsweise nä-
gleichungen liegt die Thermodynamik der irreversiblen hern sich der Wirklichkeit immer mehr an.
Prozesse zu Grunde. Betrachtet werden dabei kontinu- Die Abweichungen Wirkungsgrades des „vollkom-
ierliche Systeme, das heißt die intensiven Zustandsva- menen Motors“ vom inneren Wirkungsgrades Ki des
riablen wie zum Beispiel Temperatur, Druck, Dichte realen Motors sind bestimmt durch:
sind stetige Funktionen des Ortes und der Zeit. Die
Bilanzgleichungen beschreiben die lokalen Änderun- x unvollständige Verbrennung und Brennverlauf:
gen in jedem Volumenelement. Neben dem Quelltherm Das Abgas enthält noch Komponenten, die weiter
zur Produktion oder Abbau der zugelassenen Kompo- oxidiert werden können und somit noch einen
nenten ist ein Austausch von Energie und Materie mit nicht in der Prozessführung genutzten Heizwert
dem Nachbarelement vorhanden [14]. Vernachlässigt repräsentieren. Außerdem weicht der reale Brenn-
man Reibungseinflüsse sowie zeitliche und örtliche verlauf von dem des Vergleichsprozesses ab.
Druckgradienten, stellen die wesentlichen Gleichungen x Undichtigkeiten, Wärmeverluste und Ladungs-
zur Beschreibung solcher Systeme die Mengenbilanz wechselverluste.
und die Energiebilanz dar. Der innere Wirkungsgrad Ki des realen Motors kann
a) Mengenbilanz: Unter Berücksichtigung von che- aus der Indizierung von Hoch- und Niederdruck-
mischen Reaktionen und Diffusion ergibt sich für schleife gewonnen werden. Der weitere Schritt zum
die Änderung der spezifischen Molzahl Vi: effektiven Wirkungsgrad Ke erfolgt über die Berück-
sichtigung weiterer Verluste wie zum Beispiel Rei-
wV i wV i wIi r n
U v ˜ U   ¦ (v j, i  v nn
j , i ) ˜ J j (5.28)
bungsverluste (Triebwerksreibung, Nebenaggregate,
wt wx wx j 1 Hilfsantriebe etc.).
46 5 Thermodynamische Grundlagen

5.5 Energiebilanz am Motor wobei Hc  1 der Enthalpiestrom des Unverbrannten bei


der Temperatur T1 und Hcc  1 der Enthalpiestrom des
Wird ein Motor stationär betrieben, das heißt bei fest Verbrannten (Abgas) bei der Temperatur T1 ist. Die
eingestelltem Betriebspunkt, so ist der Prozess als Temperatur T1 des Verbrannten wird erreicht durch
stationärer Fließprozess zu betrachten, bei dem tech- Rückkühlung des Verbrannten auf die Ausgangstem-
nische Arbeit verrichtet wird. Zur Darstellung einer peratur. Die Enthalpieströme sind definiert zu:
Energiebilanz definiert man eine Systemgrenze und
betrachtet die über diese Grenze fließenden Stoff- H 1c H Luft  H Kr und H 1cc H Abgas T (5.32)
1

und Energieströme, Bild 5-14. Damit folgt:


H KWA  H KWE  Pe  Q Rest  H Abgas T2
H u m Kr  H Abgas T1
Kraftstoff Luft
(5.33)
Systemgrenze oder
Hu m Kr 'H KW  Pe  Q Rest  'H Abgas (5.34)
Dabei ist zu beachten, dass 'H Abgas die Enthalpie-
effektive differenz zwischen Abgas bei der jeweiligen Abgas-
Leistung Kühlleistung temperatur T2 und der Temperatur T1 ist.
Motor
Aus der obigen Gleichung wird die Aufteilung der
durch den Kraftstoff beziehungsweise Heizwert zuge-
führten Energie deutlich. Sie teilt sich in die effektive
Restwärme Leistung, die Restwärme, die Enthalpiedifferenz des
Kühlwassers und die des Abgases.
Abgas Die Enthalpie des Kühlwassers bestimmt sich mit:
'H KW m KW ˜ cW ˜ TKWA  TKWE (5.35)
Bild 5-14 Stoff- und Energieströme am Motor
mit:
m KW = zeitlicher Kühlwasserdurchsatz,
Im Einzelnen fließen über die Systemgrenze folgende
cW = spezifische Wärme des Wassers (4185 kJ/kg K),
Ströme:
TKWA = Temperatur des Kühlwassers bei Austritt,
Pe = effektive Leistung TKWE = Temperatur des Kühlwassers bei Eintritt
Q Rest = Restwärme (Wärmestrom an die Umgebung
Die Enthalpiedifferenz des Abgases bestimmt sich zu:
auf Grund von Wärmestrahlung, Wärmelei-
tung und Konvektion)
'H Abgas = m Abgas ˜ c p Abgas
T2
0
T2  c p Abgas
T1
0
T1 (5.36)
H Luft = Enthalpiestrom der Luft
mit:
H Kr = Enthalpiestrom des Kraftstoffes
m Abgas = Massenstrom des Abgases,
H KWE = Enthalpiestrom des Kühlwassers (Eintritt)
T
H KWA = Enthalpiestrom des Kühlwassers (Austritt) cp Abgas 0
= mittlere spezifische Wärme des Abgases
H Abgas = Enthalpiestrom des Abgases
Der Abgasmassenstrom ist: m Abgas m L  m Kr
Die Restwärme, die im Wesentlichen die Strahlungs-
5.5.1 Bilanzgleichung wärme, Wärmeleitung und Konvektion umfasst, ist
somit berechenbar, da alle anderen Größen aus Mess-
Bilanziert man die Stoff- und Energieströme, die den daten berechnet werden können
Kontrollraum passieren, so ergibt sich:
Q Rest Hu ˜ m Kr  Pe  'H KWA  'H Abgas (5.37)
H Kr  H Luft  H KWE
(5.30)
H KWA  Pe  Q Rest  H Abgas T2 Literatur
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Abgas gewandelt. Zur Berechnung benutzt man die [3] Heywood, J. B.: Internal Combustion Engine Fundamentals.
New York: McGraw Hill International Editions, 1988
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6 Triebwerk

6.1 Kurbeltrieb Für die nachfolgenden Betrachtungen wird der Kur-


beltrieb auf seine kinematisch relevanten Teile zu-
6.1.1 Aufbau und Funktion rückgeführt. Die einzelnen Teile des Kurbeltriebs
führen verschiedene Bewegungen aus:
Das Triebwerk – umgangssprachliche Bezeichnung
für den Kurbeltrieb – ist diejenige Funktionsgruppe x Der Kolben bewegt sich im Zylinder oszillierend
der Hubkolbenmotoren, die eine Wirkungsgrad güns- x das Pleuel
tige Umwandlung von oszillierender (hin- und herge- – mit dem kleinen Pleuelauge am Kolbenbolzen
hender) in drehende Bewegung und umgekehrt be- angelenkt, bewegt sich ebenfalls oszillierend
wirkt. Hinsichtlich Arbeitsausbeute, Wirkungsgrad – das große Pleuelauge – am Hubzapfen ange-
und technischer Realisierbarkeit wird mit ihm eine lenkt – macht dessen Drehbewegung mit
optimale Umsetzung thermodynamischer Prozesse – der Pleuelschaft schwingt in der Kurbelkreis-
ermöglicht, auch wenn dies mit einigen wesentlichen ebene und
Nachteilen erkauft werden muss: x die Kurbelwelle rotiert (Bild 6-2).
x Begrenzung der Drehzahl – und damit der Leis- Während einer Kurbelwellenumdrehung bewegt sich
tungsentwicklung – durch freie Massenwirkungen der Kolben vom oberen zum unteren und wieder zum
x ungleichmäßige Kraftabgabe, deren Beherrschung oberen Totpunkt; dabei legt er zweimal den Hub
besondere Maßnahmen erfordert in Gestalt von zurück. Bei dieser Bewegung wird er beschleunigt
Mehrzylindertriebwerken, geeigneter Kröpfungs- und verzögert. Die Triebwerksbewegung, das heißt
und Zündfolge, Massenausgleich und Massenaus- die jeweilige Stellung des Kolbens, wird durch den
gleichsgetrieben Kurbelwinkel M – den Winkel zwischen der Zylinder-
x Anregung zu Drehschwingungen, welche die Kur- achse und der Kurbelkröpfung – beschrieben.
belwelle und den Antriebsstrang hoch bean-
spruchen
x hohe Schwankungsbreite der Kraftverläufe im
Vergleich zu den Nennwerten dieser Kräfte
x ungünstige Bauteilgeometrie bezüglich des Kraft-
flusses mit hohen Spannungsspitzen oszillierende
x hohe tribologische Beanspruchung. Bewegung

Der Kurbeltrieb besteht aus Kolben mit Ringen,


Kolbenbolzen, Pleuel (Pleuelstange), Kurbelwelle mit
Gegenmasse(n) (Gegengewichte), und den Lagern
(Pleuelbuchse, Pleuellager, Kurbelwellengrundlager) oszillierende
Bewegung
(Bild 6-1).
Schwenk-
bewegung

Rotation

Rotation

Bild 6-1 Triebwerk eines V8-Pkw-Ottomotors Bild 6-2 Bewegungen der Triebwerksteile

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_6
6.1 Kurbeltrieb 49

Da der Wurzelausdruck in der Kolbenweg-Gleichung


umständlich zu handhaben ist, wird er durch eine
Reihe ersetzt, die – schnell konvergierend – meist
s
schon nach dem zweiten Glied abgebrochen werden
kann, weil sowohl O als auch sin M kleiner als 1.
1 1 1
1  x 1  x  x 2  x3  . . . (6.7)
2 8 16
l

l · cosj

l
x O 2 ˜ sin2 M (6.8)
j
Somit erhält man die vereinfachte Kolbenweg-Glei-
s0

sx

chung (Bild 6-4):


§ 1 ·
s r ˜ ¨ 1  cos M  ˜ O ˜ sin 2 M ¸ (6.9)
© 2 ¹
f Ein Differenzieren nach der Zeit liefert die Kolbenge-
r · cosf
r

schwindigkeit (Bild 6-5).

§ 1 ·
r
v r ˜ Z ˜ ¨ sin M  ˜ O ˜ sin 2M ¸ (6.10)
© 2 ¹

l · sinj = r · sinf
100

l=0
80
Bild 6-3 Geometrische Verhältnisse am Kurbeltrieb
Kolbenweg [mm]

l = 0,15
60

Die Kolbenbewegung wird durch die Abhängigkeit l = 0,25

des Kolbenwegs vom Kurbelwinkel, s = f (M), be- 40

schrieben und ergibt sich aus den geometrischen l = 0,35


Verhältnissen (Bild 6-3). 20

r = Kurbelradius 0
s = Kolbenweg 0 45 90 135 180
Kurbelwinkel [°]
l = Pleuellänge
v = Kolbengeschwindigkeit
r Bild 6-4 Kolbenweg s = f (M; O) mit r = 50 mm
O Pleuelverhältnis
l
a Kolbenbeschleunigung
25
s0 lr (6.1)

sx r ˜ cos M  l ˜ cos\ (6.2) 20


Kolbengeschwindigkeit [m/s]

l=0
s s0  sx (6.3) l = 0,15
15
l = 0,25
s l  r  r ˜ cos M  l ˜ cos \ (6.4)
l = 0,35
10
Der Zusammenhang zwischen dem Kurbelwinkel M
und dem Pleuelschwenkwinkel \ stellt sich wie folgt
dar: 5

O ˜ sin M
\ arctan (6.5) 0
1  O 2 ˜ sin 2 M 0 45 90 135 180
Kurbelwinkel [°]

ª
¬
1
O º
s r ˜ «1  cos M  ˜ 1  1  O 2 ˜ sin2 M »
¼
(6.6) Bild 6-5 Kolbengeschwindigkeit v = f (M; O) mit r =
50 mm und Z = 400 1/s
50 6 Triebwerk

Die mittlere Kolbengeschwindigkeit ist der Weg von x Massenreduktion im Bereich des kleinen Pleuel-
zwei Hüben, der während einer Umdrehung zurück- auges durch sogenannte Trapez- oder Stufen-
gelegt wird, bezogen auf die dazugehörige Zeit pleuel
t = 1/n x Klemmpleuel (ein im kleinen Pleuelauge ein-
vm 2˜s˜n (6.11) geschrumpfter Kolbenbolzen, dadurch Entfall der
Bolzensicherungsringe und der Lagerbuchse)
Zweifaches Differenzieren der Kolbenweggleichung x kleine Pleuelverhältnisse zur Reduktion der Mas-
nach der Zeit ergibt die Kolbenbeschleunigung senkräfte 2. Ordnung (der harmonischen Schwin-
(Bild 6-6): gung überlagerter Anteil).
a r ˜ Z 2 ˜ (cos M  O ˜ cos 2M ) (6.12) Mit Motorgröße und -belastung nehmen die Massen
Kolbenweg, -geschwindigkeit und -beschleunigung deutlich zu; so beträgt die Masse des „nackten“ Kol-
werden durch das Pleuelverhältnis O beeinflusst. Bei bens des V8-Audi-Ottomotors 355 g [1], die des
einer unendlich langen Pleuelstange (O = 0) entfällt in kompletten Kolbens des Porsche Carrera 650 g [2].
der Kolbenweggleichung das der rein harmonischen Durch Schränken beziehungsweise Desaxieren des
Kosinus-Schwingung überlagerte Glied 12 ˜ O ˜ sin2 M. Kurbeltriebes kann der Bewegungsablauf des Kurbel-
Je größer das Pleuelverhältnis O, desto größer die triebs im jeweils erwünschten Sinn verändert werden
Abweichung von der harmonischen Bewegung. Gro- (Bild 6-7). Es gibt
ße Pleuelverhältnisse, das heißt relativ zum Hub x desaxierte Kurbeltriebe, bei denen der Kolben-
kurze Pleuelstangen, verringern zwar die Motorhöhe, bolzen aus der Zylindermitte verschoben ist
haben aber wegen der stärkeren Schrägstellung der x geschränkte Kurbeltriebe, bei denen die Kurbel-
Pleuelstangen auch größere Reibungskräfte zur Folge. wellenmitte aus der Zylindermitte verschoben ist.
Heute übliche O-Werte für Fahrzeugmotoren liegen
etwa zwischen 0,2 bis 0,35.
Desaxierung Schränkung

15000
Gegendruckseite

Gegendruckseite
l = 0,35
Druckseite

Druckseite
l = 0,25
10000
Kolbenbeschleunigung [m/s2]

l=0
5000
l = 0,15

0
0 45 90 135 180

–5000

–10000
Kurbelwinkel [°]

Bild 6-6 Kolbenbeschleunigunga = f (MO) mit


r = 50 mm und Z = 400 1/s

Durch eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen


versucht man die oszillierenden Massen zu verringern
beziehungsweise sie trotz angehobener Leistung nicht Bild 6-7 Schränkung und Desaxierung des Kurbel-
weiter ansteigen zu lassen, wie zum Beispiel: triebs
x Kolben mit reduzierter Kompressionshöhe und
Schaftlänge sowie reduzierten Kolbenringhöhen, Möglich ist auch die Kombination von Schränkung
gegebenenfalls auch reduzierter Kolbenringan- und Desaxierung. Durch das Schränken wird der
zahl; optimierter Innengeometrie (Einzug der Bol- Bewegungsablauf so verändert, dass die Strecklagen
zenaugen, Verringerung des Augenabstandes) des Triebwerkes nicht mehr in der Zylinderachse
x belastungsoptimierte Kolbenbolzengeometrie (zum liegen, der Kolbenweg nicht mehr symmetrisch zum
Beispiel konische Innenbohrungen oder soge- unteren Totpunkt (UT) ist und die Kolbengeschwin-
nannte Formbolzen mit optimierter Außenkontur) digkeiten für Hin- und Rückhub unterschiedliche
6.1 Kurbeltrieb 51

Werte annehmen. Je nachdem, ob die Schränkung auf Desaxieren in Druckrichtung (Richtung, in die sich
der Druck- oder Gegendruckseite liegt, ergeben sich der Kolben im Expansionshub an die Zylinderlauf-
unterschiedliche Vorzeichen für die auf die Pleuel- bahn anlegt) bewirkt einen früheren Anlagewechsel des
länge bezogene Schränkung y, ausgedrückt als e. Kol- Kolbens, wenn die Normalkraft weniger stark auf den
benweg, -geschwindigkeit und -beschleunigung des Kolben wirkt. Dabei legt sich der Kolben infolge seiner
geschränkten Kurbeltriebs ergeben sich zu: Kippbewegung zuerst mit dem „weichen“ Unterteil
(Kolbenhemd) an den Zylinder an, was zusätzlich den
y Aufprall mildert. Man spricht deshalb von Geräusch-
e [3; 4]: (6.13)
l Desaxierung. Das optimale Maß für die Desaxierung
wird experimentell ermittelt. Bei Fahrzeugdieselmo-
ª 1 º
s r ˜ « cos M  ˜ 1  (O ˜ sin M  e)2 » (6.14) toren wendet man das thermische Desaxieren an – ein
¬ O ¼ Desaxieren zur Gegendruckseite. Dadurch hält sich der
Kolben (innerhalb des Kolbenspiels) mehr in der
ª cos M ˜ (O ˜ sin M  e) º
v r ˜ Z ˜ «sin M  » (6.15) Zylindermitte, was sich günstig auf die Dichtwirkung
«¬ 1  (O ˜ sin M  e)2 »¼ der Kolbenringe auswirkt und dem Ansatz von Öl-
kohle am Feuersteg entgegenwirkt (Bild 6-8).
ª O ˜ cos2 M ˜ (O ˜ sin M  e)
a r ˜ Z 2 ˜ «cos M  6.1.2 Kräfte am Kurbeltrieb
¬ [1  (O ˜ sin M  e)2 ]2 / 3
Die Kräfte im Kurbeltrieb eines Verbrennungsmotors
º
O ˜ cos2 M  sin M ˜ (O ˜ sin M  e) » rühren vom Gasdruck im Brennraum und von den

ª¬1  (O ˜ sin M  e)2 º¼ » Massenkräften her.
»¼ Der Anteil der Gas- und der Massenkräfte an den
ª Triebwerkskräften hängt ab von:
cos M ˜ (O ˜ sin M  e) º
 r ˜ Z 2 ˜ «sin M  » (6.16) x thermodynamischem Prozess: Ottomotor/Diesel-
«¬ 1  (O ˜ sin M  e)2 »¼ motor
x Auslegung des Motors: Saugmotor/ATL-Motor
Die Gründe für Schränkung und Desaxierung sind x Lastpunkt im Kennfeld, zum Beispiel
unterschiedlich. In der Frühzeit des Motorenbaus – hohe Gaskraft, niedrige Massenkräfte
schränkte man den Kurbeltrieb um Werte bis zu 1/10 – niedrige Gaskraft, hohe Massenkräfte.
des Hubes [3]. Damit sollte die Pleuelstange bei
Durchgang durch den OT möglichst in Zylinderachs- Infolge der ungleichförmigen Arbeits- und -bewe-
richtung gehalten werden, um im Bereich der Zün- gungsabläufe des Hubkolbenmotors ändern die Kräfte
dung die Normalkraft (Kolbenseitenkraft) und somit im Triebwerk während eines Arbeitsspieles ihre
Größe und Richtung.
Belastung und Verschleiß zu verringern. Heute wird
die Schränkung bei VR-Motoren (V-Motoren mit Am Triebwerk sind wirksam:
V-Winkeln zwischen 10 und 20°) mit Rücksicht auf x Gaskraft
den nötigen Freigang der sich gegenüberliegenden x oszillierende Massenkraft
Zylinder angewendet [4, 5]. x rotierende Massenkraft.

Einfluss der Kolbenbolzendesaxierung


auf den Anlagewechsel nach Zünd-OT

Bolzen zur GDS Bolzen nicht


desaxiert desaxiert

GDS DS GDS DS

Impuls groß Impuls klein


Buchse steif Buchse steif

Impuls klein Impuls groß


Buchse Buchse
nachgiebig nachgiebig

Kavitation gering Kavitation groß

Kurbelwellendrehrichtung
DS Druckseite
GDS Gegendruckseite Bild 6-8 Kolbenbolzen-
desaxierung
52 6 Triebwerk

Die Massenkraft durch die Schwenkbewegung des Der Gasdruck wird mit einer Prozessrechnung oder
Pleuels wird vereinfachend auf die oszillierenden durch Messung (Indizieren) ermittelt (Bild 6-10).
und rotierenden Massenanteile des Pleuels aufgeteilt Vereinfachend werden die oszillierenden Massenkräf-
(Kap. 6.1.4, Massenkräfte). Den folgenden Betrach- te zu einer Kraft Fosz zusammengefasst. Diese ist der
tungen liegen die Kräfte kurz nach Zünd-OT bei einer auf den Kolben lastenden Gaskraft in dieser Position
Kurbelwellenstellung von etwa 30° nach OT zu entgegengesetzt gerichtet. Gas- und Massenkräfte er-
Grunde (Bild 6-9). geben zusammen die Kolbenkraft FK.
FK FGas  FKolben osz  FPleuel osz
S 2
FGas FGas p(M ) ˜ AK AK ˜d
4
Fosz mosz ˜ r ˜ Z 2 ˜ (cos M  O ˜ cos 2M ) (6.17)
FKolben osz
mosz (mKolben osz  mPleuel osz )
FPleuel osz FK p(M ) ˜ AKolben  r ˜ Z 2 ˜ mosz ˜ (cos M  O ˜ cos 2M )
Da die Pleuelstange, abgesehen von den Totpunkten,
eine von der Zylinderachsrichtung abweichende Stel-
lung einnimmt, muss die Kolbenkraft FK entspre-
chend umgeleitet werden. Das hat die Stangenkraft
FPleuel rot FST und die normal, das heißt senkrecht zur Zylin-
derwand wirkende Normalkraft FN (andere Bezeich-
nung: Kolbenseitenkraft) zur Folge (Bild 6-11 und
Bild 6-12).
FK
FKurbelkrpfg. rot FST (6.18)
cos\
FN  FK ˜ tan \ (6.19)
FGegengew. Der Vorzeichenwechsel der Kolbenkraft und somit
auch der Normalkraft FN bedeutet, dass diese mehr-
fach während eines Arbeitsspiels ihre Richtung ändert
Bild 6-9 Am Triebwerk wirksame Kräfte
(Bild 6-13).
Der Kolben wird von der einen auf die andere Seite
Der sich durch die Verbrennung des Gemischs auf- der Zylinderlaufbahn gedrückt (sogenannte Kolben-
bauende Gasdruck hängt in Höhe und Verlauf von sekundärbewegung) – mit unerwünschten Folgen:
verschiedenen Einflüssen ab, zum Beispiel:
x Bei kaltem Motor macht sich das bei Leicht-
x thermodynamischem Prozess metallkolben durch ein lästiges Geräusch, das
x Verbrennungsverfahren Kolbenklappern, bemerkbar (reduzierbar durch
x Betriebspunkt im Kennfeld. sogenannte Regelkolben und/oder Desaxierung).

100 % Leistung
160

Viertakt-Dieselmotor
Gasdruck im Zylinder [bar]

120 Abgasturboaufladung
86 %
Leistungspunkte
entsprechend einer
80 Fahrwiderstandskurve
71 %

40
48 %
39 %

0
300 360 420 480 540
Bild 6-10 Gasdruckverläufe
Kurbelwellenstellung [°KW]
eines aufgeladenen Diesel-
motors mit Direkteinspritzung
6.1 Kurbeltrieb 53

x Nasse Zylinderbuchsen werden zu Schwingungen


angeregt, denen das Kühlmittel nicht mehr folgen FST
kann, so dass es zu Kavitation kommen kann.

Stangenkraft FST
x Die Stangenkraft FST greift in ihrer Wirkungs-
richtung am Hubzapfen an (Bild 6-14).

180 360 540 720


FN
Kurbelwinkel [°}

Bild 6-14 Verlauf der Stangenkraft eines schnelllau-


fenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel
FST

Der Hubzapfen dreht sich unter der Wirkung der


FK Stangenkraft auf dem Drehkreis des Kurbelradius
weg, wobei die tangentiale Komponente der Stangen-
kraft, die Tangentialkraft FT, mit dem Kurbelradius
das Drehmoment M ergibt (Bild 6-15 und Bild 6-16):
sin (M  \ )
FT FST ˜ sin (M  \ ) FK ˜ (6.20)
cos \

Bild 6-11 Aufteilung der Kolbenkraft

FK
Kolbenkraft FK

180 360 540 720


Kurbelwinkel [°}
FR FT

Bild 6-12 Verlauf der Kolbenkraft eines schnelllau-


FST
fenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel

Bild 6-15 Aufteilung der Stangenkraft

FN

FT
Tangentialkraft FT
Normalkraftverlauf FN

180 360 540 720

Kurbelwinkel [°} 180 360 540 720

Kurbelwinkel [°}

Bild 6-13 Verlauf der Normalkraft eines schnelllau- Bild 6-16 Verlauf der Tangentialkraft eines schnell-
fenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel laufenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel
54 6 Triebwerk

Die radiale Komponente, die Radialkraft FR, liefert Der Hubzapfen wird durch die Stangenkraft FST und
keinen Beitrag zum Motordrehmoment; sie belastet durch die rotierende Massenkraft des Pleuels FPL rot
lediglich die Kurbelkröpfung auf Biegung (Bild belastet. Geometrisch addiert, ergeben diese Kräfte
6-17); sie ist eine leistungslose oder Blindkraft. die Hubzapfenkraft FHZ.
cos (M  \ )
FR FST ˜ cos (M  \ ) FK ˜ (6.21) FHZ FST2  FPleuel
2
rot  2 ˜ FST ˜ FPleuel rot ˜ cos(M  \ ) (6.23)
cos \
Gemäß dem Gesetz von actio = reactio muss ein dem Als Reaktion der Hubzapfenkraft FHZ wirkt die Pleu-
Motornutzdrehmoment am Motorblock entgegenge- ellagerkraft FPL auf das Pleuellager (Bild 6-19).
setzt wirkendes Drehmoment auftreten, das Reak-
FPL FHZ (6.24)
tionsmoment MR. Dieses ergibt sich aus der Normal-
kraft FN und dem sich mit der Kolbenstellung än-
dernden Abstand b der Normalkraft von der Kurbel-
wellenachse.
M FT ˜ r MR FN ˜ b
b r ˜ cos M  l ˜ cos \ (6.22)

FR FPleuellager FPleuel rot


Radialkraft FR

180 360 540 720

Kurbelwinkel [°} FHZ

Bild 6-17 Verlauf der Radialkraft eines schnelllau-


FST
fenden Viertakt-Dieselmotors über ein Arbeitsspiel

Somit ergeben sich die Auflagerkräfte FA und FB aus Bild 6-19 Hubzapfenkraft
dem Reaktionsmoment und ihren jeweils wirksamen
Hebelarmen (Bild 6-18). Wenn sich Kräfte während eines Arbeitsspieles der
Größe und der Richtung nach ändern – wie zum
Beispiel die Pleuellagerkraft, stellt man diese Kräfte
MR in Polardiagrammen dar, indem man sie unter dem
jeweiligen Winkel ihrer Wirkungsrichtung in der
Reihenfolge des Kurbelwinkels aufträgt (Bild 6-20).
FN Hierbei ist zu beachten, dass Kurbelwinkel und Win-
kel der Kraftrichtung nicht identisch sind. Man muss
deshalb, will man den zeitlichen Verlauf der Kräfte
verfolgen, den Kurbelwinkel für die einzelnen Punkte
des Kraftverlaufs angeben. Oft ist es sinnvoll, die
b r
Kräfte auf verschiedene Koordinatensysteme zu
FB
beziehen (Bild 6-21).
x raum- (beziehungsweise gehäuse-)festes System
M FT (zum Beispiel Grundlagerkräfte)
FA x schalenfestes System (zum Beispiel Wirkung von
Kräften auf das Pleuellager)
x zapfenfestes System (zum Beispiel Wirkung der
a
Kräfte auf rotierende Zapfen).
Die Triebwerkskräfte werden über Grundlagerzapfen
Bild 6-18 Aktions-, Reaktionsmoment und Auflager- und Grundlager auf das Kurbelgehäuse übertragen.
kräfte Die rotierende Massenkraft der Kurbelkröpfung FKR rot,
6.1 Kurbeltrieb 55

Polardiagramm der Pleuellagerkraft


(schalenfest)
Viertakt-Dieselmotor


360°
15° 720°
10°
20° 5°
330° 30°
690° 300°
25° 0°

30° 20°
Der Kraftangriffs-
winkel ist nicht
35°
identisch mit
dem Kurbel-
40°
winkel 710°
300° 90°
660° 200°
420°
100° 540° 225°
500°
485°
80° 610°
260°
270° 455°
60°
630° 680° 450°
430° 290°
675°
415°

240°
600° 385° 335° 120°
380° 480°
Die Zahlen
an der Orts-
kurve der Pleuel- Bild 6-20 Polardiagramm
lagerkraft geben 150°
den dazugehörigen
210° 510° der Pleuellagerkraft eines
570° 180°
Kurbelwinkel an. schnelllaufenden Viertakt-
540°
Dieselmotors über ein
Arbeitsspiel

x x

y y
x

y x
y x
Schalenfestes Diagramm Zapfenfestes Diagramm
Bezug der Kräfte auf ein in der Bezug der Kräfte auf ein im Zapfen Bild 6-21 Schalen- und
Bohrung (Schale) ruhendes ruhendes Koordinatensystem
Koordinatensystem zapfenfeste Koordinaten-
systeme

die Hubzapfenkraft FHZ beziehungsweise deren Kom- Die rotierenden Massen der Kröpfung werden auf die
ponenten FT, FR sowie FPleuel rot , und die Kräfte der Hubzapfenachse bezogen.
Gegenmasse FGegenmass („Gegengewichte“) ergeben zu- mKröpfung mHubzapfen  2 ˜ mWange red (6.26)
sammen die Grundlagerkraft FGL (Bild 6-22).
rSchwerpunkt
FGL (FKW rot  FR  FPleuel rot  FGegenmasse )2  FT2 (6.25) mWange red mWange ˜ (6.27)
r
56 6 Triebwerk

Als Reaktion auf die Grundlagerkraft FGL tritt die


gleich große, aber entgegengesetzt wirkende Grund-
lagerzapfenkraft FGZ auf. Die Grundlagerkraft FGL
teilt sich auf die beiden der Kurbelkröpfung benach-
barten Grundlager auf.
Die Kurbelwelle ist, abgesehen von Einzylindermoto-
ren, mehr als zweifach gelagert; sie stellt ein statisch
unbestimmtes System dar. Angesichts der Schwan-
kung des Gasdruckes von Arbeitszyklus zu Arbeits-
zyklus, der Toleranzen der Massen, der Verformung
der Kurbelwelle, des Ölfilms und der Nachgiebigkeit
der Lagerung verzichtet man oft auf eine (scheinbar)
exakte Bestimmung der Auflagerkräfte und betrachtet
die Kurbelwelle als aus einzelnen Kröpfungen – ge-
lenkig miteinander verbunden – bestehend. Der Un-
terschied zwischen den Ergebnissen des statisch un-
bestimmten und des als statisch bestimmt angesehe-
nen Systems ist gering, und insbesondere für eine
grundlegende Auslegung vernachlässigbar. Die von Bild 6-23 Kraftfluss im Kurbelgehäuse
jeder Kröpfung wirkenden Teil-Auflagerkräfte wer-
den addiert und ergeben die Gesamtlagerkraft.
grundlager. Diese werden von den Grundlagerbrü-
cken (Grundlagerdeckel) und den Grundlagerschrau-
ben gehalten. Somit schließt sich der Kraftfluss,
wobei die Kurbelgehäusezwischenwand dynamisch
beansprucht wird (Bild 6-23).

6.1.3 Tangentialkraftverlauf
und mittlere Tangentialkraft
Mit den sich periodisch ändernden Gas- und Massen-
kräften schwankt auch die Tangentialkraft (Dreh-
kraft). Die mittlere Tangentialkraft errechnet sich aus
dem Integral des Tangentialkraftverlaufs über ein
Arbeitsspiel. Die von der Tangentialkraft und den
Diagrammachsen eingeschlossene Fläche ist ein Maß
für die (indizierte oder innere) Arbeit Wi. Bezieht
man diese Arbeit auf die Länge des Arbeitsspiels Mp,
FKR rot
erhält man die mittlere Tangentialkraft FTm. Diese
beträgt nur einen Bruchteil der maximalen Tangen-
FKR rot tialkraft (Bild 6-24).
Mp
1
˜ ³ FT (M ) ˜ dM
FHZ
FGegenmasse FTm (6.28)
Mp 0

FGL
Um den Tangentialkraftverlauf zu vergleichmäßigen
und die Leistung zu erhöhen, baut man Motoren, von
Bild 6-22 Grundlagerkraft Ausnahmen abgesehen, mehrzylindrig. Die Tangen-
tialkräfte (Drehkräfte) der einzelnen Zylinder addie-
ren sich phasenverschoben entsprechend den Zündab-
Die Gaskraft, die den Kolben nach unten drückt, ständen über die Kurbelwelle zur Gesamtdrehkraft an
versucht auch den Zylinderkopf abzuheben. Das wird der Kupplungsseite des Motors. Dadurch vergleich-
durch die Zylinderkopfschrauben verhindert, welche mäßigt sich die Tangentialkraft, so dass schon bei
den Zylinderkopf auf dem Zylinderkurbelgehäuse einem sechszylindrigen Reihentriebwerk die Tangen-
festhalten. Andererseits wirkt die Gaskraft über Kol- tialkraftschwankung auf einen Bruchteil der eines
ben, Pleuel und Kurbelwelle auf die Kurbelwellen- Einzylindertriebwerks gesunken ist (Bild 6-25).
6.1 Kurbeltrieb 57

Bild 6-24 Tangentialkraftverlauf


und mittlere Tangentialkraft
Tangentialkraft FT

mittlere
Tangentialkraft FTm

90 180 270 360 450 540 630 720

Kurbelwinkel °KW

25 25
Zylinder 1 Zylinder 1 + 2
Tangentialkraft FT in [kN]

Tangentialkraft FT in [kN]
20 20
15 15
10 10
5 5
0 0
–5 –5
–10 –10
0 180 360 540 720 0 180 360 540 720
Kurbelwinkel [°] Kurbelwinkel [°]

Zylinder 1 + 2 + 3 Zylinder 1 + 2 + 3 + 4
25
Tangentialkraft FT in [kN]

Tangentialkraft FT in [kN]

20 25
15 20
15
10
10
5 5
0 0
–5 –5
–10
–10
0 180 360 540 720 0 180 360 540 720
Kurbelwinkel [°] Kurbelwinkel [°]

25
Tangentialkraft FT in [kN]

Tangentialkraft FT in [kN]

25 Zylinder 1 + 2 + 3 + 4 + 5 Zylinder 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6
20
20
15 15
10 10
5 5
0 0
–5 –5
Bild 6-25 Überlagerung der
–10 –10
0 180 360 540 720 0 180 360 540 720 Tangentialkräfte eines
Kurbelwinkel [°] Kurbelwinkel [°] Viertakt-Sechszylinder-
Reihenmotors

Der ungleichförmige Drehkraftverlauf hat Schwan- Durch ein Schwungrad lässt sich die Drehzahl-
kungen der Drehzahl zur Folge, weil der Überschuss schwankung verringern. Das Schwungrad wirkt als
an Drehkraft FT(M) über den Mittelwert FTm das Energiespeicher, der bei Tangentialkraftüberschuss
Triebwerk beschleunigt, bei FT(M) < FTm wird es Energie speichert und im umgekehrten Fall wieder
verzögert. Die Schwankung der dem Triebwerk abgibt. Je nach Art der vom Motor anzutreibenden
zugeführten Energie wird als Arbeitsschwankung WS Maschine werden unterschiedliche Anforderungen an
bezeichnet. Mit dem Trägheitsmoment I des Trieb- den Gleichlauf gestellt. Die Drehzahlschwankung
werks folgt: wird durch den Ungleichförmigkeitsgrad G ange-
1 geben.
WS ˜ I ˜ (Zmax
2
 Zmin
2
)
2 Je ruhiger der Motor laufen soll, desto kleiner muss
der Ungleichförmigkeitsgrad G sein; insbesondere
1
˜ I ˜ (Zmax  Zmin ) ˜ (Zmax  Zmin ) (6.29) beim Hochfahren des Motors unter Last wirkt sich
2 der Ungleichförmigkeitsgrad unangenehm aus, indem
1 er die Hilfsaggregate des Motors zu Schwingungen
Zm 2 ˜ S ˜ n | ˜ (Z max  Z min ) (6.30)
2 anregt.
58 6 Triebwerk

Z max  Z min x zum einen sind sie unerwünscht, weil sie zusätz-
G (6.31)
Zm liche Beanspruchungen hervorrufen und die Leis-
tungsentwicklung der Hubkolbenmotoren beein-
WS | I ˜ G ˜ Zm2 (6.32) trächtigen
x zum anderen vergleichmäßigen sie die Kraftabga-
WS WS
G| bzw. I| (6.33) be des Triebwerks, indem sie Kräfte aus Gas-
I ˜ Zm2 G ˜ Zm2 druckspitzen kompensieren und somit Kräfte und
Beanspruchungen verringern.
Die mittlere Tangentialkraft lässt sich auch aus der
inneren Leistung des Motors bestimmen: Das Triebwerk führt teils rotierende, teils oszillieren-
de sowie Schwenkbewegungen aus. Zur Vereinfa-
Pi AK ˜ s ˜ z ˜ wi ˜ n ˜ i (6.34) chung der Berechnung reduziert man das Triebwerk
auf zwei Massenpunkte (Bild 6-26), in denen man
Pi Mi ˜ Z Z 2˜S˜n (6.35)
sich die oszillierenden und rotierenden Massen kon-
s zentriert denkt:
Mi FTm ˜ r r (6.36)
2 x auf den Anlenkpunkt des Pleuels am Kolben (Kol-
benbolzenachse) und
AK ˜ z ˜ wi ˜ ii x auf den Anlenkpunkt des Pleuels an der Kurbel-
FTm (6.37)
S welle (Hubzapfenachse).
1
wi we ˜ (6.38)
Km oszillierende
Massen von
Pe FTm ˜ r ˜ 2 ˜ S˜ n ˜Km (6.39) Kolben und Pleuel
mosz

AK = Kolbenfläche
r = Kurbelradius
s = Hub
z = Zylinderzahl l
f j
Pe = effektive Leistung
wi = indizierte spezifische Arbeit
we = effektive spezifische Arbeit
i = Taktzahl
Km = mechanischer Wirkungsgrad f
mrot

Die Kurbelwelle wird beansprucht durch:


r
x das Nutz- oder Arbeitsdrehmoment aus der mitt-
rotierende
leren Tangentialkraft, das sich von Kröpfung zu Massen von
Kröpfung aufaddiert Pleuel und
Kurbelwelle
x das pulsierende Drehmoment, wie es sich durch
den stark schwankenden Verlauf der Tangential-
Bild 6-26 Reduktion des Kurbeltriebs auf zwei Mas-
kraft ergibt. Die Drehkräfte der einzelnen Zylinder
senpunkte
addieren sich entsprechend ihrer Phasenverschie-
bung (Zündabstand); zur Kupplungsseite hin ver-
gleichmäßigt sich zwar das pulsierende Drehmo- Das Pleuel führt auch eine Schwenkbewegung durch,
ment, maßgeblich für die Kurbelwellen-Beanspru- die gleichfalls Massenkräfte zur Folge hat. Vereinfa-
chung ist aber die Schwankungsbreite an den ein- chend, aber mit ausreichender Genauigkeit, kann die
zelnen Kröpfungen im Schwerpunkt schwenkende Masse auf die beiden
x die Drehschwingungen, welche zu zusätzlichen Anlenkpunkte bezogen werden. Dazu wird die Masse
Drehmomenten in der Kurbelwelle führen. Diese des Pleuels umgekehrt proportional zu den jeweiligen
Schwingungsmomente können ein Mehrfaches der Schwerpunktabständen (a, b) in einen oszillierenden
anderen Momente betragen. und in einen rotierenden Teil aufgeteilt, so dass der
Schwerpunkt des Pleuels erhalten bleibt. Bei Pleuel-
stangen für Kfz-Motoren entspricht das in etwa einem
6.1.4 Massenkräfte Verhältnis von 1/3 (oszillierende Masse) zu 2/3 (ro-
An Hubkolbenmotoren treten Massenwirkungen auf, tierende Masse).
die von den Bewegungen der Triebwerksteile her- a
rühren. Massenkräfte haben ambivalenten Charakter: mPleuel osz ˜ mPleuel (6.40)
l
6.1 Kurbeltrieb 59

b
mPleuel rot ˜ mPleuel (6.41) Fosz mosz ˜ Z 2 ˜ r ˜ cos M
l
 mosz ˜ Z 2 ˜ r ˜ O ˜ cos 2M (6.44)
Diese Massenkräfte und die von ihnen hervorgerufe-
nen Massenmomente wirken sich nach außen als freie x Massenkraft 1. Ordnung: Unter einer Ordnung
Kräfte und freie Momente aus, die das Kurbelgehäuse versteht man in diesem Zusammenhang „die Häu-
in waagerechter und senkrechter Richtung hin und figkeit, mit der ein Ereignis im Verhältnis zur
her zu bewegen versuchen; außerdem führen sie zu Kurbelwellendrehzahl auftritt“. Die Massenkraft
Kippbewegungen um die Motorachsen. Diese freien 1. Ordnung ändert ihre Größe mit Kurbelwellen-
Kräfte und Momente können mehr oder weniger – frequenz – daher „1. Ordnung“ – und während ei-
mit entsprechendem Aufwand sogar vollständig – ner Umdrehung zweimal die Richtung.
durch Gegenmassen (Gegengewichte), durch Aus-
gleichwellen beziehungsweise -getriebe oder/und FI osz mosz ˜ Z 2 ˜ r ˜ cos M (6.45)
durch entsprechende Zahl und Anordnung von Kröp- x Massenkraft 2. Ordnung: Ihr Größtwert beträgt nur
fungen ausgeglichen werden, so dass der Motor nach den O-fachen Teil der oszillierenden Massenkraft
außen hin in Ruhe verharrt. 1. Ordnung; sie ändert mit doppelter Kurbelwel-
lenfrequenz ihre Größe und während einer Um-
6.1.4.1 Massenkräfte am Einzylinder-Triebwerk drehung viermal die Richtung.
Am Triebwerk treten eine rotierende Massenkraft auf FIIosz mosz ˜ Z 2 ˜ r ˜ O ˜ cos 2M (6.46)
und oszillierende Massenkräfte 1. und höherer Ord-
nungen. Insbesondere bei üblichen Nenndrehzahlen Die Kurvenverläufe der oszillierenden Massenkräfte
berücksichtigt man die oszillierenden Massenkräfte 1. und 2. Ordnung addieren sich zur resultierenden
nur bis einschließlich der 2. Ordnung. oszillierenden Massenkraft (Bild 6-27).
Diese Gesamtmassenkraft für einen Zylinder ergibt
x Rotierende Massenkraft sich aus der vektoriellen Addition der rotierenden, der
Die rotierende Massenkraft ist eine Fliehkraft; ihr oszillierenden Massenkräfte 1. und 2. Ordnung, gege-
Betrag ist – bei konstanter Motordrehzahl – von benenfalls noch der Kräfte höherer Ordnung (Bild
gleich bleibender Größe, aber sich mit dem Kur- 6-28).
belwinkel ändernder Richtung. Die rotierende
Massenkraft läuft mit Kurbelwellenfrequenz um. 6.1.4.2 Massenkräfte am Zweizylinder-V-Triebwerk
Ihre Ortskurve ist ein Kreis.
Wirken zwei unter einem Winkel G (Bild 6-29) zu-
Frot mrot ˜ Z 2 ˜ r (6.42) einander geneigte Zylinder gemeinsam auf eine
Kurbelkröpfung (V-Motor), dann addieren sich die
x Oszillierende Massenkräfte Massenkräfte beider Zylinder vektoriell.
Die oszillierenden Massenkräfte wirken in Zylin- Die Ortskurve der rotierenden Massenkräfte beider
derachsrichtung, wobei sie im Laufe des Kolben- Zylinder ist ein Kreis, die Ortskurven der oszillieren-
hubs Größe und Vorzeichen (Richtung) ändern: den Massenkräfte können – abhängig vom V-Win-
Fosz mosz ˜ Z 2 ˜ r ˜ (cos M  O ˜ cos 2M ) (6.43) kel G und der Ordnung der betrachteten Kraft – Krei-
se, Ellipsen und Geraden bilden (Bild 6-30).

resultierende
oszillierende Massenkraft

oszillierende oszillierende
Massenkraft Massenkraft
1. Ordnung 2. Ordnung

90 270
Kraft

0 180 360
Kurbelwinkel [°]

Bild 6-27 Resultierende


oszillierende Massenkraft
am Einzylinder-Triebwerk
60 6 Triebwerk

oszillierende V-Winkel d
Massenkraft
2. Ordnung A B
oszillierende
Massenkraft
1. Ordnung

rotierende
Massenkraft

f fB

fA

Bild 6-29 Bezeichnung der Kurbelwinkel am V-Trieb-


werk

Bild 6-28 Ortskurve der resultierenden Massenkraft


am Einzylinder-Triebwerk
V-Winkel d

x Rotierende Massenkraft A B
Die resultierende rotierende Massenkraft ist wie
beim Einzylinder-Triebwerk ein mit Kurbelwel-
lendrehzahl umlaufender Vektor konstanter Grö-
ße. Die rotierende Masse setzt sich aus den rotie- 2.0
renden Massen der beiden Pleuel und der rotie-
1.0
renden Masse der Kurbelkröpfung zusammen; ih-
re Ortskurve ist ein Kreis. 0 0°
30°
FV2 rot mV2 ˜ Z ˜ r
2
(6.47) 1. Ordnung
45°
80°
mV 2 2 ˜ mpleuel rot  ( mKW rot  mGegenmasse ) (6.48) 90°
120°
x Oszillierende Massenkraft 1. Ordnung V-Winkel d 135°
150°
Die resultierende oszillierende Massenkraft 1. Ord-
180°
nung ergibt sich durch vektorielle Addition der 1.0
Massenkräfte der beiden Zylinder A und B. Zählt
man den Kurbelwinkel M der Kurbelkröpfung von 0.5
der Halbierenden des V-Winkels aus, dann ist (bei 2. Ordnung
0
Rechtsdrehung) der Kurbelwinkel des Zylinders A:
MA = M + (G /2) und der des Zylinders B: MB = M –
(G /2). Zwischen den oszillierenden Massenkräf- Bild 6-30 Ortskurven der freien Massenkräfte von
ten der Zylinder A und B besteht ein Laufzeitun- V-Triebwerken abhängig vom V-Winkel
terschied von der Größe des V-Winkels G.
§ G· Grafisch lässt sich die Resultierende so bestimmen,
FIosz A FI ˜ cos ¨ M  ¸ (6.49)
© 2¹ dass man die Kurbelwellen-Kröpfung in ihrer jewei-
ligen Lage durch einen Zeiger der Größe FI darstellt.
§ G·
FI osz B FI ˜ cos ¨ M  ¸ (6.50) Diesen Zeiger projiziert man auf die Zylinderach-
© 2¹ sen A und B. Die so ermittelten Momentanwerte der
FI mosz ˜ r ˜ Z 2 (6.51) Massenkräfte der beiden Zylinder werden vektoriell
addiert und ergeben den resultierenden Massenkraft-
G
FI osz res 2 ˜ FI ˜ cos G ˜ cos2 M  sin 4 (6.52) vektor 1. Ordnung (Fosz 1 res) (Bild 6-31).
2
6.1 Kurbeltrieb 61

A B
V-Winkel d

f
fA fB
d = 60°
360°/0°

rB
Zy

de
330° 30°
lin

lin
de

Zy
rA

mosz · r · v 2 · cosfB
300° 60°
F1res

fA
f
fB

270° 90°

mosz · r · v 2 · cosfA

240° 120°

mosz · r · v 2

210° 150° Bild 6-31 Ortskurve der


oszillierenden Massenkraft
180° 1. Ordnung eines 2-V-60°-
Triebwerks

x Oszillierende Massenkraft 2. Ordnung Grafisch lässt sich die Resultierende ermitteln, indem
Die resultierende oszillierende Massenkraft man die Momentanwerte der oszillierenden Massen-
2. Ordnung setzt sich ebenfalls aus den Massen- kräfte 2. Ordnung für die Zylinder A und B bestimmt
kräften von Zylinder A und B zusammen. Da sich und vektoriell addiert. Den Momentanwert für den
die oszillierende Massenkraft 2. Ordnung mit Zylinder A bekommt man, indem man von der Zylin-
doppelter Kurbelwellenfrequenz ändert, ergeben derachse A den Massenkraftzeiger FII unter dem
sich für die Zeigerdrehwinkel die doppelten Werte Winkel MA = 2M + G aufträgt und auf die Zylinderach-
der 1. Ordnung. Der Betrag hat den O-fachen Teil se A projiziert. Den Momentanwert für den Zylin-
der Massenkraft 1. Ordnung. der B erhält man durch Auftragen des Zeigers FII
unter dem Winkel MB = 2M – G, nun aber von der
M A 2 ˜M  G (6.53)
Zylinderachse B gezählt, und Projizieren auf die
M B 2 ˜M  G (6.54) Achse des Zylinders B.

FIIosz A FII ˜ cos (2M  G ) (6.55)


6.1.4.3Massenkräfte und Massenmomente
FII osz B FII ˜ cos (2M  G ) (6.56) bei Mehrzylinder-Triebwerken

FII O ˜ mosz ˜ Z 2 ˜ r (6.57) Die Massenkräfte an den einzelnen Kröpfungen ha-


ben entsprechend ihren Abständen vom Bezugspunkt
FII osz res 2 ˜ FII Momente – Massenmomente – zur Folge. Kräfte und
Momente sind vektorielle Größen, so dass die Kraft-
u cos 2M ˜ (cos 2G  cos G )  sin 2 G ˜ (1  cos G )
2
und Momentenvektoren der einzelnen Kröpfungen zu
(6.58) resultierenden Kräften und Momenten aufaddiert
62 6 Triebwerk

werden können. V-Motoren stellen triebwerksmecha- heißt senkrecht zu seiner Kröpfung, steht, eilt der
nisch zwei um den V-Winkel zueinander geneigte Momentenstern dem Kurbelstern um 90° nach.
Reihentriebwerke dar. Man kann die Massenwirkung Man kann deshalb die Momentenvektoren in
jeweils einer Motorreihe bestimmen und sie dann mit Kröpfungsrichtung zeichnen und den Vektor des
der anderen – um den V-Winkel phasenverschoben – resultierenden Momentes um 90° entgegen dem
addieren, oder aber die Resultierenden der im V Uhrzeigersinn zurückstellen. Bei V-Motoren fasst
gegenüberliegenden Triebwerke wie beim Reihen- man die Massenkräfte der beiden auf eine Kröp-
triebwerk zusammensetzen. Die Massenwirkungen fung wirkenden Zylinder zusammen und bestimmt
sind durch die Lage der jeweiligen Kröpfungen mit diesen das Massenmoment.
bestimmt (Bild 6-32). x Rotierende Massenmomente. Die Massenmo-
mente ergeben sich aus der rotierenden Massen-
kraft und dem jeweiligen Abstand von der Be-
2a zugsebene. Sie werden entsprechend dem Kröp-
2a fungsstern geometrisch addiert.
a
a x Oszillierende Massenmomente.
5 – Oszillierende Massenmomente 1. Ordnung
4
1 Die Vektoren der oszillierenden Massenmo-
3 mente 1. Ordnung werden in Richtung des
1 2
1 3
72°
2 Kröpfungssterns 1. Ordnung aufgetragen. Nach
288° 144° der Vektoraddition wird der sich ergebende
5 4 216° Momentenvektor auf die Zylinderachse proji-
72°
Kröpfungsstern 288° 144° 5 4 ziert, weil die oszillierenden Kräfte nur in Zy-
1. Ordnung 216° linderachsrichtung wirken. Diese Projektion
Kröpfungsstern wird um 90° entgegen dem Uhrzeigersinn ver-
2 3 2. Ordnung
dreht; das ist dann das resultierende oszillie-
rende Massenmoment 1. Ordnung.
Bild 6-32 Schema Kröpfungssterne eines 5-Zylinder- – Oszillierende Massenmomente 2. Ordnung
Reihenmotors (Zündfolge 12453) Mit den oszillierenden Massenmomenten
2. Ordnung wird genauso verfahren, lediglich
x Massenkräfte. Die rotierenden Kräfte wirken in dass nun der Kröpfungsstern 2. Ordnung zu
Kröpfungsrichtung, die oszillierenden werden Grunde gelegt wird.
durch gegensinnig umlaufende Zeiger dargestellt,
so dass durch die Projektion der Kurbelkröpfun- 6.1.4.4 Beispiel (Fünfzylinder-Reihenmotor)
gen die Richtungen der Massenkraftvektoren vor- Zur Verdeutlichung dieser Zusammenhänge wird die
gegeben sind. Bei dem so entstandenen Kröp- Kurbelwelle eines Fünfzylinder-Reihenmotors gra-
fungs- oder Kurbelstern wählt man als Bezug oft fisch und analytisch untersucht. Es wird ein soge-
die erste Kröpfung (je nach Festlegung von der nannter homogener Motor vorausgesetzt:
Kraftabgabeseite oder Gegenkraftabgabeseite ge-
zählt) in OT-Stellung. Die Lage der folgenden x gleiche Massen der Triebwerksteile aller Kröp-
Kröpfungen ist durch den jeweiligen Kröpfungs- fungen
abstand (Kröpfungswinkel) festgelegt. x gleiche Zylinderabstände a
Bei der oszillierenden Massenkraft 2. Ordnung In diesem Beispiel wird als Bezugspunkt der Motor-
bedient man sich des Kröpfungssterns 2. Ordnung, schwerpunkt gewählt, der in der Mitte des Motors in
den man erhält, indem man die Kröpfungen je- Kurbelwellenachse liegt.
weils unter dem doppelten Kröpfungswinkel an-
ordnet. Rotierendes Massenmoment
x Massenmomente. Der Momentenvektor steht Die Kröpfungsabstände im Kröpfungsstern 1. Ord-
senkrecht auf seiner Wirkungsebene. Das Vorzei- nung betragen
chen hängt von der Lage der betrachteten Kröp- D1 = 0 D2 = 216°
fung bezüglich des gewählten Bezugspunktes ab; D3 = 144° (entfällt, weil die Kröpfung im Schwer-
es muss deshalb entsprechend berücksichtigt wer- punkt liegt)
den. In der Ansicht des Momentensterns zeigen
die Vektoren der Momente, die von Kräften links D4 = 72° D5 = 288°
des Bezugspunktes herrühren, vom Kurbelwellen- Unter Berücksichtigung der Vorzeichen (Vorzeichen-
Mittelpunkt weg, bei Momenten rechts des Be- umkehr entspricht +180°) der Momente der einzelnen
zugspunktes zum Mittelpunkt hin. Weil der Mo- Kröpfungen ergeben sich die Wirkrichtungen der
mentenvektor senkrecht auf seiner Wirkebene, das Momente (Bild 6-33):
6.1 Kurbeltrieb 63

Kröpfungsstern 1. Ordnung Kröpfungsstern 1. Ordnung

1 MZyl 1 MZyl 1
1

MZyl 1 MZyl 1
5 MZyl 5 4 5 MZyl 5 4
MZyl 4
MZyl 4 108° MZyl 4 108°
MZyl 2 MZyl 4
MZyl 2
MZyl 2 MZyl 2
252° MZyl 5 252° MZyl 5
216° 216°

2 3 2 3

MZyl 2 MZyl 2
MZyl 1
MZyl 1
MZyl 4 MZyl 4

MZyl 5
MZyl 5 d
d 1
1 Vektoren M*osz 1 res 5 4
Mrot res vergrößert Mosz 1 max
Mres 5 4
dargestellt Mosz 1 res 2 3
4 2 3 4 5
5 3
3 2
2
1
1

Bild 6-33 Ermittlung des resultierenden rotierenden Bild 6-34 Ermittlung des resultierenden oszillieren-
Massenmomentes den Massenmomentes 1. Ordnung

M1 = 0 M2 = 216° Oszillierendes Massenmoment 2. Ordnung


M3 entfällt M4 = 72° (+ 180°) = 252° Die Kröpfungsabstände im Kröpfungsstern 2. Ord-
nung betragen
M5 = 288° (+ 180°) 468° bzw. 108°
D1 = 0 D2 = 72°
Frot mrot ˜ r ˜ Z 2
D3 = 288° entfällt D4 = 144°
¦M X a ˜ Frot ˜ (2 ˜ sin 0q  sin 216q
D5 = 216° 
 sin 252q  2 ˜ sin 108q) Wiederum unter Berücksichtigung der Vorzeichen
¦M X a ˜ Frot ˜ 0,363 der Momente der einzelnen Kröpfungen ergeben sich
die Wirkrichtungen (Bild 6-35).
¦M Y a ˜ Frot ˜ (2 ˜ cos 0q  cos 216q M1 = 0 M2 = 216
 cos 252q  2 ˜ cos 108q) M3 entfällt M4 = 144° (+180) = 324°
¦ MY a ˜ Frot ˜ 0,264 M5 = 216° (+180) = 396° bzw. 36°

Mrot res a ˜ Frot ˜ 0,3632  0,2642 a ˜ Frot ˜ 0,4488 F2 O ˜ mosz ˜ r ˜ Z 2

tan G
0,363
1,375 G 54q
¦M X a ˜ F2 ˜ (2 ˜ sin 0q  sin 72q
0,264  sin 324q  2 ˜ sin 36q)
Oszillierendes Massenmoment 1. Ordnung ¦M Y a ˜ F2 ˜ (2 ˜ cos 0q  cos 72q
Die Wirkrichtungen der Vektoren sind dieselben wie
 cos 324q  2 ˜ cos 36q)
bei den rotierenden Massenmomenten (Bild 6-34)
und somit auch der Rechenweg:
¦M X a ˜ F2 ˜ 1,539
F1 mosz ˜ r ˜ Z 2
¦M Y a ˜ F2 ˜ 4,736
Mosz 1 max a ˜ F1 ˜ 0,3632  0,2642 a ˜ F1 ˜ 0,4488
Mosz 2 max a ˜ F2 ˜ 1,5392  4,7362 a ˜ Frot ˜ 4,98
0,363
tan G 1,375 G 54q 1,539
0,264 tan G 0,325 G 18q
4,736
64 6 Triebwerk

Oszillierende Massenkräfte lassen sich ebenfalls


Kröpfungsstern 2. Ordnung durch umlaufende Gegenmassen ausgleichen, denn
1 MZyl 1 deren Kraftvektor setzt sich aus Komponenten in
MZyl 5 Zylinderachsrichtung (Y-Richtung) und quer dazu
MZyl 1
(X-Richtung) zusammen. Wählt man nun die Aus-
3 MZyl 2 324° gleichsmasse so, dass die Komponente in Zylinder-
2 38° 72°

MZyl 4
achsrichtung der oszillierenden Massenkraft ent-
MZyl 2
MZyl 5 MZyl 4 spricht; dann ist diese zwar ausgeglichen – allerdings
um den Preis einer freien Komponente quer zur
Zylinderachse (Bild 6-36).
5 4

1 d
F1 osz = mosz · r · v 2 · cosf

ax
5 4

m
4
sz 2
l5

3
M*osz 1 res

Zy

2
5
M

Mo

3
MZ

1 2
yl
4

2
M Zyl
MZyl 1

Mosz 2 res

Bild 6-35 Ermittlung des resultierenden, oszillieren-


den Massenmomentes 2. Ordnung x = mosz · r · v 2 · sinf

6.1.5 Massenausgleich
Unter Massenausgleich versteht man den Ausgleich
konstruktiv bedingter Unwuchten; den Ausgleich ferti-
gungsbedingter Unwuchten bezeichnet man als Aus- y = mosz · r · v 2 · cosf
FAusgleich = mosz · r · v 2
wuchten.

6.1.5.1 Ausgleich am Einzylinder-Triebwerk Bild 6-36 Ausgleich oszillierender Kräfte mittels


Die rotierende Massenkraft lässt sich durch Gegen- umlaufender Massen
masse(n) ausgleichen, wobei die Bedingung erfüllt
sein muss, dass sich das statische Moment (Produkt FAusgleich mAusgleich ˜ r ˜ Z 2 (6.62)
aus Masse und Abstand von der Drehachse) der rotie-
renden Massen und der Ausgleichsmasse(n) ent- XAusgleich mAusgleich ˜ r ˜ Z 2 ˜ sin M (6.63)
sprechen.
YAusgleich mAusgleich ˜ r ˜ Z ˜ cos M
2
(6.64)
FAusgleich Frot (6.59)
Bessere Verhältnisse ergeben sich, wenn man die
mAusgleich ˜ rAusgleich mrot ˜ r oszillierende Massenkraft 1. Ordnung nicht vollstän-
r (6.60) dig ausgleicht. Da das Kurbelgehäuse in Hochrich-
mAusgleich mrot ˜ tung (Y-Richtung) steifer ist als in Querrichtung
rAusgleich
(X-Richtung), verzichtet man auf einen vollständigen
Bei Aufteilung der Ausgleichsmasse auf zwei Gegen- Ausgleich der oszillierenden Massenkraft 1. Ord-
gewichte gilt: nung, um die freie X-Komponente nicht zu groß
1 r werden zu lassen, und gleicht sie meist nur zu 50 %
mAusgleich ˜ mrot ˜ (6.61) aus. Die Massenkraft 2. Ordnung lässt sich aufgrund
2 rAusgleich
ihrer doppelten Frequenz nicht mittels einer mit
Um die Ausgleichsmassen klein zu halten, muss man Kurbelwellendrehzahl umlaufenden Masse ausglei-
sie in möglichst großem Abstand von der Drehachse chen.
(Kurbelwellenachse) anbringen; dem sind jedoch Den vollständigen Ausgleich der rotierenden Mas-
durch bauliche Gegebenheiten enge Grenzen gesetzt. senkraft Frot und den 50-% igen Ausgleich der oszil-
Grundsätzlich soll der Massenausgleich möglichst ein lierenden Massenkraft 1. Ordnung bezeichnet man als
großes statisches Moment und ein kleines Trägheits- Normalausgleich – er wurde schon im 19. Jahrhun-
moment haben. dert bei den Triebwerken von Dampflokomotiven
6.1 Kurbeltrieb 65

angewendet. Der Massenausgleich ausgeführter Pkw- Motoren haben 3-, 4-, 5- und 6-(8-)hübige Kurbel-
Motoren liegt im Bereich von 50 bis 60 % der oszil- wellen, so dass sich bei entsprechender Anordnung
lierenden und 80 bis 100 % der rotierenden Massen- die Massenwirkungen der einzelnen Kröpfungen
kräfte. gegenseitig ganz oder teilweise aufheben können
(Selbstausgleich). Zu diesem Zweck sind die Kröp-
mAusgleich ˜ rAusgleich D1 ˜ mrot  D 2 ˜ mosz ˜ r (6.65)
fungen in Umfangsrichtung und in Längsrichtung
r gleichmäßig zu verteilen:
mNormalausgleich 1˜ mrot  0,5 ˜ mosz ˜ (6.66)
rAusgleich x Bei zentralsymmetrischen Wellen (gleiche Kröp-
Vollständig ausgleichen lassen sich die oszillierenden fungsabstände über den Umfang) gleichen sich die
Massenkräfte 1. und auch 2. Ordnung, wenn man je freien Kräfte gegenseitig aus.
Ordnung zwei gegensinnig umlaufende Ausgleichs- x Zentral- und längssymmetrische Anordnung der
massen der halben Größe der jeweils wirkenden Kröpfungen einer Viertaktmotoren-Welle haben
oszillierenden Massen in symmetrischer Anordnung keine freien Kräfte und Momente 1. Ordnung; ab
zur Motorhochachse vorsieht. Dann gleichen die sechs Hüben sind die Wellen völlig kräfte- und
beiden Komponenten in Zylinderachsrichtung die momentenfrei.
oszillierende Massenkraft aus; die beiden Kompo- Kriterien für die Kröpfungsfolge sind:
nenten quer zur Zylinderachse heben sich gegenseitig
auf (Bild 6-37). x Keine oder möglichst geringe freie Massenwir-
kungen.
x Es dürfen durch den Massenausgleich keine zu-
sätzlichen Momente, durch den Momentenaus-
gleich keine zusätzlichen Massenkräfte auftreten.
F1 osz = mosz · r · v 2 · cosf
x Gleichmäßige Zündabstände.
Freie Massenmomente 1. Ordnung lassen sich durch
eine mit Kurbelwellendrehzahl gegensinnig umlau-
fende Welle mit zwei Gegenmassen von entsprechen-
der Größe und Längenabstand ausgleichen (Momen-
tenausgleichsgetriebe). Die Anordnung im Motor ist
frei wählbar. Der Antrieb erfolgt durch Zahnräder
oder Ketten; oft verbindet man damit den Ölpumpen-
antrieb. Für den Ausgleich von Momenten 2. Ord-
nung läuft das Ausgleichsgetriebe mit doppelter
Kurbelwellendrehzahl (Bild 6-38).
0,5 · mosz 0,5 · mosz Für die Kurbelwellen von Viertaktmotoren gilt:
· r · v 2 · sinf · r · v 2 · sinf
x 2-hübige Welle: Für 2-Zylinder-4-Takt-Reihen-
motoren lassen sich alle drei zuvor genannten Kri-
0,5 · mosz 0,5 · mosz terien gleichzeitig nur mit konstruktiv aufwändi-
·r·v2 ·r·v2
gen Ausgleichsmechaniken erfüllen. Bei Wellen
0,5 · mosz 0,5 · mosz
· r · v 2 · cosf · r · v 2 · cosf
mit um 180° versetzten Kröpfungen treten keine
Massenkräfte 1. Ordnung sowie keine Momente
2. Ordnung auf; es lassen sich aber nur im 2-Takt-
Bild 6-37 Vollständiger Ausgleich der Massenkräfte Verfahren gleiche Zündabstände erzielen. Gleiche
1. Ordnung Zündabstände im 4-Takt-Verfahren – auch als
Voraussetzung für ausgewogene Ladungswech-
Um einen Ausgleich 2. Ordnung zu erhalten, müssen sel – sind nur durch Kurbelwellen ohne Hubzap-
die Gegenmassen mit doppelter Kurbelwellendreh- fenversatz (Kröpfungen um 0° beziehungsweise
zahl umlaufen und um das Pleuelverhältnis O kleiner 360° versetzt) zu realisieren, die gleichzeitig die
sein. Momente 1. und 2. Ordnung eliminieren. Aller-
dings führt dieser Wellenaufbau zu Kräften
1. Ordnung. Eine neuartige Ausgleichsvorrichtung
6.1.5.2 Ausgleich am Mehrzylinder-Triebwerk
arbeitet mit einem Ausgleichspleuel und daran an-
Fahrzeugmotoren werden mehrzylindrig, das heißt mit gelegter Ausgleichsschwinge (Bild 6-39) [6]. Das
3 bis 12 (16) Zylindern gebaut, meist als 3-, 4-, 5- und Schwingensystem ist in Kurbelwellenmitte ange-
6-Zylinder-Reihen- und als V6-, V8- und V12 (V16)- ordnet, um die Entstehung neuer Momente zu
Motoren sowie als VR5- und VR6-Motoren. Diese vermeiden.
66 6 Triebwerk

Ölpumpenantrieb

Bild 6-38 Momentenausgleichsgetriebe Audi V6 Bild 6-39 Kurbeltrieb eines BMW 2-Zylinder-Rei-
henmotors mit Ausgleichsmechanik [6]

Je nach Auslegung können so die Kräfte 1. Ord- Wegen der hohen Umfangsgeschwindigkeiten der
nung vollständig, die Kräfte 2. Ordnung zu hohen Lagerzapfen dieser Ausgleichsgetriebe – immerhin
Anteilen ausgeglichen werden. bis 14 m/s – müssen Lagerung und Antrieb sorgsam
x 3-hübige Welle: Es treten freie Momente 1. und gestaltet werden. Angetrieben werden die Aus-
2. Ordnung auf. Die Momente 1. Ordnung wer- gleichswellen von einem Zahnrad auf der Kurbel-
den – vor allem bei V-Motoren – durch Momen- wange, wobei das Zahnflankenspiel des Antriebs
tenausgleichsgetriebe kompensiert. auf die Verlagerungen und Drehschwingungen der
Kurbelwelle abgestimmt sein muss (Bild 6-40).
x 4-hübige Welle: Bei Vierzylinder-Viertakt-Rei- Durch Höhenversatz der Ausgleichswellen (Bild
henmotoren summieren sich die Massenkräfte 6-41) lässt sich ein zusätzliches Wechselmoment
2. Ordnung. Der Ausgleich dieser Kräfte durch 2. Ordnung erzeugen, mit dem man auch Gas-
zwei mit doppelter Kurbelwellendrehzahl gegen- kraftanteile des Wechseldrehmomentes ausglei-
sinnig umlaufender Wellen mit Gegenmassen chen kann. Die Wirkung des Höhenversatzes muss
(Ausgleichsgetriebe) gewinnt für Motoren mit daher sowohl drehzahl- als auch lastabhängig op-
Nenndrehzahlen > 4.000 min–1 aufgrund steigen- timiert werden (Bild 6-42), zum Beispiel durch
der Komfortansprüche zunehmend an Bedeutung. Variation des Höhenversatzes.

Einstellung des
Zahnflanken-
spiels über
Scheibendicke s

Distanzplatten

Bild 6-40 Ausgleichs-


Zahnradantrieb des Massenaus-
gleich-Getriebes (BMW 318i)
getriebe für Massenkräfte
2. Ordnung
6.1 Kurbeltrieb 67

den teils mit, teils ohne gesonderten Momenten-


ausgleich gebaut.
x 6-hübige Welle: Zentral- und längssymmetrische
Wellen ab sechs Hüben sind in sich ausgeglichen,
sie haben keine freien Massenwirkungen.
Übergeordnete Gesichtspunkte für die Auslegung des
Massenausgleichs sind:
x konstruktiver Aufwand (Ausgleichsgetriebe)
x Betriebsverhalten bei hohen Drehzahlen (2. Ord-
nung): Lagerung, Schmierung etc.
x Entlastung der Triebwerkslager
x Ausgleich der Gaskraft
x Drehschwingungsverhalten
x Massenträgheit
x Reibungsverhalten.
Die freien Kräfte und Momente der verschiedenen
Zylinderkonfigurationen findet man in der einschlä-
gigen Literatur tabellarisch zusammengestellt.
Bild 6-41 Massenausgleich 2. Ordnung mit Höhen-
Nicht nur am Kurbeltrieb, sondern auch am Ventil-
versatz der Ausgleichswellen [7]
trieb, das heißt an Nockenwellen, wird ein Massen-
ausgleich vorgenommen:
x 5-hübige Welle: Es treten große freie Massenmo-
mente auf, die je nach gewählter Zündfolge ent- x Die Kernseele wird exzentrisch (mittenversetzt)
weder in der 1. Ordnung (zum Beispiel für gebohrt, so dass über die fertigungsbedingte Un-
ZF 15234) oder in der 2. Ordnung (zum Beispiel wucht auch freie Ventilmassenkräfte weitgehend
für ZF 12453; siehe Beispiel) – besonders ausge- ausgeglichen werden.
prägt sind oder einen Kompromiss für beide Ord- x Es werden Ausgleichsmassen direkt an der No-
nungen darstellen. Pkw- und Nkw-Motoren wer- ckenwelle angebracht (Bild 6-43).

Bild 6-42 Systemverhalten von Ausgleichswellen mit und ohne Höhenversatz [8]
68 6 Triebwerk

bei V12- und V16-Motoren. Das innere Moment


nimmt von den Kurbelwellenenden zur Motormitte
hin zu. Bei längssymmetrischen Wellen wird das
mittlere Lager durch die Massenkräfte der benach-
barten gleichgerichteten Kröpfungen hoch belastet,
was man durch inneren Massenausgleich, das heißt
Ausgleich der Massenkräfte am Ort ihrer Entstehung,
an jeder Kröpfung also, verhindern kann (Bild
6-45).

Bild 6-43 Nockenwelle mit Ausgleichsmasse

6.1.6 Innere Momente


Neben unausgeglichenen Massenkräften und -mo-
menten, die sich als freie Massenwirkungen bemerk-
bar machen, treten am Motor auch noch innere Mo-
mente auf. Hierunter versteht man Biegemomente,
die an der – frei schwebend gedachten – Kurbelwelle
auftreten (Bild 6-44).
Bild 6-45 Vierzylinder-Ottomotor (Opel-Ecotec) mit
Ausgleich an allen Wangen
Inneres Moment
a a a Die Vorteile eines vollständigen inneren Massen-
ausgleichs sind gegen die Nachteile einer Erhöhung
F F
von Masse, Trägheitsmoment, Reibung und Kosten
abzuwägen.

6.1.7 Kröpfungs- und Zündfolgen


Für einen möglichst gleichmäßigen Drehmomenten-
F F verlauf muss die Zündung der einzelnen Zylinder
gleichmäßig über das Arbeitsspiel erfolgen. Voraus-
setzung dafür ist, dass die Kröpfungen gleichmäßig
Biege-
momenten-
über den Umfang verteilt sind. Somit betragen die
F·a
verlauf in der Kröpfungsabstände:
Kurbelwelle
Viertaktmotoren 720° KW/Zylinderzahl
Zweitaktmotoren 360° KW/Zylinderzahl
Die Zündfolge wird auch durch die Drehrichtung der
Kurbelwelle bestimmt. Für Kfz-Motoren sind die
Biege- Drehrichtung und die Zylinderzählweise in der DIN
momenten- 73021 festgelegt.
verlauf im
Kurbelgehäuse
x Rechtslauf: im Uhrzeigersinn bei Blick auf die
Gegenkraftabgabeseite (GKS), Zählrichtung der
Bild 6-44 Innere Momente (Schema) Zylinder von GKS aus.
x Linkslauf: entgegen dem Uhrzeigersinn bei Blick
Diese inneren Momente belasten die Kurbelwellen- auf die Gegenkraftabgabeseite (GKS), Zählrich-
grundlager zusätzlich und beanspruchen das Kurbel- tung der Zylinder von GKS aus.
gehäuse auf Biegung. Mit zunehmender Schnellläu- Die Zylinder von Boxer- und V-Motoren werden
figkeit stellen die inneren Momente höhere Anforde- (Blick von GKS aus) ausgehend von der linken Mo-
rungen an die Konstruktion des Motors, vornehmlich torreihe (1 bis z/2) fortlaufend, dann – beginnend mit
6.2 Drehschwingungen 69

z/2 + 1 – von der rechten Reihe aus gezählt (Bild gang der Zylinder zu gewährleisten. Das ergibt höhe-
6-46). Bei V-Motoren sind gleiche Zündabstände nur re Kurbelgehäuse bei allerdings geringeren Kolben-
dann zu erhalten, wenn der V-Winkel dem Arbeits- seitenkräften als Folge kleinerer Pleuelschwenkwin-
spiel (720° beziehungsweise 360° KW) – dividiert kel. Für Fahrzeugmotoren wird der 90°-V-Winkel
durch die Zylinderzahl – entspricht. Weitere Ge- bevorzugt, weil dieser einen vollständigen Ausgleich
sichtspunkte für die Zündfolge sind: der oszillierenden Massenkräfte 1. Ordnung durch
x keine oder möglichst kleine freie Massenwirkun- umlaufende Gegengewichte ermöglicht; zudem ent-
gen spricht bei 8-Zylinder-V-90°-Viertaktmotoren der V-
x günstiges Drehschwingungsverhalten Winkel dem gleichmäßigen Zündabstand, sogenann-
x gute Verhältnisse für den Ladungswechsel/Auf- ter „natürlicher V-Winkel“. Wenn Zylinderzahl und
ladung. V-Winkel nicht korrespondieren oder auch bei VR-
Anordnungen, erreicht man dennoch gleiche Zündab-
Bei Zweitaktmotoren mit einer Arbeitsspieldauer von stände durch „Aufspreizen“ der Hubzapfen um die
360° KW entspricht die Kröpfungsfolge der Zünd- Differenz zwischen V-Winkel und Zündabstand, dem
folge; Viertaktmotoren haben je Arbeitsspiel zwei sogenannten Pleuelversatzwinkel. Dies führt zu ge-
Totlagen (Zünd-/Ladungswechsel-OT). Deshalb erge- kröpften Hubzapfen (Hubversatz; Split-pin-Kurbel-
ben sich zu jeder Kröpfungsfolge mehrere Zündfol- welle). So werden heute 6-Zylinder-Pkw- und Nkw-
gen. Die Anzahl der theoretisch möglichen Zündfol- Motoren mit V-Winkeln von 90° , 60° und sogar 54° ,
gen steigt signifikant mit der Kröpfungszahl. Unter 8-Zylinder-Motoren von 75° gebaut, was einen Pleu-
Beachtung der zuvor genannten Anforderungen stel- elversatzwinkel von insgesamt 30°, 60°, 66° bezie-
len sich für jede Motorbauform und Zylinderzahl hungsweise 15° erfordert. Für die Wahl des V-Win-
jedoch meist nur einige wenige als günstig heraus. kels sind neben triebwerksmechanischen vor allem
Gesichtspunkte des Einbauraums der Motoren und
Zählrichtung Zylin- Übliche Zündfolge (Beispiele)
der Abstimmung des Motorprogramms bestimmend.
derzahl

4 1 3 4 2 oder 1 2 4 3
5
6
1
1
2
5
4
3
5
6
3 oder 1 5 2 3 4
2 4 oder
6.2 Drehschwingungen
1 2 4 6 5 3 oder
1 4 2 6 3 5 oder 6.2.1 Grundlagen
1 4 5 6 3 2

Das Triebwerk ist ein Feder-Masse-System, das durch


4 1 3 2 4 die periodisch wirkenden Drehkräfte (Tangentialkräfte)
6 1 2 5 6 4 3 oder
1 4 5 6 2 3 zu Schwingungen (schwingende Drehbewegung der
8 1 6 3 5 4 7 2 8 oder auf der Welle aufgereihten Einzelmassen) angeregt
1 5 4 8 6 3 7 2 oder
1 8 3 6 4 5 2 7 wird, die sich der eigentlichen Drehbewegung der
10 1 6 2 8 4 9 5 10 3 8 oder
1 6 5 10 2 7 3 8 4 9
Kurbelwelle überlagern. Die Drehbewegung der Kur-
12 1 7 5 11 3 9 6 12 2 8 4 10 oder belwelle setzt sich somit aus drei Anteilen zusammen:
1 12 5 8 3 10 6 7 2 11 4 9
16 1 14 9 4 7 12 15 6 13 8 3 16 11 2 5 10 x gleichmäßige Drehung entsprechend der Drehzahl
4
6
1 4 3 2
1 6 2 4 3 5
x Drehzahlschwankung infolge des ungleichmä-
ßigen Drehkraftverlaufes (Tangentialkraftverlaufs)
über ein Arbeitsspiel („statische Drehzahlschwan-
kung“) und
Bild 6-46 Zählweise und übliche Zündfolge von x Schwingung um den durch die Drehkraft hervor-
KFZ-Motoren (Auszug aus [9]) gerufenen Verschiebungswinkel („dynamische
Drehzahlschwankung“).
V-Motoren stellen einen guten Kompromiss zwischen Die Bewegung des Systems wird durch den Ver-
hoher Leistungsdichte und kompaktem Grundaufbau drehwinkel der Drehmassen gegenüber der Aus-
dar. Deshalb ist der V-Motor eine auch bei Pkw-Mo- gangslage beschrieben.
toren bevorzugte Bauart. Bei VR-Motoren werden Die in den Drehmassen gespeicherte kinetische Ener-
beide Bänke eines V-Motors mit sehr engem gie wird an die Drehfedern abgegeben und in poten-
V-Winkel unter einen gemeinsamen Zylinderkopf an- zielle Energie umgewandelt, um danach wieder in
geordnet. Bei der V-VR-Bauform sind wiederum kinetische Energie zurückgewandelt zu werden. Bei
zwei dieser VR-Anordnungen in einem meist regulä- einer verlustfreien Energieumsetzung dauern die
ren V-Winkel zueinander angeordnet. freien Schwingungen ewig; die Eigenfrequenz hängt
Kleine V-Winkel verlangen längere Pleuel (kleinere ausschließlich von den Systemeigenschaften Feder-
Pleuelverhältnisse O = r/l) und gegebenenfalls eine steifigkeit und Masse ab. Infolge von Bewegungs-
Schränkung des Kurbeltriebs, um den nötigen Frei- widerständen wird dem System Energie entzogen und
70 6 Triebwerk

in Wärme umgewandelt: Die Schwingung wird ge- die Ausschläge, wobei die Größe des Ausschlages
dämpft und klingt, je nach Dämpfung, schnell oder von der Stärke der Dämpfung abhängt. Stellt man den
weniger schnell ab. Verlauf der Schwingungsausschläge der einzelnen
Greift an dem System von außen eine periodische Massen über der Länge der Welle als Kurvenzug dar,
Kraft an, dann zwingt ihm diese ein anderes Schwin- erhält man die Schwingungsformen mit dem (oder
gungsverhalten auf; das System schwingt – nach den) Nulldurchgänge(n) dieser Kurve als Schwin-
einer Einschwingphase – mit der Frequenz der Erre- gungsknoten, bei dem/denen zwei benachbarte Mas-
gerkraft. Stimmen Eigen- und Erregerfrequenz über- sen in entgegengesetzte Richtung schwingen. An
ein, liegt Resonanz vor. Ohne Dämpfung nähmen diesen Stellen findet keine Drehschwingungsbewe-
dann die Schwingungsausschläge unendliche Werte gung statt (sehr wohl aber Drehschwingungsbean-
an. Doch die stets vorhandene Dämpfung begrenzt spruchungen) (Bild 6-47).

Schwingungslinie
cn – 1
c4 fn

f4
f3 c3
ln
f2 c2
l5
f1 c1 l4
Schwingungsknoten
l3
l2
Schwingungs-
ausschlag l1 Bild 6-47 Schema eines
Drehschwingungssystems

Zu jeder möglichen Schwingungsform gehört je eine x Berechnung der Erregerkräfte sowie der Erreger-
Eigenfrequenz, mit der das System in der betreffen- arbeiten und -amplituden
den Schwingungsform freie Schwingungen ausführen x Berechnung der Kurbelwellenausschläge bei Re-
kann. Die Schwingungsformen und die Eigenfre- sonanz
quenzen hängen von der Größe und von der Vertei- x Berechnung der Kurbelwellenbeanspruchung
lung der Drehsteifigkeiten und der Drehmassen im durch die Schwingungsausschläge bei Resonanz
System ab. x Berechnung der kritischen Drehzahlen.
Weil bei Resonanz die Schwingungsausschläge zur
Zerstörung der Kurbelwelle führen können (Bild
6-48), kommt es darauf an, solche betriebsgefährden-
den Zustände schon im Vorgriff zu erkennen und
durch entsprechende Maßnahmen auszuschließen.
Moderne Bauteilprüfkonzepte steigern zunehmend
die Sicherheit der Betriebsfestigkeit im realen Trieb-
werk [10]. Auch die rechnerische Untersuchung mit
modernen Simulationsprogrammen der Betriebsfes-
tigkeit leistet trotz der hohen Systemkomplexität
einen zunehmenden Beitrag zur Vermeidung von
Überdimensionierungen. Zur Verdeutlichung wesent-
licher Zusammenhänge wird das Triebwerk nachfol-
gend gedanklich vereinfacht (reduziert). So werden
auch überschlägige Berechnungen möglich. Grund-
lage einer solchen Reduktion ist die Übereinstim-
mung der dynamischen Eigenschaften des reduzierten
mit denen des wirklichen Systems. Eine Drehschwin-
gungsrechnung besteht aus:
x Reduktion der Maschinenanlage
x Ermittlung der Eigenfrequenzen und Eigen- Bild 6-48 Torsionsbruch einer Pkw-Kurbelwelle aus
schwingungsformen GGG 70
6.2 Drehschwingungen 71

6.2.2 Reduktion der Maschinenanlage


fk + 1
Das Triebwerk mit den angekoppelten Massen fk
(Schwungrad, Rädertrieb, Steuerung, Riementriebe
etc.) wird so auf ein einfaches geometrisches Modell fk – 1
ck
zurückgeführt, dass sich potenzielle und kinetische
Energie von wirklichem und reduziertem System ck – 1
lk + 1
entsprechen.
x Massenreduktion: Die Kurbelwelle mit Pleuel, lk

Kolben und den von ihr angetriebenen Mas-


lk – 1
sen.
x (Rädertrieb, Schwungscheibe, Dämpfer etc.)
werden durch kreiszylindrische Scheiben konstan-
ten Trägheitsmomentes ersetzt. Zwar ändern sich Bild 6-49 Gegenseitige Verdrehung der Drehmassen
die Trägheitsmomente des Kurbeltriebs infolge des reduzierten Triebwerks
der Kolben- und Pleuelbewegung, der Berechnung
werden jedoch konstante Trägheitsmomente zu Zur Lösung dieser Differentialgleichungen wird ein
Grunde gelegt. Ansatz in Form einer harmonischen Bewegung ge-
x Längenreduktion: Die Kurbelkröpfung wird durch macht. Systeme mit mehr als drei Drehmassen führen
ein gerades trägheitsloses Wellenstück vom zu unübersichtlichen und umständlich handzuhaben-
Durchmesser des Kurbelwellen-Grundlagers (oder den Gleichungssystemen, weshalb verschiedene Pro-
des Hubzapfens) ersetzt, dessen Länge so bemes- bierverfahren entwickelt worden sind, wie zum Bei-
sen wird, dass Kröpfung und Wellenstück die spiel das Verfahren von Gümbel-Holzer-Tolle. Es
gleiche Drehsteifigkeit (Federkonstante) aufweisen. bietet Einblick in das physikalische Geschehen der
Hierfür gibt es eine Reihe von Reduktionsformeln. Schwingungsvorgänge, lässt sich nach einem einfa-
x Weil die Kurbelkröpfung wegen ihrer Form relativ chen und übersichtlichen Rechenschema durchführen
drehweich ist, ist ihre reduzierte Länge im Allge- und liefert letztendlich die gesuchten Eigenfrequen-
meinen größer als die Länge der Kröpfung. zen Ze,n.
Mit bekannten Eigenfrequenzen lassen sich die je-
6.2.3 Eigenfrequenzen weiligen Eigenschwingungsformen (Gesamtheit der
und Eigenschwingungsformen Amplituden aller Drehmassen, durch die der Verfor-
mungzustand des Schwingungssystems für jede
Das Triebwerk besteht aus miteinander gekoppelten
Eigenfrequenz definiert ist) bestimmen. Allerdings
Drehmassen und Drehsteifigkeiten, die sich in ihrem
erhält man nur die relativen Ausschläge, das heißt die
Schwingungsverhalten gegenseitig beeinflussen.
Ausschläge der einzelnen Drehmassen bezogen auf
Für die einzelnen Drehmassen entsprechend Bild
den Ausschlag der ersten Drehmasse (Bild 6-50).
6-49 werden die Bewegungsgleichungen aufgestellt.
Es handelt sich also um ein Eigenwertproblem, dessen
I k ˜ M  ck 1 ˜ M k  M k 1  ck ˜ M k  M k 1 0 (6.67) Lösungen nur bis auf einen gemeinsamen Faktor
bestimmt sind. Zur Bestimmung der absoluten Aus-
I = Massenträgheitsmoment der Drehmasse schläge benötigt man die erregenden Kräfte. Einen
M = Verdrehwinkel der Drehmasse anderen, dem Gümbel-Holzer-Tollen-Verfahren ent-
c = Drehsteifigkeit des Wellenstücks sprechenden Lösungsweg bietet die Matrizenrechnung,
k = Zähler für die Drehmassen die sich insbesondere mit Hilfe der rechnergestützten
Man erhält ein System von homogenen gekoppelten Analyse zunehmend durchsetzt. Dabei wird ein mit
linearen Differentialgleichungen mit konstanten Matrizen darstellbares Gleichungssystem gelöst, das
Koeffizienten, die das Gleichgewicht beschreiben wiederum aus den Bewegungsgleichungen hergeleite-
zwischen: ten Beziehungen zwischen den Amplituden der Dreh-
schwingungsausschläge und den Rückstellmomenten
x Beschleunigungsmomenten infolge des Trägheits-
abgeleitet wird.
momentes und der Winkelbeschleunigung sowie
x Rückstellmomenten aus Federsteifigkeit und I ˜ M  D ˜ M  c ˜ M M( t) (6.68)
Differenz der Verdrehwinkel beiderseits der be-
trachteten Masse.
6.2.4 Erregerkräfte, -arbeit
Das Dämpfungsmoment kann bei der Bestimmung
und -amplituden
der Eigenfrequenzen vernachlässigt werden, weil bei
schwacher Dämpfung die Eigenfrequenzen nur unwe- Die schwingungserregende Drehkraft (Tangential-
sentlich beeinflusst werden. Die Integration dieser kraft) setzt sich zusammen aus der Gasdrehkraft und
Gleichungen liefert die Eigenfrequenzen des Systems. der Drehkraft der oszillierenden Massenkräfte.
72 6 Triebwerk

sterne der einzelnen Ordnungen ergeben sich aus dem


1.0 Kröpfungsstern 0,5. Ordnung (4-Takt) beziehungs-
1. Eigenfrequenz ve1
weise 1. Ordnung (2-Takt) (Bild 6-52).
0.5
relative Kurbelwellenausschläge ux

0 40
1.0 20
0
–20
0.5 2. Eigenfrequenz ve2

40
1. Hauptharmonische k = 1
0 20
1.0 0
–20
–40
0.5 2. Hauptharmonische k = 2
40
3. Eigenfrequenz ve3 20
0
0
–20
Amplitude in kN –40
3. Hauptharmonische k = 3
40
20
reduziertes System 0
–20
c1 c2 c3 c4 c5 c6 c7
–40 4. Hauptharmonische k = 4
40
20
0
l1 l2 l3 l4 l5 l6 l7 l8 –20
–40 5. Hauptharmonische k = 5
20
Bild 6-50 Eigenschwingungsformen für die drei 0
ersten Eigenfrequenzen eines 6-hübigen Triebwerks –20
6. Hauptharmonische k = 6
mit Rädertrieb und Kupplung 20
0
–20
Die Gasdrehkraft ist von der Belastung (spezifische 0 90 180 270 380 450 540 630 720
Arbeit), die Massendrehkraft vom Quadrat der Dreh-
zahl abhängig. Die resultierende (Tangential-)Erre- Bild 6-51 Fourier-Analyse eines Tangentialkraft-
gerkraft lässt sich nicht durch eine geschlossene Diagramms: Die Tangentialkraftkurve wurde aus den
Funktion beschreiben und wird deshalb einer Fourier- ersten sechs Harmonischen zusammengesetzt
Analyse unterzogen. Sie setzt sich aus einem stati-
schen Anteil – dem Nenndrehmoment – und einem
dynamischen Anteil – einer Grundschwingung und k = 0,5 k=1 k = 1,5
sich überlagernder Oberschwingungen – zusammen. 1 1,6 1,2,3
Die erregenden Frequenzen sind also die Grundfre-
quenz (Zahl der Arbeitsspiele pro Zeiteinheit) und 4 5

deren ganzzahlige Vielfache. Sie sind der Kurbelwel-


lendrehzahl proportional. Alle diese erregenden Fre-
2 3 3,4 2,5
quenzen können mit einer der Eigenfrequenzen Reso-
6 4,5,6
nanz bewirken (Bild 6-51). 1,6 1 1,2,3,4,5,6
Für die Schwingungserregung ist die Erregerarbeit
5 4
maßgeblich. Eine Erregerkraft (resultierende Erreger-
kraftamplitude aus den Amplituden von Gas- und
Massendrehkräften für die einzelnen Erregerfrequen- 2,5 3,4
3 2
zen) ruft einen umso größeren Ausschlag hervor, je 6
weiter entfernt sie vom Schwingungsknoten an-
greift (Erregerarbeit = Erregerkraft u Schwingungs- k=2 k = 2,5 k=3

ausschlag). Die Phasenlage der Erregerkräfte, das


heißt ihre zeitliche Aufeinanderfolge, wird in Phasen- Bild 6-52 Phasenrichtungssterne bis zur 6. Ordnung
richtungssternen dargestellt. Die Phasenrichtungs- für ein Reihensechszylinder-Viertakt-Triebwerk
6.2 Drehschwingungen 73

Unter Berücksichtigung der Schwingungsausschläge Alle ganzzahligen Vielfachen von z/2 (Viertakt)
der einzelnen Kröpfungen und der Phasenverschie- beziehungsweise z (Zweitaktmotor) sind gefährlich,
bung (Zündfolge) erhält man die effektive Erreger- weil bei diesen Ordnungen die Erregenden aller
kraft des Motors. Zylinder gleichgerichtet wirken. Die kritischen Dreh-
Die relativen Kurbelwellenausschläge der einzelnen zahlen ergeben sich als Schnittpunkte der Haupthar-
Zylinder sind in Richtung der Strahlen der Phasen- monischen mit den Erregerschwingungszahlen. Das
richtungssterne geometrisch zu addieren. Hieraus Ausmaß der Gefährdung des Motors bei den einzel-
erklärt sich, dass bestimmte Ordnungen besonders nen kritischen Drehzahlen ergibt sich aus der Berech-
gefährlich sind, weil deren geometrische Summe nung der Resonanzausschläge der Kurbelwelle.
große Werte annimmt. Diese geometrische Summe
wird als spezifische Erregerarbeit, das heißt auf die 6.2.5 Maßnahmen zur Verringerung
Kraft 1 bezogene Erregerarbeit des Motors, bezeich- der Kurbelwellenausschläge
net. Je nach Ordnung und Phasenlage nimmt die spe-
zifische Erregerarbeit unterschiedliche Werte an. Ohne Dämpfung würden die Ausschläge der Kurbel-
Die Amplitude – der absolute Ausschlag – der Mas- welle immer größer werden, bis die Welle bricht. In
se 1 errechnet sich aus dem Gleichgewicht von Erre- der Praxis liegt aber stets Dämpfung vor: Werkstoff-
gungsarbeit und Dämpfungsarbeit (je Schwingung). dämpfung, Reibungsdämpfung und Dämpfung durch
Hieraus lassen sich die absoluten Ausschläge A der den Schmierfilm, doch reicht diese bei modernen
einzelnen Massen des Ersatzsystems bestimmen: Triebwerken nicht aus, so dass zusätzliche Maßnah-
men getroffen werden müssen. Zur Vermeidung
z
G
FTk ˜ ¦ ux gefährlicher Drehschwingungszustände kann man:
A1 1
(6.69) x die Erregerarbeiten durch Variation der Zündfolge
z
Z e ˜ ¦ E x ˜ ux beeinflussen und/oder
2

1 x die Eigenschwingungszahlen durch Verändern


von Massen und Federsteifigkeiten verlagern.
Ax ux ˜ A 1 (6.70)
Diese Maßnahmen sind allerdings nur von begrenzter
FTk = resultierende Erregerkraftamplitude aus den Durchführbarkeit und Wirksamkeit. Eine scheinbar
Amplituden von Gas- und Massendrehkräften einfache Maßnahme ist das Vergrößern des Träg-
(für alle Zylinder als gleich angenommen) heitsmomentes des Schwungrades. Dadurch lässt sich
ux = relative Kurbelwellenausschläge zwar die Eigenfrequenz absenken, gleichzeitig wird
Ze = Eigenfrequenz der Schwingungsknoten zum Schwungrad hin verla-
Ex = Dämpfungsbeiwert des x-ten Zylinders, in der gert und die Wellenbeanspruchung vergrößert.
Regel werden für alle Zylinder gleiche Dämp- Aus diesen Gründen bleibt nur die Möglichkeit, die
fungsbeiwerte angenommen Drehschwingungen auf ein ungefährliches Ausmaß
A1 = Amplitude (absoluter Ausschlag) der ersten zu begrenzen. Hierzu gibt es prinzipiell zwei Mög-
Masse des Systems lichkeiten:
G
ux = geometrische Summe der relativen Kurbelwel- x Dämpfen (Umwandlung von Schwingungsenergie
lenausschläge in Wärme). Bei stationär erzwungenen Schwin-
Index x = Zylinderzahl gungen und geschwindigkeitsproportionaler
Index k = Ordnung Dämpfung herrscht Gleichgewicht zwischen den
Die Relativverdrehung 'M der Massen x und x + 1 Momenten der Massenträgheit, der Dämpfung, der
infolge der Drehschwingung beansprucht die Kur- Rückstellkraft und der Erregung. Je größer nun
belwelle zusätzlich zur statischen Drehkraft. das Dämpfungsmoment ist, desto kleiner werden
die Schwingungsausschläge.
'M ux  ux1 ˜ A1 (6.71) x Tilgen („Auslöschen“ von Resonanzen durch
Verstimmen des Systems). Hierbei verlagert man
Md cx ˜ A 1˜ (ux  ux 1 ) die Eigenfrequenzen in andere Drehzahlbereiche
W (6.72) durch die Gegenwirkung einer Masse. Durch An-
Wp Wp
koppelung einer solchen Zusatzmasse, dem „Til-
Die Gaskräfte regen besonders Schwingungen solcher ger“, bekommt das System einen Freiheitsgrad
Ordnung an, die ein ganzzahliges Vielfaches der mehr; die ursprüngliche Eigenfrequenz spaltet
Anzahl i der Zündungen innerhalb einer Umdrehung sich in zwei Eigenfrequenzen auf, die dicht ober-
der Kurbelwelle sind. und unterhalb der ursprünglichen liegen. Wird das
System in der ursprünglichen Eigenfrequenz er-
x Viertaktmotor: i = z/2 Zündungen je Kurbelwel- regt bleibt es in Ruhe, während der Tilger in
lenumdrehung Schwingung gerät. Einfache Tilger sind aber
x Zweitaktmotor: i = z Zündungen je Kurbelwellen- nur für eine Frequenz wirksam. Fliehkrafttilger
umdrehung sind drehzahlabhängig wirksam.
74 6 Triebwerk

Die Wirkung von Schwingungsdämpfern für Kfz-


Motoren beruht auf beiden Effekten; Dämpfung und Einfluss des Drehschwingungsdämpfers auf die
Tilgung. Sie sind bezüglich Federsteifigkeit, Dämp- Drehschwingungsausschläge der Kurbelwelle
BeispieL. 6-Zyl.-Boxermotor
fungsverhalten und Massenträgheit so ausgelegt, dass
sie die Drehschwingungsausschläge des Systems
ohne Schwingungsdämpfer
nachhaltig verkleinern. Summe 3.-6. Ordnung
Für Pkw-Motoren werden Gummischwingungs-

Verdrehwinkel
dämpfer eingesetzt: Eine kreisringförmige Dämpfer-
masse (Sekundärteil) ist mit der primärseitigen
L-förmigen Mitnehmerscheibe über eine aufvul-
kanisierte Gummischicht elastisch angekoppelt. Die
Schwingungsenergie wird durch die Werkstoffdämp-
2000 4000 6000
fung (Hysterese) des Gummis in Wärme umgewan-
Motordrehzahl [min–1]
delt. Die Resonanzspitze wird in zwei Resonanzen
aufgespalten, deren Spitzen durch die Dämpfung

Verdrehwinkel
abgesenkt werden. Je nach Bauart wird die Dämp- mit Schwingungsdämpfer
Summe 3.-6. Ordnung
fermasse radial oder/und axial am Primärteil befes-
tigt; auch werden zweistufig wirkende Dämpfer
eingesetzt, bei denen zwei Dämpfermassen auf zwei
verschiedene Frequenzen abgestimmt sind [11]
(Bild 6-53), so zum Beispiel der Zweimassen-Gum- 2000 4000 6000
mischwingungsdämpfer für einen 5-Zylinder-Diesel- Motordrehzahl [min–1]
motor (2,5 l), bei dem beide Massen auf Torsion
abgestimmt sind. Bild 6-54 Wirkung eines Drehschwingungsdämpfers

Bild 6-53 Zweimassen-Gummischwingungsdämpfer


(Bauart Palsis) (Quelle: Palsis)

Durch das Absenken der Drehschwingungsausschläge


(Bild 6-54) werden nicht nur die Kurbelwelle und
Nockenwelle mechanisch entlastet – auch werden das
spielbedingte Geräusch des Motors und die Anregung
der Nebenaggregate zu Schwingungen verringert
[12].
Große Motorabmessungen (Hubvolumen) und stei- Bild 6-55 Viskose-Schwingungsdämpfer mit ent-
gende spezifische Arbeiten (eff. Mitteldruck) erhöhen koppelter Riemenscheibe (drehelastische Gummi-
die Notwendigkeit effektiver Schwingungsdämpfer, kupplung) für Reihen-6-Zylinder-Dieselmotor (Quel-
zum einen wegen der stärkeren Erregung, zum ande- le: Palsis)
ren wegen der niedrigeren Eigenfrequenzen als Folge
größerer Triebwerksmassen. Die Eigenfrequenzen
von Pkw-Triebwerken liegen im Bereich von 300
6.2.6 Zweimassenschwungräder
bis 700 Hz, für die auch zunehmend Viskosedämp- Der Antriebsstrang eines Kraftfahrzeuges besteht aus
fer eingesetzt werden, wie sie sonst überwiegend Motor, Getriebe und Fahrzeug, so dass sich die
nur für größere Motoren verwendet wurden (Bild Schwingungsanregung vom Motor auch auf die
6-55). übrigen Komponenten des Antriebs auswirkt. Motor-
6.2 Drehschwingungen 75

induzierte Schwingungen des Getriebes machen sich liche Drehsteifigkeiten und Dämpfungseigenschaften
bemerkbar als erforderlich sind, müssen die Kennlinien der Federn
entsprechend ausgelegt werden. Das wird zum Beispiel
x Ruckeln: Der Motor regt das System mit der durch Reihenschaltung von Federn verschiedener
0,5. Ordnung an, er schwingt gegen das Fahrzeug Steifigkeit erreicht. Bei entsprechend abgestimmten
x Rasseln: Der Motor regt das Getriebe vorwiegend Feder-Keil-Systemen sorgt Reibung für die gewünsch-
mit der 4. bis 6. Ordnung an, so dass Zahnräder te Dämpfung [13] (Bild 6-56).
und Synchronringe, die nicht im Kraftfluss liegen, Wegen des geringeren Trägheitsmomentes des Pri-
mit vergleichsweise großen Amplituden gegen- märteils des Schwungrades verändert sich das Dreh-
einander schwingen. schwingungsverhalten des Motortriebwerks (Bild
Hinzu kommt, dass der Antriebsstrang bei Lastwech- 6-57).
sel tordiert wird und – nur schwach gedämpft – aus- Mit Zweimassenschwungrädern werden nicht nur der
schwingt. Diese Schwingungen machen sich unange- Fahrkomfort verbessert, sondern auch das Getriebe
nehm bemerkbar, sie beeinträchtigen den Fahrkom- von zusätzlichen Wechselmomenten entlastet. Sie
fort und beanspruchen die Bauteile zusätzlich. Um werden hauptsächlich in Pkw-Motoren t 2 l Hubraum
Schwingungs- und Geräuschverhalten des Antriebes eingesetzt, hier wiederum besonders in Verbindung
zu verbessern, setzt man Zweimassenschwungräder mit Dieselmotoren [13]. Mittlerweile werden auch
ein. Die Masse des Motorschwungrades wird in einen schon Dreimassenschwungräder verwendet.
mit der Kurbelwelle starr verbundenen Primärteil und Moderne Downsizingkonzepte mit Aufladung und
einen auf dem Primärteil beweglich angeordneten reduzierter Zylinderzahl stellen besondere Herausfor-
Sekundärteil aufgeteilt. Primär- und Sekundärteil sind derungen, auch an die Reduzierung von Drehschwin-
durch Federn drehelastisch verbunden. Dadurch wird gungen, insbesondere vor dem Hintergrund steigen-
eine Schwingungsisolation erreicht, das heißt der der Komfortansprüche dar. Neue aktive, vom Mo-
Arbeitsbereich wird in den überkritischen Bereich der torsteuergerät an den momentanen Betriebszustand
Vergrößerungsfunktion verlagert. Weil zur Unterdrü- anpassbare Systeme zur Drehschwingungskompensa-
ckung des Getrieberasselns in den unterschiedlichen tion zeigen vielversprechende Ergebnisse am Beispiel
Betriebsbereichen (Zug, Schub, Leerlauf) unterschied- eines aufgeladenen Zweizylinder-Triebwerks [14].

Zweimassenschwungrad
(mechanischer Torsionsdämpfer) Anlasserzahnkranz

Keil Spritzblech
Primär-
Fett blech
Deckblech
Abdeck-
blech Sekundär-
schwungrad
Druck- Zentral-
feder flansch
Verstärk-
ungsring
Niet
Gleitlager
Excenter-
blech

Scherkeil

Bild 6-56 Zweimassen-


schwungrad (GAT)

System mit
konventionelles System Zweimassenschwungrad

2 · 104
Motor
Amplituder der Winkel-
beschleunigung in s–2

Motor
1 · 104
Getriebe
Getriebe

0
1000 2000 3000 1000 2000 3000
Bild 6-57 Wirkung eines
Drehzahl in min–1
Zweimassenschwungrades
76 6 Triebwerk

Literatur Mit beiden Methoden lassen sich die Ladungswech-


[1] Bauder, A.; Krause, W.; Mann, M.; Pischke, R.; Pölzl, H.-W.: selverluste reduzieren, da für einen gegebenen Last-
Die neuen V8-Ottomotoren von Audi mit Fünfventiltechnik. In: punkt bei verkleinertem Hubvolumen, gleichgültig
MTZ 60 (1999) 1, S. 16 durch welche der oben genannten Maßnahmen, die
[2] Dorsch, H.; Körkemeier, H.; Peiters, S.; Rutschmann, S.;
Zwickwolf, P.: Der 3,6-Liter-Doppelzündungsmotor des Porsche
Drosselung entscheidend verringert wird.
Carrera 4. In: MTZ 50 (1989) 2 Wird das Hubvolumen verkleinert, muss, um gleiche
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S. 224 – 231
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Saugrohrunterdruck und Drosselverluste verringern.
MTZ 51 (1990) 10 Die Wirkung auf die Verringerung der Gaswechsel-
[5] Krüger, H.: Der Massenausgleich des VR6-Motors. In: MTZ 54 arbeit führt zur Verringerung des Kraftstoffver-
(1993) 2 brauchs [6, 7, 11].
[6] Gumpesberger, M.; Landerl, C.; Miritsch, J.; Mosmüller, E.;
Müller, P.; Ohrnberger, G.: Der Antrieb der neuen BMW F800.
Da aus funktionalen Gründen eine Variabilität der
In: MTZ 67 (2006) 6 Bohrung nicht realisierbar ist, konzentrieren sich die
[7] Neukirchner, H.; Arnold, O.; Dittmar, A.; Kiesel, A.: Die Ent- Bemühungen auf eine Variabilität des Kolbenhubes.
wicklung von Massenausgleichseinrichtungen für PKW-Moto- Bei gegebener Bohrung und einer Verringerung des
ren. In: MTZ 64 (2003) 5
[8] Gruber, G.; Prandstötter, M.; Hollnbuchner, R.: Integriertes
Hubes ändert sich aber auch das Hub-/Bohrungsver-
Ausgleichswellensystem des neuen Vierzylinder-Dieselmotors hältnis, es wird geringer. Das hat zur Folge, dass
von BMW. In: MTZ 69 (2008) 6 sich ebenso das Oberflächen-Volumen-Verhältnis des
[9] Braess, H,; Seiffert, U.: Handbuch Kraftfahrzeugtechnik, Brennraums ändert mit dem bekannten Einfluss auf die
6. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2012
[10] Fröschl, J.; Achatz, F.; Rödling, S.; Decker, M.: Innovatives
HC-Emissionen [8 – 10]. Wirkungsgrad und Stickoxid-
Bauteilprüfkonzept für Kurbelwellen. In: MTZ 71 (2010) 9 emissionen werden ebenfalls beeinflusst [9].
[11] Anisits, F.: Borgmann, K.; Kratochwill, H.; Steinparzer, F.: Der Konstruktive Lösungen zu einer kontinuierlichen Va-
neue BMW Sechszylinder Dieselmotor. In: MTZ 59 (1998) 11 riation des Kolbenhubs sind seit langem bekannt und
[12] Pilgrim, R.; Gregotsch, K.: Schwingungstechnisch-akustische
Entwicklung am Sechszylinder-Triebwerk des Porsche
stellen im Hinblick auf eine Reduktion der Gaswech-
Carrera 4. In: MTZ 50 (1989) 3 selarbeit eine optimale Lösung dar, da im Extremfall
[13] Nissen, P.-J.; Heidingsfeld, D.; Kranz, A.: Der MTD – Neues ganz auf die Drosselklappe verzichtet werden kann.
Dämpfungssystem für Kfz-Antriebsstränge. In: MTZ 61 (2000) 6 Die konstruktiven Überlegungen im Zusammenhang
[14] Bey, R.; Ohrem, C,; Biermann, J-W.; Bütterling, P.: Downsizing-
konzept mit Zweizylinder-Erdgasmotor. In: MTZ 74 (2013) 9
mit variablem Hubvolumen gehen prinzipiell von
einer Modifikation der Kinematik des Kurbeltriebes
aus. Durch zum Beispiel seitliches Verschieben der
6.3 Variabilität von Verdichtung Kurbelwelle wurde der Hub und damit das Hubvolu-
men reduziert. Versuche mit variablem Hubvolumen
und Hubvolumen
wurden zwar durchgeführt, doch waren die techni-
6.3.1 Variables Hubvolumen schen Lösungen zu aufwändig.

Hubvolumen ist das Produkt aus dem Hub und der


Fläche, die durch den Bohrungsdurchmesser des 6.3.2 Variable Verdichtung
Zylinders bestimmt ist. Es ist die zentrale Größe, Der Vorgang der Verdichtung ist einer der vier Ar-
welche das Drehmoment und im Zusammenhang mit beitstakte eines Verbrennungsmotors. Er sorgt dafür,
der Drehzahl die Leistung eines Motors bestimmt. dass eine Temperatur- und Druckerhöhung im Ar-
Bei Otto- und Diesel-Pkw-Motoren liegt das Hubvo- beitsmedium erfolgt und so eine Verbrennung mit
lumen je nach Anzahl der Zylinder überwiegend im höherem Wirkungsgrad stattfindet. Die Abhängigkeit
Bereich zwischen 1 und 3 Litern. Pro Zylinder beträgt des thermischen Wirkungsgrades vom Verdichtungs-
das Hubvolumen in der Regel zwischen 350 und verhältnis an einem Modellprozess zeigt Bild 6-58.
600 cm3. Hoher thermischer Wirkungsgrad des Modellprozes-
Bei Teillast muss beim konventionellen Ottomotor, ses lässt einen hohen Wirkungsgrad des motorischen
im Gegensatz zum Dieselmotor, die angesaugte Luft- Prozesses erwarten mit der Folge einer Minimierung
beziehungsweise Gemischmasse durch Drosselung des Kraftstoffverbrauchs. Aus Bild 6-58 lässt sich
(Quantitätsregelung) reduziert werden. Durch den jedoch erkennen, dass mit zunehmendem Verdich-
Drosselvorgang entstehen Verluste, so dass die Fül- tungsverhältnis der thermische Wirkungsgrad immer
lung nicht derjenigen entspricht, die aufgrund des weniger stark ansteigt. Die Konsequenz daraus in
Hubvolumens theoretisch möglich wäre. Bezug auf die Realisierung der variablen Verdich-
Zur Verringerung dieser Drosselverluste im Motor- tung im Motor und dem damit verbundenen Bauauf-
betrieb gibt es mehrere Wege. Zwei Wesentliche wand legt nahe, dass Verdichtungsverhältnis nur bis
sind: zu einer bestimmten Größe zu erhöhen. In dargestell-
x variables Hubvolumen ten Motoren wird daher ein Verdichtungsverhältnis
x Zylinderabschaltung. zwischen 8 : 1 und 16 : 1 realisiert [25].
6.3 Variabilität von Verdichtung und Hubvolumen 77

Bild 6-59 stellt die möglichen Bereiche des Verdich-


tungsverhältnisses für gängige Motoren dar.
Mit zunehmender Drosselung sinkt beim Ottomotor
das effektive Verdichtungsverhältnis bei gleichblei-
bender geometrischer Verdichtung. Dies hat einen
sinkenden Wirkungsgrad zur Folge. Dies wird noch
drastischer, wenn man einen aufgeladenen Ottomotor
betrachtet. Mit Rücksicht auf die höhere Klopfemp-
findlichkeit in Volllastnähe muss beim aufgeladenen
Ottomotor die geometrische Verdichtung gegenüber
einem Saugmotor reduziert werden. Dies hat einen
weiteren Wirkungsgradabfall in der Teillast zur
Bild 6-58 Verdichtungsverhältnis und thermischer Folge. Bild 6-60 zeigt das effektive Verdichtungsver-
Wirkungsgrad hältnis bei einem Ottomotor im Kennfeld.

Motortyp H Begrenzung durch


Ottomotor (2-Takt) 7,5 bis 10 Glühzünden
Ottomotor (2-Ventiler) 8 bis 10 Klopfen, Glühzünden
Ottomotor (4-Ventiler) 9 bis 11 Klopfen, Glühzünden
Ottomotor (Direkteinspritzung) 11 bis 14 Klopfen, Glühzünden
Diesel (Kammermotor) 18 bis 24 Wirkungsgradeinbuße, Bauteilbelastung
Diesel (Direkteinspritzung) 17 bis 21 Wirkungsgradeinbuße, Bauteilbelastung

Bild 6-59 Verdichtungsverhältnisse

Noch bedeutender sind die Verbesserungen bei aufge-


SI-engine e = 12,5 (geometrical)
1,2
ladenen Motoren mit variabler Verdichtung, da in
diesem Fall ein zusätzlicher Gewinn durch die Be-
[kJ/dm3]
triebspunktverlagerung auftritt. In einem gegebenen
1,0
12,5 Fall wurde die Verdichtung eines aufgeladenen Mo-
tors bei Teillast auf ein Verdichtungsverhältnis von
0,8
12
H = 13,5 angehoben, während das Verdichtungsver-
hältnis bei Volllast H = 8 betrug. Der Verbrauchs-
Specific work

11
0,6 10
gewinn lag in diesem Fall über 20 % im CVS-Test
bei gleichen Fahrleistungen. Hochaufladung mit bis
0,4 9 zu 100 KW/Liter Hubraum können bis zu 30 % Ver-
8
brauchseinsparung im NEFZ bringen [25].
Systeme mit variabler Verdichtung haben sich wegen
0,2 7
ihres hohen Aufwandes und der hohen Kosten noch
6
5 nicht in der Serie durchgesetzt. Folgende Systeme
0,0 wurden unter anderen beispielhaft untersucht:
1000 3000 5000 [rpm] 7000
Engine Speed x Kolben mit variabler Kompressionshöhe. Der Nach-
teil ist die hohe Masse des Kolbens, welche bei ho-
Bild 6-60 Effektives Verdichtungsverhältnis bei ei- hen Drehzahlen zu hohen Massenkräften führt.
nem Ottomotor x Vergrößerung beziehungsweise Verkleinerung des
Brennraumes durch Verschieben zum Beispiel ei-
Die variable Verdichtung ist beim Ottomotor wir- nes Zylinders im Zylinderkopf. Der Nachteil liegt
kungsgraderhöhend, da sein Verdichtungsverhältnis in verschlechterten Verbrennungsbedingungen
durch die Klopfneigung des Ottokraftstoffes bei durch einen zerklüfteten Brennraum.
Volllast begrenzt ist. Wird bei Teillast das Verdich- Verlagerung der Kurbelwellenachse zum Beispiel
tungsverhältnis erhöht, verbessert sich der Innenwir- durch ein Parallelkurbelgetriebe. Mit Hilfe einer
kungsgrad beachtlich. Im CVS-Test relevanten Be- Exzentereinheit verlagert sich die Kurbelwelle
reich können 10 % Verbrauchseinsparung gegenüber nach oben beziehungsweise nach unten. Die Rota-
Motoren mit fester Verdichtung erreicht werden. tionsbewegung der schwenkbaren Kurbelwellen-
78 6 Triebwerk

achse wird auf die ortsfeste Achse des Getriebe-


eingangs übertragen. Diese konstruktiv sehr auf-
wändige Lösung erhöht die Motormasse nur mar-
ginal [1 – 4, 11].
x Neigung des Zylinderkopfes, der so ausgebildet
ist, dass die Trennfuge zwischen Kopf und Block
nach „unter“ verschoben wird, das heißt die
Blockhöhe ist gegenüber dem konventionellen
Motor verringert [1, 5]. Das ist ebenfalls eine sehr
aufwändige Lösung. Bild 6-61 und Bild 6-62 zei-
gen den Schwenkmechanismus, mit dem der Zy-
linderkopf bis zu 4 Grad geschwenkt werden
kann, was eine Änderung des Verdichtungsver-
hältnisses von 8 : 1 auf 14 : 1 ermöglicht.
Eine andere Möglichkeit, das Verdichtungsver- Bild 6-61 Mechanismus zum Schwenken des Zylin-
hältnis variabel zu gestalten, liegt in der konstruk- derkopfes (Quelle: MOT)

14:1 8:1

Bild 6-62 Längsschnitt durch


den Motor Saab Variable
Compression (Quelle: MOT)

tiven Ausführung des Pleuels mit Hilfe einer ex-


zentrischen Kolbenbolzenlagerung [12, 13]. Durch
diese exzentrische Lagerung im kleinen Pleuel-
auge (Bild 6-63) wird ein längenvariables Pleuel
ermöglicht, das die auftretenden Triebwerkskräfte
zur Verstellung nutzt.
Es gibt viele Wege um eine variable Verdichtung zu
realisieren. Bild 6-64 zeigt einige weitere prinzipielle
Möglichkeiten.
Welche Verfahren sich zukünftig in der Serie durch-
setzen werden, kann aus heutiger Sicht nicht ab-
schließend beurteilt werden. Einige wesentliche Ge-
sichtspunkte für den Großserieneinsatz sind neben der
sicheren Funktionalität sicherlich:
x Packagefähigkeit (Bauraum)
x Herstellkosten
x Übertragbarkeit auf andere Motorbauformen
x Motormasse.
Eine Abschätzung der Vor- und Nachteile einzelner
Bild 6-63 VCR-Pleuel (Variable Compression Ratio) Prinzipien zur Variation der Verdichtung zeigt Bild
(Quelle: MTZ/Pischinger) 6-65.
6.3 Variabilität von Verdichtung und Hubvolumen 79

Vertikales Verschieben Vertikales Brennraumvolu- Kolben mit veränderbarer


des Zylinderblocks men dur ch Nebenkolben Kompressionshöhe

Pleuellagerung in exzen- Exzentrische Kurbelwel - Kraftübertragung mit


trischen Hubzapfen lenlagerung (Prinzip VCR) Zahnstangengetriebe

Bild 6-64 Schematische


Zweiter versc hiebbarer Zweiter verschiebbarer Zweiter verschiebbarer
Anlenkpunkt für Pleuel (1) Anlenkpunkt für Pleuel (2 ) Anlenkpunkt für Pleuel (2 ) Darstellung zur Realisierung
der variablen Verdichtung
(Quelle: MOT)

Bild 6-65 Vergleich verschiedener Systeme zur variablen Verstellung des Verdichtungsverhältnisses
(Quelle: MTZ/Pischinger)
80 6 Triebwerk

Literatur [9] Gand, B.: Einfluss des Hub-Bohrungs-Verhältnisses auf den


Prozessverlauf des Ottomotors, Dissertation. RWTH Aachen,
[1] Blumenstock, K. U.: Ungenutzte Potenziale. In: mot, Heft 14, 1986
Juni 2004 [10] Bick, W.: Einflüsse geometrischer Grunddaten auf den Arbeits-
[2] Schwaderlapp, M.; Pischinger, S.; Yapici, K. I.; Habermann, K.; prozess des Ottomotors bei verschiedenen Hub-Bohrungs-Ver-
Bolling, C.: Variable Verdichtung – eine konstruktive Lösung hältnissen, Dissertation. RWTH Aachen, 1990
für Downsizing-Konzepte. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und [11] Pischinger, F.: Gedanken über den Automobilmotor von mor-
Motorentechnik Okt. 2001 gen. Vortrag VW-AG, Juli 1990
[3] Guzella, L.; Martin, R.: Das SAVE-Motorkonzept, In: MTZ 10 [12] Pischiner, S.; Wittek, K.; Tiemann, C.: Zweistufiges Verdich-
(1998) tungsverhältnis durch exzentrische Kolbenbolzenlagerung, In:
[4] Fraidl, K. G.; Kapus, P.; Piock, W.; Wirth, M.: Fahrzeugklas- MTZ 70 (2009) 02
senspezifische Ottomotorenkonzepte. In: MTZ 10 (1999) [13] Wittek, K.: Variables Verdichtungsverhältnis beim Verbren-
[5] Bergsten, L.: Saab Variable Compression SVC. In: MTZ 62 nungsmotor durch Ausnutzung der im Triebwerk wirksamen
(2001) 6 Kräfte, Dissertation. RWTH Aachen, 2006
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1993 mance measurements of a GDI variable compression ratio engine
[7] Basshuysen, R.; Schäfer, F. (Hrsg.): Lexikon Motorentechnik, fittet with a 2-stage boosting system and external cooled EGR.
Wiesbaden: Vieweg Verlag, 2006 20. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik,
[8] Kreuter, P.; Gand, B.; Bick, W.: Beeinflussbarkeit des Teillast- 2011
verhaltens von Ottomotoren durch das Verdichtungsverhältnis [16] Kapus, E.; Prevedel, K.; Bandel, W.: Potenziale von Motoren
bei unterschiedlichen Hub-Bohrungs-Verhältnissen. 2. Aachener mit variablem Verdichtungsverhältnis. In: MTZ 73 (2012) 5
Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 1989
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung 81

7 Motorkomponenten

7.1 Kolben/Kolbenbolzen/- Die Steigerung der spezifischen Leistungen der


Motoren erfolgt zum Teil über die Drehzahlerhöhung.
Kolbenbolzensicherung Der dadurch bedingte überproportionale Anstieg der
7.1.1 Kolben Massenkräfte der sich hin- und herbewegenden Mo-
torteile wird durch Verkleinerung der Kompressions-
7.1.1.1 Anforderungen und Funktion
höhe (KH) und durch die gewichtsoptimierte Kolben-
Die Aufgabe des Kolbens besteht darin, die bei der bauweise weitgehend kompensiert.
Verbrennung des Kraftstoff-Luft-Gemisches entste- Die Gesamtlänge GL des Kolbens, bezogen auf den
henden Druckkräfte aufzunehmen, über den Kolben- Kolbendurchmesser, ist besonders bei kleineren
bolzen und die Pleuelstange auf die Kurbelwelle zu schnelllaufenden Motoren kürzer als bei größeren,
übertragen. mittelschnelllaufenden Motoren.
Als bewegliche kraftübertragende Wand muss der Die Kompressionshöhe KH beeinflusst neben der
Kolben zusammen mit den Kolbenringen den Brenn- Bauhöhe des Motors entscheidend das Kolbenge-
raum gegen Gasdurchtritt und Schmieröldurchfluss bei wicht. Der Motorenkonstrukteur ist deshalb bestrebt,
allen Lastzuständen zuverlässig abdichten. Durch stän- diese so niedrig wie möglich auszuführen. Die KH
dige Effizienz- und Leistungssteigerungen der Moto- wird deshalb immer einen Kompromiss zwischen der
ren werden die an die Kolben gestellten Anforderungen Forderung nach geringster Bauhöhe und hoher Be-
immer höher. triebssicherheit darstellen.
Ein Beispiel für die Kolbenbelastung: Bei einer Die in Bild 7-3 angegebenen Werte für die Boden-
Drehzahl von 6.000 1/min eines Ottomotors wird dicke s gelten allgemein für Kolben mit ebenen und
jeder Kolben (D = 90 mm) bei einem Zylinderspit- flachen, konvex oder konkav gewölbten Böden. Bei
zendruck von 75 bar 50-mal pro Sekunde mit einer Kolben für Dieselmotoren mit Direkteinspritzung mit
Last von circa 5 t beaufschlagt! tiefen Mulden liegen die Bodendicken, je nach ma-
Die Erfüllung unterschiedlichster Aufgaben, wie ximalem Zylinderdruck, zwischen 0,16 bis 0,23 des
Anpassungsfähigkeit an verschiedene Betriebsbedin- maximalen Muldendurchmessers (DMu).
gungen, Fresssicherheit bei gleichzeitig hoher Lauf- Aus den Richtwerten des Bildes 7-3 für den Kolben-
ruhe, geringes Gewicht bei ausreichender Gestaltfes- bolzendurchmesser BO ist zu entnehmen, dass die
tigkeit, geringer Ölverbrauch und niedrige Schad- höheren Arbeitsdrücke der Dieselmotoren größere
stoffemissionswerte, resultiert in Anforderungen an Bolzendurchmesser erfordern.
Konstruktion und Werkstoff, die zum Teil gegenläu- Die Kolbenringzone sorgt zusammen mit den Kol-
fig sind. Diese Kriterien müssen für jeden Motortyp benringen für die bewegliche Abdichtung des Ver-
sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Die brennungsraums gegen den Kurbelraum. Ihre Höhe
jeweils für den Einzelfall optimale Lösung kann richtet sich nach der Zahl und Höhe der eingesetzten
daher sehr verschiedenartig ausfallen. Kolbenringe und der Höhe der Stege zwischen den
In Bild 7-1 sind die Betriebsbedingungen des Kol- Ringen. Das Ringpaket besteht mit wenigen Aus-
bens, die sich daraus für seine Gestaltung ergebenden nahmen aus zwei Verdichtungsringen und einem
Anforderungen sowie die konstruktiven und werk- Ölabstreifring. Der Dreiringkolben ist heute die Stan-
stoffseitigen Lösungen zusammengestellt. dardausführung.
Die Höhe des ersten Ringstegs wird entsprechend
7.1.1.2 Konstruktive Gestaltung dem auftretenden Zünddruck des Motors und der
Aus den Betriebsanforderungen der jeweiligen Ver- Stegtemperatur ausgelegt. Die Steghöhen der nach-
brennungskraftmaschinen (2-Takt-, 4-Takt-, Otto- folgenden Ringstege sind wegen der geringeren
und Dieselmotor) ergibt sich, dass in der Regel Alu- Temperatur und Gasdruckbelastung geringer.
minium-Silizium-Legierungen die zweckmäßigsten Der Kolbenschaft dient zur Führung des Kolbens im
Kolbenwerkstoffe sind. Kolben aus Stahl werden im Zylinder. Er überträgt die bei der Auslenkung der
Dieselmotor bei hohen Belastungen eingesetzt und Pleuelstange entstehenden Seitenkräfte gleitend an
erfordern besondere Kühlmaßnahmen. die Zylinderwand. Durch genügende Schaftlänge und
Aus Festigkeits- und Gewichtsgründen ist eine sorg- enge Führung wird das sogenannte „Kolbenkippen“
fältige konstruktive Auslegung der Kolben notwen- beim Anlagewechsel des Kolbens von der einen zur
dig, verbunden mit der Forderung nach guter Kolben- gegenüberliegenden Zylinderwand (Kolbensekundär-
kühlung. Wichtige Begriffe und Abmessungen zur bewegung) gering gehalten. Dies ist für ruhigen
Beschreibung der Geometrie zeigen die Bilder 7-2 Motorlauf und zur Reduzierung des Verschleißes an
und 7-3. allen Gleitflächen des Kolbens wichtig.
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_7
82 7 Motorkomponenten

Betriebsbedingungen Anforderungen Lösung Konstruktion Lösung Werkstoff


an den Kolben
Mechanische Belastung Hohe statische und dy- Genügende Wandstärke, Verschiedene Al-Si-
a) Kolbenboden/Verbren- namische Festigkeit bei gestaltfeste Bauweise, Gusslegierungen
nungsmulde hohen Temperaturen. gleichmäßiger „Kraft- warmausgelagert (T5)
Ottomotoren: fluss“ und „Wärme- oder ausgehärtet (T6,
Zünddrücke 50 – 130 bar Hohe Flächenpressung in fluss“. T7),
Dieselmotoren: den Nabenbohrungen. gegossen oder
Zünddrücke 80 – 230 bar Geringe plastische Nabenbuchse, geschmiedet
b) Kolbenschaft: Seitenkraft: Deformation. Kolbenköpfe aus Stahl Sondermessing,
circa 6 – 8 % der maxi- oder einteilige Bronze,
malen Zündkraft Stahlkolben Vergütungsstahl
c) Kolbennaben: zulässige
Flächenpressung
temperaturabhängig
Hohe Temperatur Festigkeit muss auch bei Ausreichende Wie oben
im Verbrennungsraum: hoher Temperatur noch Wärmeflussquerschnitte,
mittlere Gastemperatur über erhalten bleiben. Kühlkanäle
1000 °C Kennzeichen:
am Kolbenboden/Mulden- Warmhärte, Dauerfestig-
kante: 200 – 400 °C keit, hohe Wärmeleit-
bei Eisenwerkstoffen: fähigkeit, zunderbeständig
circa 350 – 500 °C (Stahl)
an Bolzennabe:
150 – 260 °C
am Kolbenschaft:
120 – 180 °C
Beschleunigung von Geringes Gewicht, ergibt Leichtbau mit höchster Al-Si-Legierung,
Kolben und Pleuel bei kleine Massenkräfte Werkstoffausnutzung geschmiedet
hoher Drehzahl: beziehungsweise
zum Teil über 25.000 m/s2 Massenmomente
Gleitende Reibung Geringer Reibungs- Ausreichend große Al-Si-Legierungen,
in den Ringnuten, am widerstand, hohe Gleitflächen, gleich- Schaft verzinnt,
Schaft, in den Bolzenlagern. Verschleißfestigkeit mäßige Druckverteilung. graphitiert,
Zum Teil ungünstige (beeinflusst Lebensdauer), Hydrodynamische Kol- beschichtet,
Schmierverhältnisse geringe Neigung zum benformen im Schaft- Nutenbewehrung
Fressen bereich. Nutarmierung, durch eingegossenen
Ölversorgung Ringträger
Anlagewechsel von einer Geräuscharmut, kleines Geringes Laufspiel, Niedrige
Zylinderseite zur anderen „Kolbenkippen“ bei kal- elastische Schaftgestal- Wärmeausdehnung.
(vor allem im Bereich des tem und warmem Motor, tung mit optimierter Eutektische oder
oberen Totpunktes) geringe Kavitations- Kolbenform, Desachsie- übereutektische
anfälligkeit, kleine rung der Nabenboh- Al-Si-Legierungen
Aufschlagimpulse rungen
Bild 7-1 Betriebsbedingungen und sich daraus ergebende Forderungen an den Kolben sowie konstruktions- und
werkstoffseitige Lösungen

Die Kolbennaben haben die gesamten Längskräfte hen Belastungen ist deshalb eine besonders sorgfäl-
vom Kolben auf den Bolzen zu leiten und müssen tige Gestaltung des Nabenabstützungsbereichs er-
daher gegen den Boden und Schaft gut abgestützt forderlich. Um Nabenrisse zu vermeiden, sollte die
sein. Der ausreichend dimensionierte Abstand zwi- mittlere rechnerische Flächenpressung in der Naben-
schen Oberkante der Nabenbohrung und Kolben- bohrung von Aluminiumkolben in Abhängigkeit von
bodeninnenform führt zu einer gleichmäßigeren der Naben-Bolzen-Konfiguration, vom Werkstoff und
Spannungsverteilung im Abstützquerschnitt. Bei ho- von der Nabentemperatur Werte zwischen 55 und
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung 83

Ottomotoren Dieselmotoren
(Viertakt)
Zweitakt Viertakt Pkw-Diesel
Durchmesser D (mm) 30 bis 70 65 bis 105 65 bis 95
Gesamtlänge GL/D 0,8 bis 1,0 0,6 bis 0,7 0,8 bis 0,95
Kompressionshöhe KH/D 0,4 bis 0,55 0,30 bis 0,45 0,5 bis 0,6
Bolzendurchmesser BO/D 0,20 bis 0,25 0,20 bis 0,26 0,32 bis 0,40
Feuersteg F (mm) 2,5 bis 3,5 2 bis 8 4 bis 15
1. Ringsteg St/D* 0,045 bis 0,06 0,040 bis 0,055 0,05 bis 0,09
Nutenhöhe für 1. Ring (mm) 1,2 und 1,5 1,0 bis 1,75 1,75 bis 3,0
Schaftlänge SL/D 0,55 bis 0,7 0,4 bis 0,5 0,5 bis 0,65
Nabenabstand AA/D 0,25 bis 0,35 0,20 bis 0,35 0,20 bis 0,35
Bodendicke s/D bzw. s/DMu 0,055 bis 0,07 0,06 bis 0,10 0,15 bis 0,22**
* Werte bei Dieselmotoren gelten für Ringträgerkolben; je nach Verbrennungsspitzendruck
** Bei Direkteinspritzern ~ 0,2 u Muldendurchmesser (DMu)

Bild 7-2 Übliche Hauptabmessungen für Leichtmetallkolben/Pkw

D
Dmax

F
s

ST
KH DL

GL
BO

SL

UL
AA

F Feuersteg BO Nabenbohrungs-Δ
s Bodendicke (Bolzen-Δ)
ST Ringsteg SL Schaftlänge
KH Kompressionshöhe UL Untere Länge
DL Dehnlänge AA Nabenabstand
GL Gesamtlänge D Kolbendurchmesser
Dmax max. Muldendurchmesser Bild 7-3 Wichtige Begriffe
und Abmessungen am Kolben

75 N/mm2 nicht überschreiten. Noch höhere Werte 7.1.1.3 Desachsierung der Nabenbohrung
sind nur durch besondere Maßnahmen zur Festig- Ein Versatz der Bolzenachse zur Kolbenlängsachse
keitsteigerung der Nabenbohrung möglich. (Desachsierung) bewirkt ein optimiertes Anlagever-
Der Abstand AA zwischen den beiden Naben richtet halten des Kolbens beim Seitenwechsel. Die Auf-
sich nach der Breite des oberen Pleuelauges. Im schlagimpulse können mit dieser Maßnahme ent-
Interesse geringer Verformungswerte von Kolben scheidend beeinflusst werden. Durch Berechnung der
und Kolbenbolzen muss dieser Wert optimiert Kolbenbewegung wird die Lage und Größe des Ver-
werden. Nur mit kleinstmöglichen Nabenabständen satzes zur Kolbenlängsachse optimiert. So wird eine
kann eine optimale Abstützung ausgeführt und Reduzierung des Kolbenlaufgeräusches und eine
die oszillierenden Massen können kleingehalten Minimierung der Gefahr von Kavitation an der Zy-
werden.7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung linderlaufbuchse erreicht.
84 7 Motorkomponenten

Kolbenbauart Regelkolben Ohne Regelstreifen


Hydrothermik® Hydrothermatik® Al-Kolben Moderne
Leichtkolben
Arbeitsverfahren Otto Otto und Diesel Otto (Zweitakt) Diesel Otto (Viertakt)
Einbauspiele 0,3 bis 0,5 0,6 bis 1,3 0,7 bis 1,3 0,3 bis 0,5
(Nennmaßbereich)
Oberes Schaftende 0,6 bis 1,2 1,8 bis 2,2 1,4 bis 4,0* 1,8 bis 2,4 1,7 bis 2,2
* Nur bei 1-Ring-Ausführung und Hochleistungsmotoren (Schaftende nahe Feuersteg)

Bild 7-4 Übliche Einbauspiele von Leichtmetall-Kolben für Fahrzeugmotoren (in ‰ vom Nenndurchmesser;
Einbau in GG-Motorblock)

7.1.1.4 Einbau- und Laufspiele freie Momente, die zum Teil nicht mehr oder nur mit
Am Kolbenschaft strebt man an, das Einbauspiel mög- erheblichem Aufwand ausgeglichen werden können.
lichst klein zu halten, damit bei allen Betriebszustän- Daher entsteht vor allem bei schnelllaufenden Moto-
ren der Wunsch nach niedrigsten oszillierenden
den ein gleichmäßig ruhiger Lauf erreicht wird. Bei
Massen. Der Kolben und der Kolbenbolzen haben
Leichtmetallkolben ist dieses Ziel infolge der hohen
den größten Anteil an den oszillierenden Massen.
Wärmeausdehnung der Leichtmetall-Legierungen nur
Somit muss die Gewichtsoptimierung hier beginnen.
durch besondere Konstruktionsmaßnahmen zu errei- Etwa 80 % des Kolbengewichts liegen oberhalb der
chen. Hierfür wurden früher häufig eingegossene Kolbenbolzenachse bis zur Bodenoberkante. Von den
Stahlstreifen zur Beeinflussung der Wärmeausdeh- Hauptabmessungen am Kolben kommt somit der
nung eingesetzt („Regelkolben“). Aus Gewichts- und Kompressionshöhen-Festlegung entscheidende Bedeu-
Kostengründen kommen diese Ausführungen für tung zu, das heißt, es werden mit der Festlegung der
Neukonstruktionen nicht mehr zum Einsatz. Kompressionshöhe bereits circa 80 % des Kolbenge-
Bild 7-4 gibt eine Übersicht über die Spiele verschie- wichts vorgegeben.
dener Kolbenbauarten an Schaft und Feuersteg. Für Ottomotoren mit Direkteinspritzung wird der
Das Spiel des Kolbenbolzens in den Bolzennaben ist Kolbenboden zur Strahlumlenkung herangezogen und
für einen ruhigen Lauf der Kolben und den Ver- entsprechend geformt, Bild 7-6. Die Kolben bauen
schleiß dieser Lagerstellen wichtig. Für die Mindest- höher und werden schwerer. Der Schwerpunkt ver-
spielauslegung (Bild 7-5) ist für Ottomotoren zu un- schiebt sich nach oben. Bei strahlgeführten Einspritz-
terscheiden, ob es sich um eine „schwimmende“ verfahren werden die Böden wieder flacher.
Bolzenlagerung oder einen im kleinen Pleuelauge Die Kolbenmassen GN lassen sich am besten verglei-
eingeschrumpften Bolzen handelt. Die schwimmende chen, wenn man sie auf das Vergleichs-Volumen
Bolzenlagerung ist die Standardausführung und die in V a D3 bezieht (ohne Ringe und Bolzen).
den Kolbennaben spezifisch am höchsten belastbare
Variante. Die nach Aussage einiger Motorenbauer
kostengünstigere „Schrumpfpleuel-Ausführung“ wird
nur im Ottomotorbereich eingesetzt. Sie ist für mo-
derne Dieselmotoren und für Turbo-Ottomotoren
ungeeignet.

Schwimmende Schrumpfsitz
Bolzenlagerung Kolbenbolzen (fixed pin)
0,002 bis 0,005 0,006 bis 0,012

Bild 7-5 Mindestbolzenspiel für Ottomotoren in mm


(nicht für Rennmotoren)

7.1.1.5 Kolbenmassen
Der Kolben mit seinem Zubehör (Ringe, Bolzen,
Sicherungsringe) bildet mit dem oszillierenden Pleu-
elanteil die oszillierende Masse. Je nach Motorenbau- Bild 7-6 Kolben für einen Ottomotor mit Direkt-
art entstehen dadurch freie Massenkräfte oder/und einspritzung
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung 85

Werkstoff Arbeitsverfahren GN/D3 (g/cm3)


Aluminium- 4-Takt-Ottomotoren* 0,40 bis 0,55
Legierungen 2-Takt-Ottomotoren* 0,5 bis 0,7
Bild 7-7 Massekennzahlen für Pkw-
4-Takt-Dieselmotoren 0,80 bis 1,10 Kolben < 105 mm Durchmesser
* Saugrohreinspritzung

Für bewährte Kolbenausführungen sind die Masse- abhängig von der Kühlölmenge und der zur Wärme-
kennzahlen GN /D3 (ohne Ringe und Bolzen) in abfuhr zur Verfügung stehenden Oberfläche. Es las-
Bild 7-7 dargestellt. sen sich hiermit an Nut 1 und Nabe Temperaturab-
senkungen bis zu 30 °C erzielen. Eine einfachere
7.1.1.6 Betriebstemperaturen Variante ist eine Bohrung im großen Pleuelauge, die
Eine hinsichtlich der Betriebssicherheit und Lebens- über die Pleuellagerschmierung mit Öl versorgt wird.
dauer wichtige Größe ist die Bauteiltemperatur von Neben einer geringen Kühlwirkung bewirkt der
Kolben und Zylindern. Der den heißen Verbren- teilweise auf die Zylinderlaufbahn auftreffende Öl-
nungsgasen ausgesetzte Kolbenboden nimmt eine je strahl hier eine bessere Schmierung, die eine größere
nach Betriebspunkt (Drehzahl, Drehmoment) unter- Sicherheit gegen Kraftstoffreiber bietet.
schiedliche Wärmemenge auf. Diese Wärmemenge
wird bei nicht ölgekühlten Kolben hauptsächlich durch 301.0
den 1. Kolbenring, in wesentlich geringerem Maß [°C]
290.0
durch den Kolbenschaft, an die Zylinderwand abgege- 280.0
ben. Bei Einsatz einer Kolbenkühlung wird dagegen 269.0
ein wesentlicher Anteil der Wärmemenge an das Mo- 259.0
toröl abgegeben. Durch die konstruktiv gegebenen 248.0
Materialquerschnitte ergeben sich Wärmeströme, die 237.0
zu charakteristischen Temperaturfeldern führen. Typi- 227.0
sche Temperaturverteilungen an Kolben für Otto- und 216.0
Dieselmotoren zeigen die Bilder 7-8 und 7-9. 206.0
Hohe thermische Belastung mindert einerseits die 195.0
184.0
Dauerfestigkeit des Kolbenwerkstoffs. Die kritischs-
174.0
ten Stellen diesbezüglich sind beim Dieselmotor mit
163.0
Direkteinspritzung der Naben-Zenit sowie der Mul-
153.0
denrand, beim Ottomotor der Übergangsbereich
142.0
Nabenanbindung zu Kolbenboden.
Andererseits sind die Temperaturen in der 1. Ringnut Bild 7-8 Temperaturverteilung an einem Kolben für
hinsichtlich der Ölverkokung von Bedeutung. Bei einen Ottomotor
Überschreiten gewisser Grenzwerte neigen die Kolben-
ringe abhängig von der Ölqualität zum „Festgehen“
und werden hierdurch in ihrer Funktion beeinträchtigt. 375.0
[°C]
Neben den Maximaltemperaturen ist die Abhängigkeit 359.0
der Kolbentemperaturen von den motorischen Be- 343.0
triebsbedingungen (wie Drehzahl, Mitteldruck, Zünd- 327.0
zeitpunkt, Einspritzmenge und -zeitpunkt) von Bedeu- 311.0
tung. Bild 7-10 zeigt typische Werte für Pkw Otto- und 295.0
Dieselmotoren im Bereich der 1. Ringnut, abhängig 279.0
von unterschiedlichen Betriebsbedingungen. 263.0
247.0
7.1.1.7 Kolbenkühlung 231.0
215.0
Durch steigende Motorleistungen und Aufladung 199.0
wird die gezielte Kolben-Kühlung auch bei Ottomo- 183.0
toren weiter an Bedeutung gewinnen. 167.0
151.0
Anspritzkühlung 135.0
Eine übliche Ausführung ist eine am unteren Ende
des Zylinders befindliche Düse, die Motoröl in die Bild 7-9 Temperaturverteilung an einem Kolben mit
Innenkontur des Kolbens spritzt. Die Kühlwirkung ist Kühlkanal für einen Dieselmotor
86 7 Motorkomponenten

Motorbedingungen Änderung der Motorbedingungen Änderung der Kolbentemperatur


in der Nut 1
Wasserkühlung Wassertemperatur 10 °C 4 bis 8 °C
50 % Frostschutz + 5 bis 10 °C
Schmieröltemperatur 10 °C 1 bis 3 °C
(ohne Kolbenkühlung)
Kolbenkühlung durch Öl Spritzdüse im Pleuelfuß – 8 bis 15 °C einseitig
Normale Spritzdüse (Standdüse) – 10 bis 30 °C
Kühlkanal – 25 bis 50 °C
Kühlöltemperatur 10 °C 4 bis 8 °C (auch Muldenrand)
Mitteldruck (n = konst.) 0,1 MPa 5 bis 10 °C (Muldenrand 15 bis 20 °C)
Drehzahl (pe = konst.) 100 1/min 2 bis 4 °C
Zündzeitpunkt, 1° kW 1,5 bis 3,5 °C
Förderbeginn
Luftverhältnis Lambda Lambda = 0,8 bis 1,0 Geringer Einfluss

Bild 7-10 Einfluss der Motorbetriebsbedingungen auf die Kolbenringnuttemperaturen

Kolben mit Kühlölhohlräumen 7.1.1.8 Kolbenbauarten


Eine aufwändigere, jedoch wirkungsvollere Möglich- Die Kolbenentwicklung hat eine große Zahl von
keit zur Kolbenkühlung ist die Einbringung von Bauarten hervorgebracht, von denen die wichtigsten
Hohlräumen im thermisch hoch beanspruchten Be- im Motorenbau bewährten Ausführungen vorgestellt
reich Kolbenboden und Ringnuten. Durch eine Zu- werden. Daneben werden neue Entwicklungsrichtun-
lauföffnung wird ein ringförmiger Kühlkanal über gen verfolgt, wie zum Beispiel Kolben für extrem
eine Spritzdüse mit Motoröl versorgt, das nach niedrig bauende Motoren, Kolben aus Verbundwerk-
Wärmeaufnahme ('T bis circa 40 °C) durch eine stoff mit lokalen Verstärkungselementen oder Kolben
Ablauföffnung auf der gegenüberliegenden Seite des mit veränderlicher Kompressionshöhe (VKH-Kol-
Kolbens in den Ölsumpf zurückgeführt wird. Die ben), die eine variable Verdichtung zulassen.
empfohlenen spezifischen Kühlölmassen betragen Zur Anwendung kommen in modernen Ottomotoren
etwa 5 kg/kWh. Optimal wirksam hinsichtlich der Leichtbaukonstruktionen mit symmetrischen oder
Nutkühlung ist ein direkt an den Ringträger ange- asymmetrischen ovalen Schaftformen und gegebe-
formter Kühlkanal („gekühlter Ringträger“). nenfalls unterschiedlichen Wanddicken für die
Bild 7-11 zeigt die typischen Einsatzbereiche ver- Druck- und Gegendruckseite. Diese Kolbenbauarten
schiedener Kolbenausführungen. zeichnen sich durch Gewichtsoptimierung und be-

Arbeitsverfahren Belastung
Otto keine Kolbenkühlung Kolben mit Anspritzkühlung geschmiedeter Kolben mit
Anspritzkühlung
niedrig | 40 kW/l mittel | 65 kW/l hoch t 60 kW/l

Pkw-Diesel Anspritzkühlung Kühlkanalkolben gekühlter Ringträger


niedrig d 35 kW/l mittel | 35 – 70 kW/l hoch > 45 kW/l

Bild 7-11 Übersicht Kühlungsvarianten


7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung 87

sondere Flexibilität im mittleren und unteren Schaft-


bereich aus. Aus den genannten Gründen treten die
„Regelkolben“ immer mehr in den Hintergrund. Der
Vollständigkeit wegen werden auch ältere Bauarten
kurz angesprochen.

Kolben mit wärmeausdehnungsregelnden Streifen-


einlagen für den Einbau in Grauguss-Motorblöcke
Das Hauptziel der Regelkolben-Konstruktionen und
vieler Erfindungen auf diesem Sektor war und ist das
Bestreben, die verhältnismäßig großen Unterschiede Bild 7-13 Asymdukt®-Kolben
in den Wärmeausdehnungen zwischen Grauguss-Mo-
torblock und Aluminiumkolben zu verringern. Die
querschnitte sind so bemessen, dass einerseits der
bekannt gewordenen Lösungen reichen vom Invar-
Wärmefluss vom Kolbenboden zum Schaft relativ
streifenkolben bis zu den Hydrothermik®- oder
unbehindert bleibt, andererseits die Wirkung der
Hydrothermatik®-Kolben.
Stahlstreifen durch die Verbindung des Schafts mit
dem starren Kopfteil nicht wesentlich beeinträchtigt
Hydrothermik®-Kolben
wird. So vereint diese Kolbenkonstruktion die hohe
Hydrothermik®-Kolben, Bild 7-12, sind Konstruktio- Festigkeit des ungeschlitzten Kolbens mit den Vorzü-
nen mit einem nach hydrodynamischen Gesichts- gen der Regelstreifenbauart. Der Hydrothermatik®-
punkten ausgebildeten Schaftprofil. Sie werden in Kolben ist auch zum Betrieb in Saugdieselmotoren
Ottomotoren für Pkw eingebaut. Die Kolben sind im geeignet.
Übergang vom Kolbenboden zum Schaft auf der Hö-
he der 3. Nut geschlitzt. Diese Kolben zeichnen sich Asymdukt®-Kolben
durch besonders ruhigen Lauf und lange Lebensdauer Diese moderne Kolbenbauart, Bild 7-13, zeichnet
aus. Die zwischen Schaft und Bolzennaben eingegos- sich durch geringes Gewicht, eine optimierte Abstüt-
senen Streifen aus unlegiertem Stahl bilden zusam- zung und kastenähnliche ovale Schaftgestaltung aus.
men mit dem sie umgebenden Leichtmetall Regel- Sie ist hervorragend für den Einsatz in modernen
glieder, die die Wärmeausdehnung des Schafts in der Pkw-Ottomotoren geeignet. Sie eignet sich sowohl
für die Führung im Zylinder maßgeblichen Richtung für Al-Motorblöcke wie auch für Grauguss-Motor-
verringern. blöcke. Durch die flexible Schaftgestaltung kann die
unterschiedliche Wärmeausdehnung zwischen Grau-
Hydrothermatik®-Kolben guss-Block und Aluminium-Kolben sehr gut im elas-
Hydrothermatik®-Kolben arbeiten nach dem gleichen tischen Bereich kompensiert werden. Die Kolben
Regelprinzip wie die Hydrothermik®-Kolben. können gegossen oder aber auch geschmiedet sein.
Beim Hydrothermatik®-Kolben ist der Übergang vom Die geschmiedete Ausführung kommt vor allem in
Kopfteil zum Schaft nicht geschlitzt; die Übergangs- hochbelasteten Sportmotoren oder in hochbelasteten
Turbo-Ottomotoren zum Einsatz.

Evotec®- und Evolite®-Kolben


Weiterentwicklungen des Asymdukt®-Kolbens sind
der Evotec®- und jüngst der Evolite®-Kolben mit
deutlich unterschiedlichen Schaftbreiten, die stark
gewichtsoptimiert sind, ohne Kompromisse in der
Belastbarkeit einzugehen, Bild 7-14. Diese Kolben-
bauarten erfordern Anpassungen am Gießwerkzeug
und im Gießprozess.

Kolben für den Rennsport


Hier handelt es sich durchweg um Sonderkonstruk-
tionen, Bild 7-15. Die Kompressionshöhe KH ist sehr
niedrig und der Kolben insgesamt extrem gewichts-
optimiert. Es kommen nur geschmiedete Kolben zum
Einsatz. Die Gewichtsoptimierung und die Kolben-
kühlung sind hier entscheidende Kriterien für die
Bild 7-12 Hydrothermik®-Kolben Auslegung dieser Kolben. In der Formel 1 sind spezi-
88 7 Motorkomponenten

Bild 7-14 Evotec®-Kolben Bild 7-16 Kolben und Zylinder für Zweitaktmotor

Ringträgerkolben
Bei Ringträgerkolben, Bild 7-17, – schon 1931 se-
rienmäßig eingeführt – liegt die oberste, mitunter
auch noch die zweite Ringnut in einem durch inter-
metallische Bindung fest mit dem Kolbenwerkstoff
verbundenen sogenannten „Ringträger“.
Der Ringträgerwerkstoff besteht aus einem nicht-
magnetischen Gusseisen mit ähnlichem Wärmeaus-
dehnungsverhalten wie der Kolbenwerkstoff. Der
Werkstoff ist gegen Reib- und Schlagverschleiß be-
sonders widerstandsfähig. Die am meisten gefährdete
erste Nut und der darin eingesetzte Kolbenring wer-
den dadurch wirksam vor überhöhtem Verschleiß
geschützt. Dies wirkt sich besonders vorteilhaft bei
hohen Betriebstemperaturen und -drücken aus, wie
Bild 7-15 Formel-1-Kolben geschmiedet, V8-Motor sie speziell im Dieselmotor, aber auch bei hochbelas-
teten Ottomotoren auftreten.
fische Leistungen von mehr als 200 kW/l und Dreh-
zahlen von 15.000 1/min üblich. Die Lebensdauer der
Kolben ist auf die extremen Bedingungen abge-
stimmt.

Kolben für Zweitaktmotoren


Beim Zweitaktkolben, Bild 7-16, ist die thermische
Belastung wegen des häufigeren Wärmeeinfalls – bei
jeder Umdrehung der Kurbelwelle ein Arbeitshub –
besonders hoch. Bei seiner Auf- und Abbewegung im
Zylinder steuert der Kolben den Gaswechsel, indem
er die Ein-, Auslass- und Überströmkanäle abdeckt
beziehungsweise freigibt. Dies führt zu einer hohen
thermischen und mechanischen Belastung.
Zweitaktkolben sind mit einem oder zwei Kolbenrin-
gen ausgestattet und können in ihrer äußeren Gestalt
von der offenen Fensterkolbenbauart bis zur Ausfüh-
rung als Vollschaftkolben variieren. Dies ist abhängig
von der Gestaltung der Überströmkanäle (lange
Kanäle oder kurze Henkelkanäle). Die Kolben wer-
den in diesem Fall üblicherweise aus der übereutekti- Bild 7-17 Ringträgerkolben mit Nabenbuchsen aus
schen Al-Si-Legierung MAHLE 138 hergestellt. Sondermessing
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung 89

Bild 7-18 Kühlkanalkolben mit Ringträger für einen


Pkw-Dieselmotor
Bild 7-19 Pkw-Kolben mit gekühltem Ringträger
Gekühlte Kolben
Um eine besonders wirksame Kühlung im brenn- Armierung der Nabenbohrungen mittels einge-
raumnahen Bereich zu erreichen und den durch schrumpfter Buchsen aus einem Werkstoff höherer
Leistungssteigerungen bedingten, erhöhten Tempera- Festigkeit (zum Beispiel CuZn 31 Si 1) entwickelt.
turen zu begegnen, gibt es verschiedene Ausführun-
gen von Kühlkanälen beziehungsweise Kühlräumen. Ferrotherm®-Kolben
Die Zufuhr des Kühlöls erfolgt allgemein über im
Kurbelgehäuse angebrachte Standdüsen. Beim Ferrotherm®-Kolben, Bild 7-20, werden Füh-
Beim Kühlkanalkolben, Bild 7-18, werden die ring- rungs- und Abdichtfunktionen voneinander getrennt.
förmigen Hohlräume durch Eingießen von Salzker- Die beiden Teile, Kolbenkopf und Kolbenschaft, sind
nen geschaffen. Die eingegossenen Kerne werden mit über den Kolbenbolzen beweglich miteinander ver-
Wasser, das mit sehr hohem Druck eingespritzt wird, bunden. Der Kolbenkopf, bestehend aus Schmiede-
herausgelöst. stahl, überträgt den Zünddruck über Bolzen und
Pleuel auf die Kurbelwelle.
Kolben mit gekühltem Ringträger Der leichte Aluminiumschaft stützt lediglich die
Seitenkräfte ab, die durch die Winkelstellungen des
Eine weitere gekühlte Kolbenvariante ist der Kolben Pleuels entstehen und unterstützt durch entsprechende
mit „gekühltem Ringträger“, Bild 7-19. Der „gekühl- Formgebung die notwendige Ölkühlung des Kolben-
te Ringträger“ erlaubt eine wesentlich verbesserte kopfs. Neben dieser „Shakerkühlung“ über den
Kühlung der ersten Ringnut und des thermisch hoch- Schaft können auch geschlossene Kühlräume im
belasteten Verbrennungsmuldenrandes. Durch die Kolbenkopf realisiert werden. Der äußere Kühlraum
intensive Kühlung der ersten Ringnut ist es möglich, des Stahl-Kolbenkopfes wird dazu mit geteilten
den üblichen Doppeltrapezring durch einen Rechteck- Federblechen verschlossen, Bild 7-20.
ring zu ersetzen. Der Ferrotherm®-Kolben bietet durch seine Bauweise
neben hoher Festigkeit und Temperaturbeständigkeit
Kolben mit Buchsen in der Nabenbohrung geringe Verschleißwerte. Sein konstant niedriger Öl-
verbrauch, sein geringes Schadvolumen sowie seine
Einer der höchstbelasteten Bereiche des Viertakt-
vergleichsweise hohe Oberflächentemperatur bieten
Kolbens ist die Bolzenlagerung. Dort unterliegt der
gute Voraussetzungen für die Einhaltung niedriger
Kolbenwerkstoff thermischen Belastungen bis über
Abgas-Emissionsgrenzwerte.
240 °C und kommt damit in einen Temperaturbereich,
in dem die Werkstofffestigkeit der Aluminiumlegie-
Monotherm®-Kolben
rungen deutlich abfällt.
Für extrem belastete Kolben reichen geometrische Der Monotherm®-Kolben [4], Bild 7-21, ist aus der
Maßnahmen, wie Formbohrung, Entlastungstaschen Entwicklung des Ferrotherm®-Kolbens hervorgegan-
sowie ovale Nabenbohrungen, zur Steigerung der Na- gen. Diese Kolbenbauart – ein einteiliger Kolben aus
benbelastbarkeit nicht mehr aus. Deshalb wurde eine geschmiedetem Stahl – ist sehr stark gewichtsopti-
90 7 Motorkomponenten

teils oder eines Ringeinsatzes mit dem geschmiedeten


Stahlkolbenunterteil, wodurch sich eine erhöhte Stei-
figkeit des Bodenbereichs erzielen lässt.

7.1.1.9 Kolbenherstellung
Moderne Gieß- und Bearbeitungsmaschinen in Ver-
bindung mit einem integrierten Qualitätsmanage-
mentsystem garantieren ein Höchstmaß an Qualität
für die gesamte Produktpalette.

Kokillenguss
Kolben aus Aluminiumlegierungen werden überwie-
gend im Schwerkraft-Kokillengießverfahren herge-
stellt. Die aus Eisenwerkstoffen bestehenden Kokillen
bewirken eine rasche Erstarrung der Schmelze, wo-
durch sich bei kurzer Gieß-Zykluszeit ein feinkörni-
ges Gefüge mit guten Festigkeitseigenschaften aus-
bildet. Eine optimierte Kokillenkühlung in Verbin-
dung mit einer sorgfältig ausgelegten Speiser- und
Anschnitttechnik ist notwendig, um bei den konstruk-
tiv vorgegebenen Wanddickenunterschieden vom
Bild 7-20 Ferrotherm®-Kolben dünnen Schaft zum dicken Kolbenboden durch eine
gezielte Erstarrung ein möglichst fehlerfreies und
dichtes Gussstück zu erzeugen. Mehrteilige Gießfor-
men und Gießkerne erlauben eine freizügige Gestal-
tung der Kolbengeometrie, so dass auch Hinter-
schneidungen, zum Beispiel an der Kolbeninnenform,
realisiert werden können. Zur Erhöhung des Ver-
schleißwiderstands der Ringnuten lassen sich Ring-
träger aus austenitischem Gusseisen mit intermetalli-
scher Bindung (Alfin-Bindung) problemlos eingie-
ßen. Durch Eingießen von Kernen aus gepresstem
Salz, die anschließend durch Wasser ausgelöst wer-
den, können Hohlräume zur Kolbenkühlung gebildet
werden. Mit speziellen Gießverfahren kann lokal der
Aluminiumwerkstoff mit einer Verstärkung durch
keramische Fasern hergestellt werden. Um den hohen
Ansprüchen an Qualität und Wirtschaftlichkeit Rech-
nung zu tragen, werden in der Großserienherstellung
Mehrfachkokillen und Gießroboter eingesetzt.

Schleuderguss
Für die Herstellung der Ringträger zur Kolbennutbe-
wehrung wird das Schleudergießverfahren eingesetzt.
Bild 7-21 Monotherm®-Kolben für Nkw-Motor In rotierenden Kokillen werden Rohre aus austeniti-
schem Gusseisen mit Lamellengraphit gegossen, aus
denen die Ringträgerringe bearbeitet werden.
miert. Bei kleiner Kompressionshöhe und Bearbei-
tung oberhalb des Augenabstands (innen) kann das
Strangguss
Kolbengewicht mit Kolbenbolzen nahezu gleich dem
Gewicht des vergleichbaren Aluminium-Kolbens mit Dieses Verfahren ist bekannt für Knetlegierungen –
Kolbenbolzen sein. Der äußere Kühlraum ist zur vorwiegend für Barren und Blöcke. MAHLE hat die-
Verbesserung der Kolbenkühlung durch zwei Feder- ses Verfahren, bei dem der Strang unmittelbar nach
blechhälften verschlossen. Der Monotherm®-Kolben der Kokille direkt mit Wasser abgekühlt wird, für die
wird vorwiegend für hochbelastete Nkw-Motoren üblichen Kolbenlegierungen weiterentwickelt. Die
eingesetzt. Eine Weiterentwicklung dieses Kolben- hohe Erstarrungsgeschwindigkeit hat positive Aus-
konzepts erfolgt durch das Verschweißen eines Ober- wirkungen auf das Gefüge.
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung 91

Die Stränge werden in verschiedenen Durchmessern x komplexen Kolbenaußenformen und engen Kol-
gegossen und dienen als Ausgangsmaterial für ge- ben-Durchmessertoleranzen
schmiedete Kolben oder Kolbenteile. x komplexen Nabenbohrungsformen (rund, oval
oder Sonderformen) und engen Nabenbohrungs-
Schmieden (Pressen) toleranzen
Für die Herstellung von Kolben und Kolbenuntertei- x hoher Oberflächengüte und Geometrie bei Recht-
len (gebaute Kolben) aus Al-Legierungen für hochbe- eck- und Trapeznuten in Alu-Kolbenlegierungen
lastete Motoren wird das Schmieden beziehungsweise sowie in Ringträgern aus Niresist
Warmfließpressen angewendet. Als Ausgangsmateri- x engen Kompressionshöhentoleranzen.
al dienen üblicherweise Stranggussabschnitte. Das So erfolgt die Bearbeitung komplexer Kolbenaußen-
Umformen führt zu wesentlich höheren und gleich- formen auf freiprogrammierbaren Formdrehmaschi-
mäßigeren Festigkeitswerten als sie beim Gießen zu nen, deren CNC-Steuerung hohe Flexibilität und
erreichen sind. Eine weitere Möglichkeit besteht in
Qualität garantieren. Damit sind zum Beispiel aus
der Verwendung von Halbzeug aus sprühkompaktier-
Motorenversuchen empirisch als optimal gefundene
ten oder pulvermetallurgisch hergestellten Werkstof-
unregelmäßige Kolbenformen problemlos in der
fen. Mit dieser Verfahrenstechnik lassen sich für
Großserie herstellbar.
höchstbelastete Kolben (Rennsport) extrem warmfes-
Das Gleiche gilt für die Bearbeitung der Nabenboh-
te Werkstoffe einsetzen, die schmelzmetallurgisch
rung. Mit einer ebenfalls frei programmierbaren
nicht herstellbar sind.
Formfeinbohrmaschine sind unterschiedliche Naben-
Flüssigpressen (Liquostatik®, squeeze casting) bohrungsformen in Nabenbohrungsachsrichtung und
in Nabenbohrungsumfangsrichtung möglich.
Das Flüssigpressen unterscheidet sich vom Schwer-
Die Bearbeitung der Ringnuten im Eisenwerkstoff
kraft-Kokillenguss durch den auf die Schmelze auf-
von Ringträgerkolben stellt besonders hohe Ansprü-
gebrachten Druck (bis 100 MPa und darüber), der bis
che an die Fähigkeiten der eingesetzten Maschinen.
zur vollständigen Erstarrung des Gussstücks auf-
rechterhalten bleibt. Der außerordentlich gute Kon-
takt der erstarrenden Schmelze mit den Kokillenwän- 7.1.1.10 Laufflächenschutz/Oberflächenschutz
den bewirkt eine sehr schnelle Erstarrung. Dadurch
Die heutigen hoch entwickelten Werkstoffe und
wird ein für die Werkstofffestigkeit vorteilhaftes
Feinbearbeitungsverfahren für Kolben gewährleisten
feines Gefüge erzielt.
hohe Verschleißbeständigkeit und gute Laufeigen-
Mit dem Flüssigpressen lassen sich Kolben herstel-
len, die örtlich am Kolbenboden, im Nut- oder Na- schaften. Trotzdem sind für die Einlaufphase und für
benbereich mit Keramikfasern oder porösen metalli- ungünstige Betriebszustände – Trockenlauf nach häu-
schen Werkstoffen verstärkt sind. Diese Eingießteile figen Kaltstarts, vorübergehende Überlastung, Man-
werden vollständig durch den auf die Schmelze gelschmierung – Laufschutzschichten mit besonderen
aufgegebenen Druck mit der Kolbenlegierung durch- Notlaufeigenschaften am Kolbenschaft vorteilhaft.
drungen. Unter besonderen Bedingungen sind Verschleiß-
Neben dem Flüssigpressen mit sehr hohem Druck ist schutzschichten, zum Beispiel im Nutbereich, erfor-
auch ein modifiziertes Gießverfahren einsetzbar, das derlich. Hoher thermischer Beanspruchung am Kol-
mit nur geringen Änderungen erlaubt, auch übliche benboden muss mit zusätzlichen lokalen Schutzmaß-
Gießwerkzeuge zur Herstellung von lokal faserver- nahmen begegnet werden. Für die verschiedenen
stärkten Kolben einzusetzen. Aufgaben haben sich die nachfolgend erläuterten
Beschichtungen vielfältig bewährt.
Wärmebehandlung (Vergütung) Mit automatischen Sondermaschinen für die Oberflä-
chenbehandlung werden Kolben beschichtet durch:
Leichtmetallkolben erfahren je nach Legierung und
Herstellungsart eine ein- oder mehrstufige Wärme- x Verzinnung der kompletten Kolbenoberfläche
behandlung. Dadurch erhöhen sich bei den meisten Le- x Phosphatieren + Grafitieren (Spritzverfahren)
gierungen die Härte und die Festigkeit. Außerdem wer- x Grafitieren (Siebdruck) mit und ohne Phospha-
den dadurch bleibende Volumenänderungen („Wach- tieren
sen“) und Verzüge, die sonst unter dem Einfluss der a) Kolbenschaft
Betriebswärme auftreten würden, vorweggenommen. b) Kolbenschaft und Ringpartie
x Fe-Beschichtung Kolbenschaft partiell (bei Alu-
Bearbeitung minium-Zylinderlaufflächen)
Bedeutende Kolbenhersteller entwickeln für die Kol- x HA-Beschichtung (Hartanodisieren)
benbearbeitung selbst Fertigungskonzepte und Son- a) 1. Nut
dermaschinen. Die Besonderheiten liegen in b) Kolbenboden (komplett oder teilweise).
92 7 Motorkomponenten

Verbesserung des Gleitverhaltens Thermischer Schutz


Ein dünner Überzug aus Zinn, der chemisch auf den Kolben für Dieselmotoren sind im Boden- und Mul-
Leichtmetallkolben aufgebracht wird, beugt bei Kalt- denrandbereich sehr hohen Temperaturwechselbelas-
starts und beim Einlaufen unter ungünstigen Schmier- tungen ausgesetzt. Diese können zu Temperaturwech-
verhältnissen Fressangriffen vor. Die Schichtdicke selrissen führen. Eine Hartoxidschicht am Boden des
liegt bei circa 1 Pm. Aluminiumkolbens, Bild 7-22, mit einer typischen
Bei engen Einbauspielen und sehr hohen Anforde- Dicke von circa 80 Pm, verbessert die Temperatur-
rungen hinsichtlich Fresssicherheit wird die GRA- wechselbeständigkeit und verhindert dadurch die
FAL®-Laufschicht verwendet. Diese Beschichtung Bildung von Muldenrand- beziehungsweise Boden-
besteht aus mit Grafit gefülltem Kunstharz, das haft- rissen. In Bolzenrichtung sind Aussparungen sinn-
fest auf die Kolbenlauffläche aufgebracht wird. Die voll, um keine Kerbwirkung im Bereich der maxima-
Dicke der Schicht liegt im Allgemeinen bei 20 Pm. len Zugspannungsamplituden zu erzeugen.
Kolben für Pkw-Motoren erhalten typischerweise die
im Siebdruck aufgebrachte Schichtvariante GRA-
FAL® 255, während bei Kolben für Nutzfahrzeug-
und Großmotoren die Spritzschicht GRAFAL® 240
oder die Siebdruckschicht GRAFAL® 255 zum
Einsatz kommt. Als noch verschleißbeständigere
Weiterentwicklung ersetzt die Evoglide®-Schicht die
Siebdruck-Grafalschicht bei Neuentwicklungen.
Die Paarung Bolzen/Nabe ist bei Aluminumkolben
normalerweise – richtige Form- und Spielgebung
vorausgesetzt – bezüglich des Gleitverhaltens auch
ohne spezielle Beschichtung unkritisch. Bei Stahl-Kol-
ben sind dagegen besondere Schutzmaßnahmen erfor-
derlich. Als Alternative zu Nabenbuchsen gewinnt
hier eine Gleitphosphatierung zunehmende Bedeutung.
Erhöhung des Verschleißschutzes
Mit dem unbeschichteten SILUMAL®-Zylinder oder
anderen unbeschichteten Zylinderwerkstoffen auf
Basis Aluminium-Silizium werden FERROSTAN®-
beschichtete Kolben gepaart. FERROSTAN®-Kol- Bild 7-22 Hartanodisierter Kolbenboden
ben besitzen am Schaft eine Eisenschicht mit einer
Schichtdicke von 6 Pm und einer Härte von
HV 350 bis 600. Die Eisenschicht wird maßgenau aus 7.1.1.11 Kolbenwerkstoffe
speziellen Elektrolyten galvanisch abgeschieden. Zur
Konservierung und zur Verbesserung des Gleitverhal- Aluminiumlegierungen
tens wird der eisenbeschichtete Kolben zusätzlich mit Reinaluminium ist für Kolben wie für viele andere
einer 1 Pm dicken Zinnschicht überzogen. Neu ist die Verwendungszwecke zu weich und zu wenig ver-
Anwendung von Siebdruckschichten, die Eisenpar- schleißbeständig. Deshalb sind Legierungen entwi-
tikel enthalten. Als FERROPRINT®-Schicht sind sie
ckelt worden, die besonders auf die im Kolbenbau
erfolgreich im Serieneinsatz.
gestellten Anforderungen abgestimmt sind. Sie verei-
Auf Grund gestiegener thermischer und mechanischer
nigen bei niedrigem spezifischem Gewicht gute
Belastungen treten an den Flanken der ersten Nut von
Warmfestigkeitseigenschaften mit geringer Ver-
Ottomotor-Kolben häufig Verschleiß- und Zerrüt-
schleißneigung, hoher Wärmeleitfähigkeit und zu-
tungseffekte auf. Als wirksame Gegenmaßnahme
meist auch niedriger Wärmeausdehnung.
wurde ein Hartanodisieren des gefährdeten Bereichs in
Je nach dem Hauptzusatz Silizium oder Kupfer haben
die Serie eingeführt. Beim Hartanodisieren von Alu-
sich zwei Legierungsgruppen herausgebildet:
minum-Legierungen wird eine oberflächennahe Rand-
zone des Grundmaterials Aluminum elektrolytisch in Aluminium-Silizium-Legierungen:
Aluminum-Oxid umgewandelt. Die dabei erzeugte
Schicht ist keramischer Natur, mit einer Härte von x Eutektische Legierungen mit 11 bis 13 % Si und
circa 400 HV. In dieser Anwendung wird eine kleineren Anteilen hauptsächlich von Cu, Mg, Ni.
Schichtdicke von circa 15 Pm eingestellt und die Zu dieser im Motorenbau am häufigsten ver-
Verfahrensparameter wurden so optimiert, dass eine wendeten Gruppe von Kolbenlegierungen gehört
relativ geringe Schichtrauheit entsteht, so dass die MAHLE 124, die auch bei Zylindern eingesetzt
Nutflanken nicht mehr nachbearbeitet werden müssen. wird. Sie bietet für viele Anwendungsfälle eine
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung 93

ideale Kombination aus mechanischen, physikali- des Verbundwerkstoffs geschieht durch Infiltration
schen und technologischen Eigenschaften. Für den der Verstärkungselemente mit Leichtmetallen wie
Einsatz speziell bei hohen Temperaturen wurde Aluminium oder Magnesium unter Anwendung des
die Legierung MAHLE 174+ mit größeren Ge- Flüssigpressverfahrens. Magnesium hat sich bis heute
halten an Cu und Ni entwickelt. Sie zeichnet sich in der Großserie nicht durchsetzen können. Der hohe
durch bessere thermische Stabilität und deutlich Preis und die ungünstigen Kriecheigenschaften sind
gesteigerte Warmfestigkeit aus. die Hauptgründe dafür.
x Übereutektische Legierungen mit 15 bis 25 % Si Unter den vielfältigen Möglichkeiten ist vor allem die
und Zusätzen von Cu, Mg und Ni, zum Beispiel Verstärkung von Aluminiumkolben mit keramischen
bei MAHLE 138 und für hohe Temperaturen bei Kurzfasern aus Aluminiumoxid zu einer erfolgrei-
MAHLE 145. Sie werden für Kolben dort einge- chen Serienanwendung gekommen. Die Fasern wer-
setzt, wo die Forderung nach geringer Wärmeaus- den nach einem Waschprozess zur Entfernung nicht
dehnung und hoher Verschleißbeständigkeit im faserförmiger Bestandteile zu eingießbaren Formtei-
Vordergrund steht. Für Zylinder beziehungsweise len (Preforms) mit Fasergehalten zwischen 10 und
Motorblöcke ohne Laufbahnbewehrung kommt 20 Vol.-% verarbeitet. Damit werden zum Beispiel
die Legierung MAHLE 147 (SILUMAL®) zum am Muldenrand von Dl-Dieselkolben deutliche Fes-
Einsatz. tigkeitssteigerungen erzielt.
Werkstoffkennwerte zeigen die Bilder 7-23 und Für Ringnuten wurde ein Verstärkungselement aus
7-24. porösem Sinterstahl mit durchgehender Porosität von
30 bis 50 % entwickelt. Der Porostatik®-Verbund-
Aluminium-Kupfer-Legierungen: In geringerem werkstoff weist günstige Verschleißeigenschaften und
Umfang werden wegen ihrer guten Warmfestigkeit
eine sichere Verbindung zum umgebenden Alumini-
auch nahezu siliziumfreie Legierungen mit Kupfer
umgrundwerkstoff auf. Er eignet sich beispielsweise
und niedrigen Nickelzusätzen eingesetzt. Im Ver-
zur Bewehrung extrem hoch liegender Ringnuten, bei
gleich zu den Al-Si-Legierungen weisen sie höhere
denen für ein Umgießen auf der Bodenseite kein
Wärmeausdehnung und geringere Verschleißbe-
Raum verbleibt.
ständigkeit auf. Während die Al-Si-Legierungen
sowohl gießbar als auch warm umformbar sind,
eignen sich die Al-Cu-Legierungen eher für die 7.1.2Kolbenbolzen
Warmumformung.
7.1.2.1 Funktion
Leichtmetall-Verbundwerkstoffe
Durch die Verbundwerkstofftechnik eröffnen sich Der Kolbenbolzen stellt die Verbindung zwischen
verschiedenartige Möglichkeiten, die Belastbarkeit Kolben und Pleuel her. Er ist den hohen wechselnden
von Leichtmetallkolben wesentlich zu steigern. Hier- Belastungen aus Gasdruck und Massenkraft ausge-
bei werden Verstärkungselemente, zum Beispiel aus setzt. Wegen der nur geringen Relativbewegungen
Keramik, Kohlenstofffasern oder porösen metalli- (Drehbewegungen) zwischen Kolben und Bolzen be-
schen Werkstoffen, in besonders hoch belasteten ziehungsweise Bolzen und Pleuel liegen zudem un-
Kolbenregionen gezielt angeordnet. Die Herstellung günstige Schmierverhältnisse vor.

Bezeichnung MAHLE 124 MAHLE 138 MAHLE 174+

Elastizitätsmodul E 20 °C 80 000 84 000 84 000


[N/mm2] 250 °C 72 000 75 000 75 000
Wärmeleitzahl O 20 °C 155 143 130
[W/mk] 250 °C 159 150 142

Mittlere, lineare 20 – 100 °C 19,6 18,6 19,2


Wärmeausdehnung D 20 – 300 °C 21,4 20,2 21,1
[1/K · 10–6]

Dichte U 20 °C 2,68 2,67 2,77


[g/cm3]

Bild 7-23 Physikalische Eigenschaften von MAHLE-Aluminiumkolbenlegierungen


94 7 Motorkomponenten

Festigkeitswerte gelten für getrennt hergestellte Probestäbe.

Bezeichnung MAHLE 124 G MAHLE 124 P MAHLE 138 G MAHLE 174+

Zugfestigkeit Rm 20 °C 200 bis 250 300 bis 370 180 bis 220 200 bis 280
[N/mm2] 250 °C 90 bis 110 110 bis 140 80 bis 110 100 bis 120

Dehngrenze Rp0,2 20 °C 190 bis 230 280 bis 340 170 bis 200 190 bis 260
[N/mm2] 250 °C 70 bis 100 90 bis 120 70 bis 100 80 bis 110

Bruchdehnung A 20 °C 0,1 bis 1,5 1 bis 3 0,2 bis 1,0 0,1 bis 1,5
[%] 300 °C 2 bis 4 8 bis 10 1,0 bis 2,2 1,5 bis 2,5

Biegewechsel- 20 °C 90 bis 110 100 bis 140 80 bis 100 100 bis 110
Festigkeit Vbw 250 °C 45 bis 50 50 bis 60 40 bis 50 50 bis 55
[N/mm2]

Relative Verschleißzahl 1 0,9 0,95

Brinellhärte HB 2,5/62,5 90 bis 130 100 bis 150

Dauerfestigkeit von Kolbenlegierungen


(Vorauslagerung von 1000 h, „99,99 % Vertrauensgrenze“)
140
Dauerfestigkeit (Umlaufbiegeversuch) MPa

AISi12CuMgNi
120
AISi12Cu3MgNi
100
geschmiedet
80
gegossen
60

40

20

0
0 50 100 150 200 250 300 350 400
Temperatur [°C] Bild 7-24 Mechanische Eigenschaften
von MAHLE-Aluminiumkolbenlegierungen

7.1.2.2 Bauarten 7.1.2.3 Anforderung und Dimensionierung


Für die meisten Anwendungen hat sich der Bolzen Unter der Wirkung der oben beschriebenen Kräfte
mit zylindrischer Innen- und Außenkontur durchge- ergibt sich für den Bolzen eine sehr komplexe Bean-
setzt. Zur Gewichtsreduzierung und damit Reduzie- spruchung, zusätzlich beeinflusst durch die Deforma-
rung der Massenkräfte werden häufig die äußeren tionen von Kolben und Pleuel.
weniger belasteten Enden der Bolzeninnenbohrung Die wesentlichen Aspekte für die Auslegung des
konisch ausgeführt. Kolbenbolzens sind:
Bei Kolben für einige Pkw-Ottomotoren werden die
Bolzen durch Schrumpfspannungen im Pleuel x ausreichende Festigkeit (Betriebssicherheit) des
(„Schrumpfpleuel, Klemmpleuel“) gehalten. In hoch- Bolzens
beanspruchten Otto- und in Dieselmotoren wird der x Rückwirkung auf die Kolbenbeanspruchung
Bolzen mit Spiel im Pleuel „schwimmend“ gelagert. x Gewicht (Massenkraft)
Er muss dabei mit Bolzensicherungen gegen seitli- x Oberflächengüte, Formgenauigkeit (Laufeigen-
ches Auswandern im Kolben gesichert sein (siehe schaften)
Kapitel 7.1.3). x Oberflächenhärte (Verschleiß).
7.1 Kolben/Kolbenbolzen/Kolbenbolzensicherung 95

Die Dimensionierung des Bolzens erfolgt heute meist 7.1.2.4 Werkstoffe


mit Hilfe von 3D-FE-Berechnungen, zum Teil unter Verwendet werden heute hauptsächlich die Einsatz-
Berücksichtigung der Schmierfilmausbildung (Druck- stähle 17Cr3 und 16MnCr5. Für höhere Belastungen
verteilung) in Nabe und Pleuel. Für die Beurteilung kann auch der Nitrierstahl 31CrMoV9 herangezogen
der berechneten Spannungen sind fundierte Kenntnis- werden. Werkstoffkennwerte für Kolbenbolzen zeigt
se des dynamischen Werkstoffverhaltens nötig. Richt- Bild 7-26. Bolzen für den Rennsport werden aus
werte für die Auslegung des Bolzendurchmessers ESU-Material („Elektro-Schlacke-Umschmelzverfah-
sind für die verschiedenen Einsatzgebiete aus Bild ren“) hergestellt, damit ist ein hoher Reinheitsgrad
7-25 zu entnehmen. des Werkstoffes sichergestellt.

Anwendung Verhältnis von Bolzen- Verhältnis von Bolzen-


außen- zu Kolbendurch- außen- zu Bolzeninnen-
messer durchmesser
Ottomotoren 2-Takt-Kleinmotoren 0,20 bis 0,25 0,60 bis 0,75
Pkw 0,20 bis 0,26 0,55 bis 0,70
Dieselmotoren Pkw 0,32 bis 0,40 0,48 bis 0,52
Bild 7-25 Dimensionierung von Kolbenbolzen (Richtwerte)

Werkstoffklasse L (17Cr3) M (16MnCr5) N (31CrMoV9)


Einsatzstahl Einsatzstahl Nitrierstahl
Chemische Zusammensetzung C 0,12 bis 0,20 0,14 bis 0,19 0,26 bis 0,34
in Gew.-%
Si 0,15 bis 0,40 0,15 bis 0,40 0,15 bis 0,35
Mn 0,40 bis 0,70 1,00 bis 1,30 0,40 bis 0,70
P maximal 0,035 maximal 0,035 maximal 0,025
S maximal 0,035 maximal 0,035 maximal 0,25
Cr 0,40 bis 0,90 0,80 bis 1,10 2,3 bis 2,7
Mo – – 0,15 bis 0,25
V – – 0,10 bis 0,20
Oberflächenhärte HRC 59 bis 65 59 bis 65 59 bis 65
(vol.konst. 57 bis 65)
Kernfestigkeit in N/mm2 wanddicken- wanddicken- 1000 bis 1400
abhängig von 700 bis abhängig von 850
1500 bis 1350
Mittlere lineare Wärmeausdehnung 12,8 12,7 13,1
1/K · 10–6 20 bis 200 °C
Wärmeleitzahl W/m · K 20 °C 51,9 50,0 46,4
200 °C 48,2 48,7 45,5
Elastizitätsmodul N/mm2 210 000 210 000 210 000
3
Dichte g/cm 7,85 7,85 7,85
Verwendung Standardwerkstoff für für hochbean- für hochbeanspruchte
Kolbenbolzen spruchte Kolben- Kolbenbolzen
bolzen (Sonderfälle)
Bild 7-26 Kolbenbolzenstähle DIN 73 126
96 7 Motorkomponenten

[9] Rotmann, U. et al.: Innovative Leichtbaukonzepte für Ottokol-


ben im Schwerkraftkokillenguss. In: Konstruktion 6 (2011)
[10] Stitterich, E.: Experimentelle Untersuchung zur Wirkung von
Kühlkanälen in Kolben von Pkw-Dieselmotoren, Dissertation.
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, 2012
[11] Kolbentechnik für aktuelle Verbrennungsmotoren. In: Kons-
truktion 3 (2013)

7.2 Pleuel
Das Triebwerk von Verbrennungsmotoren als Hub-
kolbenmotor ist ein Kurbeltrieb, bei dem der Pleuel
oder die Pleuelstange den Kolben mit der Kurbelwel-
le verbindet. Über den Pleuel wird die oszillierende
Bild 7-27 Kolbenbolzensicherungen Bewegung des Kolbens in eine rotierende Bewegung
der Kurbelwelle umgesetzt. Darüber hinaus überträgt
7.1.3Kolbenbolzensicherungen der Pleuel die Kräfte vom Kolben auf die Kurbelwel-
le. Die Aufnahme von Bohrungen zur Schmierölver-
Sofern der Bolzen nicht durch eine Schrumpfverbin- sorgung der Kolbenbuchse, beim schwimmenden
dung im Pleuel gehalten wird, muss er gegen seit- Zapfen, ist eine weitere Aufgabe des Pleuels.
liches Auswandern aus der Nabenbohrung und An- Gewicht und Gestaltung des Pleuels beeinflussen
laufen gegen die Zylinderwand gesichert werden. Da-
direkt Leistungsgewicht und Leistungsfähigkeit sowie
zu werden fast ausschließlich außenspannende Siche-
die Laufruhe eines Motors. Daher kommt einem
rungsringe aus Federstahl verwendet, die in Nuten am
gewichtsoptimierten Pleuel im Hinblick auf komfor-
Außenrand der Nabenbohrungen eingesetzt werden.
table Motoren wachsende Bedeutung zu.
Bei kleinen Bolzendurchmessern werden überwie-
Entsprechend der umgekehrten Lage des Pleuels in
gend gewickelte Ringe aus Runddraht eingesetzt. Die
den ersten Motoren im 19. Jahrhundert wird der
Enden können bei etwas langsamer laufenden Moto- untere (kolbenseitige) Teil Pleuelfuß und der obere
ren zur Montageerleichterung nach innen hakenför- (kurbelwellenseitige) Teil Pleuelkopf genannt.
mig umgebogen sein. Bei Ringen für Rennsportmoto-
ren wird häufig ein Hakenende als Verdrehsicherung
nach außen abgewinkelt. Tritt starker Bolzenaxial- 7.2.1 Aufbau des Pleuels
schub auf, kommen in Einzelfällen auch innenspan-
nende Sicherungsringe, die in Nuten an den Bolzen- Der Pleuel hat zwei sogenannte Pleuelaugen [2].
enden eingesetzt sind, zur Anwendung. Über das kleine Pleuelauge wird die Verbindung zum
Kolben mittels Kolbenbolzen hergestellt. Wegen der
Literatur seitlichen Auslenkung des Pleuels während einer
Kurbelwellenumdrehung muss es drehbar am Kolben
[1] Zima, S.: Kurbeltriebe, Konstruktion, Berechnung und Er-
probung von den Anfängen bis heute, 2. Aufl. Braunschweig, befestigt werden. Das geschieht mit Hilfe eines Gleit-
Wiesbaden: Vieweg, 1999 lagers. Dazu wird während der Bearbeitung eine
[2] Junker, H.; Ißler, W.: Kolben für hochbelastete Diesel-Motoren Lagerbuchse in das kleine Pleuelauge eingepresst
mit Direkteinspritzung, 8. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und
Motorentechnik. Aachen, 1999
(Bild 7-28). Alternativ kann die Lagerung im Kolben
[3] Röhrle, M.: Kolben für Verbrennungsmotoren. Landsberg: integriert sein. In diesem Fall wird der Kolbenbolzen
Verlag moderne Industrie AG, 1994 in das kleine Pleuelauge eingeschrumpft.
[4] Kemnitz, P.; Maier, O.; Klein, R.: Monotherm, a new forged Auf der Kurbelwellenseite befindet sich das geteilte
Steel piston design for highly loaded diesel engines. SAE 2000-
01-0924 große Pleuelauge. Mittels Gleitlager seltener Wälz-
[5] Buschbeck, R.; Ottliczky, E.; Hanke, W.; Weimar, H.-J.: Inno- lager, Fixierung und Verschraubung des Pleuellager-
vative Kolbensystemlösungen für Verbrennungsmotoren. In: deckels wird die Funktion sichergestellt.
MTZ Extra 03 (2010)
[6] Hammen, A. et al.: EVOLITE - Lightweight pistons for gasoline
Die Verbindung zwischen den Pleuelaugen stellt der
engines with optimized frictional loss. 34th International Viena Pleuelschaft dar. Je nach Anforderung hat dieser
Motor Symposium, April 2013 einen besonderen Querschnitt, zum Beispiel I-Form
[7] Backhaus, Richard: Kolben aus Stahl für PKW-Dieselmotoren. oder H-Form.
In: MTZ 12 (2009)
[8] Schäfer, B.-H. et al.: Real-Time Kolbentemperaturmessungen, Der Pleuel muss ausreichende Gleiteigenschaften der
10. Internationales Stuttgarter Symposium „Automobil- und Mo- Lager im kleinen und großen Auge sicherstellen.
torentechnik“. Stuttgart, 2010
7.2 Pleuel 97

Arbeitszyklus des Hubkolbenmotors entstehenden


4 24
Trägheitskräfte werden von der Masse des Kolbens,
1 2 des Kolbenbolzens und des Pleuels beeinflusst.
Zur vereinfachten Ermittlung der daraus resultieren-
3
den Kräfte wird die Masse des Pleuels aufgeteilt in
einen rotierenden und einen oszillierenden Massenan-
7 teil unter der Voraussetzung, dass die Gesamtmasse
und der Pleuelschwerpunkt erhalten bleiben. Der im
A großen Auge konzentrierten Masse wird ausschließ-
lich eine rotierende Bewegung, der im kleinen Auge
A
23
22
konzentrierten Masse wird eine oszillierende Bewe-
17 gung zugeordnet.
5
8
1 Kleines Pleuelauge 9 Zur Berechnung der Massenanteile wird zunächst der
2 Pleuelbuchse Schwerpunkt (SP) des Pleuels ermittelt. Der Massen-
3 Kolbenbolzenbohrung
4 Ölbohrung 25 anteil des kleinen Auges ergibt sich aus:
5 Pleuellänge
6 Haltefläche
7 Schaft SP
8 Schulter 6 m Pl, kl. Auge = mPl,gesamt · (7.1)
9 Spritzölbohrung
20
l
10 Schraubenpfeife
11 Schraube
12 Pleuelmutter 16 mit l als Mittenabstand zwischen den Pleuelaugen,
13
(nicht vorhanden)
Pleueldeckel
der als Pleuellänge bezeichnet wird. Die Differenz
26
14 Pleuellagerschalen
14
zum Gesamtgewicht ergibt den Massenanteil des
15 Ausgleichsmasse
16 Zapfenbohrung großen Auges [1].
17 Pleuelbreite
18 Schrauben- 19
kopfauflage
19 Trennfuge 21
20 Haltenase 13
21 Pleueldicke
22 Rippendicke 10
23 Wandstärke
24 Stirnfläche 18 11
25 Nut in der Stirnfläche
15
26 Großes Pleuelauge

24

Bild 7-28 Geometrie und Bezeichnungen einer ge-


rade geteilten Pleuelstange (Quelle Federal-Mogul)

7.2.2 Belastung
l
Der Pleuel wird durch Gaskräfte im Zylinder und
l · cosb

b
Trägheitskräfte der bewegten Massen beansprucht.
r+l

Die kinematischen Verhältnisse am Kurbeltrieb zeigt


Bild 7-29.
Die durch die seitliche Auslenkung in der Pleuel-
schwingebene erzeugten Fliehkräfte führen zu Bie- l · sinb
gungen, die in erster Approximation vernachlässigt
werden können.
Die beschleunigt-verzögerte Bewegung der Pleuel-
r · cosa

und Kolbenmasse führt zu einer Zugspannung im


a
Schaft sowie im Übergang vom Schaft zum großen r
Auge. Der Pleuel ist damit einer Zug-Druck Wech-
selbelastung ausgesetzt, wobei für Diesel und aufge-
ladene Ottomotoren der Betrag der Druckkraft den r · sina
der Zugkraft überschreitet. Aus diesem Grund muss
bei der Auslegung des Pleuels die Knicksicherheit
sorgfältig überprüft werden.
Für die heutigen hochdrehenden Ottomotoren sind die
Zugkräfte mit entscheidend. Die während der be-
schleunigt-verzögernden Bewegung innerhalb eines Bild 7-29 Kinematik des Kurbeltriebes
98 7 Motorkomponenten

Einsatzgebiet Masse Werkstoff


Lkw Diesel 1,6 – 5 kg Schmiedestahl
Großserie
Pkw Otto 0,4 – 1 kg Schmiedestahl, GGG,
Großserie Sinterstahl
Sporteinsatz 0,4 – 0,7 kg Stahl, Titan
Rennmotor/F1 0,3 – 0,4 kg Titan, Kohlefaser
Kompressor 0,2 – 0,6 kg Aluminium
Bild 7-31 Pleuelmassen für verschiedene Einsatz-
gebiete

7.2.3 Pleuelverschraubung
Mit der Pleuelverschraubung werden Pleuelstange
und Pleueldeckel miteinander verbunden. Diese
Verschraubung hat zwei Funktionen zu erfüllen [3]:
x Die Pleuelschraube muss verhindern, dass es zu
einem Klaffen in der Trennfuge zwischen Deckel
Bild 7-30 Spannungsanalyse einer schräg geteilten und Stange kommt. Auf die Pleuelschraube wir-
Pleuelstange mit trapezförmigem kleinen Auge. ken die Trägheitskräfte von Pleuelstange und Kol-
(Halbmodell, Quelle: Federal-Mogul) ben sowie eine Querkraft auf Grund der außermit-
tigen Belastung und die Kräfte durch Wegdrücken
des Überstands der Lagerschalen. Während der
Die oszillierende Masse von Pleuel (und Kolben mit
Motormontage wird in der Regel durch zur Stre-
Bolzen und Ringen) beeinflusst über die daraus
ckengrenzen oder Drehmoment plus Drehwinkel
resultierenden Massenkräfte die Beanspruchung und
kontrollierten Anzug eine entsprechende Vorspan-
die Laufruhe des Motors. Diese oszillierenden Kräfte
nung in die Schraube gebracht, die der wirkenden
können nur durch zusätzliche Ausgleichwellen 100 %
ausgeglichen werden. Trägheitskraft entgegen gerichtet ist [4, 5].
Daher ist es notwendig, die Pleuelmasse beziehungs- x Pleuelstange und Deckel müssen exakt zueinander
weise den oszillierenden Massenanteil des Pleuels zu geführt und gegen Verschieben (Versatzt) ge-
reduzieren. Das kann erfolgen durch Gestaltoptimie- sichert sein. Dazu stehen mehrere Möglichkeiten
rung des Pleuelschaftes und zum Beispiel durch die zur Verfügung:
Ausführung des kleinen Auges als Trapezauge. a) Führung mittels Pleuelschraube, deren Bund
Die wahren Bewegungsverhältnisse eines Pleuel- oder Riffelungen in der Trennebene liegen und
Masseteilchens und damit die Kraftwirkungen sind somit das Verschieben von Stange und Deckel
sehr viel komplizierter als dies die oben beschriebene verhindern
näherungsweise Aufteilung widerspiegelt. Prinzipiell b) Führung mittels kleiner Stifte neben Schrauben
führt jedes Masseteilchen zwischen kleinem und oder Buchsen um die Schrauben (Bild 7-32)
großem Pleuelauge eine oszillierende und eine rotie- c) Einbringen einer Verzahnung in der Trenn-
rende Bewegung aus. In Richtung des großen Pleuel- ebene
auges nimmt der oszillatorische Anteil ab. d) Führung in der Bruchtrennfläche (Cracken)
Mit Hilfe moderner FEM-Berechnungsverfahren (Bild 7-33).
(Bild 7-30) ist es möglich, dieses dynamische Verhal-
ten zu simulieren und die wirkenden Spannungen zu
beurteilen. Die Elasto-Hydrodynamischen Lagerbe-
rechnungen (EHL) (siehe 7.19.2.3) haben auch ge-
zeigt wie wesentlich die Verformungen der Pleuelau-
gen für das Laufverhalten des Pleuellagers und der
Pleuelbuchse sind.
Deswegen muss die interaktive Kombination von der
FEM-Gestaltoptimierung mit der EHL Schmierungs-
berechnung stattfinden.
Die Masse für unterschiedliche Pleuel geht aus Bild
7-31 hervor.
Bild 7-32 Passhülse und Dehnschraube
7.2 Pleuel 99

hohe Querkräfte in den Trennflächen aufgenommen


werden müssen. Die unsymmetrische Struktur des
großen Auges wirkt sich wegen ungleichmäßigen sta-
tischen und dynamischen Verformungen nachteilig
auf die Performance des Pleuellagers aus. Der Aus-
lauf der Sacklochbohrung für die Pleuelschraube im
hochbelasteten Bereich verursacht einen Steifigkeits-
sprung in der Struktur, was ebenfalls negative Effekte
mit sich bringt. Einsatzbereiche schräg geteilter Pleuel
sind vor allem V-Motoren sowie große Dieselmotoren,
die aufgrund der Belastung einen großen Hubzapfen-
durchmesser haben.
Das große und kleine Auge werden durch den Pleuel-
Bild 7-33 Pleuel gecrackt schaft verbunden, der als I- oder H-Querschnitt aus-
geführt wird. Dadurch lassen sich die Forderungen
Werden bruchgetrennte Pleuel (Cracken) oder Stifte nach reduziertem Gewicht bei hohem Widerstands-
beziehungsweise Buchsen eingesetzt, kann auf moment erfüllen.
Passschrauben verzichtet werden, da in diesem Fall
die strukturierte Trennfläche beziehungsweise die 7.2.4.1 Pleuelstangenverhältnis
Stifte und Buchsen ausreichend Halt gegen Rela-
Das Pleuelstangen- oder Schubstangenverhältnis ist
tivbewegung von Stange und Deckel bieten (siehe
eine geometrische Vergleichsgröße – gebildet aus
7.22.3.3).
dem Kurbelradius r und dem Mittenabstand l von
kleinem und großem Auge und definiert als
7.2.4 Gestaltung O=r/l (7.2)
Bezüglich der Pleuelgestaltung sind folgende Aspekte
von Bedeutung:
x Formstabilität der Bereiche zur Aufnahme der
beiden Pleuellager
x eventuell ein Kanal zur Ölversorgung des kleinen
Pleuelauges (bei modernen Konstruktionen unüb-
lich)
x Teilung des großen Pleuellagers zur Montage auf
den Pleuelzapfen der Kurbelwelle
x Fixierung und Befestigung des Pleueldeckels
x gestaltoptimierte beziehungsweise massereduzier-
te Auslegung des Pleuelschaftes
x beanspruchungsgerechte Gestaltung der kritischen
Zonen
x Kompatibilität mit dem Bauraum des Gehäuses, in
welchem sich das Pleuel bewegt („Geige“). Bild 7-34 Warme Rohlinge (Quelle: Krupp Gerlach)
Zur Reduzierung der Kolben- beziehungsweise der
Pleuelmasse kann das kleine Auge nach oben hin Es beträgt für Pkw-Motoren üblicherweise 0,28
trapezförmig abgeflacht werden, was aus Belastungs- bis 0,33, wobei die niedrigeren Werte für Dieselmo-
gründen (zum Beispiel für Turbomotoren) vorteilhaft toren gelten. Die Gestaltung der Pleuellänge ist von
für die Beanspruchung ist, da es engen Abstand der vielen Einflussfaktoren geprägt, wie Hub-Bohrungs-
Kolbenbolzenaugen und damit geringere Durchbie- Verhältnis, Kolbengeschwindigkeit, Motordrehzahl,
gung des Bolzens ermöglicht. Brennraum-Spitzendruck, Blockhöhe, Kolbenausle-
Für die Pleuelmontage auf der Kurbelwelle ist das gung, und so weiter.
große Auge geteilt ausgeführt und wird mit zwei Mit steigendem Pleuelstangenverhältnis erhöhen sich
Schrauben zusammengehalten. die Seitenkräfte auf den Kolben. Das führt zum
Die Teilung des großen Auges erfolgt üblicherweise Beispiel zu geänderten Vorgaben für die Kolbenaus-
senkrecht zur Längsachse des Pleuels. Bei großen Kur- legung. Mit sinkendem Pleuelstangenverhältnis steigt
belzapfendurchmessern kann eine schräge Teilung die Bauhöhe des Motors als Folge der Zylinderblock-
nötig sein, um den Ein- und Ausbau des Pleuels über erhöhung. Nicht zuletzt verbieten fertigungsbedingte
die Zylinderbohrung zu ermöglichen. Nachteil des Restriktionen (Zylinderblockhöhe) eine Veränderung
schräg geteilten Pleuels ist, dass durch die Schräge der Pleuelstange.
100 7 Motorkomponenten

tere Arbeitsgänge wie Rissprüfung etc. schließen


sich an. In den meisten Fällen werden Pleuelstan-
ge und Pleueldeckel gemeinsam geschmiedet und
während der Bearbeitung getrennt. Je nach Pleuel
und Anlagengröße werden zur Steigerung der
Produktivität Doppelstücke, das heißt zwei Pleuel
gleichzeitig im Gesenk geschmiedet.
b) Gießen. Ausgangspunkt für die Rohteilherstellung
ist ein Modell aus Kunststoff oder Metall beste-
hend aus zwei Hälften, welche zusammengesetzt
ein positives Abbild des Pleuels darstellen. Meh-
rere solcher identischen Hälften werden auf einer
Modellplatte zusammengefasst und mit dem Mo-
dell für das Gieß- und Anschnittsystem verbun-
den. In einem vielfach reproduzierbaren Prozess
werden die beiden Modellplatten mit Grünsand
über eine Verdichtung des Sandes abgeformt. Die
entstandenen Sandformen stellen je ein negatives
Abbild der entsprechenden Modellplatte dar.
Übereinander gestellt bildet sich ein Hohlraum in
Gestalt der herzustellenden Pleuel. Dieser wird
mit flüssigem Gusseisen gefüllt, das im Kupol-
Bild 7-35 Gestrahlte Rohlinge (Quelle: Plettac) oder Elektroofen mit Stahlschrott als Einsatz er-
schmolzen wird. Das Metall erstarrt langsam in
der Form.
7.2.5 Pleuelfertigung c) Sintern. Der Herstellprozess beginnt mit dem
7.2.5.1 Rohteileherstellung servo-hydraulischen Pressen des fertiglegierten
Pulvers zu einem Grünling. Das nachfolgende
Die Herstellung des Pleuel-Rohteils kann je nach An- Wiegen stellt sicher, dass der Grünling eine enge
wendungsfall auf verschiedene Arten erfolgen: Gewichtstoleranz von r 0,5 % erfüllt.
a) Gesenkschmieden. Ausgangsmaterial für die Der Sinterprozess, Bild 7-36, findet in einem elek-
Rohteilherstellung ist Stabstahl in Rund- oder trisch beheizten Durchlaufofen statt, in dem die
Quadratquerschnitt, der auf eine Temperatur zwi- Teile bei etwa 1.120 °C circa 15 min verweilen. Im
schen 1.250 °C und 1.300 °C erwärmt wird. In anschließenden Schmiedevorgang wird ausschließ-
einem Reckwalzprozess wird zunächst eine Vor- lich eine Höhenreduktion des Bauteils durch-
verteilung der Massen zum großen und kleinen geführt, um die Dichte des Bauteils bis zur theore-
Pleuelauge hin durchgeführt (Bild 7-34). Alternativ tisch möglichen Grenze zu erhöhen. Abschließend
zum Reckwalzen wird auch Querkeilwalzen einge- wird durch Kugelstrahlen ein Druckeigenspan-
setzt, womit die Vorformgeometrie verbessert wer- nungszustand in der Oberfläche eingestellt.
den kann. Die Hauptumformung erfolgt in einer Da der Schmiedevorgang in diesem Herstellver-
Presse oder einem Hammeraggregat. Das über- fahren kostenintensiv ist, gibt es Entwicklungen
schüssige Material fließt in einen Grat, der in der mit dem Ziel, durch neue Pulvertechnologie die-
nachfolgenden Operation entfernt wird. Gleichzei- sen einzusparen [11, 12].
tig mit dem Abgraten wird das große Auge und
bei größeren Pleuel das kleine Auge (aus-)gelocht. 7.2.5.2 Bearbeitung
Zur Einstellung der erforderlichen Gefüge- und Die Rohteile werden spanend auf das Fertigmaß
Festigkeitseigenschaften werden die Pleuel je bearbeitet. In der Großserienfertigung geschieht dies
nach Stahllegierung verschiedenen Behandlungs- auf vollautomatischen Bearbeitungslinien, die in die
verfahren unterzogen: Motorenfertigung integriert sind. Für kleinere Serien
x Vergütung aus der Schmiedewärme (VS) stehen Bearbeitungszentren mit geringerem Automa-
x gesteuerte Abkühlung im Luftstrom (BY) tisierungsgrad zur Verfügung.
x konventionelle Vergütung. Im Anschluss an die Bearbeitung wird das Fertigteil
Abschließend wird der Zunder auf dem Rohteil gewogen und in Klassen eingeteilt. In den Motor
durch Reinigungsstrahlen entfernt, wobei Druck- werden dann Pleuel einer Gewichtsklasse eingebaut.
eigenspannungen von 200 MPa im oberflächen- Wird bereits das Rohteil mit enger Gewichtstoleranz
nahen Bereich erzeugt werden (Bild 7-34). Wei- gefertigt, kann das Einteilen in Klassen entfallen.
7.2 Pleuel 101

x Verschrauben von Deckel und Stange und – wenn


nötig – Einsetzen der Buchse
x Schrauben lösen, Deckel öffnen, dann Schrauben
wieder anziehen
Pulver x Fertigschleifen der Stirnflächen, Trapez des
kleinen Auges fräsen
x Bohren des kleinen Auges
x Spindeln des großen Auges, optional Honen.

Gewicht Nocken

Grünling gepresst und gesintert

Bild 7-37 Traditioneller Pleuel, Körper und Deckel


separat geschmiedet mit Schrauben und Muttern

Geschmiedet und fertig bearbeitet

Bild 7-36 Prozess – sintergeschmiedete Pleuelstange

Zum Erreichen des Sollgewichts für das fertig bear-


beitete Pleuel können am kleinen und/oder großen Bild 7-38 Konstruktionsunterschied zwischen einem
Auge des Rohteils Nocken vorgesehen werden (Bild Crackpleuel (oben) und einem gesägten Pleuel
7-37), die während der mechanischen Bearbeitung
des Pleuel so weit abgefräst werden, dass das Soll-
Als Cracken bezeichnet man dabei das Bruchtrennen
gewicht exakt erreicht wird.
von Pleuelstange und Deckel während der Bearbei-
Das früher übliche Gewichtsfräsen, das heißt Abtra-
tung. Voraussetzungen dafür sind auf der Werkstoff-
gen einer Bearbeitungszugabe bis zum Erreichen
seite das Vorliegen eines grobkörnigen Gefüges und
eines Sollgewichtes, wird daher heute nur noch selten
auf der Anlagenseite eine Crackeinrichtung, welche
durchgeführt.
die erforderliche Bruchenergie mit einer hohen Ge-
In den modernen Herstellverfahren lassen sich die
schwindigkeit aufbringt. Liegt für den Werkstoff das
Fertigungsparameter exakt überwachen, so dass Roh-
Verhältnis zwischen Zugfestigkeit und Streckgrenze
teile mit einer ausreichenden Gewichtstoleranz gefer-
in der Nähe von zwei zu eins, lässt sich das Cracken
tigt werden können.
ohne große Verformungen durchführen. Rohteile aller
Im Folgenden sind beispielhaft die Bearbeitungs-
Herstellverfahren lassen sich heute durch Cracken
schritte für bruchgetrennte Pleuel (Cracken) aufge-
trennen [6]. Die Unterschiede im konstruktiven Auf-
führt:
bau des Pleuels zeigt Bild 7-38.
x Schleifen der Stirnflächen von großem und klei- Vor dem Cracken werden in die Seitenfläche des
nem Auge großen Auges Kerben mittels Laser oder Räumnadeln
x Vorspindeln von großem und kleinem Auge eingebracht, um an der gewünschten Trennebene
x Bohren und Gewindeschneiden der Schrauben- eine hohe Kerbwirkung zu erzielen (Bild 7-39). Das
löcher große Auge wird auf einen zweigeteilten Brechdorn
x Cracken, Bruchschmutz wegblasen gesetzt und gespannt. Der Brechdorn wird mit hoher
102 7 Motorkomponenten

besondere die für Pleuel wichtige spezifische Schwing-


festigkeit liegt bei GGG-70 deutlich höher.
Beim GGG-70 handelt es sich um einen Eisen-Koh-
lenstoff-Gusswerkstoff mit weitgehend kugelförmi-
ger Graphiteinlagerung im vorwiegend perlitischen
Grundgefüge. Die kompakte Form des Graphits ver-
leiht dem Werkstoff ein Maximum an Festigkeit und
Duktilität. Gleichzeitig ist der Kohlenstoff aber auch
für die guten Gießeigenschaften verantwortlich. Der
Ankerben mittels Laser erforderliche Gefügezustand wird ohne zusätzliche
Wärmebehandlung beim Gießvorgang erzeugt.
Beim Temperguss, ein ebenfalls Eisen-Kohlenstoff-
Gusswerkstoff, wird das Gefüge über eine dem Gie-
ßen nachgeschaltete Wärmebehandlung eingestellt.
Schmiedestahl. Der überwiegende Teil der Pleuel
wird aus Stahl im Gesenkschmiedeverfahren herge-
stellt. Dabei werden in den meisten Fällen mikrole-
gierte Stähle wie 27MnVS6 BY oder Kohlenstoff-
Mangan Stähle wie C40 mod BY verwendet. Für
bruchgetrennte Schmiedepleuelstangen (Cracken)
wird ein Stahl mit hohem Kohlenstoffgehalt (C70 S6
BY) eingesetzt. Bei diesen Werkstoffen wird eine
Zugfestigkeit von Rm = 1.000 MPa erreicht [8].
Trennen durch Keil-Bruch Für hochbelastete Pleuel steht mit 34CrNiMo6 V
(oder 42CrMo4) ein Stahl zur Verfügung, der eine
Bild 7-39 Pleuel-Bruchtrennen Zugfestigkeit von 1.200 MPa erreicht. In diesem Fall
ist eine zusätzliche Wärmebehandlung (Vergüten)
Geschwindigkeit gespreizt und die dabei im Werk- erforderlich.
stück entstehende Spannung führt zu einem Bruch- Verbesserungen des C70S6 Stahls sorgen auch bei
beginn an den Kerben, der sich dann radial nach bruchtrennfähigen Werkstoffen für Zugfestigkeiten
außen fortpflanzt. Bei optimalem Prozessverlauf liegt bis 1.000 MPa bei Streckgrenzen über 700 MPa.
die Unrundheit nach dem Cracken bei maximal Diese Stähle sind mit dem Begriff „C70+“ in der
30 μm. Material-Tabelle gekennzeichnet [9].
Der Vorteil des Crackens liegt vor allem in der Redu- Um Forderungen nach höheren Festigkeiten zwecks
zierung der Bearbeitungsschritte. Das bisher übliche Massenreduzierungen nachzukommen, wird der AFP-
mechanische Bearbeiten der Trennfläche entfällt. Die Stahl 36MnVS4 in die Entwicklung einbezogen. Wie
beiden Hälften lassen sich nach dem Cracken passge- C70S6 ist der neue Stahl gut zu „cracken“ und zeigt
nau fügen und sind durch die unregelmäßige Bruch- eine im Durchschnitt um 30 % höhere Dauerfestigkeit
struktur gegen Relativbewegung gesichert, so dass [13].
keine zusätzlichen Führungselemente erforderlich
sind. Einen weiteren Vorteil bietet die Verwendung Pulvermetall. Der Werkstoff P/F-11C50 wird derzeit
einer vereinfachten Pleuelschraube, da diese keine am häufigsten für Pleuel aus Pulvermetall verwendet.
Führungsaufgabe beziehungsweise Fixierungsaufgabe Die festigkeitssteigernden Elemente, 2 % Cu und
übernehmen muss [7]. 0,5 % C, erlauben nach dem Sintern und dem
Bruchgetrennte Pleuel sind eine kostengünstige Alter- Schmieden eine Zugfestigkeit bis 950 MPa zu errei-
native zu herkömmlich getrennten Pleuel. chen [10]. Weitere Entwicklungen dieses Sinterwerk-
stoffs durch eine Erhöhung des Cu-Anteils von 2 %
auf 3 % zeigen eine Verbesserung der Zugfestigkeit
7.2.6 Pleuel-Werkstoffe um 10 % beziehungsweise eine Verbesserung der
Je nach Einsatzfall und daraus resultierender Belas- Wechselfestigkeit um 22 % [14].
tung werden für Pleuel unterschiedliche Werkstoffe
Alternative Werkstoffe. Neben den obligatorischen
eingesetzt.
Werkstoffen für Pleuel in Großserienfertigung ver-
Gusswerkstoff. Als Pleuelgusswerkstoffe kommen in folgt der Einsatz von alternativen Werkstoffen vor
erster Linie Gusseisen mit Kugelgraphit (GGG-70) allem das Ziel, bei gleicher Belastbarkeit das Gewicht
und Schwarzer Temperguss (GTS-70) zur Anwen- des Pleuels zu reduzieren. Dazu wird kohlenfaser-
dung. Dabei hat GGG-70 sowohl technische als auch verstärktes Aluminium oder kohlenfaserverstärkter
wirtschaftliche Vorteile gegenüber Temperguss. Ins- Kunststoff verwendet.
7.3 Kolbenringe 103

Material Name NCI P/F-11C50 HS150 C70S6/ 36MnVS4 C38 42Cr Al TiAl4V4
Cu2C5 Cu3C6 C70+
Process comment cast forge in open die forged & fracturable BY HT cast forged
open die truck/car aircraft
Young Modulus (GPa) 170 199 200 213 210 210 210 68,9 128
Fatigue Strength (pull) (MPa) 200 320 390 300/365 430 420 480 50 225
Fatigue Strength (push) (MPa) 200 330 395 300/365 430 420 480 50 309
Rp 0,2 % Yield Strength (MPa) 410 550 700 550/650 750 550 >800 130 1000
Compressive Yield Str. (MPa) – 620 – 550/650 700 620 850 150 –
Rm: Tensile Strength (MPa) 750 860 950 900/1050 950/1100 900 1050 200 1080
Conrod Material Density 7,2 7,6 7,8 7,85 7,85 7,85 7,85 2,71 4,51

Bild 7-40 Werkstoffeigenschaften von Pleuel (Quelle: Federal-Mogul)

Im Rennsport weit verbreitet sind Titan-Pleuel, mit 7.3 Kolbenringe


denen eine beträchtliche Gewichtsreduktion erzielt
wird. Nachteil der Titan-Pleuel sind die starke Boh- Kolbenringe sind metallische Dichtungen und haben
rungserweiterung im Betrieb, die sich nachteilig auf die Aufgaben, den Brennraum gegen das Kurbelge-
den Presssitz der Lagerschalen auswirken. Titan ist häuse abzudichten, die Wärme vom Kolben zur
auch kein guter Reibpartner zum Stahl, dadurch sind Zylinderwand abzuleiten und den Ölhaushalt zu
Gleitbeschichtungen an den Stirnseiten gegen Reib- regulieren. Dabei muss einerseits eine Mindestmenge
schweißungen (Scuffing) beziehungsweise am Lager- Öl zur Bildung eines hydrodynamischen Schmierfil-
stahlrücken gegen Fretting erforderlich. mes auf die Zylinderwand gelangen beziehungsweise
Den Pleuel dieser alternativen Werkstoffe gemeinsam dort verbleiben, andererseits muss der Ölverbrauch
sind die hohen Herstellkosten, die für Einzelmotoren aber so gering wie möglich eingestellt werden.
gerechtfertigt sind, jedoch einer größeren Verbreitung
in Großserienmotoren entgegenstehen.
Die wichtigsten Werkstoffe und ihre Eigenschaften
sind in Bild 7-40 zusammengefasst.
Gasdruck
Literatur
[1] Küntscher, V.; Hoffmann, W.: Kraftfahrzeug-Motoren, § 3.2.2.
Kräfte an der Pleuelstange. Berlin: Verlag Technik, 1995
[2] Greuter, E.; Zima, S.: Motorschäden, § 6.2.3 Pleuelstangen.
Gasdruck Federkraft
Vogel Fachbuch
[3] Fisher, S.: Berechnungsbeispiel einer Pleuellagerdeckelver-
schraubung. In: VDI-Berichte Nr. 478, 1983
[4] VDI 2230: Systematische Berechnung hochbeanspruchter Reibkraft
Schraubenverbindungen. Berlin, Köln: Beuth-Verlag, 1986
[5] Thomala, W.: Erläuterung zur Richtlinie VDI 2230 Blatt
1(1986). In: RIBE-Blauheft Nr. 40, 1986 Gasdruck
[6] Ohrnberger, V.; Hähnel, M.: Aalen, Bruchtrennen von Pleueln
erlangt Serienreife. In: Werkstatt und Betrieb 125 (1992) 3
[7] Adlof, W. W.: Bruchgetrennte Pleuelstangen aus Stahl. In: Massenkraft Bewegungs-
richtung
Schmiede-Journal September 1996
des Kolbens
[8] Herlan, Th.: Optimierungs und Innovationspotential stahlge- Reibkraft
schmiedeter Pleuel, VDI, Schwelm, 1996 oder 1997
[9] Moldenhauer, F.: Verbesserungen bei bruchtrennfähigen Pleuel- Bild 7-41 Kräfte am Kolbenring
stangen durch neuen mikrolegierten Stahl. In: MTZ 61 (2000) 4
[10] Weber, M.: Comparison of Advanced Procedures and Economics
for Production of Connecting Rods. In: Powder Metallurgy Dazu ist es notwendig, dass die Kolbenringe an der
International 25 (1993) No. 3, pp. 125 – 129
[11] Richter K.; Hoffmann E.: Rüsselsheim; Lipp, K.; Sonsino,
Zylinderwand und an der Ober- oder Unterflanke der
C. M.: Darmstadt: Single-Sintered Con Rods – An illusion?. In: Kolbennut anliegen. Die Anlage an der Zylinderwand
Metal Powder Report 49 (1994) Nr. 5, S. 38 – 45 wird durch die radial wirkende Federkraft des Ringes
[12] Skoglund, P.; Bengtsson, S.; Bergkvist, A.; Sherborne, J.; bewirkt. Bild 7-41 zeigt die Kräfte am Kolbenring.
Gregory, M.: Performance of High Density P/M Connecting
Rods, Powdered Metal Applications (SP-1535)
Die radiale Anpresskraft von Ölabstreifringen wird
[13] Spangenberg, S.; Kemnitz, P.; Kopf, E.; Repgen, B.: Massen- durch eine zusätzliche Feder verstärkt. Durch den auf
reduzierung an Bauteilen des Kurbeltriebs, Pleuel in Fokus. In: den Ring wirkenden Gasdruck wird sowohl die radia-
MTZ 04 (2006), S. 24–261 le Kraft auf die Zylinderwand als auch die axiale
[14] Depp, J. C.; Ilia, E.; Hähnel, M.: Neue hochfeste Werkstoffe für
sintergeschmiedete Pleuelstangen. In: MTZ 04 (2005), S. 292 –
Anlage in der Ringnut des Kolbens wesentlich unter-
298 stützt. Die axiale Anlage kann durch das Zusammen-
104 7 Motorkomponenten

wirken von Gas-, Massen- und Reibungskräften zwi-


schen der unteren und der oberen Kolbennutflanke
wechseln [1]. a) Rechteckring
Die störungsfreie Funktion der Kolbenringe ist ab-
hängig von den sich während der Arbeitstakte zum
Teil sehr dynamisch ändernden thermischen und
mechanischen Belastungen, resultierend aus der Ver-
brennung, den konstruktiven Gegebenheiten, aber b) Minutenring

auch aus der Bearbeitung und Werkstoffpaarung von


Kolben, Kolbenringen und Zylinder. Somit bestimmt
die Qualität der Ringe selber, aber auch die exakte
Abstimmung dieser Komponenten aufeinander, c) Doppeltrapezring
entscheidend das Betriebsverhalten der Kolbenringe.
Die Zahl der Ringe pro Kolben hat Einfluss auf die
Reibleistung des Motors. Ihre Masse hat Anteil an den
oszillierenden Massenkräften. Beides begründet den
Trend zu wenigen Ringen pro Kolben. Üblich ist die d) Einseitiger Trapezring

Kombination aus Verdichtungsringen und Ölabstreif-


ringen zu einem Ringpaket aus drei Ringen.
Die wichtigsten Bezeichnungen am Kolbenring zeigt
Bild 7-42.

e) Ring mit Innenfase bzw.


Maulweite m Innenwinkel, oben

Stoßspiel Stoßenden

ungespannter
Ring

gespannter Ring

d f) Minutenring mit Innenfase


Ringlauffläche bzw. Innenwinkel, unten

Ringrücken
a
h
Ringflanken
a = (radiale) Wanddicke g) L-förmiger Verdichtungsring
h = (axiale) Ringhöhe
d = Nenndurchmesser

Bild 7-42 Bezeichnungen am Kolbenring


Bild 7-43 Verdichtungsringe

7.3.1 Ausführungsformen Rechteckring (Bild 7-43 a). Er wird als Kolbenring


mit rechteckigem Querschnitt zur Abdichtung bei
Die unterschiedlichen Ausführungsformen der Kol- normalen Betriebsbedingungen eingesetzt. Die Lauf-
benringe unterteilt man zunächst nach ihrer primären fläche dieses Ringes ist symmetrisch oder asymmet-
Aufgabe in risch ausgebildet. Insbesonders durch die asymmetri-
x Verdichtungsringe zur Abdichtung des Brenn- sche Form wird die Einlaufzeit verkürzt und der
raumes gegen das Kurbelgehäuse Ölverbrauch verringert.
x Ölabstreifringe zur Regulierung des Ölhaushaltes. Minutenring (Bild 7-43 b). Er besitzt eine konische
Lauffläche. Wegen der ölabstreifenden Wirkung wird
er auch zur Unterstützung bei der Steuerung des
7.3.1.1 Verdichtungsringe Ölverbrauchs verwendet.
Bei den Verdichtungsringen (Bild 7-43) unterscheidet Doppeltrapezring (Bild 7-43 c). Durch die konischen
man wiederum zwischen: Ringflanken wird das „Festgehen“ des Ringes stark
7.3 Kolbenringe 105

gemindert, da er sich selbstständig von Verkokungs- Nasen- und Nasenminutenring. Durch die Ein-
und Verbrennungsrückständen freiarbeitet. Er kommt beziehungsweise Hinterdrehung im Bereich der
praktisch nur in Dieselmotoren zum Einsatz. unteren Ringlauffläche wird beim Nasenring (Bild
Einseitiger Trapezring (Bild 7-43 d). Der einseitige 7-44 a) eine besonders gute Ölabstreifwirkung er-
Trapezring mit oberer, schräger Flanke vermindert reicht. Zur Verstärkung dieser Wirkung wird beim
wie der Doppeltrapezring des „Festgehen“ und wird Nasenminutenring (Bild 7-44 b) die Lauffläche zu-
hauptsächlich in Dieselmotoren eingesetzt. sätzlich konisch ausgeführt.
Ring mit Innenfase beziehungsweise Innenwinkel, Nasenminutenring am Stoß geschlossen. Diese
oben (Bild 7-43 e). Durch die Querschnittsstörung Sonderform des Nasenminutenringes (Bild 7-44 c)
der Innenfase beziehungsweise des Innenwinkels an mit einfacher Eindrehung ohne Hinterschnitt zeichnet
der Oberflanke von Rechteck- oder Minutenringen sich durch eine bessere Gasabdichtung aus, da im
wird erreicht, dass sich der Ring im eingebauten Stoßbereich die Nase geschlossen ist. Er wird in
Zustand tellerförmig verwirft. Dadurch liegt der Ring Einzelfällen auch in der 1. Nut eingesetzt.
in allen Laufphasen ohne Gasdruckbelastung nur
mit der unteren Laufflächenkante an der Zylinder-
wand und mit der Innenkante an der unteren Kol-
bennutflanke an (sogenannter positiver Twist). Die a) Nasenring
dadurch gebildete konische Lauffläche führt zu einer
verbesserten ölabstreifenden Wirkung. Allerdings
wird der Ring unter Gasdruck plan gedrückt, wodurch
im Betrieb eine zusätzliche dynamische Beanspru-
chung auf den Kolbenring entsteht. b) Nasenminutenring

Minutenring mit Innenfase beziehungsweise In-


nenwinkel, unten (Bild 7-43 f). Diese Ringausfüh-
rung wird auch als negativer Torsionsring bezeichnet.
Die Querschnittsstörung an der unteren Ringflanke c) Nasenminutenring
am Stoß geschlossen
bewirkt im eingebauten Zustand eine negative Ver-
twistung des Ringes, das heißt in umgekehrter Rich-
tung wie beim positiv twistenden Ring. Um eine
Bild 7-44 Abstreifringe
Anlage der oberen Laufkante an der Zylinderwand zu
vermeiden, muss die Konizität der Lauffläche größer
ausgeführt werden als beim Minutenring ohne oder Ölschlitz-, Dachfasen- und Gleichfasenring mit
mit positiver Vertwistung. Schlauchfeder. Um eine gute Abstreifwirkung des
L-förmiger Verdichtungsring (Bild 7-43 g). Dieser Ölringes zu erreichen, wird eine hohe Flächenpres-
auch Dykes-Ring genannte Verdichtungsring wird sung und ein gutes Formfüllvermögen des Ölabstreif-
hauptsächlich bei kleinen 2-Takt-Ottomotoren als ringes benötigt. Der übliche Weg, um diese beiden
sogenannter „Head-Land-Ring“ eingesetzt, wobei der Forderungen zu kombinieren, ist der Einsatz von
senkrechte L-Schenkel in Richtung der oberen Kol- mehrteiligen Ölabstreifringen. Hierbei drückt eine
benbodenkante zeigt. Durch den hinter dem senkrech- zusätzliche Feder, die in einer Nut am Innendurch-
ten L-Schenkel wirkenden Gasdruck dichtet dieser messer des Ringes angeordnet ist und die sich an den
Ring auch bei Anlage an der Kolbennutoberflanke ab. Federenden selbst abstützt, den querschnittsoptimier-
ten Ringkörper gegen die Zylinderwand. Die Be-
zeichnung der Ringe erfolgt abhängig von der Aus-
7.3.1.2 Ölabstreifringe führung der Laufstege (Bild 7-45a–c).
Ölabstreifringe sind von besonderer Bedeutung für Dachfasenring mit verchromten, profilgeschliffe-
den Ölhaushalt eines Motors [2] und werden unter- nen Laufstegen und Schlauchfeder. Die verchrom-
teilt in: ten Laufflächen ermöglichen eine hohe Langzeit-
x Abstreifringe, die praktisch Verdichtungsringe mit stabilität, deshalb wird dieser Ringtyp (Bild 7-45d)
besonders ölabstreifender Wirkung sind, wie sie meist in Dieselmotoren eingesetzt. Durch das Profil-
oft in der 2. Nut von Otto- und Dieselmotoren ver- schleifen der Laufstege sind an diesen wichtigen
wendet werden (Bild 7-44 a – c) Funktionsflächen enge Toleranzen erreichbar. Wei-
x mehrteilige, federgespannte beziehungsweise terentwicklungen dieses Ringtypes werden mit be-
federgestützte Ölabstreifringe, ebenfalls für die sonders ausgebildeten konischen Laufstegen (zum
unterste Kolbennut. Hier differenziert man noch Beispiel LKZ®-Ring) ausgeführt. Des Weiteren
zwischen zweiteiligen (Bild 7-45 a – e) und werden auch neue, verschleißfestere Beschichtungen
dreiteiligen Systemen (Bild 7-45 f – h). statt der bekannten Chromschicht eingesetzt.
106 7 Motorkomponenten

ten axialen Abstand zueinander hält und sie zum


anderen gleichzeitig an die Zylinderwand presst. Die
Rails sind an ihrer Lauffläche beschichtet (zum
a) Ölschlitzring mit Beispiel mit Cr oder PVD) oder allseitig nitriert. Die
Schlauchfeder
Federn bestehen aus einem dünnen Stahlband, das für
die jeweiligen Federtypen charakteristisch geformt
wird. Als Federwerkstoff kommt überwiegend auste-
nitischer Cr-Ni-Stahl zum Einsatz. Zum Schutz gegen
b) Dachfasenring mit Federverschleiß, dem sogenannten Sekundärver-
Schlauchfeder
schleiß, kann die Feder nitriert werden.
In Bild 7-45f–h sind drei unterschiedliche Federtypen
mit gebräuchlichen Bezeichnungen abgebildet, wobei
sich das MF-System aufgrund der einfachen Feder-
c) Gleichfasenring mit form und dem Potenzial für axial niedrige Ringhöhen
Schlauchfeder
weitgehend durchgesetzt hat.

7.3.2 Ringbestückungen
Dachfasenring mit ver-
d) chromten, profil- Kolbenringauslegungen sind im Wesentlichen durch
geschliffenen Laufstegen die Funktionsanforderungen bestimmt, die abhängig
und Schlauchfeder
sind von den technischen und kommerziellen Rah-
menbedingungen der Segmente Pkw-Otto-, Pkw-
Diesel und Nkw-Diesel-Anwendungen. Die spezifi-
e) Profilstahlring nitriert schen Anforderungen der Motorausführung sind
jedoch maßgebend bei der Optimierung der jeweili-
gen Kolbenringbestückung. In den folgenden Bildern
7-46 bis 7-47 werden daher nur exemplarisch typi-
sche Bestückungen für die einzelnen Marktsegmente
dargestellt.
f) VF-System Die in Bild 7-46 wiedergegebene Ringbestückung
zeigt eine heute übliche Auslegung für Pkw-Otto-
motoren.

g) MF-System 1. Nut Rechteckring, ballige Lauffläche


Werkstoff: Stahl nitriert
axiale Höhe: 1,0–1,2 mm

2. Nut Nasenminutenring oder


Minutenring
h) SS50-System
Werkstoff: Grauguss
Lauffläche unbeschichtet
axiale Höhe: 1,2–1,75 mm

3. Nut MF-System
Bild 7-45 Zwei- und dreiteilige Ölabstreifringe
Feder unbehandelt oder nitriert,
Rails mit verchromter Lauffläche
oder nitrierter Oberfläche
Profilstahlring. Dieser Dachfasenring, auch I- axiale Höhe: 2,0 oder 2,5 mm
Section Ring genannt, wird aus einem profiliertem
Stahldraht hergestellt. Zum Verschleißschutz werden Alternativ:
2-tlg. Ölabstreifring mit
die Laufstege zum Beispiel mit PVD beschichtet oder Schlauchfeder
der Ring wird allseitig nitriert (Bild 7-45 e). Werkstoff: GG oder Stahlprofil
Lauffläche unbeschichtet oder
Dreiteilige Ölabstreifsysteme. Diese Ölabstreifringe nitriert
bestehen aus zwei dünnen Stahlbandringen – auch
Rails oder Stahllamellen genannt – sowie einer Ab-
standsfeder, die einerseits die Rails in dem gewünsch- Bild 7-46 Ringbestückung für Pkw-Ottomotoren
7.3 Kolbenringe 107

1. Nut Rechteck- oder Doppeltrapezring,


einseitig ballige Lauffläche
Werkstoff: Sphäroguss Ft Ft
Laufflächenbeschichtung aus
Chrom-Keramik (CKS) oder p = const.
Chrom-Diamant (GDC)
Stoßspiel
axiale Höhe: 1,75–3,5 mm

2. Nut Minuten- oder Nasenminutenring


Werkstoff: legierter Grauguss
Lauffläche unbeschichtet
axiale Höhe: 2,0–2,5 mm
Bild 7-48 Tangentialkraft am Kolbenring
3. Nut Ölabstreifring mit Schlauchfeder
Werkstoff: GG oder Stahlprofil Sie ist die bestimmende Größe für die Ermittlung des
Lauffläche verchromt oder Anpressdruckes. Der Anpressdruck, also der Druck
nitriert
mit dem der Ring gegen die Zylinderwand drückt,
axiale Höhe: 2,0–3,0 mm
bestimmt wesentlich die Dichtfunktion. Er berechnet
sich mit p = Anpressdruck, d = Nenndurchmesser,
Bild 7-47 a Ringbestückung für Pkw-Dieselmotoren h = Ringhöhe zu:
2 ˜ Ft
p ª N/mm 2 º¼ (7.3)
d ˜h ¬
1. Nut Doppeltrapezring, einseitig
ballige Lauffläche Radialdruckverteilung. Der Anpressdruck kann
Werkstoff: Sphäroguss oder Stahl über dem Umfang als konstante Druckverteilung oder
Laufflächenbeschichtung:
Chrom-Diamant-Schicht (GDC)
entsprechend einer speziellen Charakteristik gewählt
oder PVD-Schicht werden. Diese Radialdruckverteilung ist von großer
axiale Höhe: 2,5–4,0 mm Bedeutung für die Dichtfunktion des Kolbenringes an
der Lauffläche der Zylinderwand. Die Weiterentwick-
2. Nut Minutenring lung von konstanten zu inkonstanten Radialdruckver-
Werkstoff: Grauguss teilungen, wie in Bild 7-49 gezeigt, erlaubt das Funk-
Lauffläche verchromt tionsverhalten der Ringe im Motor gezielt zu beein-
axiale Höhe: 2,0–3,0 mm
flussen.
Einen Anhaltspunkt für die Radialdruckverteilung des
3. Nut Ölabstreifring mit Schlauchfeder Kolbenringes liefert die Ovalität. Als Maß für die
Werkstoff: GG/GGG oder Ovalität wird die Differenz der Ringaußendurchmes-
Stahlprofil
Lauffläche verchromt oder nitriert
ser angenommen, die in Richtung Ringstoß/Ring-
axiale Höhe: 3,0–4,0 mm rücken und 90° versetzt dazu gemessen wird.
Einbaubiegespannung. Sie ist die Biegebeanspru-
chung, die der Kolbenring im eingebauten Zustand im
Bild 7-47 b Ringbestückung für Nkw-Dieselmotoren Zylinder erfährt. Die Maximalspannung liegt dabei
im Ringrücken und errechnet sich für den Rechteck-
Für Pkw-Dieselmotoren ist in Bild 7-47 a eine typi- ring nach:
Gb = a ˜ E ˜ 2 ˜ k ª¬ N/mm 2 º¼
sche Bestückung dargestellt.
Bei höherer thermischer Beanspruchung wird der (7.4)
da
Ring der ersten Nut oft als Doppeltrapezring mit
und für einen Ölabstreifring nach:
sonst gleichen Merkmalen ausgeführt.
Für Nkw-Dieselmotoren stellt der Doppeltrapezring Gb = xl ˜ E ˜ k ˜ I u  I s ª¬ N/mm 2 º¼ (7.5)
in angepasster axialer Höhe den Standard dar, wird da Is
im Gegensatz zur Pkw-Anwendung aber auch in mit: a = Wanddicke
Stahl ausgeführt. Bild 7-47 b zeigt eine typische d = Nenndurchmesser
Nkw-Bestückung. E = Elastizitätsmodul des Ringwerkstoffes
k = Kolbenringparameter
7.3.3 Kenngrößen xl = doppelter Abstand des Schwerpunktes zum
Außendurchmesser
Tangentialkraft. Die Tangentialkraft Ft ist die Kraft, Iu = Flächenträgheitsmoment des ungeschlitzten
die an den Ringenden am äußeren Durchmesser Querschnitts
angreifend erforderlich ist, um den Kolbenring auf Is = Flächenträgheitsmoment des geschlitzten
Stoßspiel zusammenzudrücken (Bild 7-48). Querschnitts
108 7 Motorkomponenten

Kolbenringparameter. Der Kolbenringparameter k


a) Viertakt-Charakteristik (positiv oval) charakterisiert das elastische Verhalten des Ringes.
Der k-Faktor für Rechteckringe ist bei Verwendung
der Tangentialkraft Ft definiert als:
d  a
2
Ft
k = 3˜ ˜ (7.6)
h˜a 3
E
beziehungsweise
2 m
k = ˜ (7.7)
3˜S d  a
bei Einsatz der Maulweite m (Bild 7-42).
Formfüllvermögen. Unter Formfüllvermögen ver-
steht man die Eigenschaft des Kolbenringes, sich
b) konstante Druckcharakteristik (kreisförmig)
auch unrunden Zylindern anzupassen. Hohes Form-
füllvermögen unterstützt die funktionsgerechte Ab-
dichtung gegen Gas und Öl.
Das Formfüllvermögen des Ringes QR im Ringrücken
für eine radiale Verformung i-ter Ordnung ui des
Zylinders, bei der gerade noch Anlage des Ringes an
der Zylinderwand mit einem Radialdruck des Ringes
p = 0 gewährleistet ist, berechnet sich zu:
k
QR = ui = (7.8)
i  1
2
r 2

c) Zweitakt-Charakteristik (negativ oval)


mit r = (d – a)/2
Da mit steigender Ordnungszahl i das Formfüllver-
mögen mit annähernd vierter Potenz abnimmt sind
Zylinderverzüge höherer Ordnung für die Funktion
der Kolbenringe besonders kritisch.
Bei Kompressionsringen erhöht der Gasdruck hinter
dem Ring das Formfüllvermögen, während bei Öl-
abstreifringen die zusätzliche Unterstützung durch die
Federkraft wirkt, so dass sich das gesamte Formfüll-
vermögen ergibt zu:
Qges = QR ˜ 1  x (7.9)
Bild 7-49 Radialdruckverteilungen
mit:
pz pf
x für Kompressionsringe und x für Ölab-
Überstreifspannung. Die größte Beanspruchung er- p p
fährt der Ring beim Aufziehen auf den Kolben, da er abstreifringe
mindestens so weit geöffnet werden muss, dass die pz = Anpressdruck durch Gasdruck
Innenkontur über den Durchmesser des Kolbens pf = Anpressdruck durch Federkraft
passt. Ausgehend vom mathematisch exakten und
aufwändigen Ansatz zur Berechnung der Überstreif- Es ist zu beachten, dass die vereinfachten Gleichun-
spannung wurden handliche Formeln zur Berechnung gen 7.8 und 7.9 nur Aussagen über das Formfüllver-
von Rechteckquerschnitten als auch von Ölabstreif- mögen im Ringrücken ermöglichen, nicht jedoch über
ringen abgeleitet. Diese in [1] dokumentierten For- das örtliche Vermögen am Ringumfang [3].
meln unterscheiden das Aufziehen des Ringes unter Stoßspiel. Das Stoßspiel ist der von den Ringenden
rein tangentialer Belastung sowie über eine Über- gebildete Spalt im eingebauten Zustand, der unter
streifhülse. anderem zum Ausgleich der Wärmeausdehnung des
Grundsätzlich sei hier angemerkt, dass die rein tan- Ringes erforderlich ist (Bild 7-48). Während zu groß
gentiale Belastung zur maximalen Überstreifspan- ausgelegte Stoßspiele oft erhöhte Gasleckagen – also
nung im Ringrücken führt, während beim Aufziehen Blow-by-Mengen – verursachen, führt eine zu kleine
mittels Überstreifhülse diese eher im Bereich 90° Auslegung zum sogenannten „Ringdrücken“ bezie-
beziehungsweise 270° liegt. hungsweise „Ringbeißen“. Dabei wird die Wärme-
7.3 Kolbenringe 109

ausdehnung des Ringes durch sich berührende Stoß- chend der zu erzielenden Radialdruckcharakteristik
enden behindert. Es kann sowohl zum Ringbrechen berechnet und ausgelegt werden.
aber auch zu Fressern zwischen Ring- und Zylinder- Die Profilgebung der Laufflächen, insbesondere von
lauffläche kommen, da der Anpressdruck unzulässig Minuten-, Nasen- und Ölschlitzringen erfolgt je nach
steigt. Ausführung auf Außendrehautomaten oder Profil-
Ringstoß. In Pkw- und Nkw-Motoren werden im All- schleifmaschinen mit Hilfe von speziellen Profil-
gemeinen nur gerade Ringstöße eingesetzt, da einfa- werkzeugen vor beziehungsweise nach einer eventu-
che Schrägstöße sowie überlappte Stöße bezüglich ellen Laufflächenbeschichtung oder Nitrierbehand-
Dichtigkeit keine Vorteile aufweisen. Besondere lung.
Konstruktionen für Ringstöße mit erhöhter Dichtig-
keit (zum Beispiel Typ „walzenförmig“ oder Typ 7.3.4.2 Verschleißschutzschichten
„schräg“) können dagegen die Abdichtung gegenüber Zur Verringerung des Verschleißes an den Kolben-
dem Geradstoß verbessern und werden vielfach in ringen und am Zylinder werden vor allem die Ring-
großen Zweitakt-Dieselmotoren verwendet. laufflächen mit verschleißfesten Schutzschichten
bewehrt [6]. Eingesetzt werden folgende Verschleiß-
schutzschichten:
7.3.4 Kolbenringherstellung
Verchromung. Im tribologischen System Kolben-
Kolbenringe aus Gusseisen werden zum einen im ring/Zylinderwand zeichnen sich elektrochemisch
Einzelgussverfahren als Einfach-, Doppel- oder erzeugte Hartchromschichten auf Kolbenringlaufflä-
Mehrfachrohlinge auf Formplatten nach einem ma- chen durch eine hohe Eigenverschleißbeständigkeit
thematisch bestimmten Modell geformt und im Sta- sowie geringe von ihnen ausgelöste Zylinderver-
pelguss abgegossen. Ein anderes Herstellverfahren schleiße aus. Anwendung finden normale Chrom-
ist, Gussbuchsen im Stand- oder Schleuderguss zu schichten heute eigentlich nur noch auf Ringen der
erstellen. 2. Nut, sowie auf Ölringen. Gegen Schädigungen der
Für Kolbenringe aus Stahl wird bevorzugt kaltgezo- Schicht, wie Brandspuren und/oder ermüdungsbe-
gener Profilstahl verwendet. Dabei kommen nicht nur dingte Ausbrüche, die vor allem in der Einlaufphase
annähernd rechteckige Profile für Kompressionsrin- auftreten können, wurden besondere Oberflächen-
ge, sondern auch Spezialprofile für Ölabstreifringe topographien zur Optimierung der Schmierfilmauf-
zur Anwendung. bereitung entwickelt. Hier ist besonders die Sonder-
läppung zu nennen [1].
7.3.4.1 Formgebung Ständig steigende Anforderungen an die Belastungs-
Während die Flankenbearbeitung der Ringe mit niveaus bei modernen Verbrennungsmotoren erfor-
konventionellen Arbeitsverfahren wie Planschleifen dern eine über den Einlauf hinausgehende Verbesse-
geschieht, wird die Kontur im ungespannten Zu- rung der mechanisch/thermischen Belastbarkeit der
stand, die die Charakteristik der Kolbenringe be- Schichten. Durch die Einlagerung von keramischen
stimmt, durch spezielle Verfahren – dem Doppel- Partikeln (Al2O3) in eine elektrochemisch erzeugte
formdrehen für Gussringe und dem Wickeln für Hartchromschicht (zum Beispiel CKS®-Schicht) wird
Stahlringe – hergestellt. nicht nur deren Verschleißwiderstand über der ge-
samten Lebensdauer der Schichtdicke verbessert,
Doppelformdrehen. Beim Doppelformdrehen wird sondern auch der Widerstand gegen Brandspur-
der an den Flanken geschliffene Rohling innen und bildung, also gegen die thermische Überlastung (Bild
außen gleichzeitig im Kopierdrehverfahren bearbei- 7-50).
tet, welches eine gleichmäßige Wanddicke über den Für noch höhere motorische Belastungen können statt
Ringumfang gewährleistet. Nach Heraustrennen des der oben genannten Keramikpartikel kleinste Dia-
der Maulweite entsprechenden Ringsegmentes hat der mantpartikel in der sonst vergleichbaren Hartchrom-
Ring die ungespannte Form, die nach Einbau in den schicht verankert (GDC®-Schicht) werden. Dadurch
Zylinder die gewünschte Radialdruckverteilung reali- kann der Eigenverschleiß bei nochmals verbesserter
siert. Die Form des Kopiernockens ist dabei speziell Brandspursicherheit etwa halbiert werden, ohne den
für jede Radialdruckcharakteristik des Ringes mathe- Zylinderverschleiß wesentlich zu erhöhen [7].
matisch berechnet und ausgelegt.
Molybdänbeschichtung. Sie wird vor allem wegen
Wickeln. Das Wickeln von Kolbenringen wird für ihres hohen Widerstandes gegen Brandspurbildung
Stahlringe praktiziert. Der profilgezogene Stahldraht angewendet. Molybdän wird als thermische Spritz-
wird rund gewickelt. Die so entstehende Spirale wird schicht hauptsächlich im Flammspritzverfahren auf
längs aufgetrennt, dadurch werden die Ringe verein- die Kolbenringfläche aufgetragen. Die hohe Resistenz
zelt. Anschließend werden die Ringe auf einen Form- der Mo-Schicht gegen Brandspuren wird hypothe-
dorn gezogen und in einem Wärmebehandlungspro- tisch auf den hohen Schmelzpunkt von Mo (2.600 °C)
zess formgeglüht. Hierbei muss der Dorn entspre- und auf die poröse Schichtstruktur zurückgeführt.
110 7 Motorkomponenten

Rissnetzwerk
Zeit

Rissbreite

– +
Stromdichte
Lagendicke
Risstiefe
Bild 7-50 Schematische
Darstellung von Chrom-
schichten mit Feststoff-
einlagerungen

Plasmaspritzschichten. Die Technik des Plas- schen Normalchromschichten gewertet werden, die von
maspritzverfahrens ermöglicht es, metallische be- thermischen Spritzschichten wird nicht erreicht.
ziehungsweise metallkeramische Mischschichten zu PVD-Schichten (Physical Vapor Deposition). Mit
erstellen, deren Basiswerkstoffe besonders hohe der Technologie des Aufdampfens von Hartstoffen
Schmelzpunkte haben. Die dadurch erzielten Ver- wie CrN werden Verschleißschutzschichten erzeugt,
schleißschutzschichten haben einen noch höheren die eine konturengenaue Abbildung der Oberflächen
Verschleißwiderstand als Molybdänschichten und ermöglichen.
höhere Brandspursicherheit als Chromschichten. PVD-beschichtete Kolbenringe zeichnen sich durch
HVOF-Schichten (High Velocity Oxy-Fuel). Die hohen Verschleißwiderstand, hohe Brandspursicher-
HVOF-Beschichtung, ein Hochgeschwindigkeits- heit und einen niedrigen Zwickelverschleiß in den
Flammspritzen, baut auf der sehr hohen Brandspurre- Zylindern aus. Die PVD-Schichtdicken sind durch
sistenz der Plasmabeschichtung auf, wobei die Eigen- den Abscheideprozess begrenzt, die heute erreichba-
und Zylinderverschleißwerte weiter reduziert werden ren Schichtdicken von bis zu 50 μm erfüllen die
können. Beim HVOF-Beschichten wird ein Über- Lebensdauererwartungen sowohl in Otto- als auch
schall-Flammstrahl zur Beschleunigung und Erwär- Dieselmotoren. Ein weiterer Vorteil der PVD-
mung der Spritzwerkstoffe verwendet, was gegenüber Schichten ist die Reduzierung von Reibungsverlusten
dem Plasmaspritzen deutlich dichtere und festere im Mischreibungsgebiet. Insbesondere DLC (Dia-
Schichten entstehen lässt [4]. Diese prinzipiellen Vor- mont like Carbon)-Beschichtungen gewinnen hier an
teile gegenüber dem Plasma können für den Motor aber Bedeutung [8]. Infolge der begrenzten Lebensdauer
nur realisiert werden, wenn die Schichtwerkstoffe opti- von wasserstoffhaltigen DLC-Beschichtungen wer-
mal auf die besonderen Prozesseigenschaften abge- den diese bevorzugt als Einlaufschicht oder als rei-
stimmt sind. Als Werkstoffe kommen vor allem Metal- bungsreduzierende Beschichtung in ottomotorischen
le mit hohem Karbidanteil zum Einsatz. Anwendungen eingesetzt [9]. Neuere Entwicklungs-
Nitrieren und Nitrocarburieren. Hierbei werden trends nutzen wasserstofffreie DLC-Beschichtungen,
durch thermochemische Behandlung (Diffusion) Stick- die durch hohe Verschleißbeständigkeit gekennzeich-
stoff und zum Teil auch Kohlenstoff in die Oberfläche net sind. Durch diese neuen Schichten wird die Nut-
des Kolbenringes (überwiegend aus Werkstoff Stahl) zung der Reibleistungsvorteile auch für Dieselmoto-
eingelagert. Diese Diffusion erzeugt eine sehr hohe ren in zunehmendem Maße möglich.
Oberflächenhärte (circa 1.300 HV 0,025), die der
Schicht einen hohen Verschleißwiderstand vermittelt. 7.3.4.3 Oberflächenbehandlungen
Härte und Schichtdicke wachsen mit dem Anteil nitrid-
Die nachfolgend aufgeführten Oberflächenbehand-
bildender Legierungselemente des Ringwerkstoffes
lungen dienen bei Kolbenringen hauptsächlich zum
(überwiegend Stahl mit 13 % beziehungsweise 18 %
Korrosionschutz bei der Lagerung, zur optischen
Chromgehalt). Bei Ottomotoren werden sie als Alter-
Aufwertung sowie zur Verbesserung des Einlaufs.
native zu galvanischen Chromschichten und teilweise
Eine nennenswerte Erhöhung der Brandspursicherheit
auch zu thermischen Spritzschichten angewendet, ins-
im Einlauf wird allerdings nicht erreicht.
besondere bei Ringhöhen ”1,2 mm. Weitere Vorteile
sind die Formtreue, die die Abbildung scharfer Lauf- Phosphatieren (Zinkphosphat- beziehungsweise
kanten am Kolbenring ermöglicht, sowie die allseitige Manganphosphatschichten). Durch chemische Be-
Beschichtung, durch die ein zusätzlicher Schutz gegen handlung wird die Oberfläche des Kolbenringes in
Flankenverschleiß gewonnen wird. Die Brandspursi- Phosphatkristalle umgewandelt. Diese Phosphat-
cherheit dieser Schichten kann wie die von galvani- schicht ist weicher als das Grundmaterial des Ringes
7.3 Kolbenringe 111

und trägt sich demnach leichter ab, was den Einlauf stoffe mit erhöhten Chrom- und Siliziumgehalten für
der Ringe beschleunigt. Die Dicken dieser Schicht Kompressionsringe in Dieselmotoren angewendet.
liegen zwischen 2 und 5 μm.
Brünieren. Brünierschichten werden hauptsächlich zur 7.3.5 Beanspruchung, Schäden,
Flankenbeschichtung von Rails aus Kohlenstoffstahl Verschleiß, Reibung
eingesetzt. Diese sehr dünnen (<1 μm) Eisenoxid-
schichten stellen einen gewissen Korrosionsschutz dar. Kolbenringe werden bei der Montage durch die Über-
CPS und CPG. CPS (bei nitrierten Stahlringen) und streifbiegespannung und im eingebauten Zustand im
CPG (bei nitrierten Gussringen) sind Verfahren der Zylinder durch die Einbaubiegespannung bean-
chemischen Passivierung und vermindern die Gefahr sprucht. Zusätzlich treten dynamische Belastungen
des sogenannten Microweldings infolge einer geziel- auf, nämlich eine Axialbewegung des Kolbenringes,
ten Veränderung der Oberflächenmorphologie [5]. die durch die Wechselwirkung zwischen Gas-, Mas-
Gleichzeitig werden Korrosionsbeständigkeit und Ge- sen- und Reibungskräften hervorgerufen wird. In
staltfestigkeitsverhalten positiv beeinflusst. extremen Fällen werden unkontrollierte, axiale und
auch radiale Bewegungen des Ringes hervorgerufen,
die insbesondere in Benzinmotoren bei niedrigen
7.3.4.4 Werkstoffe für Kolbenringe Mitteldrücken und hohen Drehzahlen zu stark redu-
Bestimmend für die Wahl der Kolbenringwerkstoffe zierter Dichtfunktion und somit zu hohen Blow-by-
sind die Forderungen nach guten Lauf- und Notlauf- Verlusten führen können. Diese extremen Ringbewe-
eigenschaften (Verschleißverhalten), gutem elasti- gungen können in Einzelfällen ebenso zum Ringbruch
schen Verhalten, guten Wärmeleitwerten und thermi- führen wie extreme Druckanstiegsraten bei klopfender
schen Ausdehnungseigenschaften sowie hoher Korro- Verbrennung eines Otto- oder wie bei nagelnder Ver-
sionsbeständigkeit. Hohe Festigkeit ist dann gefor- brennung eines Dieselmotors. Außergewöhnlich hohe
dert, wenn motorenseitig extreme Bedingungen wie Beanspruchung des Ringes entsteht auch durch Ölver-
hohe Drehzahlen oder hohe Gradienten des Verbren- kokung in der Kolbennut, was zum Ringstecken führen
nungsdruckes vorliegen. Folgende Werkstoffe kom- kann. Weitere Ringschäden sind Brandspuren und
men zum Einsatz [6]: Fressen der Ringe [10].
Gusseisen mit Lamellengraphit, unvergütet. „Stan- Die Lebensdauer der Kolbenringdichtung wird ent-
dard-Werkstoff“ für Kolbenringe mit guten Einlauf- scheidend von ihrem Verschleiß bestimmt. Es tritt
und Notlaufeigenschaften sowie befriedigendem Radialverschleiß (Laufflächenverschleiß), Axialver-
Verschleißverhalten. Die Biegefestigkeitswerte sind schleiß (Ringflanken- und Kolbennutverschleiß), „Mi-
mit mindestens 350 N/mm2 relativ niedrig. „Standard- crowelding“ (eine spezielle Schädigung der Ring- und
Werkstoff“ wird für Ringe der 2. Nut und Ölabstreif- Nutflanken) und Sekundärverschleiß an Ölringen
ringe verwendet. (Verschleiß zwischen Ring und Schlauchfelder bezie-
hungsweise zwischen Lamellen und Abstandsfeder)
Gusseisen mit Lamellengraphit, legiert, vergütet.
auf. Das tribologische System der Kolbenringdichtung
Die niedrigen Festigkeitswerte des „Standard-Werk-
ist sehr komplex, weil praktisch alle üblichen Ver-
stoffes“ sind durch Vergüten angehoben. Die Biege-
schleißarten wie abrasiver, adhäsiver und korrosiver
festigkeiten liegen bei mindestens 650 N/mm2,
Verschleiß mit mehr oder weniger starker Auswirkung
gleichzeitig wird die Härte gesteigert. Dieser Werk-
auftreten. Der Anteil der Kolbengruppe an den me-
stoff wird ebenfalls für Ringe der 2. Nut eingesetzt.
chanischen Verlusten eines Motors beträgt circa 40 %.
Gusseisen mit Kugelgraphit (Sphäroguss), niedrig- Die Kolbenringe verursachen hiervon etwas mehr als
legiert, vergütet. Dieses Gusseisen zeichnet die Hälfte. Wesentliche Einflussgrößen auf die Kol-
sich durch hohe Biegefestigkeit von mindestens benringreibung sind die Flächenpressung, die Ring-
1.300 N/mm2 aus. Wegen der hohen Biegefestigkeit höhe (Breite des Laufspiegels) beziehungsweise die
wird Sphäroguss vorzugsweise für Ringe der 1. Nut Laufsteghöhe bei Ölringen, die Laufflächenform
verwendet. (Balligkeit; unterschiedliche Ausführungen siehe
Stahl. Wegen der hohen Bruchsicherheit wird Stahl Bild 7-51), der Reibbeiwert der Laufflächenbeschich-
zum Beispiel bei niedriger Ringhöhe (”1,2 mm) für tung (nur im Mischreibungsgebiet in den Totpunkten;
Ottomotoren und in Dieselmotoren mit hohen Druck- hier ist aber die Kolbengeschwindigkeit sehr niedrig)
steigerungsraten sowie bei Ölabstreifringen für Stahl- und die Anzahl der zur ausreichenden Dichtfunktion
lamellen, Abstandsfedern und als Profilstahlölring notwendigen Ringe pro Kolben. Alle Maßnahmen zur
eingesetzt. Bevorzugte Stahlwerkstoffe sind Feder- Reduzierung der Kolbenringreibung müssen daher so
stähle, zur Erhöhung des Verschleissschutzes durch gewählt werden, dass sie das Funktionsverhalten der
ein nachfolgendes Nitrieren werden ebenso hoch- Kolbenringe, insbesondere die Abdichtwirkung gegen
chromhaltig legierte martensitische Werkstoffe ge- Brenngas und Schmieröl, nicht negativ beein-
nutzt. In zunehmenden Maße werden Stahlgusswerk- flussen [11].
112 7 Motorkomponenten

einzelnen Zylindern oder zu Zylinderblock/Zy-


Ring mit balliger linderblöcken
a)
Lauffläche x Lagerung von Kurbelwelle, von gegebenenfalls
einer Zwischenwelle für den Steuerungsantrieb
und von gegebenenfalls einer oder zwei Aus-
gleichswellen für den Massenausgleich
Ring mit asymmetrisch
balliger Lauffläche x Aufnahme von Kanälen zum Transport von
b)
Schmier- und Kühlmitteln. Mit Schmiermittel zu
versorgen sind Kurbelwellen- und Pleuellager,
gegebenenfalls Kolbenspritzdüsen für die Kolben-
kühlung, gegebenenfalls vorhandene hydraulische
Ring mit optimierter Kettenspanner sowie die im Zylinderkopf ange-
asymmetrisch
balliger Lauffläche
ordneten Bauteile. Dieses sind Nockenwelle(n),
c)
Tassenstößel oder Kipp- oder Schlepphebel, ge-
gebenenfalls vorhandene Hydraulikelemente für
Bild 7-51 Laufflächenformen den automatischen Ausgleich des Ventilspiels so-
wie gegebenenfalls vorhandene Verstelleinrich-
Literatur tungen für die Steuerzeitenverstellung. Der
[1] N. N.: Kolbenringhandbuch der Federal-Mogul Burscheid
Schmiermittelrücklauf aus dem Zylinderkopf/den
GmbH, Neuauflage 2008 (Online-Ausgabe) Zylinderköpfen erfolgt meistens ebenfalls durch
[2] Esser, J.: Einfluss von Ölabstreifringen auf den Ölverbrauch. In: im Kurbelgehäuse angeordnete Kanäle
MTZ 63 (2002) 7/8 x Bei flüssigkeitsgekühlten Motoren beinhaltet das
[3] Mierbach, A.: Radialdruck und Spannbandform eines Kolben-
ringes. In: MTZ 55 (1994) 2
Kurbelgehäuse um die Zylinder herum den so-
[4] Herbst-Dederichs, C.; Münchow, F.: Modern Piston Ring Coa- genannten Wassermantel sowie gegebenenfalls
tings and Liner Technology for EGR Applications, SAE weitere Kühlmittel führende Kanäle. Häufig dient
Paper 2002-01-0489 hier das Kurbelgehäuse auch zur Aufnahme der
[5] Ishaq, R.; Grunow, F.: Wege zur Optimierung des Reibsystems
Kolbenring und Ringnut. In: MTZ 60 (1999) 9
Kühlmittelpumpe
[6] Esser, J.; Hoppe, S.; Linde, R.; Münchow, F.: Kompressions- x Integration eines Systems zur Kurbelgehäuseent-
kolbenringe in Otto- und Dieselmotoren. In: MTZ 66 (2005) 7/8 lüftung
[7] Esser, J.; Linde, R.; Münchow, F.: Diamantbeschichtete Lauf- x Anschluss zu Getriebe und Ventilsteuerungs-
flächenschicht für Kompressionsringe. In: MTZ 65 (2004) 7/8
[8] Hoppe, S.; Münchow, F.; Esser, J.: DLC-Hochleistungsbe-
antrieb und dessen Abdeckung sowie Aufnahme
schichtungen für Kolbenringe, Potenzial und Einsatzerfahrun- und Führung von Übertragungselementen wie
gen. In: VDI-Bericht Nr. 1994, 2008, S. 143 – 156 zum Beispiel Ketten
[9] Kennedy, M; Hoppe, S; Esser, J.: Kolbenringbeschichtung zur x Anschlüsse und Aufnahme diverser Nebenaggre-
Reibungssenkung im Ottomotor. In: MTZ 05 (2012)
[10] Mittler, R.: Detaillierte 3D-Ringpaketanalyse. In: MTZ 7/8
gate so zum Beispiel für Motorlagerung im Fahr-
(2010) zeug, Bauteile für die Kühlmittelvorwärmung, Öl-
[11] Martínez, D. L.; Valverde, M.; Rabuté, R.; Ferrarese, A.: Kol- Wasser Wärmetauscher, Ölfilter, Ölabscheider für
benringpaket für reibungsoptimierte Motoren. In: MTZ 7/8 Kurbelgehäuseentlüftung, Sensoren für Öldruck-,
(2010)
Öltemperatur-, Kurbelwellendrehzahl-, Klopfer-
kennung und so weiter
x Verschluss des Kurbelraumes nach außen durch
7.4 Kurbelgehäuse die Ölwanne und für den Kurbelwellendurchtritt
Als Kurbelgehäuse bezeichnet man das Bauelement mittels Radialwellendichtringen.
des Motors, das den Zylinder, den Kühlmantel und Auf Grund der vielfältigen zu erfüllenden Funktionen
das Triebwerksgehäuse umfasst. ist das Kurbelgehäuse unterschiedlichen und sich
überlagernden Beanspruchungen ausgesetzt. Es wird
7.4.1 Aufgaben und Funktionen auf Zug-Druck, Biegung und Torsion beansprucht
durch Massen- und Gaskräfte. Im Einzelnen sind dies:
Als Hauptfunktionen, die das Kurbelgehäuse zu er-
x Gaskräfte, die von der Zylinderkopfverschraubung
füllen hat gelten:
und der Kurbelwellenlagerung aufzunehmen sind
x Aufnahme der Gas- und Massenkräfte in den x innere Massenmomente (Biegemomente), resultie-
Kurbelwellenlagern beziehungsweise in der Ver- rend aus rotierenden und oszillierenden Massen-
schraubung des Zylinderkopfes kräften
x Aufnahme des Triebwerkes, bestehend aus Kol- x innere Torsionsmomente (Kippmomente) zwi-
ben, Pleuel, Kurbelwelle und Schwungrad schen einzelnen Zylindern
x Aufnahme und Anschluss der Zylinder oder bei x Kurbelwellendrehmoment und die daraus resultie-
mehrteiliger Kurbelgehäusebauart Anschluss zu renden Reaktionskräfte in der Motorlagerung
7.4 Kurbelgehäuse 113

Werkstoffe
(gängige Werkstoffe für Kurbelgehäuse)
Werkstoffgruppe: Aluminium Eisen
Werkstoff: AISI6Cu4 AISi17Cu4Mg AISi9Cu3 G3L-240 G3L-300 G3V
Bemerkung: untereutektisch übereutek- übereutek- untereutektisch Gusseisen Gusseisen Vermi-
tisch, tisch mit Lamel- mit Lamel- cular
lengraphit lengraphit Graphit
Werkstoffzustand: Gusszustand wärme- Gusszustand Gusszustand
behandelt
Gusstechnik: Sand- und Druckguss Sand- und Druckguss Sand- und Druckguss
Kokillenguss Kokillenguss Kokillenguss
Dehngrenze Rp02 (N/mm2): 90–100 140 190–320 150–210 90–180 150 165–228 195–260 240–300
Zugfestigkeit Rm (N/mm2): 150–170 240 220–360 260–300 150–170 220 250 300 300–500
Bruchdehnung A6 (%): 1 1 0,5 0,3 1 1 0,8–0,3 0,8–0,3 2–6
Brinelhärte HB: 60–75 80 90–150 25 60–75 80 180–250 200–275 160–280
Biegewechselfestigkeit 60–80 70–90 90–125 70–95 60–95 70–90 87,5–125 105–150 160–210
(N/mm2)
E-Modul (kN/mm2): 73–76 75 83–87 83–87 74–78 75 103–118 108–137 130–160
Wärmeausdehnungskoef. 21–22,5 22,5 18–19,5 18–19,5 21–22,5 21 11,7 11,7 11–14
(20°–200° C) (10–4 /K):
Wärmeleitfähigkeit (W/mK): 100–110 100–110 117–134 117–150 110–120 110–120 48,5 47,5 42–44
Dichte (kg/dm3): 2,75 2,75 2,75 2,75 2,75 2,75 7,25 7,25 7,0–7,7
Quellen: Kolbenschmidt AG, Neckarsulm, Handbuch Aluminium – Gussteile, Heft 18
DIN EN 1706, Aluminium und Aluminiumlegierungen, Gussstücke, chemische Zusammensetzung und mechanische EIgenschaften
DIN EN 1591, Gusseisen mit Lamellengraphit
Porsche Technische Lieferungsbedingungen 2002
Vermiculargraphitguss (GGV) – Ein neues Material für den Verbrennungsmotor,
Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik 95,
Prof. Dr. techn. F. Indra, Dipl. Ing. M. Tholl, Adam Opel AG, Rüsselsheim

Bild 7-52 Werkstoffe von Kurbelgehäusen

x freie Massenkräfte und Massenmomente, resultie- Die Festigkeit eines Kurbelgehäuses wird bestimmt
rend aus oszillierenden Massenkräften, die in der durch den verwendeten Werkstoff, durch die in Ab-
Motorlagerung aufzunehmen sind. hängigkeit vom verwendeten Gießverfahren und
Werkstoff mögliche Wärmebehandlung sowie durch
Arbeitsverfahren und Betriebsgrenzen bestimmen die die konstruktive Gestaltung, charakterisiert durch
maximal auftretenden Kräfte. So benötigen Diesel- Kurbelgehäusebauart, Verrippung, Wandstärken etc.
motoren aufgrund ihrer höheren Spitzen- und Mit- Gängige Kurbelgehäuse-Werkstoffe, zum Vergleich
teldrücke im Allgemeinen stärker dimensionierte auch GGV, und die wichtigsten Werkstoffeigenschaf-
Kurbelgehäuse als Ottomotoren. Die Höhe der auf- ten sind in Bild 7-52 dargestellt.
tretenden Massenkräfte wird durch die maximale Kurbelgehäuse werden je nach der Motorbauart, wie
Drehzahl und die Auslegung des Kurbeltriebes be- zum Beispiel Reihen-, V- und Boxermotor durch die
stimmt. Die Tendenz zur Aufladung von Diesel- und folgenden Hauptabmessungen charakterisiert (Bild
Ottomotoren, sowie zum Downsizing mit gleicher 7-53):
Leistung bei kleinerem Hubvolumen, erhöht die vom x Länge als Maß von Vorderkante Kurbelgehäuse
Kurbelgehäuse aufzunehmenden Kräfte. bis Motor-Getriebeflansch
Die Wirkung der Kräfte und der daraus resultierenden x Breite, als maximale Breite über alles
Momente sowohl im Inneren des Kurbelgehäuses x Höhe als Maß von Mitte Kurbelwelle in Zylin-
als auch nach außen (Motorlagerung, mechanische derachsrichtung bis Deckplattenebene
Schwingungen, Geräuschabstrahlung) hängt ab von x Zylinderbohrung als Nenninnendurchmesser der
der konstruktiven Ausführung des Motors. Zylinder
Die wesentlichen Einflussparameter der Motorbauart x Zylinderabstand als Maß zwischen den Mitten
auf die Beanspruchung des Kurbelgehäuses sind die zweier benachbarter Zylinder
Zahl und Anordnung der Zylinder sowie die Kröp- x Zylinderversatz bei V-, W- und Boxermotoren als
fungsanordnung der Kurbelwelle und die Zündfolge. Maß zwischen den Mitten von zwei sich in be-
Die dabei im Kurbelgehäuse auftretenden Beanspru- nachbarten Zylinderbänken gegenüberliegenden
chungen sind von Einfluss auf die Konstruktion des Zylindern
Kurbelgehäuses beziehungsweise die Kurbelgehäuse- x Zylinderlänge als Maß von Deckplatte bis unterem
bauart im Hinblick auf ausreichende Festigkeit, mini- Zylinderende.
male Verformungen, kostengünstige Herstellung, Re- Das Bohrbild gibt die Lage der Zylinderkopfver-
cycling, Geräuschabstrahlung und auf das Kurbelge- schraubung an: je nach deren Ausführung, zum Bei-
häusegewicht und damit auf das Motorgesamtgewicht. spiel 4- oder 6-fach je Zylinder.
114 7 Motorkomponenten

c) Höhe des Kurbelgehäuse-Unterteils bei zweige-


teilten Kurbelgehäusen.
6
Bild 7-53 zeigt die wesentlichen Abmessungen.
3
Bei jeder Kurbelwellenumdrehung führt der Pleuel
eine Schwenkbewegung aus. Die dabei entstehende
Hüllkurve, bestimmt durch die Außenkontur des
8 Pleuels und durch den Kurbelradius, wird wegen ihrer
charakteristischen Form, die der Außenkontur einer
1 Länge Geige ähnelt, als Pleuelgeige bezeichnet (Bild 7-54).
2 Breite Bei der Konstruktion eines Kurbelgehäuses ist daher
3 Höhe
4 Zylinderbohrung ein entsprechender Freigang zur Pleuelgeige sicher-
5 Zylinderabstand zustellen. Die wichtigsten Engstellen zwischen Kur-
6 Zylinderlänge
5 7 Abmessungen Bohrbild
belgehäuse und Pleuelgeige sind üblicherweise:
8 Maß von Mitte Kurbelwelle
bis Flansch zu Ölwanne
x Unterkante Zylinder, bei V-, W- und Boxermoto-
1 ren auch des gegenüberliegenden Zylinders
x Kurbelgehäuseseitenwände mit insbesondere ne-
4 ben der Pleuelgeige angeordneten Kanälen für
Ölrücklauf oder Kurbelgehäuseentlüftung.

7
Der Freigang beträgt in der Regel zwischen 3,5 und
2 4,5 mm und ist bedingt durch die Berücksichtigung
aller Toleranzen der beteiligten Bauteile, einschließ-
Bild 7-53 Hauptabmessungen des Kurbelgehäuses lich der Gusstoleranzen des Kurbelgehäuses.

7.4.2 Gestaltung von Zylinderkurbel-


gehäusen
7.4.2.1 Kurbelgehäusebauart
Die Kurbelgehäusebauarten können strukturiert
werden entsprechend der konstruktiven Ausführung
im Bereich von:
x Deckplatte
x Hauptlagerstühlen
x Zylinder.
Da den Zylindern ein eigenes Kapitel gewidmet ist,
Pleuelgeige werden sie in diesem Zusammenhang nicht be-
handelt.
Deckplatte
Ein wesentliches Konstruktionsmerkmal, welches die
Auswahl des Gießverfahrens einschränkt, ist die
Kurbelgehäusedeckplatte. Dabei kann man unter-
scheiden zwischen Closed-Deck- und Open-Deck-
Bauweise.
a) Closed-Deck. Bei dieser Bauweise ist die Kurbel-
gehäusedeckplatte in dem Bereich um die Zylinder
herum weitgehend geschlossen. In der Deckplatte
Bild 7-54 Pleuelgeige sind, unabhängig von deren Ausführung, immer Öff-
nungen der Zylinder, Öffnungen für Gewindeboh-
Folgende Maße von der Kurbelwellenmitte bis zum rungen zur Zylinderkopfverschraubung und in der
Flansch der Ölwanne sind definiert: Regel Bohrungen und Kanäle für Drucköl, Kühlwas-
ser, Ölrücklauf und Kurbelgehäuseentlüftung vorhan-
a) gleich null bei Trennebene zu Ölwanne auf Mitte den (Bild 7-55).
Kurbelwelle Die Deckplatte wird, mit Ausnahme der Zylinder, im
b) Höhe des Deep-Skirt bei Kurbelgehäuse mit Wesentlichen nur von kleineren, im Querschnitt
heruntergezogenen Seitenwänden abgestimmten Öffnungen für das Kühlmittel durch-
7.4 Kurbelgehäuse 115

Das für die Darstellung des Wassermantelkernes auch


anwendbare Lost-Foam-Verfahren wird nur ganz
vereinzelt angewendet.
Gusseisen-Kurbelgehäuse, hergestellt im Sandguss-
verfahren, haben ausschließlich ein Closed-Deck-
Design. Kurbelgehäuse aus Aluminium-Silizium-
Legierungen mit Closed-Deck-Design werden in
Großserie überwiegend im Kokillen-/Niederdruck-
guss und zum geringen Teil auch im automatisierten
Sandgussverfahren hergestellt.
b) Open-Deck. Bei der Open-Deck-Bauweise ist der
die Zylinder umfassende Wassermantel nach oben hin
offen, Bild 7-56. Das bedeutet gießtechnisch, dass für
die Darstellung des Wassermantels kein Sandkern
und damit auch keine Kernlagerungen erforderlich
sind. Der Wassermantelkern ist ohne Hinterschnitte
abformbar und als Stahl-Formteil darstellbar.
Der nach oben offene Wassermantel ermöglicht im
Vergleich zur Closed-Deck-Bauweise eine bessere
Kühlung des heißen oberen Bereiches der Zylinder.
Die Steifigkeit der Deckplatte ist beim Open-Deck-
Design geringer als bei der Closed-Deck-Bauweise.
Der daraus resultierende negative Einfluss auf Deck
plattenverformung und Zylinderverzug wird kompen-
Bild 7-55 Closed-Deck-Bauweise siert durch Verwendung einer Metallzylinderkopf-
dichtung. Diese ermöglicht durch ihr, im Vergleich zur
brochen. Diese Öffnungen verbinden den die Zylin- herkömmlichen Weichstoffzylinderkopfdichtung, ge-
der umfassenden Wasserraum über festgelegte Öff- ringeres Setzverhalten eine niedrigere Vorspannkraft
nungsquerschnitte in der Zylinderkopfdichtung und der Zylinderkopfverschraubung, wodurch Deckplatten-
Öffnungen in der Zylinderkopfbrennraumplatte mit verformung und Zylinderverzug reduziert werden.
dem Wassermantel im Zylinderkopf. Diese Bauart hat
Nachteile bezüglich der Zylinderkühlung im OT-
Bereich. Die Darstellung des Kurbelgehäusewasser-
mantels erfordert bei der Closed-Deck-Bauweise
einen Sandkern, da der Wassermantel im oberen
Bereich des Kurbelgehäuses größtenteils durch die
Deckplatte verschlossen ist. Er ist daher nicht, zum
Beispiel als Bestandteil der Gießaußenform für den
oberen Teil des Kurbelgehäuses, abformbar und muss
in der Gießform gelagert werden. Diese Lagerstellen
finden sich meist am fertigen Kurbelgehäuse als
Gussaugen in den Kurbelgehäuseseitenwänden wie-
der. Die Öffnungen der Kernlagerungen werden mit
Blechverschlussdeckeln verschlossen. Derartige
Kernlageraugen am Kurbelgehäuse sind bei einem
fertig montierten Motor ein Indiz für die Closed-
Deck-Bauart der Deckplatte.
Der Vorteil der Closed-Deck-Bauart im Vergleich zur
Open-Deck-Bauart ist die höhere Steifigkeit der
Deckplatte. Dies wirkt sich positiv auf Deckplatten-
verformung, Zylinderverzug und Akustik aus.
Die Ausführung von Kurbelgehäusen mit Closed-
Deck-Design schränkt jedoch die Auswahl an Gieß-
verfahren ein. Wegen des erforderlichen Wasserman-
telsandkernes wird die Closed-Deck-Bauart nahezu
ausschließlich im Sand- oder Kokillenguss herge- Bild 7-56 Open-Deck-Bauart
stellt.
116 7 Motorkomponenten

Die Ausführung von Kurbelgehäusen mit Open- Wärmeausdehnungskoeffizient des Hauptlagerdeckels


Deck-Design lässt prinzipiell die Anwendung aller aus Gusseisen begrenzt das Betriebslagerspiel der Kur-
Gießverfahren zu. belwellenlagerung. Dies reduziert den Öldurchsatz
Das Open-Deck-Design eröffnete für Kurbelgehäuse durch die Kurbelwellenhauptlager. Reduziertes Haupt-
aus Aluminium-Silizium Legierungen die Möglich- lagerspiel und höhere werkstoffbedingte Steifigkeit des
keit der Herstellung mit dem wirtschaftlichen Druck- Gusseisen-Lagerdeckels (E-Modul von Gusseisen ist
gussverfahren. Das ermöglicht darüber hinaus die höher als E-Modul von Al) reduzieren die Geräusch-
Realisierung spezieller Zylinder-/Zylinderbuchsen- entstehung und -Emission im Hauptlagerstuhlbereich.
Techniken. Die in Großserienfertigung früher am meisten ver-
breitete Bauart waren Kurbelgehäuse aus Gusseisen
Hauptlagerstuhl-Bereich mit einzelnen Gusseisen-Hauptlagerdeckeln. Die
Der Hauptlagerstuhl-Bereich ist bei Kurbelgehäusen Kurbelgehäuse waren sowohl mit Ölwannenflansch
der Bereich der Kurbelwellenlagerung. Die konstruk- auf Mitte Kurbelwelle als auch als Kurbelgehäuse mit
tive Ausführung dieses Bereiches ist von besonderer heruntergezogenen Seitenwänden ausgeführt. V-Mo-
Bedeutung, da unter anderem die auf die Kurbel- toren hatten häufig bereits Al-Kurbelgehäuse mit ein-
wellenlager wirkenden Kräfte aufgenommen werden zelnen Gusseisen-Hauptlagerdeckeln.
müssen. Seit Anfang/Mitte der 90er Jahre wurden und werden
Möglichkeiten, die Kurbelgehäuseausführung weiter bei Motor-Neukonstruktionen für die Großserie die
zu strukturieren, sind zum einen die Lage der Trenn- Kurbelgehäuse vermehrt als Voll-Aluminium-Aus-
ebene zwischen Kurbelgehäuse und Ölwanne und führungen dargestellt.
zum anderen die Konstruktion der Hauptlager-
deckel. Hauptlagerstuhl
Bezüglich der Trennebene unterscheidet man zwi- Als Hauptlagerstuhl wird die obere Hälfte einer
schen Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle und Kurbelwellenlagerstelle im Kurbelgehäuse bezeich-
Ölwannenflansch unterhalb Mitte Kurbelwelle. net. Unabhängig von der konstruktiven Ausführung
Bei der Konstruktion der Hauptlagerdeckel lässt eines Kurbelgehäuses im Bereich der Kurbelwel-
sich differenzieren zwischen einzelnen Hauptlagerde- lenlagerung sind die Hauptlagerstühle immer im Guss
ckeln, der Einbindung in eine Leiterrahmenkonstruk- des Kurbelgehäuses oder Kurbelgehäuse-Oberteils
tion und der Integration in das Kurbelgehäuse- integriert (Bild 7-57).
Unterteil.
Hauptlagerdeckel
Die Hauptlagerdeckel bilden den unteren Abschluss
der Hauptlagerstühle, werden mit diesen fixiert und
verschraubt. Hauptlagerdeckel und Hauptlagerstühle
haben prinzipiell die gleiche Funktion, nämlich Auf-
nahme der Kräfte und Momente, die die Kurbelwelle
belasten, Aufnahme der entsprechenden Lager, ein-
schließlich Passlager (Bundlager oder Anlaufscheiben) Durchbruch
sowie auf der Getriebeausgangsseite am letzten Haupt-
Ölzufuhrbohrung
lager die Aufnahme eines Radialwellendichtringes für
die Abdichtung des hinteren Kurbelwellenendes.
Hauptlagerdeckel und Hauptlagerstühle im Kurbelge- Hauptlagerstuhl
häuse werden gemeinsam bearbeitet und sind daher
und auch für die nach der Bearbeitung erfolgenden
Montagevorgänge zueinander fixiert. Übliche Fixie-
Hauptlagerdeckel
rungen sind seitlich in den Hauptlagerstühlen ge-
räumte Flächen oder Bohrungen für Passhülsen.
Hauptlagerdeckel werden ausschließlich aus Gusseisen
hergestellt und mit Kurbelgehäusen sowohl aus Guss-
Bild 7-57 Hauptlagerstuhl/Hauptlagerdeckel
eisen als auch aus Al-Legierungen kombiniert. Die
gemeinsame Bearbeitung von Al-Hauptlagerstuhl und
Gusseisen-Lagerdeckel ist wegen der werkstoffspezi- Die Anzahl der Hauptlagerstühle eines Kurbel-
fisch unterschiedlichen optimalen Schnittgeschwindig- gehäuses hängt ab von der Motorbauart und insbe-
keiten zwar nicht unproblematisch aber Stand der sondere der Zylinderanzahl und Zylinderanordnung.
Technik in der Großserie. Die Kombination von Al- Heute werden Kurbelgehäuse aus schwingungstech-
Hauptlagerstuhl und Gusseisen-Hauptlagerdeckel hat nischen Gründen nahezu ausschließlich mit einer
Gusseisen-werkstoffbedingte Vorteile: Der niedrigere sogenannten Voll-Lagerung der Kurbelwelle ausge-
7.4 Kurbelgehäuse 117

führt. Vollgelagerte Kurbelwellen haben neben jeder belgehäuse-Unterteile in Serienfertigung fast aus-
Kurbelwellenkröpfung einen Hauptlagerzapfen. Ein schließlich aus Al-Legierungen und im Druckguss
vollgelagerter Reihenvierzylindermotor hat daher hergestellt werden, sind weitere Funktionen inte-
fünf Hauptlagerstühle; vollgelagerte Reihensechs- grierbar:
zylinder- und Sechszylinderboxermotoren haben sie- x Ölhobel, das heißt radiales Abstreifen des Motor-
ben Hauptlager; V6- und V8-Motoren haben vier be- öls um die Hüllkurven der Kurbelwellengegen-
ziehungsweise fünf Hauptlager und so weiter. gewichte und der Pleuel
Die wichtigsten Funktionen der Hauptlagerstühle x Teile des Motor-Ölkreislaufes, wie zum Beispiel
sind: Ölansaugkanal zwischen Ölpumpe und Ölsumpf,
x Aufnahme von axial und radial wirkenden Kräften Ölkanal zwischen Ölfilterflansch und Ölpumpe,
und Momenten der Kurbelwellenlagerung Ölfilterflansch selbst, Ölrücklaufkanäle, Haupt-
x Aufnahme der oberen Gleitlagerschalen für die ölkanal und Ölkanäle zu den einzelnen Haupt-
radiale Lagerung der Kurbelwelle sowie Aufnah- lagerstellen, partielle Integration des Ölpumpen-
me der Bundlager oder der Anlaufscheiben in gehäuses
einem Hauptlagerstuhl, dem sogenannten Pass- x Aufnahme von Wellendichtringen für die Abdich-
lager, für die axiale Lagerung der Kurbelwelle tung der Kurbelwelle.
x Aufnahme der Gewinde, Fixierbohrungen oder Kurbelgehäuse-Unterteile werden bei in Serie gefer-
Einpass für Fixierungen zur Befestigung und Fi- tigten Vollaluminiummotoren und bei Rennmotoren
xierung von Hauptlagerdeckel oder Leiterrahmen verwendet.
oder Kurbelgehäuse-Unterteil
x Aufnahme von Ölzufuhrbohrungen und Ölnuten Leiterrahmenkonstruktion
für die Versorgung der Kurbelwellenhauptlager Bei der Leiterrahmenkonstruktion sind die einzelnen
mit Öl Hauptlagerdeckel ähnlich der Bauart mit Kurbelge-
x je nach Motorkonstruktion Aufnahme des Radial- häuse-Unterteil in einem Bauteil zusammengefasst,
wellendichtringes im letzten Hauptlagerstuhl für Bild 7-58. Im Gegensatz zum Kurbelgehäuse-Unter-
die Abdichtung des hinteren Kurbelwellenendes. teil hat der Leiterrahmen keine Flanschebene zur
Die Hauptlagerstühle weisen häufig Durchbrüche auf, Ölwanne. Der Leiterrahmen liegt vielmehr innerhalb
die dem Druckausgleich der einzelnen Kammern des des Motors, wird also bei der Bauart mit Ölwannen-
Kurbelraumes dienen und dadurch Verluste durch flansch auf Mitte Kurbelwelle von der Ölwanne
innere Motorreibung reduzieren. eingehüllt beziehungsweise bei Kurbelgehäusen mit
Ebenfalls häufig werden vertikale Bohrungen oder heruntergezogenen Seitenwänden von diesen um-
Kanäle für den Ölrücklauf aus dem Zylinderkopf schlossen. Die Vorteile eines Leiterrahmens sind:
beziehungsweise für die Kurbelgehäuseentlüftung x im Vergleich zu einzelnen Hauptlagerdeckeln hö-
seitlich durch die Hauptlagerstühle geführt. here Steifigkeit und dadurch bessere Akustik-
Diese vielfältigen Funktionen erfordern eine große eigenschaften, einfacher und schneller montierbar
Sorgfalt bei der konstruktiven Auslegung und Ge- x nahezu gleiche konstruktive Gestaltungsfreiheiten
staltung der Hauptlagerstühle und den mit ihnen kom- bezüglich der Integration von Funktionen wie sie
binierten Bauteilen Hauptlagerdeckel oder Leiterrah- das Kurbelgehäuse-Unterteil bietet
men oder Kurbelgehäuse-Unterteil. Eine Auslegung x kostengünstiger und leichter als ein Kurbelge-
dieser Baugruppen erfolgt fast ausschließlich durch häuse-Unterteil.
die heute verfügbaren Konstruktionshilfsmittel, wie
zum Beispiel FEM (Finite-Elemente-Methoden)-Be-
rechnungen.

Kurbelgehäuse-Unterteil
Beim Kurbelgehäuse-Unterteil sind die einzelnen
Hauptlagerdeckel wie bei der Leiterrahmenkonstruk-
tion in einem Bauteil zusammengefasst. Im Gegen-
satz zum Leiterrahmen liegt das Kurbelgehäuse-
Unterteil nicht innerhalb des Motors. Die Seitenwän-
de des Kurbelgehäuse-Unterteils bilden vielmehr die
äußere Begrenzung des Kurbelraumes; die untere
Ebene bildet den Flansch zur Ölwanne.
Ein Kurbelgehäuse-Unterteil bietet prinzipiell diesel-
ben konstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten wie
unter Leiterrahmenkonstruktion beschrieben. Da Kur- Bild 7-58 Leiterrahmenkonstruktion
118 7 Motorkomponenten

Leiterrahmen aus Al-Legierungen sind im Druckguss


darstellbar. Dies ermöglicht auch die Integration von
gegossenen Ölnuten zur Ölversorgung der Haupt-
lager.
Im Bereich der einzelnen Lagerstellen können Ein-
sätze aus Gusseisen mit Kugelgraphit (zum Beispiel
GJS 600) mit eingegossen werden. Dann ergeben sich
die gleichen Vorteile (Reduzierung des Betriebslager-
spiels der Kurbelwelle, Erhöhung der Steifigkeit des
Leiterrahmens und Reduzierung der Geräuschabstrah- Mitte Kurbelwelle
lung im Hauptlagerstuhlbereich) wie bei der Kom-
bination Al-Kurbelgehäuse und Hauptlagerdeckel aus
Gusseisen. Hauptlagerdeckel
Bei bestehenden Kurbelgehäusekonstruktionen mit
einzelnen Gusseisen-Hauptlagerdeckeln können diese
Ölwanne
zur Erhöhung der Steifigkeit beziehungsweise zur
Verbesserung der Akustik durch eine Leiterrahmen-
konstruktion ersetzt werden, ohne dass gleich eine
komplette Neukonstruktion des Kurbelgehäuses er-
forderlich ist. Auch Zwitterlösungen zwischen Bild 7-59 Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle
einzelnen Hauptlagerdeckeln und einem integralen
Leiterrahmen sind möglich, indem die einzelnen
Die Vorteile dieser Bauweise sind günstige Herstell-
Lagerdeckel über ein als Leiter ausgebildetes eigen-
kosten. Die Nachteile dieser Konstruktion im Ver-
ständiges Gussteil durch Verschrauben miteinander
gleich zu Kurbelgehäusen mit heruntergezogenen
verbunden werden.
Seitenwänden oder mit Kurbelgehäuse-Unterteil sind
Kurbelgehäuse mit Leiterrahmen können sowohl mit
geringere Steifigkeit und schlechteres Akustikver-
Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle als auch als
halten.
Kurbelgehäuse mit heruntergezogenen Seitenwänden
ausgeführt werden.
Ölwannenflansch unterhalb Mitte Kurbelwelle
Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle Bei dieser Lage der Trennebene zwischen Kurbelge-
Ein weiteres Konstruktionsmerkmal von Kurbelge- häuse und Ölwanne sind zwei Kurbelgehäusebauarten
häusen ist die Lage der Trennebene zwischen Kur- zu unterscheiden:
belgehäuse und Ölwanne auf Mitte Kurbelwelle, Bild a) Bauart mit Kurbelgehäuse-Oberteil und -Un-
7-59. Bei dieser Konstruktion sind die oberen Hälften terteil (Bild 7-60a). Bei dieser Bauweise sind die
der Kurbelwellenlagerstellen als Hauptlagerstühle im Hauptlagerdeckel zu einem Lagergehäuse, dem so-
Guss des Kurbelgehäuses integriert. Die unteren genannten Kurbelgehäuse-Unterteil, zusammenge-
Hälften der Kurbelwellenlagerstellen sind entweder fasst. Die Trennebene zwischen Kurbelgehäuse-Ober-
als einzelne Hauptlagerdeckel, als Leiterrahmen- teil und -Unterteil liegt auf Mitte Kurbelwelle. Das
konstruktion oder als Kurbelgehäuse-Unterteil ausge- heißt, das hier mit Kurbelgehäuse-Oberteil bezeichne-
führt. te Bauteil entspricht dem Kurbelgehäuse der Bauart
Die Abdichtung zwischen Kurbelgehäuse und Öl- Ölwannenflansch auf Mitte Kurbelwelle.
wanne erfolgt zwischen den in der Trennebene lie- Die untere Seite des Kurbelgehäuse-Unterteils bildet
genden Flanschen. Die Abdichtung der Kurbelwelle die Flanschfläche zur Ölwanne. Die Abdichtung der
am vorderen und hinteren Ende erfolgt entsprechend Kurbelwelle erfolgt je nach Motorkonstruktion ge-
der jeweiligen Motorkonstruktion, zum Beispiel triebeseitig durch einen Radialwellendichtring im
vorderes Kurbelwellenende über Radialwellendicht- letzten Hauptlagerstuhl und am vorderen Ende durch
ring im Ölpumpengehäuse oder im Stirndeckel, einen Radialwellendichtring im zum Beispiel Öl-
hinteres Kurbelwellenende über Radialwellendicht- pumpengehäuse oder im Stirndeckel.
ring im letzten Hauptlagerstuhl oder in einem sepa- Vorteile dieser Bauweise sind hohe Steifigkeit, gute
raten Deckel. Akustikeigenschaften und die konstruktiven Gestal-
Gusseisen-Kurbelgehäuse mit Trennebene zur Öl- tungsmöglichkeiten für insbesondere das Kurbel-
wanne auf Mitte Kurbelwelle und mit einzelnen gehäuse-Unterteil, wie unter Kurbelgehäuse-Unterteil
Hauptlagerdeckeln wurden früher bei Hubraum und Leiterrahmenkonstruktion beschrieben (zum
kleineren (bis circa 1,8 l) Reihenvierzylindermotoren Beispiel Eingießen von Einsätzen aus Gusseisen mit
sowie bei einigen V6- und V8-Motoren verwendet. Kugelgraphit im Bereich der einzelnen Lagerstellen
7.4 Kurbelgehäuse 119

Diese Bauart ist in Serie mit Kurbelgehäuse-Oberteil


und -Unterteil aus Al-Legierungen ausgeführt. Da
Rennmotoren häufig als tragendes Bauteil in die
Gesamtkonzeption des Fahrzeuges miteinbezogen
sind, werden Rennmotoren-Kurbelgehäuse wegen der
hohen erforderlichen Steifigkeit praktisch ausschließ-
lich nach diesem Konstruktionsprinzip dargestellt.
Oberteil
b) Kurbelgehäuse mit heruntergezogenen Seiten-
Mitte Kurbelwelle
wänden (Bild 7-60b). Bei dieser Bauweise sind die
Außenwände des Kurbelgehäuses bis unterhalb Mitte
Kurbelwelle heruntergezogen und enden dort in der
Flanschebene zur Ölwanne. Die Teilung der Hauptla-
gerstühle ist aus Gründen der Bearbeitung weiterhin
auf Mitte Kurbelwelle. Ausgeführte Konstruktionen
Unterteil
haben sowohl einzelne Hauptlagerdeckel als auch zu
einer Leiterrahmenkonstruktion zusammengefasste
Hauptlagerdeckel.
Die Vorteile der Konstruktion mit Leiterrahmen sind
Ölwanne ähnlich hohe Steifigkeit, ähnlich gutes Akustik-
verhalten und, nicht zuletzt auch von der Stückzahl
abhängig, etwas geringere Herstellkosten im Ver-
gleich zur Bauart mit Kurbelgehäuse-Oberteil und
-Unterteil.
Bild 7-60a Bauart mit Kurbelgehäuse-Oberteil und
-Unterteil 7.4.3 Optimierung der Akustik
Die Einhaltung gesetzlicher Geräuschvorschriften
und die Erfüllung von Geräusch-Komfortansprüchen
sind Schwerpunkte bei der Akustik-Entwicklung von
Antriebsaggregaten.
Das akustische Verhalten und die Laufruhe eines
Verbrennungsmotors sind eine Funktion vieler Para-
meter und werden in hohem Maße bereits durch die
Festlegung der Motor- und Kurbelgehäusebauart
vorausbestimmt.
Mitte Kurbelwelle Die Optimierung der akustischen Eigenschaften der
Kurbelgehäuse-Struktur, zum Beispiel Erhöhung der
Steifigkeit der Kurbelgehäuse-Seitenwände unter
Berücksichtigung der vielfältigen Anforderungen an
Hauptlagerdeckel
die Funktion, ist dabei ein wichtiges Entwicklungs-
ziel. Das wird erreicht durch eine geringe Ge-
Kurbelgehäuse räuschabstrahlung, Vermeidung von Resonanzen und
durch Dämpfung von Erregerschwingungen.
Die Beanspruchung des Kurbelgehäuses durch den
ungleichförmigen Drehmomentenverlauf in der Kur-
Ölwanne belwelle und durch die freien Massenkräfte und
Massenmomente führt zu mechanischen Schwingun-
gen. Deren Erregerfrequenz steht entsprechend der
Erregerordnungen der freien Gas- und Massenkraft-
Bild 7-60b Kurbelgehäuse mit heruntergezogenen wirkungen in einem bestimmten Verhältnis zu der
Seitenwänden Drehfrequenz der Kurbelwelle. Mechanische Schwin-
gungen werden durch niedrige Erregerordnungen
bei Kurbelgehäuse-Unterteilen aus Al-Legierungen hervorgerufen, sind tieffrequent und wirken haupt-
und hergestellt im Druckguss). Nachteile sind höhere sächlich im Bereich des Hauptlagerstuhl- und Kurbel-
Herstellkosten und gegebenenfalls etwas höheres raumbereiches.
Gewicht im Vergleich zur Bauweise mit einzelnen Hochfrequente Schwingungen in den Kurbelgehäu-
Hauptlagerdeckeln. sewänden werden durch den Verbrennungsvorgang,
120 7 Motorkomponenten

zum Teil durch impulsförmige Kraftübertragung im x steife Flansche zur Ölwanne und zum Getriebe als
Ventiltrieb und durch Kolbenkraftanregungen hervor- Voraussetzung für einen steifen Motor-Getriebe-
gerufen. Die hohen Frequenzen liegen im Bereich des Verbund.
hörbaren Schalls und werden als akustische Schwin- Die verschiedenen Kurbelgehäusebauarten haben
gungen bezeichnet. Ein Teil der hochfrequenten, unterschiedliche spezifische akustische Vorteile:
akustischen Schwingungen wird über die Kurbelge-
häuseseitenwände abgestrahlt. x Closed-Deck-Design hat eine steife Deckfläche
Tief- und hochfrequente Schwingungen wirken über mit Vorteilen bei Dichtflächen- und Zylinderver-
die Verbindung des Kurbelgehäuses mit der Motorla- zug im Vergleich zum Open-Deck-Design.
gerung im Fahrzeug. Abhängig von der Art der Mo- x Eine Bauart, bestehend aus Kurbelgehäuse-Ober-
torlager können Schwingungen und Körperschall in teil und -Unterteil, ergibt einen steifen Motor-
das Fahrzeug übertragen werden. Bei der akustischen Getriebe-Verbund im Vergleich zu einem Kurbel-
Optimierung eines Motors sind zu berücksichtigen: gehäuse mit unter die Kurbelwellenmitte herunter-
gezogenen Seitenwänden in Kombination mit
x die oben genannten Körperschall-Anregungsursa- einzelnen Hauptlagerdeckeln. Bei letzterer Bauart
chen wird die Steifigkeit erhöht durch die Zusam-
x die Körperschallwege in Zylinderkopf, Zylinder, menfassung der einzelnen Hauptlagerdeckel zu
Kolben, Kolbenbolzen, Pleuel, Kurbelwelle einem Leiterrahmen.
x die Ausführung der Motorlagerung und deren x Bei Vollaluminiumkurbelgehäusen, bestehend aus
Anbindung an das Kurbelgehäuse oder an andere Oberteil und Unterteil, reduzieren Eingussteile aus
Motor- und Antriebsaggregatebauteile Grauguss in den Hauptlagerstellen die thermische
x die Struktur des Kurbelgehäuses in Verbindung Aufweitung und damit das Lagerspiel.
mit der Kurbelgehäusebauart. x Die Verwendung einer gegossenen Aluminium-
Bei der Optimierung der akustischen und schwin- ölwanne mit Flansch zum Getriebe ergibt in
gungstechnischen Eigenschaften ist insbesondere Kombination mit den verschiedenen Kurbel-
auch das Zusammenspiel mit dem angeflanschten gehäusebauarten einen steifen Motor-Getriebe-
Getriebe zu berücksichtigen, es beeinflusst sowohl Verbund.
die Schwingung des Gesamtverbandes Motor-Ge-
triebe als auch die Übertragung auf die Fahrzeug- 7.4.4 Minimierung der Kurbel-
struktur.
gehäusemasse
Die moderne Kurbelgehäuse-Entwicklung erfolgt in
der geschlossenen CAE Prozesskette. 3D-CAD-Dar- Ein wichtiges Ziel in der Motorenentwicklung ist
stellung und Vernetzung der Gehäuse-Struktur sind neben der Minimierung von Schadstoffemissionen
die Grundlage für FEM-Berechnungen von Festig- die Senkung des Kraftstoffverbrauchs bei gleichzeiti-
keit, Steifigkeit, Dynamik und Akustik. ger Verbesserung der Fahrzeug-Fahrleistungen. Die
Eine experimentelle Modalanalyse am ausgeführten Zielerreichung erfordert neben anderen Maßnahmen
Kurbelgehäuse gibt zusätzlich Aufschluss über des- die Umsetzung von konsequentem Leichtbau aller
sen Eigenschwingungsformen. Fahrzeugkomponenten. Ein Beitrag zur Gewichtsmi-
Erfahrung und die heute verfügbaren Konstruktions-, nimierung des gesamten Antriebsstranges ist die
Berechnungs- und Analysemöglichkeiten führen zu Reduzierung des Kurbelgehäusegewichtes.
der prinzipiellen Aussage, dass für eine geräuschop- Der Anteil des Kurbelgehäusegewichtes am Motor-
timierte Kurbelgehäusegestaltung ein möglichst stei- gesamtgewicht (nach DIN 70020 A) liegt je nach
fes Kurbelgehäuse und ein möglichst steifer Motor- Motorgröße, Motorbauart, Verbrennungsverfahren
Getriebe-Verbund notwendig sind. und Kurbelgehäusebauart bei etwa 25 % bis 33 %.
Erreicht wird dieses durch kurbelgehäusebauartunab- Die Reduzierung des Kurbelgehäusegewichtes ver-
hängige Maßnahmen und durch die Nutzung bauart- ringert daher wesentlich das Motorgesamtgewicht.
spezifischer Vorteile wie: Die Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung des Kur-
belgehäuses sind unterteilbar in Gewichtsreduktion
x Ausbildung der Kurbelgehäuse-Oberflächenstruk-
durch Strukturoptimierung und werkstoffspezifische
tur mit Bombierungen und Verrippungen zur Re-
Gewichtsreduktion. Dem Trend zur Gewichtsredukti-
duktion der Luftschallemission
on steht die Tendenz zu höheren Belastungen des
x steife Deckplatte und tief unter der Deckplatte
Kurbelgehäuses durch Downsizing mit steigenden
liegender Kraftangriffspunkt der Zylinderkopf-
Spitzen- und Mitteldrücken und (Hoch-)aufladung
schrauben. Sie führen zu geringen Dichtflächen-
entgegen.
und Zylinderverzügen. Letzteres ist Voraus-
setzung für geringes Kolbenlaufspiel und damit Gewichtsreduktion durch Strukturoptimierung.
geringes Kolbengeräusch Einen wesentlichen Einfluss auf das Kurbelgehäuse-
x steifer Kurbelwellen-Hauptlagerstuhlverbund, der gesamtgewicht hat die Kurbelgehäusebauart. Mit den
geringe Lagerspiele erlaubt heute üblichen Konstruktions- und Berechnungs-
7.4 Kurbelgehäuse 121

methoden wie zum Beispiel CAD und FEM ist im se findet ist Magnesium. Für die Anwendung von
Vergleich zu früher eine gezielte beanspruchungs- Mg-Legierungen als Kurbelgehäusewerkstoff spricht
und funktionsgerechte Strukturoptimierung möglich. deren geringes spezifisches Gewicht. Nachteilig im
Das heißt, die für die Funktion erforderlichen Vergleich zu den heute in Serienproduktion üblichen
Wandquerschnitte und die genaue Position, Anzahl Al-Si-Legierungen sind, die geringere Werkstoff-Fes-
und Geometrie von Rippen, die der Erhöhung der tigkeit, die geringere Korrosionsbeständigkeit und die
Steifigkeit und zur Verbesserung der Akustik dienen, hohen Werkstoffkosten.
werden heute mit minimiertem Werkstoffeinsatz dar- x Durch die geringere Werkstoff-Festigkeit gilt,
gestellt. Zusammengegossene Zylinder sowie Integra- dass Kurbelgehäuse aus Mg-Legierungen gegen-
tion vieler Funktionen in das Kurbelgehäuse tragen über Al-Legierungen nicht im Verhältnis der
ebenfalls zur Verringerung des Motorgesamtge- spezifischen Gewichte leichter darstellbar sind.
wichtes bei. Bei der beanspruchungsgerechten konstruktiven
Werkstoffspezifische Gewichtsreduktion. Bis An- Auslegung sind die Unterschiede der Werkstoff-
fang/Mitte der 1990er Jahre war die Mehrzahl der eigenschaften zu berücksichtigen. Im Vergleich zu
in Großserie hergestellten Kurbelgehäuse aus Guss- einem Kurbelgehäuse aus einer Al-Si-Legierung
eisen. Der Zwang zum Leichtbau führte dazu, dass im ist bei Verwendung einer Mg-Legierung bei
Zuge von Motorneukonstruktionen auch für in Groß- vergleichbarer Kurbelgehäusebauart eine Ge-
serie hergestellte Otto- und inzwischen sogar Diesel- wichtseinsparung in der Größenordnung von 25 %
motoren der Werkstoff für Kurbelgehäuse vermehrt erzielbar.
auf Aluminium-Silizium-Legierungen umgestellt x Die Korrosionsbeständigkeit von Bauteilen aus
wurde. Mg-Legierungen ist ohne Zusatzmaßnahmen ge-
Das bei Kurbelgehäusen aus Gusseisen vorhandene ringer als die von Bauteilen aus Al-Si-Legie-
Gewichtsreduzierungspotenzial ist geringer als die bei rungen, deren natürliche Gussoberfläche/Gusshaut
Verwendung von Al-Si-Legierungen erreichbare Ge- bereits ausreichend korrosionsbeständig ist. An
wichtseinsparung. Bei Gusseisenkurbelgehäusen ist ungeschützten Oberflächen tritt nicht nur Ober-
durch Strukturoptimierungen, durch Dünnguss und flächenkorrosion sondern auch Kontaktkorrosion
durch Verwendung von Vermikulargraphitguss (GJV) auf. Kontaktkorrosion entsteht bei Kontakt von
ein Gewichtseinsparungspotenzial von etwa 30 % vor- Bauteilen aus Mg-Legierungen mit Bauteilen aus
handen. Der Vorteil von GJV im Vergleich zu Guss- anderen Metallen beziehungsweise Metall-Legie-
eisen mit Lamellengraphit (GJL) ist der höhere E-Mo- rungen. Ursache sind die unterschiedlichen Stel-
dul, der Nachteil sind die höheren Werkstoffkosten. lungen der verschiedenen Metalle in der elek-
Dem gegenüber steht, bei vergleichbarer Kurbelge- trochemischen Spannungsreihe. Kontaktkorrosion
häusebauart, eine Reduzierung von 40 bis 60 % des entsteht beispielsweise an Schraubverbindungs-
Kurbelgehäusegewichtes durch Verwendung von stellen und Bohrungen für Fixierelemente wie
Al-Si-Legierungen anstatt von Gusseisen. Passhülsen und Passstifte.
Diese Gewichtsreduzierung fällt geringer aus als das
Verhältnis der spezifischen Gewichte von Al-Si- x Der Kostenvorteil von Al-Si-Legierungen im
Legierung und Gusseisen, dabei der Konstruktion die Vergleich zu Mg-Legierungen liegt in der Grö-
unterschiedlichen Werkstoffeigenschaften Biege- ßenordnung des Faktors drei und resultiert im
wechselfestigkeit und insbesondere der E-Modul zu Wesentlichen aus dem nichtvorhandenen Mg-Re-
berücksichtigen sind. cyclingmarkt. Während Al-Si-Legierungen kos-
Bild 7-61 zeigt die Daten einiger Werkstoffe für tengünstig in Form von Sekundärlegierungen aus
Kurbelgehäuse. wieder eingeschmolzenen Bauteilen zur Ver-
Ein Werkstoff, der eine noch niedrigere Dichte als fügung stehen, muss bei Mg-Legierungen auf die
Aluminium aufweist und daher immer wieder Interes- teuren Primärlegierungen zurückgegriffen werden.

Werkstoff 0,2 % Dehngrenze Dichte E-Modul Biegewechselfestigkeit


[N/ mm2] [g/cm3] [kN/mm2] [N/mm2]
Magnesium-Legierung 140 – 160 1,8 45
Druckguss
Al-Si-Legierung 140 – 210 2,75 74 – 78 70 – 90
Druckguss
Gusseisenwerkstoff 7,2 – 7,7 100 bis 160 85 bis 210

Bild 7-61 Werkstoffe von Kurbelgehäusen


122 7 Motorkomponenten

Die moderne Konstruktion eines 3,0-Liter-Ottomo- Kurbelgehäuse in Aluminium-Silizium-Legierungen,


tors in Reihenbauweise kompensiert diese Nachteile insbesondere in Kombination mit speziellen Zylin-
durch das Umgießen eines Aluminium-Inserts, wel- derbuchsen-Techniken, werden im Druckgussverfah-
ches die Zylinderlaufbuchsen, die Kurbelwellen- ren hergestellt.
hauptlagerstühle sowie die Kühlmittelführung bein-
haltet. Das aggressive Kühlmittel kommt dadurch mit 7.4.5.2 Kokillenguss
dem Magnesium-Mantel des Kurbelgehäuses nicht in
Eine Kokille ist eine metallische Dauerform aus
Berührung, Korrosion wird vermieden. Für diese
Grauguss oder Warmarbeitsstählen zur Herstellung
Bauart werden Gewichtsersparnisse von 57 % gegen-
von Gussteilen aus Leichtmetalllegierungen. Wie
über einem vergleichbaren Grauguss-Block und von
beim Sandguss werden Sandkerne in die Gießform
24 % gegenüber einem Aluminium-Kurbelgehäuse
eingelegt mit dem Vorteil großer konstruktiver Ge-
genannt.
staltungsfreiheit. Hinterschnitte im Gussteil sind im
Gegensatz zu Druckguss möglich. Das Kokillen-
7.4.5 Gießverfahren für Kurbelgehäuse gussverfahren ermöglicht im Gegensatz zum Sand-
guss ein vielfaches Abgießen je Gießform, wobei für
Kurbelgehäuse für Fahrzeugmotoren werden haupt- jeden Gießvorgang neue Sandkerne benötigt werden.
sächlich aus Gusseisen oder Aluminium-Silizium- In der Kokille erfolgt, im Gegensatz zur Sandguss-
Legierungen hergestellt. Kosten, Stückzahlen und form, eine schnelle und gerichtete Erstarrung der
konstruktive Auslegung sind die Hauptkriterien für Metallschmelze. Eine gezielte Kühlung der Kokille
die Auswahl des Gießverfahrens. ist möglich und wird häufig eingesetzt.
Die Kokille muss durch Auftragen eines Trennmit-
7.4.5.1 Druckguss tels, der sogenannten Schlichte, gegen die Leichtme-
Beim Druckgussverfahren werden Dauerformen aus tallschmelze geschützt werden.
vergüteten Warmarbeitsstählen verwendet. Vor jedem Im Vergleich zum Sandguss besitzen Gussteile aus
Gießvorgang müssen die Formteile mit einem Trenn- der Kokille ein feineres Gefüge, höhere Festigkeit,
mittel behandelt werden. höhere Maßgenauigkeit und eine bessere Oberflä-
Im Gegensatz zu Sand- und Kokillenguss können chengüte.
keine Kerne in die Gießform eingelegt werden, da die Bei Kokillengussteilen ist eine doppelte Wärmebe-
Leichtmetallschmelze unter hohem Druck und hoher handlung möglich. Neben gezielter Steuerung der
Geschwindigkeit in die Gießform eingebracht wird. Abkühlung des Gussstückes in der Kokille als erste
Die Höhe des Druckes ist abhängig von der Größe Wärmebehandlung wird häufig eine weitere Wärme-
des Gussteils und liegt zwischen 400 bar bis circa behandlung, die Warmauslagerung, vorgenommen.
1.000 bar. Der Druck wird während der Erstarrung Beim Kokillenguss unterscheidet man zwischen
aufrechterhalten. Bei größeren Gussteilen werden die Schwerkraft- und Niederdruckguss. Der Unterschied
Gießformhälften gekühlt, womit eine gerichtete Er- liegt im Wesentlichen nur in der Art, wie die Schmel-
starrung des Gussteiles erreicht wird. ze eingebracht wird.
Im Vergleich zu Sand- und Kokillenguss ermöglicht Das flüssige Metall wird beim Niederdruckgussver-
Druckguss die genaueste Wiedergabe des Gießform- fahren unter einem Überdruck von 0,2 bis 0,5 bar von
hohlraumes und damit des Gussteiles. Es können unten in die Kokille eingespeist und erstarrt unter
dünnwandige Gussstücke mit engen Maßtoleranzen, diesem Druck. Die dadurch erzielte, nahezu ideale
hoher Formgenauigkeit und hoher Oberflächengüte gerichtete Erstarrung des Gussteils ist ein wesentli-
erzeugt werden. Maßgenaues Gießen von Augen, cher Grund für die Hochwertigkeit von Niederdruck-
Bohrungen, zum Teil auch Passungen und Beschrif- gussteilen.
tungen ohne nachträgliche mechanische Bearbeitung Beim Schwerkraft-Kokillenguss erfolgt dagegen die
sowie Eingießen von Buchsen zum Beispiel Zy- Befüllung der Gießform bei Atmosphärendruck durch
linderlaufbuchsen aus Grauguss, Bolzen und anderen die auf die Metallschmelze wirkende Schwerkraft.
Einlegeteilen sind möglich.
Das Druckgussverfahren hat im Vergleich zu Sand- 7.4.5.3 Lost-Foam-Verfahren
beziehungsweise Kokillenguss die höchste Produk- Dieses ist eine Sonderform des Sandguss-Verfahrens.
tivität, da alle Gieß- und Formbewegungsabläufe Von dem zu erstellenden Gussstück wird ein
weitgehend vollautomatisch stattfinden. Schaumstoffmodell aus EPS (expandierbares Poly-
Nachteile sind die eingeschränkte konstruktive Ge- Styrol)durch Aufschäumen und gegebenenfalls Zu-
staltungsfreiheit für das Gussteil, da keine Hinter- sammenkleben einzelner Segmente hergestellt. Das
schnitte möglich sind. Möglicherweise eingeschlos- Schaumstoffmodell wird mit Schlichte auf Wasser-
sene Luft- beziehungsweise Gasporen lassen eine basis geschlichtet. Das geschlichtete und getrocknete
doppelte Wärmebehandlung wie bei Sand- und Ko- Modell wird in einen Gießbehälter eingeformt, indem
killenguss nicht zu. reiner Quarzsand ohne jegliches Bindemittel mit
7.5 Zylinder 123

Vibrationstechnik zugeführt wird. Beim schnell Ein weiteres Anwendungsgebiet des Sandgussverfah-
stattfindenden (15 bis 20 Sekunden) Gießvorgang rens ist die Herstellung von Prototypen- und Klein-
wird die Schmelze als sogenannter Vollformguss auf serienteilen.
das Schaumstoffmodell geleitet. Durch die Hitze der
Schmelze wird das Schaumstoffmodell zersetzt: 7.4.5.5 Squeeze-Casting
Dessen flüssige und gasförmige Bestandteile gehen in
den Formsand über. Nach dem Abkühlen und Ent- Das Squeeze-Casting-Verfahren (Pressguss) stellt
formen liegt ein gratfreies Gussstück vor. eine Kombination aus Kokillen-Niederdruckguss und
Der besondere Vorteil des Verfahrens liegt infolge dem Druckguss-Verfahren dar. Metallische Dauer-
der Möglichkeiten der Herstellung von Schaumstoff- formen werden unter einem Überdruck von 0,2 bis
modellen in der Darstellbarkeit von Gussteilgeomet- 0,5 bar von unten mit der Leichtmetallschmelze be-
rien, die mit herkömmlichen Sandgussverfahren aus füllt. Anschließend erfolgt die Erstarrung unter ho-
formtechnischen Gründen nicht möglich sind. Nach- hem Druck um 1.000 bar.
teilig ist, dass dieses Gießverfahren größere Wand- Die sehr gute Dichtspeisung der Gießform ermöglicht
stärken benötigt als zum Beispiel Druckguss. auch die Verwendung von hochfesten Legierungen
Das Lost-Foam-Verfahren eignet sich zur Herstellung mit schlechter Gießbarkeit.
von Gussteilen aus Gusseisen und aus Leichtmetall- Die Erstarrung der Schmelze unter hohem Druck
legierungen. ergibt ein sehr feines Gefüge des Gussteiles.
Langsame Formfüllung und Erstarrung der Schmelze
7.4.5.4 Sandguss unter hohem Druck resultieren in einem nahezu
porenfreien Gefüge und damit höherer Dauerfestig-
Zur Formausbildung des späteren Kurbelgehäuse- keit gegen wechselnde Beanspruchung und höherer
gussteils in der Sandform werden Modelle und Kern- Temperaturwechselfestigkeit im Vergleich sowohl
kästen aus Hartholz, Metall oder Kunststoff verwen- zum Niederdruckguss- als auch zum Druckgussver-
det. Die Gussformen werden in der Regel aus Quarz- fahren.
sand (Natursand, synthetischer Sand) und Bindern Die Verwendung von Sandkernen ist beim Squeeze-
(Kunstharz, CO2) hergestellt. In Kernschießmaschi- Casting-Verfahren wie beim Druckguss nicht mög-
nen werden durch Einschießen von Sand die Kerne
lich. Mangels Darstellbarkeit von Hinterschnitten
dargestellt. Der Zusammenbau von einzelnen Kernen
bestehen für Squeeze-Casting-Gussteile die gleichen
zu einem Kernpaket und von Kernpaket und Gussau-
konstruktiven Restriktionen wie für Druckgussteile.
ßenform erfolgt bereits bei der Fertigung von mittle-
Im Gegensatz zum Druckgussverfahren ist beim
ren Stückzahlen maschinell und vollautomatisch.
Squeeze-Casting wegen des nahezu porenfreien Ge-
Modell-, Kern- und Formteilungen in verschiedenen
füges eine doppelte Wärmebehandlung möglich.
Ebenen und das Einlegen von Kernen in die Gieß-
Das Squeeze-Casting vereint also die Vorteile von
form lassen die Darstellung von komplizierten Guss-
Kokillenguss/Niederdruckgussverfahren und Druck-
teilen mit Hinterschnitten zu.
guss.
Beim Gießvorgang werden die Hohlräume zwischen
Außenform und Kernen mit Schmelze gefüllt.
Nach dem Gießvorgang und der Erstarrung der Me- Literatur
tallschmelze wird das Gussstück aus der Sandform Herbst-Dederichs, C.; Münchow, F.: Hybrid-Laufbuchsen aus Grau-
herausgenommen. Dabei wird die Sandform zerstört. guss und Aluminium. In: MTZ 65 (2004) 10, S. 820 – 822
Anschließend erfolgt der Putzvorgang des Gussteils Martin, T.; Weber, R.: Compacted Vermicular Cast Iron (GJV) für
den V6-Dieselmotor von Audi. In: MTZ 65 (2004) 10,
mit Entfernen von Anguss, Steigern, Gusshaut und S. 824 – 832
Gussgraten. Schwaderlapp, M.; Bick, W.; Duesmann, M.; Kauth, J.: 200 bar
Bei Sandgussteilen aus Al-Si-Legierungen ist eine Spitzendruck – Leichtbaulösungen für zukünftige Dieselmotor-
doppelte Wärmebehandlung zur Festigkeitssteigerung blöcke. In: MTZ 65 (2004) 2, S. 84 ff.
Zeitschrift Aluminium, Ausgabe 11/2003
möglich. Die erste Wärmebehandlung besteht aus der N.N.: BMW Presse-Information vom 23.06.2004
gesteuerten Abkühlverweildauer des Gussstückes in
der Sandform. Die zweite Wärmebehandlung ist die
Warmauslagerung, eine zeit- und temperaturgesteu- 7.5 Zylinder
erte Lagerung des Gussteils in einem Ofen. Das
Sandgussverfahren ergibt nur einen einmaligen Ab- Zylinder dienen der Aufnahme der Kolbengruppe und
guss je Gießform. erfüllen mit ihrer Oberfläche und dem verwendeten
Sandguss ist die traditionelle Gießtechnik für Kurbel- Werkstoff im Zusammenwirken mit den Kolbenrin-
gehäuse aus Gusseisen. Es werden aber auch Kurbel- gen Gleit- und Dichtfunktionen. Darüber hinaus
gehäuse aus Al-Si-Legierungen in einem Präzisions- tragen sie, je nach Bauweise, zur Wärmeabfuhr über
Sandgussverfahren in Großserie hergestellt. das Kurbelgehäuse oder direkt ins Kühlwasser bei.
124 7 Motorkomponenten

7.5.1 Gestaltung von Zylindern x Herstellung des Kurbelgehäuses aus einer unter-
eutektischen Al-Si-Legierung in Kombination mit
Die Ausführung von Zylinder und Zylinderlaufbahn
hat konstruktive und werkstoffliche Aspekte. Beide einer Beschichtung der Zylinderlaufbahn. Die
sind miteinander verknüpft. Die Zylinder- bezie- Beschichtung kann entweder mit galvanischen
hungsweise Kurbelgehäuseausführung kann werk- Verfahren oder mit thermischen Spritzverfahren
stofforientiert gegliedert werden in: aufgebracht werden.
Im Serieneinsatz, wenn auch mit abnehmender
x Monometall-Bauart Bedeutung, finden sich Quasi-Monometall-Kur-
x Einsatztechnik belgehäuse, bei denen galvanisch eine Nickel-
x Verbundtechnik. Dispersionsschicht (zum Beispiel Nikasil®) auf die
Zylinderlaufbahn aufgebracht wird. Die Schicht
7.5.1.1 Monometall-Bauart besteht aus einer Nickelmatrix, in die Silizium-
Typische Vertreter der Monometall-Bauart sind karbidteilchen gleichmäßig verteilt eingelagert
Kurbelgehäuse aus Gusseisenlegierungen, bei denen sind. Derartig beschichtete Zylinderlaufbahnen
die Zylinder Bestandteil des Kurbelgehäuses sind. haben sehr gute Laufeigenschaften, geringen Ver-
Die erforderliche Oberflächengüte wird durch Bear- schleiß und können mit den bekannten Kolben
beitung in mehreren Schritten, wie Vor- und Fein- und Kolbenringwerkstoffen beziehungsweise -be-
bearbeitung sowie Honen, hergestellt. Monometall- schichtungen kombiniert werden. Es besteht aller-
Kurbelgehäuse aus Al-Si-Legierungen werden in dings eine Empfindlichkeit der Schicht gegenüber
zwei Ausführungen ausgeführt: Korrosion bei der Verwendung von schwefelhalti-
x Herstellung des Kurbelgehäuseteils aus einer gen Kraftstoffen.
übereutektischen Al-Si-Legierung. Als übereu- Nickeldispersionsbeschichtete Zylinder werden
tektisch werden Al-Si-Legierungen bezeichnet, häufig bei Einzelzylindern von Motorradmotoren
deren Siliziumanteil größer als 12 % ist. Das im angewendet. Mehrzylinder-Kurbelgehäuse von
Gussteil ausgeschiedene Primärsilizium wird nach Fahrzeugmotoren in Großserie mit nickeldisper-
der mechanischen Bearbeitung des Kurbelge- sionsbeschichteten Zylindern werden in geringem
häuses im Bereich der Zylinderlaufbahn durch Umfang realisiert.
einen chemischen Ätzvorgang oder durch eine Beschichtungen mittels Dünnschichtverfahren
sind derzeit aufgrund diverser Nachteile nicht im
spezielle, mechanische Honbearbeitung freigelegt.
Serieneinsatz. Galvanische Verfahren scheiden
Es entsteht eine harte, verschleißfeste, sogenannte
dabei meist wegen der Umweltverträglichkeit,
unbewehrte Zylinderlaufbahnoberfläche, für die
PVD- und CVD-Verfahren dagegen wegen der
als Laufpartner eine Kolbenschaftbeschichtung
hohen Herstellkosten aus [7].
erforderlich ist.
In den letzten Jahren haben Zylinderinnen-
Wegen des hohen Siliziumanteils von übereu-
beschichtungen mittels thermischer Spritzverfah-
tektischen Al-Si-Legierungen lassen sich Werk-
ren an Bedeutung zugenommen. Von den ver-
stücke aus dieser Legierung prinzipiell schlechter schiedenen thermischen Spritzverfahren sollen
bearbeiten als Gussteile aus untereutektischen zwei Verfahren hervorgehoben werden, die sich
Legierungen. Die im Gussteil ausgeschiedenen bereits im Serieneinsatz befinden:
Primärsiliziumkristalle werden bei der mecha- – Lichtbogendrahtspritzen (LDS, Nanoslide):
nischen Bearbeitung zerstört und splittern. Die Mittels eines Lichtbogens werden Eisen-
Folge ist eine unerwünscht kurze Spanbildung. Kohlenstoff-Drähte aufgeschmolzen und durch
Bei übereutektischer Al-Si-Legierung und Closed- einen inerten Gasstrom auf die vorher aufge-
Deck-Design wird diese Monometall-Zylinder- raute, aktivierte Innenwand der Zylinder auf-
beziehungsweise Kurbelgehäuseausführung im gespritzt [6]. Die entstehende Porösität stellt
Niederdruckgussverfahren, bei übereutektischer sicher, dass trotz einer extrem glatten Hon-
Al-Si-Legierung und Open-Deck-Design im struktur ausreichende Ölhaltevolumina vor-
Druckgussverfahren hergestellt. Bei Anwendung handen sind.
des Druckgussverfahrens wird das Primärsilizium – Plasma Transfer Wire Arc (PTWA): Die her-
mit wesentlich kleineren Korngrößen ausgebildet ausstechende Besonderheit des PTWA-Ver-
als beim Niederdruckgussverfahren, wodurch die fahrens besteht darin, dass ein Plasmagas dem
Bearbeitbarkeit deutlich verbessert wird. Die klei- Partikelstrahl zusätzliche thermische Energie
neren Siliziumkristalle können aufgrund der hinzufügt und damit weitere Freiheitsgrade in
reduzierten Splitterneigung daher bei gleichzeitig der Verfahrensdurchführung und der Schicht-
besseren Schnittergebnissen schneller zerspant ausbildung gestattet [7].
werden.
7.5 Zylinder 125

Zylinderkonstruktion bei Monometall-Bauart wird zwischen dem Kurbelgehäuseguss und der


Buchse gebildet (Bild 7-62).
Man unterscheidet zwischen in der Kurbelgehäuse-
Bei der hängenden Buchse wird diese über einen
längsachse nicht zusammengegossenen sowie zu-
Bund am oberen Buchsenende zwischen Kurbelge-
sammengegossenen Zylindern. Um eine möglichst
häuse und Zylinderkopfdichtung beziehungsweise
gleichmäßige Temperaturverteilung um den Zylinder
Zylinderkopf eingespannt. Die Zentrierung im Kurbel-
und geringe Verzugsbeeinflussung zwischen den
gehäuse erfolgt durch den Bund selbst oder über einen
Zylindern zu erreichen, ist es vorteilhaft, die Zylinder
Durchmesser unterhalb des Bundes. Die Zentrierung
ohne Gusssteg in Kurbelwellenlängsachse zu gießen.
durch den Bund hat den Vorteil der guten Kühlung der
Durch entsprechende konstruktive Maßnahmen (zum
Zylinderbuchse im oberen, thermisch hochbelasteten
Beispiel Stegbohrungen) kann gewährleistet werden, Teil, führt aufgrund des ungünstigen Kraftflusses
dass auch in der Motorlängsachse zusammengegos- jedoch zu hohen Belastungen der Hohlkehle im Kur-
sene Zylinder eine in etwa gleichmäßige Temperatur- belgehäuse. Die Zentrierung der Buchse unterhalb des
verteilung aufweisen. Dadurch können Verzugsprob- Bundes verschlechtert die Kühlung des oberen Buch-
leme und damit einhergehende Funktionsprobleme senendes, entlastet jedoch die Hohlkehle im Kurbelge-
wie hoher Ölverbrauch oder auch hohes Blow-by häuse. Nasse, oben aufgehängte Buchsen werden über
reduziert werden. Die Vorteile von zusammengegos- O-Ringe gegen Kühlmittel und unten gegen Öl aus
senen Zylindern sind höhere Kurbelgehäusefestigkeit, dem Kurbelraum abgedichtet.
kürzere Kurbelgehäuselänge und geringeres Motor- Bei der stehenden, nassen Buchse erfolgt die Auflage
gewicht. Die geringere Motorlänge ist heute ein und Zentrierung entweder im unteren Bereich der
dominierendes Kriterium in Hinblick auf den Moto- Buchse oder etwa in der Mitte (sogenannte „Mid-Stop“
renquereinbau und auf den für Antriebsaggregate Ausführung). Diese Buchsenbauart erfordert eine
immer geringeren zur Verfügung stehenden Einbau- besonders sorgfältige Auslegung, um den Zylinderver-
raum. Je nach Motorbauart (Reihenmotor, V-Motor, zug klein zu halten. Die Abdichtung erfolgt oben über
Boxermotor) wird durch Ausführung des Kurbelge- die Zylinderkopfdichtung und unten über eine Flach-
häuses mit zusammengegossenen Zylindern eine dichtung unterhalb der Buchsenauflage beziehungs-
unterschiedliche Baulängen- und Gewichtsreduzie- weise über O-Ringe. Problematisch kann ein Über-
rung erreicht. Die Grenze für das Zusammengießen oder Rückstand von nassen Buchsen in Bezug auf die
von Zylindern stellt die als Dichtfläche noch verblei- Deckenplattenebene sein. Dieser wirkt sich negativ auf
bende Stegbreite zwischen den Zylindern dar. Un- die Flächenpressung der Zylinderkopfdichtung um die
abhängig vom Kurbelgehäusewerkstoff werden bei Zylinder herum sowie auf den Zylinderverzug aus.
heute in Serie gefertigten Motoren Zylinderstege von Der Buchsenüber- oder -rückstand ist daher auf ein
kleiner 5,5 mm realisiert. Dieses wurde nicht zuletzt unvermeidbares Minimum zu reduzieren.
durch den Einsatz von Metallzylinderkopfdichtungen Das Einsetzen von fertig bearbeiteten, nassen Buch-
(siehe Kap. 7.21.1) mit geringem Setzverhalten und sen ins Kurbelgehäuse mit fertigbearbeiteter Deck-
deswegen geringerem Vorspannkraftbedarf funktio- platte erfolgt durch extreme Toleranzeinschränkung
nell beherrschbar. Neben der einwandfreien Abdich- der entsprechenden Buchsenmaße. Bei stehenden
tung am Zylindersteg wird infolge der geringeren Buchsen ist auch ein Ausdistanzieren üblich. Eine
Vorspannkraft für den Verbund aus Zylinderkopf und andere Möglichkeit ist eine abschließende gemeinsa-
Kurbelgehäuse die Zylinderverformung auf ein Mi- me Bearbeitung von Kurbelgehäusedeckplatte und
nimum reduziert. eingesetzten Buchsen.

7.5.1.2 Einsatztechnik Wasserraum

Es können verschiedenen Arten von Buchsen in das


Kurbelgehäuse eingesetzt werden. Man unterscheidet
nach ihrer Funktion zwischen nassen und trockenen
Buchsen, nach ihrer Verbindung von Buchse und
Kurbelgehäuse zwischen eingegossenen, eingepress-
ten, eingeschrumpften, sowie eingeschobenen
Buchsen. Darüber hinaus ist eine Unterscheidung
nach dem Werkstoff der Buchse üblich.
Laufbuchse
Nasse Buchsen Gehäuse
Nasse Buchsen werden praktisch ausschließlich in
Nutzfahrzeugmotoren beziehungsweise Mittelschnell-
läufer verbaut. Sie werden in das Kurbelgehäuse in
dafür entsprechend bearbeitete Aufnahmen einge-
schoben. Der Wassermantel um die Zylinder herum Bild 7-62 Nasse Laufbuchse
126 7 Motorkomponenten

Üblicherweise werden nasse Buchsen aus GG-Werk- stoff, prinzipiell in Open-Deck- und Closed-Deck-
stoffen gefertigt. Die Vorteile der Verwendung von Konstruktionen verwendet werden. Serienmäßig An-
nassen Buchsen sind die Flexibilität in Bezug auf wendung finden vor allem sogenannte Slip-fit-Buch-
Zylinderbohrung und damit Hubraum durch Kombi- sen aus dünnwandigem Grauguß. Nach der Bearbei-
nation von entsprechenden Buchsen mit demselben tung im bereits gefügten Zustand weisen Slip-fit-
Kurbelgehäuse und einfache Auswechselbarkeit be- Buchsen nur noch eine Wandstärke von 1 mm auf.
ziehungsweise Reparaturmöglichkeit. Nachteilig sind Dem Nachteil höherer Kosten gegenüber der Ver-
die höheren Herstellungskosten im Vergleich zur bundtechnik stehen Vorteile bei der Buchsenpositio-
Monometall-Bauart. nierung und den Zylinderverzügen gegenüber [9].
Um den Wärmeübergang von der Buchse in den
Trockene Buchsen Motorblock zu verbessern und damit geringere Ober-
Trockene Buchsen werden in das Kurbelgehäuse flächentemperaturen an der Lauffläche zu erreichen,
eingepresst, eingeschrumpft, eingeschoben oder ein- wurden Buchsen entwickelt, bei denen eine dünne
gegossen (Bild 7-63). Für das Eingießen werden Buchse aus Kohlenstoffstahl von außen mittels Licht-
Buchsen in die Gießform des Kurbelgehäuses einge- bogendrahtspritzen mit einer AlSi12-Beschichtung
setzt und mit der Al-Legierungsschmelze umgossen. versehen wird (Sprayfit®).
Geht der äußere Bereich der Buchse dabei eine inter- Eingegossene Laufbuchsen sind in verschiedenen
metallische Verbindung mit dem Blockmaterial ein, Varianten eingeführt:
spricht man von einer Verbundtechnik (siehe 7.5.1.3.) x Rillierte GG-Buchsen: Die Außenstruktur (Rillen)
Der Wassermantel befindet sich im Gegensatz zu wird durch mechanische Bearbeitung erzeugt.
nassen Buchsen nicht zwischen Buchse und Kurbel- x As-Cast GG-Buchsen: Die Buchsenaußenseite
gehäuse, sondern ist wie bei der Monometall-Bauart wird durch das Gießverfahren strukturiert. Serien-
im Kurbelgehäuse integriert. Zwischen trockener bedeutung haben zwei Verfahren erlangt: Rau-
Buchse und Kurbelgehäuse ist deshalb keine Abdich- guss-Buchsen (Gussverfahren, bei der die Gieß-
tung erforderlich. oberfläche der Außenseite bewusst rau gestaltet
wird) oder das sogenannte Spiny-Verfahren
(ASLOCK® – an der Außenfläche der Buchse
Wasserraum
werden durch ein spezielles Gussverfahren „Pilz-
köpfchen“ erzeugt, die eine besonders effektive
Verklammerung der Buchse im Blockguß mittels
einer Vielzahl von Hinterschnitten sicherstellt).
Bezüglich der Herstellkosten ergeben sich im Ver-
gleich zur Monometall-Bauart abhängig von Stück-
zahl, Gießverfahren und konstruktiver Detailausfüh-
rung von Kurbelgehäuse und Buchse Vor- oder
Laufbuchse Nachteile. Insbesondere eine in hohen Stückzahlen
im Druckguss- oder automatisierten Sandgussverfah-
Gehäuse ren eingegossene GG-Buchse kann sehr kostengüns-
tig ausgeführt werden.

7.5.1.3 Verbundtechnik
Bild 7-63 Trockene Laufbuchse Die Verbundtechnik kann nur bei Kurbelgehäusen
aus Al-Legierungen angewendet werden. Bei der
Ein Überstand der trockenen, eingepressten oder Verbundtechnik wird im Gegensatz zu Al-Gehäusen
eingegossenen Buchsen in Bezug auf die Deckplat- in klassischer Monometall-Bauart mittels spezieller
tenebene wird eliminiert, indem eine gemeinsame Maßnahmen eine untrennbare Einheit von Kurbelge-
Bearbeitung von Deckplatte und eingefügter Buchsen häuse und Zylinderlaufbahn entweder durch interme-
erfolgt. Trockene Buchsen werden bezüglich der tallische Verbindung oder durch Infiltration in soge-
Zylinderlaufbahn prinzipiell gleich ausgeführt wie nannte Preforms erzeugt. Die Verbundtechnik be-
nasse Buchsen und haben die dort beschriebenen schränkt die Auswahl der Gießverfahren auf Druck-
Eigenschaften. Die Vorteile trockener Zylinderbuch- guss beziehungsweise auf vom Druckguss abgeleitete
sen gegenüber der Monometall-Bauart liegen vor Verfahren, wie das „Squeeze-Casting“ oder das von
allem in der Freiheit bei der Wahl des Buchsenwerk- Honda entwickelte „New-Die-Cast“-Verfahren. Auf
stoffes. Grund der technologiebedingten Einschränkung auf
Mechanisch verbundene (eingepresst oder einge- Druckguss- und druckgussverwandte Verfahren muss
schrumpft) Buchsen können, unabhängig vom Werk- bei der Verbundtechnik die Deckplattenausführung
7.5 Zylinder 127

im Open-Deck-Design erfolgen. Sowohl zusammen- Die intermetallische Verbundtechnik kann mit der
gegossene als auch nicht zusammengegossene Zylin- Verwendung einer HYBRID®-Buchse angewendet
der sind darstellbar. werden. Der Aufbau einer HYBRID®-Buchse besteht
Preforms aus einem Verbund geeigneter metallischer aus einer GG-Buchse, auf die nach einer mechani-
und keramischer Werkstoffe, meist als zylindrische schen Vorbearbeitung und anschließender Aktivie-
Formkörper ausgeführt, werden in die Gießform rung die Anbindeschicht aus einer Al-Si-Legierung
eingelegt und von der Aluminiumlegierungsschmelze auf den äußeren Umfang thermisch aufgespritzt wird.
beim Gießvorgang unter hohem Druck infiltriert. Beim Umgießen der Laufbuchse im Druckgußverfah-
Dabei können zwei Verfahren unterschieden werden: ren findet eine besonders gute Verklammerung zwi-
schen Al-Block und Buchse durch die Infiltration der
x Honda-MMC-Verfahren: Dieses Metall-Matrix-
Blockschmelze sowie Materialaustausch zwischen
Composite-Verfahren ist bereits seit einigen Jah-
Blockmaterial und Anbindeschicht der Buchse statt.
ren in Serie. Faser-Preforms bestehen unter an-
Durch zusätzliches Anschmelzen der Anbindeschicht
derem aus einem Verbund von Al2O3- und
entsteht eine Werkstoffverbindung, die der Wir-
Kohlenstoff-Fasern und werden beim Honda
kungsweise einer Lötverbindung gleichkommt. Damit
„New-Die-Cast“-Verfahren mit der Aluminium-
erhält der Motorblock im Bereich der Laufbuchse
schmelze infiltriert.
eine hohe dynamische Festigkeit. Die geringe Wand-
x KS-Lokasil®-Verfahren: Ein hochporöser zylin- stärke von nur 1,7 bis 2 mm ermöglicht entsprechen-
drischer Formkörper aus Silizium wird im de Freiheiten in der Konstruktion und die hervorra-
Squeeze-Cast-Verfahren unter hohem Druck mit gende Anbindung sorgt für geringe Zylinderverzüge,
der flüssigen Aluminiumlegierung infiltriert. Die vergleichbar mit denen der Monometall-Bauart und
Zylinderlaufbahn wird durch dreistufiges Honen damit Vorteile in Tribologie und Ölverbrauch [10].
erzeugt. Dadurch werden, ähnlich der Monometall- In Bild 7-64 ist der Unterschied der mechanischen
Bauart im Fall der übereutektischen Al-Legierung Verklammerung einer GG-Raugussbuchse (links) im
durch Ätzen, Siliziumkristalle freigelegt. Es ent- Vergleich zur intermetallischen Anbindung in Ver-
steht eine harte und verschleißfeste Zylinderlauf- bundtechnik am Beispiel der HYBRID®-Buchse dar-
bahnoberfläche. gestellt.

Bild 7-64 links: Einge-


gossene Graugussbuchse
(Rauguss); rechts:
HYBRID®-Buchse [11]

Eine nochmals verbesserte Wärmeabfuhr aus dem Die klassische Endbearbeitung von Zylinderlauf-
Brennraum erreichen hochsiliziumhaltige Alumini- flächen erfolgt durch Feinbohren oder -drehen und
umbuchsen, wie zum Beispiel die sprühkompaktierte einer anschließenden Honbearbeitung. Beim Honen
Silitec® Laufbuchse. Allerdings lassen die höheren überlagern sich eine rotatorische und eine alternie-
Herstellkosten diese Lösung nur noch in vereinzelten rende, translatorische Bewegung zur Schneidbewe-
Serienanwendungen zu. gung. Es wird so eine Zylindrizität von unter 10 μm
und eine gleichmäßige Oberflächenrauheit erzielt.
7.5.2 Bearbeitung von Zylinderlaufflächen Die durch die Schneidbewegung entstehenden Hon-
riefen schließen den in Bild 7-66 dargestellten Hon-
Die Zylinderlauffläche von Verbrennungsmotoren ist winkel D ein.
tribologischer Laufpartner und Dichtfläche für Kolben Die Honbearbeitung, zum Beispiel mit einem Mehr-
und Kolbenringe. Die Oberflächenbeschaffenheit der leistenhonwerkzeug, soll möglichst schonend für das
Zylinderlauffläche ist maßgeblich am Aufbau und der Material vonstatten gehen, um Ausbrüche, Verquet-
Verteilung eines Ölfilms zwischen den Laufpartnern schungen der Randzone sowie Gratbildung zu ver-
beteiligt. Es besteht ein starker Zusammenhang zwi- hindern. Der Werkstoffschnitt erfolgt mit Hilfe von
schen der Oberflächenbeschaffenheit des Zylinders und Honleisten unter wasserhaltigem Kühlschmierstoff
dem Ölverbrauch und Verschleiß eines Motors. oder speziellem Honöl [1]. Bei vorgegebenem An-
128 7 Motorkomponenten

pressdruck wird ein Materialabtrag von 100 μm im Honwinkel von 120 bis 150° der tiefen Riefen. Durch
Durchmesser in weniger als einer Minute erzielt. spezielle, der Bohrungsform folgende Honleisten wird
eine sehr gleichmäßige Oberflächenrauheit erzielt.
7.5.2.1 Bearbeitungsverfahren Das Laserstrukturieren ermöglicht eine nahezu freie
Bei der Normalhonung wird durch ein- oder mehr- Gestaltung der Oberfläche durch das gezielte Abtra-
stufige Bearbeitung eine normalverteilte Oberflä- gen von Material mittels Laser [2]. Die Zylinderlauf-
chenstruktur erzeugt, das heißt es existieren ebenso fläche wird zum Beispiel im Bereich des OT struktu-
viele Vertiefungen wie Spitzen im Rauheitsprofil. riert und ansonsten glatt ausgeführt. Strukturen, wie
Die sogenannte Plateauhonung hingegen kappt durch spiralförmig angeordnete Schlitze und Taschen,
einen zusätzlichen Bearbeitungsschritt die Rauheits- sowie Näpfchen sind neben gleichmäßigen konven-
spitzen und schafft eine plateauartige Gleitfläche mit tionellen Kreuzriefenstrukturen möglich.
ölhaltenden tiefen Riefen. Rauheitsprofile verschiedener Honverfahren zeigt
Das Spiralgleithonen ist eine Weiterentwicklung des Bild 7-65. Der Einfluss der Laufflächentopographie
Plateauhonens. In erster Linie unterscheidet es sich auf den Ölverbrauch und die Partikelemission wurde
vom Plateauhonen durch die geringere Rauheit, insbe- am Beispiel eines DI-Dieselmotors eindeutig nach-
sondere der Spitzenrauheit, und einem sehr großen gewiesen [3].

A 5μm

Bild 7-65 Rauheitsprofile


einer Normalhonung (A),
einer Plateauhonung (B),
E
einer Spiralgleithonung (C),
0 2,5 5 7,5 10 12,5
einer Lasertaschenstruktur
Gesamtmessstrecke lm in mm
(D) und einer glatten Nor-
malhonung (E)

Eine aufwändige Variante des Honens, bei dem freies dungen und gleichzeitiges Anschmelzen der Ober-
Schleifkorn zum Einsatz kommt, ist das Läpphonen. fläche verbesserte Laufeigenschaften verspricht [4].
Hierbei wird loses Korn verwendet, um der Zylinder- Das Freilegungshonen von Aluminiumzylinderlauf-
lauffläche eine chaotische Hochtiefstruktur zu verlei- bahnen bewirkt durch speziell ausgelegte Honleisten
hen. Das harte Läppmittel wird durch solide Leisten eine Zurücksetzung der weichen Aluminiummatrix
zum Teil in die Oberfläche eingedrückt und eine gegenüber der Faser- oder Partikelverstärkung. Die
Plateaufläche erzeugt. Freilegung der Partikel kann auch mittels Ätzen
Beim Bürsthonen wird nach der Normalhonbearbei- erfolgen.
tung eine Verrundung und Entgratung der Oberflä- Ziel der Freilegung ist die Zurücksetzung der zu
chenstruktur mittels einer mit Hartstoff beschichteten Verschweißungen neigenden Aluminiumbindung um
Bürste erzeugt. Ein weiteres Verfahren die Metallflit- 0,5 bis 1 μm. Das durch die Rücksetzung des Alumi-
ter – auch Blechmantel genannt – von der Oberfläche niums entstehende Ölhaltevolumen verbessert die
zu entfernen und vorhandene Poren in der Ober- Laufeigenschaften der Oberfläche.
fläche frei zu spülen, ist das Fluidstrahlen. Bei diesem Plasma- oder flammgespritzte Zylinderrohre können
Verfahren wird mit wasserhaltigem Kühlschmierstoff wie induktivgehärteter Grauguss sehr glatt bearbeitet
unter einem Druck von circa 120 bar die gesamte werden. Das durch die Werkstoffporosität vorhandene
Zylinderlaufbahn gestrahlt. Ölhaltevolumen sorgt für gute Laufeigenschaften.
Auch eine Belichtung von Graugusszylinderlauf- Beispielhafte 3D-Oberflächenbilder einer gehonten
flächen mittels Eximerlaserstrahlung kommt zum Graugusszylinderlauffläche sowie einer Aluminium-
Einsatz, die durch ein Öffnen der Graphitausschei- zylinderlauffläche zeigen die Bilder 7-66 und 7-67.
7.5 Zylinder 129

7.5.3 Zylinderkühlung
7.5.3.1 Flüssigkeitskühlung
Heutige Fahrzeugmotoren sind praktisch ausschließ-
lich flüssigkeitsgekühlt. Dabei werden die Zylinder
mit einem Wasserraum, dem sogenannten Wasser-
mantel, umgeben.
Ein wichtiges Konstruktionsmaß ist die Wasserman-
teltiefe, das Maß von Deckplattenebene bis zur tiefs-
ten Stelle des Wassermantels. Bei Grauguss-Motor-
blockkonstruktionen endet der Wassermantel etwa im
Bereich der unteren Kolbenringzone, das heißt, im
Bereich zwischen erstem Kompressionsring und
Ölabstreifring bei Position des Kolbens im unteren
Totpunkt.
Bei Al-Kurbelgehäusen ist der Wassermantel noch-
mals kürzer ausgeführt und deckt etwa das obere
Drittel der Zylinderlaufbahnlänge ab. Dies ist durch
die höhere Wärmeleitfähigkeit von Aluminiumlegie-
rungen im Vergleich zu Gusseisenwerkstoffen sowie
durch Kolben mit immer kleineren Kompressionshö-
hen möglich. Ein kürzerer Wassermantel reduziert die
Kühlmittelmenge im Motor und damit das Motorge-
wicht sowie die Warmlaufphase des Motors, mit
positiven Auswirkungen auf den Verbrauch und die
Bild 7-66 3D-Oberflächenbild einer gehonten Grau- Emissionen.
gusszylinderlauffläche mit Blechmantel (weiße Mar-
7.5.3.2 Luftkühlung
morierung) und eingezeichnetem Honwinkel
Luftgekühlte Zylinder werden im Fahrzeugbau nur
noch in Zweiradfahrzeugen verwendet. Jedoch finden
sie häufig noch Anwendung im Flug- und Kleinmoto-
renbau. Die Wärmeabfuhr bei luftgekühlten Zylindern
erfolgt bei allen Konstruktionen über Zylinder(kühl)-
rippen. Bei gegossenen Zylindern entstehen verfah-
rensbedingt schwach trapezförmige Rippen mit ver-
rundeten Kanten. Diese Form bietet gleichzeitig eine
gute wirksame Wärmeübertragungsfläche. Bei hohen
Zylinderleistungen muss die Wärmeübertragung je-
doch oft durch Zusatzmaßnahmen erhöht werden.
Neben höheren Rippen und der Verwendung von Al-
Legierungen statt Grauguss – wegen ihrer höheren
Wärmeleitfähigkeit – kommt der Kühlluftführung
mittels Luftleitblechen sowie der Erhöhung der Kühl-
luftgeschwindigkeit eine hohe Bedeutung zu. Kann
die dauerhafte und ausreichende Zufuhr von Kühlluft,
zum Beispiel bei Fahrzeugmotoren, nicht gewährleis-
tet werden, muss eine Zwangskühlung durch ein
zusätzliches Gebläse und Luftleitbleche vorgesehen
werden.
Die Verrippung von Kurbelgehäusen muss auch unter
Berücksichtigung der Steifigkeit, zum Beispiel der
Kurbelgehäuse-Seitenwände, und der Optimierung
der Krafteinleitung von weniger steifen in tragende
Bereiche des Gehäuses erfolgen. Zudem muss die
akustische Anregung der Rippen durch das Kurbel-
Bild 7-67 3D-Oberflächenbild einer Aluminiumzy- gehäuse sowie über die Luftführung im Sinne der
linderlauffläche mit freigelegter Partikelverstärkung Geräuschemissionen kritisch geprüft werden.
130 7 Motorkomponenten

Literatur Dies führt unter Umständen dazu, dass gleiche Moto-


ren in Längs- und Quereinbau unterschiedliche Öl-
[1] Flores, G.: Grundlagen und Anwendung des Honens. Essen:
Vulkan-Verlag, 1992 wannen aufweisen.
[2] Abeln, T.; Klink, U.: Laserstrukturieren zur Verbesserung der Die Ölwanne hat die folgenden wichtigsten Funktio-
tribologischen Eigenschaften von Oberflächen, Tagungsband. nen zu erfüllen:
Stuttgarter Lasertage, 2001
[3] Robota, A.; Zwein, F.: Einfluss der Zylinderlaufflächentopogra- x Sie dient als Behälter zur Aufnahme des Motoröls
fie auf den Ölverbrauch und die Partikelemissionen eines DI- und als Sammelbehälter für das rücklaufende Mo-
Dieselmotors. In: MTZ 60 (1999) 4
toröl aus den Lager- und Schmierstellen.
[4] Herbst, L.; Lindner, H.: Verschleiß- und schmierstoffmindernde
Bearbeitung von Zylinderoberflächen mit Excimerlaser im x Als Verschluss des Kurbelraumes dient sie bei
Motorenbau. In: VDMA-Nachrichten 12, 2002 speziell strukturierten Ölwannenbauarten gleich-
[5] Mahle GmbH (Hrsg.): Zylinderkomponenten; Eigenschaften, zeitig der Versteifung des Motor-Getriebe-Ver-
Anwendungen, Werkstoffe, 1. Aufl. Wiesbaden: Vieweg+Teub- bundes. Sie verbessert dadurch das akustische
ner, 2009
[6] Schommers, J.; Schreib, H.; Hartweg, M.; Bosler, A.: Reibungs-
Verhalten des Motor-Getriebeverbundes im nie-
minimierung bei Verbrennungsmotoren. In: MTZ 74 (2013), Nr. derfrequenten Bereich.
7–8 x Sie leitet das Öl durch Ölleitrippen gezielt zur
[7] Gand, B.: Beschichtung von Zylinderlaufflächen in Aluminium- Ölansaugstelle, beinhaltet Schwallbleche zur Öl-
Kurbelgehäusen. In: MTZ 72 (2011) 2
beruhigung und ermöglicht die Abscheidung von
[8] Mattes, W. et al: Der neue Boxermotor von BMW Motorrad. In:
MTZ 74 (2013), Nr. 9 Luft aus dem Öl.
[9] Aluminium-Motorblöcke; Aus der Reihe „Die Bibliothek der x Neben der Aufnahme eines Gewindes für die
Technik“, Band 278. Landsberg: Verlag moderne Industrie, 2005 Ölablassschraube und das Ölmessstabführungs-
[10] Herbst-Dederichs, Ch.; Münchow, F.: Hybrid-Laufbuchsen aus rohr enthält sie häufig einen Ölstandsgeber für die
Grauguss und Aluminium. In: MTZ 65 (2004), Nr. 10
[11] Friedrich, H. E.: Leichtbau in der Fahrzeugtechnik, ATZ/MTZ-
Anzeige des Ölstandes im Fahrzeug.
Fachbuch. Wiesbaden: Springer Vieweg, 2013

7.6.1 Ölwannenbauart
7.6 Ölwanne Bei Großserienmotoren wird die Ölwanne überwie-
gend als einlagiges Tiefziehteil aus Stahlblech herge-
Die Ölversorgung von Pkw-Motoren wird heute fast stellt. Zur Verbesserung der Akustik wird auch eine
ausschließlich mit einer Nasssumpfschmierung si- Bauweise mit zwei Lagen Stahlblech und dazwischen
chergestellt. Die Ölwanne bildet daher bei solchen liegender Kunststoff-Folie verwendet. Bei großvolu-
Motoren meist den unteren Abschluss des Kurbel- migen Motoren mit Gusseisen oder Al-Kurbelgehäu-
gehäuses, Bild 7-68. Die Form und Konstruktion der sen werden häufig Ölwannen aus Al- Si-Legierungen,
Ölwanne wird stark durch die Einbausituation (Pa- hergestellt im Kokillenguss oder im Druckguss,
ckage) des aktuellen Fahrzeuges bestimmt. eingesetzt. Durch steife Gestaltung der Ölwannensei-
tenwände und hauptsächlich durch einen integrierten
Flansch auf der Kupplungsseite des Motors als An-
schluss zum Getriebeflansch trägt diese Bauart we-
sentlich zur Versteifung des Motor-Getriebe-Verbun-
des und damit zu einem besseren Akustikverhalten
Blech-Ölwanne bei. Diese Bauart wird etwa bei der Hälfte der euro-
päischen Motorkonzepte eingesetzt. Ölwannen aus
Al-Legierungen werden sowohl einteilig als auch
zweiteilig ausgeführt. Zweiteilige Ölwannen bestehen
aus einem Oberteil aus Leichtmetall und einem mit
diesem verschraubten Unterteil aus Stahlblech. Die-
ses Stahlblech kann bei Verformungen (Aufsitzen des
Fahrzeuges) kostengünstiger gewechselt werden. Im
Gegensatz dazu müsste eine Ölwanne aus Al kom-
plett ersetzt werden. Dieser Vorteil ist heute nur noch
von untergeordneter Bedeutung im Hinblick auf die
vermehrt im Bereich des Motors verwendeten Fahr-
zeug-Unterbodenverkleidungen.
Eine neuere Entwicklung ist die Verwendung von
Al-Druckguss-Ölwanne mit Ölpeilstab glasfaserverstärktem Polyamid für die Konstruktion
Motor 944 Turbo der Ölwanne. Spezielle Anforderungen an den Kunst-
stoff ergeben sich in dieser Anwendung durch die
Bild 7-68 Ölwanne langen Zeiten des Kontaktes mit Luft und Öl bei
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung 131

hohen Temperaturen. Das Alterungsverhalten wird öls zu einem feinen Öltröpfchenaerosol zerstäubt
daher in Tests mit Ölbenetzung bei 160 °C über 5.000 wird und zusammen mit den Blow-by-Gasen ins
Stunden getestet. Mechanische Anforderungen an den Kurbelgehäuse gefördert wird. Unabhängig hiervon
Kunststoff ergeben sich zum Beispiel insbesondere werden bei laufendem Motor überwiegend größere
durch Aufnahme und Absetzen des Motors durch Öltröpfchen von den bewegten Triebwerkskompo-
Gabelstapler in der Werkstatt. nenten (Kurbelwelle, Kolben, Pleuel, Nockenwelle,
Konstruktiv kann man zwischen reinen Kunststofföl- Steuerkette) abgeschleudert. Als eine wesentliche
wannen und Kunststoffölwannen in Verbindung mit Quelle von Ölnebel ist auch die bei Hochleistungs-
Aluminiumdruckgussteilen (Hybrid) unterscheiden. motoren verbreitete Kolbenspritzölkühlung anzuse-
Diese erlauben dann wieder die Abstützung des hen, bei der neben der Schmierölzerstäubung auch
Getriebes. Die Abdichtung der Kunststoffölwanne Kondensationsvorgänge von zuvor verdampften,
entspricht der von Zylinderkopfhauben, es kommen niedrig siedenden Schmierölbestandteilen zur Ölpar-
T- oder I-Profildichtungen zum Einsatz. Auch die tikelbildung beitragen. Um im Motorbetrieb einen un-
Abdichtung durch Flüssigsilikon ist möglich. zulässigen Druckanstieg im Kurbelgehäuse zu ver-
Ölwannen aus Kunststoff bieten folgende Vorteile: meiden (Gefahr von Gas- und Ölleckagen/Umwelt-
x Gewichtsreduzierungen von circa 30 % für die schutz, Funktionsstörungen der Wellendichtringe)
Hybridlösung und circa 60 % für die reine Kunst- muss das Blow-by-Gas über ein Kurbelgehäuseent-
stoffkonstruktion gegenüber einer zum Beispiel lüftungssystem kontinuierlich aus dem Kurbelgehäu-
2,2 kg schweren Aluminiumkonstruktion. se abgeführt werden. Bild 7-69 illustriert am Beispiel
x Durch hohe Integrationsdichte lassen sich Packa- eines Entlüftungssystems für einen abgasturboaufge-
gingvorteile erreichen. So können nicht nur ladenen Motor Blow-by-Gaspfade und die Transport-
Ölkanäle und Kanäle der Kurbelgehäuseentlüftung, mechanismen für Ölnebel und Ölwandfilm.
sondern auch der Ölfilter, die Öldruckregelung und
der Ölkühler integriert werden. Dies kann bei geeig- 7.7.1Gesetzliche Randbedingungen
neter Auslegung auch zu einer Reduktion des
Druckverlustes in den Ölkanälen führen und damit In den ersten Jahrzehnten des Motorenbaus wurden
die für die Ölpumpe benötigte Antriebsleistung die Kurbelgehäuseentlüftungsgase üblicherweise di-
reduzieren. rekt in die Atmosphäre geleitet. Insbesondere die
hohen Anteile an Kohlenwasserstoffen in den Blow-
Literatur by-Gasen von Ottomotoren bildeten den Hintergrund
[1] Pkw-Kunststoffölwanne zur Reduzierung von Kosten, Gewicht für die zunächst freiwillige, später gesetzlich gefor-
und CO2. In: MTZ 2008, Nr. 10 derte Einführung von geschlossenen Kurbelgehäuse-
[2] ATZ online: Neues Kunststoff-Ölwannenmodul spart 1,1 Kilo- entlüftungssystemen (CCV-Systemen: Closed Crank-
gramm Gewicht
[3] ATZ online: Crash-Simulationen am gealterten Kunststoff
case Ventilation) zur Rückführung der Blow-by-Gase
innovations-report 11.09.2007: Mann + Hummel plant im Jahr in den Ansaugtrakt in den 1960er Jahren in Kalifor-
2009 Serienstart von Kunststoffölwanne für Pkw nien und den übrigen US-Bundesstaaten [1]. Entspre-
innovations-report 22.10.2008: DuPont liefert Zytel Polyamid für chende gesetzliche Regelungen wurden in der Folge
erstes in Serien-Pkw eingesetztes Kunststoff-Ölwannenmodul
[4] Hohnstein, T.; Gleiter, U.; Glaser, S.; Fritz, T.: Erste Serien-
auf allen wichtigen Märkten beschlossen und auf
anwendung von Steinschlagoptimierten Kunststoff-Ölwannen. In: Pkw- sowie Lkw-Dieselmotoren ausgeweitet [2]. Ins-
MTZ 2010, Nr. 01 besondere bei Motoren für Off-Road-Anwendungen
und schwere NFZ ist im Grundsatz aber noch immer
eine Entlüftung des Kurbelgehäuses in die Atmo-
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung sphäre (OCV-Systeme: Open Crankcase Ventilation)
Wegen der begrenzten Dichtheit der Kolbenringe zulässig.
gelangt beim Betrieb von Hubkolbenverbrennungs- Bild 7-70 zeigt eine Aufstellung über die diesbezüg-
motoren ein kleiner Teil des Arbeitsgases als Blow- lichen gesetzlichen Meilensteine auf den verschiede-
by-Gasstrom (Durchblase- beziehungsweise Leckgas- nen Märkten. Gemäß der im Anhang V, Prüfung
strom) aus dem Brennraum an den Wandungen von Typ III der in der EU für Pkw gültigen Vorschrift
Zylindern und Kolben vorbei ins Kurbelgehäuse. 70/200/EWG muss dabei nachgewiesen werden, dass
Weitere Ursachen für entsprechende Leckgasströme im Kurbelgehäuse bei drei verschiedenen Betriebs-
ins Kurbelgehäuse sind Leckagen an den Ventil- punkten des Motors kein Überdruck herrscht. Die
führungen und den Wellenlagerungen von Turbo- Kurbelgehäuseentlüftungsgase, deren Zusammenset-
ladern, aber auch die bei Diesel- und Ottomotoren mit zungen und Massenströme (bei europäischen Appli-
Benzindirekteinspritzung eingesetzte Vakuumpumpe kationen bis zu 1 % des Ansaugluftmassenstroms) in
(Bremsservopumpe). In Verbindung mit hohen Tem- erheblichem Maße vom Brennverfahren, von der
peraturen bewirken insbesondere die an den Kolben- Gestaltung des Triebwerks, vom Betriebszustand (eff.
ringen anliegenden hohen Druckdifferenzen, dass ein Mitteldruck, Drehzahl, Kühlmitteltemperatur) und
Teil des an Kolben und Zylinder anhaftenden Motor- vom Verschleißzustand des Triebwerks abhängen,
132 7 Motorkomponenten

Bild 7-69 Illustration von Blow-by-Gaspfaden sowie Transportmechanismen für Ölnebel und Ölwand-
film am Beispiel eines abgasturboaufgeladenen Ottomotors

müssen dementsprechend durch das Kurbelgehäuse- CCV) erfordern es, die im Entlüftungsgas befindlichen
entlüftungssystem kontinuierlich in das Ansaugsystem Schmierölbestandteile möglichst vollständig abzuschei-
des Motors zurückgeführt werden. Verglichen mit der den, um Ruß-Ablagerungen an klebrigen HC-Bestand-
Abgasrückführung und der Rückführung der Aktiv- teilen zu verhindern.
kohlefilterspülgase der Tankentlüftung (Ottomotoren),
bei denen die Massenströme, entsprechend den Erfor- 7.7.2Technische Anforderungen
dernissen im Kennfeld, im Grundsatz frei appliziert
werden können, wird durch die vom Triebwerk aufge- Aus den genannten gesetzlichen Randbedingungen
prägten Blow-by-Massenströme, vor allem bei Otto- resultieren zahlreiche technische Anforderungen an
motoren, eine schadstoffoptimierte Gemischbildung Kurbelgehäuseentlüftungssysteme. Wesentliche For-
und damit die Einhaltung strenger Abgasemissions- derungen betreffen das Einhalten eines bestimmten
grenzwerte wesentlich erschwert. Insbesondere die Druckes im Kurbelgehäuse, die Abscheidung der
sich verschärfenden technischen Anforderungen, im Ölbestandteile aus dem Entlüftungsgas und die Rück-
Hinblick auf die Ölverbräuche der Motoren, Ver- führung des abgeschiedenen Öls in den Ölsumpf des
schmutzungen sowie Ablagerungen in den Kompo- Motors. Zur Einhaltung des vorgeschriebenen Drucks
nenten der Ansaugsysteme, den Brennräumen und den im Kurbelgehäuse dienen entweder in der Zu- und Ab-
Einrichtungen zur Abgasnachbehandlung (insbesonde- strömleitung zum Kurbelgehäuse angeordnete Drosseln
re bei der Kombination gekühlter EGR-Systeme mit beziehungsweise Strombegrenzungsventile oder bei
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung 133

Region Vorschrift/Grenzwert Gesetz Gültig ab


USA Kalifor- Freiwilliger Einbau von sogenannten Empfehlung: Vehicle Combus- 01. 01. 1961
nien „halboffenen“ Systemen tion Products Committee
„Positive Crankcase Ventilation“ (PCV) Californian Health and Safety 01. 01. 1964
Systeme für Pkw mit Ottomotoren Code
USA-Bund Übernahme der in Kalifornien eingebau- Freiwillige Maßnahme Modelljahr 1963
ten Systeme
100-%ige Eliminierung der aus dem Code of Federal Regulations Modelljahr 1968
Kurbelgehäuse von Ottomotoren (40 CFR)
emittierten Kohlenwasserstoffe
Japan Einsatz von PCV-Systemen in allen Code of Federal Regulations 01. 09. 1970
neuen Pkw-Modellen mit Ottomotoren for Road Vehicles (SRRV) (neue Modelle),
Chapter II, Article 31(12) 11. 01. 1971 (lau-
fende Produktion)
Schweden Geschlossene Systeme zur Kurbel- F12-1968 01. 01. 1969
gehäuseentlüftung für Ottomotoren
Übernahme der US-Bundes- Code of Federal Regulations 1976
Gesetzgebung (40 CFR)
Kanada Übernahme der US-Bundes- Code of Federal Regulations 1971
Gesetzgebung (40 CFR)
Deutschland Grenzwert für HC-Emission aus Übernahme der Direktive 01. 10. 1970
KGH: 0,15 % des verbrauchten 70/220 EWG als Anhang XIV
Kraftstoffs zu § 47 StVZO ins nationale
Recht
EU (Pkw) Grenzwert für HC-Emission aus ECE/R15 01. 10. 1971
KGH: 0,15 % des verbrauchten (veröffentlicht 01. 08. 1970)
Kraftstoffs
70/220/EWG (veröffentlicht
04. 04. 1970)
EU (Nfz) Allgemeiner Geltungsbereich: „Emis- 88/77 EWG Anhang I 09. 02. 1988
sion gasförmiger Schadstoffe und luft-
verunreinigender Partikel“ (Forderung
nach Rückführung der Kurbelgehäuse-
gase)

Bild 7-70 Beginn der Einführung von Vorschriften zur Begrenzung der Emission aus dem Kurbelgehäuse von
Kraftfahrzeugen (Angaben unter Verwendung von [1] und Info Fa. Berg-Automotive, Stuttgart)

modernen Kurbelgehäuseentlüftungssystemen über- Bedingungen für eine wirksame Ölnebelabscheidung


wiegend verwendete Druckregelventile (DRV). Die herrschen im Kennfeld beim Vorliegen von ungüns-
Förderung der Entlüftungsgase ins Ansaugsystem tigen Verhältnissen zwischen Blow-by-Gasströmen
des Motors und die Abscheidung der Schmierölparti- und vorhandenen Ansaugunterdrücken zum Beispiel
kel erfolgt bei konventionellen Entlüftungssystemen in der Volllast bei niedrigen Motordrehzahlen (große
mittels der Druckdifferenz zwischen dem Kurbelge- Blow-by-Gasströme, niedrige für die Ölnebelabschei-
häuse und dem Ansaugsystem. Wie aus den in den dung nutzbare Druckdifferenzen, im Allgemeinen
Bildern 7-71 und 7-72 exemplarisch für einen abgas- kleine Partikelgrößenverteilungsspektren). Weitere
turboaufgeladenen Ottomotor mit Benzindirektein- Einflüsse ergeben sich sowohl durch kurbelgehäuse-
spritzung dargestellten Saugrohrdruck- und Blow- als auch saugrohrseitige Druckpulsationen, die in
by-Gaskennfeldern ersichtlich ist, variieren die der Regel bei bestimmten Motordrehzahlen durch
Blow-by-Massenströme und die Druckgefälle zur Rohr- beziehungsweise Pfeifenschwingungen ver-
Rückführung der Entlüftungsgase ins Ansaugsystem stärkt werden. Die Quantitätsregelung konventio-
des Motors im Allgemeinen erheblich. Erschwerte neller Ottomotoren mit stöchiometrischen oder auch
134 7 Motorkomponenten

Bild 7-71 Kennfeld der


Druckdifferenz
Saugrohrdruck –
Atmosphärendruck eines
turboaufgeladenen,
quantitätsgeregelten
1,8 l-Pkw-Ottomotors mit
Direkteinspritzung

zeitweilig „fetten“ Luft-Kraftstoff-Verhältnissen be- zur Verlängerung der Ölwechselintervalle – kann im


dingt, dass wesentliche Anteile der mit dem Blow- Winter eingefrorenes Kondensat durch Verblocken
by-Gas ins Kurbelgehäuse geförderten schwersie- der Kurbelgehäuseentlüftung oder der Schmieröl-
denden Kraftstoffkomponenten und bei der Verbren- versorgung schwerwiegende Motorstörungen bezie-
nung entstehendes Wasser im Kurbelgehäuse kon- hungsweise Motorschäden verursachen. Die darge-
densieren. Diese Kondensate können sich bei an- stellte Problematik betrifft in besonderem Maße
haltendem Schwachlast- und Kurzstreckenbetrieb, aufgeladene Ottomotoren mit Benzindirekteinsprit-
insbesondere bei nicht betriebswarmem Motor, im zung, bei denen große Kraftstoffmengen in kurzen
Kurbelgehäuse anreichern. Abgesehen von der hier- zur Verfügung stehenden Zeiträumen zur Verbren-
mit verbundenen Beeinträchtigung der Schmierölqua- nung aufbereitet werden müssen. Insbesondere bei
lität – bei Berücksichtigung einer generellen Tendenz nicht optimal ausgebildeter Gemischbildung besteht

Bild 7-72 Kennfeld der


Blow-by-Gasmengen (ohne
Kurbelgehäuse-Belüftung)
eines turboaufgeladenen,
quantitätsgeregelten
1,8 l–Pkw-Ottomotors mit
Direkteinspritzung
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung 135

die Gefahr, dass vor allem in Kennfeldpunkten hoher Kennfeldbereichen (Volllast und niedrige Motordreh-
Last innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeiträume zahlen), in der Tendenz immer niedrigere für die
große Mengen an flüssigem Kraftstoff ins Kurbelge- Feinölabscheidung nutzbare Druckdifferenzen zur
häuse gefördert werden. Neben der Verringerung der Verfügung stehen. Bei aufgeladenen Ottomotoren
Schmierölviskosität können sehr hohe Kraftstoffan- machen die wechselnden Druckniveaus im Saugsys-
teile (bis zu 20 %) im Öl auch zum Versagen bewähr- tem im Allgemeinen die Anordnung von zwei, bei
ter Dichtelastomere (starke Quellung, „Schwitzen“ einigen Aufladekonzepten sogar drei Einleitstellen
der Dichtung) führen, was durch entsprechende für die Einleitung von Entlüftungsgasen ins Ansaug-
Lastenheft- beziehungsweise Materialvorgaben der system und die Verwendung entsprechender Rück-
Motorenhersteller bei der Entwicklung eines Motors schlagventile erforderlich. Hierdurch steigt der Kom-
zu berücksichtigen ist. Um eine Anreicherung von plexitätsgrad der Entlüftungssysteme. Gleichzeitig
Wasser und Kraftstoffkondensaten im Kurbelgehäuse zwingen die beengten Bauraumverhältnisse in den
zu vermeiden, wird daher bei Ottomotoren häufig Motorräumen moderner Fahrzeuge zu einer kompak-
ein kleiner Teil der Ansaugluft als Spülluft durch ten, platzsparenden Bauart der Einzelkomponenten
das Kurbelgehäuse geführt (PCV-Systeme: Positive und zur Integration von verschiedenen Funktionsum-
Crankcase Ventilation, – Achtung: Doppelbedeutung fängen in Module. Zu erwähnen ist außerdem der
mit Pressure Control Valve). Wesentlich für die anhaltende Kostendruck in der Automobilindustrie,
Funktion von PCV-Systemen ist, dass Wasser und der trotz steigender Anforderungen an Funktion und
Kraftstoffkondensate nicht im Ölnebelabscheider Zuverlässigkeit, die Entwicklung kostengünstiger
abgeschieden und ins Kurbelgehäuse zurückgeführt Komponenten, Module und Systeme erzwingt.
werden, sondern zum Beispiel gasförmig durch den
Abscheider geführt werden, was durch ein niedriges 7.7.3 Systemaufbau aktueller
Druck- und ein hohes Temperaturniveau im Abschei-
Kurbelgehäuseentlüftungssysteme
der begünstigt wird. Die hohen Kohlenwasserstoff-
konzentrationen im Entlüftungsgas in der Warmlauf- Für die Rückführung von Blow-by-Gasen in das An-
phase, aber auch bei betriebswarmem Motor, bedin- saugsystem des Motors kommen in der Praxis eine
gen bei Berücksichtigung ansteigender Blow-by- große Zahl unterschiedlicher Entlüftungskonzepte
Gasströme mit steigender Laufleistung des Motors zum Einsatz. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale
wesentliche Einflüsse auf die Gemischbildung sowie sind die Verwendung oder der Verzicht auf ein Kur-
die Lambda-Regelung und damit auf die Abgasemis- belgehäusedruckregelventil und die Frage, ob das
sionen. Um diese Einflüsse soweit wie möglich zu Kurbelgehäuse lediglich entlüftet oder auch be- be-
minimieren, muss durch die Anordnung und Gestal- ziehungsweise durchlüftet wird. In Bild 7-73 ist eine
tung der Einleitstelle(n) des Entlüftungsgasstroms in Übersicht über verschiedene Entlüftungssysteme für
das Ansaugsystem eine möglichst gleichmäßige Ver- aufgeladene Otto- (Bild 7-73a–d) und Dieselmotoren
teilung des Blow-by-Gasstroms auf alle Zylinder des (Bild 7-73e–g) mit jeweiligen Vor- und Nachteilen
Motors (einheitliche Luftverhältnisse und Klopfgren- dargestellt [5] (entspr. Darst. f. Saugmot. in 3. und
zen in den einzelnen Zylindern) erreicht werden. In 4. Aufl.). Bei modernen Fahrzeug-Ottomotoren wer-
[3] am Beispiel der Tankentlüftung dargestellte Un- den, insbesondere im Hinblick auf ausreichende
tersuchungen zum Einfluss der Einleitung von Koh- Ölnebelabscheidegrade, überwiegend Entlüftungs-
lenwasserstoff beladenen Gasströmen ins Ansaugsys- konzepte mit Druckregelventilen verwendet. Die Ein-
tem zeigen, dass sich gute Mischbedingungen und leitung der Entlüftungsgase erfolgt bei aufgeladenen
eine gute Gleichverteilung bei einer über den Kanal- Dieselmotoren vor dem Verdichter des Turboladers.
umfang verteilten Einleitung im Bereich der Drossel-
klappe (hohe Luftgeschwindigkeiten/Turbulenz) ver-
7.7.4 Ölabscheidung
wirklichen lassen.
Bei Kurbelgehäuseentlüftungssystemen für zukünf- Eine wesentliche Funktion des Kurbelgehäuseentlüf-
tige Fahrzeugmotoren resultieren wesentlich gestei- tungssystems stellt die Abscheidung der mit dem
gerte Anforderungen vor allem aus der generellen Blow-by-Gas mitgeführten Ölanteile dar. Bei dem
Tendenz zur Verlängerung oder zum Entfall von durch das Entlüftungssystem aus dem Kurbelgehäuse
Wartungsintervallen, zur Verschärfung von Emissi- geführten Gasstrom handelt es sich um eine Mehr-
onsstandards und zur Ausdehnung dieser auf hohe phasenströmung, bei der im allgemeinen Fall, zu-
Fahrleistungen sowie zur Überprüfung der Einhaltung sammen mit dem Gas, auch Schmieröltröpfchen
dieser Forderungen durch Feldüberwachung oder On- unterschiedlicher Größe und ein Wandfilm aus Mo-
Board-Diagnose (OBD) [4]. Die Erfüllung dieser toröl in Richtung des Saugrohrs gefördert wird. In
Anforderungen wird im Allgemeinen dadurch er- Anlehnung an entsprechende Begriffsdefinitionen in
schwert, dass in Folge der zunehmenden Entdros- der Verfahrenstechnik [6] werden vielfach Ölnebel-
selung der gesamten Ansaugsysteme bei modernen partikel im Blow-by-Gas mit xP < 10 Pm als Feinöl
Otto- und Dieselmotoren, insbesondere in kritischen und xP < 1 Pm als Feinstöl (Nanopartikel) bezeichnet.
136 7 Motorkomponenten

Bild 7-73 Übersicht über verschiedene Entlüftungssysteme von aufgeladenen Ottomotoren (a, b, c, d) und
aufgeladenen Dieselmotoren (e, f, g) mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung 137

7.7.4.1 Grobölabscheidung die in einzelnen Kennfeldbereichen begrenzten, für


die Abscheidung nutzbaren Druckdifferenzen, ver-
Für Ölbestandteile, die in dieser Strömung mit dem bunden mit steigenden Anforderungen an die Ab-
bloßen Auge sichtbar sind (Spritzer, Wandfilme) hat scheidegüte, stellen insgesamt betrachtet, hohe An-
sich die Bezeichnung „Groböl“ eingebürgert. Da bei forderungen an die eingesetzten Abscheider.
den meisten für die Feinölabscheidung eingesetzten
Ölnebelabscheidern die Abscheiderleistung bei Zu-
fuhr größerer Mengen an Groböl einbricht und die 7.7.4.2 Ölnebelabscheidung
gegen eine hohe Druckdifferenz ins Kurbelgehäuse Für die Abscheidung von Ölnebel aus dem Gasstrom
rückzuführenden Ölmengen minimiert werden soll- der Kurbelgehäuseentlüftung stehen, wie in [8] dar-
ten, werden Feinölabscheidern in der Regel Groböl- gestellt, grundsätzlich eine Vielzahl unterschiedlicher
abscheider (zum Beispiel. Volumenabscheider, Prall- Ölnebelabscheider zur Auswahl, die entweder die
plattenabscheider, Drahtgestrickabscheider oder
Druckdifferenz zwischen Saugrohr und Kurbelge-
Grobölzyklone) vorgeschaltet. Kriterien für die Aus-
häuse, mechanische Antriebsenergie oder elektrische
wahl eines Grobölabscheiders sind unter anderem:
Energie zur Abscheidung nutzen. Wesentliche Aus-
Bauraumverhältnisse beziehungsweise Bauraumbe-
wahl- beziehungsweise Bewertungskriterien sind
darf, Kosten, Skalierbarkeit und Druckverlust. Derar-
dabei die Abscheidegrade, die Druckverluste über
tige Grobölabscheider müssen eine unter ungünstigen
dem Abscheider, die Kosten, der Applikationsauf-
Bedingungen auftretende Förderung von Schwallöl
wand, der Energiebedarf, der Wartungsbedarf und die
durch den Entlüftungsstrang („Ölreißen“) sicher
verhindern. Entscheidend für die sichere Funktion von grundsätzliche Umsetzbarkeit eines jeweiligen Ab-
Grobölabscheidern ist es, dass das strömende Entlüf- scheiderprinzips in einem Fahrzeugmotor. Zur Be-
tungsgas auf das die Oberflächen des Entlüftungs- urteilung des Feinölabscheidevermögens eines Ab-
strangs benetzende Öl keine so hohen Schubkräfte scheiders wird dabei vielfach der Abscheidegrad
ausübt, in dessen Folge es zu einem Mitreißen von für ein mittleres Tröpfchengrößenspektrum von
gegebenenfalls sogar bereits abgeschiedenem Öl xP = 1 Pm herangezogen. Hierbei handelt es sich um
kommt. Während bei gut ausgelegten Grob- und Fein- einen Partikelgrößenbereich, in dem entsprechend
ölabscheidersystemen die durch die Kurbelgehäuseent- den physikalisch wirksamen Abscheidemechanismen
lüftung bedingten Ölverbräuche zum Beispiel bei Pkw- [9] besondere Maßnahmen zur Verwirklichung einer
Motoren auf unter 1 g/h (circa 1 bis 2 % der durch die effektiven Abscheidung notwendig sind. Insbeson-
Kolbenringe und Ventilführungen bedingten direkten dere bei Ölnebelabscheidern für NFZ-Motoren wer-
Ölverluste) gesenkt werden können, können im Falle den in letzter Zeit zunehmend auch deutlich kleinere
von Ölreißen die durch die Entlüftung geförderten Partikelgrößen (bis zu 0,4 μm) betrachtet.
Ölmengen 10 bis 2.000 g/h betragen. Abgesehen von
einer zweckmäßigen Gestaltung des Grobölabscheiders 7.7.4.2.1 Faserabscheider
und des entsprechenden Ölrücklaufs lässt sich die
Gefahr des Ölreißens auch durch die folgenden Maß- Die in der Vergangenheit vielfach eingesetzten Draht-
nahmen verringern: gestrickabscheider besitzen den Nachteil begrenzter
Abscheidegrade insbesondere für Feinöl. Im Vergleich
x Wahl einer günstigen von Spritzöl abgeschirmten hierzu lassen sich mit Faserabscheidern höhere bis
Entnahmestelle für den Blow-by-Gasstrom im höchste Abscheidegrade verwirklichen. Faserabschei-
Kurbelgehäuse oder Zylinderkopf der können entsprechend dem Funktionsprinzip in
x ausreichende Dimensionierung der Entlüftungs- volldurchströmte Faserabscheider und Prallvliese
und Ölrückführungsleitungsquerschnitte untergliedert werden. Volldurchströmte Faserabschei-
x Begrenzung der Entlüftungsgasströme aus dem der haben einen relativ großen Bauraumbedarf, sind
Kurbelgehäuse (zum Beispiel durch optimierte jedoch verglichen mit Prallvliesabscheidern bei ent-
Kolbenringbestückung) sprechender Auslegung auch bedeutend leistungsfähi-
x Abschirmung der rotierenden Triebwerksteile vom ger, insbesondere bei sehr kleinen Partikelgrößen.
Ölsumpf durch Schwallbleche oder Ölhobel Nachteilig ist insbesondere bei Dieselmotoren die
x Begrenzung der Motorölfüllstände Neigung zur Bildung von Ablagerungen auf den Ab-
x Begrenzung der Öltemperaturen scheidermedien (Funktion als Filter), die in vielen
x Begrenzung der Viskositätsverringerung der ein- Fällen einen Austausch des Abscheidereinsatzes voll-
gesetzten Motoröle
durchströmter Faserabscheider innerhalb der Fahr-
x Verminderung von Pulsationen.
zeuglebensdauer erforderlich macht. Ferner besteht
Die im Motorbetrieb stark schwankenden Entlüftungs- wegen der Speicherfähigkeit des Abscheidemediums
volumenströme, Druckpulsationen im Kurbelgehäuse für Kondensate die grundsätzliche Gefahr des Einfrie-
und Saugrohr, unterschiedliche in [7] illustrierte Pha- rens dieser Abscheider im Winter. Zur Vermeidung
senverteilungszustände von Groböl in Rohrleitungen, eines schädlichen Kurbelgehäuseüberdruckes durch
138 7 Motorkomponenten

Verblockungserscheinungen werden bei volldurch- torabscheider als Bypass öffnet und auf diese Weise
strömten Faserabscheidern oftmals Notventile vorge- bei großen Blow-by-Massenströmen einen unzulässi-
sehen, die bei deren Verblocken einen Bypass um den gen Aufbau eines Überdrucks im Kurbelgehäuse
Faserabscheider freigeben. verhindert.
Die Gestaltung des DBVs als Impaktor verhindert
7.7.4.2.2 Zyklonabscheider dabei ein unzulässiges Absinken der Abscheidegrade
Aus den genannten Gründen werden bei den Kurbel- des Abscheiders bei parallel durchströmtem DBV. In
gehäuseentlüftungssystemen aktueller Pkw-Fahrzeug- Bild 7-75 sind die entsprechenden Druckverlust-
motoren häufig Zyklonabscheider als Kompromiss kennlinien und Abscheidegrade einer Zyklonab-
zwischen Leistungsfähigkeit, Bauraum und Kosten scheidereinheit mit und ohne DBV dargestellt. Bei
eingesetzt. Diese besitzen eine geringe Empfindlich- Verzicht auf ein DBV muss zur Vermeidung unzu-
keit gegen Verschmutzungen und sind daher Lebens- lässiger Überdrücke im Kurbelgehäuse bei großen
dauerbauteile. Durch zahlreiche Detailoptimierungen Blow-by-Massenströmen (verschlissenes Triebwerk)
an mehreren klein dimensionierten parallel geschalte- ein sehr groß dimensionierter Feinölabscheider ein-
ten Zyklonen konnten – bezogen auf gleiche Ab- gesetzt werden. Dies hat zur Folge, dass bei in weiten
scheiderdruckverluste – die Feinölabscheidegrade in Kennfeldbereichen vorliegenden niedrigen Blow-by-
den vergangenen Jahren wesentlich gesteigert wer- Massenströmen die Feinölabscheidegrade nur nie-
den. Im Grundsatz ist es als Nachteil zu werten, dass drige Werte annehmen (Bild 7-75, Zyklonvariante II).
Zyklonabscheider, aber auch andere Ölnebelabschei-
der, unter der Randbedingung begrenzter, für die 7.7.4.2.3 Impaktoren
Ölnebelabscheidung verfügbarer Druckgefälle, ledig-
lich bei einem jeweiligen durch die Dimensionierung Mit dem zunehmenden Focus auf Bauraum und
des Abscheiders festgelegten Gasdurchsatz optimale Kosten werden für Fahrzeugmotoren inzwischen sehr
Abscheidegrade liefern. Ein Ansatz um diesen Nach- häufig Ölnebelabscheider eingesetzt, deren Wirkwei-
teil abzumildern besteht darin, der verhältnismäßig se auf dem Prinzip der Impaktion beruht. Die Wir-
klein dimensionierten Abscheidereinheit, wie in kung dieser Trägheitsabscheider mit einmaliger
Bild 7-74 dargestellt, ein DBV (Druckbegrenzungs- scharfer Strömungsumlenkung kann dabei durch
ventil) parallel zu schalten, welches beim Überschrei- Kombinationsverfahren, zum Beispiel mit teildurch-
ten einer vorgegebenen Druckdifferenz einen Impak- strömten Vliesstoffen, verbessert werden. Da auch bei

Bild 7-74 Schnittdarstellung


eines Kurbelgehäuse-
entlüftungsmoduls für einen
turboaufgeladenen Benzin-
direkteinspritz-Ottomotor mit
Grobölabscheider, Feinölab-
scheider, diskontinuierlicher
Ölrückführung über Sammel-
behälter und Rückschlag-
ventile, Kurbelgehäusedruck-
regelventil und reingas-
seitigen Rückschlagventilen
(Fa. Hengst)
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung 139

Bild 7-75 Druckverlustkenn-


linien und Abscheidegrade
einer Zyklonabscheidereinheit
mit und ohne Druckbegren-
zungsventil

diesen passiven Ölnebelabscheidern die Gewinnung diese Abscheider sind die Feinölabscheidegrade der-
der erforderlichen Abscheideenergie aus der Blow- artiger Zentrifugalabscheider allerdings verhältnismä-
By-Strömung (Differenzdruck) erfolgt, ist jedoch ßig gering.
auch deren Leistungsfähigkeit durch den – im Allge- Die heute im Gegensatz zu Pkw-Motoren an Nfz-Mo-
meinen begrenzten – zulässigen Differenzdruck be- toren zunehmend geforderten überaus hohen Fein-
schränkt. Ein vorteilhaftes Konzept, ungenutzte Ener- ölabscheidegrade lassen sich mit Feinölzentrifugalab-
gie für die Ölabscheidung durch Impaktion zu nutzen, scheidern erzielen, die mit entsprechenden Vor- und
stellt das in Abschnitt 7.7.5.2 näher erläuterte Impak- Nachteilen behaftet [10], entweder mechanisch über
tor-Druckregelventil dar. die Kurbelwelle, hydraulisch über Drucköl, pneuma-
tisch oder elektrisch angetrieben werden können. Der
hydraulische Antrieb mit dem Drucköl des Motors
7.7.4.2.4 Zentrifugalabscheider
ermöglicht eine kostengünstige und betriebssichere
Alternativ zu den genannten passiven Vlies-, Wickel-, Applikation. Allerdings wird die nutzbare Leistung
Zyklon- und Impaktorabscheidern werden von ein- durch den zulässigen Absteuervolumenstrom, die Ab-
zelnen Motorenherstellern zur Ölnebelabscheidung laufquerschnitte und die im Motorkennfeld zur Ver-
aktiv von der Nockenwelle oder einer von der Mas- fügung stehenden Öldrücke begrenzt. Veränderungen
senkraftausgleichswelle angetriebenen Groböl-Zentri- in der Ölviskosität (Temperatur, Ölzustand) stellen
fugalabscheider eingesetzt. Mit derartigen Zentrifu- eine Herausforderung an die Auslegung derartiger
galabscheidern lassen sich größere Mengen von mit Antriebe dar und erfordern Kompromisse. Die not-
dem Blow-by-Gasstrom gefördertem Groböl zuver- wendigen hydraulischen Schnittstellen schränken uni-
lässig abscheiden. Wegen der begrenzten Drehzahlen verselle Applikationsmöglichkeiten ein. Ein elektri-
von Nockenwellen oder Ausgleichswellen, begrenz- scher Antrieb stellt im Hinblick auf die Gesamtwir-
ten Bauabmessungen und verhältnismäßig hohen För- kungsgrade und der erforderlichen Abscheideleistun-
dergeschwindigkeiten des Entlüftungsgases durch gen eine im Vergleich zum hydraulischen Antrieb
140 7 Motorkomponenten

vorteilhaftere Lösung dar. Ferner ist der Antrieb un- Öl in Form von größeren Tropfen abgeschleudert, die
abhängig vom Betriebszustand des Verbrennungsmo- von der Gasströmung nicht mehr mitgerissen werden
tors und erlaubt einen bedarfsgerechten Betrieb bis und sich an der Innenwand des Tellerseparatorgehäu-
hin zum gezielten Nachlauf des Separators nach dem ses abscheiden. Dieses Öl sammelt sich am Boden
Abstellen des Verbrennungsmotors (Start/Stopp bei des Tellerseparatorgehäuses und kann von da aus ins
Hybridmotoren). Die bei strengen Abgasstufen gefor- Kurbelgehäuse zurückgeführt werden. Bild 7-77 zeigt
derte OBD-Überwachung kann sehr einfach realisiert für einen Zentrifugalabscheider der in Bild 7-76
werden. Schließlich lassen sich standardisierte Bau- dargestellten Tellerseparator-Bauart die Abhängigkeit
teile relativ universell auch für Kleinserienanwendun- der Abscheidegrade von der Drehzahl des Rotors für
gen installieren. Die höheren erreichbaren Dauer- verschiedene mittlere Partikelgrößenspektren. Die
drehzahlen erlauben eine Miniaturisierung der Zentri- Abbildung zeigt den für Zentrifugalabscheider typi-
fugalabscheider. Anspruchsvoll ist die Entwicklung schen Anstieg der Abscheidegrade mit zunehmender
preisgünstiger lebensdauer- und temperaturfester Drehzahl des Rotors. Mit Tellerseparatoren lassen
bürstenloser Elektromotoren und eines standfesten sich grundsätzlich höchste Abscheidegrade, insbe-
Lagerkonzeptes. sondere für kleine Partikelgrößen, verwirklichen. Da-
Der in Bild 7-76 im Schnitt illustrierte Tellersepara- durch sind Tellerseparatoren auch für OCV-Systeme
tor stellt eine klassische Bauart derartiger Zentrifu- an NFZ-Motoren geeignet. Konzeptionell ist eine
galabscheider dar, die bereits seit mehr als hundert Durchströmung der Tellerseparatoren von außen nach
Jahren in der Verfahrenstechnik eingesetzt werden. innen aber auch von innen nach außen möglich. Eine
Kernstück dieses Abscheiders ist der Rotor, bei dem Durchströmung von innen nach außen hat den Vorteil
zahlreiche hohlkegelförmige Teller axial hintereinan- eines negativen Differenzdruckes (Förderwirkung) in
der mit der Welle verspannt werden. Bei der Durch- vielen Betriebsbereichen. Die konventionelle Bauart
strömung der engen Spalte zwischen den Tellern des Tellerseparators mit einzelnen mit der Welle
werden die Ölnebeltröpfchen aufgrund ihrer höheren verspannten Tellern weist Herausforderungen im
Dichte durch die Zentrifugalbeschleunigung radial Hinblick auf die Toleranzproblematik, dynamische
nach außen bewegt und prallen auf die Innenseite des Schwingungen, die Lagerung und Wuchtung des
jeweils axial benachbart angeordneten Tellers, so Rotors und die Herstellungskosten auf. Prinzipiell
dass sich dort ein Wandfilm ausbildet, der durch die können bei Zentrifugalabscheider in der Kurbel-
Fliehkraft an den äußeren Tellerrand gefördert wird. gehäuseentlüftung auch alternative Rotorformen, wie
Am Außenradius der Teller wird das abgeschiedene Wabenkörper, in Frage kommen.

Elektrischer Anschluss
Spannungsversorgung,
Ansteuerung und OBD

Kühlkörper
Reingasaustritt

Magnetspulen
Permanentmagnet
Kurbelgehäuse-
druckregelventil
Gasleithülse

Rotor mit
Tellerpaket

Rückschlagventil Rohgaseintritt

Rücklauf für
abgeschiedenes Öl

Bild 7-76 Schnittdarstellung eines Tellerseparators zur Ölnebelabscheidung (Quelle: Fa. Hengst)
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung 141

Bild 7-77 Abhängigkeit der


Feinölabscheidegrade eines
Tellerseparators von der Par-
tikelgröße bei verschiedenen
Drehzahlen des Separators

7.7.4.2.5 Elektrostatische Abscheider gesetzt. Einem Einsatz in Ottomotoren steht vor allem
die Entzündungsgefahr von stark kraftstoffhaltigen
Bei sehr hohen Anforderungen an die Ölnebelab- Blow-by-Gasen bei möglichen Überschlägen entge-
scheidegrade, auch von Feinstpartikeln und geringen gen. Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit eignen sich
für die Abscheidung nutzbaren Druckgefällen, kann elektrostatische Ölabscheider hervorragend als Mess-
der Einsatz von elektrostatischen Abscheidern [11] in geräte zur gravimetrischen Bestimmung von Parti-
Betracht gezogen werden. Derartige Abscheider nut- kelmassen in Aerosolen.
zen zur Abscheidung die Kräfte auf ein geladenes
Partikel im elektrischen Feld [9]. Bei Rohrabschei-
dern ist zentrisch in einem rohrförmigen Kanal eine 7.7.5 Kurbelgehäusedruckregelung
Sprühelektrode angeordnet, während die Kanalwan-
Zur Förderung der Entlüftungsgase in den Ansaug-
dung als Niederschlagselektrode dient. Durch Anle-
trakt und zur Abscheidung der Schmierölpartikel wird
gen einer Hochspannung zwischen der Sprüh- und bei konventionellen Kurbelgehäuseentlüftungssyste-
der Niederschlagselektrode in einer Größenordnung men die Druckdifferenz zwischen dem Kurbelgehäu-
von 10 kV entsteht ein elektrisches Feld. Freie Elekt- se und dem Ansaugsystem genutzt. Dabei besteht
ronen in unmittelbarer Nähe der negativ geladenen meist die Anforderung, dass bei stark wechselnden
Sprühelektrode werden in Richtung des positiveren Saugrohrdrücken und unterschiedlichen Blow-by-
elektrischen Potenzials zur Niederschlagselektrode Massenströmen im Kennfeld ein leichter Unterdruck
beschleunigt und erzeugen beim Zusammenprall mit (ǻpUmg.-KG < circa 30 hPa) herrscht. Bei der Einfüh-
neutralen Gasmolekülen weitere Elektronen und rung geschlossener Kurbelgehäuseentlüftungssysteme
Kationen. Die hierdurch entstehende Koronaentla- in den 1960er Jahren wurde dies bei (quantitätsgere-
dung wird zum einen durch Kationen, die weitere gelten) Ottomotoren durch PCV-Systeme gelöst. Bei
Elektronen aus der Sprühelektrode herausschlagen, derartigen Systemen wird die vom Kurbelgehäuse ins
stabilisiert. Weiterhin erzeugen angeregte Gasionen Saugrohr strömende Entlüftungsgasmenge über einen
durch Photoionisation weitere Ladungsträger. Auf festen Drosselquerschnitt oder alternativ hierzu durch
dem Weg zur Niederschlagselektrode lagern sich die ein im Querschnitt variables federbelastetes Strom-
erzeugten Elektronen an den Öltröpfchen an, die regelventil dosiert. Um bei niedrigen Blow-by-Gas-
infolge der im elektrischen Feld wirkenden Kräfte auf mengen in der Teillast ein unzulässiges Absinken der
der Niederschlagselektrode abgeschieden werden. Drücke im Kurbelgehäuse zu verhindern, wird über
Mit elektrostatischen Abscheidern lassen sich in eine weitere Leitung Frischluft ins Kurbelgehäuse
Dieselmotoren bei minimalen Druckverlusten Fein- gefördert. Bei hohen Blow-by-Gasmengen und hohen
und Feinstölabscheidergrade von annähernd 100 % Absolutdrücken im Saugrohr (Volllast) kehrt sich die
erreichen, was auch diesen Abscheidertyp für den Strömungsrichtung in der Frischluftleitung um, so
dass unter diesen Bedingungen auch eine Einleitung
Einsatz in OCV-Systemen qualifiziert. Als nachteilig
von Entlüftungsgasen vor der Drosselklappe erfolgt.
sind bei bisherigen konzeptionellen Ansätzen vor
allem die vergleichsweise hohen Kosten, aber auch
die Gefahr von bleibenden Ablagerungen im Ab- 7.7.5.1 Druckregelventile
scheider zu werten. Aus diesem Grund werden elekt- Bei aktuellen Kurbelgehäuseentlüftungssystemen für
rostatische Ölnebelabscheider nur selten in Kurbelge- Otto- und Dieselmotoren sorgen im Leitungsstrang
häuseentlüftungssystemen an Fahrzeugmotoren ein- zwischen Kurbelgehäuse und Saugrohr eingefügte
142 7 Motorkomponenten

Druckregelventile (DRV) (Bild 7-73a, b, f, g) dafür, Blow-by-Gasströmen ein unzulässiger Überdruck im


dass die Druckdifferenz zwischen dem Kurbelge- Kurbelgehäuse entsteht. Die dargestellte Problematik
häuse und der Umgebung, auch bei in weiten Berei- wird zudem dadurch verschärft, dass bei großen
chen variierenden Blow-by-Gasströmen und Saug- Blow-by-Gasströmen auch wesentliche Druckverluste
rohrdrücken, weitgehend konstant gehalten wird. in dem in den meisten Fällen dem Druckregelventil
Bild 7-78 zeigt eine Schnittdarstellung eines in we- vorgeschalteten Ölnebelabscheider entstehen. Dem-
sentlichen Merkmalen konventionellen Druckregel- entsprechend sind die unter diesen Bedingungen im
ventils. Der von der Membran und dem korrespondie Kurbelgehäuse herrschenden Drücke sogar noch um
renden Abströmstutzen gebildete Strömungsquer- das Maß der Druckverluste im Ölnebelabscheider
schnitt durch das Ventil stellt sich entsprechend dem erhöht. Im Vergleich hierzu zeigt die Kurve von
Kräftegleichgewicht zwischen der Kraft der Regelfe- Ventil B eine erwünschte weitgehende Unabhängig-
der, dem auf der Oberseite der Membran wirkenden
keit der Druckregelkennlinie vom Blow-by-Massen-
Umgebungsdruck und dem auf der Unterseite der
strom und vom Druck im Saugrohr. Vorteilhafte
Membran wirkenden Druck im Zuströmraum sowie
dem Abströmstutzen des Ventils ein. Druckregelkennlinien lassen sich durch große Memb-
ranwirkflächen oder eine zweistufige Bauart verwirk-
lichen. Ein kostengünstiger und mit verringerten
Toleranzproblemen behafteter alternativer Ansatz ist
in Bild 7-78 zu erkennen. Bei dieser Lösung befindet
sich im Abströmquerschnitt aus dem Membranraum
ein über radiale Rippen angeordneter konzentrisch
angeordneter Stift, der mit der Stirnfläche des Ab-
strömquerschnitts und den radialen Rippen entweder
bündig ist, oder wenige Zehntel Millimeter vorsteht.
Bei Annäherung der Membran an die Stirnfläche
kommt es zunächst zu einem Aufsetzen der elastischen
Membran auf dem Stift beziehungsweise den Rippen.
Hierdurch wird bei fast geschlossenem Ventil ein
wesentlicher Teil der bei hohen Saugrohrunterdrücken
auf die Membran im Bereich des Abströmquerschnitts
wirkenden resultierenden Druckkräfte direkt am Ge-
häuse des Ventils abgestützt. Auf diese Weise wird ein
vorzeitiges Schließen des Ventils bei hohen Saug-
Bild 7-78 Schnittdarstellung eines Kurbelgehäuse-
rohrunterdrücken vermieden. Die dargestellte Lösung
druckregelventils
ermöglicht bei gleicher Regelcharakteristik und glei-
chem Druckverlust über dem voll geöffneten Ventil
In Bild 7-79 sind in schematischer Darstellung im eine erhebliche Verringerung der Bauabmessungen
Vergleich die Kennlinien von zwei verschiedenen oder umgekehrt bei unveränderten Bauabmessungen
Druckregelventilen dargestellt. im Vergleich eine wesentliche Verbesserung der Re-
gelcharakteristik. Davon abgesehen müssen die Bautei-
le von Druckregelventilen eine uneingeschränkte
Medienbeständigkeit gegen Blow-by-Gase besitzen.
Die Gefahr von Funktionsstörungen durch das Einfrie-
ren des Ventils wie auch der Leitungen und des Ölne-
belabscheiders im Winter lässt sich durch eine Positio-
nierung in warmen Bereichen des Triebwerks und eine
Gestaltung und Anordnung der Komponenten minimie-
ren, die einen ungehinderten Kondensatablauf zulässt.

Bild 7-79 Kennlinienvergleich zweier Kurbelgehäu- 7.7.5.2 Impaktor-Druckregelventile


sedruckregelventile (schematisch) Ventil A: ungüns-
Eine grundsätzliche Problematik beim Einsatz von
tige Kennlinie, Ventil B: vorteilhafte Kennlinie
konventionellen Druckregelventilen in der Kurbelge-
häuseentlüftung besteht darin, dass die insbesondere
Die Kurve von Ventil A zeigt eine große Abhän- bei konventionellen Ottomotoren in weiten Kenn-
gigkeit des Kurbelgehäusedrucks vom jeweiligen feldbereichen herrschenden großen Druckdifferenzen
Saugrohrdruck und vom Blow-by-Gasmassenstrom. zwischen Saugrohr und Kurbelgehäuse wegen der
Eine derartige Kennlinie birgt die Gefahr, dass bei Drosselung des Entlüftungsgasstroms im Druckregel-
niedrigen Absolutdrücken im Saugrohr und großen ventil nur zu einem Bruchteil für die Feinölabschei-
7.7 Kurbelgehäuseentlüftung 143

dung genutzt werden können. Ein Beispiel dafür, wie des Abströmquerschnitts, wodurch sich die Umlen-
die im Druckregelventil gedrosselte Druckenergie in kung der Strömung und damit die Abscheidung von
weiten Kennfeldbereichen effektiv und ohne erhebli- Feinöl in diesem Bereich vermindert. In diesen Be-
chen Zusatzaufwand zur Feinölabscheidung genutzt triebspunkten verlagert sich der Schwerpunkt der
werden kann, ist in dem in Bild 7-80 dargestellten Feinölabscheidung zu zwei dem Druckregelventil in
Ölnebelabscheidereinsatz erkennbar. Bei dem dort Reihe geschalteten Feinölzykonen und einem parallel
dargestellten Druckregelventil sind in dem stirnseitig zu den Zyklonen geschalteten Feinöl abscheidenden
zur Membran angeordneten Abströmquerschnitt kon- Bypassventil. Bild 7-81 zeigt die Feinölabscheide-
zentrisch verlaufende schmale Rippen mit einem ra- grade dieser Abscheidereinheit in Abhängigkeit vom
dialen Abstand von circa 1,3 mm zueinander ange- Differenzdruck über dem Abscheider für verschiede-
ordnet. In der Regelstellung des Ventils nähert sich ne Volumenströme. Insbesondere durch das Prinzip
die Elastomermembran je nach Gasdurchsatz und der Anpassung der Abscheidergeometrie an den Gas-
Druckdifferenz am Ventil der beschriebenen Rippen- durchsatz im Impaktordruckregelventil lassen sich
geometrie des Abströmquerschnitts an. Das radial mit über weite Kennfeldbereiche des Motors mit ver-
hoher Geschwindigkeit in den Spalt zwischen Memb- gleichsweise geringem Bauaufwand wartungsfrei
ran und Rippengeometrie einströmende Entlüftungs- über der Lebensdauer des Motors hohe beziehungs-
gas wird beim axialen Einströmen in die konzentrisch weise sehr hohe Feinölabscheidegrade verwirklichen.
verlaufenden Strömungsquerschnitte zwischen den Ein weiteres Optimierungspotenzial dieses Abschei-
Rippen so scharf umgelenkt, dass große Anteile von derkonzepts besteht in einer Durchmesservergröße-
Feinöltröpfchen, die in Folge ihrer Massenträgheit rung der Impaktorrippengeometrien im Abströmstut-
dem Gasstrom nicht folgen können, an den Seitenflä- zen des DRV (Vergrößerung der DRV-Membran),
chen der Rippen abgeschieden und zusammen mit dem Einsatz hoch effektiver kleiner Feinölmulti-
dem übrigen Groböl ins Kurbelgehäuse zurückgeführt zyklone und dem Einsatz eines Feinöl abscheidenden
werden. Bei großen Entlüftungsgasdurchsätzen oder Bypassventils, bei dem die Strömung vor der Umlen-
niedrigen Druckdifferenzen entfernt sich die Mem- kung unabhängig vom Durchsatz, stark beschleunigt
bran des Druckregelventils von der Rippengeometrie wird.

Bild 7-80 Schnittbild eines


Feinölabscheidereinsatzes
mit Impaktordruckregelventil,
Feinölzyklonen, Feinöl
abscheidendem Bypassventil
und Ölrückführung über
Ölsammelvolumen und
Rückschlagventil
(Fa. Hengst)
144 7 Motorkomponenten

Bild 7-81 Feinölabscheide-


gradkurven des Feinölabschei-
dereinsatzes aus Bild 7-80 in
Abhängigkeit von der Druck-
differenz über dem Abscheider
für unterschiedliche Entlüf-
tungsgasvolumenströme

7.7.6 Module und Ventilhaubenintegration regelventilen und Komponenten zur Grobölabschei-


dung in den Ventilhauben von Otto- und Dieselmo-
Insbesondere die fortwährenden Bestrebungen in der toren ebenfalls bereits seit Jahren praktiziert. Neuer-
Automobilindustrie zur Reduzierung von Bauteil-
dings besteht zudem die Anforderung, auch eine wirk-
und Montagekosten, Restriktionen bezüglich der ver-
same Feinölabscheidung in derartigen Ventilhauben zu
fügbaren Bauräume sowie Bestrebungen zur Verringe-
integrieren. Als Beispiel hierfür ist in Bild 7-82 das
rung der konstruktiven und logistischen Schnittstellen
Ventilhaubenmodul eines Pkw-Dieselmotors darge-
in der Automobilproduktion bilden seit Jahren den
stellt, in dem ein Grobabscheider, ein Druckregelventil,
Hintergrund für Funktionsintegration und Modulbil-
dung bei den verschiedensten Funktionsumfängen im ein Zyklonabscheider und eine Ölrückführung für das
Fahrzeug. Bezogen auf die Kurbelgehäuseentlüftung abgeschiedene Öl integriert sind. Bild 7-83 zeigt ein
besteht dementsprechend schon seit längerer Zeit ein Multifunktionsmodul für einen Nutzfahrzeugmotor, in
Trend, die Funktionsumfänge Druckregelung, Grob- dem ein Becherölfilter, ein Öl/Wasserwärmetauscher,
und Feinölabscheidung sowie die Rückschlagventile ein Ölabsteuerventil, Temperatur- und Drucksensoren
zur Rückführung abgeschiedenen Öls in einem Modul sowie eine Ölnebelabscheidereinheit mit einem Druck-
zu vereinen. Daneben wird eine Integration von Druck- regelventil integriert sind.

Bild 7-82 Schnittbild einer Ventilhaube mit integriertem Grobölabscheider, Druckregelventil, Zyklonabscheider
und eine Ölrückführung für das abgeschiedene Öl (Quelle: Fa. Woco/Fa. Hengst)
7.8 Zylinderkopf 145

Bild 7-83 Schnittdarstellung eines Multifunktionsmodul mit integriertem Becherölfilter, Öl- Was-
serwärmetauscher, Ölabsteuerventil, Temperatur- und Drucksensorik, Ölnebelabscheider und
Kurbelgehäusedruckregelventil (Quelle: Fa. Hengst)

Literatur 7.8 Zylinderkopf


[1] Berg, W.: Aufwand und Probleme für Gesetzgeber und Auto- Der Gestaltung und Auslegung des Zylinderkopfes
mobilindustrie bei der Kontrolle der Schadstoffemissionen von kommt während der Motorenentwicklung eine große
Personenkraftwagen mit Otto- und Dieselmotoren, Dissertation.
TU Braunschweig, 1981
Bedeutung zu. Der Zylinderkopf bestimmt wie kaum
[2] Gruden, D.: Volume Editor: Traffic and Environment, The eine andere Baugruppe des Motors die Eigenschaften
Handbook of Environmental Chemistry, Volume 3 Part I. Berlin, im Hinblick auf das Betriebsverhalten wie Leistungs-
Heidelberg, New York: Springer Verlag, 2003 ausbeute, Drehmoment- und Abgasemissionsverhal-
[3] Meinig, U.; Spies, K.-H.; Heinemann, J.: Canister Purge Flow
Influence on EGO-Sensor Signal and Exhaust Gas Emissions
ten, Kraftstoffverbrauch und Akustik.
(Purgeopt.). Warrendale, PA.: SAE-paper 970029, 1997 Das nachfolgende Kapitel soll einen Einblick in die
[4] N. N.: California Code of Regulation (CRR), Title 13, Section Entwicklung und über aktuelle Bauformen von Zy-
1988.2 linderköpfen geben. In der Reihenfolge der behandel-
[5] Brunsmann, I.: Ölabscheidung in Entlüftungssystemen. In: Tum-
brink, M. (Hrsg.) und 12 Mitautoren: Filtersysteme im Automo-
ten Inhalte wird auf Schwerpunkte während der
bil – Innovative Lösungsansätze für die Automobilindustrie. Zylinderkopfentwicklung und die Fertigungsverfah-
Renningen: expert-Verlag, 2002 ren eingegangen. Auf Grund des zur Verfügung
[6] Verhoefen, U.: Filtration technischer Gase – Teil 1. In: pneu- stehenden Umfangs beschränken sich die Darstellun-
matic digest, 16. Jahrgang, Heft 3 – 4, April 1982
[7] Brauer, H.: Grundlagen der Einphasen- und Mehrphasenströ-
gen auf Pkw-Motoren. Auch auf Zweitaktmotoren
mung. Frankfurt a. M.: Verlag Sauerländer und Aarau, 1971 wird nicht eingegangen.
[8] Krause, W.: Ölabscheidung in der Kurbelgehäuseentlüftung,
Dissertation. Uni Kaiserslautern, 1995
[9] Löffler, F.: Staubabscheiden, Lehrreihe Verfahrenstechnik. Stutt- 7.8.1 Grundauslegung des Zylinderkopfes
gart: Georg Thieme Verlag, 1988
[10] Sauter, H., Brodesser, K., Brüggemann, D.: Hocheffizientes
Die Zylinderkopfbauformen haben sich in den letzten
Ölabscheidesystem für die Kurbelgehäuseentlüftung. In: hundert Jahren der Motorengeschichte ständig ge-
MTZ 64 (2003) 3, S. 180 – 184 wandelt und weiterentwickelt. Auch heutzutage steht
[11] Ahlborn, St.; Blomerius, H.; Schumann, H.: Neue Wege in man bei einer Neuentwicklung vor der Frage, welche
der Reinigung von Kurbelgehäuseentlüftungsgasen. In: MTZ 60
(1999), S. 454 – 459
Bauform und welche Komponenten des Zylinderkop-
[12] Sauter, H.: Analysen und Lösungsansätze für die Entwicklung fes für die Neuentwicklung verwendet werden sollen.
innovativer Kurbelgehäuseentlüftungen, Dissertation. Uni Bay- Aktuelle Technologien wie variable Ventilsteuerun-
reuth, 2004 gen oder die Thematik der Brennverfahren mit Di-
146 7 Motorkomponenten

rekteinspritzung bei Otto- und Dieselmotoren spielen In Bild 7-84 sind die Einflussgrößen für die Zylin-
bei dieser Diskussion der Neuentwicklung eines Mo- derkopfbauform dargestellt. Steht zu Beginn der
tors eine entscheidende Rolle. Nicht jedes Unterneh- Neuentwicklung nur die Motorbauart wie zum Bei-
men der Automobilbranche geht dabei auf Grund spiel eine Reihen- oder V-Motorisierung fest, gilt es
unterschiedlicher Anforderungen und der damit ge- einen Kompromiss aus den im Motorraum vorhande-
setzten Zielspinnen den gleichen Weg. Wie schon vor nen Bauraum, der Motorkomplettmontage in diesen
circa hundert Jahren kommen deshalb an Pkw-Mo- Bauraum und den Einflussgrößen wie Ventiltriebs-
toren unterschiedliche Konstruktionen zum Einsatz. komponenten und deren Abmessungen, der Form der
Der Zylinderkopf beinhaltet die wesentlichen Ele- Gaswechselkanäle oder der Anforderungen der Ferti-
mente zur mechanischen Steuerung des Gaswechsels gung wie der Gießtechnologie oder der mechanischen
beziehungsweise der Verbrennung. Der Ventilsteue- Bearbeitung zu finden. Hierfür ist viel Erfahrung nötig,
rung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. In um den Kompromiss zu finden, der zu Verbesserungen
den letzten 20 Jahren hat sich gerade auf diesem Ge- der motorischen Zielgrößen wie der Senkung des Ver-
biet die Technik und die Komponenten der Ventil- brauchs und der Abgasemissionen führt.
steuerung stark weiter entwickelt. Die Zweiventilmo- Nicht alle Wege führen während der Entwicklung
toren, bei denen zwei Ventile je Brennraum verwen- eines neuen Zylinderkopfkonzeptes zum Ziel. Viel-
det werden, sind schwerpunktmäßig von modernen leicht weisen auch deshalb die ausgeführten Motoren
Mehrventilmotoren verdrängt worden. Gerade die in in der Serie unterschiedliche Ausführungen von
den letzten Jahren stark anwachsende Hubraumleis- Zylinderköpfen auf. So kommen zum Beispiel die
tung der Motoren verlangt nach ausgereiften La- unterschiedlichsten Ventilanzahlen je Zylinder wie
dungswechselgeometrien. Mit den Merkmalen der drei bis fünf an Mehrventil-Ottomotoren in der Groß-
Mehrventiltechnik so wie zum Beispiel der Verwen- serie zum Einsatz.
dung von zwei Nockenwellen lassen sich größere Traditionell steht der Zweiventilzylinderkopf für die
Freiheitsgrade zur Steuerung der Motoren erzielen. kostengünstigste Lösung. Seine Ventiltriebskompo-
Variable Ventilsteuerungen kommen fast an allen nenten sind mit einem Auslass- sowie einem Einlass-
modernen Ottomotoren zum Einsatz [1]. ventil auf ein Minimum beschränkt. Die Anzahl der
bewegten Teile sind gering und der damit erzeugte
7.8.1.1 Auslegung der Grundgeometrie
Anteil an Verlustreibung ist ebenfalls gering. In
Für die Auslegung der Grundgeometrie des Zylinder- seinen Außenabmessungen kann der Zylinderkopf
kopfes gilt es eine Vielzahl von technischen Anforde- kompakt gestaltet werden. Für die Form der Gas-
rungen zu erfüllen. Zu Beginn der Neuentwicklung wechselkanäle sind große Freiheiten möglich. Auch
eines Zylinderkopfes können die einzelnen Parameter die Bauteilgeometrien bezüglich der Gießmodelle
wie Ventilwinkel, Zylinderkopfaußenabmessungen, und deren Kernaufbau sind auf Grund dieser Gestal-
Lage der Gaswechselkanäle oder zum Beispiel die tungsmöglichkeiten einfacher in der Großserie zu
Lage der Zündkerze an einem Ottomotor noch beein- beherrschen. In der Standardmotorisierung vieler
flusst werden. Liegen die Hauptgeometrien hierfür Automobilhersteller finden die Zweiventilmotoren
fest, ist der Entwickler in der Wahl der restlichen daher bei Otto- und Dieselmotoren immer noch eine
Zylinderkopfgeometrie eingeschränkt. weite Verbreitung.

Motorbauart z.B.
Reihen- oder
V-Motor
Thermodynamik Ventilanzahl

Ventiltriebs-
komponenten Kosten

Fertigungs- Brennverfahren
verfahren Otto- oder Dieselmotor

Variabler
Ventiltrieb
Bild 7-84 Einflussgrößen auf
die Zylinderkopfbauform
7.8 Zylinderkopf 147

Da auf dem Zylinderblock der Zylinderkopf und an notwendig. Erst im Verlauf der Gesamtentwicklung
diesem die unterschiedlichsten Motorkomponenten des Zylinderkopfes werden alle Geometriefestlegungen
befestigt sind, wie zum Beispiel Saugrohr, Abgasanla- der Bauteile im Zylinderkopf getroffen.
ge und Nockenwellenantrieb, Unterdruck- und Hoch-
druckpumpe ist je nach Motorbauart – Reihen-, Boxer- 7.8.1.4 Variable Ventilsteuerungen
oder V-Motor – die Konstruktion des Zylinderkopfes
Mit dem Einsatz variabler Ventilsteuerungen sind in
sehr unterschiedlich. Nur selten gelingt es, das aufwän-
der Regel auch neue Zylinderkopfkonzepte nötig. Der
dige Bauteil des Zylinderkopfes für einen Vierzylin-
Einsatz von Nockenwellenverstellern an modernen
dermotor auch für einen V8-Motor zu verwenden. In
Ottomotoren bedingt in der Regel nur Applikations-
der Regel handelt es sich dabei um unterschiedliche
arbeiten am Nockenwellenantrieb und am Ölhaushalt
Zylinderköpfe. Aus Kostengründen wird deshalb ver-
des Zylinderkopfes. Mit vollvariablen Ventilsteue-
sucht, möglichst viele Gleichteile an Komponenten an
rungen wie zum Beispiel mit dem System „Valvetro-
verschiedenen Zylinderköpfen zu verwenden.
nic“ der Fa. BMW [2] kommen komplett neue Zylin-
derköpfe zum Einsatz. Die für die Verstellung des
7.8.1.2 Festlegung der Fertigungsverfahren
Ventilhubs benötigten Komponenten sind neuartig
Schon früh sollte das verwendete Gießverfahren für und an der Zylinderkopfgeometrie sind erhebliche
den Zylinderkopf festgelegt werden. Es empfiehlt Anpassungen zu treffen. Der Entwicklungsumfang
sich, das nach Auswahl des Gießverfahrens vorhan- mit diesen Verfahren ist erheblich; mehrere Baustu-
dene Know-how der Gießerei und des Modellbaus fen von Zylinderköpfen gilt es darzustellen, bevor das
mit bei der Grundauslegung des Zylinderkopfes zu Gesamtkonzept in Serie umgesetzt werden kann. Die
berücksichtigen. Nicht mit allen Gießverfahren lassen Parameterstudien zur Festlegung von Gaswechselka-
sich die vom Entwickler gewünschten Geometrien nälen, Ventildurchmessern, Brennraumvarianten und
umsetzen. Zur Steigerung der Produktqualität des Steuerzeiten sowie der Ventilhubverläufe sind sehr
doch komplexen Gussteils des Zylinderkopfes und umfangreich.
einer gleichzeitig anspruchsvollen Geometrie des
Zylinderkopfes steht das Entwicklerteam oft vor einer
7.8.2 Die Konstruktion des Zylinderkopfes
Herausforderung. Die für Zylinderköpfe geeigneten
Gießverfahren gilt es unter diesem Szenario stetig Zylinderbohrung und Zylinderabstand geben die
weiter zu entwickeln. Grundgeometrie des Zylinderkopfes vor. In der Regel
Ebenfalls ist je nach später produzierter Serienstück- steht bei der Neukonstruktion auch die Ventilanzahl
zahl die Wahl des Fertigungsverfahrens für die me- je Brennraum fest. Auf Grund von Mindestwandstär-
chanische Bearbeitung des Zylinderkopfes mit in der ken aus den Anforderungen der Fertigung und aus
frühen Entwicklungsphase zu berücksichtigen. Dabei Gründen der Stabilität engt sich der zur Verfügung
stehen besonders Neukonstruktionen unter dem stehende Bauraum für die Unterbringung der Ven-
hohen Druck der Kosten. tiltriebskomponenten ein. Durch die Vorgabe der
Nockenwellenanzahl bei Beginn der Konstruktion gilt
7.8.1.3 Auslegung der Gaswechselorgane es zunächst, die Lage und Anordnung der Ventil-
triebskomponenten zu bestimmen und die Geometrie
Die Form und Lage der Ein- und Auslasskanäle sowie
der Ladungswechselorgane wie Kanäle und Brenn-
die Form des Brennraums bestimmen mit die Gesamtge-
raum zu berücksichtigen. Im Rahmen von Studien
ometrie des Zylinderkopfes. Viele Untersuchungen
wird anschließend untersucht, wie die Grobabmes-
hierzu werden experimentell oder durch Berechnungen
sungen des Zylinderkopfes sich gestalten, wenn
auf Grund von 3D-Simulationen durchgeführt. Blas-
Parameter wie zum Beispiel Ventilwinkel, freie
versuche an Kanälen, die nach Rapid-Prototyping-
Ventilquerschnittsfläche oder Gestalt der Gaswech-
Modellen durchgeführt werden, dienen der Bestim-
selkanäle verändert werden.
mung der Durchflusszahlen. Durch Aufbau von Ein-
zylindermotoren in der Vorentwicklung kann flexibel
auf die Kanalentwicklung reagiert werden. Je nach 7.8.2.1 Auslegung der Grobabmessungen
Brennverfahren, Otto- oder Dieselkonzept, werden im Ein Weg zur Grundauslegung der Zylinderkopfgeo-
Vorfeld der Geometrieauslegung die verschiedensten metrie ist die Erstellung einer groben Konstruktion
Grundsatzuntersuchungen durchgeführt. Während der für die Ventiltriebskomponenten. Dieses erfolgt mit-
Zylinderkopfentwicklung werden auch begleitend diese tels CAD-Unterstützung. Hierbei können die einzel-
Grundsatzuntersuchen fortgeführt. Für ein Dieselkon- nen geometrischen Maße der Komponenten paramet-
zept gilt es zum Beispiel bei der Abstimmung eines risiert werden. Durch Variation der Maße wie zum
Drall-Einlasskanals eine günstige Form zu finden. Bei Beispiel Ventilwinkel, Ventilfedereinbauabmessun-
einem neuen Brennverfahren wie zum Beispiel der gen, Lage der Nockenwellen oder Zündkerzenlage
Entwicklung eines Mehrventil-Dieselmotors mit Di- können geometrische Auswirkungen auf das Gesamt-
rekteinspritzung ist die Erprobung vieler Varianten konzept grob beurteilt werden. In Bild 7-85 sind
148 7 Motorkomponenten

129 80,3 124,5

a4,5

a2
139,5

139,5

130
a1,3

1 1 1
5 5 5
2 2 2
4 4 4
3 3 3 Bild 7-85 Studie zur
a1,3 = 21,6° a2 = 14,9° a1,3 = 20,5° a2 = 14,5° a1,3 = 23° a2 = 15,9°
Grundgeometrieauslegung
a4,5 = 20,2° a4,5 = 0° a4,5 = 19,5°
eines Zylinderkopfes mit
fünf Ventilen [3]

Grobabmessungen für eine Parameterstudie zur zu gestalten. Zwänge und Erfahrungswerte wie die
Konstruktion eines Fünfventilzylinderkopfes mit Tas- Breite von Stegen zwischen den Kanälen gilt es
senstößel dargestellt [3]. Der Zylinderkopf weist drei einzuhalten. Im Rahmen von geometrischen Grund-
Einlass- und zwei Auslassventile auf. In der Mitte des satzuntersuchungen zur Vorbestimmung der Ventil-
Brennraums ist zentral die Zündkerze dargestellt. Un- winkelgeometrieverhältnisse können Varianten schnell
terhalb der dargestellten Nockengeometrie ist der für und einfach miteinander verglichen werden [5]. Kon-
Tassenstößel benötigte Bauraum angedeutet. Je nach zeptstudien mit verschiedenen Ventilanzahlen sind
Lage der Zylinderkopfschrauben, die entsprechenden einfach und schnell durchzuführen. Damit diese Stu-
Freiraum benötigen, sind nur eingeschränkt unter- dien in der frühen Phase der Konzeption des Zylin-
schiedliche Ventilwinkel möglich. Die Zugängigkeit derkopfes schnell erfolgen können, sollten wie in [3]
zu den Zylinderkopfschrauben bei komplett vormon- und [5] einfache PC-Programme verwendet werden. In
tiertem Zylinderkopf ist bei fast allen Motoren aus Bild 7-86 sind exemplarisch für die Grundauslegung
Fertigungs- und Wartungsgründen zwingend. In der eines Sechsventilzylinderkopfes die Parameter darge-
mittleren Darstellung ist zum Beispiel der Fall darge- stellt, die für die Grundauslegung relevant sind. Min-
stellt, bei dem bei einem senkrecht hängenden Aus- deststegbreiten zwischen den Ventilen gilt es auf
lassventil mit einem Ventilwinkel von 0° die Zylin- Grund der Kühlung und Festigkeit des Zylinderkopfes
derkopfschraube auf Grund ihrer Zugängigkeit außer- einzuhalten. Ein Ziel ist hierbei das Unterbringen von
halb der Nockenwellenachse liegt. Eine Zylinderkopf- möglichst großen Ventildurchmessern. Als Ergebnis
konstruktion dieser Art würde bei einem V-Motor auf dieser Untersuchungen werden geometrische Größen
der Auslassventilseite mehr Bauraum für die Gestal- wie zum Beispiel die Flächenausnutzung ausgegeben.
tung der Abgasseite ermöglichen. Die Abgasführung Unter diesem Begriff ist der Quotient von Gesamtflä-
der Krümmer könnte günstiger ausfallen. Diese Stu- che Einlass oder Auslass zur Fläche der Zylinderboh-
dien helfen bei der Entwicklung der Zylinderköpfe, rung definiert. In Abhängigkeit von Zylinderbohrung
die Gesamtauswirkungen an Motoren besser beurtei- oder -hub ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse,
len zu können. Mittels parametrisierter Ansätze im die in ihrer Interpretation zu verschiedenen Ventilzah-
CAD-System kann gerade in dieser Phase der Ent- len je Brennraum führen. Diese Phase während der
wicklung die Grundauslegung der Zylinderkopfgeo- Zylinderkopfentwicklung ist besonders spannend, da
metrie auf ihre Auswirkungen für den Gesamtmotor mit der Festlegung der Ventilanzahl bei vorgegebener
hin untersucht werden. Konzeptvergleiche zwischen Zylinderbohrung die Gestalt des Zylinderkopfes maß-
Tassenstößel- oder Schlepphebelkonstruktionen lassen geblich mit bestimmt wird.
sich ebenfalls auf diese Weise sehr gut erstellen.
Ein Kriterium für die Wahl der Ventilwinkel sowie 7.8.2.2 Brennraum- und Kanalauslegung
der Lage und Größe der Ventile ist die Bestimmung Für die Konstruktion des Zylinderkopfes ist die
der freien Ventilquerschnittsfläche. Hiermit ist die Geometrie des Brennraumes von großer Bedeutung.
nach Dong [4] in Abhängigkeit vom Ventilhub freie In der frühen Entwicklungsphase werden hierzu simul-
für den Gaswechsel zur Verfügung stehende Fläche tan technische Berechnungen durchgeführt. Vor der
gemeint. Für das Atmungsverhalten des Motors wird Konzeptfestlegung werden deshalb die zu entwickeln-
versucht, diese in Abstimmung mit den restlichen nur den Geometrien der Brennraumvarianten festgelegt. In
möglichen Geometrieverhältnissen von Ventiltriebs- Abstimmung mit dem im Kolben befindlichen Teilvo-
komponenten und Gaswechselkanälen möglichst groß lumen des Verbrennungsraums werden umfangreiche
7.8 Zylinderkopf 149

Ansicht A
Anwav Anwev
Dzk

Xzk
Dnw

vzk
Aa
vzk

Ae

Dev
Aevr

Dav
Aavr
v
VLa

VL e

ae
v

Hzk
aa

Aa

v
Ae
v
ax
ay Aevav

Bild 7-86 Studie zur Be-


Hev
Hav
Hav,y

Hev,x

stimmung der Ventilquer-


A
schnittsgeometrie [5]

Bild 7-87 Brennraumvarianten für einen Zweiventilzylinderkopf

Grundlagenuntersuchungen durchgeführt. Konzepte verbrennt. Der Gesamteinfluss wird im spezifischen


wie zum Beispiel Ladungsschichtung bei Ottomotoren Verbrauch, der Abmagerungsfähigkeit und besonders
mit Direkteinspritzung werden durch Zusammenspiel an den NOx- und HC-Abgasrohemissionen deutlich.
von Kanal- und Brennraumgeometrie abgeschätzt und Die im rechten Bild dargestellte Situation erwies sich
in Form von Hardware erprobt. In Bild 7-87 sind für als vorteilhaft. Die weit in den Brennraum ragende
die Entwicklung verschiedener Brennraumvarianten Zündkerze ist so angeordnet, dass sie vom angesaugten
drei Beispiele für die Entwicklung eines Zweiventil- Gemisch gut umströmt wird. Bei dieser gewählten
konzeptes aufgezeigt. Mit der Variation des Ventil- Konstruktion sind circa 70 % des Brennraumvolumens
winkels ergibt sich in der Regel auch die Grobgeo- im Zylinderkopf und 30 % im Kolben untergebracht.
metrie des Brennraums. Bei diesem Beispiel wurde Diese hier dargestellten Abhängigkeiten zwischen
zur besseren Vergleichbarkeit bei allen drei Varianten Brennraumgeometrie und motorischer Auswirkung
eine identische Schlepphebelkonstruktion gewählt. sind gerade bei den aktuellen in Entwicklung befindli-
Untersucht wurde unter anderem, inwieweit die zur chen Ottomotoren mit Direkteinspritzung und bei
Verfügung stehende Ladungsmenge am günstigsten Verwendung vollvariabler Ventilsteuerungen wieder zu
150 7 Motorkomponenten

finden. Der in der Entwicklung hierfür benötigte Auf- von Kanälen und Brennraum derart viele thermody-
wand ist erheblich. Die für diese Brennraumerprobung namische Wechselwirkungen auf, dass diese Ausle-
festzulegenden Parameterstudien verlangen von den gung zeitlich schwer zu kalkulieren ist. In Bild 7-88
Thermodynamikern viel Erfahrung und Entwicklungs- sind mögliche Kanalanordnungen für einen Dieselmo-
disziplin. tor mit Direkteinspritzung dargestellt [6]. Bei Diesel-
Vierventilzylinderköpfe mit zentraler Zündkerzenlage motoren wird zur Intensivierung der Gemischbildung
ermöglichen den grundsätzlichen Vorteil von kurzen die einströmende Luft in eine Drehbewegung versetzt.
Brennwegen im Brennraum. Auf Grund des großen Dafür bieten sich zwei prinzipielle Möglichkeiten der
Oberflächenanteils der Ventilteller an der brennraum- Einlasskanalgestaltung an:
bildenden Fläche hat die Gusskontur nur wenig Ein- x spiralförmige (Drall- beziehungsweise Spiral-
fluss auf die Volumentoleranz, die sehr eng wie in kanal) oder
einem Beispiel mit 0,5 cm3 gehalten werden kann. Um x schräggeneigte Kanalausbildung (Tangential-
die thermodynamischen Verluste während der Ver- kanal).
brennung zu verringern, wird ein kleinstmögliches Ver-
hältnis von Brennraumoberfläche zu Brennraumvolu- Bei der Wahl der Kanalform orientiert man sich an
men angestrebt. Ein Entwicklungsschwerpunkt stellt der Zielsetzung, die geforderte Drallcharakteristik bei
die Optimierung der Quetschflächengeometrie dar. möglichst gutem Durchfluss zu erreichen. Diese
Dabei wird die Lage relativ zu den Ventilen, Form und Auslegung gilt es durch die Serienfertigung zu halten.
Größe variiert. Ein zu großer Quetschflächenanteil er- Im Drallkanal wird die Drehbewegung der einströ-
weist sich auf Grund der Vergrößerung des Oberflä- menden Luft durch die Formgebung erzeugt. Dies
chen-Volumen-Verhältnisses und damit verbundener führt zu kleineren Drallstreuungen bei relativ ungüns-
Wärmeverluste als nachteilig. Am Beispiel des hier tigem Durchfluss. Im Gegensatz dazu wird die ein-
aufgezeigten Vierzylindermotors erwies sich ein strömende Luft beim Tangentialkanal infolge der ex-
Quetschflächenanteil von 7 % als günstig. An moder- zentrischen Anordnung durch die Zylinderwand in
nen Vierventilmotoren mit äußerer Gemischbildung Rotation versetzt. Charakteristisch sind dabei hohe
geht der Trend zu flachen Kolbenböden und der Haupt- Durchflusszahlen für die gute Zylinderfüllung. Die
unterbringung des Brennraums im Zylinderkopf. Kombination eines Drallkanals mit einem stromab-
Mit der Entwicklung neuer Brennverfahren wie Otto- wärts gelegenen Tangentialkanal ist daher ein sehr
und Dieselmotoren mit Direkteinspritzung ist die guter Kompromiss beim Zielkonflikt zwischen
Entwicklung der Gaswechselkanäle eine Wissenschaft Durchfluss und Drallstabilität.
für sich. Die Erzielung einer bestimmten reproduzier- Die Ausführung „Spiralkanal von oben senkrecht
baren Ladungsbewegung ist Gegenstand vieler Grund- zum Brennraum“ in Bild 7-89 steigert die Kanalqua-
satzuntersuchungen, die die gesamte Zylinderkopf- lität im Vergleich zu einer seitlichen Anordnung.
entwicklung begleitet. Die Kanalauslegung muss im Außerdem können die Glühkerzen auf der kalten,
Zusammenhang mit der Saug- und Abgasrohrausle- thermisch niedrig belasteten Zylinderkopfseite ange-
gung gesehen werden. Diese Thematik wird schwer- ordnet werden. Durch die kurze Führung der Aus-
punktmäßig durch Versuche und Strömungssimulatio- lasskanäle im Zylinderkopf wird das Aufheizen auf
nen bearbeitet. Der Konstrukteur achtet dabei auf die ein geringes Maß begrenzt [6]. Die beschriebene
rechtzeitige Geometriefestlegung, da Änderungen am Kanalkonfiguration ermöglicht zusätzlich ein sym-
Kanal oft große Zylinderkopfänderungen nach sich metrisches Ventilbild, das sich positiv auf die Anord-
ziehen. Oft treten während der Geometrieauslegung nung des Ventiltriebes auswirkt, Bild 7-89.

Auspuffseite

Einlassseite

Bild 7-88 Einlass- und Auslasskanalvarianten für einen Vierventildieselmotor [6]


7.8 Zylinderkopf 151

Die Auslegung des Ventiltriebs nimmt in der Zylin-


derkopfentwicklung einen hohen Stellenwert ein. Bei
Neuentwicklung werden Tassenstößel- im Vergleich
zu Schlepphebelkonzepten bewertet. Die Einbausitu-
ationen für die Ventile ist dabei in der Regel unter-
schiedlich. Für die Ventilführungslänge gibt es für
Tassen- und Schlepphebelköpfe unterschiedliche Er-
fahrungswerte. Eine Schlepphebelsteuerung benötigt
eine bessere und damit längere Ventilschaftführung
als eine Tassensteuerung, da die Tasse selbst eine
Führung hat. Die Ventillänge wiederum ergibt sich
aus der benötigten Einbaulänge der Ventilfeder.
Diese gegenseitigen Abhängigkeiten führen bei Neu-
entwicklungen während der Vorentwicklungsphase
zum verstärkten Einsatz der Simulationstechniken,
um die für die Erprobung nötigen Prototypen mög-
lichst gering zu halten.
Am Beispiel der Entwicklung des Ventiltriebs eines
Sechszylindermotors der Fa. BMW sind in Bild 7-90
die Entwicklungsschritte über mehrere Modelljahre
im Hinblick auf Gewichtsreduzierung des Ventil-
triebs aufgezeigt.
Um ein Abheben der Ventile bei hohen Drehzahlen
zu verhindern, muss die Ventilfeder mit einer Min-
destkraft F1 ausgelegt werden und die Nockenform
Bild 7-89 Anordnung der Gaswechselkanäle im Zy- dafür entsprechend ausgelegt sein. Auf Grund der
linderkopf [6] benötigten Federkraft und der damit verbundenen
Federgeometrie ergibt sich der Mindesteinbauraum
für die Feder. Um die Federkraft F2 bei maximalem
7.8.2.3 Ventiltriebsauslegung Ventilhub zu begrenzen, ist das Hauptbestreben der
Die Diskussion, welcher Ventiltrieb für den Motor Ventiltriebsauslegung, die auf das Ventil wirkenden
der Günstigste ist, wird an dieser Stelle nicht geführt. Massen möglichst klein zu halten.
Je nach Anforderungsprofil der Motoren bezüglich
ihres Einsatzgebietes ergeben sich unterschiedliche 7.8.2.4 Kühlkonzepte
Auslegungsstrategien, die verschiedene Ventiltriebs- Für die Zylinderkopfkühlung wird bei Wasserküh-
konzepte zur Folge haben. An Pkw-Serienmotoren lung zwischen Querstromkühlung, Längsstromküh-
lässt sich jedoch ein Trend zu rollenbetätigten lung und der Kombination dieser beiden Arten unter-
Schlepp- oder Kipphebeln beobachten. Diese Kon- schieden. Bei der Querstromkühlung fließt das Kühl-
struktionen haben den geringsten Reibungsbedarf des medium von der heißen Auslassventilseite zur Ein-
Einzelventiltriebs. Jedoch sind diese Lösungen im Ver- lassventilseite; bei der Längsstromkühlung erfolgt der
gleich zu Gleitschlepphebelkonstruktionen schwerer, Kühlmittelstrom längs zur Zylinderkopfachse. Das
so dass sie zum Beispiel bei Sportmotoren nicht einge- Ziel der Kühlung ist, die Temperaturverteilung inner-
setzt werden. Hier gilt es, die bewegten Massen sehr halb eines Zylinderkopfsegmentes auf einem niedri-
gering zu halten und die Elastizitäten zu minimieren. gen Niveau zu vergleichsmäßigen wie gleichartigen
Oft werden deshalb an Sportmotoren Konzepte mit Kühlungsbedingungen für alle Zylindersegmente zu
mechanischer Ventilspieleinstellung eingesetzt. erzeugen.

Modelljahr 1990 Modelljahr 1993 Modelljahr 1995

Tasse Ø 35, 80g Ø 35, 65g Ø 33,48 g


Federteller 15 g 11,1 g 7,9 g
Kegelstück 1,5 g 1g 1,0 g
Zylindrische Zylindrische Konische
Feder Doppelfeder Einfachfeder Einfachfeder
69 g x ½ = 34,5 g 51 g x ½ = 25,5 g 40,5 g x 1/3 = 13,5 g
Ventil Ø Schaft 7, 58g Ø Schaft 6, 46g Ø Schaft 6, 46g Bild 7-90 Entwicklungs-
Summe 189,5 g 148,6 g 116,4 g
schritte zur Gewichts-
Basis: 2,5-l-Motor auf der Einlassventilseite
reduktion der Ventiltriebs-
komponenten [7]
152 7 Motorkomponenten

Ferner sollen das Brennraumdach und die Ventilstege der zu übertragenden Flächenpressung zwischen
gut umströmt werden, wobei der Druckverlust der Schraubenauflage und Zylinderkopf breiter als der
Gesamtströmung im Zylinderkopf möglichst klein zu Schraubenkopf. Dieses kann bei einteiligen Zylinder-
halten ist. Über die Zylinderkopfdichtung gelangt das köpfen zu Einschränkungen auf die Anordnung der
Kühlmedium vom Kurbelgehäuse aus über mehrere Nockenwellen führen. Der Werkzeugdurchmesser zum
Übertritte in die Unterseite des Zylinderkopfes. Form, Anziehen der Schrauben oder der Außendurchmesser
Lage und Größe der Übertritte gilt es entsprechend der Schrauben bedingen daher die Lagen der Nocken-
abzustimmen. Stand der Technik sind hierzu die in wellen, wenn diese zur Zylindermontage im Zylinder-
Kapitel 7.8.2.9 beschriebenen Kühlmittelströmungs- kopf verbleiben sollen. Teilweise werden Zylinderköp-
berechnungen. Erst durch die Simulation sind Prob- fe mehrteilig ausgeführt, wobei die Ventilsteuerele-
lemzonen, wie die Stege zwischen den Auslasskanä- mente durch ein oder zwei separate Gussteile aufge-
len oder der Bereich um die Zündkerzen, betriebssi- nommen werden. Das Zylinderkopfunterteil ist dann
cher auszulegen. einfacher auszuführen und gießtechnisch herzustellen.
Aus Kostengründen sind die Mehrzahl der Zylinder-
7.8.2.5 Ölhaushalt köpfe an Pkw-Motoren einteilig.
Die Druckölversorgung für die Schmierung des Je nach Brennverfahren ist der benötigte Bauraum im
Zylinderkopfes erfolgt in der Regel durch die Ölpum- Zylinderkopf für Zündkerzen, Glühkerzen oder Ein-
pe im Zylinderblock über Übertrittsbohrungen in der spritzdüsen sowie für deren Werkzeugdurchmesser
Zylinderkopfdichtung. Durch Querbohrungen oder für die Montage vorzusehen. Wenn möglich sollten
spezielle Zusatzleitungen gelangt das Öl zu den Ver- Zündkerzen für gängige Gewindedurchmesser oder
brauchsstellen wie Nockenwellenlager, Hydrostößel, Schlüsselweiten verwendet werden. Bei Dieselmoto-
hydraulische Ventilspielausgleichselemente, Nocken- ren oder Ottomotoren mit Direkteinspritzung wird es
wellenversteller oder Ölspritzdüsen über den Nocken. mit der Anordnung der Komponenten des Zylinder-
Durch die Leitungsquerschnitte der Ölzuführungen kopfes gerade bei Mehrventil-Zylinderköpfen eng.
und speziell angeordnete Drosselstellen in der Druck- Die Ventilanzahl wird wohl aus diesen Gründen auf
ölversorgung des Zylinderkopfes wird der Ölver- vier Ventilen je Brennraum begrenzt sein. Der Platz-
brauch auf das nötige Minimum abgestimmt. Um ein bedarf für diese Komponenten kann bei der Grund-
Leerlaufen der hydraulischen Ventilspielausgleichs- auslegung des Zylinderkopfes mit den 3D-CAD-Sys-
elemente und der Nockenwellenverstellungen zu ver- temen parametrisch modelliert werden. Damit können
meiden, werden in der Druckversorgung dieser Ele- mögliche geometrische Lagen einfach dargestellt
mente Rücklaufsperrventile vorgesehen. Mehrventil- werden. Die um diese Komponenten benötigten
zylinderköpfe sind auf Grund der größeren Anzahl an Wandstärken am Zylinderkopfrohteil engen den Ge-
Verbraucherstellen schwieriger abzustimmen und wei- samtbauraum für die Ventilbaugruppe oder die No-
sen einen höheren Ölbedarf auf. Durch die Verwen- ckenwellen ein. Auch die für die Kühlung benötigten
dung von Nockenwellenverstellern ist oft eine stärke- Durchflussquerschnitte werden damit begrenzt.
re Ölpumpe nötig. Dennoch konnte in den letzten Moderne Mehrventil-Ottomotoren weisen im Zylin-
Jahren der Gesamtölverbrauch auch bei Mehrventil- derkopf Nockenwellenversteller auf. Die in Serie
motoren in Grenzen gehalten werden. Durch eine befindlichen Systeme befinden sich alle am Nocken-
höhere Präzision in der mechanischen Bearbeitung, wellenantrieb und werden entweder durch Zahnrie-
wodurch die Spiele geringer sind, durch eine feinere men oder Kette von der Kurbelwelle angetrieben. Für
Abstimmung des Ölkreislaufes und durch technische die Ölversorgung der Versteller gilt es im Zylinder-
Berechnungen wurde diese Zielsetzung erreicht. kopf geeignete Versorgungsleitungen vorzusehen.
Der Ölabfluss zur Ölwanne geschieht durch entspre- Bei der Neuentwicklung eines Zylinderkopfes gelingt
chend große Rücklaufbohrungen zwischen Zylinder- dies einfacher. Der Platzbedarf für die Versteller ist
kopf und -block. Je nach Einbaulage des Motors sind bei den heute üblichen Systemen nach den „Vane-
die Rückläufe möglichst an tiefster Stelle vorzusehen. Type-System“ nicht besonders hoch. Mit diesen
Durch die Rotation der Nockenwellen wird das Öl Verstellern kann der Verstellwinkel der Nockenwel-
teilweise derart geschleudert, dass es aufschäumt. len stufenlos zur Kurbelwelle verdreht werden [1].
Entsprechend sind auch im Bereich unterhalb der Die Durchmessergröße der Antriebsräder der Nocken-
Nockenwellen ausreichende Querschnitte zum Ablauf wellen ist verantwortlich für den Mindestnockenwel-
in Richtung Zylinderblock vorzusehen. Besonders bei lenabstand. Gerade bei direkt von der Kurbelwelle
Boxer- oder V-Motoren ist auf Grund der Einbaulage angetriebenen Nockenwellen bestimmt der damit ver-
des Zylinderkopfes die Konstruktion auf genügend bundene Abstand die Konstruktion des Zylinderkopfes
große Ablaufquerschnitte hin auszulegen. maßgeblich. Oft werden auch bei Mehrventilmotoren
die Nockenwellen über Zwischentriebe angetrieben.
7.8.2.6 Konstruktive Detailauslegungen Bei Verwendung von Nockenwellenverstellern ist
Bei den Zylinderkopfschrauben handelt es sich meist jedoch der Antrieb direkt an einer Stirnseite des Zylin-
um Bundschrauben. Hierbei ist der Bund auf Grund derkopfes am kostengünstigsten zu realisieren. Bei
7.8 Zylinderkopf 153

dieser Nockenwellenantriebsart ist der Nockenwellen-


abstand entsprechend groß oder zwischen Kurbel- und 3D-CAD-Daten 3D-CAD-Modell Erstarrungs-
Zylinderkopf Zylinderkopfrohteil simulation
Nockenwelle wird ein Zwischentrieb verwendet. Die
größte Verbreitung finden Nockenwellenantriebe an Konstruktion:
der Frontseite des Motors – das heißt gegenüber der Modelle, Formen
Kerne
Kupplungsseite. Mittenantriebe zwischen den Zylin- Kernpakete Fräsprogramme
dern kommen an Pkw-Motoren eher selten vor, wobei
man sie an Motoradmotoren häufiger vorfindet. An- Lasergesinterte Herstellung CNC-
Sandkerne Gießeinrichtung Bearbeitung
triebe über der Kupplungsseite sind ebenfalls selten.
7.8.2.7 Konstruktion in Baustufen Niederdruck-
Sandguss
Alle Einflüsse während der Konstruktion des Zylin-
derkopfs können insbesondere bei der Entwicklung Qualitätssicherung
Mechanische
Bearbeitung
neuer Brennverfahren nicht vorherbestimmt werden.
Die rechnergestützte Grundauslegung oder die Be-
rechnungsverfahren der Simulationstechniken helfen Bild 7-92 Beispiel eines Ablaufs für die Erstellung
hier zwar schon viele Erkenntnisse im Voraus zu von Zylinderkopfprototypen nach Becker [8]
gewinnen, doch die wechselseitig wirkenden Ein-
flussfaktoren auf die Zylinderkopfentwicklung sind prototypen nach diesem Verfahren ein Ablaufschema
sehr komplex, dass sich eine Entwicklung der Zylin- dargestellt. Auch kleinere Unternehmen haben sich
derköpfe in mehreren Baustufen empfiehlt. Außer- auf diese Thematik spezialisiert, um mög-lichst
dem liefert die Thermodynamik- und Mechaniker- schnell und kostengünstig erste Prototypen liefern zu
probung der Motoren viele Erkenntnisse, die eben- können.
falls nicht vorhersehbar sind (Bild 7-91). Zur Reduzierung der Gesamtentwicklungszeit für den
Zylinderkopf gilt es die in einer Baustufe zu entwi-
ckelnden Ziele genau festzulegen. Dem Projektmana-
Projektfreigabe
Projektorganisation gement hierfür kommt ein hoher Stellenwert zu. Simul-
tan wird in der Regel während der Erprobung der
Kostenanalyse Konzeptfindung konstruktive ersten Baustufe mit der Entwicklung der zweiten Bau-
Konzeptauswahl Voruntersuchungen
Vorgaben der stufe begonnen. Dabei sollten die für die Serie geplan-
Fertigung Konzeptbewertung Vorversuche ten Fertigungsverfahren eingesetzt werden. Insbeson-
und -festlegung
Berechnungen
dere das Zylinderkopfrohteil sollte mit dem in der Serie
geplanten Gießverfahren hergestellt werden.
Konstruktion Konstruktion Die Entwicklung eines Zylinderkopfes in einer einzi-
Baustufe I Baustufe II gen Baustufe bis zur Serie ist bei Konstruktionen
Berechnungen Kopffertigung mit
möglich, die auf Basis von vorhandenen Köpfen nur
Serienwerkzeugen geringe Modifikationen aufweisen.
Prototypenbau
Baustufe I Mechanik- Thermodynamik-
erprobung erprobung 7.8.2.8 CAD-Einsatz in der Konstruktion
Mechanik- Thermodynamik-
erprobung erprobung Dauerläufe Aus Gründen der vielfachen Verwendung von CAD-
Freigabe Daten werden Zylinderköpfe komplett dreidimensio-
eventuell erste
Dauerläufe nal in den CAD-Systemen modelliert. Auf Basis
Vorserienfertigung dieser Daten können sowohl die Modell- als auch die
Serienfertigung Gießeinrichtungen abgeleitet werden. Die Geometrien
eignen sich ebenfalls für Simulationsrechnungen. Bei
Bild 7-91 Beispiel für Entwicklungsschritte von Zy- der Neuauslegung eines Zylinderkopfes können Ab-
linderköpfen in zwei Baustufen hängigkeiten zwischen den Komponenten des Zylin-
derkopfes parametrisiert werden. Damit lassen sich
Bei der Entwicklung völlig neuer Zylinderkopfkon- Grundlagenstudien einfach und schnell durchführen.
zepte kann es sinnvoll sein, schnell und kostengünstig Sobald das Zylinderkopfgrobkonzept mit der Festle-
Zylinderköpfe als Prototypen für die Vorentwicklung gung der inneren Komponenten und der Hauptabmes-
zu erhalten. Für die Erstellung erster Prototypen sind sungen steht, sollten Modellbauer und Gießer während
oft andere Herstellverfahren als für die Serien- der Detailkonstruktion die Tätigkeiten begleiten. Fer-
zylinderköpfe sinnvoll. So können für Prototypen und tigungsgesichtspunkte können früh einfließen. Je nach
kleine Stückzahlen Zylinderköpfe im Niederdruck- verwendetem CAD-System sind die angewendeten
Sandgussverfahren hergestellt werden. In Bild 7-92 Konstruktionsmethoden unterschiedlich. Sinnvoll ist
ist exemplarisch für die Erstellung von Zylinderkopf- zum Beispiel die Parametrisierung des Zylinderkopfes
154 7 Motorkomponenten

auf wenige Parameter zu beschränken, um bei Ände- festlegung. Zum Serieneinsatz hin nehmen die Aktivi-
rungen am Modell flexibel zu bleiben. Alle am Projekt täten der Berechnungen ab.
beteiligten Konstrukteure sollten mit der gleichen An dieser Stelle wird nur kurz auf einige Umfänge
Software und deren identischen Grundeinstellungen eingegangen, die bei der Dimensionierung der Zylin-
arbeiten. Auf Grund der Komplexität der CAD- derköpfe eine wesentliche Rolle spielen. Technische
Methodik sollte im Entwicklerteam jemand für die Berechnungen tragen dazu bei, dass die komplexen
Einhaltung der Methodik verantwortlich sein. Da der Vorgänge bei der Entwicklung des Zylinderkopfes
Zylinderkopf viele Schnittstellen zu benachbarten verständlicher interpretiert werden können.
Bauteilen aufweist, sind die Übergabebedingungen zu Zur Berechnung des Ladungswechsels wird das
diesen Bauteilen festzulegen. Programm PROMO [10] verwendet, mit dem instati-
Die CAD-Prozesskettendurchgängigkeit bringt viele onäre Gasströmungen in den Ansaug- und Abgassys-
Vorteile mit sich. Daten sind reproduzierbarer, kön- temen von Saug- und Turbomotoren berechnet wer-
nen leichter für Zylinderkopfbaureihen verwendet den. Die Ladungswechselorgane eines Motorsystems
werden und schließen Ungenauigkeiten zwischen mit seinem Saug- und Abgassystem werden zu einem
Konstruktion und Fertigung weitestgehend aus. Ersatzmodell aufgebaut. Das Strömungsgeschehen,
Zylinderkopfkonstrukteure, die das Gesamtkonzept wie zum Beispiel Druckschwingungen oder Massen-
eines neuen Bauteils erstellen, benötigen viel Er- ströme, kann an bestimmten Stellen des Motors
fahrung. Heutzutage werden die Konstruktionen zu analysiert werden. Das Programm gibt Aufschluss
100 % in CAD hergestellt. über die zu erwartenden motorischen Kennwerte wie
zum Beispiel Liefergrad, maximales Drehmoment
7.8.2.9 Rechnergestützte Auslegung oder Leistung einer bestimmten Motorkonfiguration.
Zur Dimensionierung der Zylinderkopfgeometrie Der Berechnungskern ist in einer grafisch interakti-
werden heutzutage eine Vielzahl von Berechnungs- ven Bedienoberfläche eingebettet, über die die Daten-
methoden eingesetzt [9]. Durch einen frühen Berech- satzaufbereitung und die Ergebnisauswertung ge-
nungseinsatz – schon von der Konzeptphase an – schieht. Im Rahmen der Geometrieauslegung der Ka-
können Berechnungserkenntnisse in erste Zylinder- näle am Zylinderkopf ist das Programm PROMO in
kopf-Prototypen einfließen. Damit gelingt die Steue- der frühen Phase der Konzeptauslegung gerade für
rung nachfolgender Entwicklungsschritte effektiver, die erste Dimensionierung der Ladungswechselorga-
wodurch auch der im Versuch eingesetzte Bauteile- ne sehr gut geeignet, besonders zur Auslegung der
umfang reduziert werden kann. Das stetige Verifizie- Steuerzeiten. Hierdurch können zum Beispiel bei der
ren der Berechnungen durch Versuchsergebnisse ist Entwicklung von Zylinderkopfkonzepten mit varia-
weiterhin erforderlich. Die Rechnerunterstützung blen Ventilsteuerungen kostentreibende Versuche mi-
reicht von der Bauteilgrobdimensionierung über De- nimiert werden.
tailauslegungen bis hin zu Optimierungs- und Simula- Für die Motorenentwicklung liefert das Programm
tionsrechnungen. Die Zielkriterien für neue Motoren ferner Erkenntnisse zur:
nach verbesserten Umweltverträglichkeiten, Abgas-
x Dimensionierung von Saugrohren
emissionen, Kraftstoffverbräuchen, Fahrleistungen,
x Konzeption von Schalt- und Resonanzsaugrohren
verbesserter Produktqualität und verbessertem Fahr-
x Bewertung von Nockenkonturen und Steuerzeiten
komfort können durch technische Berechnungen bes-
x Potenzialabschätzung verschiedener Konzepte für
ser erfüllt werden.
variable Ventilsteuerungen
Bevor die ersten Prototypen aufgebaut werden, befas-
x Bewertung unterschiedlicher Kanalformen
sen sich die Berechnungen schwerpunktmäßig mit der
x Auspuffkrümmergestaltung hinsichtlich Länge
Festlegung der Ventil-Brennraum- und Gaswechsel-
und Durchmesser der Rohre.
kanalgeometrie. Zunehmend können auch erstellte
3D-CAD-Daten der Geometrie des Kopfes direkt für Ergänzend hierzu werden zur Auslegung der Ein- und
die technischen Berechnungen genutzt werden. Wäh- Auslasskanäle sowie des Brennraums in Zylinderkopf
rend der Entwicklung eines Zylinderkopfes in Baustu- und Kolben dreidimensionale Strömungssimulationen
fen, womit wesentlich unterschiedliche Zylinder- durchgeführt. Die Simulation der Ladungsbewegung
kopf-Hardwareentwicklungsstände verstanden werden, erfolgt auf Basis der CAD-Beschreibung von Kanal
beginnen die technischen Berechnungen schon zu Ent- und Brennraumoberflächen. Mit der Berechnung
wicklungsbeginn. Im Entwicklungsverlauf der ersten sollen Erkenntnisse zum Strömungsverhalten der
Baustufe wird der Großteil an Berechnungen durchge- Ladung in Ansaug- oder Abgaskanälen sowie der in
führt. Die Zielsetzung ist hier eine Unterstützung zur den Zylinder einströmenden Ladung gewonnen
Konzeptfindung und -festlegung der Zylinderkopf- werden. Durch Lösung der Gleichungen können die
hauptgeometrien zu liefern. Während der Erprobung komplexen Strömungsvorgänge für stationäre und
nachfolgender Baustufen dienen technische Berech- zeitlich veränderliche Zustände simuliert werden. Bei
nungen eher der Konzeptpräzisierung und der Detail- transienten Berechnungen (das heißt für zeitlich ver-
7.8 Zylinderkopf 155

Bild 7-94 Wassermantelausschnitt für die Kühlmittel-


Bild 7-93 Strömungssimulation am Einlassventil [9] strömungssimulation [9]

änderliche Zustände) wird das zu erstellende Berech- Berechnungsgitter aufgebaut. Bild 7-94 zeigt den
nungsnetz in jedem Zeitschritt entsprechend der Ausschnitt des Wassermantels als ein Beispiel der
aktuellen Ventil- und Kolbenposition modifiziert. Die Kühlmittelströmungssimulation an einem Fünfventil-
Ergebnisse der Simulation wie Druck, Geschwin- Zylinderkopf mit Querstromkühlung. Der Zylinder-
digkeiten, Turbulenz- und Mischungsgrößen müssen kopf erhält das Kühlwasser über Durchtrittsbohrun-
im Hinblick auf optimale Verbrennung bewertet gen in der Zylinderkopfdichtung, durch deren abge-
werden. Als ein Berechnungsergebnis ist für eine stimmte Durchmesser eine annähernde Gleichvertei-
mittlere Ventilhubstellung eines Einlassventils in lung der unterschiedlichen Zylinder mit Kühlwasser
Bild 7-93 die Geschwindigkeitsverteilung der in den sichergestellt wird. Etwa zwei Drittel der Kühlmit-
Zylinder einströmenden Ladung dargestellt (hier telmenge gelangt auf der Auslassventilseite in den
90 Grad nach Ladungswechsel-OT). Die dreidimen- Zylinderkopf. Der Kühlmittelstrom führt über den
sionale Strömungssimulation ist besonders bei Ent-
Brennraumboden und den Auslasskanälen zum Zünd-
wicklung neuer Brennverfahren hilfreich. Drall- oder
kerzenschacht. Hinter dem Kerzenschacht erfolgt die
Tumbleeffekte können besser analysiert und entspre-
Abströmung entlang eines längs durch den Zylinder-
chend weiter entwickelt werden.
kopf führenden zentralen Wassersammelkanals. Als
Einen großen Stellenwert bei der Zylinderkopfent-
Beispiel des Ergebnisses einer Simulationsrechnung sei
wicklung nimmt die Auslegung der Ventilerhebungs-
kurven und die Simulation der Ventiltriebsdynamik in Bild 7-94 die Darstellung des konvektiven Wärme-
ein. Die Erkenntnisse hierzu beeinflussen direkt die übergangskoeffizienten im thermisch hochbelasteten
Konstruktion des Zylinderkopfes. Geometrien wie Bereich des Auslasskanals angeführt. Die dunklen
zum Beispiel Tassenstößeldurchmesser, Ventillänge Flächen entsprechen einem hohen Wärmeübergangs-
oder -schaftdurchmesser, Ventilfederabmessungen, koeffizienten, ein Ergebnis, das durch optimierte Posi-
Geometrie von Schlepp- oder Schwinghebeln werden tion und Wahl der Durchmesser der Übertrittsbohrun-
durch diese Berechnungen bestimmt. Durch die gen in der Zylinderkopfdichtung erzielt wurde. Durch
Abbildung des gesamten Ventiltriebs in mechanische die Optimierung der Zylinderkopfkühlungsauslegung
Ersatzmodelle können auch die dynamischen Eigen- mit Unterstützung von Simulationsrechnungen kann
schaften recht genau ermittelt werden. Die Erkennt- das Temperaturniveau aller Zylinder innerhalb kleiner
nisse fließen direkt in die Geometrie der Nockenwel- Streuungen konstant gehalten werden. Diese Methode
len oder der Ventiltriebskomponenten ein [11]. liefert in der Zylinderkopfentwicklung einen Beitrag,
Einen wesentlichen Beitrag zur Auslegung des Kühl- der auf konventionellem Wege nur mit sehr hohem
wasserraums des Zylinderkopfes leistet die drei- versuchstechnischem Aufwand darzustellen ist.
dimensionale Strömungssimulation des gesamten Zur Dimensionierung von Zylinderköpfen und deren
Kühlkreislaufs [9]. Diese Methode ist in einem größe- Komponenten stellen Festigkeitsberechnungen einen
ren Berechnungsrahmen integriert, der der Optimie- Schwerpunkt technischer Berechnungen in der Moto-
rung der gesamten Motorkühlung einschließlich Was- renentwicklung zur Festlegung der Zylinderkopfgeo-
serpumpen- und Kühlerauslegung dient. Die vom metrie dar. Um Zylinderköpfe möglichst leicht und
Wasser durchströmte Geometrie von Zylinderblock ausreichend steif zu gestalten, werden Finite-Ele-
und -kopf wird modelliert und anschließend zu einem mente-Berechnungen des kompletten Zylinderkopfes
156 7 Motorkomponenten

durchgeführt [9], [12]. Die Strukturfestigkeit der No-


hoch
ckenwellen und deren Lager können zum Beispiel in
Hinblick auf Gestalt und Lage der Nockenwellen-lager
untersucht werden. Wandstärken können durch die
Festigkeitsanalyse minimiert werden. Versteifungs-
rippen werden zur Steigerung der Strukturfestigkeit
vorgesehen. Damit lassen sich kraftflussgünstige
Konstruktionen im Detail vorherbestimmen. Ein Aus-
schnitt aus dem Finite-Elemente-Modell eines kom-
pletten Zylinderkopfes ist in Bild 7-95 dargestellt niedrig

[12]. Die Belastungsgrößen für die Berechnung sind


die Feder- und Massenkräfte des Ventiltriebs, Rie- Bild 7-95 Festigkeitsanalyse am Zylinderkopf [12]
men- und Kettenkräfte am Nockenwellenende und die
durch die Zylinderkopfverschraubung auftretenden den [9]. Über die Berechnungen von Teilsystemen wie
Kräfte. In Bild 7-95 sind die Vergleichsspannungen zum Beispiel den Ölhaushalt des Zylinderkopfes wird
nach VON MISES am verformten Zylinderkopf bei über die Simulationsrechnung des gesamten Motoröl-
Temperaturbelastung im Nennlastpunkt dargestellt. versorgungssystems die Minimierung des Ölverbrauchs
Auf Grund hoher Anforderungen an Zuverlässigkeit angestrebt. Damit wird die Ölpumpenleistungsaufnah-
und Laufruhe des Ventiltriebs kommt der Nocken- me möglichst gering gehalten. Hierzu werden alle öl-
konturauslegung ein hoher Stellenwert zu. Neben der führenden Komponenten des Motors in einem hydrau-
rein kinematischen Auslegung von Nockenkonturen lischen Ersatzsystem modelliert. Die Ölverbrauchsstel-
kommen verschiedene Programme zum Einsatz, um len im Zylinderkopf wie Tassenstößel, Nockenwellen-
ein gutes dynamisches Verhalten des Ventiltriebs zu lager, Nockenwellenversteller oder Ölspritzdüsen gilt
gewährleisten. Zur Durchführung der Simulations- es durch die Simulation zu optimieren. Anhand von
rechnungen wird die Ventiltriebsstruktur in ein Mehr- experimentellen Grundsatzuntersuchungen werden die
körper-Schwingungssystem mit einstellbaren Kop- Berechnungsmodelle feiner abgestimmt. Durch diese
pelbedingungen für Reibung, Steifigkeit, Dämpfung Vorausberechnungen lassen sich die Querschnitte für
und Bewegungsfreiheitsgrad überführt. Über Berech- die Ölführungen sowie gewünschte Drosselstellen gut
nungen zur Auslegung des Einzelventiltriebs wird die vorherbestimmen, wodurch die kostentreibenden Ver-
dynamische Simulation am gesamten Ventiltrieb suchsdurchführungen am Vollmotor reduziert werden.
durchgeführt, um die Wechselwirkungen einzelner
Komponenten untereinander besser beurteilen zu
können. Die Anregung des Ventiltriebs erfolgt über
7.8.3 Gießverfahren
die Nockenkontur. Die Ermittlung der Steifigkeiten Zylinderköpfe für Verbrennungsmotoren stellen hohe
erfolgt auf Grund von Messungen an den Bauteilen Anforderungen an die mechanischen Eigenschaften
oder aus Finite-Elemente-Berechnungen. Die Dämp- der Werkstoffe im Temperaturbereich über 150 °C.
fungswerte sind in erster Linie Erfahrungswerte, die Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Geometrie der
durch Abgleich von Rechnung und Messung be- Zylinderköpfe wird durch die zu verwendenden Bau-
stimmt werden. Die Ventilfeder als Hauptschwin- teile im Zylinderkopf stark eingeschränkt. Insbesonde-
gungselement wird in viele Teilschwingungssysteme re bei neu entwickelten Zylinderköpfen für Dieselmo-
zerlegt. Ein Ziel der Dynamikberechnung ist der toren mit Direkteinspritzung haben die Komplexität
Drehzahlfestigkeitsnachweis der Ventilfeder für der Form und Höhe der im Betrieb auftretenden Span-
möglichst geringe Ventilfederkräfte, um die Gesamt- nungen erheblich zugenommen. Um diese gestiegenen
reibung des Ventiltriebs möglichst gering zu halten. Anforderungen zu erfüllen, müssen die verfügbaren
Mit Hilfe der Simulationsrechnungen lässt sich schon Werkstoffe optimiert und weiter entwickelt werden. Je
in einem frühen Entwicklungsstadium das Zusam- nach Anforderungsprofil der Motoren und verwende-
menspiel einzelner Bauteile abschätzen. Durch ge- tem Gießverfahren werden unterschiedliche Werkstof-
zielte Veränderung von Bauteileigenschaften lässt fe für Zylinderköpfe eingesetzt. Für Großmotoren und
sich die Gesamtstruktur des Zylinderkopfes und des- Nutzfahrzeuge kommen neben Aluminium auch noch
sen Komponenten so beeinflussen, dass das Eigen- Gusseisenwerkstoffe zum Einsatz. Im Bereich der
formverhalten der Bauteile beherrschbar innerhalb Pkw-Motoren wird bis auf wenige Ausnahmen Alu-
vom Anregungsspektrums des Ventiltriebs liegt. Die minium eingesetzt. Für Zylinderköpfe kommen so-
geeignete Abstimmung der Anregung selbst, die in wohl Primärlegierungen – im Hüttenwerk gewonnenes
erster Linie von der Gestalt der Nockenkontur be- Aluminium – als auch Umschmelzlegierungen – aus
stimmt wird, ermöglicht ebenfalls eine deutliche Re- recyceltem Aluminium durch Schmelzen und Reini-
duzierung der dynamischen Effekte am Ventiltrieb. gungsbehandlung hergestellte Legierung in Blockform
Zur Abstimmung des Ölhaushaltes im Zylinderkopf oder flüssigem Zustand angeliefert – zum Einsatz.
können Ölkreislaufsberechnungen durchgeführt wer- Auch für die hochbeanspruchten Dieselmotoren mit
7.8 Zylinderkopf 157

Direkteinspritzung werden Aluminium-Gusslegierun-


gen verwendet; alle Gießverfahren sind jedoch für
diese Zylinderköpfe nicht verwendbar. Formhohlraum
Bei Zünddrücken über 150 bar werden Legierungen
benötigt, die bezüglich Sandraum

x hoher Zugfestigkeit und hoher Kriechbeständig-


keit zwischen Raumtemperatur bis zu erhöhten Düse

Temperaturen von etwa 250 °C


x hoher Wärmeleitfähigkeit
x niedriger Porosität Gasdruck

x hoher Duktilität und Elastizität bei hoher Steigrohr


Thermoschockbeständigkeit
Warmhalteofen
x guter Gießeigenschaften bei geringer Warmrissan-
fälligkeit.
hohen Ansprüchen genügen müssen.
Der zentrale Bereich des Zylinderkopfes in Brenn-
raumnähe sowie insbesondere alle Stege, die sich im
Bereich der Auslasskanäle befinden, werden neben Bild 7-96 Niederdrucksandgussverfahren
der mechanischen Belastung zusätzlich sehr stark in
einer Spanne von circa 180 bis 220 °C temperaturbe- tisch. Modell-, Kern- und Formteilungen in verschie-
ansprucht [13]. Sobald die Konzeption eines neuen denen Ebenen und das Einlegen von Kernen in die
Zylinderkopfes sich präzisiert, sollte das Gießverfah- Gießform lassen die Darstellung von komplizierten
ren festgelegt werden. Eine frühe Beteiligung des Gussteilen mit Hinterschnitten zu. Beim Gießvorgang
Modellbaus und der Gießerei vermeiden viele Fehler werden die Hohlräume zwischen Außenform und
in der Konstruktionsphase. Die Gießerei hat den Kernen mit Schmelze gefüllt. Nach dem Gießvorgang
Auftrag, die Konstruktion des Zylinderkopfes so zu und der Erstarrung der Metallschmelze wird das Guss-
beeinflussen, dass das Rohteil optimal gießbar ist. stück aus der Sandform herausgenommen. Dabei wird
Größtenteils wird durch Simulation das Befüllungs- die Sandform zerstört (daher „verlorene Form“). Nach
und Erstarrungsverhalten für den Gießprozess durch- dem Guss wird das Rohteil gesäubert und der Anguss
geführt. Diese 3D-Berechnungen liefern schon wäh- und die Steiger abgetrennt. In der Großserie erfolgen
rend der Konzeptionsphase dem Gießer wichtige diese Schritte vollautomatisiert. Bei Sandgussteilen aus
Erkenntnisse über zu erwartende Problemstellen. Die Al-Si-Legierungen ist eine doppelte Wärmebehandlung
Geometrie des Zylinderkopfes kann, auf diese Stellen möglich. Die erste Wärmebehandlung besteht aus einer
hin angepasst werden, bevor der erste Prototyp er- gesteuerten Abkühlverweildauer des Gussstückes in
stellt ist. Damit werden im Entwicklungsprozess er- der Sandform. Die zweite Wärmebehandlung ist die
hebliche Kosten eingespart. Warmauslagerung, eine zeit- und temperaturgesteuerte
Die wesentlichen Gießverfahren für Zylinderblöcke Lagerung des Gussteils in einem Ofen. Diese Wärme-
können auch bei Zylinderköpfen eingesetzt werden. behandlungen dienen der Festigkeitssteigerung des
Im Folgenden wird auf die gebräuchlichsten Gießver- Gussteils sowie des Abbaus von Eigenspannungen, die
fahren kurz eingegangen. durch den Abkühlprozess entstehen. Die Geometrie der
Bauteile kann auf Grund der verlorenen Formen Hin-
7.8.3.1 Sandguss terschnitte aufweisen, da nur ein einmaliger Abguss je
Zur Formausbildung des späteren Zylinderkopfes in Gießform erfolgt.
der Sandforrn werden Modelle und Kernkästen aus Ein Vorteil beim Sandgussverfahren ist, dass bei
Hartholz, Metall oder Kunststoff verwendet. Die Guss- kleinen Stückzahlen die Fertigungseinrichtungen
formen werden in der Regel aus Quarzsand – Natur- schnell und kostengünstig erstellt werden können.
sand oder synthetischem Sand – in Verbindung mit Zylinderköpfe für Sondermotoren, wie zum Beispiel
zugegebenen Bindern (Kunstharz, CO2) hergestellt. Die Sportmotoren, lassen sich schnell realisieren; die
Sandkerne werden in Kernschießmaschinen hergestellt, Umsetzung von Änderungen während der Entwick-
wobei der Sand mit Druck eingebracht wird und das lung ist auf Grund der Verwendung von Kunststof-
Sand/Harzgemisch durch Temperatureinbringung zum formen relativ einfach und kostengünstig.
Kern sich verdichtet. Für die Prototypenphase emp- Für die Fertigung von Prototypen und Kleinserien
fiehlt sich, Sandkerne im Lasersinter-Verfahren herzu- eignet sich das Niederdrucksandguss-Verfahren.
stellen. Schon bei der Herstellung von mittleren Stück- Hierbei wird die Schmelze von unten durch ein Steig-
zahlen in der Serie erfolgt der Zusammenbau von rohr in die Sandform unter Druckbeaufschlagung des
einzelnen Kernen zu einem Kernpaket und von Kern- Schmelzbades von circa 0,1 bis 0,5 bar gepresst, Bild
paket und Gussaußenform maschinell und vollautoma- 7-96. Während des Gießens wird der Druck gehalten.
158 7 Motorkomponenten

Versand Wärme-
behandlung Putzen

Formzusammenbau
Gießstation Gussstücke „Gießstation“
Form-
und
Kern- Kühlstrecke
ferti-
gung
Ausleer-
station
elektromagne-
Aluminium- tische Pumpe
Blockmetall

Schmelz- und Warmhalteofen


Trockenzer-
kleinerung
des Sandes
Fließbett-
Sandrückgewinnung

Bild 7-97 Gießverfahren der Fa. Cosworth

Da die Erstarrung unter Druck nahezu gerichtet köpfen beschränkt. Neueste Ansätze zeigen auch die
erfolgt, sind die Zylinderköpfe in ihrer Gefügestruk- Perspektive, durch Anpassung der Fertigungseinrich-
tur sehr hochwertig. tungen diese Verfahren für die Großserie vorzusehen.
Das Cosworth-Niederdrucksandguss-Verfahren wird Die Gussteile unterschreiten nach dem Gießen bis zur
auf Grund hoher Maßgenauigkeit und Festigkeit, vollständigen Entsandung nicht eine Temperatur von
dichter Gefügequalität und Porenfreiheit auch bei rund 500 °C. Damit werden sie weitestgehend span-
Zylinderköpfen eingesetzt. Verfahrensgemäß wird die nungsfrei gegossen, wodurch die Bauteile eine hohe
Aluminiumlegierung in Form von geprüften Block- Maßgenauigkeit aufweisen. Da jedes Bauteil in einer
metallen im widerstandsbeheizten Elektroofen unter neuen kalten Form gegossen wird, treten Maßabwei-
Schutzgasatmosphäre eingeschmolzen, Bild 7-97. Die chungen wie beim Kokillenguss, bei dem die Dauer-
Schmelze wird in einem großbemessenen Warmhalte- formen verschleißen, praktisch nicht auf.
ofen unter Schutzgas gespeichert. Das Gießen erfolgt
mit einer elektromagnetischen Pumpe, die das flüssi- 7.8.3.2 Kokillenguss
ge Aluminium zur Sandform hochfördert, wobei es
von unten in den Formhohlraum einströmt. Die Circa 90 % der Zylinderköpfe in Europa werden mit
Druckbeaufschlagung auf das flüssige Metall wird Kokillenguss hergestellt. Kokillen sind metallische
wie beim Niederdruckguss-Verfahren während der Dauerformen aus Grauguss oder Warmarbeitsstählen
Erstarrung aufrechterhalten. Durch programmierbare zur Herstellung der Gussteile aus Leichtmetalllegie-
Steuerung der Pumpenleistung kann eine der jewei- rungen. In die Gießform werden wie beim Sandguss
ligen Form angepasste Formfüllungsweise eingestellt die Sandkerne in die Form eingelegt. Der Kokillen-
werden. Das Abgießen kann weitgehend automatisiert guss lässt sich unterteilen in Schwerkraft- und Nie-
werden, wobei die fertigen Formen nacheinander in derdruckguss.
die Gießstation über der elektromagnetischen Pumpe Beim Schwerkraft-Kokillenguss erfolgt die Befüllung
einfahren. der Form allein durch die Schwerkraft der Schmelze
Das Core-Package-Verfahren oder auch Kernpaket- unter atmosphärischem Druck. Der Gießvorgang
Verfahren wird seit circa 20 Jahren für den Abguss erfolgt überwiegend auf teil- oder vollautomatisierten
von Zylinderköpfen verwendet. Bei diesem Sand- Gießanlagen. Bei diesen Gießverfahren können die
gussverfahren wird ein geschlossenes Sandkernpaket Kokillen im Vergleich zum Sandguss vielfach ver-
aus mehreren Einzelsandkernen zusammengesetzt. wendet werden. Lediglich neue Sandkerne werden
Der Zusammenhalt erfolgt in der Regel durch Kleben, bei jedem Gießvorgang benötigt. Man spricht deshalb
aber auch durch Verschrauben bei der Kernmontage. auch von verlorenen Kernen. Auf Grund der Verwen-
Kernpakete werden bei kompliziert gestalteten Ker- dung von Sandkernen hat der Kokillen- wie der
nen, die nicht in einem Stück hergestellt sind, ange- Sandguss den Vorteil großer konstruktiver Gestal-
wandt. In seinem Ursprung ist das Kernpaket- tungsfreiheit. Hinterschnitte im Gussteil sind im
Verfahren auf der Basis des Niederdruckgießprinzips Gegensatz zu Druckguss möglich. Durch die Ver-
mittels elektromagnetischer Pumpe wegen seiner wendung von Stahl als Kokillen erfolgt, im Gegen-
geringen Produktivität auf Kleinserien von Zylinder- satz zur Sandgussform, eine schnelle und gerichtete
7.8 Zylinderkopf 159

Erstarrung der Metallschmelze. Durch Auftragen 15 Sekunden um 180° geschwenkt. Die Schmelze
eines Trennmittels, der sogenannten Schlichte, wird gelangt durch mehrere variable Öffnungen in die
die Kokille gegen die Leichtmetallschmelze ge- Form. Metallurgische Untersuchungen haben gezeigt,
schützt. Im Vergleich zum Sandguss weisen beim dass mit diesem Verfahren und der Legierung G-
Kokillenguss die Gussteile einen feineren Gefügeauf- AlSi7Mg0,5 mit 0,19 % Fe gerade im Bereich des
bau bei höherer Festigkeit und Maßgenauigkeit sowie Brennraums eine sehr gute und reproduzierbare Gefü-
einer besseren Oberflächengüte auf. Bei Kokillen ist gestruktur erzielt wird. Die mechanischen Eigenschaf-
wie bei Sandgussteilen eine doppelte Wärmebehand- ten bezüglich der Streckgrenze Rm liegen bei der
lung möglich. Neben dem Vorteil einer gesteuerten Legierung „LM Rotacast T6“ im Brennraumbereich
Abkühlung des Gussstückes als erste Wärmebehand- mit 272 MPa höher als bei der Legierung G-
lung in der Kokille wird häufig eine weitere Wärme- AlSi7MgCu0,5 (Schwerkraftguss) mit 260 MPa.
behandlung (Warmauslagerung) vorgenommen. Im Diese Werte sind von dem verwendeten Gießprozess
Vergleich zu Sandguss dürfen an den Dauerformen und der anschließenden Wärmebehandlung abhängig.
keine Hinterschnitte existieren, da sie mehrfach So wurden zum Beispiel nach dem Rotacast-Ver-
verwendet werden. fahren Zylinderköpfe der Fa. Isuzu hergestellt.
Die meisten Zylinderköpfe zum Beispiel im VW-
Konzern werden mit diesem Verfahren hergestellt.
Die Zylinderköpfe werden brennraumseitig durch 7.8.3.3 Lost-Foam-Verfahren
eine je Zylinder eingelegte Stahlkokille gekühlt. Der (Vollform-Verfahren)
Anguss erfolgt an der Oberseite des Zylinderkopfes, Das Vollform- oder auch Lost-Foam-Verfahren wird in
von dem aus die absinkende Schmelze die Form füllt. den USA in Großserie eingesetzt. Bei der Fa. BMW in
Der Brennraumbereich erstarrt durch die gekühlten Landshut wurde dieses Verfahren erstmals an einem
Brennraumkokillen schneller, was zu einer Festig- Sechszylinder-Reihen-Ottomotor angewandt. Das Lost-
keitssteigerung im Brennraumbereich führt. Der Foam-Verfahren kann auch als Sonderform des Sand-
Gießprozess erfolgt auf einer Karussellgießanlage mit guss-Verfahrens bezeichnet werden. In Bild 7-98 sind
mehreren Stationen, wodurch die Fertigungskosten in die wesentlichen Schritte zur Herstellung eines Zylin-
der Großserie sehr gering sind. Als Standardlegierung derkopfes schematisch dargestellt.
wird G-AlSi7MgCu0,5 vergossen. Kleinserien wer-
den bei Lieferanten gegossen. Hier kommen ähnliche
Verfahren zum Einsatz, wobei teilweise die Zylinder-
köpfe von unten durch spezielle Fließleisten angegos-
sen werden. Die Ergebnisse bezüglich der Qualität
des Endproduktes sind vergleichbar.
Im Niederdruckgussverfahren werden ebenfalls eine
große Anzahl an Zylinderköpfen, wie zum Beispiel Schlichte Sand

bei der Fa. HONSEL in Meschede, hergestellt. Die Modell Kleben Beschichten Trocknen Einbetten
Gießerei der Fa. BMW setzt unter anderem dieses Schäumen
Verfahren für ihre Diesel- und den Großteil der
Ottomotoren ein. Ähnlich wie oben beschrieben wird
die induktiv erhitzte Schmelze unter einem Über-
druck von circa 0,1 bis 0,3 bar durch ein Steigrohr in
die Form gepresst. Der untenliegende Brennraum Sand Sand Sand Wasser
wird von unten gespeist. Die Brennraumplatte wird
auch hier mit Luft oder Wasser gekühlt. Die Wasser- Verdichten Gießen Entleeren Entfernung Abtrennen
und Ölräume sowie die für den Kettenantrieb der durch durch der
Vibrieren Absaugen Schlichte
Nockenwellen benötigte Geometrie der Zylinderköp-
fe werden mit Sandkernen hergestellt. Der Rest der
Zylinderkopfgeometrie wird durch Kokillen geformt. Bild 7-98 Lost-Foam-Verfahren
Durch das Niederdruckgussverfahren werden die
Oberflächen der Zylinderköpfe sehr gut verdichtet. Zunächst wird das Poly-Styrol-Granulat erwärmt, auf
Für hochbelastete Dieselzylinderköpfe eignet sich das 30- fache Volumen aufgeschäumt, getrocknet und
dieses Verfahren besonders gut. gelagert. Im ersten Schritt des Gießprozesses werden
Ein von der Fa. VAW Mandl&Berger entwickeltes die Konturen, aus denen der Zylinderkopf sich in
Verfahren ist das Rotacast-Verfahren. Während des verschiedenen Schichten zusammensetzt, aus dem
Gießprozesses wird die gesamte Form geschwenkt. Poly-Styrol-Material geschäumt. Zur Formstabilität
Mit diesem Verfahren soll ein turbulenzfreies Befüllen werden die Schäumwerkzeuge mit Wasser gekühlt.
der Form erzielt werden. Die Form wird von unten Mit Greifern erfolgt die Entnahme des Schäumlings,
angegossen und während des Befüllens innerhalb von der ausgehärtet auf ein Transportband gelegt wird.
160 7 Motorkomponenten

Die Summe der aufgeschäumten Konturen entspricht


dabei bis auf das Schwundmaß der exakten Geomet-
rie des Zylinderkopfes. Die einzelnen Konturen
werden nun an der zweiten Station durch Aufbringen
von Heißkleber zusammengeklebt. Das Positivmodell
eines Zylinderkopfes besteht aus fünf verklebten
Poly-Styrol-Scheiben. Zwei Zylinderkopfmodelle
werden mit dem Anguss und den Steigern zu einer
Gießtraube zusammengeklebt. An der dritten Station
wird die Modelltraube in einer wasserlöslichen kera-
mischen Schlichte getaucht. Dabei rotiert das Bauteil
zur besseren Homogenisierung des Schlichteauftrags.
In der vierten Station wird die Traube in einer ent-
feuchteten erwärmten Luftströmung getrocknet.
Durch den Wasserentzug soll eine dichte gasdurch-
lässige Schlichteschicht erzeugt werden. Im nach-
folgenden Schritt wird die Traube in den Gießbehäl-
ter eingebracht und mit losem ungebundenem Quarz-
sand eingesandet. Durch Vibration wird der Sand in
der sechsten Station verdichtet. Anschließend erfolgt
der Einguss. Das flüssige Aluminium wird portioniert
und durch einen Gießlöffel automatisiert in die Form
gegossen. Während der Formfüllung weicht das Poly-
Styrol zurück und vergast. In der achten Station wird
die Form entnommen, beziehungsweise die Gießein-
richtung vom Sand entleert. In einem Wasserbad wird
die Schlichte entfernt, und im letzten Schritt werden
die Zylinderköpfe von der Traube getrennt.
Der eigentliche Gießprozess setzt auch bei diesem
Verfahren viel Know-how voraus. Die Gestaltungs-
vielfalt bei der Konstruktion des Zylinderkopfes ist
sehr groß. Bohrungen im Zylinderkopf können bis zu
einer Mindestwandstärke von 4 mm direkt mitgegossen
werden. Änderungen im Verlauf der Serie können am
Werkzeug relativ einfach und damit kostengünstig Bild 7-99 Lost-Foam-Zylinderkopfgießmodell der
eingebracht werden, da die Werkzeuge aus Aluminium Fa. BMW
bestehen. Bei einer Taktzeit von vier Köpfen in drei
Minuten kann diese Anlage eine Kapazität von circa
330.000 Zylinderköpfen pro Jahr produzieren, Bild x Einsatz von nur einem Schäumwerkzeug für die
7-99. Auf Grund der hohen Festigkeitsanforderungen gesamte Produktionsdauer
an Dieselmotoren mit Direkteinspritzung, wird das x den notwendigen Bearbeitungsaufwand am Zylin-
Verfahren für diese Anwendung zurzeit noch nicht in derkopf deutlich zu reduzieren.
der Serie eingesetzt.
In Bild 7-99 ist für den erstmals in Europa produzier- 7.8.3.4 Druckgussverfahren
ten Zylinderkopf nach dem Lost-Foam-Verfahren der
Fa. BMW die Poly-Styrol-Gießtraube abgebildet. Bei Beim Druckgussverfahren werden Dauerformen aus
dem Werkstoff handelt es sich um G-AlSi6Cu4 vergüteten Warmarbeitsstählen verwendet. Vor jedem
(Aluminiumlegierung 226). Für die US-Varianten Gießvorgang, der beim Druckguss auch als „Schuss“
wurde ein thermisch abgekoppelter Sekundärluftkanal bezeichnet wird, müssen die Formteile mit einem
auf der Auslassseite integriert. Trennmittel behandelt werden. Im Gegensatz zu
Mit diesem Verfahren ist es möglich: Sand- und Kokillenguss können keine Kerne in die
Gießform eingelegt werden, da die Leichtmetall-
x Ölkanäle in nahezu beliebiger Form zu gießen schmelze unter hohem Druck und hoher Geschwin-
x Wasserräume mit aufwändig geformten Strö- digkeit in die Gießform eingebracht wird. Die Höhe
mungsrippen zu erhalten des Druckes hängt ab von der Größe des Gussteils
x gekrümmte Ein- und Auslasskanäle zu gießen und reicht in der Regel von 400 bar bis zu rund
x deutlich genauere Toleranzen im Brennraum- 1.000 bar. Wie beim Niederdruckguss wird der Druck
bereich zu erreichen während der Erstarrung aufrechterhalten. Die Küh-
7.8 Zylinderkopf 161

lung der Gießformhälften wird bei größeren Gusstei-


len angewendet und dient sowohl der gerichteten
Erstarrung als auch der schnellen Abkühlung des
Gussteiles. Nach der Erstarrung des Gussteiles wird
die aus festen und beweglichen Formteilen sowie
gegebenenfalls beweglichen Schiebern bestehende
Gießform geöffnet, und das Gussteil wird mittels
Auswerferstifte ausgeworfen. Dieses Verfahren kann
nur an luftgekühlten Zylinderköpfen, wie bei Klein-
motoren, zum Einsatz kommen.
Im Vergleich zu Sand- und Kokillenguss ermöglicht
der Druckguss die genaueste Wiedergabe und Maß-
haltigkeit der Geometrie des Zylinderkopfes. Dünn-
wandige Gussstücke mit engen Maßtoleranzen, hoher
Formgenauigkeit und hoher Oberflächengüte werden
erzeugt. Ein maßgenaues Gießen von Augen, Boh-
rungen, zum Teil Passungen und Oberflächen ist ohne
nachträgliche mechanische Bearbeitung möglich. Das Bild 7-100 Kernformwerkzeug und Paket eines Was-
Druckgussverfahren hat im Vergleich zu Sand-, sermantelkerns der Fa. Becker [8]
Kokillen- und Niederdruckguss die höchste Produk-
tivität, da alle Gieß- und Formbewegungsabläufe
weitgehend vollautomatisch stattfinden. Nachteilig Für das Niederdrucksandgussverfahren der Fa. Be-
sind die eingeschränkte konstruktive Gestaltungsfrei- cker [8], das sich sehr gut für Kleinserien oder Proto-
heit für das Gussteil, da keine Hinterschnitte möglich typen eignet, sind in Bild 7-100 ein Kernformwerk-
sind. Möglicherweise eingeschlossene Luft- bezie- zeug (oben) und das Paket eines Wassermantelkerns
hungsweise Gasporen lassen eine doppelte Wärme- (unten) dargestellt. Die Gussrohteilkontur zuzüglich
behandlung wie bei Sand-, Kokillen- und Nieder- des Schwindmaßes (Schwindung des Metalls beim
druckguss nicht zu. Für die Großserienfertigung von Erstarren) dient als Ausgangsbasis für die Konstruk-
Zylinderköpfen für Pkw-Motoren mit Wasserkühlung tion der Modelleinrichtung. Dabei werden jeweils
ist dieses Verfahren ungeeignet. Bereiche des Gussteils, die in einer Entformungsrich-
tung liegen, in einem sogenannten Kernformwerk-
7.8.4 Modell- und Formenbau zeug als positiv dargestellt. Diese Bereiche sind beim
Zylinderkopf zum Beispiel der Brennraumkalottenbe-
Für die Erstellung der Gießmodelle, Kerne, Kokillen reich, die Stirnseiten, die Ein- und Auslasskanalseite,
sowie sämtlicher Gießwerkzeuge werden weitestge- die Ein- und Auslasskanäle, der Nockenwellenlager-
hend im Modellbau auf Basis von 3D-CAD-Daten die bereich sowie die inneren Konturen für Wasser und
gesamten Teile durch CAD/CAM-Prozessketten Öl. Alle Kernformwerkzeuge besitzen Dichtflächen
abgebildet. Damit sind Geometriedaten reproduzier- und sogenannte Kernmarken, die ein genaues Zentrie-
barer und im Rahmen von Änderungen kann flexibler ren und Abdichten der Kerne untereinander ermög-
reagiert werden. Schon bei der Erstellung der Zylin- lichen. Die Kernformwerkzeuge werden innerhalb
derkopfkonstruktion können vom modellierten CAD- weniger Tage auf Basis des 3D-Datenmodells auf
Rohteil über das mechanisch bearbeitete Bauteil alle CNC-Maschinen in einen speziellen Kunststoff ge-
für den Modellbau benötigten CAD-Teilmodelle fräst. In diese Kernformwerkzeuge wird dann in der
abgeleitet werden. Dabei gilt es über ein ausgeklügel- Gießerei ein mit Kunstharzbinder vermischter Sand
tes Datenmanagementsystem die Transparenz zu eingefüllt, der nach kurzer Zeit selbstständig aushär-
erhalten, dass bei durchgeführten Änderungen alle am tet. Der aus dem wiederverwendbaren Kernform-
Projekt beteiligten informiert werden und Änderun- werkzeug entnommene Sandkern besitzt nun die
gen am CAD-Bauteil des Zylinderkopfes in alle im Negativkontur des späteren Gussteils. Eine Besonder-
Modell- und Werkzeugbau nötigen Datensätze ein- heit sind die sogenannten Sandlasersinterkerne, die
fließen. Im Modellbau werden traditionell Details wie direkt aus den 3D-CAD-Daten schichtweise erzeugt
Formteilungen, Formschrägen, Gussschwund, Ferti- werden können. Hierfür sind keine Kernformwerk-
gungsaufmaße und unter Umständen zu erwartende zeuge notwendig. Kerne für filigrane Innenkonturen
Gussverzüge festgelegt und im CAD-Modell berück- wie Wassermantel oder Ölraum bieten sich für die-
sichtigt. Ein reger und frühzeitiger Erfahrungsaus- ses Verfahren an, da ein Kernformwerkzeug für diese
tausch mit den Zylinderkopfkonstrukteuren zahlt sich Kerne teuer und zeitaufwändig in der Herstellung ist.
aus. Je nach Serien- oder Prototypenauslegung und Letztlich werden alle diese Kerne (konventionell oder
nach Wahl des Gießverfahrens sind die Modellbau- sandlasergesintert) zu dem sogenannten Kernpaket
tätigkeiten unterschiedlich. zusammengesetzt und im Niederdruckgussverfahren
162 7 Motorkomponenten

Änderungen am Zylinderkopf, die nachträglich ein-


gebracht werden, sind bei der Fertigung auf Transfer-
straßen aufwändig und kostspielig, da der gesamte
Fertigungsprozess unterbrochen werden muss. Auf
Grund der Großserienfertigung werden oft Kompro-
misse an Zylinderköpfen nötig, die die Gestaltungs-
freiheiten der Entwickler einschränken.

7.8.5.2 Prototypenfertigung
Für Kleinserien und Prototypen erfolgt die mechani-
sche Bearbeitung in der Regel auf Bearbeitungszent-
ren. Diese Einzelstationen sind flexibel zu program-
mieren. Oft handelt es sich um standardisierte Werk-
Bild 7-101 Modelleinrichtung eines Achtzylinder- zeugmaschinen. Auf Änderungen am Zylinderkopf
kopfes der Fa. BMW kann entsprechend schnell eingegangen werden. Die
Bearbeitungskosten sind im Vergleich zur Großserie
abgegossen. Ein Kernpaket kann nur für einen Ab- höher. Zur besseren Reproduzierbarkeit der Verbren-
guss verwendet werden. nungsvorgänge werden teilweise die Brennräume
Für einen nach dem Niederdruckgussverfahren her- mechanisch bearbeitet. Auch Bereiche vom Übergang
zustellenden Zylinderkopf für einen Achtzylindermo- der Gaswechselkanäle zum Brennraum sowie ganze
tor der Fa. BMW ist in Bild 7-101 ein Ausschnitt des Kanalformen können bearbeitet werden.
gesamten Kernaufbaus dargestellt. Alle Kerne beste-
hen aus Sand. Die Kernkästen hierzu werden in der 7.8.5.3 Qualitätssicherung der Zylinderköpfe
Serie aus Stahl gefertigt. Die Freiräume zwischen den Der Ausfall des Zylinderkopfes in der Serie hat oft
Kernen werden mit Aluminium ausgegossen. Im einen kompletten Motorschaden zur Folge. Sowohl
Entwicklungsstadium werden die Sandkerne für die für die Gussteile als auch für die mechanische Bear-
Beurteilung der Gesamtgeometrie als Rapid-Proto- beitung gilt es, einen hohen für den Kunden geforder-
typing-Modelle hergestellt. Im unteren Teil des Bil- ten Qualitätsstandard zu erreichen. Der komplette
des sieht man die sehr dunkel dargestellte Brenn- Zylinderkopf wird deshalb zu 100 % auf Dichtigkeit
raumplatte. Rechts darüber befindet sich der Kern- geprüft. Stichproben durch Bauteilvermessungen sind
aufbau des Kettenkastens. Vorn in der Abbildung Standardmaßnahmen der Qualitätssicherung. Die in
ist das Auslasskanalkernpaket, das in den Wasser- der Fertigung auftretende Ausschussrate gilt es zu
mantelkern hineinragt, dargestellt. Darüber befindet minimieren. Mit der Computertomographie, die aus
sich der Ölraumkern. medizinischen Anwendungen bekannt ist, können
Zylinderköpfe geröntgt und die Wandstärken schicht-
7.8.5 Mechanische Bearbeitung weise auf Form- und Maßhaltigkeit überprüft werden.
und Qualitätssicherung Besonders bei dünnen Wandstärken im Bereich von
circa 2,5 mm, wie sie im Rennsport aus Gewichts-
7.8.5.1 Großserienfertigung gründen erforderlich sind, sind diese Untersuchungen
Die mechanische Bearbeitung von Zylinderköpfen üblich, Bild 7-102.
erfolgt in der Großserie auf Transferstraßen oder auf
verketteten Bearbeitungszentren, mit denen bezüglich
Änderungen flexibler reagiert werden kann. Eine
Tendenz, die mechanische Bearbeitung durch Verket-
tung von Bearbeitungszentren zu bewerkstelligen, ist
festzustellen. Dabei durchläuft das Rohteil einzelne
hintereinander aufgereihte Bearbeitungsstationen. Für
jede Station gilt es, die vorgesehenen Taktzeiten
einzuhalten. Um die hohen Gesamtinvestitionen zu
begrenzen, werden möglichst viele Bearbeitungsvor-
gänge in einer Station integriert. Bei der Neuentwick-
lung eines Zylinderkopfes sollten im Rahmen des
Simultaneous Engineering Fertigungsplaner im Pro-
jekt integriert sein, um die Belange der Fertigung in
Hinblick auf eine wirtschaftliche Realisierung schon Bild 7-102 Computertomographieschnitt eines Zylin-
zu einem frühen Zeitpunkt mit zu berücksichtigen. derkopfes [8]
7.8 Zylinderkopf 163

nale Strömungssimulationen genutzt werden. Bei den


Brennverfahren mit Direkteinspritzung können diese
Techniken besonders genutzt werden, da bei gerin-
gen Maßabweichungen schon erhebliche motorische
Auswirkungen erfolgen.

7.8.6 Ausgeführte Bauformen


von Zylinderköpfen
7.8.6.1 Zylinderköpfe an Ottomotoren
An dieser Stelle wird nur auf Viertaktmotoren einge-
gangen. Die dargestellten Zylinderköpfe geben einen
Ausschnitt aus der Vielfalt der auf dem Markt vor-
handenen Ventiltriebskonzepte, die die Geometrie der
Köpfe maßgeblich beeinflussen. Das erste Ausfüh-
rungsbeispiel, Bild 7-104, zeigt einen Zweiventil-
Zylinderkopf mit Rollenschlepphebel der Fa. BMW.
Dieses kompakte Zylinderkopfkonzept wird an Vier-
und Zwölfzylindermotoren eingesetzt. Der hier abge-
bildete Kopf des V12-Motors ist als Wendekopf aus-
geführt und für beide Zylinderreihen identisch. Zur
Minimierung der Reibleistung wurden Rollenschlepp-
hebel aus Feinguss eingesetzt. Durch diese Maßnah-
me verringerte sich die Reibleistung des Ventiltriebs
gegenüber dem vorher verwendeten Zylinderkopf mit
Gleitschlepphebeln um bis zu 70 %. Aus Gewichts-
gründen wurde eine hohle gebaute Nockenwelle nach
den Verfahren der Fa. Süko entwickelt.
Bild 7-103 Digitalisieren eines Einlasskanals [14] Tassenstößel mit hydraulischem Spielausgleich wer-
den an ausgeführten Serienmotoren sehr häufig ver-
Bild 7-103 zeigt die Vermessung eines Zylinderkop- wendet. In Bild 7-105 wird das Beispiel eines Vier-
fes mit einem Koordinatenmessgerät. Hiermit ist auch ventil-Zylinderkopfes eines V8-Motors der Fa. BMW
das Vermessen der Kanalinnengeometrie möglich. dargestellt. Für die Ölversorgung der Stößel sind im
Die Kanaloberfläche kann durch punktweises Abtas- einteiligen Zylinderkopf Längsbohrungen vorgese-
ten in Form einer Punktewolke erfasst werden. Ab- hen, die im Bereich der Stößelbohrungen von außen
weichungen zur Istgeometrie, die durch CAD- angebohrt werden. Bei V-Motoren mit hydraulisch
Datensätze beschrieben sind, können ermittelt wer- betätigten Tassenstößeln ist der Ölbedarf im Zylin-
den. Über die in CAD-Systeme übertragenen Punkte derkopf und die Gefahr der Ölaufschäumung durch
können durch Methoden des Reverse Engineering die Nockenwellendrehung groß, so dass für den Öl-
(Flächenrückführung) Flächen auf Basis der Punkte- abfluss durch den Zylinderblock zur Ölwanne hin ge-
wolke aufgebaut werden, die auch für dreidimensio- nügend Querschnitt vorzusehen ist.

Bild 7-104 Zweiventil-


zylinderkopf des V12-
Motors der Fa. BMW mit
Rollenschlepphebel
164 7 Motorkomponenten

Bild 7-106 Mehrteiliger Vierventilzylinderkopf der


Fa. BMW

Bild 7-105 Vierventilzylinderkopf der Fa. BMW mit


Tassenstößeln

Bei diesem Zylinderkopf wurden je Zylinderbank


sechs Rücklaufschächte vorgesehen. Die Tellerdurch-
messer der Einlassventile betragen für den 3-l-Motor
32 mm und für den 4-l-Motor 35 mm, die der Aus-
lassventile 28,5 mm und 30,5 mm. Die Ventilschaft-
durchmesser betragen lediglich 6 mm. Die Winkel
zwischen Kanal und Ventil betragen auf der Einlass-
seite 39°45ƍ, auf der Auslasseite 55°45ƍ. Ein- und
Auslassventile bilden einen Winkel von 39°30ƍ und
ermöglichen dadurch einen sehr kompakten, linsen-
förmigen Brennraum. Die Zündkerze ist zentral zwi-
schen den Ventilen angeordnet. Die Zylinderkopfhaube
ist elastisch befestigt und damit weitestgehend akus-
tisch entkoppelt. Die Brennräume im Zylinderkopf
Bild 7-107 Vierventilzylinderkopf der Fa. BMW mit
werden zur Einhaltung einer engen Volumentoleranz
Rollenschlepphebel
komplett mechanisch bearbeitet. Der Längsstromzylin-
derkopf ist in der Aluminiumlegierung 226 gegossen.
Aus Gewichtsgründen werden bei diesem Achtzylin- Zylinderkopfes, der vorher mit Tassenstößeln ausge-
dermotor die Köpfe nicht als Wendeköpfe ausgeführt. stattet war. Der hydraulische Spielausgleich erfolgt
Beide Zylinderkopfvarianten werden auf einer Linie hier durch stehende Ausgleichselemente. Durch die
gefertigt und erreichen komplett vormontiert die End- Unterbringung des Spielausgleichs im unbewegten
montage. Teil des Ventiltriebs werden aufgrund der geringeren
In Bild 7-106 wird ein Vierventilzylinderkopfkonzept oszillierenden Massen geringere Federkräfte ermög-
mit Tassenstößeln in einer mehrteiligen Ausführung licht, obwohl der Ventilhub und die Ventilöffnungs-
dargestellt. Sowohl auf der Einlass- als auch auf der dauer beibehalten werden. Zu Konstruktionsbeginn
Auslasseite sind für die Nockenwellen und Tassen- war die Randbedingung der Fertigung vorgegeben,
stößel getrennte Lagerleisten vorgesehen. Damit kann die bestehende Fertigungslinie beizubehalten. Damit
in der Serie der Zylinderkopf in Aluminiumkokillen- wurden die Ventilwinkel, die Ventillagen und die No-
guss hergestellt werden, weil im oberen Bereich des ckenwellenlagen übernommen. Der Änderungsum-
Zylinderkopfes keine Hinterschneidungen auftreten. fang beschränkt sich dadurch auf den Entfall der
Ein Beispiel für einen Vierventilzylinderkopf mit Lagerleisten mit den Tassenstößelbohrungen, auf die
Rollenschlepphebeln ist in Bild 7-107 dargestellt. Bei Aufnahmebohrungen der Ausgleichselemente, die
diesem Zylinderkopf der Fa. BMW handelt es sich kleeblattförmig um die Zündkerzendome angeordnet
um eine Weiterentwicklung des Kopfes, der in Bild wurden, und auf die Ölversorgung. Durch das Ein-
7-106 abgebildet ist. Ziel der Überarbeitung des Ventil- gießen der Nockenwellenlager konnte zusätzlich der
triebs war die Verminderung der Reibleistung des Zylinderkopf versteift werden. Ein- und Auslass-
7.8 Zylinderkopf 165

kanäle sowie der Brennraum wurden unverändert


vom Vorgänger-Zylinderkopf übernommen.
Dreiventil-Zylinderkopfkonzepte kommen an den
V-Motoren der Fa. DaimlerChrysler zum Einsatz,
Bild 7-108. Diese Zylinderköpfe verwenden eine
obenliegende Nockenwelle und setzen für die Ventil-
betätigung Rollenkipphebel ein. Je Brennraum wer-
den für eine schnellere Flammenausbreitung zwei
Zündkerzen verwendet. An den Acht- und Zwölfzy-
lindermotoren setzt DaimlerChrysler zur Verbrauchs-
reduzierung mit dieser Kipphebelsteuerung eine
Zylinderabschaltung ein. Dabei werden beim Achtzy-
linder vier und beim Zwölfzylinder sechs Zylinder
über die Deaktivierung der Ventile stillgelegt. Die
Unterbringung einer Nockenwellenverstellung ist mit
dieser Einnockenwellenlösung schwierig. Auf Grund
der relativ schweren Kipphebel ist diese Zylinder-
kopfkonzeption nicht für hohe Drehzahlkonzepte Bild 7-109 Fünfventilzylinderkopf der Fa. Audi [3]
geeignet. Das Gesamtkonzept ist jedoch gegenüber
einer Vierventillösung mit zwei Nockenwellen kos- Achtzylindermotoren des gesamten VW-Konzerns
tengünstiger. übertragen, Bild 7-109. Bis auf den Achtzylindermo-
tor, der Rollenschlepphebel einsetzt, verwenden die
Motoren Tassenstößel mit hydraulischem Spielaus-
gleich. Das mittlere der drei Einlassventile ist aus
geometrischen Gründen (Ventilschaftachse schneidet
die Achse der Nockenwelle) gegenüber den beiden
äußeren geneigt. Der Ventilwinkel der äußeren Ein-
lassventile beträgt 21,6°, der des inneren Ventils
14,9° und der Auslassventilwinkel beträgt 20,2°. Für
die Zylinderkopfverschraubung wird zur besseren
Krafteinleitung eine eingeschraubte Hülse im Zylin-
derkopf verwendet, wodurch die Zylinderkopfschrau-
be im Bundbereich schmal bleibt. Dieser Effekt hilft
bei den engen Geomtrieverhältnissen im Zylinder-
kopf. Ferner kann dadurch der Nockenwellenabstand
mit 129 mm gehalten werden, da die Schrauben sehr
eng an den Nockenwellen vorbeiführen. Der Zylin-
derkopf ist einteilig ausgeführt und wird im Schwer-
kraftkokillenguss hergestellt. Ähnliche Fünfventil-
konstruktionen hatte vor Audi die Fa. Yamaha an
Ein-, Zwei- und Vierzylindermotoren an Motorrädern
in Serie gebracht.

7.8.6.2 Zylinderköpfe an Dieselmotoren


Als erstes Beispiel einer konstruktiven Ausführung
wird auf den Zylinderkopf eines Zweiventilmotors mit
Wirbelkammer verwiesen. Diese Dieselmotorenkon-
zepte bestimmten seit der Einführung der Diesel-
motoren in Personenkraftwagen die Konzeption der
Zylinderköpfe. Im Querschnitt durch den Zylinder-
Bild 7-108 Dreiventilzylinderkopf der Fa. Daimler kopf ist in Bild 7-110 die Vorkammer mit dem Ein-
Chrysler [15] spritzventil sowie der Glühkerze zu erkennen. Die
hohlgegossene Nockenwelle betätigt über Tassen-
1994 hat die Fa. Audi mit der Einführung des A4 stößel mit hydraulischem Spielausgleich die Einlass-
erstmals einen Fünfventil-Zylinderkopf an Pkw- und Auslassventile, die einen Durchmesser von 36
Motoren in der Großserie realisiert. Dieser Zylinder- beziehungsweise 31 mm aufweisen. Im Pkw-Bereich
kopf wurde auf Vierzylinder-, Sechszylinder- und war diese Bauart bei der Fa. BMW seit 1983 in Serie.
166 7 Motorkomponenten

Bild 7-110 Quer- und Längsschnitt mit Einbausituation eines Diesel-Zweiventil-Zylinderkopfes der Fa. BMW

Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine Ausfüh-


rung an einem Sechszylindermotor der Fa. BMW, die
diese Zylinderkopftechnik auch am Vier- und Acht-
zylindermotoren einsetzt. Der Zylinderkopf ist mit
Drallkanälen versehen, wobei die Luft von oben
durch den Zylinderkopf geführt wird. Der Zylinder-
kopf wird aus einer Hüttenlegierung abgegossen. Für
den Achtzylinderkopf ist am vorderen Ende der
Kettenkasten angegossen. Dadurch erfährt das Bauteil
einen deutlichen Festigkeitsgewinn. Am hinteren En-
de ist ein Abgasrückführkanal integriert. Der Antrieb
der Nockenwellen erfolgt über geradverzahnte Stirn-
räder, wobei jeweils die Einlassnockenwellen über
Ketten angetrieben werden. Die verwendete Com-
mon- Rail-Einspritztechnik bedingt zwei an der Seite
des Zylinderkopfes befestigte Rails für die Kraft-
stoffversorgung der Einspritzventile, die mittig im
Zylinderkopf angeordnet sind. Die Kühlmittelströ-
mung im Zylinderkopf erfolgt von der Auslass- zur
Einlassseite. Zur Sicherstellung der Querstromküh-
lung sind die Zylindereinheiten im Kühlwasserraum
durch Schottwände voneinander getrennt und haben
Bild 7-111 Vierventilzylinderkopf mit Rollenschlepp- einen gemeinsam eingegossenen Wassersammler auf
hebel für einen Sechszylindermotor der Einlassseite.
Ein weiteres Verfahren der Dieseldirekteinsprit-
Mit der Einführung der Dieselmotoren mit Direktein- zung ist die Pumpe-Düse-Technik der Fa. VW. Je
spritzung durch die Fa. Audi in Jahr 1989 hat sich der Zylinder wird eine von der Nockenwelle betätigte
Dieselanteil an Pkw-Motoren hauptsächlich in Euro- Einspritzpumpe verwendet, die die Gesamtkonzep-
pa deutlich erhöht. Um noch höhere Leistungsdichten tion des Zylinderkopfes maßgeblich mitbestimmt,
auch bei Dieselmotoren zu erhalten, wurde mehr und Bild 7-112. Dieser Zweiventilzylinderkopf besitzt
mehr die Vierventiltechnik eingeführt. Auf Grund der Tassenstößel mit hydraulischem Ventilspielausgleich.
stark angestiegenen Zünddrücke werden an heutige Seitlich über der Nockenwelle befindet sich eine
Dieselmotoren-Zylinderköpfe bezüglich Festigkeit Lagerachse für die Kipphebelbetätigung der Pumpe-
und Dauerhaltbarkeit höchste Anforderungen gestellt. Düse-Elemente. Als Steuertrieb kommt ein Zahnrie-
Zur Minimierung der Reibungsverluste im Zylinder- men zum Einsatz, der aus einem hochfesten Material
kopf können Rollenschlepphebel eingesetzt werden, bestehen muss, da die Momente an der Nockenwelle
Bild 7-111. durch den Pumpe-Düse-Antrieb sehr hoch sind. Die
7.8 Zylinderkopf 167

Kraftstoffversorgung der Pumpe-Düse-Elemente er-


folgt innerhalb des Zylinderkopfes über je ein Vor-
und Rücklaufrail.

Bild 7-112 Pumpe-Düse-Zylinderkopf der Fa. VW


[16]
Bild 7-113 Querschnitte des VR-Vierventilzylinder-
Den erforderlichen Vorlaufdruck liefert eine Flügel- kopfs der Fa. VW
zellenpumpe, die über die Nockenwelle angetrieben
wird. Mit Pumpe-Düse-Elementen können schon heu- gewählte Bauart mit zwei Nockenwellen ermöglicht
te Einspritzdrücke von über 2.000 bar ermöglicht durch die Anpassung der Ventillängen eine zentrale
werden. Damit lässt sich der Zielkonflikt zwischen nie- Lage der Zündkerzen. Der Längenunterschied der
drigen Schadstoffemissionen und gleichzeitig hoher Ventile beträgt 33,9 mm. Die Ventildurchmesser be-
spezifischer Leistung lösen, weil auch mit kleinen tragen 31 mm für die Einlassventile und 27 mm für die
Düsenlöchern und hohen Teillasteinspritzdrücken noch Auslassventile; der Schaftdurchmesser beträgt 6 mm.
eine kurze Einspritzdauer bei Nennleistung ermög- Die Brennräume beider Zylinderreihen sind nahezu
licht wird. Durch den Entfall der Verteilereinspritz- spiegelbildlich ausgeformt. Der Winkel zwischen
pumpe einschließlich Konsole, Antrieb und Ein- Ein- und Auslassventilen beträgt 42,5°. Das Quer-
spritzleitungen wird eine Vereinheitlichung der Neben- stromkonzept des VR-Zylinderkopfes bedingt unter-
aggregateanordnung mit dem Ottomotor ermöglicht. schiedliche Neigungen der Ventile zur Zylinderachse:
34,5° bei den langen Kanälen und 8,0° bei den kurzen
Kanälen. Zudem sind die Neigungen zu den Kanal-
7.8.6.3 Sonderbauformen von Zylinderköpfen
achsen unterschiedlich. Zur Erzielung gleichmäßi-
Mit der VR-Motorbaureihe der Fa. VW werden Fünf- gen Brennverhaltens beider Zylinderreihen sind daher
und Sechszylindermotoren hergestellt, die sich mit die kurzen und langen Einlasskanäle hinsichtlich des
einem V-Winkel von 15° sehr kompakt als eine Art Durchströmungs- und Tumbleverhaltens anzupassen.
Kombination von Reihen- und V-Motor darstellen. Die Luftgekühlte Pkw-Zylinderköpfe sind sehr selten. Der
einteiligen Zylinderköpfe fallen recht breit aus [17]. Zweiventilzylinderkopf für einen Sechszylinder-Bo-
Auf Grund der Wahl des Ansaug- beziehungsweise xermotor der Fa. Porsche in Bild 7-114 ist in aktuel-
Abgastraktes auf jeweils einer Seite des Zylinderkopfes len Baureihen durch wassergekühlte Vierventil-Zylin-
werden unterschiedliche Ein- und Auslasskanallängen derköpfe abgelöst worden. Entsprechend der Wär-
bei dieser Konzeption erforderlich. Konzepte mit meabfuhr über den Zylinderkopf sind großflächige
symmetrischen Gaswechselkanälen sind auch möglich, Kühlrippen zu der vorhandenen Gebläsekühlung er-
benötigen jedoch mindestens drei statt der hier ver- forderlich. Bei diesem Beispiel ist im Zylinderkopf
wendeten zwei Nockenwellen [18]. In Bild 7-113 ein Keramik-Portliner eingegossen, mit dem als iso-
sind zwei Querschnitte durch den Serien-Vierventil- lierende Wirkung die in den Zylinderkopf übertrage-
Zylinderkopf mit der Darstellung der unterschiedlichen ne Wärme begrenzt werden soll. Ferner kann das Ni-
Gaswechselkanäle aufgeführt. Der Zylinderkopf ist mit veau der Abgastemperatur damit hochgehalten wer-
einer Nockenwellenverstellung versehen und benutzt den, um das Aufheizen des Katalysators nach dem
zum Ventilantrieb Feinguss-Rollenschlepphebel. Die Kaltstart zu beschleunigen.
168 7 Motorkomponenten

Die Luftführung durch den Einlasskanal erfolgt über


das Saugrohr von der Oberseite des Zylinderkopfes,
um in Abstimmung mit den Brennraumtaschen im
Kolben eine gezielte Tumble-Einlasströmung zu er-
halten. Die Betätigung der Ventile erfolgt über Rol-
lenschlepphebel. Seitlich am Zylinderkopf ist die
Einspritzdüse positioniert. Die Zündkerze ist zentral
in der Mitte des Zylinderkopfes untergebracht.

Bild 7-114 Luftgekühlter Zylinderkopf der Fa.


Porsche [19]

Für Sportmotoren mit sehr hohen spezifischen Liter-


leistungen werden hohe Drehzahlen und damit sehr
leichte Ventiltriebskomponenten benötigt. Die beweg-
ten Massen sind nach Möglichkeit sehr gering zu hal-
ten. Auf schwere hydraulische Ventilspielausgleichs-
elemente sollte dann verzichtet werden. Ein Beispiel
für eine derartige Konstruktion hat die Fa. BMW an
einem Sechszylindermotor mit Feingussschlepphebeln
und mechanischem Ventilspielausgleich realisiert.
Diese Gleitschlepphebel sind sehr leicht und sind auf
einer Steckachse im Zylinderkopf gelagert. Bei der
Wahl des Übersetzungsverhältnisses für den Schlepp- Bild 7-115 Vierventilzylinderkopf mit Gleitschlepp-
hebel wurde der Steifigkeit gegenüber dem benötig- hebel der Fa. BMW
ten Bauraum der Vorzug gegeben. Das Übersetzungs-
verhältnis des Hebeltriebs ist 1 : 1, um keine Biege-
beanspruchung zu induzieren, Bild 7-115.
Der Vierventil-Zylinderkopf hierzu ist einteilig aus-
geführt und wird in einer Stahlkokille gegossen. Für
den Zylinderkopf wird ein Querstromkühlkonzept ver-
wendet. In den Zylinderkopf integriert ist eine Luft-
verteilungsleitung für die Zusatzlufteinblasung. Von
dieser Leitung mit 12 mm Durchmesser führen Boh-
rungen mit 4 mm Querschnitt direkt in die Auslass-
kanäle neben jedes Auslassventil. Ottomotoren mit
Direkteinspritzung werden derzeit weltweit mit viel
Kapazität zur Serie entwickelt. Im Zylinderkopf muss,
ähnlich wie bei den Dieselmotoren mit Direkteinsprit-
zung, neben der Zündkerze Raum für die Einspritz-
düse geschaffen werden. Schon bei einen Vierventil-
konzept wird es hierfür eng. Die Lage und Form
von Gaswechselkanälen ist auf Grund der mit dem
Brennverfahren verbundenen Ladungsschichtung
extrem aufwändig zu entwickeln und abzustimmen.
Bild 7-116 stellt ein Beispiel eines Vierventil-Zy-
linderkopfes im Schnitt dar, der für einen Motor mit Bild 7-116 Zylinderkopf eines Ottomotors der Fa.
Direkteinspritzung der Fa. Mitsubishi in Serie ist. Mitsubishi mit Direkteinspritzung [20]
7.8 Zylinderkopf 169

7.8.7 Perspektiven in der von den Automobilherstellern beide Positionen ge-


Zylinderkopftechnologie wählt [21]. Mit der Steigerung der spezifischen Leis-
tung der Motoren stellen sich für die Zylinderkopf-
Im Zylinderkopf erfolgt die Steuerung des Gaswech- werkstoffe und deren Dauerfestigkeitsverhalten
sels und damit teilweise die Steuerung der Verbren- erhöhte Anforderungen. Die sonstigen Auswirkungen
nung. Die Weiterentwicklung der Zylinderkopftech- der Direkteinspritzung auf die Zylinderkopfkonzepti-
nologie wird in Richtung Leichtbau, hochfestere on beziehen sich im Wesentlichen darauf, für die
Werkstoffe und wirtschaftlicher Fertigungsverfahren Einspritzdüse eine geeignete Lage zu finden. Konzep-
bei gleichzeitiger Verbesserung motorischer Zielgrö- tionen mit einer zentralen Lage der Einspritzdüse im
ßen gehen. Mehrventilzylinderköpfe haben sich auf Zylinderkopf haben bezüglich Geometrie, Thermik
breiter Front, sowie auch an Dieselmotoren, durchge- und Festigkeit größere Auswirkungen auf Zylinder-
setzt. Mit ihnen sind durch einen verbesserten Gas- köpfe.
wechsel höhere spezifische Zylinderleistungen reali- Ferner hat die Zylinderkopftechnologie mit dem Ein-
sierbar. Dieses führt durch den Einsatz fortschrittli-
satz vollvariabler Steuerzeiten an Ottomotoren eine
cher Zylinderkopfkonzepte zu Downsizing-Kon-
neue Dimension bekommen. Durch die drosselfreie
zepten mit leistungsstarken, verbrauchs- und emissi-
Laststeuerung werden die Ladungswechselarbeit und
onsgünstigen Verbrennungsmotoren, die den Kunden
nahezu proportional hierzu der spezifische Kraft-
je nach Leistungsbedarf oder Fahrspaß zur Verfügung
stoffverbrauch deutlich gesenkt. An Serien-Ottomoto-
stehen. In der letzten Zeit sind vermehrt direktein-
ren sind mechanische und hydraulische voll variable
spritzende Ottomotoren mit Direkteinspritzung in
Serie realisiert worden, bei denen sowohl Lambda-1- Ventilsteuerungen mit Nockenwellen zu finden [2,
als auch Magerkonzepte eingesetzt werden. Die damit 22]. Nachdem die Fa. BMW das System Valvetronic
neu eingeführten Brennverfahren bedingen auch eine in verschiedenen Baustufen an Vier-, Sechs-, Acht-
Brennraumanpassung im Kolben, der in der Regel und Zwölfzylindermotoren eingesetzt hat [23], sind
Mulden erhält, wodurch die Gemischaufbereitung bei den Firmen Toyota, Nissan, Mitsubishi und
begünstigt wird. Bei der strahlgeführten Direktein- Hyundai ebenfalls mechanische voll variable Ven-
spritzung rückt die Einspritzdüse in die Zylinderkopf- tilsteuerungen in Serie umgesetzt, Bild 7-117. An
mitte. Ottomotoren werden zur Erzielung höherer Ottomotoren der Fa. Fiat kommt das hydraulische
Leistungen und zur Verfolgung einer verbrauchseffi- voll variable System Uni-Air zum Einsatz. Hierbei
zienteren Downsizing-Strategie hauptsächlich als wird über eine Nockenwelle ein Stößel zum Druck-
Turbomotoren eingesetzt, zum Teil schon mit zwei aufbau in einem Zylinder verwendet, wobei durch ein
Aufladesystemen. Die Zielrichtung hierbei ist eindeu- schnell schaltendes Hydraulikventil der Druckaufbau
tig auf eine Senkung der CO2-Emissionen gerichtet. gesteuert werden kann. Mit dem Druckraum ist über
Für die Anbringung der Einspritzdüsen bei der Di- einen weiteren Stößel das Einlassventil verbunden, so
rekteinspritzung wird entweder eine seitliche Lage dass der Ventilhub über das Druckniveau durch
wie am Einlasskanal in Bild 7-116 am Mitsubishi- Steuerung über das Hydraulikventil variabel gestaltet
Motor gewählt oder die zentrale Lage im Zylinder- werden kann.
kopf, wobei dann für die Zündkerze eine geneigte Die Zylinderkopfgeometrie ist mit der Einführung
Lage zu wählen ist. Sowohl für Magermotor-Kon- dieser Systeme komplett neu gestaltet worden. Die
zepte als auch für den O = 1 Betrieb werden hierzu zusätzlichen Bauteile im Zylinderkopf bedingen neue

Bild 7-117 Einsatz von voll variablen Ventilsteuerungen in Serie


170 7 Motorkomponenten

Hochdruckeinspritzpumpe
zentrale
Einspritzdüsenlage
hohle gebaute
Nockenwellen

Valvetronic
auf Einlass-
ventilseite
Doppel
Stellmotor Bild 7-118 Zylinderkopf
Vanos
mit integriertem des V8-BMW Motors mit
Positionsgeber Direkteinspritzung und
der Exzenterwelle
Valvetronic, Detailopti-
mierungen

Ventiltriebskonzepte, bei denen zur Verstellung der wälzgelagerten Nockenwellen haben dazu geführt,
Ventilerhebung ein Verstellgetriebe zusätzlich im dass so zum Beispiel das vordere Lager der Nocken-
Zylinderkopf unter zu bringen ist. Neben dem Einsatz welle am EA 211 Zylinderkopf der Volkswagengrup-
von variablen Ventilsteuerungen mit einer stufenwei- pe schon als Wälzlager ausgeführt ist. Weitere Vor-
sen Hub- und Öffnungsdauervariation zeigt sich, dass teile lassen sich erzielen, wenn die Nockenwellen-
durch den Einsatz der voll variablen Steuerungen lagerdurchmesser an Pkw-Motoren in Bereiche um
nicht nur an Fahrzeugen der Premiumklasse sich hier 20 mm Durchmesser reduziert werden können, da
ein Trend abzeichnet, der wohl zukünftig die Zylin- mittlerweile kaum noch festigkeitsmindernde No-
derkopfentwicklung stärker prägt. Die aktuelle Aus- ckenwellen aus Grauguss im Einsatz sind, für die
führung der Valvetronic (dritte Generation) unter- traditionell die größeren Lagerdurchmesser ausgelegt
streicht diesen Trend, wobei dieser auch in Kombina- wurden. Wie schon vor circa hundert Jahren bleibt
tion mit Turbo-Ottomotoren und der homogenen die Vielzahl an Zylinderkopfkonzepten an Serien-
Direkteinspritzung sich weiter fortsetzt. BMW hat motoren groß [25]. Diesel- und Ottomotoren gleichen
mittlerweile die Valvetronic in allen Zylinderzahlen sich trendmäßig durch die Verwendung von zwei
im Einsatz, je nach Motor zum Teil bereits in der obenliegenden Nockenwellen und Rollenschlepphe-
3. Generation (Bild 7-118). Detailoptimierungen, wie beln mit hydraulischem Ventilspielausgleich stärker
zum Beispiel eine hohle nadelgelagerte Exzenterwel- an. Doch mit dem Einsatz der Ventiltriebsvariabilitä-
le, die Integration des Positionsgebers der Exzenter- ten muss durch den Zusatzaufwand entsprechend
welle im Stellmotor oder die Integration der Steue- Platz vorgesehen werden, so dass sich die Zylinder-
rung innerhalb der regulären Motorsteuerung sind der köpfe je nach Variabilität weiterhin in den Konzepten
heutige Stand der Technik. Die Bauteile sind teils unterscheiden. Für die Motorenentwickler bedeutet
vom Vier- bis zum Achtzylindermotor sach- dieses eine große Herausforderung, sich den weiter-
nummerngleich verwendet. Die damit verbundenen entwickelnden Anforderungen zu stellen.
Synergieeffekte bringen erhebliche Herstellkosten-
vorteile. Literatur
Inwieweit die drosselfreie Laststeuerung in Richtung [1] Hannibal, W.; Meyer, K.: Patentrecherche und Überblick zu va-
noch höherer Freiheitsgrade für die Ventilsteuerung riablen Ventilsteuerungen. Vortrag Haus der Technik, März 2000
[2] Flierl, R.; Hofmann, R.; Landerl, C.; Melcher, T.; Steyer, H.:
und damit für die Motorsteuerung sich zukünftig
Der neue BMW-Vierzylinder-Ottomotor mit VALVETRONIC.
darstellt, bleibt spannend zu beobachten. Untersu- In: MTZ 62 (2001) 6
chungen mit zusätzlich voll variablen Ventilsteuerun- [3] Hannibal, W.; Lukas, F.: Rechnergestützte Auslegung des Audi-
gen auf der Auslassventilseite weisen weiteres Poten- Fünfventil Zylinderkopfkonzeptes. In: MTZ 55 (1994) 12
[4] Dong, X.: Öffnungsquerschnitt von Ventilen. In: MTZ 46
zial zur Senkung der CO2-Emissionen auf [24]. In den
(1985) 6
nächsten Jahren ist wohl mit diesen Maßnahmen zu [5] Schäfer, F.; Barte, S.; Bulla M.: Geometrische Zusammenhänge
rechnen, wenn die CO2-Gesetzgebung sich weiter an Zylinderköpfen. In: MTZ 58 (1997) 7/8
verschärft. [6] Eidenböck, T.; Ratzberger, R.; Stastny, J; Stütz, W.: Zylin-
Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt für neue derkopf in Vierventiltechnik für den BMW DI-Dieselmotor. In:
MTZ 59 (1998) 6
Zylinderkopfkonzepte ist die Senkung der Ventil- [7] Krappel, A.; Riedl, W.; Schmidt-Troje, D.; Schopp, J.: Der neue
triebsreibung und die Senkung des Schmierstoffbe- BMW Sechszylindermotor in neuer Hubraumstaffelung und
darfs für die Ventiltriebsbauteile. Untersuchungen an innovativer Leichtbauweise. In: MTZ 56 (1995) 6
7.9 Kurbelwellen 171

[8] N.N.: Becker CAD CAM CAST. Broschüre der Fa. Becker
GmbH CAD CAM CAST, Steffenberg-Quotshausen 2001
[9] Hannibal, W.; Begleitende Entwicklung der Audi-Fünfventil-
Technologie mittels Rechnereinsatz. Wiener Motoren Sympo- 1
sium 1995
[10] Seifert, H.: 20 Jahre erfolgreiche Entwicklung des Programm-
systems PROMO. In: MTZ 51 (1990) 11
[11] Dirschmid, W.; Schober, M.: Computersimulation in der Ven-
tiltriebsauslegung. In: MTZ 57 (1996) 4
[12] Nefischer, P.; Blumenschein, S.; Keber, A.; Seli, B.: Verkürzter 2
Entwicklungsablauf beim neuen Achtzylinder-Dieselmotor von
BMW. In: MTZ 60 (1999) 10
[13] Scheeren, H. W.; Koreneef, A.; Fuchs, H.: Herstellung von
Zylinderköpfen für hochbeanspruchte Diesel- und Ottomotoren.
Vortrag Haus der Technik, 27. Juni 2000, Essen
[14] Hannibal, W.; Metzlaw, A.: Von der Idee zum Produkt. In: Digi- 3
talisierung und Flächenrückführung in der CAD-Prozesskette.
Zeitschrift QZ, Qualität und Zuverlässigkeit, 46 (2001) 7
[15] Fortnagel, M.; Doll, G.; Kollmann, K.; Weining, H.-K.: Aus
Acht mach Vier: Die neuen V8-Motoren mit 4,3 und 5l Hub-
raum. In: Sonderausgabe MTZ, Mercedes-Benz S-Klasse 1998
[16] Dorenkamp, R.; Hadler, J.; Simon, B.; Neyer, D.: Der Vierzy- 4
linder-Pumpe-Düse-Motor von Volkswagen. In: Sonderausgabe
der MTZ (1999)
[17] Aschoff, G.; Ebel, B.; Eissing, S.; Metzner, F.: Der neue V6-
Vierventilmotor von Volkswagen. In: MTZ 60 (1999) 11
[18] Fuoss, K.; Hannibal, W.; Paul, M.: Mehrzylinder-Brennkraft-
maschine. Patentanmeldung DE 34 44 501, Deutsches Patentamt 5
München, 1993
[19] Klos R.: Aluminium Gusslegierungen. Die Bibliothek der Tech-
7
nik, Nr. 116. Landsberg: Verlag moderne industrie, 1995 6
[20] N.N.: Ansicht eines Mitsubishi-Galant-Motors. Prospekt der Fa.
Mitsubishi Japan, 2001
[21] Krebs, R.; Böhme, J.; Dornhöfer, R.; Wurms, R.; Friedmann, K.;
Helbig, J; Hatz, W.: Der neue Audi 2,0T FSI Motor – Der erste
direkteinspritzende Turbo-Ottomotor bei Audi. 15. Wiener Mo-
torensymposium 2004
[22] Klaus, B.: Die Valvetronic der 2. Generation im neuen BMW-
Reihen-Sechszylindermotor. VDI-Tagung in Stuttgart, 15. und
16. September 2004
[23] Jägerbauer E.; Fröhlich K.; Fischer H.: Der neue 6,0 1-Zwölf-
zylindermotor von BMW. In: MTZ 64 (2003) 7/8
[24] Schmitt, S.: Potentiale durch Ventiltriebsvariabilität auf der Aus-
lassseite am drosselfrei betriebenen Ottomotor mit einstufiger Bild 7-119 Funktionselemente einer Kurbelwelle,
Turboaufladung. Dissertation, TU Kaiserlautern, 2011 schematische Darstellung: 1 = Flansch, 2 = Pleuel-
[25] Hannibal, W.; Haas, M.: Ventilsteuerungen von Verbrennungs- lager, 3 = Gegengewicht, 4 = Hauptlager/Passlager,
motoren: Trends und deren historischer Hintergrund. Vortrag
Internationaler Motorenkongress 2014, Antriebstechnik im
5 = Ölkanäle, 6 = Hohlradien, 7 = Anlaufbunde
Fahrzeug, 18.02.2014
Nutzdrehmoment an der Kurbelwelle umgewandelt.
Die Funktionselemente einer Kurbelwelle sind sche-
7.9 Kurbelwellen matisch in Bild 7-119 dargestellt. Durch die Belas-
7.9.1 Funktion im Fahrzeug tung, mit sich zeitlich und örtlich ändernden Kräften,
mit Dreh- und Biegemomenten sowie die daraus
Trotz der Notwendigkeit, die durchschnittlichen CO2-
resultierenden Schwingungsanregungen unterliegt die
Emissionen zu reduzieren, und der damit verbunde-
nen Anstrengungen alternative Antriebe zu entwi- Kurbelwelle hohen und sehr komplexen Beanspru-
ckeln, dominiert im Kraftfahrzeug nach wie vor der chungen.
Verbrennungsmotor, vorzugsweise als Hubkolbenmo-
tor. Das wird auch die nächsten Jahre so bleiben. Um 7.9.1.2 Anforderungen
die Emissionsziele zu erreichen werden durch das Die Lebensdauer einer Kurbelwelle wird beeinflusst
sogenannte Downsizing und den Einsatz von Hybrid- durch:
antrieben verstärkt aufgeladene Motoren mit einer
niedrigeren Zylinderanzahl verwendet. a) Biegewechselfestigkeit (Schwachstellen im Über-
gang Lagersitz zur Wange)
7.9.1.1 Kurbelwellen im Hubkolbenmotor b) Torsionswechselfestigkeit (Schwachstellen häufig
Über die Kröpfung der Kurbelwelle werden die die Ölbohrungen)
Bewegungen der oszillierenden Kolben über die c) Torsionsschwingungsverhalten (Steifigkeit, Ge-
Pleuelstange in eine Drehbewegung mit einem räusche)
172 7 Motorkomponenten

d) Verschleißfestigkeit, zum Beispiel der Kurbelwel- 7.9.2.1Verfahren und Werkstoffe


lenhauptlager
e) Verschleiß von Wellendichtringen (undicht, Aus- Kurbelwellen werden gegossen oder geschmiedet.
tritt von Motorenöl). Die Anteile der einzelnen Herstellverfahren für das
Jahr 1993 sind in Bild 7-120 zu erkennen. In den
Um die Motoreffizienz zu erhöhen, geht der Trend zu letzten Jahren hat der Anteil an geschmiedeten Wel-
aufgeladenen Motoren mit hohem Drehmoment und len in Europa durch die steigenden Bedarfe an Die-
niedrigerer Zylinderzahl, die bereits bei niedrigen selmotoren und durch den Entwicklungstrend zu
Drehzahlen hohe Momente abgeben. In diesen Moto- höheren Drehmomenten zugenommen.
ren wird die Kurbelwelle in allen oben erwähnten Die Notwendigkeit zur Reduktion des CO2-Ausstoßes
Belangen ungleich höher beansprucht als in konventi- und damit des Kraftstoffverbrauches wird mehr und
onellen Saugmotoren. mehr auch beim Benzinmotor zu aufgeladenen Moto-
Neben dem Drehmoment ist die Motorausführung ein ren führen, die zurzeit ebenfalls bevorzugt mit ge-
entscheidendes Kriterium für die Belastung der Kur- schmiedeten Wellen ausgerüstet werden.
belwelle. Bei gleicher Motorleistung sind zum Bei-
spiel: V6-Kurbelwellen in der Regel deutlich höher Gießen
belastet als R6-Kurbelwellen [14].
Zur Herstellung von gegossenen Kurbelwellen gibt es
verschiedene Verfahren, die aus Bild 7-121 zu ent-
7.9.2Herstellung und Eigenschaften
nehmen sind.
2012 wurden in Westeuropa 14,7 Millionen Perso- Aus der Bewertung der verschiedenen Verfahren er-
nenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge produziert. geben sich, bedingt durch bessere Maßhaltigkeit,
Die weltweite Produktion betrug 70,5 Millionen Vorteile für das Grünsand IMD-Verfahren [5]. In der
Fahrzeuge. Ein entsprechender Bedarf an Kurbelwel- Praxis vorzugsweise genutzt wird jedoch das Masken-
len wurde benötigt. form-Verfahren. Die Weiterentwicklung der Gieß-

Pkw Geschmiedet Gegossen


Westeuropa 11,3 3,1 8,2
USA 6 0,35 5,65
Japan 8,5 4,75 3,75
Welt 34,1 *) *)

Lkw und Busse Geschmiedet Gegossen


Westeuropa 1,25 0,85 0,4
USA 4,9 4,0 0,9
Japan 2,75 2,1 0,65
Welt 13,1 *) *)
*) Zahlenangabe nicht möglich
Bild 7-120 Kurbelwellen nach Herstellverfahren in Straßenfahrzeugen (in Millionen Stück, Stand 1993) – [1]

Verfahren Lage in der Form Formprozess


Grünsand IMD Liegend Automatische Anlage mit Formkasten
Grünsand Liegend Automatische Anlage mit Formkasten
Maskenform Stehend Croningsandschalen in Boxen mit Stahlkies hinterfüllt
Maskenträger Stehend Cronigsandschalen in Stahl-Stützschalen
Wasserglas-CO2-Prozess Stehend Doppelseitige Formen aus Formautomat, liegend geformt =
1 Paket. Begasung in stehender Lage
SF-Prozess mit Cold Box Sand Liegend Formautomat mit Kasten, Verschleiß-Sand wird erneuert
Lost Foam Stehend Styropor Modell in Boxen, mit Sand hinterfüllt

Bild 7-121 Übersicht über Gießverfahren zur Herstellung von Kurbelwellen


7.9 Kurbelwellen 173

verfahren [2] erfolgt in Richtung Near-Net-Shape- die Schrägen im Wangenbereich können enger spe-
Geometrie hochfeste und härtere Gusswerkstoffe und zifiziert werden. Auf die Bearbeitung von Wan-
die Herstellung von Ölkanälen im Gusszustand. genpartien kann vielfach sogar verzichtet werden.
x Gusswerkstoffe haben gegenüber Stahl einen nie-
Schmieden drigeren E-Modul. Gegossene Kurbelwellen wei-
In Deutschland haben sich auf geschmiedete Kurbel- sen bei gleichem Bauraum dadurch eine niedrigere
wellen für Straßenfahrzeuge zwei Unternehmen kon- Steifigkeit auf.
zentriert [1]. 1993 betrug in Westeuropa der Anteil an x Durch den niedrigeren E-Modul und die nie-
geschmiedeten Wellen 28 %. Aus technologischen drigere Dichte von Eisenguss sind Eigenfrequenz-
Gründen nimmt der Trend zu geschmiedeten Wellen unterschiede zwischen gegossenen und geschmie-
zu. deten Kurbelwellen von ca. 6 % zu erwarten.
Kurbelwellen für Pkw-Motoren erreichen ihre Be- x Gegossene Kurbelwellen weisen, bedingt durch
triebsfestigkeit durch die Grundfestigkeit des Werk- die Oberflächenstruktur des Eisengusses (freige-
stoffs und durch Nachbehandlung im endnahen Zu- legte Sphärolithen), ein verändertes Verschleiß-
stand (Wärmebehandlung, Oberflächenverfestigung). verhalten gegenüber Stahl auf [7]. Neue Unter-
Bei Schmiedewerkstoffen steht neben dem höheren suchungen haben gezeigt, dass die Entfernung von
E-Modul vor allem auch eine höhere Grundfestigkeit Sphärolithendeckeln zu einem besseren Ver-
zur Verfügung. schleißverhalten (niedrigerer Reibungskoeffizient)
gegenüber Stahl im Mischreibungsbereich führt
Unterschiede gegossener Kurbelwellen [22]. Grund dafür ist die Entstehung von
gegenüber geschmiedeten Mikroöltaschen.

x Gegossene Kurbelwellen sind erheblich kosten-


günstiger als geschmiedete. 7.9.2.2 Werkstoffliche Eigenschaften
x Gusswerkstoffe sprechen sehr gut auf Oberflä- von Kurbelwellen
chenbehandlungsverfahren zur Steigerung der Die Eigenschaften von Kurbelwellenwerkstoffen zei-
Schwingfestigkeit an. So kann beispielsweise die gen die Bilder 7-122 und 7-123.
Biegewechselfestigkeit durch Festwalzen der Ra- Die Entwicklung von Schmiedestählen für Kurbel-
dien im Übergangsbereich Zapfen/Wangen erheb-
wellen geht in Richtung AFP-Stähle (das heißt
lich gesteigert werden.
ausscheidungshärtende ferritisch-perlitische Stähle)
x Gegossene Kurbelwellen sind hohl ausführbar,
[13, 17]. Diese Stähle müssen nicht vergütet werden,
hierdurch ist eine Gewichtsreduktion von 10 bis
damit sie ihre Grundfestigkeit erreichen.
20 % möglich.
Der ferritisch-perlitische Gusswerkstoff GJS-700-2
x Gegossene Kurbelwellen bieten bei gleicher Aus-
führung gegenüber Stahl einen Gewichtsvorteil wird üblicherweise bei Kurbelwellen eingesetzt.
von circa 8 %, bedingt durch die geringere Dichte Hinsichtlich der Härtestreubänder haben die Moto-
des Gusseisens mit Kugelgraphit. renhersteller zum Teil werkseigene Spezifikationen.
x Generell ist die Bearbeitung der gegossenen Kur- Neue Entwicklungen gehen ebenfalls in Richtung
belwellen besser. Es kann mit geringeren Zerspa- Erhöhung der Grundfestigkeit und der Optimierung
nungszugaben gearbeitet, die Formteilungsgrate der Nachbehandlung, ohne die übrigen Eigenschaften
sind kleiner und müssen nicht mehr verputzt und negativ zu beeinflussen [16].

Stahl Zugfestigkeit Dehngrenze Bruch- Zerspan- Potenzial der Nachbehandlung


dehnung barkeit
Rm [N/mm2] Rp0.2 [N/mm2] A [%] Nitriert Gewalzt/ Induktiv
Rolliert gehärtet
C38+N2++ 780 – 900 >450 >12 gut gut gut sehr gut
C38mod++ 820 – 1.000 >550 >12 gut gut gut sehr gut
37Cr4 880 – 1.030 >620 >11 anspruchsvoll gut gering sehr gut
37Cr4V 850 – 950 >650 >14 anspruchsvoll gut gering sehr gut
42CrMo4V 980 – 1.100 >850 >12 anspruchsvoll gut gering sehr gut
++
Bezeichnung Gerlach-Werke in BY-Qualität (BY = aus Schmiedehitze gezielt abgekühlt: Zur Erreichung der Grundfestigkeit keine weitere
Wärmebehandlung erforderlich)

Bild 7-122 Eigenschaften von Stahl-Schmiedewerkstoffen für Kurbelwellen [14]


174 7 Motorkomponenten

Guss Zug- Dehn- Bruch- Härte Zerspan- Potenzial der Nachbehandlung [14]
festigkeit grenze dehnung HB 30 barkeit
Rm Rp0.2 A [%] Nitriert Gewalzt/ Induktiv
[N/mm2] [N/mm2] Rolliert gehärtet

GJS-600-3 600 370 3 200 – 250 sehr gut gut sehr gut gering

GJS-700-2 700 420 2 230 – 280 sehr gut gut sehr gut gut

GJS-800-2 800 500 2 250 – 300 gut gut sehr gut gut

Bild 7-123 Eigenschaften von Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS); minimale Werte nach DIN EN 1563 für
Wandicken < = 30 mm

7.9.3 Leichtbau und Verfahren 7.9.3.2 ADI Austempered Ductil Iron


zur Steigerung der Festigkeit (ausferritisches Gusseisen)
Für die Erhöhung der Grundfestigkeit von Gussei-
Grundsätzlich besteht der Trend, dass bei gleicher
senwerkstoffen bietet sich die Umwandlung in ein
Leistung die Baugrößen der Motoren kleiner werden. austenitisch-ferritisches Gefüge an. Dieser Werkstoff
Zur Gewichtsreduktion werden verstärkt Leichtmetal- wird durch ein zusätzliches Wärmebehandlungsver-
le für Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe eingesetzt. fahren hergestellt und besitzt Eigenschaften (Bild
Bei der Kurbelwelle versucht man durch Reduktion 7-125), wie hohe Festigkeit, gute Dehnung, hohe Här-
und Geometrie-Optimierung der Gegengewichte, Re- te aber schlechtere Bearbeitbarkeit.
duktion von Pleuel- und Grundlagerdurchmesser und Neben den erheblich höheren Kosten ändert auch eine
hohlgebohrte Pleuelzapfen das Leichtbaupotenzial zu Fertigung im „Endnahen Zustand“ [2] nichts am
nutzen. [23] Grundproblem eines Gusswerkstoffes mit Kugelgra-
Dadurch werden einerseits die Anforderungen an die phit: Der Elastizitätsmodul kann durch die Wärmebe-
Kurbelwelle höher, andererseits lassen die Platzver- handlung zur Erzielung hoher Festigkeiten nicht über
hältnisse immer weniger Spielraum für ein werkstoff- die Werte des normalen GJS erhöht werden.
und herstellungsgerechtes Design.
7.9.3.3 Erhöhung der Bauteilfestigkeit
7.9.3.1 Hohlgegossene Kurbelwellen durch Nachbehandlung
Generell sind gegossene Kurbelwellen, bei vergleich- Die statischen Eigenschaften sagen wenig über die
barem Design, bedingt durch die niedrigere Dichte Lebensdauer einer Kurbelwelle aus. Die Bauteilfes-
rund 10 % leichter als geschmiedete. Hohl ge- tigkeit, geprägt durch eine ausreichende Schwing-
gossene Kurbelwellen bieten die Möglichkeit, das festigkeit, wird sowohl bei Guss als auch bei Stahl
Gewicht zusätzlich um weitere 10 bis 20 % zu redu- erst durch Nachbehandlungsverfahren erreicht (Bild
zieren (Bild 7-124). 7-126). Vor allem die kritischen Radien der Pleuel-

Bild 7-124 Gegossene Kurbelwelle eines Vier-Zylinder-Motors aus GJS-600-3 (links vollgegossene, 12 kg
schwere Ausführung, rechts hohle, 10,6 kg schwere Ausführung)
7.9 Kurbelwellen 175

Werkstoff- Zugfestigkeit 0,2-%-Dehngrenze Bruchdehnung Härte HB 30


Kurzzeichen Rm [N/mm²] Rp0.2 [N/mm2] A [%] (Richtwerte)
EN-GJS-800-10 •800G •500G •10G 250 bis 310
EN-GJS-900-8 •900 •600 •8 280 bis 340
EN-GJS-1050-6 •1050 •700 •6 320 bis 380
EN-GJS-1200-3 •1200G •850G •3G 340 bis 420
EN-GJS-1400-1 •1400G •1100G •1G 380 bis 480
Bild 7-125 Mechanische Eigenschaften von ausferritischem (boinitischem) Sphäroguss (ADI) nach DIN EN 1564

Schwingfestigkeit von Kurbelwellen

Wechselfestigkeit 0
mit festgewalzten
Radien
Schwellfestigkeit mit induktionsgehärteten
0
Zapfen und Radien
200
gehärtet ohne ohne mit verfestigungs-
gehärtet mit
± a (N/mm2, Biege-Nennspannung)

jonitriert gestrahlten Radien


Ertragbare Schwingbeanspruchung

Oberflächen- Oberflächen- festgewalzten


behandlung behandlung Radien
150

100

50

0
Ck-45 GJS-700-2 GJS-400-18 GJS-700-2 GJS-700-2 GJS-700-2 Ck-45

Bild 7-126 Einfluss der Nachbehandlung auf die Schwingfestigkeit von Kurbelwellen

und Hauptlager müssen durch ein Verfahren zur Fertigungsablauf integrierbar sind und die Entsor-
Steigerung der Festigkeit für den betrieblichen Ein- gung der Salze schwierig ist.
satz ertüchtigt werden. Kugelkalibrieren
Festwalzen von Radien Mit diesem Verfahren lässt sich die Torsionswechsel-
Das Rollen der Radien ist das bei Guss und Stahlkur- festigkeit durch Verfestigen der Ölbohrungen in den
belwellen übliche Verfahren [9 – 12] zur Steigerung Lagerzapfen erhöhen. Zu beachten gilt es, dass die
der Biegewechselfestigkeit von Kurbelwellen. Dabei Nachbehandlungsverfahren für jeden Werkstoff opti-
werden im Übergang Lagerzapfen/Wangen Druck- miert werden müssen. Bei einer Werkstoffumstellung
Eigenspannungen aufgebracht, die in diesem hoch muss dies berücksichtigt werden.
beanspruchten Bereich die Dauerfestigkeit erheblich 7.9.3.4 Kombination Werkstoffentwicklung/
erhöhen. optimiertes Festwalzen
Induktives Härten Radien mit/ohne Zapfen In den letzten Jahren wurden viele Anstrengungen
Dieses Verfahren wird zum Teil bei Kurbelwellen für unternommen, die Lebensdauer von Sphärogussteilen
Dieselmotoren angewandt, um die Schwing- und durch lokale Maßnahmen zur Festigkeitssteigerung
Verschleißfestigkeit des Lagerzapfens zu erhöhen. Es zu erhöhen [16]. So wurde aufgezeigt, dass durch
ist auch eine Kombination induktives Härten – Ra- Einsatz verbesserter Sphärogusswerkstoffe und opti-
dienrollen möglich [9]. mierte Festwalzparameter der Radien mit Sphäro-
guss-Kurbelwellen die Schwingfestigkeitswerte von
Nitrieren Stahlschmiedewellen erreicht beziehungsweise sogar
Auch über dieses Verfahren können Druckeigenspan- übertroffen werden können (Bild 7-127). Auch in der
nungen im Zapfen und Radienbereich aufgebracht Simulationstechnik sind weitere Fortschritte erzielt
werden, die die Dauerwechsel- und Verschleißfestig- worden [21]. So ist es mittlerweile möglich, die Ei-
keit erhöhen. Nitrierverfahren werden heute aller- genspannungsverteilung in gehärteten Kurbelwellen-
dings kaum mehr angewandt, da sie nicht in den Lagerbereichen numerisch zu simulieren.
176 7 Motorkomponenten

Bild 7-127 Einfluss


des Rollierens auf
die Biegewechsel-
festigkeit einer
Kurbelwelle für
einen Vierzylinder-
dieselmotor mit
1,9- l-Hubraum
(Vergleich Sibodur
700-10 mit Schmie-
destahl) [16]

7.9.4 Berechnung von Kurbelwellen


Für die Auslegung von Kurbelwellen ist das Know-
how über die Werkstoffkenndaten und die Möglich-
keit der Beeinflussung durch Nachbehandlung von
entscheidender Bedeutung. Zusätzlich hilft die konti-
nuierliche Weiterentwicklung vom FEM- und Mehr-
körpersimulationsprogrammen eine gewichtsopti-
mierte Auslegung von Kurbelwellen zu erreichen.
Mit einem integrierten Simulationsprozess sind
sowohl Dynamik- und Akustikanalysen als auch
Lebensdauerbewertungen möglich.
Der Ablauf des integrierten Simulationsprozesses [15]:
x Die Kurbelwelle wird als linear elastische Struktur
berücksichtigt. Die auftretenden nichtlinearen Be-
wegungen und nichtlinearen Kopplungen zwi-
schen den Bauteilen werden innerhalb der Mehr- Bild 7-128 MKS-Modell mit flexibler Kurbelwelle
körpersimulation (MKS) behandelt (Bild 7-128). und EHD-Lagermodell

780.0 1.0

702,4 0.9

624.8 0.8

547.2
Normalisierte Amplitude

0.7
Frequenz [Hz]

469.6 0.6

391.9 0.5

314.3 0.4

236.7 0.3

159.1 0.2

81.5 0.1

3.9 0.0
1020.7 1306.6 1592.4 1878.3 2164.1 2450.0 2735.9 3021.7 3307.6 3593.4 3879.3
Bild 7-129 Campbell-
Drehzahl [U/min]
Diagramm eines Motor-
hochlaufs
7.10 Ventiltriebskomponenten 177

Die dynamischen Eigenschaften des Schmierfilms [4] Nickel, F.: ISAD der integrierte Starter – Alternator – Dämpfer,
Tagung Motor und Umwelt 98. In: AVL Graz, S. 175 – 182
in den Hauptlagern des Kurbeltriebs werden mit- [5] Becker, E.; Hornung, K.: Projekt 78274 Kurbelwellenfertigung
hilfe des elastohydrodynamischen Ölfilmmodels im Masken- oder Grünsandverfahren. Georg Fischer F&E
(EHD) abgebildet und in die MKS eingebunden. Berichte Aug. 85, Sept. 85
Mit der MKS wird ein instationärer Motorhoch- [6] Gusseisen mit Kugelgraphit – ein duktiler Werkstoff von Georg
Fischer. Georg Fischer, Technisches Merkblatt über Herstellung
lauf simuliert. Dabei wird der gesamte Drehzahl- und Eigenschaften von GJS, 08/93
bereich durchfahren, so dass alle auftretenden [7] Engel, U. et al.: Influence of Micro Surface Structures of Nodu-
Systemresonanzen durchfahren werden können. lar Cast Iron Crankshafts on Plain Bearing Wear. SAE Technical
Mittels Campbell-Diagrammen von relevanten Paper Series, 880097. Detroit Michigan USA, March 4, 1988
[8] Hornung, K.; Mahnig, F.: Beanspruchungsgerechte Gestaltung
Messgrößen (Bild 7-129) erhält man detaillierte und anwendungsbezogene Eigenschaften von Gussteilen, Georg
Informationen über mögliche auftretende Effekte Fischer, Technisches Merkblatt, 8/87
(Biege- und/oder Torsionsschwingungen, Schwung- [9] Heuler, P. et al.: Steigerung der Schwingfestigkeit von Bauteilen
aus Gusseisen mit Kugelgraphit. In: ATZ 94 (1992), Nr. 5,
radtaumeln etc.)
S. 270 – 281
An die dynamische Simulation folgt die Lebens- [10] Fuchsbauer, B.: Untersuchungen zur Schwingfestigkeitsoptimie-
dauervorhersage. Als Spannungsdatensätze dienen rung bauteilähnlicher Proben unterschiedlicher Größe durch
Festwalzen, Dissertation. TH Darmstadt, 1983
die Spannungsverteilungen der einzelnen Modefor- [11] Albrecht, K. H. et al.: Optimierung von Kurbelwellen aus Guss-
men (modale Spannungen) aus Finite-Elemente-Ana- eisen mit Kugelgraphit. In: MTZ 47 (1986) 7/8, S. 277 – 283
lyse (FEA). Das Ergebnis ist die Drehzahlabhängig- [12] Sonsino, G. M. et al.: Schwingfestigkeit von festgewalzten, in-
duktionsgehärteten sowie kombiniert behandelten Eisen-Graphit-
keit gegen Dauerbruch (Bild 7-130).
Gusswerkstoffen unter konstanten und zufallsartigen Belastun-
gen. In: Gießereiforschung 42 (1990) 3, S. 110 – 121
[13] Hagen, W. W.: Neuere Entwicklungen bei geschmiedeten Kraft-
fahrzeug-Kurbelwellen. Schmiede-Journal, Sept. 2001, S. 14 – 17
Maximale Sicherheit gegen Dauerbruch

[14] Götz, C.: Wärmebehandlungskriterien bei der Werkstoffauswahl


für Kurbelwellen. In: MTZ 2/2003, S. 134 – 139
[15] Prandstötter, M.; Riener, H., Steinbatz, M.: Simulation of an En-
gine Speed-Up Run: Integration of MBS-FE-EHD-Fatigue.
ADAMS User Conference 2002, London
[16] Menk, W.; Kniewallner, L.; Prukner, S.: Neue Perspektiven im
Fahrzeugbau – Gegossene Kurbelwellen als Alternative zu ge-
schmiedeten. In: MTZ 05/2007, S. 384 – 388
[17] Muckelbauer M.; Arndt, J.: Schmiedeteile behaupten sich er-
folgreich im Technologiewettbewerb. In: Schmiede-Journal,
März 2008, S. 36 – 38
instationär [18] Fröschl. J.; Achatz, F.; Rödling, S.; Decker, M.: Innovatives
stationär Bauteilprüfungskonzept für Kurbelwellen. In: MTZ 9/2010
[19] Krivachy, R.; Linke, A.; Pinkernell, D.: Numerischer Dauer-
1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000
festigkeitsnachweis für Kurbelwellen. In: MTZ 6/2010
[20] Gümpel, P.; Wägner, M.: Harte und verschleißfeste Randschich-
Drehzahl der Kurbelwelle [U/min]
ten auf korrosionsbeständigen Stählen. In: MTZ 9/2010
[21] Tunzini, S.; Menk, W.; Weid, D.; Honsel, C.: Techniken und
Bild 7-130 Beispiel einer Verteilung der minimalen Simulationsmöglichkeiten zur lokalen Verfestigung von Sphäro-
Dauerbruchsicherung über Drehzahl gussteilen. In: Giesserei-Rundschau 58 (2011), S. 210– 213
[22] Summer, F.; Grün, F.; Schiffer, J.; Gódor, I.; Papadimitriou,
I.: Tribological performance of forged steel and cast iron crank-
Besonders bei hochdrehenden Motoren, wo immer shafts on model scale. 5th world tribology congress, Torino,
wieder dynamische Effekte entscheidenden Einfluss September 8– 13, 2013
[23] Hadler, J.; Neußer; H.-J.; Möller, R. N.: Der neue TSI. 33. Inter-
auf die Bauteilsicherheiten haben, erhält man durch nationales Wiener Motorensymposium 2012, S. 58– 59
den integrierten Simulationsprozess ein effizientes
Entwicklungstool um frühzeitig Schwachstellen zu
erkennen. Es ist möglich, bereits in einem frühen 7.10 Ventiltriebskomponenten
Stadium der Entwicklung Varianten- und Werk-
stoffvergleiche durchzuführen oder eine Abstim-
7.10.1 Standard-Ventiltrieb
mung von Anbauteilen vorzunehmen (zum Beispiel: In den vergangenen Jahren hat sich bei Pkw-Motoren
Torsionsdämpfer). ein Trend zu obenliegenden Nockenwellen (overhead
camshaft = OHC und double overhead camshaft =
Literatur DOHC) entwickelt, wobei Motoren mit untenliegen-
[1] Adolf, W.: Wer an Leichtbau denkt, kommt an einer Stahlkur- den Nockenwellen (overhead valve = OHV) gerade
belwelle nicht vorbei. In: Schmiede-Journal, März 94, S. 13 – 16 bei großvolumigen V-Motoren nach wie vor Anwen-
[2] Heck, K. et al.: Herstellen von Endmaßen-Gusskurbelwellen – dung finden. Der Grund für die Entwicklung von
Innovative giesstechnologische Entwicklung. In: Konstruieren
und Gießen 23, Nr. 3 1998, S. 4 – 12
Motoren mit obenliegenden Nockenwellen liegt in
[3] IMC Consultants, IMC, Bericht für Georg Fischer/DISA Ana- dem Bestreben, für Motoren hoher Leistung noch
lysis of alternative strategies designed to increase market share drehzahlfestere Ventiltriebe bereitzustellen. DOHC-
of the magnesium converter, may 1998 Konzepte geben dem Konstrukteur die Möglichkeit,
178 7 Motorkomponenten

Bild 7-132 Mechanischer Tassenstößel mit gestufter


Bild 7-131 Hydraulischer Tassenstößel Bodenstärke

mittels Nockenwellenverstellern die Steuerzeiten von Hinsichtlich Servicearbeiten (Ventilspieleinstellung)


Einlass- und/oder Auslassnockenwellen unabhängig sind Tassen mit obenliegender Einstellscheibe (Bild
voneinander zu steuern. OHV- und OHC-Konzepte 7-133) vorzuziehen, da bei dieser Bauform eine De-
zeichnen sich durch kompakte Bauformen und kos- montage der Nockenwelle nicht unbedingt erforder-
tengünstige Herstellung aus. lich ist. Diese sind allerdings deutlich schwerer
Im Bereich der Dieselmotoren für Nutzkraftfahrzeuge und benötigen einen größeren Einbauraum als erst
zeichnet sich ein Trend zu 4-Ventil-Konzepten ab. genannte Tassen (bei gleicher Ventilerhebung). Die
Kipphebel beziehungsweise Doppel-Kipphebel mit Grundkörper der Tassenstößel bestehen aus umform-
mechanischer Einstellung des Ventilspiels, die von barem Stahl. Es sind nur zwei Anwendungsfälle mit
untenliegenden Nockenwellen über Stößelstangen – Aluminium bekannt (TOYOTA Lexus V8, Jaguar V6
wie bei den 2-Ventil-Anordnungen – angetrieben und V8). Die Scheiben sind zumeist aus durchhärtba-
werden, übernehmen die Betätigung der Ventile. rem Stahl hergestellt. Mit Grundkörpern aus tiefge-
Für die kleineren Nutzfahrzeugmotoren, die ohne den zogenem Stahlblech und kleinen Hydraulikelementen
Motorbremsbetrieb auskommen, werden neben OHV-
(AD: 11 mm) erreichen hydraulische Tassenstößel
auch OHC-Konzepte eingesetzt – zunehmend mit
sehr niedrige Massen, die bei gleichem Nockenkon-
hydraulischem Ventilspielausgleich.
taktdurchmesser das Gewicht von mechanischen
7.10.1.1 Ventiltriebe mit direktem Antrieb Tassen mit „topshin“ deutlich unterschreiten.
In diese Kategorie fallen Ventiltriebe mit hydrauli-
schen (Bild 7-131) oder mechanischen Tassenstößeln
sowie sogenannte „Brücken“-Lösungen, wobei säu-
lengeführte Elemente die Bewegung von mehreren
Ventilen durch direkte Betätigung einer Nockenwelle
übernehmen. Eine Unterbauart der letztgenannten
Lösung stellt die Brücke dar, die auf zwei hydrau-
lische Tassenstößel aufgelegt wird (Opel-DI-Diesel-
Motoren).
Der direkte Antrieb bietet stets sehr gute Steifigkeits-
werte bei relativ niedrigen bewegten Massen. Dies ist
die Voraussetzung für ein unproblematisches Ventil-
triebsverhalten auch bei sehr hohen Drehzahlen (Kon-
taktkraftverlust, vorzeitiges Ventilaufsetzen). Somit
lassen sich gerade mit Tassenstößeln effiziente und
hochdrehende Motoren verwirklichen.
Um geringe bewegte Massen zu erreichen, werden
unter den mechanischen Tassenstößeln vorzugsweise
Tassen mit gestufter Bodenstärke (Bild 7-132) oder Bild 7-133 Mechanischer Tassenstößel mit obenlie-
solche mit untenliegenden Einstellscheiben verwendet. gender Einstellscheibe
7.10 Ventiltriebskomponenten 179

Der Gleitkontakt zum Nocken erfordert eine sorgfäl-


tige Bearbeitung der Nockenwelle – am vorteilhaftes-
ten erweist sich ein Stein-Finishen nach dem
Nockenschleifen. Darüber hinaus muss auch der
Nockenwellenwerkstoff auf den Belastungsfall abge-
stimmt sein, um Verschleiß zu vermeiden. Als beson-
ders vorteilhaft erweisen sich Schalenhartgussno-
ckenwellen sowie Nockenwellen aus an der Oberflä-
che umgeschmolzenem Grauguss. Um ein gleichmä-
ßiges Einlaufen der Nockenkontaktfläche zu erzielen,
soll der Tassenstößel beziehungsweise die Scheibe
rotieren. Dies wird erreicht durch einen Versatz des
Nockens zur Scheibe (in Richtung der Nockenwel-
lenachse) beziehungsweise durch einen Versatz plus
Schrägschliff des Nockens bei Kontakt des Nockens
mit dem Stößel selbst. Tassenstößelventiltriebe und
hier gerade die mechanischen liefern bei DOHC-
Anwendungen den Vorteil geringer Bauhöhe des
Zylinderkopfs. Tassenstößel finden sich in vielen un-
terschiedlichen Anwendungsfällen – 2- beziehungs-
weise 4-Ventil-Benzin- und Dieselmotoren. Bild 7-134 Rollenschlepphebel mit hydraulischem
Ein Tassenstößel mit einem speziellen Hydraulikele- Abstützelement
ment, das entwickelt wurde, um Kontaktkraftüberhö-
hungen während der Grundkreisphase zu eliminieren, Riementrieb. Massenträgheitsmoment und Steifigkeit
findet in allen Pumpe-Düse-Diesel-Motoren des hängen sehr stark von der Bauform des Hebels ab.
Volkswagen-Konzerns Anwendung. Kurze Hebel ermöglichen kleine Massenträgheits-
momente mit geringeren auf die Ventilseite reduzierte
7.10.1.2 Ventiltriebe mit indirektem Antrieb Massen als Tassenstößel. In der Gesamtheit betrach-
Zu dieser Gruppe von Ventiltrieben zählen: tet sind Rollenschlepphebel hinsichtlich Steifigkeit
Tassenstößeln unterlegen.
x Schlepphebelventiltriebe mit stationärem Ventil- Das Nockenprofil des Rollen-Schlepphebel-Ventiltriebs
spielausgleichselement; der Schlepphebel ruht auf unterscheidet sich deutlich von dem des Tassenstößel-
dem als Kugel ausgebildeten oberen Ende des ventiltriebs (großer Spitzenradius, kleinerer Nocken-
Hydraulikelements. hub – abhängig vom Übersetzungsverhältnis, konkave
x Kipphebel, die drehbar auf einer Achse gelagert Flanken). Um die Konkavitäten des Nockens so eng zu
sind halten, dass sie großserientechnisch schleifbar bleiben,
x OHV-Konzepte, bestehend aus Nockenfolger werden Ventiltriebsgeometrien bevorzugt, in denen die
(Flach- oder Rollenstößel), Stößelstange und Rolle etwa mittig zwischen Ventil und dem Hydraulik-
Kipphebel. element positioniert wird. Die Nockenwelle liegt dabei
Im Bereich der Schlepphebelventiltriebe gibt es einen oberhalb der Rolle. Diese Anordnung führt dazu, dass
klaren Trend zu Schlepphebeln, die aus Blech umge- die Gefahr des „Aufpumpens“ (siehe hydraulischer
formt werden und im Kontakt zur Nockenwelle eine Ventilspielausgleich) beherrschbar bleibt.
wälzgelagerte Rolle aufweisen. Schlepphebel, die im Diese Konfiguration der gegenüber dem Ventil ver-
Feingussverfahren aus Stahlguss hergestellt werden, setzten Lage des Nockens macht den Schlepphebel
liefern dem Konstrukteur größeren gestalterischen für 4V-DI-Diesel-Motoren interessant, da bei diesen
Freiraum (Steifigkeit, Massenträgheitsmoment). Die Motoren die Ventile parallel oder nur in einem engen
Kostenvorteile des aus Blech hergestellten Schlepp- Winkel zueinander stehen (Bild 7-135). Erst die
hebels sind jedoch so groß, dass Feinguss-Schlepp- Verwendung von Schlepphebeln ergibt ausreichend
hebel nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden (Bild Abstand zwischen den Nockenwellen. Mit Schlepp-
7-134). Der Einsatz einer wälzgelagerten Rolle führt hebeln lassen sich auch „verdrehte“ Ventilanordnun-
im Vergleich zu Gleitflächenschlepphebeln bezie- gen bedienen (zum Beispiel DCC OM 668).
hungsweise Tassenstößel-Ventiltrieben zu einer Re- Anders als Schlepphebel werden Kipphebel an Ach-
duzierung der Reibleistung gerade in dem für die sen geführt. Man unterscheidet Kipphebel, bei denen
Verbrauchsreduzierung relevanten unteren Drehzahl- die Lagerung in der Mitte des Hebels (Bild 7-136)
bereich. Allerdings wird die Reduzierung an Reibleis- erfolgt, und solche, die am Ende gelagert sind, die
tung mit einer deutlichen Verminderung an Dämpfung auch als Schwinghebel bezeichnet werden.
bezüglich Torsionsschwingungen der Nockenwelle er- Bei ersteren ist die Nockenwelle an einem Ende
kauft mit Folgen für den Ketten- beziehungsweise unterhalb des Hebels angeordnet. Die Übertragung
180 7 Motorkomponenten

Bild 7-137 Ansicht und Schnitt eines Aluminium-


kipphebels

schraube zur mechanischen Einstellung des Ventil-


Bild 7-135 Ventiltrieb eines DI-Diesel-Motors mit spiels betätigt (Bild 7-137).
Rollenschlepphebeln [1], Wiener Motorensymposium Um den Kontaktpunkt zwischen Einstellelement und
(2001) Ventil bei der Schwenkbewegung des Hebels stets
auf dem Ventilschaftende zu halten, muss die Kon-
der Nockenbewegung übernimmt eine Gleitfläche taktfläche des Hebels gekrümmt sein. Da sowohl
oder eine Nockenrolle. Um einen niedrigeren Rei- Hydraulikelement wie mechanische Einstellschraube
bungsverlust zu erzielen, werden für moderne nicht richtungsgebunden im Hebel montiert sind, ergibt
Kipphebel meistens nadelgelagerte Nockenrollen ver- sich eine ballige Kontaktfläche am Ventilbetätigungs-
wendet. Das Motorventil wird auf der gegenüberlie- element. Diese geometrische Gestalt führt zu vergleichs-
genden Seite des Hebels über ein hydraulisches weise hohen Flächenpressungen am Ventilschaftende.
Ventilspielausgleichselement oder eine Einstell- Bei zu hohen Flächenpressungen werden Hydraulik-
elemente eingesetzt, die im Kontakt zum Ventil einen
Schwenkfuß aufweisen. Den Kontakt selbst übernimmt
eine annähernd ebene Fläche, während der Schwenk-
fuß eine Bewegung um eine am Hydraulikelement
angebrachte Kugel ausführt (Bild 7-138).
Als Material für die Hebel wird Aluminium, vor-
zugsweise im Druckgussverfahren hergestellt oder
Stahlguss verwendet.
Die Ölversorgung der Hydraulikelemente erfolgt von
der Kipphebelachse aus. Von hier führen Bohrungen im
Kipphebel zu den Hydraulikelementen. Abstützschei-
ben mit engem Führungsspiel, die grundsätzlich in Alu-
miniumhebeln verwendet werden, erlauben das Ent-
weichen der Luft, die zum Beispiel beim Starten des
Motors bis zum Hydraulikelement gelangen kann. Bei
Stahlkipphebeln werden zur Entlüftung entweder sol-
che Scheiben oder sehr kleine Bohrungen verwendet.
Ausgehend von Ölversorgungsbohrungen in der
Kipphebelachse können Bohrungen im Kipphebel zur
Anspritzung der Nockenrolle beziehungsweise der
Bild 7-136 Typischer Kipphebelventiltrieb Nockengleitfläche verwendet werden.
7.10 Ventiltriebskomponenten 181

gen können. Mit Hilfe von Hydraulikelementen wird


das Ventilspiel individuell ausgeglichen.
Sogar Dreifach-Betätigungen sind möglich (Bild
7-139). Audi verwendet für die 3-Einlassventiltriebe
bei den V8-Motoren einen Dreifach-Schwinghebel.
Der Kraftfluss erfolgt von zwei Nocken über zwei
Rollen im Hebel auf drei Hydraulikelemente.
Neben den bisher genannten Lösungen, bei denen der
Kipphebel direkt die Ventile betätigt, finden sich
auch Ventiltriebe mit Kipphebeln, die über säulenge-
führte oder frei bewegliche Brücken zwei Ventile
gleichzeitig bedienen. Bei 4-Ventil-Dieselmotoren
auch mit gedrehter Ventilanordnung ergibt sich so die
Möglichkeit, alle Ventile mit nur einer Nockenwelle
zu betätigen und dabei Raum für die Einspritzdüsen
beizubehalten.
Kontaktradius min. Kontaktradius 15–30 mm Auf Grund der Geometrie der Kipphebel, insbesonde-
105 mm Flächenpressung bei
Flächenpressung bei 1000 N Belastung beträgt re dem großen Abstand zwischen Nockenkontakt und
1000 N Belastung beträgt 2254–1420 N/mm2 Ventilkontakt, der vergleichsweise großen Anzahl
616 N/mm2
von Kontaktstellen und der zusätzlich zu berücksich-
tigenden Achse sind die Steifigkeitswerte niedrig.
Bild 7-138 Hydraulikelemente für Kipphebel mit
Der viel direktere Kraftfluss beim Schwinghebel
Außendurchmesser 11 mm
sorgt für viel bessere Steifigkeitswerte.
Dermaßen ausgebildete Hebel finden in Diesel- und 7.10.1.3 Hydraulischer Ventilspielausgleich
Ottomotoren Anwendung. Mit Kipphebeln ist es Seit sehr langer Zeit ist es das Bestreben der Motor-
möglich, 2-, 3- oder 4-Ventil-Anordnungen zu reali- konstrukteure, die Einstell- beziehungsweise Service-
sieren mit nur einer Nockenwelle. Bei Ventiltrieben arbeiten am Motor so gering wie möglich zu halten.
mit zwei Einlass- oder Auslassventilen können Dop- Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die ersten
pel- oder Zwillingskipphebel eingesetzt werden, die Motoren mit hydraulischem – automatischem – Ven-
mit einem Nocken zwei Ventile gleichzeitig betäti- tilspielausgleich lange vor dem Zweiten Weltkrieg
produziert wurden. Allerdings waren dies groß-
volumige Motoren, die nur mäßige Drehzahlen er-
reichten. Höhere Drehzahlen wurden in den 1970er
Jahren in den Mercedes-Benz V8-Motoren mit hyd-
raulischen Einschraubelementen (Schlepphebel-Sys-
tem) bewältigt. Ein weiterer Meilenstein war in den
1970 er Jahren die Einführung von hydraulischen Tas-
senstößeln im V8-Motor des Porsche 928. Heute wird
der hydraulische Ventilspielausgleich in allen Fahr-
zeugklassen eingesetzt – selbst in hochdrehenden
Motoren wie zum Beispiel Ferrari oder Porsche.
Ein Hydraulikelement besteht aus einem Gehäuse,
das in seinem Inneren einen Kolben mit integriertem
Rückschlagventil aufnimmt. Beide Teile sind zuei-
nander verschiebbar und bilden an der Berührfläche
einen nur wenige Mikrometer großen Leckspalt.
Beide Teile werden durch eine innenliegende Feder
auseinandergedrückt.
Während des Ventilhubs belasten Motorventilfeder
und Massenkräfte das Hydraulikelement. Es entsteht
ein hoher Druck in dem vom Gehäuse und vom Kol-
ben (Rückschlagventil geschlossen) gebildeten Raum.
Durch den sehr engen Leckspalt entweicht eine kleine
Aufnahme für
Hydraulikelement Nockenrollen Menge Öl und wird in den Vorratsraum im Kolben
geführt. In der anschließenden Grundkreisphase
Bild 7-139 Dreifach-Schwinghebel aus dem Audi (Ventil geschlossen) drückt die innenliegende Feder
V8-Motor das Hydraulikelement solange auseinander, bis das
182 7 Motorkomponenten

Ventilspiel wieder vollständig ausgeglichen ist. Der


dabei entstehende Differenzdruck lässt das Rück-
schlagventil öffnen und die für den Ausgleichsvor-
gang notwendige Menge Öl nachströmen. Somit sind
Längenänderungen des Hydraulikelementes in beiden
Richtungen möglich.
Die Vorzüge des hydraulischen Ausgleichs sind:
x einfache Zylinderkopfmontage (Keine Mess- be-
ziehungsweise Einstellarbeiten, da das Hydraulik-
element alle Toleranzsituationen ausgleicht)
x servicefrei
x Steuerzeitenkonstanz in allen Betriebspunkten zu
jeder Zeit (Keine Änderung der Steuerzeiten
infolge thermischer Effekte oder Verschleiß der
Ventiltriebskomponenten)
x geringes Geräuschniveau (durch niedrige Öff-
nungs- und Schließrampen an der Nockenwelle
und niedrige Öffnungs- und Schließgeschwindig-
keiten).
Bild 7-140 Schaltbarer Tassenstößel
Um dies zu erreichen, wurden bestimmte Anforde-
rungen an den Ölkreislauf gestellt (Öldruck, Ver- Die Vorteile der mechanischen Ventilspieleinstellung
schäumung) und eine Bearbeitung des Nockengrund- (gegenüber vergleichbaren Ventiltriebskomponenten
kreises mit kleinen Formtoleranzen gefordert. Bei mit hydraulischem Spielausgleich) sind:
unzureichender Ölversorgung können die Elemente x höhere Steifigkeit
kompressibel werden (Luft in Hochdruckraum). Dies x geringere Reibungsverluste (durch Entfall Grund-
führt zu Ventilhubverlusten mit der Folge von Geräu- kreisreibung und geänderte Motorenventilfeder-
schen oder Änderungen des dynamischen Verhaltens charakteristik)
bei hohen Drehzahlen. Kontaktkraftverluste werden x geringere Bauteilkosten.
vom Hydraulikelement als Spiel erkannt und können
zu einer ungewollten Verlängerung des Elements 7.10.1.5 Variable Ventiltriebe
führen mit der Folge von offenstehenden Ventilen. Aufbauend auf den bereits (Kapitel 7.10.1.1 bis
7.10.1.4) erläuterten Systemen kann der Notwendig-
7.10.1.4 Mechanische Ventilspieleinstellung keit der Motorenkonstrukteure und dem Wunsch der
Die Einstellung des Ventilspiels erfolgt über: Thermodynamiker entsprochen werden, verschiedene
Ventilhubkurven auf ein Motorventil zu übertragen.
x Schrauben
x Einstellplättchen mit gestuften Stärken oder
x Tassenstößel mit gestufter Bodenstärke (nur für
Tassenstößelventiltriebe).
Diesen Möglichkeiten ist eine endliche Einstellgenau-
igkeit gemein, die bei der Auslegung der Rampen
beim Öffnen und Schließen der Ventile berücksichtigt
werden muss. Das Messen und Einstellen des Ventil-
spiels ist bei der Montage des Zylinderkopfs notwen-
dig. Der Vergrößerung des Ventilspiels durch Ver-
schleiß der Ventiltriebskomponenten kann durch Ein-
stellen des Spiels (Service) begegnet werden; Ände-
rung des Spiels mit dem Temperaturgang des Motors
lassen sich nicht ausgleichen. Die genannten Effekte
führen zu einer möglichen großen Streuung des
Spiels und erzwingen hohe Rampen mit großen
Öffnungs- und Schließgeschwindigkeiten. Die große
Streuung bedeutet große Veränderungen der Steuer-
zeiten und hat damit negative Auswirkungen auf die
Abgasqualität; die hohen Schließgeschwindigkeiten
verursachen Ventiltriebsgeräusche. Bild 7-141 Schaltbarer Rollenstößel
7.10 Ventiltriebskomponenten 183

Dies wird durch eine Umschaltung in den Übertra-


gungsweg des Ventiltriebes integriert.
Hubumschaltungs- und Hubabschaltungssysteme
mit schaltbaren Nockenfolgern wie Tassenstößel
(Bild 7-140), Rollenstößel (Bild 7-141) oder Kipphe-
bel, Schlepphebel (Bild 7-146) oder dem Schiebeno-
ckensystem (Bild 7-143) sind in verschiedenen An-
wendungen in Serie. Dabei gilt, dass für jeden weite-
ren Alternativ-Ventilhub auch ein entsprechender
Nocken als hubgebendes Element vorhanden sein
muss – es sei denn, der Alternativ-Hub ist der Null-
hub.
Zylinderabschaltung
Bei der Zylinderabschaltung werden ausgewählte
Zylinder durch Hubabschaltung an den Ein- und
Auslassventilen stillgelegt, es findet eine komplette
Entkopplung vom Nockenhub statt. Auf Grund von
äquidistanten Zündfolgen lassen sich damit gängige
Bild 7-142 VarioCamPlus-System Porsche [2], Wie-
V8- und V12-Triebwerke auf V4- beziehungsweise
ner Motorensymposium (2000), Porsche AG, Dr.
R6-Motoren „umschalten“. Hat man die Zylinderab-
Neußer (Quelle: www.porsche.com)
schaltung anfänglich ausschließlich bei großvolumi-
gen, vielzylindrigen Motoren eingesetzt, so werden
jetzt vermehrt auch kleinvolumige Vier-Zylinder- Der kleine Ventilhub mit geringerem Maximalhub
Aggregate mit dieser Technik ausgerüstet. und kürzerer Eventlänge ermöglicht durch den deut-
Zweck der Zylinderabschaltung ist es, die Ladungs- lich früheren „Einlass-Schließt“-Zeitpunkt und der
wechselverluste (Pump- beziehungsweise Drosselver- Entdrosselung im Ansaugtrakt eine Verringerung der
luste) zu minimieren und eine Betriebspunktverlage- Ladungswechselarbeit (Miller-Zyklus). Ähnliche Re-
rung hin zu höheren Mitteldrücken und damit höhe- sultate sind mit dem Atkinson-Zyklus, das heißt ex-
ren thermodynamischen Wirkungsgraden durchzu- trem spätem Einlassschluss möglich. Eine optimale
führen. Füllung des Verbrennungsraumes bewirkt im Teil-
Serienanwendungen wie der Chrysler HEMI-V8-Mo- lastbereich eine Drehmomentsteigerung. Weitere
tor zeigen, dass sich durch den Einsatz einer Zylin- Verbrauchsvorteile lassen sich durch eine Erhöhung
derabschaltung ein Kraftstoffeinsparpotenzial in übli- der Restgasverträglichkeit, zum Beispiel durch asym-
chen Fahrzyklen von circa 10 % erreichen lässt. metrische Ventilerhebungen (unterschiedliche kleine
Der zuvor genannte positive Effekt der Reibleistungs- Ventilerhebungen für beide Einlassventile zur Drall-
verringerung im Ventiltrieb ist bei Zylinderabschal- erzeugung) und durch die Maskierung der Einlass-
tung für den abgeschalteten Betrieb natürlich noch ventile zur gezielten Ladungsbewegung erreichen.
ausgeprägter. Weitere Anwendungsgebiete erschließen sich im
Gängige Lösungen zur Zylinderabschaltung: Hinblick auf neue Brennverfahren, wie HCCI, welche
x schaltbares Abstützelement eine gezielte Restgassteuerung benötigen.
x schaltbarer Rollenstößel In Kombination mit einer Nockenwellenverstellung
x schaltbarer Schlepphebel kann in vielen Betriebspunkten des Motors eine
x Schalttasse thermodynamische Optimierung erreicht werden, was
x Schiebenockensystem sich in einer deutlichen Absenkung des Kraftstoff-
Im Absatz „Teilvariable Ventiltriebe“ wird noch de- verbrauchs niederschlägt.
taillierter auf die genannten Systeme eingegangen. Die Markteinführung dieser Technologie zum Bei-
spiel mit der Schalttasse erfolgte bei Porsche 1999
Hubumschaltung mit dem sogenannten VarioCamPlus-System (Bild
Die Hubumschaltung ermöglicht die betriebspunkt- 7-142).
abhängige Nutzung von mindestens zwei verschiede- Bei verschiedenen Serienanwendungen sind Ver-
nen Ventilerhebungen. Hierbei kommt ein speziell brauchseinsparungen im NEFZ von bis zu 6 % darge-
auf den Teillastbereich abgestimmter kleinerer Ven- stellt worden.
tilhub zum Einsatz, welcher den Drehmomentverlauf Positive Effekte bezüglich der Reibleistung sind
verbessert und den Verbrauch und die Emissionen nachweislich ebenfalls vorhanden, da im Teilhubbe-
reduziert. Der große Ventilhub kann dann auf weitere trieb bei kleineren Ventilhüben geringere Ventilfeder-
Leistungssteigerung optimiert werden. kräfte auftreten.
184 7 Motorkomponenten

Gängige Lösungen zur Hubumschaltung:


Verriegelter Betrieb Entriegelter Betrieb
x schaltbarer Schlepphebel
x Schalttasse
x Schiebenockensystem
Im folgenden Absatz „Teilvariable Ventiltriebe“ wird
die Funktionsweise der genannten Komponenten
näher erläutert.
Technische Ausführungen
Mittlerweile sind unterschiedliche technische Lösun-
gen für Hubum- und -abschaltung am Markt vertre-
ten. Ein grundsätzlicher Ansatz ist, das den Nocken
abgreifende Element vom Motorventil zu entkoppeln.
Die entstehende „verlorene“ Bewegung wird „Lost-
Verriegelter Betrieb
motion“-Hub oder Leerhub genannt. Die negativen
Massenkräfte müssen hierbei von einer „Lost-mo-
tion“-Feder aufgenommen werden, da die Ventilfeder
nicht mehr auf den entkoppelten Nockenfolger wirkt.
Im Falle einer Hubumschaltung bestimmt nun der No-
cken für die Teillast die Bewegung des Ventilhubes.
Für die verschiedenen Ventiltriebstypen, wie zum
Entriegelter Betrieb
Beispiel Tassen- oder Schlepphebeltriebe, gibt es ent-
sprechend angepasste technische Lösungen, mit be-
schriebenem Wirkprinzip.
Ein weiterer Ansatz besteht darin, wie im Audi-
Valvelift-System, durch axiales Verschieben des
Nockens beziehungsweise Nockenpaketes auf der
Welle mittels elektromechanischem Aktuator den
abzugreifenden Hub zu steuern (Bild 7-143). Bild 7-144 Schaltstellungen Koppelmechanismus
[2], Wiener Motorensymposium (2000)

Nocken sicher. Der Vorteil einer gekrümmten No-


ckenabgriffsfläche besteht in der Unterbringung eines
größeren Hubes im Vergleich zu einem flachen
Tassenboden. Im entriegelten Zustand verhindert die
„Lost-motion“-Feder, als Druckfeder ausgeführt, das
Abheben des Außengehäuses vom Nocken.
Durch den Verriegelungsmechanismus können Innen-
und Außengehäuse miteinander gekoppelt oder ent-
koppelt werden (Bild 7-144). Je nach geforderter
Schaltstrategie kann die Verriegelung als drucklos
verriegelt oder drucklos entriegelt ausgeführt werden.
Das hydraulische Ventilspielausgleichselement (HVA)
befindet sich im Innengehäuse.
Schaltbare Rollenstößel (Bild 7-141), welche in
OHV-Motoren zum Einsatz kommen und schaltbare
Abstützelemente (Bild 7-145) weisen prinzipiell
denselben beschriebenen Aufbau auf, jedoch ist mit
Bild 7-143 Audi-Valvelift-System [3] (Quelle: www. diesen Komponenten nur eine Hubabschaltung bezie-
audi.de) hungsweise Zylinderabschaltung möglich. Dafür
benötigen diese Schaltelemente auch keinen zusätzli-
Teilvariable Ventiltriebe chen Nocken.
(Schaltbare Komponenten) Der schaltbare Schlepphebel besteht aus zwei mitei-
Die Schalttasse besteht aus zwei koaxial angeordne- nander koppelbaren Hebeln, die mit Gleit- oder
ten Tassen, dem Innen- und dem Außengehäuse. Die Rollenabgriff ausgeführt sein können. Die „Lost-
Verdrehsicherung stellt die korrekte Ausrichtung der motion“-Feder ist in den meisten Fällen eine Dreh-
balligen Nockenkontaktflächen der Schalttasse zu den schenkelfeder. Bild 7-146 zeigt eine Variante, die je
7.10 Ventiltriebskomponenten 185

Versorgung oder über eine separate Galerie. Dabei er-


folgt die Steuerung über ein 3/2-Wege-Schaltventil,
welches den Druckaufbau in den Ölgalerien für das
Betätigen der Schaltelemente beziehungsweise den
zügigen Druckabbau für das Zurückschalten steuert.

Bild 7-145 Schaltbares Abstützelement

Bild 7-147 Schaltbarer Schlepphebel zur Ventilhub-


umschaltung

Das Schaltventil selbst wird elektrisch über die ECU


nach einem hinterlegten Kennfeld angesteuert.
Alternativ gibt es technische Lösungen für eine
direkte elektro-magnetische Ansteuerung der Verrie-
gelungsmechanismen, welche bauraumtechnisch bis-
her noch größere Herausforderungen an die Unter-
bringung im Zylinderkopf stellen. Mit einem gut ab-
gestimmten hydraulischen System lassen sich Schalt-
zeiten von 10 bis 20 ms erzielen, welche eine Umschal-
tung innerhalb einer Nockenwellenumdrehung im
üblichen geforderten Drehzahlbereich ermöglichen.
Bild 7-146 Schaltbarer Schlepphebel zur Ventilhub- Für die Gestaltung des Schaltölkreislaufes im Motor
umschaltung oder -abschaltung (Mazda SKYACTIVE (Bild 7-148) ist besondere Sorgfalt auf die Lage und
Diesel) Geometrie der Galerien zu legen, um ein möglichst
hydraulisch steifes System darzustellen, Luftansamm-
nach Nockenwellenausführung zur Ventilhubum- lungen zu unterbinden und Drosselstellen zu vermei-
schaltung beziehungsweise -abschaltung verwendet den. Ein optimales Ansprechverhalten wird durch
werden kann. Die Übertragung des kleinen Hubes eine ständige Spülung der Schaltgalerie bei reduzier-
erfolgt hier mittels Gleitabgriff. Eine Variante für tem Öldruck sichergestellt. Hiermit werden eventuell
Rollenabgriff für den kleinen Hub ist in (Bild 7-147) angesammelte Luftblasen schnell ausgespült und
dargestellt. gleichzeitig sorgt das geringe Druckniveau für eine
Bei MAZDA kommt der schaltbare Schlepphebel Vorspannung des Hydraulikkreislaufes.
(Bild 7-146) in einer speziellen Applikation bei den Das Schiebenockensystem der Schaeffler AG (Bild
SKYACTIVE Dieselmotoren zum Einsatz. Hierbei 7-149) beruht auf der axialen Verschiebung eines
wird der schaltbare Schlepphebel auf der Auslassseite Nockenstücks auf einer Grundwelle. Herzstück des
eingesetzt. Durch Umschalten auf den Sekundärhebel Schiebenockensystems ist die Steuernut, in die der
kann das Auslassventil ein zweites Mal während der Aktorpin eingreift und das Nockenstück für einen
Einlassphase geöffnet werden zum Zwecke der inter- Zylinder axial auf der Grundwelle verschiebt.
nen Abgasrückführung (Abgasrücksaugen). Die Hubvariabilität wird direkt an der Nockenwelle
Die Betätigung der Verriegelung der oben genannten elektroaktorisch erzeugt. Das Schiebenockensystem
Schaltkomponenten erfolgt meistens über den bereits besteht aus einer Grundwelle, je einem Nockenstück
in der Umgebung des Schaltelementes zur Verfügung pro Zylinder, den dazugehörigen Schlepphebeln und
stehenden Motoröldruckes über die bestehende HVA- Abstützelementen und je einem 2-Pin-Aktor pro
186 7 Motorkomponenten

Bild 7-148 Ölkreislauf für die Ansteuerung der Schaltelemente

schiedliche Ventilerhebungen dargestellt werden und


somit die Strategie Hubumschaltung oder Ventil-
abschaltung beziehungsweise Zylinderabschaltung
umgesetzt werden.
Das Schaeffler-Schiebenockensystem zeichnet sich
durch eine Reihe von Vorteilen aus. Zu nennen sind
hier unter anderem:
x die freie Gestaltung der Ventilhubkurven
x öldruckunabhängiges Schalten
x zylinderindividuelles Umschalten.
Nicht zuletzt diese Eigenschaften machen es zu
einem flexiblen, leistungsfähigen und zukunftssiche-
ren Hubumschaltsystem. Es lässt sich einfach auf
verschiedene Anforderungen anpassen.
Derzeit wird an einer Erweiterung des Systems ge-
arbeitet, mit der zukünftig auch eine dreistufige Hub-
variabilität dargestellt werden kann.

Vollvariable Ventiltriebe
Vollvariable Ventiltriebe ermöglichen sowohl hohe
Verbrauchsvorteile, als auch das Beibehalten des
stöchiometrischen Betriebes mit allen seinen Vortei-
Bild 7-149 Schaeffler-Schiebenockensystem len und sind zudem weltweit unabhängig von Kraft-
stoffsorten einsetzbar (Schwefelgehalt).
Derzeit in Serie befindliche Systeme lassen sich in
Nockenstück. Das Nockenstück ist mittels einer zwei Gruppen einteilen: zum einen die elektro-
Axialverzahnung formschlüssig aber axial verschieb- mechanisch und zum anderen die elektro-hydraulisch
bar mit der Grundwelle verbunden. aktuierten Systeme.
Das Nockenstück beinhaltet für beide Ventile jeweils Zu den elektro-mechanischen Systemen zählen die
zwei Nocken und eine Steuernut. Bei dieser aktuellen VALVETRONIC (BMW), die VALVEMATIC (To-
Ausgestaltung wird das Nockenstück über eine Y- yota), das MIVEC (Mitsubishi) und das VVEL (Nis-
Nutkontur und einem elektrisch ansteuerbaren 2-Pin- san). Das einzige in Serie befindliche System mit
Aktor in beiden Axialrichtungen auf der Grundwelle elektro-hydraulischem Funktionsprinzip ist das UNI-
verschoben. Mit dieser Lösung können zwei unter- AIR-System der SCHAEFFLER AG.
7.10 Ventiltriebskomponenten 187

Beispielhaft für die elektro-mechanischen Ventil-


triebssysteme wird die Funktion hier im Folgenden
anhand des VALVETRONIC Systems erklärt. Mit
diesem System ist eine Motorfunktion ohne Drossel-
klappe gegeben. Die Füllung der Zylinder wird bei
Teillast über den Ventilhub der Einlassventile und
über die Öffnungsdauer eingestellt. Die Einlass- und
Auslassnockenwellen werden über eine variable No-
ckenverstellung angetrieben.
Zur stufenlosen Verstellung des Einlass-Ventilhubes
wird zwischen der Nockenwelle und dem Schlepphe-
bel ein Zwischenhebel eingefügt, der sich auf der
Exzenterwelle abstützt. Die Kontur der Kontaktfläche
des Zwischenhebels zum Rollenschlepphebel defi-
niert die Ventilerhebungskurve. Durch Verdrehen der
Exzenterwelle lässt sich der Drehpunkt des Zwi-
schenhebels und damit das Übersetzungsverhältnis
zwischen Nockenhub und Ventilhub stufenlos verän-
dern. Hierdurch kann ein Ventilhub zwischen etwa
0,25 mm im Leerlauf und 9,8 mm bei Volllast reali- Bild 7-150 Prinzipdarstellung UNIAIR System [5]
siert werden [4].
Größere Freiheitsgrade sind mit elektrohydraulischen Wird das Schaltventil erst nach Beginn des Nocken-
Ventiltrieben wie dem von der Schaeffler AG entwi- hubs geschlossen, schiebt die Pumpe zunächst Öl aus
ckelten UNIAIR-System (Bild 7-150) möglich. der Hochdruckkammer in den Druckspeicher aus.
Hierbei überträgt ein Tassenstößel oder ein Hebel mit Nach dem Schließen des Schaltventils beginnt der Hub
Rollenabgriff die Nockenkontur auf eine Pumpenein- des Motorventils, die Vollhubkurve wird demzufolge
heit. Das Öl wird dabei in eine Druckkammer (Hoch- nach unten verschoben (spätes Ventil-Öffnen). Auch
druckraum) ausgeschoben, die am anderen Ende hier findet das Ventilschließen, wie in allen Modi, nicht
durch ein Schaltventil abgeschlossen werden kann. nockengesteuert statt, sondern wird das Aufsetzten
Der in dieser Kammer aufgebaute Druck betätigt über durch die hydraulische Bremse bestimmt.
einen Nehmerkolben das Motorventil. Bleibt das Schaltventil während des gesamten No-
Das Schaltventil bietet nun die Möglichkeit, die ckenhubs geöffnet, findet kein Motorventilhub statt.
Hochdruckkammer zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu Somit lässt sich mit Hilfe des UNIAIR-Systems für
öffnen oder zu schließen. Hierdurch sind neben dem jedes Motorventil individuell der Ventilhub steuern,
begrenzt von der durch die Nockengeometrie be-
Vollhub, bei dem das Schaltventil während des ge-
stimmten Vollhubkurve. Die hierfür benötigte Steue-
samten Nockenhubes geschlossen bleibt, diverse
rungselektronik kommuniziert mit der Motorsteuerung
Variationen bei der Ventilhubgestaltung möglich
und betätigt abhängig von den momentanen Anforde-
(Bild 7-151). rungen an Ventilhub und Sensordaten, wie zum Bei-
Wird das Schaltventil während des Motorventilhubes spiel die Öltemperatur, die Schaltventile.
geöffnet, fällt der Druck in der Hochdruckkammer Diese vollvariable Ventilsteuerung ist sowohl auf
ab und das Motorventil wird durch die Motorventil- Otto- als auch Dieselmotoren einsetzbar und wird über
feder geschlossen (frühes Ventil-Schließen). Der den vorhandenen Motorölkreislauf versorgt. Sie er-
Schließvorgang ist somit nicht nockengesteuert, möglicht beim Ottomotor eine drosselfreie Laststeue-
sondern entspricht einem ballistischen Flug. Um die rung, eine Verbesserung der Gemischbildung sowie
Ventilaufsetzgeschwindigkeit zu verringern, verzö- die Erzeugung von Ladungsbewegung. Beim Diesel-
gert eine hydraulische Bremse das Motorventil circa motor sind neben der Erzeugung von Luftbewegung
1,5 mm vor dem Aufsetzen. Das bei vorzeitigem im Brennraum (Verwirbelung) auch eine Regulierung
Schließen des Motorventils aus der hydraulischen der internen Abgasrückführung sowie die Ermögli-
Bremse über die Hochdruckkammer zurückgedrückte chung einer homogenen Verbrennung (Steuerung der
Öl wird in den im Mitteldruckraum befindlichen Luftmasse im Zylinder) als Vorteile zu nennen. Hier-
Druckspeicher geschoben. Um ein Zurückströmen in durch entstehen Potenziale zur Verbrauchssenkung,
den normalen Ölkreislauf zu verhindern, ist der Leistungs- und Drehmomentsteigerung sowie zur
Mitteldruckraum mit einem Rückschlagventil zum Verbesserung des Emissionsverhaltens.
Versorgungsölkreislauf abgetrennt. Beim Wiederbe- Die aktuelle Serienanwendung von FIAT Powertrain
füllen der Hochdruckkammer gibt der Druckspeicher (MultiAir) besticht durch eine intelligente Architek-
die in seiner Feder gespeicherte Energie wieder an die tur, so dass mit einer Nockenwelle die beiden Aus-
Nockenwelle zurück. lassventile und der Pumpenantrieb angesteuert wer-
188 7 Motorkomponenten

Bild 7-151 Ventilhub-Modi UNIAIR-System

Bild 7-152 Hydraulische/mechanische Brücke

den. Der Pumpenantrieb wirkt gleichzeitig auf beide Literatur


Einlassventile, über eine sogenannte hydraulische
Brücke (Bild 7-152 mittlere Darstellung). [1] ÖKV, Institut für Verbrennungskraftmaschinen, Kraftfahrzeug-
bau der TU Wien (Veranst.): 22. Internationales Wiener Moto-
Durch seine hohe Variabilität, die schnelle Reak- rensymposiuum, Wien 2001. Düsseldorf: VDI, 2001. – Tagungs-
tionsfähigkeit (innerhalb einer Nockenwellenumdre- schrift
hung) und die Möglichkeit, zylinderindividuell zu [2] Dr. Neußer, Porsche AG, ÖKV, Institut für Verbrennungsma-
schalten ist das UNIAIR-System optimal für den tran- schinen, Kraftzeugbau der TU Wien (Veranst.): 21. Internationa-
sienten Betrieb ausgelegt. Künftige UNIAIR-Genera- les Wiener Motorensymposium, Wien 2000
tionen werden einen erheblich erweiterten Funktions- [3] Wurms, R.: Audi AG, Aachener Kolloquium 2008, Audi Valve-
lift System
umfang aufweisen und die Variabilitätsmöglichkeiten
[4] Eidenböck, T.; Ratzberger, R.; Stastny, J.; Stütz, W.: Zylinder-
im Ventiltrieb nochmals erhöhen. Damit unterstützen kopf in Vierventiltechnik für den BMW Di-Dieselmotor. In:
sie die Entwicklung künftiger Verbrennungsverfahren MTZ (1998) 6, S. 372
bis hin zur Kompressionszündung beim Ottomotor [5] Haas, M.: 9. Schaeffler Kolloquium 2010, UniAir – die erste
(CAI). vollvariable, elektrohydraulische Ventilsteuerung
7.10 Ventiltriebskomponenten 189

7.10.2 Riemenspannsysteme, Der Ausgleich solcher Schwankungen und Effekte ist


Spann- und Umlenkrollen bei modernen Zahnriementrieben zwingend erforder-
lich, da nur so die von der Automobilindustrie inzwi-
7.10.2.1 Einführung schen geforderten Systemlebensdauern (entsprechend
Zahnriementriebe zum Antrieb von Nocken- oder Motorlebensdauer) erreicht werden können sowie den
Ausgleichswellen werden seit 40 Jahren erfolgreich bei gestiegenen Geräuschanforderungen der Automobil-
Verbrennungsmotoren in Serie eingesetzt. Die erste industrie Rechnung getragen werden kann.
Anwendung erfolgte an einem Vier-Zylinder-Glas- Welchen Einfluss die Verwendung einer starren
Motor, hier allerdings ohne jegliche Zusatzkomponen- Spannrolle auf die statische Riemenvorspannkraft hat,
ten wie Spann- oder Umlenkrollen. Bei späteren Kon- ist vergleichend in Bild 7-153 dargestellt.
struktionen erfolgte die Vorspannung des Zahnriemens Bei Verwendung eines automatischen Riemenspann-
entweder über ein exzentrisch gelagertes Aggregat im systems kann zum einen die Streuung der Vorspann-
Zahnriementrieb (zum Beispiel Wasserpumpe), oder kraft bei der Erstmontage deutlich reduziert werden,
über sogenannte starre Spannrollen (Exzenterspannrol- zum anderen wird die Vorspannkraft über der Be-
len oder Ähnliches). Eine optimale Einstellung der triebstemperatur des Motors nahezu konstant gehal-
Riemenspannkraft ist mit solchen Systemen nicht ten. Automatische Riemenspannsysteme werden seit
möglich, da weder temperatur- oder alterungsbedingte Beginn der 1990er Jahre bei Zahnriementrieben in
Schwankungen der Riemenkraft ausgeglichen, noch Verbrennungsmotoren eingesetzt und haben die star-
dynamische Effekte (Riemenschwingungen, Einflüsse ren Systeme aus den oben geschilderten Gründen
aus dem Ventiltrieb etc.) kompensiert werden können. weitestgehend vom Markt verdrängt.

Bild 7-153 Änderung der


statischen Riemenvorspann-
kraft über der Motoröltempe-
ratur, Vergleich zwischen
starrer Spannrolle und
automatischem Spannsystem

Bild 7-154 Meilensteine der


Zahnriemenentwicklung
190 7 Motorkomponenten

7.10.2.2 Automatische Riemenspannsysteme


für Zahnriementriebe
Die Hauptanforderungen an automatische Spannsys-
teme ergeben sich somit aus den oben angegebenen
Bedingungen wie im Folgenden aufgelistet:
x Einstellung der spezifizierten Riemenkraft bei
Erstmontage und Service (Ausgleich der Riemen-,
Durchmesser- und Positionstoleranzen)
x Einhalten einer möglichst konstanten Riemenkraft
unter allen Betriebsbedingungen über die gefor-
derte Systemlebensdauer (Ausgleich von Wärme-
dehnung, Riemenlängung und -verschleiß, Be-
rücksichtigung der Kurbel- und Nockenwellen-
dynamik)
x optimales Geräuschniveau gewährleisten bei
gleichzeitiger Reduzierung von Riemenschwin-
gungen
x Zahnüberspringen verhindern.
Zur Auslegung des Arbeitsbereiches eines solchen Bild 7-156 Mechanische Zahnriemenspanneinheit mit
Spannsystems müssen die in Bild 7-155 gezeigten Doppelexzenter – Aufbau
Parameter berücksichtigt werden.
entfällt der Einstellexzenter. Toleranzen aus dem
Riementrieb werden zusätzlich zu den oben ge-
nannten Aufgaben durch den Arbeitsexzenter aus-
geglichen. Dies hat den Vorteil einer einfachen Mon-
tage, da der Einstellvorgang der Spanneinheit entfällt,
geht aber mit einer geringen Streuung der Vorspann-
kraft nach der Montage der Spanneinheit einher. Die
Schenkelfeder wird entsprechend der optimalen
Riemenvorspannkraft ausgelegt, die Dämpfung durch
das Gleitlager erzeugt und über entsprechende Aus-
legung der Geometrieverhältnisse den Erfordernissen
des Riementriebes angepasst.

7.10.2.3 Spann- und Umlenkrollen


Bild 7-155 Mechanische Zahnriemenspanneinheit – für Zahnriementriebe
beispielhaftes Arbeitskennfeld mit Einflussparametern Aus den vorgenannten Gründen werden starre Spann-
rollen bei modernen Verbrennungsmotoren in Zahn-
Von den verschiedenen Bauformen von Zahnriemen- riementrieben (zum Beispiel Nockenwellenantrieb;
spannsystemen kommen heute fast ausschließlich Ausgleichswellenantrieb) kaum noch verwendet. Rol-
rotativ arbeitende Spanneinheiten mit einem mecha- len sind aber Bestandteil der heute handelsüblichen
nischen Dämpfsystem zum Einsatz. automatischen Spannsysteme. Umlenkrollen, die zum
Der prinzipielle Aufbau eines solchen mechanischen Beispiel zur Beruhigung kritischer Riemenabschnitte,
Spannsystems nach dem sogenannten Doppelexzen- zur Vermeidung von Kollisionsproblemen mit der
terprinzip ist in Bild 7-156 dargestellt. Umgebungskonstruktion oder zur Erhöhung der
Hierbei übernimmt der Einstellexzenter den Aus- Umschlingungswinkel an benachbarten Scheiben ein-
gleich der Toleranzen aller im Riementrieb vorhan- gesetzt werden, müssen die gleichen Anforderungen
denen Bauteile und wird nach der Ersteinstellung bezüglich Lebensdauer und Geräuschvermeidung er-
fixiert. Der beweglich auf dem Einstellexzenter gela- füllen. Bewährt haben sich für diesen Einsatzfall
gerte Arbeitsexzenter gleicht die thermisch bedingten einrillige Kugellager mit speziellen Modifikationen
Längenänderungen aller im Riementrieb vorhandenen zwecks Eignung für diese Automobilanwendungen;
Komponenten aus und kompensiert Riemenlängung oft kommen zur verbesserten Riemenführung auch
und -verschleiß sowie dynamische Effekte aus dem zweirillige Schrägkugellager, ebenfalls mit den be-
Kurbel- und Nockenwellentrieb. reits angesprochenen Modifikationen, zum Einsatz.
Eine zweite existierende Bauform wird als Einfach- Diese Lager sind in der Regel mit Hochtemperatur-
exzenterspanneinheit bezeichnet. Bei diesem Prinzip Wälzlagerfetten und entsprechend geeigneten Dicht-
7.10 Ventiltriebskomponenten 191

ringausführungen ausgerüstet; Standard-Kataloglager Dieselmotoren, Systeme mit verbesserten Montage-


sind für diesen Einsatzfall weniger gut geeignet. eigenschaften sowie gesteuerte oder geregelte mechani-
Entsprechend den Geometrieanforderungen werden sche Spannsysteme zur optimierten Vorspannkraft-
diese Lager mit Laufscheiben versehen. Beispielhafte anpassung an die Motorbetriebsbedingungen.
Ausführungen mit Kunststoff- und Stahllaufscheiben Ebenso sind gegenüber Kettentrieben Reibungsopti-
sind in Bild 7-157 dargestellt; zu Führungszwecken mierungen erkennbar. Insbesondere in Ölumgebun-
können diese Laufscheiben noch mit ein- oder beid- gen (Belt In Oil) sind hier noch erhebliche Einsparpo-
seitigen Borden versehen werden. tenziale zu erwarten.

7.10.3 Kettenspann- und Führungssysteme


7.10.3.1Einführung
Neben den bereits in Abschnitt 7.10.2 beschriebenen
Zahnriemensteuertrieben haben sich Kettentriebsys-
teme in den letzten Jahren im Steuertrieb und ver-
schiedenen Nebenaggregatantrieben wie Ölpumpen-
trieben, Ausgleichswellentrieben oder anderen deut-
lich etabliert. Permanente Weiterentwicklung der
einzelnen Komponenten und technische Detailverbes-
serungen helfen den ständig steigenden Kundenforde-
Bild 7-157 Umlenkrollen mit ein- und zweirilligem rungen Rechnung zu tragen, obwohl die Kette als
Kugellager sowie Laufscheibenausführungen in Zugmittel auch im Verbrennungsmotor prinzipiell
Kunststoff und Stahl schon eine sehr lange Geschichte aufweist – erste
Anwendungen gab es bereits vor über 100 Jahren.
7.10.2.4 Zahnriementriebe in öliger Umgebung Kettentriebe zeichnen sich aus durch:
Zahnriemen in öliger Umgebung sind heutzutage eine x geringen Bauraum
Alternative zu Kettensteuertrieben. Durch die Ent- x Wartungsfreiheit (kein Wechselintervall)
wicklung von neuartigen Riemenmaterialien können x hohe Belastbarkeit
Riemen heute bei gutem Triebdesign und ausle- x zuverlässige Übertragung großer Drehmomente
gungsgerechter Produktbreite für Antriebe mit Motor- x weitgehende Anpassbarkeit ihrer Geometrie an
lebensdauer eingesetzt werden. Riemen haben gegen- vorgegebene Bauräume.
über den Ketten den Vorteil einer besseren Motor-
akustik und einer geringeren Längung über die Lauf-
zeit. Riementriebe mit wälzgelagerten Umlenkrollen
haben einen sehr guten Wirkungsgrad.
Um die nötige Dämpfung der Spanneinheit auch
unter öligen Verhältnissen sicher zu stellen, wurden
mechanisch wirkende Dämpfsysteme in die Spann-
einheit integriert. Das dadurch erreichte Dämpfkraft-
niveau ist mit trocken laufenden Spanneinheiten
vergleichbar.
Im Hinblick auf den Einsatz von Nockenwellenver-
stellern muss festgehalten werden, dass komplett
abgedichtete Verstellsysteme für trockene Riemen-
systeme deutlich kostenintensiver aufgebaut sind als
die in Ölumgebung eingesetzten nass laufenden
Nockenwellenverstellsysteme.

7.10.2.5 Ausblick
Moderne Zahnriemenantriebe von Verbrennungsmoto- 
ren sind ohne automatische Spannsysteme nicht mehr
denkbar, da nur so die geforderte Systemlebensdauer Bild 7-158 Zweiteiliger Kettentrieb
erreicht werden kann. Aus Kosten- und Bauraumgrün-
den werden hydraulisch gedämpfte Systeme immer Neben der Kette als dem wichtigsten Element im
mehr durch mechanisch gedämpfte ersetzt. Entwick- Kettentrieb kommt dem Kettenspannelement eine
lungsschwerpunkte sind momentan mechanische große Bedeutung zu. Da im Gegensatz zum Riemen-
Spannsysteme für hochbelastete Zahnriementriebe bei trieb freie Trumlängen im Kettentrieb nur in sehr
192 7 Motorkomponenten

geringem Maße einsetzbar sind, muss die Kette über ungleichförmig drehende Kurbelwelle und die wech-
weite Bereiche geführt werden. Dazu werden in der selnden Antriebsmomente der Nockenwelle entste-
Regel Spann- und Gleitschienen, in Ausnahmefällen hen. Das Spannelement muss zu jeder Zeit und unter
auch Kettenräder verwendet. Auf alle diese Bauteile allen Betriebsbedingungen ein einwandfreies Führen
soll im Folgenden etwas genauer eingegangen wer- der Kette über die Spannschiene gewährleisten.
den. Die dabei verwendeten, keiner Normierung un- Daneben muss es weiteren Anforderungen genügen:
terliegenden Begriffe, sind in Bild 7-158 am Beispiel
x Ausgleich der Toleranzen im Kettentrieb durch
eines Kettentriebes beschrieben.
Anpassung der Kettenlinie
7.10.3.2 Kette x Vorspannen des Kettentriebes, um ein Aufsteigen
der Kette auf den Kettenrädern zu verhindern
Bei der Auslegung eines Kettentriebsystems ist die (insbesondere bei hohen Drehzahlen und/oder
Kette eines der wichtigsten Bauteile. Abhängig von durch Verschleiß gelängter Kette
den zu übertragenden Momenten und der Motordreh- x Anpassung der Kettenlinie bei Achsabstandsände-
zahl ist die Teilung und die Kettenbauart (Einfach- rung durch Wärmeausdehnung
oder Mehrfachkette, Rollen-, Hülsen- oder Zahnkette) x Ausgleich des über die Motorlebensdauer auftre-
auszuwählen. Ketten in Verbrennungsmotoren sind tenden Kettenverschleißes.
immer mit geraden Gliederzahlen auszulegen. Für die
Baugröße des Systems ist die Teilung von entschei- Kettenspanner werden in der Regel als Hydraulik-
dender Bedeutung, sie beeinflusst obendrein das Ge- komponenten ausgeführt. Die bekannteste Bauform
räuschverhalten (Polygoneffekt). Neben der Berück- eines hydraulischen Kettenspanners ist der geschwin-
sichtigung der Grenzzähnezahl (zum Beispiel 18 bei digkeitsproportionale Leckspaltdämpfer mit gerichte-
Kfz-Motor-Kurbelwellen) ist auch eine stetige Ket- ter Dämpfung. Derartige Elemente sind über eine
tenlinie (geometrischer Verlauf der Kette im Motor) Versorgungsbohrung mit dem Motorölkreislauf ver-
auch bei Grenzwertbetrachtung der Toleranzen und bunden.
der Kettenlängung wichtig. Für die dynamische Aus- Bei einer Entlastung des Lostrums im Kettentrieb
legung des Kettentriebsystems über Simulationspro- fährt der durch die Rückstellfeder vorgespannte Kol-
gramm sind Kettendaten wie Steifigkeit, Massebele- ben des Spanners aus dem Gehäuse aus und drückt
gung und Verzahnung von entscheidender Bedeu- die Spannschiene an die Kette. Dabei öffnet sich das
tung. Selbst ähnliche Bauformen können hier erhebli- Rückschlagventil und Öl wird in den Hochdruckraum
che Unterschiede aufweisen (Bild 7-159). des Spanners gesaugt. Die Ausfahrbewegung des
Die Auswahl der Kette hat aber auch Auswirkungen Kolbens erfolgt somit ungedämpft. Bei einer Last-
auf die Gestaltung der anschließenden Systeme wie umkehr im Lostrum schließt das Rückschlagventil,
zum Beispiel Nockenwellenversteller. Hier ist das der Kolben wird belastet und Öl wird durch einen
Kettenrad der Nockenwelle fester Bestandteil des schmalen Ringspalt (Leckspalt) zwischen Kolben und
Verstellers und beeinflusst damit auch die Größe Gehäuse des Spanners aus dem Hochdruckraum
dieses Elements. Die Auslegung beider Elemente ist ausgepresst. Dadurch kommt es zu einer Dämpfung
somit aufeinander sowohl geometrisch als auch später der Kettenschwingung.
dynamisch abzustimmen. Hydraulische Spannelemente zeichnen sich aus durch:
x Verschleißarmut der Bauteile (vielfach aus gehär-
tetem Stahl)
x genau einstellbare Dämpfung durch Auslegung
des Leckspaltes
x gerichtete Dämpfung bei Anwendung eines Rück-
schlagventils
x geringen Bauraumbedarf
x kostengünstige Herstellbarkeit durch Mehrfach-
verwendung von Bauteilen.
Neben den beschriebenen einfachen Elementen gibt
 es auch Spanner mit Zusatzfunktionen in Form von
Bild 7-159 Zahnketten mit 9,525 mm Teilung unter- Überdruckventilen. Aufgabe dieser Ventile ist es, bei
schiedlicher Bauformen bestimmten Kettenlasten oder Schwingungsfrequen-
zen eine gezielte Entlastung des Kettentriebes zu
7.10.3.3 Kettenspannelement ermöglichen. Damit lassen sich alle anderen Bauteile
unter Umständen schwächer dimensionieren und
Die Hauptaufgabe des Kettenspannelements, kurz somit Bauraum und Kosten sparen.
Kettenspanner, ist die Kontrolle der hochdynami- Die Auslegung der korrekten Spannerabstimmung
schen Schwingungen des Kettentriebes, die durch die erfolgt in der Regel mit Hilfe von Simulations-
7.10 Ventiltriebskomponenten 193

Kolbenposition nach längerer Betriebszeit


Kolbenposition bei neuem Motor
Ölversorgungsbohrung
Transportsicherungsring
Leckspalt
Gehäuse
Hochdruckraum

Spannschiene

Kolben

Ölvorratsraum

Bild 7-160
Verschlussschraube
Schemadarstellung eines
Rückstellfeder
hydraulischen Spannelements
Ventileinheit im eingebauten Zustand

programmen, die messtechnisch im dynamischen Bei der Auslegung der Schienen, die in der Regel mit
Motorversuch verifiziert werden. Sie ist ein immer Hilfe von Finiten-Element-Berechnungen erfolgt und
wichtiger werdender Abschnitt bei der Auslegung so funktions- und kostenmäßig optimiert wird, müs-
moderner Kettentriebe und muss selbstverständlich sen die Einflussparameter wie Belastung, Bauraum,
auch die Rückwirkung auf andere Systeme wie No- Anwendungstemperatur und Kosten berücksichtigt
ckenwellensteller oder Ventiltriebe berücksichtigen werden. Zur Auswahl stehen (Bild 7-160):
(siehe auch Anmerkung bei 7.10.3.2 Kette). Damit x Einkomponentenschienen aus Kunststoff
wird die Aufgabe interdisziplinär und verlangt über x Zweikomponentenschienen mit einem Gleitbelag
die Kenntnis des Kettentriebs hinausgehendes Sys- aus unverstärktem Kunststoff und Tragkörpern
temverständnis. aus Aluminium, Blech oder Kunststoff (in der
Befinden sich in einem Kettentrieb ausschließlich Regel faserverstärkt).
Aggregate mit geringen Wechselmomenten, so kom-
Neben den beschriebenen Spannschienen gibt es auch
men meist mechanische Kettenspanner zum Einsatz.
Spannschuhe, die fest mit dem Kolben des Spann-
Auf eine gezielte Dämpfung wird bei diesen Spannern
elements verbunden sind und eine translatorische
in der Regel verzichtet. Sie bestehen häufig nur aus
einer Feder – oft als Schenkelfeder ausgeführt – und
einer Spannschiene. Reicht eine geringe Federkraft für
die Kontrolle des Kettentriebs aus, so können kosten-
günstige Kunststoffelemente zum Einsatz kommen.

7.10.3.4 Spann- und Führungsschienen


Zur Führung der Kette in den freien Kettentrums
werden Spann- und Führungsschienen eingesetzt. Da-
durch wird auch ein Schwingen der Kette in der
Triebebene – sogenannte Transversalschwingung –
verhindert.
Führungsschienen sind ortsfest durch Schraub- oder
Steckverbindungen mit dem Motor verbunden.
Spannschienen hingegen können als Drehpunktschie-
nen ausgeführt werden und heißen dann auch Spann-
hebel. Der Kettenspanner bildet mit seinem Kolben
das zweite Widerlager der Schiene, das erste stellt 
den Drehpunkt dar. Bild 7-161 Kettenspanner für Nockenwellenantrieb
194 7 Motorkomponenten

Bewegung ausführen. Sie werden in sehr kurzen Der Versuch, die dynamischen und strömungstechni-
Kettentrieben (zum Beispiel Nockenwellentrieben) schen Probleme der Tellerventilsteuerung zu umge-
eingesetzt. hen, hat in der Vergangenheit zur Konstruktion diver-
ser Schiebersteuerungen geführt, die sich im Serien-
7.10.3.5Kettenräder einsatz allerdings bis heute nicht durchsetzen konn-
Die Übertragung der rotatorischen Bewegung der ten. Das Tellerventil mit all seiner Problematik hat
Motorwellen auf die translatorische der Kette erfolgt einen entscheidenden Vorteil: Es dichtet unter Innen-
über Kettenräder. Verschleiß und geräuscharmer druck selbstständig ab. Dies wird bei Brennkraftma-
Betrieb wird durch Passgenauigkeit der Welle-Nabe schinen mit gleicher Zuverlässigkeit von keinem
Verbindung und einem zur Kette optimal passenden anderen Verfahren erreicht. [1]
Zahnprofil ermöglicht. Während die Zahnformen bei Aktuelle Entwicklungen mit dem Ziel, eine voll-
Rollen- und Hülsenketten weitgehend an Normen an- variable, elektromagnetische, elektrohydraulische
gelehnt sind, findet sich bei Zahnketten eine Vielzahl oder elektromechanische Ventilsteuerung darzustel-
von Profilen, die oft nur in Details variieren und auf len, basieren daher nach wie vor auf dem klassischen
die jeweils verwendete Kette abgestimmt und oft Tellerventil.
patentrechtlich geschützt sind.
Unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit, der zu
realisierenden Anschlussgeometrie und vor allem der
7.11.1 Funktion und Begriffserklärungen
auftretenden Belastung gibt es mehrere Möglichkei- Einlass- und Auslassventile sind Präzisionsmotoren-
ten bei der Auswahl. Grundsätzlich wird unterschie- teile zur Sperrung von Strömungsquerschnitten und
den nach der: zur Steuerung des Gaswechsels in Verbrennungs-
x Herstellung: Feinstanzen, spanabhebend, Schmie- kraftmaschinen. Sie dichten den Arbeitsraum des
den oder Fließpressen, Pulvermetallurgie (Sintern) Zylinders nach außen ab. Das Beispiel eines einge-
x Bauform: ein- oder mehrreihig, Rollen-, Hülsen- bauten Ventils zeigt Bild 7-163.
oder Zahnkettenrad
x Teilung: 6,35 mm (1/4s), 7 mm, 8 mm, 9,525 mm
(3/8s) oder Sonderteilungen.


Bild 7-162 Kettenräder
Bild 7-163 Ventil im eingebauten Zustand
7.11 Ventile
Eine entscheidende Bedeutung für die Zuverlässigkeit Die thermisch geringer beanspruchten Einlassventile
eines Hubkolbenmotors kommt der Gaswechselsteue- werden durch Umspülung von Frischgasen und
rung zu. Dabei hat sich hinsichtlich Funktion und hauptsächlich durch Wärmeleitung am Sitz gekühlt.
Betriebssicherheit das Tellerventil als besonders ge- Auslassventile unterliegen dagegen hohen thermi-
eignet herausgestellt. Hinsichtlich der Thermo- schen Belastungen sowie Oxidation und chemischer
dynamik hingegen ist das Tellerventil nicht in allen Korrosion. Beide Ventilausführungen werden daher
Belangen optimal. So ist der durch die Gaskanäle ihren Anforderungen entsprechend aus unterschiedli-
führende Ventilschaft ein den Querschnitt verrin- chen Werkstoffen hergestellt. Während der Lebens-
gerndes Hindernis und auch die Geometrie der Hohl- dauer eines Motors kann davon ausgegangen werden,
kehle und des Sitzes sind unter Umständen nur ein dass die Ventile bei zum Teil sehr hohen Temperatu-
Kompromiss zwischen mechanischer beziehungs- ren ca. 300 Millionen Lastwechseln unterworfen sind.
weise tribologischer Notwendigkeit und strömungs- Die wichtigsten Bezeichnungen an einem Ventil sind
technischem Ideal. in Bild 7-164 dargestellt.
7.11 Ventile 195

Unterteilt werden Gaswechselventile im Wesent-


lichen in drei Hauptgruppen: Monometallventile,
Bimetallventile und Hohlventile.

7.11.2.1 Monometallventile
Monometallventile werden aus einem Stück nach den
oben genannten Verfahren hergestellt. Der hauptsäch-
lich genutzte Werkstoff ist X45CrSi93 (1.4718).
7.11.2.2 Bimetallventile
Bimetallventile ermöglichen eine Kombination der
jeweils für Schaft und Kopf optimalen Werkstoffe.
Hierbei wird ein nach dem in Kapitel 7.11.2 genann-
ten Verfahren hergestelltes, warmverformtes Kopf-
stück durch Reibschweißen mit einem Schaftstück
verbunden, Bild 7-165.
Der bevorzugte Werkstoff für das Kopfstück ist
X50CrMnNiNb219 (1.4882), für das Schaftstück
X45CrSi93 (1.4718). Neben den gebräuchlichen
CrMn-Stählen kommen je nach Einsatzfall auch
hochwarmfeste Nickellegierungen zum Einsatz.
Die Schweißnaht wird derart positioniert, dass sie
sich bei geschlossenem Ventil einen halben Hub tief
in der Führung befindet, beziehungsweise circa 6 mm
oberhalb der Abstreifkante (vergleiche Kapitel
7.11.3.3). Dabei ist zu beachten, dass aus fertigungs-
technischen Gründen die Länge des zylindrischen
Teils am Kopfstück vor dem Schweißen mindestens
das Anderthalbfache des Schaftdurchmessers beträgt.
Reicht der Verschleißwiderstand des austenitischen
Kopfstücks bei Bimetallventilen allein nicht aus,
erhält es eine geeignete Bewehrung der Sitzfläche
mittels Auftragsschweißung oder Nitrierung (verglei-
che Kapitel 7.11.3.2).

Bild 7-164 Bezeichnungen an einem typischen Bi-


metall-Auslassventil
7.11 Ventile

7.11.2 Fertigungsmethoden und Schaftstück


Ventilarten
Gaswechselventile werden üblicherweise nach dem
Warmfließpressverfahren hergestellt.
Basis beim Warmfließpressverfahren ist ein Stangen-
abschnitt mit einem Durchmesser von circa 2/3 des
fertigen Tellerdurchmessers und einer Länge entspre- Schweißnaht
chend dem Volumen des zu fertigenden Rohlings.
Dieser wird erwärmt und in zwei Schmiedestufen
zum Rohling umgeformt.
Beim Stauchverfahren wird ein geschliffener Stan-
genabschnitt, dessen Durchmesser etwas größer als Kopfstück
der Ventilschaftdurchmesser ist, an einem Ende
erhitzt und durch Nachschieben der Stange zu einer
„Birne“ ausgebildet, die dann in einem Gesenk zum
Ventilkopf umgeformt wird. Bild 7-165 Bimetallventil
196 7 Motorkomponenten

7.11.2.3 Hohlventile ebenfalls vom Schaftende her gebohrt. Das Ver-


schließen der Bohrung erfolgt jedoch durch induk-
Der Einsatz erfolgt überwiegend auslassseitig, unter
tives Erwärmen mit anschließendem „Zuschmie-
besonderen Umständen auch einlassseitig, primär zur
den“. Das Schaftendenstück wird durch Reib-
Absenkung der Temperaturen vorwiegend im Hohl-
schweißen angesetzt. Zugeschmiedete Hohlventile
kehlen- und Tellerbereich und gelegentlich zur Ge-
finden überwiegend in Hochleistungsmotoren An-
wichtsreduzierung.
wendung.
Setzt man Hohlventile zur Temperaturabsenkung ein,
x Hohlraumventil (Bild 7-167): Dieses Ventil stellt
wird der Hohlraum zu etwa 60 % des Volumens mit
eine weitere Maßnahme bezüglich Gewichtsredu-
metallischem Natrium gefüllt. Das Natrium befindet
sich dabei frei beweglich im Hohlraum des Ventil- zierung und Wärmeableitung aus der Ventilteller-
schafts. mitte dar. Die Ventile werden im Gegensatz zu den
Das flüssige Natrium (Schmelzpunkt 97,5 °C) wird, zuvor genannten Ausführungen von der Tellerseite
je nach Motordrehzahl, linear in Bewegung versetzt , her gebohrt und bearbeitet. Die Öffnung wird
legt sich im Freiraum an die Wandung an und trans- durch Einschweißen eines Deckels verschlossen.
portiert dabei einen nicht unbeträchtlichen Teil der Hohlventile sind ab einem Schaftdurchmesser von
am Ventilkopf und an der Hohlkehle anfallenden 5 mm herstellbar. Der Bohrungsdurchmesser beträgt
Wärme in den Ventilschaft und damit über die Ventil- dabei circa 60 % des Schaftdurchmessers. Um die
führung in den Kühlkreislauf. Die erreichbare Tem- Ventilschaftabdichtungen nicht zu hohen Temperatu-
peraturabsenkung bei optimalem Wärmeabfluss und ren auszusetzen, muss die Bohrung des Ventils etwa
engst möglichen Laufspielen beträgt bis zu 170 °C. 10 mm vor dem Laufbereich der Dichtlippe enden.
Hohlventilvarianten: Ein aufgrund der höheren Temperaturen verändertes
x Ausführung „Rohr auf Voll“ (Bild 7-166): An dem Spiel zwischen Ventilschaft und der Ventilführung
vom Schaftende her gebohrten Kopfstück (Rohr) gegenüber Vollventilen ist ebenfalls zu beachten.
wird mittels Reibschweißen ein härtbares Schaft- Hohlventile können Monometallventile sein, üblicher
endenstück (Voll) angesetzt. sind aber Bimetallventile aus folgenden Werkstoffen:
x „Zugeschmiedete“ Ausführung: Diese Variante ist Kopfstück, X50CrMnNiNb219 (1.4882), NCF 3015
in der Herstellung wesentlich aufwändiger als die und NiCr20TiAl (2.4952); Schaftstück X45CrSi93
zuvor genannte Ausführung. Der Grundkörper wird (1.4718).

Bild 7-166 Hohlventil Bild 7-167 Hohlraumventil


7.11 Ventile 197

7.11.3 Ausführungsformen Die Überdeckung zwischen Ventilsitz und Sitzring im


Zylinderkopf sollte unter Gesichtspunkten der Dich-
7.11.3.1 Ventilkopf tigkeit bei Sitzverschleiß in einem Verhältnis von 1/6
freiem Ventilsitz, 2/3 Überdeckung und 1/6 freiem
Ventilsitz ausgeführt werden, Bild 7-168.
Basis für die konstruktive Auslegung eines Ventils ist
Kalotten auf der Ventiltellerfläche dienen der Ge-
der theoretische Ventilsitzdurchmesser.
wichtsreduzierung, der Brennraumbeeinflussung und
Die Gesamttellerhöhe ist abhängig vom jeweiligen
als Unterscheidungsmerkmal zwischen Einlass- und
Verbrennungsdruck und der mittleren Bauteiltempe-
Auslassventil beziehungsweise ähnlichen Ventilen.
ratur am Ventil. Zweckmäßigerweise sollte sie zum
Eine optimale Ausführung der Gestaltung der Hohl-
Beispiel über eine FE-Analyse bestimmt werden. Die
kehle erfolgt entsprechend der vorliegenden mechani-
Praxis zeigt, dass Werte von 7 bis 10 % des Ventil- schen Belastungen sowie unter strömungsmechani-
kopfdurchmessers erforderlich sind. schen Gesichtspunkten.
Die Tellerrandhöhe bestimmt die Steifigkeit des
Ventilkopfs und richtet sich nach dem Ventilsitzwin- 7.11.3.2 Ventilsitz
kel: bei 45° circa 50 % der Gesamttellerhöhe, bei 30°
circa 50 bis 60 % der Gesamttellerhöhe. Der Sitz eines Auslassventils ist thermisch und be-
Im Allgemeinen beträgt der Sitzwinkel 45°. Zur Re- züglich Korrosion chemisch stark beansprucht und
duzierung des Sitzverschleißes werden auch Sitzwin- wird daher in der Regel mit Sonderlegierungen ge-
kel von 30° und 20° gewählt. In Gasmotoren sind panzert. In Einzelfällen wird dies auch für Einlass-
aufgrund der fehlenden Schmierwirkung des Brenn- ventile durchgeführt, obwohl hier üblicherweise eine,
stoffs kleine Sitzwinkel unerlässlich, um den Sitzver- aufgrund der verwendeten Werkstoffe mögliche,
schleiß in zulässigen Grenzen zu halten. Aus ferti- induktive martensitische Härtung angewendet wird.
gungstechnischen Gründen ist zwischen Sitz- und Mit einer Auftragsschweißung (auch Panzerung
Hohlkehlenwinkel eine Differenz von mindestens 5° genannt) kann der Verschleiß und die Korrosionsbe-
erforderlich, Bild 7-164. ständigkeit erhöht und damit die Lebensdauer günstig
Durch einen Differenzwinkel zwischen Ventilsitz und beeinflusst werden. Als Ventilpanzerungsverfahren
Sitzring wird erreicht, dass die dem Verbrennungs- kommt heute in erster Linie das elektrische PTA-
Verfahren (Plasma-Transferred-Arc) zur Anwendung,
raum zugewandte Seite durch eine anfängliche Li-
bei dem der als Pulver vorliegende Panzerwerkstoff
nienberührung besser abgedichtet wird. Es ist darauf
in einem Plasmalichtbogen aufgeschmolzen und auf
zu achten, dass die Ventilsitzbreite größer ist als die
das Werkstück aufgetragen wird.
Sitzringtragbreite im Zylinderkopf, Bild 7-168.
Anwendung finden diese Panzerverfahren bei Hohl-,
Bi- und gelegentlich auch bei Monometallventilen.
Um eine Härteabnahme an einem induktiv gehärteten
monometallischen Ventilsitz zu begrenzen, ist darauf
zu achten, dass die maximale Ventiltemperatur am
Sitz eine genügende Sicherheit zur Anlasstemperatur
des verwendeten Werkstoffs besitzt (zum Beispiel
maximale Dauerbetriebstemperatur von X45CrSi93
(1.4718) circa 500 °C).

7.11.3.3 Ventilschaft
Der Ventilschaft dient zur Führung des Ventils in der
Ventilführung und wird begrenzt durch den ersten
Einstich zur Aufnahme der Ventilkegelstücke sowie
die Abstreifkante beziehungsweise den Übergang zur
Hohlkehle.
Um den Aufbau von Ölkohle in der Führung gaska-
nalseitig zu begrenzen, wird bei Bedarf durch Zu-
rücknahme des Schaftdurchmessers eine Abstreifkan-
te angebracht, Bild 7-164. Die Abstreifkante liegt bei
geschlossenem Ventil circa einen halben Hub inner-
halb der Ventilführung.
Falls während des Schließvorgangs Biegung im
Ventil durch Zylinderkopfverzug oder Koaxialitäts-
fehler auftritt, sollte sich die Schweißnaht in der
Bild 7-168 Differenzwinkel und Ventilsitzbreite Ventilführung abstützen können. Deshalb wird bei
198 7 Motorkomponenten

Bimetallventilen die Reibschweißnaht mindestens um len 0,03 bis 0,08 mm, bei Einlassventilen 0,01 bis
einen halben Hub innerhalb der Ventilführung posi- 0,07 mm. Weiter ist drauf zu achten, dass das Ende
tioniert. der Ventilführung nicht frei in den Abgaskanal hin-
Je nach den tribologischen Gegebenheiten kann die einragt, da sonst die Gefahr eines Aufweitens der
Schaftoberfläche der Ventile durch Verchromen oder Ventilführung und des Eintritts von Verbrennungs-
Nitrieren gegen Verschleiß geschützt werden. Das ist rückständen gegeben ist. Als Faustformel gilt, dass
in aller Regel notwendig bei Ventilführungen aus die Ventilführung mindestens 40 % der Ventillänge
Sintereisen. Ventile ohne Schaftbewehrung sind betragen sollte.
möglich bei der Verwendung von Ventilführungen Für die einwandfreie Funktion des Ventils ist es
aus Bronzelegierungen. erforderlich, dass der Mittenversatz zwischen Ventil-
In der Regel wird der Ventilschaft zylindrisch ausge- führung und Sitzring in bestimmten Grenzen gehalten
führt. Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen wird (0,02 bis 0,03 mm bei neuem Motor). Übermä-
Dehnungen auf Grund des Wärmegefälles zwischen ßiger Mittenversatz bewirkt vor allem eine starke
Ventilkopf und Schaftende kann der Ventilschaft je Verbiegung des Ventiltellers gegen den Schaft. Diese
nach Länge und Durchmesser um 10 bis 15 μm ko- übermäßige Belastung kann zum vorzeitigen Ausfall
nisch ausgeführt werden. führen; weitere Folgen können auch Undichtheit,
Die Schaftenden der in den Kegelstücken frei drehba- schlechter Wärmeübergang und hoher Ölverbrauch
ren Ventile mit Mehrrilleneinstich (Bild 7-169), sein.
werden üblicherweise im Bereich der Kegelstückan-
lage induktiv gehärtet, um Verschleiß zu vermeiden. 7.11.4 Ventilwerkstoffe
Je nach Art der auf die Schaftendenfläche wirkenden
Die Anforderungen an ein Ventil umfassen hinrei-
Ventilbetätigung kann es erforderlich sein, die Schaft-
chende Zeitstandfestigkeit bei erhöhten Temperatu-
endenfläche zusätzlich vor Verschleiß zu schützen. In
ren, Verschleißfestigkeit, Beständigkeit gegen Hoch-
erster Linie bietet sich dabei die induktive Härtung
temperaturkorrosion und -oxidation sowie Resistenz
an. Sollte sich diese Maßnahme als nicht ausreichend
gegen Korrosion.
erweisen, beziehungsweise der Schaft aus einem
Standardventilwerkstoffe sind:
nicht härtbaren Material bestehen, kann alternativ
auch ein Plättchen aus einem harten beziehungsweise x Ferritisch-martensitische Ventilstähle: X45CrSi93
härtbaren Werkstoff auf das Schaftende aufge- (1.4718) findet seine Verwendung als Standardlö-
schweißt werden. sung für monometallische Einlassventile und
kommt bei Bimetallventilen ausschließlich als
Werkstoff für die Schäfte zur Anwendung.
X85CrMoV182 (1.4748) ist höher legiert und wird
dort als Einlassventilwerkstoff eingesetzt, wo das
Beanspruchungsniveau in thermischer wie korrosi-
ver Hinsicht eine Verwendung des Cr-Si-Materials
nicht zulässt.
x Austenitische Ventilstähle: Hier haben sich die
austenitischen Cr-Mn-Stähle als preiswerte Lösung
bewährt. Große Verbreitung hat der Werkstoff
X50CrMnNiNb (1.4882), der als klassischer Aus-
lassventilwerkstoff, auch für Hohlventile, anzuse-
hen ist.
x Hochnickelhaltige Ventilwerkstoffe: Genügen die
Cr-Mn-Stähle den thermischen Anforderungen
nicht mehr, dann ist der Übergang auf niedrig-
Bild 7-169 Einstichtypen in Ventilschäften nickelhaltige Legierungen wie NCF 3015 oder so-
gar hochnickelhaltige Werkstoffe, wie etwa
7.11.3.4 Ventilführung NiCr20TiAl (2.4952), geboten. Sie werden immer
Die Ventilführung dient der Zentrierung des Ventils dort erforderlich, wo höchste Betriebssicherheit,
auf dem Ventilsitz sowie dem Wärmetransport vom also Abreiß- und Korrosionsbeständigkeit, gefragt
Ventilkopf über den Ventilschaft an den Zylinder- sind.
kopf. Das bedingt ein optimales Spiel zwischen
Führungsbohrung und Ventilschaft. Bei zu kleinem 7.11.4.1 Wärmebehandlung
Spiel neigt das Ventil zum Stecken, ein zu großes Durch eine gezielte Wärmebehandlung lassen sich die
Spiel behindert die Wärmeabfuhr. Anzustreben ist technischen Eigenschaften der Ventilstähle steigern.
das minimal mögliche Ventilführungsspiel. Dieses In vielen Fällen erübrigt sich dadurch der Übergang
beträgt je nach Schaftdurchmesser bei Auslassventi- auf höherwertige Legierungen.
7.11 Ventile 199

Martensitische Ventilstähle werden generell vergütet.


Bei austenitischen Stählen lassen sich die Härte und
die Festigkeit durch eine sogenannte Ausscheidungs-
härtung anheben.

7.11.4.2 Oberflächenveredelung
Folgende Maßnahmen kommen zum Einsatz:
x Hartverchromen des Ventilschafts: Herstellverfah-
ren, Werkstoffauswahl und Betriebsbedingungen
machen bei Standard-Ventilen unter Umständen
eine Verchromung des Ventilschafts im Laufbe-
reich erforderlich. Bei Standard-Bimetallventilen
überdeckt eine Chromschicht der Stärke zwischen
3 bis 7 μm beide Ventilwerkstoffe. Bei hohen Be-
lastungen oder erhöhtem Verschleiß können im
Lkw- oder Großmotorenbereich stärkere Chrom- Bild 7-170 Abblasventil mit Klappenmechanismus
schichten, bis 25 μm, zur Anwendung kommen.
x Polierschleifen: Bei einer verchromten Oberfläche hingegen kommt ein hochtemperaturfestes Material,
muss der Schaft in jedem Fall poliergeschliffen wie NiCr20TiAl (2.4952), zur Anwendung.
werden, um anhaftende Chromknospen zu entfer- Die heute übliche Ausführung als Klappenventil zeigt
nen und Unebenheiten zu egalisieren. Die Rauheit Bild 7-170.
liegt nach der Polieroperation bei maximal Ra 0,2
Abgasrückführungsventil (AGR): AGR-Ventile un-
(unverchromt maximal Ra 0,4), was sich sehr
terliegen Temperaturen bis circa 800 °C. Aus den zur
günstig auf den Ventilführungsverschleiß auswirkt
Verfügung stehenden Ventilwerkstoffen hat sich hier
und deshalb auch minimale Führungsspiele erlaubt.
X50CrMnNiNb (1.4882) als ausreichend für diesen
x Nitrieren der Ventile: Angewendet werden Bad-
Anwendungsfall herausgestellt, da die Ventile ledig-
und Gasnitrieren. Die circa 10 bis 30 μm starken
lich thermisch, zu einem geringen Maß korrosiv und
Nitrierschichten sind in der Randschicht sehr hart
nur sehr gering mechanisch beansprucht werden.
(circa 1000 HV 0,025) und besonders verschleiß-
unempfindlich.
7.11.6 Ventilkegelstücke
7.11.5 Sonder-Ventilausführungen 7.11.6.1 Aufgabe und Funktion
7.11.5.1 Ventile mit werkstofflich bedingt Ventilkegelstücke haben die Aufgabe, den Ventilfe-
geringer Masse derteller mit dem Ventil so zu verbinden, dass die
Die maximal erreichbare Drehzahl eines Viertakt- Ventilfeder das Ventil stets in seiner geforderten Stel-
Verbrennungsmotors wird unter anderem durch die lung hält.
Masse der Gaswechselventile bestimmt. Es besteht Für Ventilschaftdurchmesser bis 12,7 mm sind kalt-
daher, insbesondere seitens der Renn- und Sportmo- geprägte Ventilkegelstücke Stand der Technik. Es
torenentwicklung, das Interesse Ventile aus „leich- kommen die Werkstoffqualitäten C10 beziehungs-
ten“ Werkstoffen einzusetzen. Als Alternativen kom- weise SAE1010 zur Anwendung.
men in Betracht: Titan, Titanaluminide, Keramik und Die Ventilkegelstücke werden ihrer Funktion ent-
selbst Aluminium-Speziallegierungen. Die Mehr- sprechend unterteilt in:
kosten für leichte Ventilmaterialien sind allerdings x klemmende Verbindung, wodurch Kraftschluss
sehr hoch, was deren Verbreitung in den alltäglichen zwischen Ventil, Kegelstück und Federteller er-
Bereich bisher verhindert hat. reicht wird und
x nicht klemmende Verbindung, die eine freie Dre-
7.11.5.2 Abgassteuerventile hung des Ventils ermöglicht.
Ladedruckregelventil für ATL (Abblasventil): Das Klemmende Verbindungen: Klemmende Kegelstü-
Abblasventil begrenzt den Ladedruck des Abgastur- cke übertragen die Kraft durch Reibschluss zwischen
boladers und unterliegt dabei im Ottomotor Tempera- Kegelstück und Ventil. Hierzu muss zwischen den
turen von bis zu 1050 °C; die maximale thermische Kegelstückhälften ein Spalt bleiben. Es werden Ke-
Belastung im Dieselmotor liegt bei circa 850 °C. gelstücke mit einem Kegelwinkel von 14°15c sowie
Hieraus resultiert die Wahl der geeigneten Werkstof- von 10° verwendet. Kegelstücke mit kleinerem Ke-
fe. Für Dieselmotoren genügt im Allgemeinen der gelwinkel bewirken eine wesentlich intensivere
Werkstoff X50CrMnNiNb (1.4882), bei Ottomotoren Klemmung. Sie sind besonders für Motoren mit
200 7 Motorkomponenten

Bild 7-171 Einbauprinzip für Kegelstücke mit Bild 7-172 Einbauprinzip für Kegelstücke mit nicht
klemmender Verbindung klemmender Verbindung

höchsten Drehzahlen geeignet. Für stark beanspruchte geschliffen. Andere Ausführungen können wahlweise
Klemmverbindungen empfehlen sich einsatzgehärtete ungehärtet, einsatzgehärtet oder nitriert werden.
(480 bis 610 HV1) oder nitrierte (> 400 HV1) Kegel- Fertigungsbedingt kann der Außenmantel im Bereich
stücke. der mittleren Höhe je nach Ausführung bis 0,06 mm
Ein Beispiel für den Einbauzustand eines klemmen- konkav ausgebildet sein. Ein konvexer Außenmantel
den Kegelstücks zeigt Bild 7-171. ist nicht zulässig.
Bei frei drehenden Mehrrillenkegelstücken wird ein
Nicht klemmende Verbindungen: Es werden Ke- einwandfreies Spiel zum Ventilschaft durch ein um
gelstücke mit einem Kegelwinkel von 14°15c einge- 0,06 mm größeren Innendurchmesser der zusammen-
setzt. Bedingt dadurch, dass sich die Kegelstückhälf- gesetzten Kegelstücke im Verhältnis zum Außen-
ten im eingebauten Zustand an den Planflächen durchmesser des Ventilschafts erreicht.
gegeneinander abstützen, erlauben sie ein Spiel zwi- Die Konuslänge des Ventilfedertellers muss so groß
schen den Kegelstücken und dem Ventilschaft. Da- sein, dass die Kegelstücke im fest eingebauten Zu-
durch wird eine Drehung des Ventils im Federteller stand an keiner Seite überstehen, Bild 7-171, 7-172.
ermöglicht. Unterstützend für die Drehung wirken Der Kegelmantel darf keinesfalls konvex ausgebildet
dabei die Anregung des Ventils durch Resonanzen, sein und sollte als Bezugsfläche für die Form- und
ein exzentrischer Angriff des Kipphebels auf das Lagetoleranzen des Ventilfedertellers dienen.
Ventilschaftende und der Drehimpuls aus der Torsion
der Ventilfeder.
Bei nicht klemmenden Verbindungen werden die
7.11.7 Ventildrehvorrichtung
Kräfte in axialer Richtung über die 3 beziehungswei- 7.11.7.1 Aufgabe
se 4 Kegelstückwülste übertragen. Aus diesem Grund
Für eine einwandfreie Funktion des Ventils ist die
ist eine Einsatzhärtung der Kegelstücke unerlässlich.
stetige Ventildrehung von entscheidender Bedeutung.
Ein Beispiel für den Einbauzustand eines nicht
Damit wird eine ungleiche Temperaturverteilung am
klemmenden Kegelstücks zeigt Bild 7-172.
Ventilkopf sowie Undichtigkeiten durch Verzug
vermieden. Darüber hinaus werden Ablagerungen auf
7.11.6.2 Fertigungsmethoden
dem Ventilsitz sowie einseitiger Verschleiß verrin-
Ventilkegelstücke werden aus profiliertem Bandstahl gert. Zwangsdrehvorrichtungen werden immer dann
kalt geprägt. Mehrrillen-Ventilkegelstücke sind grund- eingesetzt, wenn die natürliche Drehung der Ventile
sätzlich einsatzgehärtet und an ihren Trennflächen nicht mehr ausreicht, zum Beispiel in Großmotoren.
7.11 Ventile 201

7.11.7.2 Bauarten und Funktion Beim Öffnen eines Ventils mit Drehvorrichtung wird
dieses zum einen durch die Funktion der Drehvor-
Ventildrehvorrichtungen funktionieren nach zwei
richtung und zum anderen durch die Torsion der
Prinzipien:
zusammengedrückten Ventilfeder verdreht. Während
Drehung erfolgt beim Ventilöffnungshub: Das Sys- sich beim Schließen des Ventils die entlastete Ventil-
tem besteht aus einem Grundkörper, der mit mehreren feder bis auf einen kleinen Restwinkel wieder in ihre
in Umfangsrichtung orientierten Taschen versehen Ausgangslage zurückbewegt, bleibt die Verdrehung
ist. In jeder Tasche wird durch eine tangential wir- der Drehvorrichtung bestehen. Der effektive Dreh-
kende Schraubenfeder eine Stahlkugel an das obere winkel pro Hub ist, gleichsinnige Drehung vorausge-
Ende der schrägen Laufbahn gedrückt. Auf dem setzt, somit die Summe aus beiden Werten.
Innenrand des Grundkörpers stützt sich eine Teller-
Drehung erfolgt beim Ventilschließhub: Dieses
feder ab, über die zur Einleitung der Ventilfederkräfte
Prinzip wird möglichst als obenliegende Ausführung
ein Deckel greift, Bild 7-173.
eingesetzt, weil seine Funktion dort weniger durch
Öffnet das Ventil, so wird die Tellerfeder durch die
Verschmutzung beeinträchtigt ist, Bild 7-174.
ansteigende Ventilfederkraft abgeflacht. Dabei
Die Funktion der Ventildrehvorrichtung ist eine
zwingt sie die in den Taschen des Grundkörpers be-
Umkehrung der Arbeitsweise des bei Ventilöffnungs-
findlichen Kugeln zum Abrollen auf ihren schrägen
hub drehenden Ventils.
Laufbahnen und rollt selbst auf den Kugeln ab. Durch
die Abstützung auf den Kugeln wird der Druck der
Tellerfeder auf den inneren Rand des Grundkörpers
verringert, so dass hier ein Gleiten stattfindet. Deckel
und Tellerfeder hingegen sind durch Kraftschluss
drehfest miteinander verbunden. Die relative Drehung
zwischen Tellerfeder/Deckel und Grundkörper wird
bei der Ausführung „Drehung beim Ventilöffnungs-
hub“ über Deckel, Ventilfeder, Federteller und Ke-
gelstücke auf das Ventil übertragen. Bei schließen-
dem Ventil tritt eine Entlastung der Tellerfeder und
damit der Kugeln ein, die dann ohne zu rollen durch
die Tangentialfedern wieder in ihre Ausgangslage
zurückgeschoben werden.

Bild 7-174 Ventildrehung beim Schließhub

Beide Typen können grundsätzlich sowohl als unten-


liegende, wie auch als obenliegende Ausführung
verwendet werden. In schnelllaufenden Motoren wird
vorzugsweise die untenliegende Ausführung einge-
baut, damit sich die Massenkräfte des Ventiltriebs
nicht vergrößern.
Bei der obenliegenden Ausführung ersetzt die Dreh-
vorrichtung den Federteller. Sie wird in langsamlau-
fenden Motoren oder dann angewendet, wenn aus
Platzgründen die untenliegende Ausführung nicht
untergebracht werden kann. Wesentlich ist eine
stetige, von der Drehzahl des Motors abhängige
Drehung des Ventils.

Literatur
[1] Groth, K.; Universität Hannover, Institut für Kolbenmaschinen:
Grundzüge des Kolbenmaschinenbaus, 2. Aufl. 1983
[2] TRW Thompson GmbH & Co. KG: Handbuch, 7. Aufl. 1991
[3] Milbach, R.; TRW Thompson GmbH & Co. KG: Ventilschäden
Bild 7-173 Ventildrehung beim Öffnungshub und ihre Ursache, 5. Aufl. 1989
202 7 Motorkomponenten

7.12 Ventilfedern Grund eines Ventilfederschadens ausfällt. Die


Gewährleistung minimaler Ausfallquoten stellt
Die Ventilfeder hat die Aufgabe, das Ventil kontrol- höchste Ansprüche an die Auslegung, das Vorma-
liert zu schließen, das heißt, den Kraftschluss der terial und die Produktion der Ventilfedern.
Ventiltriebskomponenten während der Ventilbewe- x Wirtschaftlichkeit der Produktverbesserung: Die ge-
gung aufrecht zu halten. Im Zustand „Ventil ge- nannten Forderungen müssen wirtschaftlich gerecht-
schlossen“ muss die Ventilkraft F1 so groß sein, dass fertigt sein, das heißt der mit der Maßnahme ver-
das Schwingen des Ventils direkt nach dem Schlie- bundene Nutzen muss größer sein, als möglicher
ßen, auch „Nachhüpfen“ genannt, verhindert wird. Im weise zusätzlich anfallende Kosten. Diese Heraus-
Zustand „Ventil geöffnet“ muss das sogenannte forderung wird vom Ventilfederproduzenten vor
„Überfliegen“, das heißt das Abheben des Ventils dem Hintergrund eines scharfen Wettbewerbs
vom Nocken bei maximaler Verzögerung verhindert wahrgenommen.
werden. Kinematisch ergibt sich die hierfür erforder-
liche Federkraft F2 aus dem Produkt der Ventilmasse Ermittlung der Lastspannung
und der maximalen Ventilverzögerung amax [1]. Grundsätzlich entspricht die Belastung einer Schrau-
Bei der Auslegung der Ventilfedern sind neben den bendruckfeder der eines auf Torsion beanspruchten
zu erreichenden Federkräften weitere, teilweise Stabes. Im Längs- und Querschnitt wirken beim
konkurrierende Ziele zu erfüllen: Angreifen eines Torsionsmomentes Mt zwei Schub-
x Reduzierung der Federkräfte: Der Kraftstoffver- spannungen W, wie in Bild 7-175a zu sehen ist. Nach
brauch des Motors kann neben anderen Maß- dem Mohrschen Spannungskreis können diesen
nahmen durch die innere Reibung des Motors Schubspannungen zwei gleich große Hauptnormal-
beeinflusst werden. Die im Ventiltrieb anfallenden spannungen V1 und V2 unter 45° zugeordnet werden.
Reibverluste verlaufen proportional zu den erfor- Während beim Torsionsstab eine reine Schubbean-
derlichen Federkräften. Die maximal erforder- spruchung vorliegt, führen bei einer Schraubendruck-
lichen Federkräfte werden durch das Massen- feder auf Grund der geometrischen Verhältnisse
trägheitsmoment der im Kraftfluss liegenden, be- sowie gegebenenfalls der Abweichung der Kraftwir-
wegten Ventiltriebsteile ab dem Nocken bis zum kungslinie von der Federachse das Biegemoment Mb,
Ventil und damit auch durch die Federmasse so- die Querkraft Q sowie die Normalkraft N zu zusätzli-
wie von der Nockenkontur und der maximalen chen Lastspannungen. Zum anderen ergibt sich auf
Nockenwellendrehzahl bestimmt. Eine Verringe- Grund der Krümmung des Drahtes ein in Umfangs-
rung der Federmasse ist durch eine Erhöhung der richtung ungleichmäßiger Spannungszustand. Maxi-
Schwingfestigkeit und eine Optimierung der Ge- male Lastspannungen treten demnach bei Federn aus
stalt der Ventilfeder zu beeinflussen. Runddraht an der Federinnenseite auf.
x Reduzierung der Bauhöhen: Auch die Reduzie- Die zur Berechnung von Schraubendruckfedern gül-
rung der Bauhöhen kann sich positiv auf den tigen Formeln sind in der DIN 2089 enthalten. Es
Kraftstoffverbrauch auswirken. Zum einen ergibt gelten folgende Zusammenhänge für die Federrate R,
sich hierdurch ein größerer konstruktiver Spiel- die Kraft F und die Torsionsspannung W
raum zur Gestaltung der Motorhaube und zur G d4
Verringerung der Strömungswiderstände. Zum an- R ˜ (7.10)
8 Dm3 n
deren eröffnet die Reduzierung der Bauhöhen ein
weiteres Potenzial zur Verringerung des Motor- F s˜R (7.11)
gewichts. Die Gestalt der Ventilfeder sowie die 8 Dm
Erhöhung ihrer Schwingfestigkeit kann die Bau- W ˜ ˜F (7.12)
S d3
höhe positiv beeinflussen.
x Gewährleistung minimaler Ausfallquoten: Die Zur Korrektur der Spannungswerte infolge der Draht-
gestiegenen Anforderungen an die Ventilfedern krümmung wird unter anderem die von Bergsträsser
führen zwangsläufig zu einer Erhöhung der entwickelte Näherungsformel
Betriebsfestigkeit. Diese erstrecken sich im Laufe w  0,5
des Lebenszyklus eines Motors bei circa k (7.13)
w  0,75
200.000 km auf bis zu 300 Millionen Lastwechsel.
Gleichwohl wird nur eine minimale Fehlerausfall- verwendet. Die an der Federinnenseite auftretenden
quote akzeptiert. Diese Ausfallquote für die Lastspannungen ergeben sich damit zu [2]
einzelne Ventilfeder wird durch den Einsatz der 8 D
Mehrventiltechnik im Motor noch weiter ver- W k ˜ ˜ m3 ˜ F (7.14)
S d
schärft. Unterstellt man beispielsweise eine Aus-
fallwahrscheinlichkeit von nur 1 ppm bezogen auf Die analytisch ermittelten Schubspannungen berück-
die Ventilfeder bei einem 24-Ventil-Motor, bedeu- sichtigen nicht die bereits erwähnten zusätzlichen
tet dies, dass maximal jeder 40.000. Motor auf Lastspannungen, die sich aus dem Biegemoment und
7.12 Ventilfedern 203

den Quer- und Normalkräften ergeben. Zudem erge- den und der Windungsdurchmesser konstant. Die
ben sich aus den Federeigenschwingungen bei hohen Progression der Federkennlinie wird durch das teil-
Drehzahlen dynamische Überhöhungen, welche die weise Berühren von Windungen über dem Einfede-
statisch ermittelten Lastspannungen um bis zu 50 % rungsweg erreicht. Je nach eingestellter Progression
übersteigen können. Diese dynamischen Effekte ändern sich die Federrate und die Eigenfrequenz der
können entweder durch Programme für die Mehrkör- Feder über dem Einfederungsweg. Die dynamische
persimulation oder messtechnisch mit Dehnungs- Anregung der Feder wird dadurch breitbandiger und
messstreifen ermittelt werden. Die experimentelle die dynamische Überhöhung geringer.
Methode wird meist an speziell vorbereiteten Motor- Um die bewegte Federmasse möglichst gering zu
attrappen durchgeführt [3]. Als Messschrieb ergibt halten, kann die Feder asymmetrisch gewickelt wer-
sich die Lastspannung über der Motordrehzahl und den. Das heißt, dass die zur Progression erforderli-
dem Kurbelwellenwinkel. chen engen Windungsabstände zum Zylinderkopf
Abhängig von der Belastung und den Bauraumanfor- gerichtet sind. Nachteil der asymmetrisch gewickel-
derungen ergeben sich die in Bild 7-175b gezeigten ten Feder ist, dass für die gerichtete Montage der
Bauformen. Die Standardbauform ist die symmetri- Feder im Zylinderkopf zusätzliche Maßnahmen
sche, zylindrische Feder. Bei dieser Feder sind die ergriffen werden müssen, um Falschverbau auszu-
Windungsabstände symmetrisch zu beiden Federen- schließen.

Kräfte auf die Kräfte und Momente auf Spannungen im


Ventilfeder eine Federwindung Drahtquerschnitt
F
FQ y
f

Mb x

FN
Mf Dm

y
t(f)

t(x)

d
F x
Bild 7-175a Kräfte,
Momente und Spannungen
bei Ventilfedern

Bauformen
zylindrisch, zylindrisch, konisch bienenkorb-
symmetrisch asymmetrisch förmig

Drahtprofile
rund eiförmig

Bild 7-175b Bauformen


und Drahtprofile von
Ventilfedern
204 7 Motorkomponenten

Die konische Ventilfeder hat den Vorteil, dass zum eiförmigen Draht („multi-arc“), dessen Achsverhält-
einen die bewegten Massen geringer sind als bei einer nis 1 : 1,25 beträgt und dessen polares Flächenträg-
zylindrischen Feder und zum zweiten die Blockhöhe heitsmoment dem eines Runddrahts mit einem
geringfügig kleiner ist. Zudem kann mit einer koni- Durchmesser von 3,8 mm entspricht.
schen Ventilfeder ein kleinerer Federteller am Ventil Die geforderten niedrigen Ausfallquoten stellen
verwendet werden, was wiederum einen positiven höchste Ansprüche an das Ventilfedervormaterial.
Einfluss auf die bewegten Massen hat. Nachteilig ist, Eine Hauptursache für Federversagen stellen nicht-
dass eine konische Feder oft weniger Progression hat metallische Einschlüsse im Ventilfederdraht oder
als eine zylindrische Feder. mechanische Beschädigungen an seiner Oberfläche
Die sogenannte „Bienenkorbfeder“ besteht aus einem dar. Die früher häufig verwendeten CrV-Stähle kön-
ortsfesten zylindrischen Teil und einem konischen nen den Ansprüchen der erforderlichen Zugfestigkeit
Teil, an den der Federteller angreift. Diese Bauform hoch beanspruchter Ventilfedern nicht mehr gerecht
kombiniert die Vorteile der zylindrischen und der werden. Sie sind in Europa weitestgehend durch
konischen Feder. Dabei kann die bewegte Masse über CrSi-legierte Stähle ersetzt worden. CrSi-Stähle
den kleineren Federteller gegenüber einer zylindri- weisen im Vergleich zu CrV-Stählen weniger hoch-
schen Feder deutlich reduziert werden. Über den schmelzende, nichtmetallische Einschlüsse und eine
zylindrischen Teil kann die erforderliche Progression höhere Zugfestigkeit auf. Zunehmend werden auch
eingestellt werden. hochfeste Drähte (HT, High Tensile) eingesetzt, die
Als Drahtquerschnitte werden hauptsächlich runde CrSiV oder CrSiNiV legiert werden. Der Walzdraht
und „eiförmige“ Drähte verwendet. Durch den „ei- wird vor dem Kaltziehen geschält, um einen von
förmigen“ Draht hat man zum einen den Gewinn Oberflächenfehlern freien Draht zu erhalten. Die er-
einer reduzierten Einbauhöhe und zum anderen den forderliche Festigkeit wird durch einen Vergütepro-
Vorteil, dass die Spannungsverteilung im Drahtquer- zess, meist Ölschlussvergütung, aber auch Induktive
schnitt gleichmäßiger ist als beim Runddraht, der, wie Vergütung erreicht. Im Anschluss an die Vergütung
eingangs beschrieben, an der Federinnenseite am wird der Draht mittels Wirbelstromsensoren auf Ober-
höchsten beansprucht ist. Eine optimale Werkstoff- flächenfehler geprüft. Eventuelle Fehlstellen werden
ausnutzung ergibt sich nach den von [4] vorgeschla- markiert und bei der Federherstellung ausgeschleust.
genen Drahtquerschnitten. Dieser Drahtquerschnitt Nach dem Winden der Feder wird diese zur Reduzie-
gibt zum einen den äquivalenten Durchmesser eines rung der Windeeigenspannung spannungsarm ge-
Runddrahtes und das Achsverhältnis der beiden glüht. Anschließend werden die Federenden plan-
Hauptachsen an. So bezeichnet ein 3,8 MA 25 einen geschliffen, um eine parallele Federaufnahme zu ge-

Produktform Faktoren der Schwingfestigkeit


Fertigungsschritt
Reinheits- Ober- Mechanische Gefüge Eigen-
grad fläche Kennwerte spannung
Flüssiger Stahl Erschmelzen und
x x
Raffinieren
Bramme/Block Vergießen x
Knüppel Warmwalzen x x
Walzdraht Warmwalzen x x x
Schälen x
Patentieren x x
Ventilfederdraht Kaltziehen x x
Ölschlussvergüten x x
Ventilfeder Winden x x
Spannungsarmglühen x x x
Planschleifen der
Federenden
Kugelstrahlen x (x) x
Warmvorsetzen x

Bild 7-175c Faktoren auf die Schwingfestigkeit von Ventilfedern [1]


7.13 Ventilsitzringe 205

währleisten. Je nach Anwendung wird die Feder


angefast. Durch den Kugelstrahlprozess wird die
Oberfläche verdichtet und Druckeigenspannung in Nocke
die oberflächennahen Bereiche eingebracht. Diese
Druckeigenspannungen werden im Betrieb durch die Tasse
auftretenden Zugspannungen überlagert und verhin-
Ventilschaftabdichtung
dern eine Rissausbreitung.
Zur weiteren Steigerung der Schwingfestigkeiten wer- Ventilführung
den hochbeanspruchte Federn zusätzlich stückvergü-
tet. Hierdurch steigt die ertragbare Spannung gegen- Ventilschaft
über konventionellen Federn deutlich um circa 10 %
Ventil
(Bild 7-175c).
Zudem werden Ventilfedern in einigen Anwendungen Ventilsitzring
nitriert und anschließend erneut kugelgestrahlt. We-
gen der damit verbundenen Kosten hat sich dieses
Verfahren bislang in Europa und Amerika nicht Bild 7-176 Tassenstößelventiltrieb mit obenliegender
durchsetzen können. Nockenwelle

Literatur
Markt Produzierte Fahrzeuge
[1] Muhr, T.: Zur Konstruktion von Ventilfedern in hochbean-
spruchten Verbrennungsmotoren, Dissertation. RWTH Aachen, 2011 2012
1992
[2] Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.): DIN-Taschen- Europa 21.118.311 19.814.472
bücher, Berlin: Beuth, Zylindrische Schraubendruckfedern aus
runden Stäben, DIN 2089 (Teil 1), 7. Aufl. 1984 Nafta 13.477.706 15.794.590
[3] Niepage, P. et al: Meßstellenermittlung und Meßwertkalibrie-
rung zur Spannungmessung an Ventilfedern mittels Dehnungs- Mercosur 4.316.103 4.228.763
messstreifen. In: Draht 41 1990 (3), S. 333 – 336
[4] Yamamoto: Valve Spring Made by Sankos Multi-Arc Wire. Asien 40.576.318 43.675.946
Kyoto: Sanko Senzai Kogyo Co. Ltd., 1989
Übrige 556.637 586.396
Gesamt 80.045.075 84.100.167
7.13 Ventilsitzringe
Bild 7-177 Weltweite Produktion von Kraftfahrzeug-
7.13.1 Einleitung motoren
Ventilsitzringe (im Folgenden VSR) und Ventilfüh-
rungen (im Folgenden VF) sind wichtige Bauteile 7.13.2 Anforderungen an Ventilsitzringe
innerhalb des Ventiltriebes und essenziell für den
einwandfreien Verbrennungsablauf im Zylinder. Über 99 % aller Aluminiumzylinderköpfe besitzen
Zusammen mit dem Ventil haben die oben genannten Ventilsitzringe, da das Aluminium und seine Legie-
Komponenten eine einwandfreie Abdichtung des rungen keine für Ventilsitze ausreichenden Werk-
Verbrennungsraumes zu gewährleisten, damit die stoffeigenschaften besitzen. Der Ventilsitzring bildet
erforderlichen Verdichtungs- beziehungsweise Ver- zusammen mit dem Ventil ein tribologisches System,
brennungsdrücke im Zylinder erreicht werden. Ein welches auch nach mehreren Millionen Lastzyklen
erhöhter Verschleiß führt zu Veränderungen der die Funktionalität des Abdichtens sicherstellen muss.
Verbrennungsbedingungen und damit zu schlechteren So werden in modernen Motoren Verschleißraten
Leistungs- und Emissionsdaten des Motors. gefordert, die den wartungsfreien Betrieb eines
Bild 7-176 zeigt einen Tassenstößelventiltrieb mit mechanischen Ventiltriebes ohne Spielausgleich
oben liegender Nockenwelle. VSR und VF sind bis zu einer Laufleistung von 300.000 km erfüllen
typische Vertreter von Bauteilen, die in hohen Stück- (< 1 μm/1000 km). Dem gegenüber stehen äußerst
zahlen produziert werden. anspruchsvolle Laufbedingungen. Im Folgenden
Bild 7-177 gibt eine Übersicht der produzierten werden die Haupteinflussfaktoren auf den Ventilsitz-
Kraftfahrzeuge der Jahre 2011 und 2012 [1]. Hieraus ringverschleiß behandelt.
ergibt sich ein Bedarf von über 1.200 Millionen
7.13.2.1 Ventilsitzbeanspruchungen
Komponenten. Weltweit produzieren 13 Hersteller
Ventilsitzringe, die sich in die Werkstoffgruppen der Je nach verwendetem Motorentyp treten unterschied-
Gusswerkstoffe und der pulvermetallurgischen (PM) liche Beanspruchungen im Ventilsitzkontaktbereich
Materialien, die 90 % Marktanteil besitzen, untertei- auf. Die Art der Kraftstoffzufuhr, die Verdichtungs-
len lassen. und Verbrennungsdrücke und die damit verbundenen
206 7 Motorkomponenten

spezifischen Leistungen sowie die herrschenden


Temperaturen im Kontaktbereich beeinflussen maß-
geblich das Verschleiß- und Deformationsverhalten
im Tribosystem Ventil/Ventilsitzring. Die so hervor-
gerufenen Verschleißfaktoren lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
a) Mechanische Belastung des Sitzbereiches. Sie
setzt sich zusammen aus der Federvorspann-
kraft (Ff), der Aufprallkraft des Ventils (FB) und
der Verbrennungsdruckkraft (FP). Bild 7-178 gibt
als Beispiel einen Überblick über die prozentuale Bild 7-179 Differenzwinkel am Ventil
Lastverteilung eines Ventilsitzes bei einem Motor
mit oben liegender Nockenwelle. c) Schmierung des Sitzkontaktes. Die Verschleiß-
Diese Belastung teilt sich entsprechend dem ver- raten des Tribosystems Ventil/VSR werden maß-
wendeten Sitzwinkel in eine senkrecht und eine geblich durch schmierende Zwischenschichten be-
parallel zur Sitzfläche vorherrschende Kraft. Letz- einflusst. Je nach Zusammensetzung des Verbren-
tere ist primär für das Verschleiß- und Verfor- nungsgasgemisches unterscheiden sich die Effekte
mungsverhalten des Sitzes verantwortlich. Die im Ein- und Auslass. Bild 7-180 vergleicht den
Höhe der Kräfte und deren Lastaufteilung ist ab- Einfluss der Kraftstoffarten auf das Verschleiß-
hängig vom Motortyp und dessen Betriebszustand verhalten zwischen Ventil und Sitzring.
(zum Beispiel elektromagnetischer Ventiltrieb, Grundsätzlich werden diese Effekte durch weitere
Motorbremsbetrieb). Phänomene überlagert. Insbesondere ist hier die
mögliche Anfettung des Ansauggemisches durch
b) Dynamische Sitzbelastungen durch Relativbe- Einleitung der Kurbelgehäusedämpfe in den An-
wegungen des Ventils zum Sitzring. Hierbei saugtrakt zu nennen. Des Weiteren gelangen Öl-
handelt es sich einerseits um eine Rotations- bestandteile über die Ventilschaftabdichtung ent-
bewegung des Ventils. Diese ist abhängig von der lang des Ventilschaftes in den Sitzkontaktbereich.
Motordrehzahl und kann bei konventionell betä-
tigten Ventilen bis zu 10 1/min beziehungsweise d) Der Verschleißpartner – das Ventil. Bei der
beim Einsatz von sogenannten Rotocaps bis Auslegung des Ventiltriebes ist darauf zu achten,
zu 45 1/min betragen. Diese Bewegung ist er- dass die Härte der Kontaktfläche des Ventiles
wünscht, da sie einerseits eine gleichmäßige Ven- höher ist als die des Ventilsitzringes. Hierdurch
tiltemperatur gewährleistet, andererseits reinigend soll eine Verschleißaufteilung von 1/3 am Ventil
am Sitz wirkt. Eine weitere dynamische Sitzbelas- zu 2/3 am Ventilsitzring erzielt werden. Dieses
tung ist die Ventiltellerbiegung, die automatisch Verschleißverhältnis ist notwendig, da es im
bei einer brennraumseitigen Druckbeaufschlagung umgekehrten Fall zur allmählichen Schwächung
am Ventilkopf auftritt. Unterstützt wird dieser Ef- des Ventiltellers mit der Folge eines Ventil-
fekt durch einen um 0,5 bis 1° vergrößerten Ven- durchziehens und der Zerstörung des Motors
tilsitzwinkel im Vergleich zum Sitzring, genannt kommen könnte. Typische Härtewerte sind in Bild
Differenzwinkel (Bild 7-179). Hierdurch wird ei- 7-181 zusammengefasst.
ne geringere Sitzbreite und damit eine höhere Flä-
chenpressung mit besserer Dichtwirkung bei ge- 7.13.2.2 Werkstoffe und Eigenschaften
ringen Verbrennungsdrücken erzielt. Bei Erhö-
hung des Druckes vergrößert sich durch die Ven- Werkstoffe
tiltellerbiegung der Flächentraganteil und bewirkt Gusslegierungen. Um diese Werkstofflegierungen
so eine reduzierte Flächenpressung auf den Sitz. herzustellen, werden die Produktionsmethoden Form-
oder Sandguss sowie Schleuderguss herangezogen.
So hergestellte Werkstoffe sind:
Anteil an Ge-
samtbelastung x Gusseisen [3]: Das Einsatzgebiet von niedrig le-
giertem Grauguss liegt bei gering belasteten
Federvorspannkraft 1–3 % Motoren sowohl im Ein- als auch im Auslass.
Die hohen Anteile freien Graphits im Werkstoff
Aufprallkraft (maximale Be- 2 – 17 %
sorgen für gute Notlaufeigenschaften. Über ther-
schleunigung 1500 – 7900 m/s2)
mische Behandlungen können die Werkstoff-
Verbrennungsdruckkraft 80 – 97 % eigenschaften verbessert werden, zum Beispiel
Erhöhung der Duktilität, was beim Einsatz von
Bild 7-178 Lastverteilung am Ventilsitz [2] Titanventilen erforderlich ist. Zur Anpassung an
7.13 Ventilsitzringe 207

Einlass Auslass
Ottokraftstoff ++ Flüssigkeitsschmierung bei Saug- + Festkörperschmierung durch
Verschleißrate und Turbomotor Ablagerungen aus den
bei Otto-DI, keine Schmierung, Verbrennungsgasen
1 – 5 μm/1000 km
da lediglich Ansaugluft über den
– Einlass gelangt
Dieselkraftstoff – Keine Schmierung durch ++ Festkörperschmierung durch
Verschleißrate Kraftstoff, da lediglich Ansaugluft Ablagerungen aus den
über den Einlass gelangt Verbrennungsgasen
1 – 5 μm/1000 km

Alkohol O Flüssigkeitsschmierung bei Saug- O geringe Festkörperschmierung,


Verschleißrate und Turbomotor, jedoch mit erhöhter Wasseranteil, Effekt variiert
korrosiven Anteilen. Effekt je nach Alkoholgehalt (ab E50
1 – 10 μm/1000 km variiert je nach Alkoholgehalt -- kritisch)
(ab E50 kritisch) problematisch thermisch hoch
belastete Turbomotore
CNG – Keine Schmierung , da lediglich -- geringe Festkörperschmierung, da
Verschleißrate ein Gasgemisch über den Einlass geringe Verbrennungsrückstände
gelangt problematisch thermisch hoch
1 – 50 μm/1000 km belastete Turbomotore
LPG -- Keine Schmierung, da lediglich -- geringe Festkörperschmierung, da
Verschleißrate ein Gasgemisch über den Einlass geringe Verbrennungsrückstände
gelangt
1 – 70 μm/1000 km
Wasserstoff -- Keine Schmierung, da lediglich -- Keine Schmierung, da keine
Verschleißrate ein Gasgemisch über den Einlass Verbrennungsrückstände, erhöhter
gelangt korrosiver Anteil durch Wasserdampf
3 – 70 μm/1000 km
Wertung: ++ sehr gut; + gut; o mittel; – schlecht; -- sehr schlecht

Bild 7-180Einfluss der Kraftstoffart auf das Verschleißverhalten Ventil/Ventilsitzring

Ventil Ventilsitzring
Einlass 270 – 370 HBW2,5/187,5 220 – 320 HBW2,5/187,5
gehärtet > 48 HRC
Bild 7-181 Härtevergleich
Auslass (gepanzert) 30 – 50 HRC 30 – 46 HRC Ventil/Ventilsitzring

den Wärmeausdehnungskoeffizienten von Alu- x Nichteisengusslegierungen [3]: Bei dieser Werk-


miniumzylinderköpfen findet austenitisches Guss- stoffgruppe handelt es sich um hochlegierte Nickel-
eisen seine Anwendung. Durch eine Erhöhung des oder Kobaltbasislegierungen. Sie finden insbe-
Karbidanteils wird bei diesem Werkstoff die sondere bei hochbelasteten Motoren als Auslass-
Verschleißfestigkeit gesteigert. werkstoffe Anwendung. Charakteristisch für diese
x Martensitischer Stahlguss [3]: Hierbei handelt es Werkstoffgruppe sind die hohen Anteile an Karbi-
sich um Werkstoffe auf Basis von Werkzeug- den und intermetallischen Phasen. Es werden sehr
stählen beziehungsweise rostfreien Martensitstäh- gute Hochtemperatureigenschaften bis 875 °C er-
len. Sie werden im Allgemeinen als gehärtete reicht. Nachteilig sind die hohen Werkstoffkosten,
Qualitäten für Einlass- und Auslassventilsitzringe die niedrige Wärmeleitfähigkeit und die schwierige
bei Nutzkraftfahrzeugen mittlerer und hoher Be- Bearbeitbarkeit. In höchstbelasteten Motoren (Mo-
anspruchung für Temperaturen bis circa 600 °C torsport/Formel1) kommen Cu-Basis-Legierungen
eingesetzt. Bei Zugabe von Chrom ergeben sich mit Zusätzen von Beryllium auf Grund der hohen
gute Korrosionsbeständigkeiten. Wärmeleitfähigkeit zum Einsatz.
208 7 Motorkomponenten

PM-Werkstoffe: Nach dem Verpressen einer Pul- Die mittelhochlegierten Stahlgruppen können auch
vermischung in einer endkonturnahen Form bei als kupferinfiltrierte Qualitäten bezogen werden.
Drücken bis zu 900 MPa werden die Presslinge, Hierzu wird während des Sinterprozesses das offe-
sogenannte Grünlinge, bei hohen Temperaturen (1000 ne Porenvolumen des Sinterkörpers mit flüssigem
bis 1200 °C bei Eisenbasislegierungen) gesintert und Kupfer gefüllt. Der Vorteil dieser Legierung liegt
thermisch nachbehandelt. Die mechanischen Bearbei- neben einer besseren Wärmeleitfähigkeit auch in
tungen Drehen und Schleifen bilden den Abschluss einer besseren Bearbeitbarkeit.
des Produktionsprozesses. Je nach Art des verwende- x hochlegierten Stählen: Diese Gruppe umfasst
ten Werkstoffes können zusätzliche Fertigungsschrit- martensitische beziehungsweise austenitische
te erforderlich sein. Ziel moderner PM-Entwicklun- Werkstoffe. Der Anwendungsbereich liegt bei
gen ist es, die Anzahl der Fertigungsschritte niedrig Motoren mit hoher Anforderung bezüglich Hoch-
zu halten, um deutliche Kosteneinsparungen zu temperaturoxidations/-korrosionsfestigkeit.
erzielen [4]. Typische Legierungselemente sind Ni, Cr und Co.
PM-Werkstoffe werden differenziert nach Auf Grund des hohen Legierungsanteils sind diese
Werkstoffe im Vergleich zu den anderen Werk-
x niedrig legierten Stählen: Niedriglegierte Stähle
stoffgruppen sehr kostenintensiv. Aus diesem
werden vorwiegend für Einlassventilsitzringe bei
Grund wird häufig die sogenannte Doppellagen-
Ottomotoren benutzt. Diese Werkstoffe basieren
technologie angewandt, bei welcher der Ventil-
auf dem System Fe-Cu-C. Das Gefüge ist im All- sitzring aus zwei unterschiedlichen Werkstoff-
gemeinen ferritisch/perlitisch mit Anteilen an Ze- lagen, sitzseitig eine hochlegierte und kanalseitig
mentit. Geringe Anteile von Nickel oder Molyb- eine niedriglegierte Werkstoffqualität, besteht [6].
dän dienen zur Verbesserung der Verschleißfestig- x Nichteisenlegierungen: Ni-Co-Basislegierungen
keit. Zur Optimierung der Zerspanbarkeit dienen sind im Gegensatz zu den Gusslegierungen im
häufig Festschmierstoffe (zum Beispiel MnS, Pb, pulvermetallurgischen Bereich sehr selten anzu-
MoS2, CaF2 oder Graphit). Insgesamt liegt der treffen. Insbesondere für Rennsportapplikationen
Anteil an Legierungselementen unter 5 %. sind Kupferwerkstoffe von besonderem Interesse.
x mittelhochlegierten Stählen: Diese Werkstoffe Moderne Werkstoffentwicklungen haben die Ziel-
sind im Allgemeinen in Auslassventilsitzringen setzung, das toxische Beryllium als Legierungs-
von Ottomotoren sowie bei Dieselmotoren sowohl element zu substituieren. Durch Anteile kera-
im Einlass- als auch Auslassbereich zu finden. mischer Partikel (zum Beispiel Al2O3) wurden
Diese Werkstoffgruppe stellt die am weitesten bereits Verschleißfestigkeiten nachgewiesen, die
verbreitete dar und besitzt eine breite Varianten- denen der Standardapplikationen entsprechen [9].
vielfalt, aus der die drei gängigsten Gruppierun-
gen erwähnt werden sollen. Eigenschaften
Bei den Martensitstählen besteht das Gefüge im Um den anwendungstechnischen Anforderungen zu
Wesentlichen aus einem martensitischen Anlassge- genügen, müssen Ventilsitzringe gewisse Materialei-
füge mit fein verteilten Karbiden, Festschmierstof- genschaften besitzen. Diese Schlüsseleigenschaften
fen und gegebenenfalls Hardphasen (intermetalli- werden im Folgenden dargestellt.
sche Phasen hoher Härte und Temperaturbeständig- x Warmhärte: Die Härte eines Werkstoffes korres-
keit (zum Beispiel Co-Mo-Cr-Si-Laves-Phasen, Co- pondiert im Allgemeinen mit dessen Verschleiß-
Cr-W-C-Phasen [5])). Schnellstähle beziehen ihre festigkeit. Aus diesem Grund dient die Warmhärte
hohe Verschleißfestigkeit aus einer martensitischen als Indikator für die Verschleißfestigkeit eines
Matrix mit einer feinen Verteilung von Sonderkar- Materials bei erhöhter Temperatur. Starke Härte-
biden des Typs M6C oder MC, welche sich über abfälle bei steigenden Temperaturen zeigen mög-
Legierungselemente wie Cr, W, V, Mo oder Si bil- liche Grenzeinsatztemperaturen an (Bild 7-182).
den können. Aufbauend auf den Schnellstahlstan-
dardzusammensetzungen (zum Beispiel M2, M4,
Warmhärtevergleich von Kobalt, Nickel und
M35) führen legierungstechnische Modifikationen, Eisenbasislegierungen
wie das Verdünnen mit Eisenpulvern, die Zugabe 90
von Festschmierstoffen oder weiteren Hardphasen,
zum Ventilsitzringwerkstoff. Bainitische Stähle be- 80
Härte HRA

Co-Basis
sitzen im Gegensatz zu den anderen beiden Werk- 70
Ni-Basis
stoffgruppen kein Anlassgefüge, sondern ein ther- Fe-Basis
60
misch stabileres bainitisches Grundgefüge. Zugaben
von Festschmierstoffen, Karbidbildnern und Hard- 50
0 200 400 600 800
phasen ergeben in Kombination mit dem Gefüge Temperatur in °C
gute Warmverschleißeigenschaften. Typische Le-
gierungselemente sind Co, Ni und Mo. Bild 7-182 Warmhärtevergleich [7]
7.13 Ventilsitzringe 209

x Thermische Gefügestabilität: Die thermische schaulicht die theoretischen Wärmeflüsse am


Gefügestabilität indiziert Veränderungen im Ventil.
Werkstoff auf Grund von Temperatureinflüssen. Theoretische Berechnungen [8] haben ergeben,
Bild 7-183 fasst verschiedene Effekte zusammen. dass eine Erhöhung der Leitfähigkeit von
Insbesondere bei Werkstoffen mit Anlassgefüge 20 W/mK auf 40 W/mK die Betriebstemperatur
muss von diffusionsbedingten Veränderungen des Sitzringes um 50 °C und die des Ventils um
unter thermischer Belastung ausgegangen werden. 30 °C reduziert. Messungen in verschiedenen Mo-
x Wärmeausdehnungskoeffizient: Der Wärmeaus- toren bestätigen die Reduzierung der Ventilkopf-
dehnungskoeffizient von Ventilsitzringen und temperatur [9]. Um diese Eigenschaftswerte zu er-
Zylinderkopfwerkstoffen ist für die Montage von reichen, werden insbesondere mittelhochlegierte
VSR in Zylinderköpfen über eine Pressverbindung Auslasswerkstoffe mit Kupfer infiltriert. Bild
von erheblicher Bedeutung. Vorteilhaft ist es, wenn 7-185 fasst einige repräsentative Kennwerte zu-
die Werkstoffe beider Fügepartner ähnlich hohe sammen. Bei der Auslegung des Zylinderkopfs ist
Wärmeausdehnungskoeffizienten besitzen. Ist dies zu berücksichtigen, dass die größere Wärmeein-
nicht gegeben, so kommt es zum Beispiel bei der bringung in das Aluminium des Zylinderkopfes
Kombination von Fe-Basis-Ventilsitzringen/Alu- bei hochwärmeleitfähigen Ventilsitzringen zu ei-
miniumzylinderkopf bei Erwärmung zu einer nem Festigkeitsverlust des Aluminiums führt.
Abnahme der Presskraft. Dies kann zum Heraus- Rissbildungen im Stegbereich sind Folgen dieser
fallen des Sitzringes aus der Zylinderkopfbohrung Art von thermischer Überbelastung.
und damit zur Zerstörung des Motors führen. Bild x Dichte: Um die Werkstoffbeanspruchung mög-
7-184 zeigt typische Wärmeausdehnungskoef- lichst niedrig zu halten, sind Werkstoffe mit hoher
fizienten. Dichte auf Grund ihres höheren spezifischen
x Wärmeleitfähigkeit: Zur Reduzierung der Traganteils bei gegebener Belastung vorteilhaft.
Ventiltemperatur ist es erforderlich, einen guten Zusätzlich wird so vermieden, dass es durch
Wärmefluss vom Ventilteller über den Ventil- Kerbwirkung der Poren zu Ermüdungserscheinun-
sitzring in den Zylinderkopf zu erhalten. Dies wird gen mit Materialausbrüchen kommt. Im Gegensatz
neben der Schaffung von guten Wärmeüber- zu gegossenen Ventilsitzringen muss bei pul-
gängen über Werkstoffe erreicht, die hohe Wär- vermetallurgischen Erzeugnissen grundsätzlich
meleitfähigkeiten aufweisen. Bild 7-185 veran- mit einem gewissen Porenanteil gerechnet werden.

Temperatur Vorgang Wirkung


– 190 °C ... 21 °C Umwandlung Restaustenit Zunahme der Härte
in Martensit Dimensionelle
Veränderungen

250 °C ... 900 °C Abbau Eigenspannungen Härteveränderungen


Diffusionsvorgänge Eigenschaftsveränderungen
Ausscheidungsvorgänge Gefügeveränderungen

Bild 7-183 Effekte auf Grund thermischer Beanspruchung

Wärmeausdehnung
[10–6 K]
Zylinderkopf Gusseisen 9 – 11
Aluminium 23 – 27
Ventilsitzring Fe-Basis (martensitisch) 9 – 13
Fe-Basis (austenitisch) 17 – 19
Ni-Basis 12 – 16
Co-Basis 12 – 14

Bild 7-184 Wärmeausdehnungskoeffizienten


210 7 Motorkomponenten

Gleitkontakt

Q6

Q6 Schaft
Führung


Q5
Ventilsitz

Q4

Q5 •
Q4

• Q3
Q2

• • • Bild 7-185 Wärmefluss am


• Q1 Q2 Q3
Q1
Ventil [9]

Wärmeleitfähigkeit Nebenwinkel
[W/mK] Sitzwinkel

Fe-Basis 17 – 35
Höhe
Fe-Basis (Cu-infiltriert) 40 – 49
Ni-Basis 16 – 18
Co-Basis 14 – 15 Montage- Innendurchmesser (ID)
facette
Außerdurchmesser (OD)
Cu-Basis 100 – 200
Bild 7-186 Wärmeleitfähigkeiten Bild 7-187 Typische Ventilsitzringkontur

x Oxidations-/Korrosionsbeständigkeit: Aufgrund x Mechanische Bearbeitbarkeit: Eine gute mecha-


der extremen Betriebsbedingungen müssen Ventil- nische Bearbeitbarkeit ist ein wichtiges Kriterium
sitzringe gegen die heißen Abgase korrosions- zur Beurteilung von Ventilsitzringwerkstoffen, da
beziehungsweise oxidationsbeständig sein. Dies die Endsitzbearbeitung auf Grund der Toleranz-
kann entweder durch die chemische Zusammen- lagen im Zylinder und am Sitzring im montierten
setzung des Werkstoffes erreicht werden oder Zustand vorgenommen werden muss. Der Aufbau
durch eine gezielte Passivierung der Bauteilober- des Gefüges, eine möglichst hohe Dichte sowie
flächen zum Beispiel Voroxidation. die Zugabe von Festschmierstoffen können die
x Verschleißfestigkeit: Grundsätzlich wirken fol- Werkzeugstandzeiten positiv beeinflussen.
gende Verschleißmechanismen:
Adhäsion: Lokale Mikroverschweißungen mit an- 7.13.2.3 Geometrie und Toleranzen
schließendem Aufbrechen der Kontaktstellen. Es
Ventilsitzringe besitzen im Allgemeinen eine einfa-
kommt zum Materialtransfer von einem Reibpart-
che ringförmige Kontur. Hiervon abweichende Son-
ner zum anderen sowie zur Grübchenbildung.
derformen mit konturierten Außenmantelflächen
Abrasion: Materialabtrag auf Basis von Schleif-
werden bei Bauteilen verwendet, welche während der
und Schneidmechanismen im Mikrobereich. Ein
Zylinderkopfherstellung eingegossen werden. Diese
Materialtransfer findet nur im begrenzten Maße
Konturen sollen ein Herausfallen der Sitzringe durch
statt. Oxidation: Bildung von spröden, nicht fest
Formschluss verhindern [10]. Bild 7-187 veranschau-
anhaftenden Oxidschichten, die bei Belastung von
licht eine typische Ventilsitzringkontur. Bild 7-188
der Oberfläche platzen, beziehungsweise einge-
fasst gängige Toleranzkennwerte zusammen.
bettet werden. In diesem Fall wird von Tribooxi-
dation gesprochen. Korrosion: Bildung von Reak- x Ventilsitz: Der Ventilsitz des Ringes ist der
tionsphasen, zum Beispiel führt bei hochnickel- eigentliche Funktionsbereich des Bauteils. Er wird
haltigen Werkstoffen das niedrigschmelzende Ni- in der Regel erst nach der Zylinderkopfmontage
ckel-Schwefel-Eutektikum zur Materialschwä- endgültig über Drehoperationen hergestellt, um
chung und Auslösung von Materialbereichen. eine genaue Ausrichtung der Ventilachse zur Ven-
7.13 Ventilsitzringe 211

Außendurchmesser Da < 45 mm ± 0.013 mm


Da > 45 mm ± 0,010 mm
Rechtwinkligkeit 0,03 bezogen auf
Facettenseite
Oberfläche Ra = 1,25
Innendurchmesser Zylindermaß ± 0,1
Auslaufmaß von Schrägen ± 0,15
Oberfläche Ra = 3,2
Koaxialität 0,2
Sitz Winkel ± 1°
Oberfläche Ra = 3,2
Höhe Maß ± 0,05
Parallelität 0,04
Oberfläche Stirnflächen Ra = 1,6
Bild 7-188 Toleranzbereiche
Montagefacette Toleranz Radius ± 0,15 – ± 0,3
bei Ventilsitzringkonstruk-
Toleranz Winkelschräge ± 2°
tionen

tilsitzringachse zu erhalten (Mittenversatz maximal x Montagefacette: Die Facette positioniert den


0,02 bis 0,03 mm bei neuen Motoren). Eine Ventilsitzring und verringert die Einpresskräfte
konstruktive Möglichkeit, den Verschleiß am Sitz vor und während der Zylinderkopfmontage.
zu reduzieren, besteht in der Verringerung des Gedrehte Facetten besitzen im Allgemeinen eine
Sitzwinkels beziehungsweise der Erhöhung der einfache Schräge mit einem Winkel von 10° bis
Sitzbreite. Durch das Verkleinern des Sitzwinkels 45°. Bei Sitzringen, deren Facette während des
beziehungsweise der Verbreiterung des Sitzes re- pulvermetallurgischen Produktionsprozesses ange-
duzieren sich die parallel zur Sitzfläche wirkenden presst wird, sind häufig Radien in der Größe von
Belastungen, wie Bild 7-189 darstellt. Untersuchun- 0,4 bis 1,4 mm mit einer mantelseitigen Schräge
gen haben gezeigt, dass die Verminderung der Flä- von 10° bis 15° vorzufinden. Grundsätzlich kann
chenlängsbelastung zu einer Verringerung der Ver- davon ausgegangen werden, dass kleinere Winkel
schleißrate führt. Übliche Kennwerte für Sitzwinkel der Schrägen zu geringeren Montagekräften
und Sitzbreiten sind Bild 7-190 zu entnehmen. führen. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass
im Montagebereich keine Gradbildung durch
Bearbeitungsvorgänge beim Drehen vorliegt.
140
Verhindert wird dies durch Gleitschleifen der
Flächenbelastung in %

45°
120
100 Bauteile.
80
30°
x Innendurchmesser: Innendurchmesser von Ven-
60
20°
tilsitzringen sind im Allgemeinen unbearbeitet.
40 Zur Optimierung von Strömungsvorgängen wer-
20 den in bestimmten Motorenfamilien Einlassventil-
0
sitzringe mit speziellen Innenkonturen verwendet,
0 0,5 1 1,5 2 2,5
Sitzbreite in mm
wie zum Beispiel Venturiformen. Zur Verbesse-
rung der Einlaufbedingungen und zum Erreichen
Bild 7-189 Vergleich der Flächenbelastung in Ab- konstanter Sitzbreiten nach der Fertigbearbeitung
hängigkeit von Sitzwinkel und Sitzbreite des Sitzringes im Zylinderkopf werden häufig
Nebenwinkel im Bereich des Ventilsitzes vorge-
sehen. Der übliche Wert solcher Winkel liegt bei
Sitzbreite [mm] Sitzwinkel 30° (Bild 7-191).
Einlass Auslass x Wandstärke: Aufgrund der immer kompakteren
Bauweise bei modernen Motoren ergeben sich
Ottomotor 1,2 – 1,6 1,4 – 1,8 45° Forderungen nach immer dünnwandigeren Ventil-
Dieselmotor sitzringen. Dem gegenüber stehen die mechani-
schen Beanspruchungen im Sitzring sowie As-
Pkw 1,6 – 2,2 1,6 – 2,2 45°
pekte der Produktionssicherheit. Übliche im Groß-
Nkw 2,0 – 3,0 2,0 – 3,0 20° – 45° serienmaßstab hergestellte Wandstärken liegen
Gasmotor 1,8 – 2,5 1,8 – 2,5 20° – 45° über 1,8 mm. Das Verhältnis von Höhe/Wand-
stärke sollte sich entsprechend Bild 7-192 ver-
Bild 7-190 Sitzbreiten und Sitzwinkel halten.
212 7 Motorkomponenten

Bearbeiteter
Sitzwinkel Nebenwinkel

Bild 7-191 Nebenwinkel Bild 7-193 Temperaturverteilung innerhalb eines


Auslassventilsitzringes
Ringhöhe H Höhe/Wandstärke
beeinflusst. Wichtig ist eine saubere Anlage der
5 – 6 mm d 2,5 Sitzringmantelfläche an der Zylinderkopfbohrungs-
fläche. Daher sind die Rundheiten der Durchmesser
6 – 9 mm d 3,0 und Rechtwinkligkeiten der Mantelflächen zu den
> 9 mm d 4,0 Auflageflächen von Bohrung und Sitzring ebenso
wichtige Kenngrößen, wie die Neigung des Zylinder-
Bild 7-192 H/W-Verhältnis kopfes zum Verzug. Bei der Verwendung von VSR-
Werkstoffen mit erhöhter Wärmeleitfähigkeit ist zu
x Außendurchmesser: Für einen ausreichenden berücksichtigen, dass hierdurch eine erhöhte ther-
Presssitz im Zylinderkopf werden Überdeckungen mische Belastung des Stegbereiches im Zylinderkopf
von 0,05 bis 0,13 mm zur Zylinderkopfbohrung erfolgt. Dies kann insbesondere bei höher belasteten
verwendet [7]. Ein weiterer Orientierungswert zur Motoren zur Rissbildung in diesem Bereich führen.
Auslegung von Aluminiumzylinderkopfmontagen Bei der Installation von Sitzringen in den Zylinder-
berechnet sich zu: Überdeckung = 0,3 – 0,4 % u kopf bei Raumtemperatur besteht die Gefahr, dass es
Bohrungsdurchmesser Zylinderkopf. Grundsätz- auf Grund der Überdeckung vom Sitzring zur Boh-
lich sollte die Überdeckung dem jeweiligen An- rung zu plastischen Verformungen des Zylinder-
wendungsfall angepasst werden. Für das Ableiten kopfmaterials mit Materialaufschub während der
der Wärme in den Zylinderkopf ist es notwendig, Montage kommen kann. Um dies zu vermeiden, wird
dass insbesondere die dem Brennraum zuge- für die Montagefacette ein Winkel von < 10° empfoh-
wandte Seite gut an der Bohrungsfläche des Zy- len. Das Einziehen der Ventilsitzringe in Kombina-
linderkopfes anliegt, da hier der höchste Wärme- tion mit einer Tiefkühlung in flüssigem Stickstoff
transfer stattfindet. Bild 7-193 zeigt die Tempe- bietet den Vorteil einer geringen Fügeüberdeckung
raturverteilung innerhalb eines Auslassventil- mit der Folge geringer Einpresskräfte. Nachteilig
sitzringes. Bei der pulvermetallurgischen Her- wirkt sich die erhöhte Sprödigkeit des Sitzringwerk-
stellung von Ventilsitzringen ist darauf zu achten, stoffes im tiefgekühlten Zustand aus. Des Weiteren
dass das Verhältnis Außendurchmesser/Wand- ist eine genaue Prozessführung absolut notwendig, da
stärke im Bereich von 10 bis 13 liegt. Ursache zeitliche Verzögerungen während der Montage sofort
hierfür ist die Sicherstellung einer ausreichenden zu veränderten thermischen Fügebedingungen mit der
Grünstabilität der noch nicht gesinterten Pul- Folge erhöhter Einpresskräfte und mit dem Risiko
verpresslinge. Gusstechnisch ist eine solche Li- eines nicht exakten Presssitzes führen.
mitierung nicht bekannt. Die Oberflächenrau-
igkeit der Außenmantelfläche beeinflusst die Literatur
Montagekräfte beim Fügen der VSR in den
Zylinderkopf. [1] Organisation Internationale des Constructeurs d'Automobile,
www.OICA.net
[2] Dolenski, T.: Konstruktion eines Hochtemperatur-Stift-Scheibe-
7.13.2.4 Zylinderkopfgeometrie und -montage Verschleißprüfstandes, Diplomarbeit. FH Bochum, 1998
[3] SAE Valve Seat Information Report, SAE J 1692, Society for
Die Geometrie des Zylinderkopfes beeinflusst erheb- Automotive Engineers, Inc. Warrendale, PA, 1993
lich die Funktionalität der Ventilsitzringe. Insbeson- [4] Rodrigues, H.: Sintered Valve Seat Inserts and Valve Guides:
Factors Affecting Design, Performance & Machinability,
dere werden durch entsprechende Konstruktionen und proceedings of the International Symposium on Valve Train
Montagen die Temperaturen im Sitzring maßgeblich System Design and Materials, ASM, 1997
7.14 Ventilführungen 213

[5] Dooley, D.; Trudeau, T.; Bancroft, D.: Materials and Design x der außermittigen Normalkraft auf der Ventil-
Aspects of modern valve seat inserts, Proceedings of the
stirnfläche (Fn)
International Symposium on Valve Train System Design and
Materials, ASM, 1997 x den Gaskräften am Ventilteller (Fgas).
[6] Motooka, N. et al.: Double-Layer Seat inserts for Passenger Car Die so verursachten Momente werden durch Gegen-
Diesel Engines, SAE Technical Paper Series 850455, 1985
[7] Valve seat insert information report, SAE J 1692, 30.08.1993 kräfte an beiden Enden der Ventilführung aufgefan-
[8] Richmond, J.; Barrett, D. J. S.; Whimpenny, C. V.: ImechE, gen. Bild 7-194 veranschaulicht dieses Kräftegleich-
C389/057, 1992, 121 – 128 gewicht.
[9] Dalal, K.; Krüger, G.; Todsen, U.; Nadkarni, A.: Dispersion N 4
strengthed copper valve seat inserts and guides for automotive
engines, SAE Technical Paper Series 980327, 1998 ¦F 0 Fq  Fn  Ff  Fgas  ¦ Fvfn
n 1
(7.15)
[10] Rehr, A.: Offenlegungsschrift DE 3937402 A1, Deutsches Pa-
tentamt, 1991

Fn
7.14 Ventilführungen
Fq
Ventilführungen sind ebenso wie Ventile und Ventil- Ff
sitzringe wichtige Komponenten des Ventiltriebes.
Der jährliche Bedarf ist mit über 1200 Millionen Fn

Teile identisch zu dem der Ventilsitzringe (siehe Bild Fvf1 Fvf3


Fq Ff
7-177).
Werkstofflich teilt sich der Markt in PM (Pulverme-
tall), umgeformte Messing- und Gusseisenqualitäten Fvf1 Fvf3
auf.
Fvf2 Fvf4
7.14.1 Anforderungen an Ventilführungen Fvf2 Fvf4
Fgas
Ventilführungen haben die Aufgabe, das oszillierende
Ventil so zu führen, dass dieses stets einwandfrei im
Dichtungssitz des Ventilsitzringes positioniert wird. Fgas
Dieses tribologische System wird aus dem Ventilschaft
und der Ventilführung gebildet. Die Schmierung er-
folgt durch Motorenöl, welches gezielt über einen Bild 7-194 Kräfte am Ventil und an der Ventil-
Ölleckagestrom durch den Spalt Ventilschaft/-führung führung
zugeführt wird. Bei bestimmten Werkstoffen kommt
ein Eigenschmierungsanteil über bestimmte Legie- Bei Trockenlauf verursachen die Belastungen an den
rungszusätze beziehungsweise Gefügebestandteile Ventilführungsenden einen Festkörperkontakt zum
hinzu. Auf Grund der immer restriktiveren Abgasemis- Ventilschaft. Bei der Anwesenheit von Öl innerhalb
sionsgesetzgebung steigt die Anforderung, die Ölle- der Ventilführung kommt es auf Grund der oszillie-
ckageraten zukünftig zu minimieren. Hier sind Werk- renden Bewegung des Ventils zur Ausbildung eines
stoffkombinationen gefragt, die einen Trockenlauf hydrodynamischen Schmierfilms und einem Druck-
gewährleisten. aufbau an den Enden der Ventilführung. Dieser
Ein erhöhter abrasiver oder adhäsiver Verschleiß Schmierfilm trennt die Reibungspartner bis zum
insbesondere an den Ventilführungsenden führt zu Punkt der Bewegungsumkehr. Danach kommt es
schlechteren Leistungs- und Emissionsdaten des Mo- kurzfristig zu einem Festkörperkontakt, der sich an-
tors. Letzterer kann zum sogenannten Fressen führen. schließend von Haftreibung wieder in Gleitreibung
Wie auch bei Ventilsitzringen gibt es diverse Einfluss- umkehrt. Prinzipiell durchläuft der Kontakt Ventil-
größen, die bei der Verwendung und Auslegung von schaft/-führung kontinuierlich die in der sogenannten
Ventilführungen zu berücksichtigen sind. Stribeck-Kurve beschriebenen Reibverhältnisse in
Abhängigkeit von der Gleitgeschwindigkeit. Folgen-
7.14.1.1 Ventilführungsbeanspruchungen de Punkte beeinflussen die Beanspruchungen inner-
Die Belastungen innerhalb der Ventilführung sind halb der Ventilführung:
Reaktionen auf Kräfte, die durch den Ventilschaft in a) Ventiltrieb: Je nach Bauart des Ventiltriebes sind
das Tribosystem Ventilführung/Ventil eingeleitet die an den Enden der Ventilführung auftretenden
werden und ein Kippen des Ventils bewirken. Sie Kräfte unterschiedlich. So besitzen Kipphebeltriebe
bestehen aus [1]: bis zu fünfmal höhere Seitenkräfte als Tassenstößel-
x der Reibkraft an der Ventilstirnfläche (Fq) antriebe. Bild 7-195 zeigt den typischen Querkraft-
x der Querkraft der Ventilfeder (Ff) verlauf eines Kipphebelventiltriebes.
214 7 Motorkomponenten

200
Drehzahl 2000 1/min
150

100

50
Querkraft [N]

Bild 7-195 Querkräfte an


0
80 100 120 140 160 180 200 220 260 280 einer Ventilführung bei
–50 Kurbelwinkel [°] unterschiedlichen Drehzah-
–100
len [1] (Motor befeuert,
Ventilspiel 0,1 mm, Ventil-
Drehzahl 1000 1/min
–150 führungsspiel 45 μm, Öl-
–200 temperatur 50 °C, Ventil-
trieb Kipphebel)

200

150
Spiel 0,2 mm

100
Kraft [N]

50 Bild 7-196 Querkräfte an


einer Ventilführung bei
0 unterschiedlichen Ventil-
80 100 120 140 160 200 220 240 260 spielen [1] (Motor befeuert,
Kurbelwinkel [°]
–50 Drehzahl 1.000 1/min,
Ventilführungsspiel 45 μm,
Spiel 0,1 mm
–100 Öltemperatur 60 °C, Ventil-
trieb Kipphebel)

b) Ventilspiel: Dynamische Vorgänge der Ventilbe- im Sitz des Ventilsitzringes. Damit diese Aufgabe
tätigung verursachen zusätzliche Kräfte (Bild 7-196). erfüllt werden kann, sind die Ventilführungsbohrung
Die Erhöhung des Ventilspiels um 0,1 mm bewirkt und der Außendurchmesser des Ventilschaftes auf-
eine Steigerung der Querkraft um 22 % [1]. einander abzustimmen. Grundsätzlich ist das minimal
c) Ventilschaftabdichtung: Zum Aufbau eines hyd- mögliche VF-Spiel anzustreben. Dadurch wird neben
rodynamischen Schmierfilms im Kontaktbereich einem besseren Wärmeübergang auch die Gefahr des
Ventilschaft/Ventilführung ist neben der Ventilgleit- Ventilkippens verringert. Zusätzlich unterstützt diese
geschwindigkeit auch eine ausreichende Ölmenge geometrische Bauteilabstimmung den Aufbau des
notwendig. Dies wird mit Ventilschaftabdichtungen hydrodynamischen Schmierfilms. Nach unten be-
erreicht, welche definiert bestimmte Ölmengen durch grenzt wird diese Durchmesserdifferenz durch unter-
den Schaftabdichtungsbereich passieren lassen. Übli- schiedliche Ausdehnungskoeffizienten von Führung
che Kennwerte liegen in der Größenordnung von und Ventilschaft. Bild 7-197 fasst einige Richtwerte
0,007 bis 0,1 ccm/10 h. Bei Verwendung von Abgas- für Ventilführungsspiele zusammen.
turboladern beziehungsweise Motorbremsen bei
Nutzfahrzeugen können sich die Druckverhältnisse an Schaftdurchmesser Einlass Auslass
der Kanalseite der Ventilführung ändern und dadurch [mm] [μm] [μm]
die Ölleckage beeinflussen. Untersuchungsergebnisse 6–7 10 – 40 25 – 55
zeigen, dass ein kanalseitiger Überdruck von 0,8 bar
zu einem Verdrängen des Öls aus der Ventilführung 8–9 20 – 50 35 – 65
und damit zu einer Mangelschmierung mit erhöhtem 10 – 12 40 – 70 55 – 85
Verschleiß beziehungsweise Fressen führt [1]. Spe-
zielle Konstruktionsformen von Schaftabdichtungen Bild 7-197 Anhaltswert Ventilführungsspiel [2]
(zum Beispiel Gaslippendichtungen) eliminieren die-
ses Problem.
e) Ventil: Das Ventil beeinflusst als Laufpartner zur
d) Ventilführungsspiel: Die Ventilführung ist ver- Ventilführung maßgeblich das Verschleißverhalten
antwortlich für die exakte Positionierung des Ventiles über zwei Faktoren.
7.14 Ventilführungen 215

(1) Die über den Ventilschaft zugeführte Wärme: 7.14.2 Werkstoffe und Eigenschaften
Theoretische Berechnungen gehen davon aus, dass
7.14.2.1 Werkstoffe
circa 10 bis 25 % der gesamten am Ventil auftre-
tenden Wärme durch die Ventilführung abgeleitet PM-Werkstoffe: Diese von den Marktanteilen her
wird. Dieser Effekt hängt zum einen von der steigende Werkstoffgruppe bietet Anwendungsmög-
Wärmeleitfähigkeit des Schaftwerkstoffes ab lichkeiten für alle Kraft- und Nutzfahrzeugbereiche.
(12 bis 21 W/mK), zum anderen ist die konstrukti- x Eisenbasiswerkstoffe: Das Gefüge dieser Stahl-
ve Ausführung des Ventiles von entscheidender qualitäten mit geringen Legierungsanteilen an Cu,
Bedeutung. So dienen natriumgekühlte Hohl- P, Sn, ist im Allgemeinen ferritisch/perlitisch.
ventile dazu, die Temperatur im kritischen Kehl- Kupfer als Legierungselement übernimmt ver-
bereich des Ventils abzusenken (um 80 °C bis schiedene Aufgaben. Zum einen verbessert es die
150 °C). Die Kühlung wird dadurch erreicht, dass Maßhaltigkeit während des Sinterns; des Weiteren
ein Wärmetransport über das im Ventil befindliche werden die Wärmeleitfähigkeit und die mecha-
flüssige Natrium vom Kopf in den Bereich des nischen Eigenschaften wie Härte und Festigkeit
Schaftes erfolgt. Die so hervorgerufene höhere positiv beeinflusst. Bei zusätzlicher Anwesenheit
thermische Belastung der Führung stellt besondere von Zinn kommt es zu Reaktionen mit dem Kup-
Anforderungen an den Werkstoff und die System- fer unter Bildung einer niedrig schmelzenden
abstimmung. Bronzephase. Dies führt bereits bei relativ nie-
(2) Der Werkstoff des Schaftes: Hier sind folgende drigen Sintertemperaturen zu flüssigen Phasen,
Werkstoffgruppen zu unterscheiden: mit der Folge höherer Dichten beim gesinterten
Bauteil. Phosphor bildet zusammen mit Eisen und
Eisenbasislegierungen: Die Schäfte von Venti-
Kohlenstoff die von den Gusswerkstoffen her
len bestehen im Wesentlichen aus martensiti-
bekannte Fe-P-C-Hardphase. Festschmierstoffe,
schen oder austenitischen Werkstoffqualitäten.
wie zum Beispiel MnS, MoS2, Graphit, CaF2 oder
Die Oberflächenrauigkeit liegt bei Ra < 0,4.
BN, verbessern die Notlaufeigenschaften.
Durch Verchromen oder Nitrieren kann eine zu-
PM-Ventilführungen besitzen einen relativ hohen
sätzliche Veredelung erfolgen. Typische Schicht-
Anteil an Poren, was sich in einer Dichte von
dickenwerte für Verchromen betragen 3 bis
6,2 bis 7,1 g/cm3 wiederspiegelt. Diese werden
15 μm und für Nitrieren 10 bis 30 μm [2]. Eine
häufig mit Öl gefüllt, um beim Anlauf von Moto-
Nachbehandlung der veredelten Oberflächen in
ren eine Grundschmierung zwischen Ventilschaft
Form von Polieren ist unerlässlich, da Rück-
und -führung zu erhalten. Das Füllen der Poren
stände aus dem Produktionsprozess (Chromknos-
mit Öl kann zum einen über ein Tauchen des
pen beziehungsweise Nitridnadeln) vollständig
Bauteils in ein erwärmtes Ölbad erfolgen. Auf
entfernt werden müssen, um erhöhten Verschleiß
Grund von Kapillarkräften und Oberflächenspan-
bei den Ventilführungen zu vermeiden. Die zu er-
nungen tritt Öl in die offenen Poren des Sinterkör-
reichenden Oberflächenrauigkeiten liegen bei
pers ein. Dieses Verfahren ist sehr empfindlich
Ra < 0,2.
gegenüber äußeren Einflüssen wie Zustand des
Nickelbasislegierungen: Diese Werkstoffgruppe Öles, Sauberkeit der Bauteile, Temperaturen, Vis-
wird insbesondere dort eingesetzt, wo Auslass- kositäten etc. Ein anderes, weitaus reproduzierba-
ventile sehr hohen thermischen und mechani- reres Verfahren ist das Ölimprägnieren. Hier wer-
schen Belastungen ausgesetzt sind. Allgemein ist den die Ventilführungen zunächst in einer Kam-
diese Werkstoffgruppe unter dem Begriff Nimo- mer einem Unterdruck ausgesetzt, um die Luft aus
nic-Legierungen bekannt. Bezogen auf das Tribo- den Poren zu evakuieren. Anschließend tritt er-
system Ventilschaft/-führung gibt es gegenüber wärmtes Öl in die Kammer und gelangt durch den
den Eisenbasislegierungen keine Besonderheiten. Umgebungsdruck in die Poren. So wird sicherge-
Leichtmetalllegierungen: Um bewegte Massen stellt, dass nahezu alle offenen Poren mit Öl ge-
im Ventiltrieb zu reduzieren, bearbeiten aktuelle füllt werden.
Forschungsvorhaben den Einsatz von Titan- und x Nichteisenwerkstoffe. Hier beschränkt sich die
Aluminiumlegierungen für Ventile. Anwendung auf Cu-Basis-Werkstoffe. Neben
Nichtmetallische Werkstoffe: Keramische Werk- Sonderwerkstoffen wie dispersionsverfestigtes
stoffe zeigen in den derzeit verwendeten Quali- Kupfer [6] werden auch unterschiedliche PM-
täten gute Verschleißeigenschaften. Besondere Messingqualitäten erprobt. Eine Markteinführung
Maßnahmen beim Einsatz konventioneller Ven- konnte bislang aber nicht erreicht werden, da im
tilführungswerkstoffe sind nicht erforderlich. Ur- Vergleich mit derzeitigen Applikationen weder
sächlich hierfür sind die sehr guten Oberflächen- Kosten- noch Funktionalitätsvorteile nachgewie-
güten der keramischen Ventile. sen wurden.
216 7 Motorkomponenten

Buntmetalle: Für den Einsatz bei Ventilführungen in dung. Die Herstellung erfolgt über das Sandgussver-
Kraftfahrzeugmotoren sind häufig Knetlegierungen fahren. Gemäß Herstellerangaben sind diese Werk-
auf Kupferbasis (Cu-Zn-Verbindungen) vorgesehen. stoffe bei allen Kraftstoffarten einsetzbar. Die maxi-
Diese Werkstoffe werden als gezogenes Rohr- bezie- male Betriebstemperatur beträgt 600 °C.
hungsweise Stangenmaterial bezogen und zu Ventil-
führungen spanend weiterverarbeitet. Das Gefüge 7.14.2.2 Werkstoffeigenschaften
besteht aus 2 Hauptphasenanteilen,
Um die anwendungstechnischen Anforderungen zu
x der kubisch flächenzentrierten D-Phase: Diese ermöglichen, müssen Ventilführungen gewisse
zeichnet sich durch eine hohe Kaltverformbarkeit Schlüsseleigenschaften besitzen, die im Folgenden
aus und ist deshalb charakteristisch für alle Mes- diskutiert werden.
sing-Knetlegierungen. Die Kennwerte für die
Härte und Zugfestigkeit sind relativ niedrig. Diese x Verschleißfestigkeit: Die Hauptbelastung bei Ven-
Phase ist dominant bei Zn-Legierungsgehalten tilführungen ist an deren Enden, wobei die Kanal-
< 37,5 %. In der Anwendung als VF-Werkstoff seite im Allgemeinen stärkere Verschleißerschei-
sollte der D-Gehalt < 20 % liegen, da ansonsten nungen aufzeigt als die Nockenseite Bild 7-198.
das Risiko zum Fressen deutlich ansteigt. Ursächlich hängt dies mit der höheren Tempe-
x der kubisch raumzentrierten E-Phase: Die Anwe- raturbelastung dieses Bereiches zusammen. Die
senheit dieser Phase lässt sowohl die Härte als wirkenden Verschleißmechanismen sind Abrasion
auch die Zugfestigkeit steigen. Die Zähigkeit wird und Adhäsion. Letztere führt in Grenzfällen zum
reduziert. Eine Zunahme dieses Phasenanteils Fressen zwischen Ventilführung und Schaft und
wird durch Erhöhung des Zn-Gehaltes von 38 % damit zu einem Versagen des Motors. Eine hohe
bis circa 46 % erreicht. Neigung zu adhäsivem Verschleiß weisen austeniti-
sche Schaftwerkstoffe auf. Bei der Verwendung
Die Heterogenität von Cu-Zn-Legierungen bietet die von verchromten oder nitrierten Ventiloberflächen
Möglichkeit, eine Anpassung der Eigenschaften an tritt Verschleiß vorwiegend in der Ventilführung
den jeweiligen Anwendungsfall vorzunehmen und auf. Im Auslass stellt der erhöhte kanalseitige
begünstigt die Zerspanbarkeit des Werkstoffes. Zu- Verschleiß ein Problem dar. Durch die Spaltver-
gaben von Aluminium erhöhen die Härte, ohne breiterung zwischen Ventil und Führung gelangen
das Warmformvermögen negativ zu beeinflussen. Abgasbestandteile in den Gleitbereich und lagern
Gleichzeitig werden die Gleiteigenschaften verbessert sich dort ab.
[3]. Die Werkstoffbasis für Ventilführungen besteht In Extremfällen kommt es zum Klemmen des
im Wesentlichen aus der Legierung CuZn40Al2. Unter- Ventilschaftes in der Führung und damit zu einem
schiedliche Zugaben von weiteren Legierungselemen- Versagen des Motors.
ten zum Beispiel Mn, Si dienen der Verbesserung der
Verschleißfestigkeit. Neben der überragenden Zer- x Dichte: Porenfreie Werkstoffe, wie zum Beispiel
spanbarkeit, im Vergleich zu den anderen Ventilfüh- die umgeformten Buntmetalle beziehungsweise
Gusswerkstoffe besitzen auf Grund ihres hohen
rungswerkstoffen, ist die hohe thermische Leitfähig-
spezifischen Traganteils den Vorteil, bei gegebe-
keit eine weitere positive Eigenschaft dieses Materials.
ner Belastung die Werkstoffbeanspruchung nie-
Gusseisen/Stahlguss: Ventilführungen aus Gussle- drig zu halten. Dies reduziert die Verschleiß-
gierungen auf Eisenbasis sind insbesondere im Nutz- neigung.
fahrzeugsektor stark verbreitet. Das Gefüge besteht
aus einer ferritisch/perlitischen Grundstruktur mit
freien Graphitanteilen (Größe circa 4 bis 7 μm). Diese
wirken als eingebauter Festschmierstoff. Der Ferrit-
anteil liegt dabei im Allgemeinen unter 5 %. Bei
Anwesenheit von Phosphor können sich Phosphid-
verbindungen sowohl als einzelne fein verteilte Gefü-
gebestandteile wie auch als ausgeprägte Netzwerke Nockenseite
bilden. Bei höheren Anforderungen an das Bauteil
kann durch gezielte Zugabe von Legierungselemen- Kanalseite

ten (Si, P, Cu, Mo oder Mn) die Verschleißfestigkeit


erhöht werden. Hier ist insbesondere die ternäre
Verbindung Fe-P-C zu nennen, welche häufig als
Hartphase in Gusslegierungen vorzufinden ist. Cr als
Legierungselement ist eher von untergeordneter
Bedeutung und findet bei Sonderwerkstoffen mit
guten Heißkorrosionseigenschaften seine Verwen- Bild 7-198 Verschleißbereiche Ventilführung
7.14 Ventilführungen 217

bei Auslassventilführungen. Deutlich sichtbar ist


7,2
7
der Unterschied in der thermischen Belastung vom
Dichte g/cm2

6,8
kanal- zum nockenseitigen Ende der Ventilfüh-
6,6 rung, das heißt die physikalischen Vorgänge der
6,4 Wärmeableitung zum Zylinderkopf erfolgen in der
6,2 unteren kanalseitigen Hälfte der Ventilführung
6 (Position A bis D). Oberhalb dieses Bereiches sind
die unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten von
untergeordneter Bedeutung. Bild 7-202 fasst ei-
nige typische Wärmeleitfähigkeiten zusammen.
x Wärmeausdehnung: Ventilführungen werden,
Bild 7-199 Dichteverteilung innerhalb einer PM- wie die Sitzringe, über eine Pressverbindung im
Ventilführung Zylinderkopf montiert. Auf Grund des niedrigeren
Temperaturniveaus und der größeren Passungsflä-
chen ist die Gefahr des Lösens dieser Verbindung
Dichte [g/cm3] auf Grund unterschiedlicher Wärmeausdehnungen
Buntmetalle (CuZn40Al2-Basis) > 8,0 gering. Wird das tribologische System Ventil-
schaft/-führung betrachtet, so zeigt sich, dass es
PM-Werkstoffe (Fe-Basis) 6,2 – 7,0
Materialkombinationen gibt, welche ein vorein-
Gusswerkstoffe (Fe-Basis) >7,1 gestelltes Ventilführungsspiel auf Grund äußerer
Temperatureinflüsse einengen beziehungsweise in
Bild 7-200 Dichtekennwerte Grenzfällen aufbrauchen und damit ein Klemmen
des Ventils verursachen.
Zusätzlich werden Ermüdungserscheinungen mit
Rissbildung und -fortschritt vermieden, die auf
Grund von Kerbwirkung durch Poren entstehen
können. Bei pulvermetallurgischen Erzeugnissen
ist grundsätzlich von einem gewissen Porenanteil 600
Wärmeleitfähigkeit
auszugehen. Bei der Herstellung von PM-Ventil- PM: 30 W/mK
führungen stellt sich auf Grund des beidseitigen Guß 43 W/mK
500 Messing: 85 W/mK
Verdichtens des Pulvers ein Dichtegradient ein,
wobei sich der Ort höchster Porosität in der Mitte
Temperatur [°C]

der Ventilführung befindet (Bild 7-199). Diese 400


Art der Dichte-/Porenverteilung ist eine positive
Eigenschaft dieser Ventilführungskategorie, da die
300
höchste Dichte im Bereich der höchsten Bean-
spruchung vorliegt. Der mittlere Bereich bei PM-
Führungen kann auf Grund des hohen Porenanteils 200
ein größeres Volumen an Öl aufnehmen und somit
als Ölspeicher fungieren. Dichtekennwerte der un-
100
terschiedlichen Werkstoffgruppen für Ventilfüh-
rungen sind Bild 7-200 zu entnehmen.
A B C D E
x Wärmeleitfähigkeit: Die Wärmeleitfähigkeit be-
sitzt für Auslassventilführungen eine entscheiden-
de Bedeutung. Zum einen muss über die Ventil-
führung ein Anteil der Wärme des Ventils in den Bild 7-201 Temperaturverteilung in Ventilführungen
Zylinderkopf abgeleitet werden. Messungen im bei unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten [4]
Funktionsprüfstand zeigen, dass je nach Wärme-
leitfähigkeit des Führungswerkstoffes die Ventil-
kopftemperatur um bis zu 8 % gesenkt werden Wärmeleit-
kann. Zum anderen werden die Auslassventilfüh- fähigkeit [W/mK]
rungen heißen Abgasströmen ausgesetzt. Eine
gute Wärmeleitfähigkeit senkt somit die thermi- Buntmetalle (CuZn40Al2-Basis) 46 – 100
sche Belastung des Bauteiles. Die Temperatur an PM-Werkstoffe (Fe-Basis) 21 – 48
der Nockenseite der Ventilführung sollte nicht
mehr als 150 °C betragen, da ansonsten die Funk- Gusswerkstoffe (Fe-Basis) 38 – 45
tionsfähigkeit der Ventilschaftabdichtung gefähr-
det ist. Bild 7-201 zeigt den Temperaturverlauf Bild 7-202 Wärmeleitfähigkeiten
218 7 Motorkomponenten

Dies ist immer dann der Fall, wenn: gleichzeitig mit dem Schneiden des Sitzes in den
Sitzring. Dadurch wird sichergestellt, dass der
OVentilschaft t OVentilführung (7.16) Mittenversatz zwischen Ventilführung und Sitz
O = Wärmeausdehnungskoeffizient ring in bestimmten Grenzen gehalten wird. Werte
Ist diese Relation invers, so kommt es bei für einen neuen Motor liegen in der Größenord-
Erwärmung zu einem kanalseitigen Aufweiten nung von 0,02 bis 0,03 mm [2].
und damit zu einer Ventilführungsspielvergrö- Bei Ventilführungen wird der Innendurchmesser
ßerung. Damit besteht die Möglichkeit, dass sich über eine Reibbearbeitung eingestellt. Hierzu
Verunreinigungen aus den Abgasen in die werden Reibahlen mit 1 bis 6 Schneiden aus TiN-
Ventilführung hineinziehen und im Gleitbereich beschichteten Hartmetallqualitäten verwendet. Be-
ablagern. Ein Klemmen des Ventils ist die Folge. arbeitungswerkzeuge aus kubischem Bornitrid oder
Gelangen harte Partikel in den Spalt zwischen polykristallinen Diamanten werden nur in Aus-
Schaft undFührung, fördert dies den abrasiven nahmefällen benutzt. Die Standzeit hängt von di-
Verschleiß. Bild 7-203 stellt einige Kennwerte für versen Einflussgrößen ab. Positiv wirken sich enge
den Wärmeausdehnungskoeffizienten zusammen. Toleranzen im Mittenversatz zwischen Führung
x Härte: Die Anforderung an die Härte der Ventil- und Sitzring aus. Eine gratfreie Bohrung sowie ein
führungen ist relativ niedrig. Dies lässt sich unter homogenes Gefüge führen zusätzlich zu längeren
anderem darauf zurückführen, dass die Beanspru- Werkzeugstandzeiten. Hardphasen oder martensiti-
chungen in diesem Teil des Ventiltriebes nicht sche Gefügebestandteile wirken sich auf Grund der
übermäßig hoch sind. Des Weiteren sorgen die hohen Härte negativ aus. Ebenso sollten kleine In-
polierten und teilweise beschichteten Oberflächen nendurchmesser bei langen Ventilführungen auf
der Ventilschäfte für einen geringen abrasiven Grund der hohen Torsionsmomente im Bearbei-
Angriff. Bild 7-204 zeigt übliche Härtebereiche tungswerkzeug (Reibahle) vermieden werden. Üb-
von Ventilführungswerkstoffen. liche Kennwerte für Innendurchmesser in Abhän-
gigkeit von der Länge zeigt Bild 7-205.
x Ölgehalt: Der Ölgehalt ist ein Charakteristikum,
das nur bei pulvermetallurgisch erzeugten Ventil-
führungen vorzufinden ist. Er gibt die Menge an
7.14.3 Geometrie Ventilführung
Öl (in Gewichtsprozent) an, die sich in den Poren Bei Ventilführungen handelt es sich typischerweise
des Bauteils befindet. Die Kennwerte liegen in der um Zylindergeometrien, deren Enden je nach Ausfüh-
Größenordnung von 0,5 bis 1,2 Gewichtsprozent. rungsart unterschiedlich ausgebildet sind. Kanalseitig
x Mechanische Bearbeitung: Die Fertigbearbei- sind im Allgemeinen einfache Facetten als Einpress-
tung der Ventilführungen erfolgt im Zylinderkopf hilfen angebracht. Nockenseitig ist die Variantenviel-

Wärmeausdehnung
[10–6 K]
Ventilführungen Buntmetalle (CuZn40Al2-Basis) 18 – 22
PM-Werkstoffe (Fe-Basis) 9 – 13
Gusswerkstoffe (Fe-Basis) 9 – 11
Ventile Fe-Basis (martensitisch) 9 – 13
Fe-Basis (austenitisch) 17 – 19
Ni-Basis 12 – 16

Bild 7-203 Wärmeausdehnungskoeffizienten

Härte Brinell 2,5 Härteverlust


in % bis 250 °C
Buntmetalle (CuZn40Al2-Basis) 150 – 170 circa 20 %
PM-Werkstoffe (Fe-Basis) 120 – 200 0%
Gusswerkstoffe (Fe-Basis) 190 – 250 0%

Bild 7-204 Härtebereiche von Ventilführungswerkstoffen


7.14 Ventilführungen 219

Bild 7-206). Bild 7-207 fasst Standardtoleranzwerte


100 für Ventilführungen zusammen.
90
x Außendurchmesser: Das Außendurchmessermaß
80 der Ventilführung ist sorgfältig auf die Bohrung
Länge in mm

70 des Zylinderkopfes abzustimmen, da es verant-


60 wortlich ist für den einwandfreien Presssitz im
50 Zylinderkopf. Überdeckungen zur Zylinderkopf-
40
bohrung von 0,02 bis 0,05 mm für Gusseisen- und
von 0,04 bis 0,08 für Aluminiumzylinderköpfe
30
werden standardmäßig verwendet [5]. Bei der
20 Herstellung von PM-Ventilführungen sollte fol-
2 4 6 8 10 12 14
Innendurchmesser in mm gendes Verhältnis gelten:
Länge/Außendurchmesser d 4 (PM-Ventilführung);
Bild 7-205 VF-Kennwerte Innendurchmesser/Länge 6 (Gussventilführung) (7.17)
[5]
x Wandstärke: Die minimale Wandstärke für PM-
falt höher und abhängig vom jeweils verwendeten Ventilführungen beträgt 1,8 mm (wird beeinflusst
Typ der Ventilschaftabdichtung. Darüber hinaus exis- durch das Fließverhalten des verwendeten Pulvers
tieren Ausführungsformen mit einem Bund an der und durch presstechnische Restriktionen). Bei
Außenmantelfläche, welcher den Anschlag beim angedrehten Schaftabdichtungssitzen sollte die
Einpressen der Ventilführung bildet (Beispiele siehe Ausgangswandstärke nicht unter 2,6 mm liegen,

Innendurchmesser Di

Außendurchmesser
Schaftsitz DaS

Länge L

Außendurchmesser Da

Bild 7-206 Ventilführungskonturen

Außendurchmesser Da r 0,01 mm
Zylinderform 0,01
Oberfläche Ra = 1,6
Innendurchmesser Di r 0,1 mm
Oberfläche (vor Zylinderkopfbearbeitung) Ra = unbearbeitet
Oberfläche (nach Zylinderkopfbearbeitung) Ra = 2,0
Koaxialität zur Mantelfläche 0,15
Zylinderform 0,1
Höhe Maß r 0,25 mm
Oberfläche Stirnflächen Ra = 6,3
Montagefacette Toleranz Radius r 0,15 mm bis r 0,3 mm
Toleranz Winkelschräge r 1°
Bild 7-207 Toleranzbereiche bei Ventilführungskonstruktionen
220 7 Motorkomponenten

100
Literatur
90 [1] Meinecke, M.: Öltransportmechanismen an den Ventilen von
4-Takt-Dieselmotoren, FVV-Abschlussbericht Vorhaben Nr.
80
556. Institut für Reibungstechnik und Maschinenkinetik,
Länge in mm

70 Technische Universität Clausthal, 1994


60 [2] Linke, A.; Ludwig, F.: Handbuch TRW Motorenteile. TRW
Motorkomponenten GmbH. 7. Aufl., 1991
50
[3] N. N.: Kupfer-Zink-Legierungen, Messing und Sondermessing,
40 Informationsdruck Deutsches Kupfer-Institut, Nr. I 005
30 [4] Todsen, U.: Interne Schulungsunterlagen Motorentechnik, FH
Hannover, Labor für Kolbenmaschinen, 1996
20
1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 [5] Funabashi, N. et al.: US-Japan PM Valve Guide History and
Wandstärke in mm technology, Proceedings of the international Symposium on
Valve Train Systems Design and Materials, ASM, 1998
[6] Rehr, A.: Offenlegungsschrift DE3937402 A1, Deutsches Patent-
Bild 7-208 Wandstärke von zylindrischen PM-Ven- amt, 1991
tilführungen in Abhängigkeit von der Länge [5]

da sie durch Drehoperationen noch weiter redu-


ziert wird. Je kürzer die Ventilführung ist, desto 7.15 Ölpumpe
größer sollte die Wandstärke werden, da durch
den verkleinerten Hebelarm die Reaktionskräfte Für die Ölversorgung von Verbrennungsmotoren
zum Führen des Ventilschaftes steigen. Dies führt haben sich Verdrängerpumpen nach dem Gerotor-,
zu einer höheren Beanspruchung der Ventilfüh- Außenzahnrad- und Flügelzellenpumpenprinzip eta-
rungsenden. Bild 7-208 stellt Standardwerte für bliert. Obwohl die Leistungsdichte moderner Ver-
Wandstärken in Abhängigkeit von der Länge von brennungsmotoren ständig zunimmt und die Dreh-
zylinderförmigen Ventilführungen dar. momente bereits bei niedrigen Drehzahlen vornehm-
x Innendurchmesser: Der Innendurchmesser von lich durch Turboaufladung der Diesel- und Ottomoto-
nicht montierten Ventilführungen ist im Allge- ren ständig wachsen, ist ein direkter Zusammenhang
meinen unbearbeitet. mit der Pumpengröße nicht unbedingt zu beobachten.
x Länge: Grundsätzlich ist die Verwendung der Vielmehr beeinflussen die Zahl und die Konstruktion
maximal möglichen Einbaulänge bei Ventilfüh- der Kurbelwellenlager sowie die Zahl der Verbrau-
rungen von Vorteil, um den Kippwinkel des
cher die Pumpengröße. Abgesehen vom Familienge-
Ventiles möglichst niedrig zu halten. Die Länge
danken – eine Pumpe für eine Motorenreihe – bleibt
der Ventilführung sollte mindestens 40 % der
der Ölbedarf im sogenannten Heißleerlaufbetrieb
Ventillänge betragen [2].
eines jeden Motors die bestimmende Kennzahl für die
7.14.4 Zylinderkopfmontage Auslegung der Ölpumpe.
Die Bilder 7-209 für Ottomotoren und 7-210 für
Die Montage von Ventilführungen erfolgt über das Dieselmotoren zeigen einen nahezu direkt proportio-
Einpressen des Bauteiles in die Zylinderkopfbohrung,
nalen Zusammenhang zwischen Motorleistung und
im Allgemeinen bei Raumtemperatur, das heißt
Pumpengröße normiert auf 1000 min–1 Motordreh-
sowohl Führung als auch Zylinderkopf besitzen
zahl.
Umgebungstemperatur.
Auf folgende konstruktive Gesichtspunkte sollte Auch bei Einsatz von Regelpumpensystemen lohnt es
geachtet werden: sich, den Grundbedarf des Motors soweit wie mög-
lich zu drosseln. Die Vermeidung von großen Reib-
x Die Ventilführungsmantelflächenlänge sollte der
flächen am Laufzeug der Pumpe, hat unmittelbar eine
Bohrungslänge des Zylinderkopfes entsprechen,
damit die höher belasteten Ventilführungsendbe- reduzierte Reibleistungsaufnahme der Pumpe zur
reiche durch das Zylinderkopfmaterial gestützt Folge. Misst man die Schleppleistung einer Ölpumpe
werden. entsprechend dem Verbrauchszyklus nach der EG-
x Das kanalseitige Ende sollte nicht in den Ansaug-/ Richtlinie 80/1268/EWG (NEFZ), so stellt man fest,
beziehungsweise Auslasskanal hineinragen. Hier- dass der Anteil der Ölpumpe an der Gesamtschlepp-
durch werden zum einen die Gasströmungen leistung bis 2,5 % betragen kann.
negativ beeinflusst; zum anderen wird das Ende Entscheidend für die Leistungsaufnahme ist dabei,
der Ventilführung einer sehr hohen thermischen neben den konzeptbedingten Abmessungen der be-
Belastung ausgesetzt. Dies führt unter Umständen wegten Teile innerhalb der Pumpe, der Drehzahlbe-
zu erhöhtem Verschleiß beziehungsweise bei reich und die Druckverluste bis zum Zylinderkurbel-
unzureichender Abstimmung zum Ventilschaftma- gehäuse. Je besser der gesamte Ölhaushalt des Motors
terial zu Funktionsstörungen im Ventiltrieb bis hin ist, umso geringer fällt die Leistungsaufnahme der
zum Motorversagen. Ölpumpe aus.
7.15 Ölpumpe 221

Bild 7-209 Um die Über-


setzung bereinigte Pumpen-
größe als Funktion der Mo-
torleistung bei Ottomotoren

Bild 7-210 Um die Über-


setzung bereinigte Pumpen-
größe als Funktion der Mo-
torleistung bei Dieselmotoren

7.15.1 Übersicht über Ölpumpensysteme die Verzahnung. Der Außenrotor ist stets um die halbe
Zahnhöhe exzentrisch zum Innenrotor angeordnet, so
Die Variantenvielfalt von Ölpumpen ist sehr groß; dass im Zahneingriff die Räder miteinander kämmen.
allerdings eignen sich für den Einsatz im Verbren- Auf der gegenüberliegenden Seite der Zahnkopfab-
nungsmotor nicht alle Systeme. Die Hauptauswahl- dichtung, abhängig von der Zähnezahldifferenz zwi-
kriterien sind der notwendige Bauraum, die Kosten schen Innenrotor und Außenrotor, gleiten die jeweili-
und die Effizienz im konkreten Einsatzfall. Ebenfalls gen Zahnköpfe entweder aufeinander ab, oder an
wichtig ist die Möglichkeit eines breitbandigen Ein- einem Füllstück der sogenannten Sichel vorbei. Diese
satzes des Systems. Es sind ausschließlich Doppelläu- Sichel wird auch der Form nach Halbmond genannt.
fersysteme – die sogenannten Innenzahnradpumpen Daraus resultieren zwei prinzipielle Bauformen der
nach dem Gerotorprinzip und Außenzahnradpumpen Innenzahnradpumpen mit und ohne Sichel.
mit Evolventenzahnrädern, sowie verschiedene Vari-
Sichellose Ölpumpen
anten der Flügelzellenpumpen im Einsatz.
In sichellosen Ölpumpen kommen üblicherweise
7.15.1.1 Innenzahnradpumpe Zahnräder zum Einsatz bei denen die Zähnezahl des
Innenrotors (ZI) um einen Zahn geringer ist, als die
Wie bereits oben erwähnt, zählt die Innenzahnrad- Zähnezahl des Außenrotors (ZA).
pumpe zur Familie der Doppelläufersysteme. Doppel-
läufer deshalb, da zwei ineinandergreifende Elemente,
ZI Z A 1
hier Innen- und Außenzahnrad, miteinander die Dreh- Sie werden auch Zahnringpumpen genannt. Typische
bewegung ausführen. Angetrieben wird das System in Zähnezahlen liegen im Bereich zwischen 4/5 und
der Regel durch den Innenrotor. Die Drehzahlkopp- 13/14. Die Wirkungsweise lässt sich anhand der im
lung des nicht angetriebenen Rotors geschieht durch Bild 7-211 schematisch dargestellten Pumpenverzah-
222 7 Motorkomponenten

2
3 4

1
Bild 7-211 Schematische Darstellung der Pumpe Bild 7-212 Gerotor – Verzahnung

nung, wie folgt beschreiben. Betrachtet man die Vor- hauptsächlich für den Niederdruckbereich eingesetzt
gänge im Radsatz in Drehrichtung, so entfernen sich werden, zumal sie nicht spaltkompensiert sind und
die Zähne, bedingt durch den Achsversatz infolge sich damit konstruktiv immer ein Spalt ergibt, der
Rotation zunächst allmählich voneinander. Durch die natürlich hydraulische Verluste mit sich bringt. Auf
damit verbundene Volumenvergrößerung entsteht der anderen Seite jedoch ist so ein Spalt natürlich
Unterdruck, der für das Ansaugen der Flüssigkeit auch gewünscht, da er die Reibleistungsverluste
verantwortlich ist. Der Verdrängungsvorgang beginnt, reduzieren hilft. Der Vollständigkeit halber sei aber
sobald sich die beiden Kopfkreise schneiden, also erwähnt, dass ein Einsatz solcher Pumpensysteme bis
sofort nach der Zahnkammer des größten Volumens, in Druckbereiche von 30 bis 40 bar prinzipiell mög-
im Zahnkopfabdichtbereich. Die Volumenverringerung lich ist. Allerdings sind die Herausforderungen in
erfolgt kontinuierlich – gleich dem Saugvorgang. Der Bezug auf die Fertigungstoleranzen, Öldruckpulsati-
Gradient mit dem die Zunahme des Volumens auf der on und Akustik so groß, dass für diese Anwendungen
Saugseite und Verkleinerung des Volumens auf der andere Systeme bevorzugt werden.
Druckseite geschieht, kann allerdings maßgeblich von Eine der gängigsten Verzahnungsgeometrien der Zahn-
der gewählten Zahngeometrie beeinflusst werden. ringpumpen ist, eine aus zusammenhängenden Kreis-
Näherungsweise folgt die Flächeninhaltänderung in bögen am Außenrotor konstruierte Verzahnung, die auf
Abhängigkeit des Drehwinkels einer Sinusfunktion. die Arbeiten von Myron F. Hill [1] zurückgeht und
Die Volumenveränderung, als zeitliche Ableitung der „generated rotor“ kurz Gerotor genannt wird, siehe
Flächenfunktion mal der Radsatzbreite gehorcht Bild 7-212.
entsprechend der Kosinusfunktion. Dies hat entschei- Eine weitere sehr verbreitete Verzahnung, ist die
denden Einfluss auf die Veränderung der Druck-
Duocentric“-Verzahnung, aufgebaut aus nicht zu-
verhältnisse im Radsatz, Kavitation und Geräusch-
sammenhängenden Kreisbögen, siehe Bild 7-213.
verhalten – behandelt später im Text.
Der Gerotor findet hauptsächlich im nordamerikani-
Voraussetzung für den Transport der Flüssigkeit vom
schen Markt Verbreitung, wo er auch entstanden ist,
Saug- in den Druckraum ist die Trennung beider
hingegen die Duocentric£-Verzahnung findet man
Bereiche voneinander. Diese erfolgt zum einen durch
die Flankenberührung entlang des Zahneingriffes c hauptsächlich in Europa. Durch die mehr oder weni-
und zum anderen im Zahnkopfbereich durch das ger freie geometrische Wahl der Abdicht- und Trieb-
Vorbeigleiten der beiden Zahnköpfe der Räder d. flanke ergibt sich die kompaktere Bauform der Duo-
Axial sind neben dem Axialspalt der Räder zum centric£-Verzahnung. Sie ermöglicht damit konstruk-
Gehäuse die Bereiche des Dicht- e und des Triebste- tiv höhere Zähne, wodurch sich eine bessere Ausnut-
ges f zu nennen, die zum Gehäuse, beziehungsweise zung des Bauraumes einstellt, was gleichbedeutend
Deckel gehören und hier nicht dargestellt sind. Die mit einer kompakten Bauweise ist. In der Regel
Abdichtung dieser Pumpengruppe geschieht im liegen die Platzvorteile gegenüber den Gerotoren je
Bereich des Radsatzes durch die Zähne selbst, wo- nach Radsatzgröße bis zu 8 %. Neben den beiden
durch sich nur eine Linienabdichtung am jeweils oben beschriebenen Verzahnungen ist neuerdings
abdichtenden Zahn ergibt. Diese nur geringe Abdich- eine Zykloidenverzahnung am Markt erhältlich.
tungsfähigkeit macht deutlich, warum diese Pumpen Hierbei handelt es sich um eine aus einer Hypo- und
7.15 Ölpumpe 223

Bild 7-213 Duocentric“-Verzahnung


Bild 7-214 Duocentric-IC“-Verzahnung
Epizykloide konstruierte Verzahnung, sie wird Duo-
centric IC£ genannt, siehe Bild 7-214. wegt man sich zwischen 4/5 oder 7/8 Zähnen – ty-
Durch entsprechende Wahl der Profilverschiebung – pisch sind hier 6/7 Verzahnungen.
Gewichtung zwischen den beiden Zykloiden – kann Sichel-Öl-Pumpen
die Laufruhe und das Pulsationsverhalten des Volu-
menstroms positiv beeinflusst werden. Diese Pum- Wie der Name sagt, dient als Abdichtungselement bei
pensysteme findet man sowohl auf der Kurbelwelle dieser Pumpenart eine sichelförmige Dichtfläche.
als auch im Nebenantrieb, zum Beispiel im Ölsumpf. Diese erstreckt sich über mehrere Zahnköpfe und
Von der Kurbelwelle direkt angetrieben findet man bildet somit eine lange Dichtstrecke. Dadurch ist
typische Zähnezahlen von 8/9 bis 13/14. Die Wahl dieser Pumpentyp auch für höhere Pumpendrücke
der Zähnezahlen wird im Wesentlichen von den geeignet. Da diese Konstruktion eine Zähnezahldiffe-
Abmessungen des Kurbelwellenzapfens, von dem der renz zwischen dem Innenrotor und Außenrotor von
Innenrotor angetrieben wird, bestimmt. Im Ölsumpf mindestens zwei verlangt, ist der Platzbedarf gegen-
mit entsprechend geringeren Durchmessern und da- über sichellosen Pumpen höher.
mit auch kleineren Umfangsgeschwindigkeiten be- ZI ZA  X ; X t2

Bild 7-215 Gemessener und


berechneter Druckverlauf im
Bereich der Sichel einer
Trochocentric£-Pumpe
224 7 Motorkomponenten

Bild 7-216 Evolventen-Verzahnung Bild 7-217 Trochocentric“-Verzahnung

Diesen Nachteil kompensieren diese Pumpen jedoch


durch sehr geräuscharmen Lauf und geringe Druckpul-
sationen. Hier kommt, neben der langen Dichtstrecke
dieser Pumpenart, auch die Tatsache zugute, dass im
Gegensatz zu sichellosen Pumpen, keine Volumenver-
änderung im Bereich der Dichtstrecke stattfindet. Der
Druck baut sich treppenförmig wie in Bild 7.215
dargestellt, über der Sichel auf. Die Zahl der Stufen ist
abhängig von der Zahl der Zähne, die sich im Bereich
der Sichel befinden. Dadurch werden große Druck-
gradienten vermieden. Darüber hinaus ist es möglich
durch Optimierungen der Sichelgeometrie die schar-
fen Drückübergänge nahezu ganz zu vermieden.
Für diesen Pumpentyp kommen üblicherweise zwei
Verzahnungssysteme zur Anwendung. Ein System
mit Evolventenverzahnung und ein zweites mit aus
Trochoiden aufgebautem Profil. Bei ersterem findet
Bild 7-218 Außenzahnradpumpe
man typischerweise Zähnezahlverhältnisse von 19/24,
siehe Bild 7-216. Bei der Trochoidenverzahnung Tro-
chocentric£ sind dies 11/13, siehe Bild 7-217. Einsatz verzahnung, werden nur geringe Schrägungswinkel
finden diese Systeme unter anderem bei direkt von der von bis zu etwa 9° empfohlen. Die nicht im Eingriff
Kurbelwelle angetriebenen Anwendungen. Aufgrund stehenden Zähne bilden, zusammen mit dem Gehäuse
der Eignung für höhere Drücke sind sie typischerweise ähnlich einer Sichelpumpe den Abdichtbereich.
auch in Ölkreisläufen von Getrieben zu finden. Dadurch ist die Verwendung dieser Pumpenart bis in
Druckbereiche von 30 bis 40 bar auch ohne Spalt-
kompensation möglich. Eine Drehzahlgrenze für die
7.15.1.2 Außenzahnradpumpe
Verwendbarkeit dieser Pumpenart, gemessen an den
Bei der Außenzahnradpumpe kommen zwei oder Drehzahlen heutiger Verbrennungsmotoren existiert
mehrere außenverzahnte Zahnräder zum Einsatz. nicht. Prinzipiell lässt sich ein kavitationsfreier Lauf
Durchgesetzt haben sich bisher die Evolventenzahnrä- bis 8000 1/min Pumpendrehzahl problemlos realisie-
der, siehe Bild 7-218. Aus Kostengründen aus Sinter- ren. Durch Zusatzmaßnahmen kann dieser Bereich
stahl als geradverzahnte Zahnräder hergestellt. Auch noch weiter ausgedehnt werden. Allerdings muss man
der Einsatz von Schrägverzahnung ist ohne Weiteres dabei beachten, dass die quadratisch mit der Drehzahl
denkbar. Sowohl die Volumenänderung während des zunehmende Leistungsaufnahme überproportional
Saugvorgangs als auch die Volumenverdrängung steigt. Dies gilt natürlich auch für alle anderen hier
während des in Eingriffkommens der Zähne verlaufen behandelten Pumpenarten. Darüber hinaus nehmen
bei einer Schrägverzahnung kontinuierlicher. Aufgrund mit steigender Drehzahl die Strömungsgeschwindig-
der Axialkräfte bei der Verwendung einer Schräg- keiten im Radsatz zu. Dies kann ebenfalls zu Flan-
7.15 Ölpumpe 225

kenschädigung führen. In diesem Zusammenhang ist


auch der Aufbau des Quetschöls im Zahnfußgrund zu
nennen. Diese Drücke lassen sich durch geeignete
Entlastungsgeometrien nennenswert reduzieren.
Allerdings handelt es sich hierbei um ein räumliches
Problem, dass mit zunehmender Radbreite schwieri-
ger zu beherrschen ist. Durch die Möglichkeit, im
Gegensatz zu den Innenzahnradpumpen, auch radial
zu befüllen, ergeben sich für dieses Bauprinzip be-
sondere Vorteile bei größeren Fördermengen.
7.15.1.3 Flügelzellenpumpe
Die Flügelzellenpumpe zählt zu den sogenannten
Treibschiebersystemen. Die Verdrängerflügel – auch
Treibschieber genannt – sind beweglich in Radial-
schlitzen eines Rotors gelagert. Sie werden von einem
exzentrisch gelagerten Laufring auf einer kreisförmi- Bild 7-220 Flügelzellenpumpe
gen Hubkurve geführt. Die von zwei Flügeln dem
Rotor, dem Laufring und den seitlichen Flächen gebil-
dete Verdrängerzelle fördert durch die Drehbewegung
Drucköl vom Saugraum in den Druckraum. Das Volu-
men der Zelle ändert sich dabei kontinuierlich. Die
ersten Flügelzellenpumpen gehen auf AGOSTINO
RAMELLI, einen Ingenieur des 16. Jahrhunderts zu-
rück. Dieser gilt als Vater sogenannter rotierender
Pumpen oder Kurbel-Kapselwerke. Das bekannteste
Kapselwerk ist der im folgenden Bild 7-219 darge-
stellte Vorläufer moderner Flügelzellenpumpen.
Es wird angenommen, dass das herausgezeichnete
Element A einen Flügel darstellt, der in dem Aus-
schnitt „a“ auf einer konzentrischen Rippe geführt
wurde. Die Anordnung der Führungsrippe sorgte da-
für, dass der Flügel stets mit der zylindrischen Au-
ßenwand in Berührung blieb. Diese Konstruktion
kommt mit nur geringen Modifikationen in modernen
Ölpumpen zur Anwendung, siehe Bild 7-220.

Bild 7-221 Durch ALBERT SYLVAIN TOUSSAINT


VROLIX angemeldete Pendelschieberpumpe [8]

Eine weitere Erfindung von Ramelli stand Pate für


ein weiteres Flügelzellenprinzip, eine Pumpe mit
gelenkig angeordneten Flügeln.
In der theoretischen Abhandlung über die Kinematik
von Prof. FRANZ REULEAUX aus dem Jahre 1875
findet man eine genaue Auseinandersetzung mit den
Kurbel- Kapselwerken von Ramelli und deren syste-
matische Abwandlungen. Eine davon behandelt eine
Pumpenart, die in abgewandelter Form am 26. Fe-
bruar 1943 durch ALBERT SYLVAIN TOUSSAINT
VROLIX in Frankreich zum Patent angemeldet wurde,
siehe Bild 7-221.
Auch diese Pumpenbauart findet bis heute, in nur
geringfügig geänderter Form, Anwendung in moder-
nen Verbrennungsmotoren, allerdings meist als Vo-
Bild 7-219 Flügelzellenpumpe von AGOSTINO lumenstrom-Regelpumpe. Durch den energetischen
RAMELLI um 1590 [2] Nachteil des großen Reibdurchmessers des äußeren
226 7 Motorkomponenten

Mitnehmers blieb jedoch dieses Prinzip auf nur mungsführung oder starke Ölverschäumung sind glei-
wenige Motortypen bisher begrenzt. chermaßen als Geräuschverursacher zu nennen wie die
Pumpe selbst – gleich welchen Prinzips.
7.15.1.4 Vor- und Nachteile der einzelnen
Anbauort:
Pumpensysteme
In Bezug auf die Verwendbarkeit als Kurbelwellen-
Die in der Vergangenheit aufgestellte eindeutige pumpe müssen die Außenzahnradpumpen als nicht
Bewertung der Pumpenmerkmale lässt sich auf Basis geeignetes Konzept genannt werden. Alle anderen
heutiger Erkenntnisse nicht mehr darstellen. Viel Bauarten bis hin zu Flügelzellen-Konzepten sind als
mehr als die einzelnen Kriterien bezüglich des Bau- Pumpen auf der Kurbelwelle verwendbar. Im Öl-
raums, Geräusch, Anbauort, Wirkungsgrad usw. sumpf können ohne Einschränkung alle Bauarten
beeinflussen die spezifischen Kundenbedingungen verwendet werden.
die Entscheidung für ein Pumpenkonzept. Lediglich
Volumetrischer Wirkungsgrad:
allgemeine Hinweise bezüglich der einzelnen Krite-
Hier haben vor allem die Sichelpumpen ihre Vorteile.
rien können hier genannt werden. Einen allgemeinen
Durch die langen Dichtspalte entlang der Sichel sind
Überblick über die realisierten Werte der Pumpen aus
sie auch für Anwendungen für hohe Druckbereiche
dem Bereich der Verbrennungsmotoren und Getriebe
geeignet. Volumetrisch „dichte“ Pumpen weisen
gibt das Bild 7-222 wieder.
naturgemäß hohe Druckgradienten auf. Dies führt
Bauraum: häufig zu Geräuschproblemen. Muss man sie aus
Impliziert der zur Verfügung stehende Bauraum eine diesem Grund „undichter“ machen, so können andere
kurze im Durchmesser ausgedehnte Bauart, so stehen Pumpenprinzipien wie zum Beispiel die Außenzahn-
die Zahnringpumpen und Flügelzellenpumpen im radpumpen mit vergleichbaren Wirkungsgraden und
Vordergrund, insbesondere wenn die Option der Geräuschverhalten aufwarten.
Regelbarkeit beachtet werden muss. Eine geschickte
Mechanischer Wirkungsgrad:
Anordnung der Zahnräder und die Tatsache, dass
Entscheidend für die mechanische Leistungsaufnah-
Außenzahnradpumpen in der Lage sind ohne seitlich
me jeder Pumpe sind bei Zahnradpumpen die Rei-
angeordnete Nieren auszukommen – also radial
bungsvorgänge in der Verzahnung, ferner zwischen
anzusaugen – macht ihre Verwendung im beschriebe-
den bewegten Teilen und Scherung des Öls in den
nen Bauraum nicht unmöglich.
Spalten zwischen bewegten Teilen und Gehäuse. Die
Geräusch: Reibung in der Verzahnung ist maßgeblich von der
Für das Geräuschverhalten unterschiedlicher Pumpen- Zahnform und der Empfindlichkeit in Bezug auf
bauarten lassen sich keine eindeutigen Bewertungskrite- Verzahnungsabweichungen und Positionsverlagerung
rien angeben. Natürlich sind das Arbeitsprinzip und der bestimmt. Hier haben Sichelpumpen und die Außen-
interne Druckaufbau in der Pumpe maßgeblich für das zahnradpumpen mit Evolventenverzahnungen ihre
Geräuschverhalten verantwortlich. Eine Resonanzsitua- Vorteile. Bei den Verlustanteilen, die durch Scherung
tion mit den umgebenden Bauteilen, ungünstige Strö- des Öls zwischen den bewegten Teilen entstehen,

Kenngrößen der Pumpensysteme

System Maximale Typischer Typische Zulässige Betriebs- Kinetische


Antriebsdreh- Betriebsdruck Baubreiten temperatur Viskosität
2
zahl [1/min] [bar] [mm] [°C] [mm /s]
1)
Sichelinnen- 650 bis 8.000 1 bis 40 8 bis 25 –40 bis +160 2 ...
zahnradpumpe
Sichellose Innen- 600 bis 7.500 1 bis 25 8 bis 14 –40 bis +160 5 ...
zahnradpumpe (Kurbelwelle) (Kurbelwelle)
(Zahnringpumpe) 350 bis 7.5001) 20 bis 32
(Nebenantrieb) (Nebenantrieb)
Außenzahnrad- 350 bis 9.000 1 bis 30 16 bis 60 –40 bis +160 2 ...
pumpe
Flügelzellen- 400 bis 7.000 1 bis 13 15 bis 30 –40 bis +160 5 ...
pumpe
1 Abhängig von der Strömungsführung und Radsatzbreite

Bild 7-222 Realisierte Werte im Bereich Verbrennungsmotor und Getriebe


7.15 Ölpumpe 227

können die Zahnringpumpen ihre Vorteile bezüglich chen die zusätzliche Welle das Kostendelta zu den
der Baugröße ausspielen. Die großen Reibdurchmes- Zahnringpumpen.
ser der Zahnringpumpen und der Pendelschieberpum-
pen sind für ihre mechanische Reibleistungsaufnahme 7.15.2 Regelprinzipien
nachteilig. Letztlich bleibt aber auch hier die Wahl
des Konzeptes fallabhängig je nach Rahmenbedin- Aufgrund der Diskrepanz zwischen der effektiven
gungen des Kunden. Förderleistung der Pumpe und dem tatsächlichen
Ölbedarf des Verbrennungsmotors, siehe Bild 7-223,
Volumenstromregelung: ist es notwendig eine Regelung in das System zu
Alle Pumpenprinzipien mit Ausnahme der Sichel- integrieren.
pumpe lassen sich als volumenstromvariable Pumpe Diese Regelung dient dazu den maximalen System-
darstellen. Bei den Sichelpumpen wäre eine Volu- druck im Motor zu begrenzen. Es wird zwischen einer
menstromregelung nur durch eine Veränderung der Regelung auf ein Druckniveau, auf mehrere diskrete
Pumpendrehzahl möglich. Druckstufen oder einer kontinuierlichen Druckände-
Schmutzempfindlichkeit + Verschleißfestigkeit: rung unterschieden. Abhängig davon, welche Druckin-
Unter Verwendung entsprechender Materialien be- formation für die Regelung benutzt wird, unterscheidet
ziehungsweise Schutzschichten kann jede Lösung man ferner zwischen einer direkten und einer indirek-
standfest gemacht werden. ten Regelung. Die Verstellung der Druckregelorgane
kann dabei rohölseitig, also mit Hilfe des Öls vor Filter,
Pulsation des Ölvolumenstroms: oder reinölseitig, also mit Hilfe des Öls nach dem Filter
Unter idealen Bedingungen eines nicht verschäumten erfolgen. Die Systematik fasst das Bild 7-224 zu-
Öls und im kavitationsfreien Drehzahlbereich sind alle sammen.
Pumpenbauarten bezüglich der Pulsation unkritisch.
Durch Sondermaßnahmen bezüglich Befüllung der 7.15.2.1 Direkte Regelung
Zahnräume, Druckaufbau und Ölrezirkulation lassen Von der direkten Regelung spricht man, wenn sich das
sich bei allen Pumpenbauarten akzeptable Ergebnisse Regelorgan innerhalb der Ölpumpe befindet und der
in Bezug auf die Pulsation, auch unter schwierigen Pumpendruck selbst die Regelgröße vorgibt. Eine
Bedingungen erzielen. Voraussetzung hierfür ist der schematische Darstellung dieser Regelungsart ist in
zur Verfügung stehende ausreichende Bauraum. Bild 7-225 beschrieben. Tritt diese Regelung in Kraft,
Kosten: so erhält man annähernd einen konstanten Druck nach
Die Komplexität einer Pumpe bestimmt ihre Kosten. der Pumpe unabhängig von Drehzahl und Temperatur.
Hier haben die Flügelzellen, und zwar nicht nur die Je nachdem wie viele Drosselstellen und Verbraucher
klassischen, durch die Anzahl der Bauteile einen sich bis zur Hauptgalerie befinden, reduziert sich der
entscheidenden Nachteil. Sichelpumpen schneiden Systemdruck bis zu den Hauptlagerstellen. Diese
gegenüber Zahnringpumpen und Außenzahnradpum- Drosselverluste, insbesondere im Filter oder Küh-
pen durch die teure Sichelbearbeitung schlechter ab. ler/Filter-Modul, sind proportional zur durchgesetzten
Bei der Außenzahnradpumpe bestimmt im Wesentli- Fördermenge beziehungsweise zum Quadrat der Strö-

Bild 7-223 Motorschluck-


kurve, Systemdruck,
theoretische und effektive
Förderleistung
228 7 Motorkomponenten

ein Druckniveau diskrete Druckstufen kontinuierliche


Druckänderung

direkte Regelung indirekte Regelung

rohölseitige reinölseitige rohölseitige


Verstellung Verstellung Verstellung Bild 7-224 Systematik der
Druckregelung

mungsgeschwindigkeit. Dadurch, dass mit zunehmen- 7.15.2.2 Indirekte Regelung


der Temperatur und sinkender Ölviskosität der Öl-
durchsatz durch den Motor in der Regel stark zunimmt, Von der indirekten Regelung spricht man, wenn sich
wachsen auch diese Drosselverluste stark an. Ein zwar das Regelventil in der Pumpe befindet, der
System, das im Fall einer direkten Regelung das Regeldruck aber nicht der Pumpendruck selbst, son-
Drucksignal nach Pumpe nutzt, ist nicht in der Lage, dern ein vom Motor zurückgeführter Druck ist, siehe
automatisch diese Verluste auszugleichen. Um einen Bild 7-226. Dieser ist in der Regel der Hauptgalerie-
unzulässig hohen Druckabfall in der Lagerhauptgalerie druck. Durch dieses Regelprinzip erhält man einen
vorzubeugen, wird das Regelorgan auf den maximalen annähernd konstanten Systemdruck in der Hauptgale-
Druckverlust eingestellt. Dies führt dazu, dass sich bei rie, unabhängig von Motordrehzahl und -temperatur,
geringen Drehzahlen und geringen Temperaturen in der sobald das System in Regelung geht. Mit dieser Art
Regel ein tendenziell zu hoher Druck einstellt, was zu von Regelung kann sich bei tiefen Temperaturen
unnötigen hydraulischen Verlusten führt. Der Vorteil kurzzeitig ein hoher Pumpendruck einstellen, da die
dieses Systems liegt in der Einfachheit des Regelauf- Drosselverluste bei hohen Viskositäten der Leitun-
baus. Bevorzugt führt man das abgeregelte überschüs- gen und des Filters ebenfalls hoch sind. Besonders
sige Öl in einen internen Bypass der Pumpe ab. Da- kritisch verhält sich dieses System während des Kalt-
durch erhält man geringfügig günstigere Verhältnisse starts. Hier kann es durch den geringen Ölbedarf des
im Ansaugtrakt, was das Problem der Kavitationsnei- Motors verbunden mit der Trägheit des Systems dazu
gung reduzieren hilft. Viel wichtiger ist jedoch die führen, dass der Ölfilter mit einem sehr hohen Druck
Tatsache, dass durch den internen Ölfluss sich nicht beaufschlagt wird. Da die Druckspitze in der Regel nur
noch eine zusätzliche Ölverschäumung des Öles im wenige Millisekunden wirksam ist, kommt es gewöhn-
Ölsumpf ergibt. lich zu keiner Zerstörung der nachfolgenden Bauteile.

M M

direkte Regelung indirekte Regelung

Bild 7-225 Schema einer direkten Druckregelung Bild 7-226 Schema einer indirekten Druckregelung
7.15 Ölpumpe 229

Um dem vorzubeugen, kann man in der Ölpumpe ein punkt des Regelventils, der bei Überfahren der Steu-
sogenanntes „Panikventil“ installieren, das den ma- erkante das Druckniveau vorgibt. Dabei stellt sich ein
ximalen Druck in der Pumpe begrenzt. Diese Sicher- Systemdruck ein, der dem in Bild 7-227 (durch-
heitsventile sind in der Regel auf 10 bis 13 bar einge- gezogene Linie) dargestellten Verlauf entspricht. Es
stellt. hat sich nun gezeigt, dass es nicht in jedem Fall not-
wendig ist, im Motor einen solchen Druckverlauf zu
7.15.2.3 Rohöl- und reinölseitige Verstellung haben, vielmehr ist es durchaus auch möglich andere
Beide oben beschriebenen Regelsysteme haben den Druckverläufe einzusetzen, zum Beispiel einen dreh-
Nachteil, dass sie vor dem Ölfilter installiert sind, zahlabhängig reduzierten Druck bei mittle ren bis
also im sogenannten schmutzölseitigen Bereich arbei- niederen Drehzahlen, siehe Bild 7-227 (gestrichelte
ten. Dies kann dazu führen, dass durch einen oder Linie).
mehrere Schmutzpartikel im Öl ein Klemmen des Durch diesen Verlauf kann elegant die erzeugte
Regelorgans auftreten kann. Dadurch können sich hydrostatische Leistung der Ölpumpe reduziert und
zwei prinzipielle Zustände einstellen. trotzdem der Mindestöldruck im Motor sichergestellt
Das Stellglied verharrt in geschlossener Stellung, das werden.
heißt der maximale Systemdruck kann nicht mehr Dieser Verlauf lässt sich bei Konstantpumpen durch
abgeregelt werden und dadurch kann es zur Zer- eine entsprechende Beaufschlagung des Regelventils
störung des Filters, oder auch zum Aufblähen der Hy- bewerkstelligen. Bei Volumenstrom-Regelpumpen ist
drostößel kommen. es üblich, den Schaltpunkt frei zu wählen und die
Oder aber das Regelorgan verharrt im geöffneten Schaltung mittels eines 2/2 Wegeventils, das vom
Zustand, was dazu führt, dass die Ölpumpe nicht mehr Motorsteuergerät angesprochen wird, vorzunehmen.
ansaugt, da das Regelsystem auf Bypass geschaltet ist. Dabei ist das Ventil so beschaffen, dass bei Ausfall
Bezogen auf Bauteile innerhalb der Pumpe sind diese der Elektrik stets das hohe Druckniveau eingeregelt
Fälle jedoch äußerst selten. Meistens sind die Stellor- wird, siehe Bild 7-228.
gane mit einer so hohen Federkraft belastet, dass es
massiver Partikel bedarf, um diese zu blockieren. 7.15.2.5 Registerregelpumpe
Viel interessanter ist die Frage der Stellenergie, Im Zuge der Anforderung an die Förderleistungen im
insbesondere, wenn es um Reaktionszeiten geht. Wie Verbrennungsmotorbereich ist es zum Teil – bau-
bereits beschrieben, ist der Druck nach Pumpe auf- raumbedingt – nicht mehr möglich oder auch nicht
grund der Drosselverluste bis zur Lagerhauptgalerie gewollt, den benötigten Volumenstrom mit einer ein-
in der Regel immer höher als der Hauptlagerdruck. stufigen Ölpumpe abzudecken. Eine mögliche Lö-
Sind keine besonderen Reinheitsforderungen zu sung ist eine zwei- oder mehrstufige Ölpumpe. Dabei
beachten, so bietet die rohölseitige Verstellung prin- werden zwei- oder mehrere Förderstufen parallel ge-
zipiell einen Vorteil bezüglich der Stellkraft. schaltet. Mit dieser Parallelschaltung kann man dann
die doppelte beziehungsweise mehrfache Förderleis-
7.15.2.4 Zwei- oder Mehrstufenregelung tung erzielen. Der Vorteil dieser Parallelschaltung
Die klassische Ausführung von Regeleinheiten besitzt liegt darin, dass durch Regelventilschaltung bei Über-
einen Abregelpunkt, das heißt es gibt einen Öffnungs- schreitung eines bestimmten Systemdruckes die zwei-

Bild 7-227 Zweistufen-


regelung
230 7 Motorkomponenten

Temperatur
MCU Drehzahl

Stufenregelung Bild 7-228 Schema einer


elektrischen Stufenregelung

te beziehungsweise die weiteren Stufen drucklos ge- bung. Näherungsweise ist die mechanische Leistung
schaltet werden; fällt der Systemdruck wieder unter proportional dem Produkt der Viskosität Q, der Dichte
diesen Regeldruck, so wird die Stufe wieder zuge- U, der Höhe des Axialspaltes x, der Drehzahl n und
schaltet. Damit wird man dem nur temporären Öl- dem Durchmesser des Radsatzes d nach folgender
mehrbedarf gerecht, ohne dauernd die volle Pumpleis- Beziehung.
tung erzeugen zu müssen. Allerdings fallen die me-
chanischen Verluste zu einem großen Teil dauernd an. Pmech ~ Q ˜ U ˜ x1 ˜ n2 ˜ d 4
Eingesetzt werden momentan nur zweistufige Ölpum- Der hydraulische Anteil entspricht der Energie, die
pen für großvolumige Verbrennungsmotoren. Da es dem Flüssigkeitsvolumenstrom Q zugefügt wird beim
nur die beiden Zustände Förderung oder Nichtförde- Transport auf ein höheres Druckniveau 'p.
rung gibt, zeigt sich im Druckverlauf im Motor immer
ein Drucksprung bei Zu- beziehungsweise Abschalten Phydr Q ˜'p
der Stufe(n), dies kann sich zum Teil störend auf
Je nach Betriebszustand und Fahrzyklus kann der
bestimmte Motorelemente auswirken.
Betrag der aufgenommenen Gesamtleistung bis zu
4 % der Schleppleistung des Motors betragen. Im
7.15.3 Volumenstrom-Regelpumpen NEFZ-Zyklus sind bis zu 2,5 % Leistungsersparnis
Die Leistungsaufnahme einer Ölpumpe setzt sich aus erreichbar.
dem hydraulischen und dem mechanischen Anteil Der Einsatz einer Volumenstrom-Regelpumpe bietet
zusammen. Der mechanische Anteil entspricht dem die Möglichkeit einer Einsparung der hydraulischen
Energieanteil, der aufgewendet werden muss, um die Leistung durch Anpassung der Förderleistung der
Reibung innerhalb der Pumpe zu überwinden. Es Pumpe an die tatsächliche Motorschluckmenge, dar-
handelt sich dabei überwiegend um Flüssigkeitsrei- gestellt in Bild 7-229.

Leistungsaufnahme einer Konstantpumpe


Leistungsaufnahme einer Regelpumpe
Leistungseinsparung
Potenzial bei Druckabsenkung

Bild 7-229 Potenzial der


Leistungseinsparung
7.15 Ölpumpe 231

Temperatur
MCU Drehzahl

Bild 7-230 Schema einer


kontinuierliche Regelung elektrischen stufenlosen
Regelung

Im einfachsten Fall wird eine Regelung auf einen Eine völlige Freiheit in Bezug auf die Druckregelung
bestimmten Druck angestrebt. Das heißt, dass der lässt sich verwirklichen, indem die Position der Stell-
Volumenstrom nach dem Erreichen eines bestimmten organe mit Hilfe eines Proportionalventils kontrolliert
Druckniveaus konstant bleibt, und zwar unabhängig wird, siehe Bild 7-230.
von der steigenden Motordrehzahl. Der Vorteil einer Da der Druck nun nicht mehr mechanisch, zum Bei-
solchen Regelung beschränkt sich im Wesentlichen spiel über Federkräfte eingestellt wird sondern elekt-
auf die hydraulische Leistung. Auch wenn die Flä- risch über das Proportionalventil, gestaltet sich die
che (3) zwischen der Leistungsaufnahme einer Kon- Druckkontrolle schwierig. Im einfachsten Fall wird der
stantpumpe Pumpe (2) einen enormen Gewinn im Druck in der Hauptgalerie gemessen und über das
Bezug auf die Leistungseinsparung verspricht, ist der Motorsteuergerät geregelt. Prinzipiell lassen sich die
Vorteil, bezogen rein auf den Verbrauchszyklus nach genannten Regelstrategien auf alle Pumpenbauarten
der gültigen EU-Norm ernüchternd. Aufgrund der anwenden. Welcher Vorteil in der Leistungsaufnahme
gewählten Getriebeübersetzung und der Übersetzung zu erwarten ist, wird später anhand der Leistungsauf-
zwischen Motor und Ölpumpe, beschränkt sich das nahme im NEFZ-Zyklus beschrieben.
Drehzahlspektrum lediglich auf einen schmalen
Bereich, bei dem die Diskrepanz in der Leistungsauf- 7.15.3.1 Innenzahnrad-Regelpumpe
nahme beider Pumpenkonzepte nur unzureichend (Volumenstromvariable
zum Zuge kommt. Aus diesem Grund ist eine frühere Zahnringpumpe)
Druckabsenkung, bei der eine weitere Reduzierung
der Leistungsaufnahme möglich ist (4a, b), sinnvoll. Die erste volumenstromvariable Ölpumpe im Ver-
Wie weit der Druck dabei abgesenkt werden kann, brennungsmotor in Serie, ist die von SHW entwickel-
wird von der Verschleißgrenze des Motors festgelegt. te und im Bild 7-231 dargestellte Innenzahnringpum-
Dabei können prinzipiell zwei Wege beschritten pe (IRP) für die Vierzylinder-FSI-Motoren von VW.
werden – eine Zweistufenregelung (4a) und eine kon-
tinuierliche Regelung des Druckes (4b). Bei einer
Zweistufenregelung wird der Abregeldruck innerhalb
der Pumpe mit Hilfe von zwei unabhängigen Wirk-
flächen geregelt. Üblicherweise ist die eine Wirkflä-
che permanent mit dem Druck der Lagerhauptgalerie
verbunden. Die zweite Wirkfläche wird wahlweise
mit Hilfe eines Magnetventils zu- und abgeschaltet.
Da das jeweilige Druckniveau mechanisch innerhalb
der Pumpe auf zwei feste Werte eingeregelt wird,
begnügt sich dieses System mit einer einfachen Steue-
rung. Eine Rückkopplung des Drucksignals ist nicht
notwendig. Zu Servicezwecken kann das elektrische
Ventil außerhalb des Ölraumes angebracht werden.
Allerdings ist das Ventil wegen Drosselverlusten in den
Steuerleitungen bei höheren Viskositäten, möglichst Bild 7-231 Weltweit erste Volumenstrom-Regel-
nahe an der Pumpe anzubringen. pumpe in Serie (VW FSI-Motoren)
232 7 Motorkomponenten

Position maximaler Fördermenge Position minimaler Fördermenge


Außenrotor Außenrotor
Exzenterachse in 0° Position Exzenterachse 90° verdreht
Saugräume Saugräume

Druckräume Druckräume

Innenrotor Innenrotor

Regelring Regelring

Rückstellfeder Rückstellfeder

Bild 7-232 Volumenstromvariable Zahnringpumpe

Die Veränderung der Fördermenge erfolgt in Abhän-


gigkeit vom Pumpendruck durch Verdrehung der Position
Exzenterachse. Um eine schnelle Regelung zu ermög- maximaler
lichen, erfolgt die Verdrehung durch einen Regelring, Fördermenge
der in der Verzahnung des Gehäuses abrollt, siehe
Bild 7-232.
Die vom Regelring mitgenommene Verzahnung ver-
ändert in Abhängigkeit der Exzenterlage ihren Ar-
beitshub. Die momentane Winkellage des Regelrin-
ges wird von dem Kräftegleichgewicht an dem Regel-
ring bestimmt. Die Haupteinflussgrößen sind der
Pumpendruck, die Federkraft und die internen Rad-
satzkräfte.
Durch die bedarfsgerechte Volumenstromregelung
kann die aufgenommene Leistung betriebspunkt- Position
abhängig um bis zu 30 % gegenüber einer Konstant- reduzierter
pumpe reduziert werden. Fördermenge
Ein Vergleich der Leistungsaufnahme zwischen einer
direkt geregelten konventionellen Ölpumpe und einer
IRP lässt im NEFZ-Zyklus eine Kraftstoffersparnis
Bild 7-233 Volumenstromvariable Außenzahnrad-
zwischen 0,5 bis 0,8 % erwarten.
pumpe
7.15.3.2 Außenzahnrad-Volumenstrom-
Regelpumpe stets in Richtung der Maximalförderung zurückge-
stellt werden. Das Einsparpotenzial an Kraftstoff
Bei geregelten Außenzahnradpumpen erfolgt die einer solchen Regelpumpe kann im Europäischen
Regelung der Fördermenge durch die axiale Ver- Abgaszyklus NEFZ bei Regelung auf ein Druck-
schiebung der Zahnräder zueinander. Dazu wird eines niveau bis zu 1 % betragen.
der beiden Zahnräder gegenüber dem anderen ortsfes- Der Serieneinsatz dieser Pumpe mit Reinölregelung
ten Zahnrad verschoben. Die Verschiebung machen erfolgte 2006, siehe Bild 7-234.
die rechts und links vom Verschieberad angebrachten Das Maximum in Bezug auf die Einsparung der
Kolben möglich. Sie übernehmen auch die Wellen- hydraulischen Leistung bietet die Kennfeldregelung.
lagerung des Losrades. Durch die Druckbeauf- Die Kontrolle der Pumpenleistung übernimmt in
schlagung dieser Regeleinheit wird die aktive Rad- diesem Fall ein elektrisches Regelventil, welches die
breite verkleinert. Dadurch ändert sich stufenlos die Einstellung einer nahezu beliebigen Fördermenge
an der aktiven Förderung beteiligte Zahnbreite, siehe erlaubt. Die erste Serienumsetzung dieses Pumpen-
Bild 7-233. konzeptes erfolgte 2007. Bild 7-235 zeigt das umge-
Die axiale Verschiebekraft wird im Fall einer direk- setzte Seriendesign.
ten Regelung von der Pumpe unmittelbar zur Verfü-
gung gestellt. Bei einer indirekten Regelung über- 7.15.3.3 Flügelzellenpumpe
nimmt auch hier der Druck der Lagerhauptgalerie die Bei der Flügelzellenpumpe führt die Verstellung des
Aufgabe der Führungsgröße. Eine Rückstellfeder zentralen Exzenterringes relativ zur Außenkontur zur
sorgt dafür, dass die Zahnräder beim Druckabfall Veränderung des geometrischen Volumens der Öl-
7.15 Ölpumpe 233

Position
maximaler
Fördermenge

Position
Bild 7-234 Regelbare Außenzahnradpumpe mit rein- reduzierter
ölseitiger Regelung Fördermenge

Bild 7-236 Regelbare Flügelzellenpumpe

entsprechend der EG-Richtlinie 80/1268/EWG in der


Fassung 93/116/EWG. Er wird auch Neuer Europäi-
scher Fahrzyklus – NEFZ genannt. Im englischspra-
chigen Raum hat sich die Bezeichnung NEDC (New
European Driving Cycle) beziehungsweise MVEG
(Motor Vehicle Emissions Group) durchgesetzt.
Der genormte Fahrzyklus dauert insgesamt 1.180 Se-
kunden und definiert zunächst nur die Fahrzeugge-
schwindigkeit und die Gangwahl passend zur Ge
schwindigkeitsstufe beim manuellen Schaltgetriebe.
Bild 7-235 Regelbare Außenzahnradpumpe mit stu-
Er besteht aus einem 780 Sekunden dauernden City-
fenloser Druckregelung
Zyklus (städtische Bedingungen) und einem 400 Se-
kunden dauernden Überland-Zyklus (außerstädti-
pumpe. Die Verstellung kann durch das Schwenken
schen Bedingungen). Dieser Zyklus, dargestellt im
um einen festen Drehpunkt erfolgen (siehe Bild
Bild 7-237, bildet auch die Beurteilungsgrundlage für
7-236) oder durch lineare Verschiebung des äußeren
das Potenzial der Leistungseinsparung.
Ringes relativ zum inneren Rotor. Führungsringe,
Um unterschiedliche Regelkonzepte miteinander ver-
angeordnet auf der Innenseite der Flügel sorgen dafür,
gleichen zu können, muss zunächst eine einheitliche
dass die Flügel stets mit der zylindrischen Außenwand
Möglichkeit geschaffen werden, von der durch die
in Berührung bleiben. Auf diese Weise ändern die
Räume, begrenzt durch jeweils zwei Flügel abhängig EG-Richtlinie definierten Fahrzeuggeschwindigkeit
von der Verstellung des Exzenterringes ihr Volumen auf die Pumpendrehzahl schließen zu können.
über dem Drehwinkel. Ist der Exzenterring infolge der Ausgehend von einem mittleren Reifendurchmesser,
Verstellung konzentrisch zum inneren Rotor angeord- der für alle Fahrzeuge mit 70 cm einheitlich ange-
net, erfolgt keine Änderung der Kammervolumen und nommen werden kann, wird die momentane Motor-
die Pumpe fördert nichts. Damit ist es möglich För- drehzahl durch die Übersetzung im Achsdifferential
dermengen zwischen der maximalen und „0“ Förder- und Getriebe bestimmt. Während die Getriebeüber-
menge stufenlos einzustellen. Die daraus resultierende setzung zunächst eine Unbekannte darstellt, ist die
Ersparnis dieses Pumpenprinzips ist vergleichbar mit passende Übersetzung zwischen Motor und Ölpumpe
dem Potenzial der Außenzahnradpumpe. dem Ölpumpenhersteller bekannt.
Ein Vergleich existenter Getriebe für Fahrzeuge mit
7.15.4 Leistungseinsparung unterschiedlicher Motorisierung und von verschiede-
nen Herstellern zeigt, dass die wesentlichen Unter-
im NEFZ- Zyklus
schiede in der Getriebeübersetzung nur auf wenige
Die Ermittlung des Kraftstoffverbrauches von Kraft- Merkmale beschränkt sind. Das Hauptmerkmal ist die
fahrzeugen in der Europäischen Union erfolgt seit dem Anzahl der Getriebegänge. Abhängig davon, ob es
1. Januar 1996 gemäß einem genormten Fahrzyklus sich um ein 5-Gang- oder ein 6-Gang-Getriebe han-
234 7 Motorkomponenten

NEFZ- Geschwindigkeitsverlauf

140 100°
100°

90°
90°
120
80°
80°
Geschwindigkeit [km/h]

Außerstädtischer
100 Fahrzyklus 70°
70°

Temperatur [°C]
60°
60°
80
Stadtfahr- Stadtfahr- Stadtfahr- Stadtfahr- 50°
50°
zyklus 1 zyklus 2 zyklus 3 zyklus 4
60
40°
40°

40 30°
30°

20°
20°
20
10°
10°

0 0°
0 200 400 600 800 1000 1200
Zeit [sec]

Geschwindigkeit [km/h] Temperatur [°C]


Bild 7-237 Der NEFZ-
Zyklus nach 80/1268/EWG

delt, ist die unterschiedliche Anzahl der Getriebestu- Temperatur zu Beginn der Messung. Diese soll zwi-
fen im außerstädtischen Fahrzyklus zu berücksichti- schen 20 °C und 30 °C liegen, um die Kaltphase im
gen. Innerhalb einer Getriebefamilie streuen die Motorbetrieb zu berücksichtigen.
Übersetzungen in den einzelnen Gängen vergleichs- Die angenommenen Temperaturverläufe basieren
weise gering, siehe Bild 7-238. allerdings häufig nur auf dem Temperaturgradienten
Lediglich die Achsübersetzung und der erste Gang des Motors in Abhängigkeit von dessen Konstruktion
zeigen insbesondere beim 6-Gang-Getriebe eine und dem Fahrwiderstand. Tatsächlich muss aber die
gewisse Streuung. Die reduziert sich deutlich, je Entwicklung der Temperatur in der Ölwanne betrach-
höher der Gang ist. Durch die Bestimmung von tet werden, da nur diese die maßgebliche Ölviskosität
Mittelwerten für die einzelnen Gänge lassen sich für die Bestimmung der Reibleistung in der Pumpe
„Normübersetzungen“ ableiten, so dass bei der späte- liefert. Das Bild 7-239 zeigt die Temperaturentwick-
ren Betrachtung der Leistungsaufnahme der Ölpumpe lung in der Ölwanne eines Fahrzeugs während einer
lediglich zwischen 5- und 6-Gang-Getrieben unter- Autobahnfahrt bei einer Konstantpumpe und einer
schieden werden muss. Regelpumpe im Vergleich.
Ein weiterer wichtiger Parameter bei der Betrachtung Durch die „Nichtförderung“ des Öls infolge der
der Leistungsaufnahme ist die Temperaturentwick- Regelung, erkennt man eine deutliche Diskrepanz
lung im Zyklus. Sie bestimmt die Ölviskosität und zwischen der Ölsumpftemperatur (rot) und der Mo-
damit maßgeblich auch die Leistungsaufnahme der tortemperatur (blau) bei vergleichbarem Geschwin-
Ölpumpe. Die EG-Richtlinie definiert lediglich die digkeits- und Druckprofil.

6-Gang-Getriebe 5-Gang-Getriebe

4,11
4,02

3,45
3,54

2,38 2,03

1,59 1,34
1,17 Bild 7-238 Getriebeüber-
1,0 1,0
setzungen von verschiedenen
0,80 0,80
Fahrzeugen unterschiedlicher
OEMs; Mittelwerte in
Kreisen dargestellt
7.15 Ölpumpe 235

Bild 7-239 Entwicklung der


Ölsumpftemperatur während
einer Autobahnfahrt bei einer
Regelpumpe (oben) und einer
Konstantpumpe gleicher
Nenngröße (unten)

Bild 7-240 Erzielbare


Kraftstoffersparnis im NEFZ-
Zyklus

Dies kann zu einer Reduktion der Leistungsersparnis schiedene Temperaturen. Diese werden entweder
führen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass errechnet oder setzen sich aus Messungen mit ver-
auch bei Stadtfahrten die Ölsumpftemperatur deut- gleichbaren Motoren zusammen.
lich, auch wenn nicht im gezeigten Maße, von der Aus diesen gemessenen und errechneten Kenngrößen
Motortemperatur abweicht. wird unter Einbeziehung des volumetrischen Wir-
Die unter diesen Randbedingungen erzielbare Reduk- kungsgrades der theoretisch benötigte Förderstrom
tion im Kraftstoffverbrauch ist in Bild 7-240 zusam- der Ölpumpe berechnet. Ist noch nicht festgelegt, ob
mengefasst. die Ölpumpe im Sumpf oder auf der Kurbelwelle
angeordnet werden soll, so sollte ein Radsatz für jede
7.15.5 Konstruktionsgrundlagen Variante ausgelegt werden.
An dieser Stelle soll zuerst auf die theoretischen
Theoretische Radsatzauslegung (Zahnringpumpe)
Grundlagen eingegangen werden, damit an späte-
rer Stelle die Beziehungen der Radsatzabmessungen Ist der Fördermengenbedarf des Motors annähernd
für Sumpf- und Kurbelwellenpumpen verstanden bekannt, so erfolgt die Auslegung der Pumpe auf
werden. den sogenannten Heißleerlauf des Motors. Das heißt
Optimalerweise sind bei Beginn eines Projektes keine die Ölpumpe muss auf diesen Punkt abgestimmt
Bauraum und Kostenvorgaben vorhanden. Es gibt werden, damit im Betrieb auch genügend Öldruck
Motorölbedarfs- und Motoröldruckkurven für ver- vorhanden ist.
236 7 Motorkomponenten

Konstruktionsseitig wird als erstes die Radsatzgröße Sind die Auslegungen sowohl für die Kurbelwellen,
festgelegt. Es muss von der bekannten/angenomme- als auch die Sumpfpumpe gemacht, so muss die
nen Fördermenge rückwärts auf die theoretische Entscheidung getroffen werden, ob die Ölpumpe auf
Förderfläche und den dafür benötigten Fuß- und der Kurbelwelle oder im Sumpf angeordnet werden
Kopfkreis des Innenrotors gerechnet werden. Dazu soll. Für diese Entscheidung stehen aus technischer
wird die Radbreite benötigt, welche aus dem zur Sicht hauptsächlich folgende Auswertungskriterien
Verfügung stehenden Bauraum genommen wird. Ist zur Verfügung:
der Bauraum noch nicht begrenzt, so können Erfah-
x Bauraum
rungswerte genommen werden. Sind oben angege-
x Antriebs- und Förderleistung
bene Abmessungen bekannt, so kann unter Berück-
x Geräusch und Pulsation.
sichtigung entsprechender Wandstärken der Außen-
durchmesser ermittelt werden. Aus kaufmännischer Sicht kommt noch der Faktor
Rechnerisch wird unter Zuhilfenahme der unten der Kosten hinzu.
aufgeführten Formeln vorgegangen: In den nachfolgenden Kapiteln soll detailliert auf die
Q verschiedenen Varianten Kurbelwelle- und Sumpf-
qth 1.000 ˜ eff pumpe eingegangen werden.
Kvol ˜ n
qth = theor. Fördermenge der Ölpumpe/Umdr. [cm3] 7.15.5.1 Kurbelwellenpumpe
Qeff = effektive Fördermenge aus Motorschluckkurve
entnommen [dm3/min] Kurbelwellenpumpen kommen heutzutage vor allem
Kvol = volumetrischer Wirkungsgrad in der Automobilindustrie in Nordamerika und Japan
–1
n = Drehzahl des Motors bei Qeff [min ]. zur Anwendung. In Europa sind es hauptsächlich
Unternehmen, welche von den Mutterunternehmen
Ist dieser Wert nun bekannt, so kann über die aus Nordamerika beeinflusst werden.
Radbreite die theoretische Förderfläche ermittelt Der Aufbau der Kurbelwellenpumpen ist meist fol-
werden. gendermaßen:
qth x Druckgussgehäuse mit eingepresstem Wellen-
A
RB dichtring und integriertem Regelventil
A = Förderfläche des Radsatzes [cm2] x Druckguss- oder Stahldeckel
RB = Radbreite [cm] x Innenrotor direkt auf der Kurbelwelle zentriert
x Außenrotor angetrieben vom Innenrotor.
Über die Förderfläche kann mittels der Beziehung
Es werden normalerweise Innenzahnradpumpen vom
S
A d 2
a1  d 2f 1
4
Typ Duocentric£, DuoIC£ oder Gerotor verwendet.
Kurbelwellenpumpen werden meist aus Kostengründen
da1 = Kopfkreis des Innenrotors [cm] eingesetzt. Da jeder Motor einen Frontdeckel zur Auf-
df1 = Fußkreis des Innenrotors[cm] nahme des Wellendichtringes benötigt, liegt es nahe, in
und mit diesen Deckel gleich die Ölpumpe zu integrieren.
Bedingt durch den Kurbelwellendurchmesser und die
d0 m˜ z entsprechende Abdichtstrecke zwischen Kurbelwel-
d0 = Teilkreis lenbohrung in Gehäuse und Deckel einerseits und
m = Modul dem Fußkreis des Innenrotors andererseits ergibt sich
z = Zähnezahl (Innen- und Außenrotor) automatisch ein Fußkreis im Innenrotor. Dieser ist
bestimmend für die geometrischen Abmessungen.
können nun die Abmessungen der Verzahnung be- Wie bereits beschrieben, ergibt sich durch Wahl des
stimmt werden. Zähnezahlverhältnisses der Innenverzahnung bei
Nun liegen die geometrischen Abmessungen des entsprechendem Fußkreis eine theoretische Förderflä-
Radsatzes für die Kurbelwellen und die Sumpfpumpe che. Durch Auswahl einer entsprechenden Radbreite
vor. Aufgrund der Radsatzabmessungen können die ergeben sich unter Annahme eines geeigneten volu-
benötigten Tiefen für die Nierenkonturen, welche zur metrischen Wirkungsgrades die Abmessungen der
Befüllung und Entleerung des Radsatzes dienen, Ölpumpe für die Kurbelwelle.
berechnet werden. In der Praxis bewegen sich die Kurbelwellendurch-
Als nächster Schritt sollten die Sauggeschwindigkei- messer zwischen 35 mm Durchmesser (kleine Drei-
ten und die kritischen Umfangsgeschwindigkeiten des bis Vierzylinder-Motoren) bis circa 50 mm (V6- bis
Radsatzes über die Motor- beziehungsweise Pumpen- V8-Motoren). Es ist leicht vorstellbar, dass bei Kur-
drehzahlen ermittelt werden. Bedingt durch die oben belwellendurchmesser > 40 mm schnell sehr große
getroffene Festlegung der Radbreite kann der Bau- Außendurchmesser am Hohlrad erzielt werden, siehe
raum für die Ölpumpen abgeschätzt werden. Bild 7-241.
7.15 Ölpumpe 237

Bild 7-241
Kurbelwellenpumpe

In der Praxis müssen oft Kompromisse bei den Kur- Die Anbindung der Saugrohre erfolgt über einen
belwellenpumpen eingegangen werden, da die Bau- verschraubten Saugflansch mit Dichtung. Der Druck-
länge des Motors begrenzt werden soll. Das heißt, es ausgang wird direkt zwischen Ölpumpe und Motor-
werden oft ungenügende Querschnitte für die Ansau- block mittels Dichtung oder O-Ring realisiert.
gung zur Verfügung gestellt. Des Weiteren wird oft Da die Kurbelwellenpumpe üblicherweise als Ab-
aus Kostengründen ein Stahldeckel zur Abdeckung schlussdeckel dient, befindet sich zwischen Motor-
des Radsatzes verwendet. Dieser ist üblicherweise block und Ölpumpe eine Flächendichtung. Das Öl-
gestanzt und hat eine Breite von 4 bis 5 mm. Mit pumpengehäuse trägt in diesen Fällen den Wellen-
diesem Deckel kann jedoch die Ölpumpe bei großen dichtring. Auf der Unterseite der Ölpumpe wird oft
und breiten Radsätzen von der Deckelseite her nicht die Ölwanne angeflanscht, was zu einer weiteren
sehr gut befüllt werden. Die Befüllung ist daher nur Abdichtstelle führt.
über die Gehäuseseite möglich, was bei mittleren und
hohen Drehzahlen zu Befüllungsproblemen führt und 7.15.5.2 Sumpfpumpe
daraus entsprechenden Kavitations- und Geräusch- Sumpfpumpen werden hauptsächlich von den deut-
problemen. schen Automobilunternehmen eingesetzt. Ziel ist es
Üblicherweise werden die Innenrotoren auf der Kur- mit etwas höherem Kostenaufwand, Leistungseinspa-
belwelle gelagert. Seltener werden Ausführungen rungen zu erreichen. Auch können geringere Motor-
gesehen, welche am Innenrotor einen Lagerbund baulängen realisiert werden.
aufweisen. Das Gehäuse hat ebenfalls eine Lagerboh- Sumpfpumpen bestehen üblicherweise aus folgenden
rung zur Aufnahme des Innenrotors. Die Nachteile Komponenten:
sind höhere Kosten und etwas mehr Reibleistung. Der
Vorteil dieser Ausführung ist, dass der Innenrotor x Druckgussgehäuse mit Lagerbohrung für die
nicht die Bewegungen der Kurbelwelle mitmachen Antriebswelle und integriertem Regel- oder
muss. Auch kann das Hohlradspiel und das Zahn- Kaltstartventil
kopfspiel kleiner ausgeführt werden, als bei der direkt x Druckgussdeckel mit Lagerbohrung für die An-
auf der Kurbelwelle gelagerten Variante. Hier muss triebswelle
der Pumpenversatz zur Kurbelwellenmitte und die x Innenrotor auf die Antriebswelle aufgepresst
Kurbelwellenbewegung durch Hohlradspiel und x Außenrotor angetrieben vom Innenrotor.
Zahnkopfspiel aufgefangen werden, damit es zu kei- Sumpfpumpen werden gewöhnlich über Kette und
nen Zwängen kommt. Um eine möglichst genaue Kettenrad direkt von der Kurbelwelle aus angetrieben.
Ausrichtung der Pumpe zur Kurbelwellenmitte zu Oft werden auch Mehrstufenpumpen im Ölsumpf
gewährleisten werden die Kurbelwellenpumpen übli- angetroffen. Diese bestehen aus einer oder mehreren
cherweise über Zentrierstifte, Zentrierhülsen oder Druckstufen und eventuell aus einer oder mehreren
über „Zentriernasen“ am Motor zentriert. Lenzstufen. Eine solche Anordnung ist auf der Kur-
Als Mitnahme des Innenrotors werden üblicherweise belwelle unmöglich.
Zweiflach-, Sechskant- oder Innenverzahnungen mit Da diese Ölpumpen direkt im Ölsumpf sitzen, entfällt
verschiedensten Zahngeometrien gewählt. Sonderaus- oft ein langes Saugrohr mit Saugsieb. Dieses kann bei
führungen wie zum Beispiel Polygonmitnahmen optimaler Konstruktion direkt in das Gehäuse oder
werden auch angetroffen. Deckel als Druckgussteil mit integriert werden.
238 7 Motorkomponenten

x Ölpumpe im Motorblock integriert und über Kette


oder Stirnräder angetrieben
x Ölpumpe im Ausgleichswellengetriebe integriert
und über Kette oder Stirnräder angetrieben.

7.15.5.3 Ölpumpenkennwerte aus der Praxis


Bild 7-243 zeigt Ölpumpenkennwerte aus der Praxis.
Es handelt sich um einen Vergleich von Vier-, Sechs-
und Achtzylindermotoren. Der Vierzylinder-Vollalu-
minium- Motor mit der Kurbelwellenpumpe besitzt
die meisten Ölverbraucher und ist daher auch von der
Bild 7-242 Sumpfpumpe in 3D-Explosionsdarstel- Ölpumpenseite her sehr groß ausgelegt. Der Vier-
lung zylindermotor mit Sumpfpumpe, der Sechszylinder-
motor und der Achtzylindermotor sind schon seit
Da die Ölpumpen im Sumpf sitzen wird keine Ab- längerer Zeit auf dem Markt.
dichtung für eventuell austretendes Öl benötigt.
Die Ölpumpen werden an den Motorblock mittels 7.15.5.4 Vergleich zwischen Kurbelwellen
Zentrierstiften oder Zentrierhülsen angeschraubt, und Sumpfpumpen
damit die Kettenspur fluchtet. Die Ölübergabe findet
zwischen gegossener Bohrung im Gehäuse und bear- Da jedes Pumpensystem Vor- und Nachteile besitzt
beiteter Bohrung im Motorblock statt. muss je nach Anwendungsfall die richtige Entschei-
Es werden Innenzahnradpumpen vom Typ Duocen- dung getroffen werden.
tric£, DuoIC£ oder Gerotor verwendet. Außenzahn- Erfahrungsgemäß muss zwischen den folgenden
radpumpen finden ebenfalls Verwendung. Punkten ein Kompromiss eingegangen werden:
Eine Untergruppe der Sumpfpumpen sind Ölpumpen,
x Bauraum (Motorhöhe- und Länge)
welche durch Nebenantriebe angetrieben werden.
x Kosten
Folgende Antriebsarten- und Orte sind üblich:
x Antriebsleistung und Förderleistung
x Ölpumpe über Schaft von der Verteilerwelle ange- x Pulsation und Geräusch.
trieben

Benennung 4-Zyl.- 4-Zyl. 6-Zyl.- 6-Zyl.- 8-Zyl.- 8-Zyl.-


Kurbel- Sumpf Kurbel- Sumpf Kurbel- Sumpf
welle welle welle
Zähnezahl 8/9 6/7 9/10 6/7 9/10 6/7
Fördermenge bezogen auf Motordrehzahl 20,6 10,3 17,0 12,8 15,72 21,3
[cm3] (inklusiv Übersetzung bei Sumpf-
pumpen)
Außendurchmesser [mm] 84,5 58,2 91 58,2 90,0 65,2
Radbreite [mm] 14 20 10.8 25 10,7 31,2
–1
Maximale Pumpendrehzahl [min ] 6800 7000 7000 4500 5800 4450
Leistung bei 6000 min–1 * Motordrehzahl 2560 830 2330 970 2100 1830
[Watt]
Kennwerte Motorölverbraucher
Hydraulischer Ventilspielausgleich X X X X X
Nockenwellenversteller X
Turbolader X X
Steuerkette X X
Ausgleichswellen X
Vollaluminiummotor X
* Leistungswerte bei: 80 °C Öltemperatur; 5 bar Öldruck, Ölsorte 5W30 Shell Helix Ultra
Bild 7-243 Typische Ölpumpenkennwerte
7.15 Ölpumpe 239

12

Versuchsbedingungen:
Medium: 5W30
Temperatur: 100°C
Viskosität: 12cSt
9
Bemerkung:
Pumpen wurden auf einer
Pumpendruck [bar]

Motorschluckkurve gefahren

0
500 750 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500
Motordrehzahl [min-1] Bild 7-244 Pumpendruck
Sumpfpumpe Kurbelwellenpumpe
bei Kurbelwelle und Sumpf-
pumpe

Bauraum: Technischer Vergleich:


Soll eine Kurbelwellenpumpe Verwendung finden, so Im Folgenden soll nun ein Vergleich einer Kurbel-
ist diese meist durch das erste Motorlager und die wellen- und Sumpfpumpe durchgeführt werden (Bild
Ketten- oder Riemenspur begrenzt. Normalerweise 7-245). Beide Pumpen sind auf einen Durchsatz von
wird auf eine möglichst geringe Baulänge des Motors 5,2 l/min bei 750 min–1 Motorumdrehungen, 1,5 bar
geachtet. Unter dieser Zielsetzung ist wenig Platz für und 120 °C ausgelegt. Das heißt beide Pumpen könn-
einen breiten Radsatz und eine gute Befüllung für den ten bei Motorheißleerlauf dem Motor die gleiche
Radsatz. Durchflussmenge zur Verfügung stellen. Beide Pum-
Im Gegensatz zu Kurbelwellenpumpen können pen wurden unter motorrelevanten Bedingungen auf
Sumpfpumpen meist sehr breit ausgeführt werden. einem Komponentenprüfstand auf einer Motoröl-
Auch ist bei den meisten Motorkonstruktionen Platz schluckkurve für 100 °C Öltemperatur gefahren. Es
zwischen Motorblock, Pleuelgeige, Kurbelwange und stellte sich mit beiden Ausführungen ein ähnliches
Ölwanne, um eine Sumpfpumpe zu integrieren. Druckniveau ein (Bild 7-244).
Kosten: Antriebsleistung und Förderleistung:
Bei üblich verwendeten Systemen wird die Sumpf- Grundvoraussetzung für eine Pumpe mit geringem
pumpe meist etwas teurer ausfallen. Dies liegt haupt- Antriebsleistungsbedarf ist eine optimale Auslegung
sächlich an Zusatzkosten für Kette und Antriebsritzel. des Radsatzes (Durchmesser-Breitenverhältnis). Wie
Wird die Konstruktion der Sumpfpumpe unter dem aus Bild 7-245 ersichtlich ist, liegt die Antriebs-
Gesichtspunkt Kosten durchgeführt, so kann diese leistung der Kurbelwellenpumpe deutlich über der
sehr nahe an die Kosten der Kurbelwellenpumpe Sumpfpumpe. Dies hat im Wesentlichen zwei Grün-
heran kommen. de. Erstens kann durch die breitere Bauweise der

1500

Versuchsbedingungen:
Medium: 5W30
1200
Temperatur: 100°C
Viskosität: 12cSt
Bemerkung:
Antriebsleistung [Watt]

Pumpen wurden auf einer


Motorschluckkurve gefahren
900

600

300

0
500 750 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500
Motordrehzahl [min-1] Bild 7-245 Antriebsleistung
von Kurbelwellen- und
Sumpfpumpe Kurbelwellenpumpe
Sumpfpumpe
240 7 Motorkomponenten

Die technischen Pumpendaten sind wie folgt:

Benennung Kurbelwellenpumpe Sumpfpumpe


Zähnezahl 9/10 6/7
3
Fördermenge bezogen auf Motordrehzahl [cm ] 8,1 8,1
(inklusive Übersetzung bei Sumpfpumpe)
Radbreite [mm] 8.1 20
Außendurchmesser [mm] 72 58,2
Fußkreis [mm] 46,1 29,4
Wellendurchmesser [mm] 35 16
Übersetzung 1 2 (ins Langsame)

Bild 7-246 Technische Daten

100

90
volumetrischer Wirkungsgrad [%]

80

70

60

50

40

30 Versuchsbedingungen:
Medium: 5W30
20 Temperatur: 80°C
Viskosität: 18cSt
10 Druck: 5bar

0
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000
Motordrehzahl [min-1]
Bild 7-247 Volumetrischer
Kurbelwellenpumpe Sumpfpumpe
Wirkungsgrad von Kurbel-
wellen- und Sumpfpumpe

60

Versuchsbedingungen:
Medium: 5W30
50 Temperatur: 80°C
Viskosität: 12cSt
Druck: 5bar
Fördermenge [l/mint]

40

30

20

10

0
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000
Motordrehzahl [min-1]
Bild 7-248 Fördermenge
Kurbelwellenpumpe Sumpfpumpe von Kurbelwellen- und
Sumpfpumpe
7.15 Ölpumpe 241

Sumpfpumpe der Außendurchmesser im Vergleich Die hohe Viskosität und geringe Abnahmemengen
zur Kurbelwellenpumpe reduziert werden. Dies hat des Motors bei geringen Temperaturen können aber
den Vorteil, dass die Reibleistung des Räderpaares auch zu unerwünschten Effekten führen, die das
deutlich geringer ist. Geräuschergebnis verschlechtern.
Zweitens kann durch eine Reduzierung der Überset- Im unteren Drehzahlbereich bestimmen die mechani-
zung ins Langsame bei der Sumpfpumpe der Reib- schen Eigenschaften der Verzahnung maßgeblich das
leistungsanteil weiter gesenkt werden. Nachteilig Geräusch. Fertigungsbedingte Verzahnungsabwei-
kann sich eine Untersetzung ins Langsame im Heiß- chungen, wechselnde Zahnfedersteife sowie lastbe-
leerlauf auswirken. Bei Heißleerlauf wird eine be- dingte Eingriffsstörungen sind bis zur vielfachen ihrer
stimmte Fördermenge benötigt, um den Öldruck im Grundfrequenz im Schallpegelspektrum sichtbar.
Motor sicherzustellen. Jedoch ist das Öl temperatur- Fehler in der Verzahnung des außenverzahnten Ritzels
bedingt sehr dünn und verursacht durch die Leckspal- und des innenverzahnten Rades erscheinen zusätzlich
te relativ hohe Verluste. mit einer sogenannten Wiederholfrequenz, in der eng-
Ist die Pumpe stark ins Langsame untersetzt, so sind lischsprachigen Literatur auch als „hunting tooth fre-
die Leckverluste prozentual hoch im Vergleich zu der quency“ bekannt. Die Wiederholfrequenz kann aus
Ölmenge, welche zum Motor gefördert wird. Man folgender Gleichung ermittelt werden:
spricht von einem schlechten volumetrischen Wir-
f GMF
kungsgrad bei niederen Drehzahlen und hohen Tem- f HT ˜ na
peraturen (Bild 7-247). z1 ˜ z2
Sind jedoch die Übersetzung und die Spiele richtig
gewählt, so hat die Sumpfpumpe eine vergleichbare
Fördermenge im niederen Drehzahlbereich. Durch die
Untersetzung ins Langsame wird die Ölpumpe bei
hohen Motordrehzahlen jedoch sehr gut befüllt und
knickt nicht so stark ab wie die Kurbelwellenpumpe
(Bild 7-248). Die Folge ist ein besseres Kavita-
tionsverhalten.

7.15.6 Kavitation und Geräuschemission


Bei einer Geräuschbeanstandung ist mit einer Mes-
sung des Luftschalls unter der Ölwanne häufig die
Quelle schnell gefunden, die wahre Ursache bei
Weitem jedoch nicht! Die Geräuschemission einer
Zahnradpumpe ist von den Übertragungspfaden ab-
hängig und diese gilt es zunächst zu bestimmen.
Abhängig davon, ob es sich um eine Übertragung des
Körperschalls, eine Anregung der Ölwanne oder des
Zylinderkurbelgehäuses durch saug- beziehungsweise
druckseitige Öldruckpulsation handelt, können die
Maßnahmen sehr unterschiedlich sein. Interessanter-
weise ist der abgestrahlte Luftschall nur in den sel-
tensten Fällen eine Quelle der Beanstandung.
Folgende drehzahlabhängige Einflussgrößen bestim-
men die Schallanregung:
x mechanische Eigenschaften der Verzahnung
x Kavitationsvorgänge
x Änderungen der Strömungsgeschwindigkeit durch
periodische Schwankungen der Fördermenge
x plötzliche Druckausgleichsvorgänge beim Zusam-
mentreffen von Räumen unterschiedlichen Druckes
x Schwingung von Druckregelelementen
x Resonanzen mit Ölwanne und Kurbelgehäuse-
struktur.
Eine weitere Einflussgröße auf das Geräuschverhal-
ten einer Ölpumpe ist die Ölviskosität. Diese kann Bild 7-249 Unterschied im Körperschall zwischen
durch die Dämpfungseigenschaft bei geringen Tem- einer gesinterten (oben) und geschliffenen Verzah-
peraturen die Schallabstrahlung positiv beeinflussen. nung (unten)
242 7 Motorkomponenten

Fräsen oder Schleifen einer Verzahnung darstellt,


hergestellt werden, weisen sie stochastisch verteilte
Verzahnungsfehler auf, die eher zu einem unauffälli-
gen Rauschen tendieren als zu einer auffälligen
tonalen Komponente. Aus diesem Grund sind gesin-
terte Zahnräder geschliffenen selbst im Geräuschver-
halten oft überlegen.
Bild 7-249 dokumentiert die deutliche Ausprägung
der Zahneingriffsfrequenz und ihrer harmonischen
bei einer geschliffenen Verzahnung im Vergleich
zum Verhalten gesinterter Zahnräder.
Die Stärke der mechanisch dargestellten Verzahnung
liegt in der geringen Neigung zu Drehzahlmodula-
Mikrofon Ölwanne tion, die sich in Form von Nebenbändern im Spek-
trum bemerkbar macht.
Eine weitere Auffälligkeit, die besonders im unteren
Drehzahlbereich prominent sein kann, ist die durch
Bild 7-250 Resonanz mit der Ölwanne nahe Leer- Resonanzen mit Ölwanne, Zylinderkurbelgehäuse
laufdrehzahl oder anderen Elementen der Fahrzeugstruktur her-
vorgerufene Überhöhung der Anregung. Diese Art
Hierbei bedeuten fGMF die Zahnfrequenz und z1 und z2 die der Geräuschanregung ist besonders unangenehm, da
Zähnezahlen der Zahnräder, na ist die Zahl der mögli- sie beim Überfahren des Resonanzdrehzahlbereiches
chen Einbaulagen. das Geräusch ein- und ausschaltet, siehe Bild 7-250.
Die mechanischen Geräusche einer Verzahnung, mit Mit zunehmender Drehzahl und steigendem Druck-
Ausnahme der lastbedingten Eingriffsstörungen einer niveau werden neben der Zahneingriffsfrequenz auch
Außenverzahnung, treten angesichts der hohen Quali- die zweifache und die dreifache der Zahneingriffsfre-
tät der gesinterten oder erodierten Radsätze jedoch quenz sichtbar. Verantwortlich hierfür ist eine weitere
zunehmend in den Hintergrund. Bei den Evolventen – Schallquelle – der Wechseldruck (Pulsation) in der
Zahnrädern einer außenverzahnten Zahnradpumpe – Flüssigkeit, der auf die diskontinuierliche Ölförde-
erlauben die Verwendung der Schrägverzahnung und rung der einzelnen Zahnkammern zurückzuführen ist.
angepasste Profilkorrekturen eine weitere Reduktion Während der Öffnung der in den Zahnkammern ein-
des Geräuschniveaus. geschlossenen Fördervolumina zur Hochdruckseite
Darüber hinaus haben die im Sinterprozess dargestell- werden diese zunächst durch den höheren Flüssig-
ten Zahnräder einen weiteren entscheidenden Vorteil. keitsdruck auf der Ausgangsseite komprimiert. Die
Dadurch, dass die Zähne nicht durch einen regelmä- Verkleinerung der Zahnräume während des weiteren
ßigen Herstellungsprozess, wie es zum Beispiel das Transportes sorgt für ihre Entleerung. Der so entste-

Kavitatonsgebiet

Bild 7-251 Drehzahl –


Frequenzanalyse der Öldruck-
pulsation einer Zahnradpumpe
7.15 Ölpumpe 243

so scheidet sich das im Öl gelöste Gas in Blasenform


aus. Das entstandene Gas-Flüssigkeitsgemisch erhöht
den abgestrahlten Luftschall, siehe Bild 7-251.
Steigt infolge des raschen Zusammentreffens der
Förderräume mit dem Druckausgang der Druck in
den Zahnkammern wieder an, implodieren die Blasen
schlagartig. Dieser Vorgang wird von sehr hohen
örtlichen Druckspitzen begleitet, die zu einer be-
trächtlichen Geräuschentwicklung und Pulsation bei-
tragen. Diese typische Erscheinung wird auch als
Kavitation bezeichnet. Wichtig für diesen Vorgang ist
die Anwesenheit von Kavitationskeimen zum Bei-
spiel in Form der bereits genannten Luftblasen. Der
Beginn der Geräuschzunahme infolge Kavitation
wird nämlich nicht nur von der zur Drehzahl propor-
Bild 7-252Mit einer Bildfolge von 500 Bildern pro tionalen Strömungsgeschwindigkeit bestimmt, son-
Sekunde aufgezeichnete Blasenbildung bei einer dern auch von der Zahl der Kavitationskeime im
Innenzahnradpumpe Fluid. Daher kann bei zunehmender Ölverschäumung
bei ansonsten konstanten Druckverhältnissen und
hende Pulsationsdruck verursacht eine Wechsel- konstanter Strömungsgeschwindigkeit eine Zunahme
schnelle der Flüssigkeitsteilchen, die der Gleichströ- der Kavitationsblasen beobachtet werden. Bei hohem
mung überlagert ist. Bei den Außenzahnradpumpen Luftgehalt setzt die Kavitation bereits bei niedrigen
dominiert häufig das Geräuschbild das Quetschen des Drehzahlen ein. Der damit verbundene frühe Anstieg
Öls in den Zahnlücken. Korrespondierend mit der des Schallpegels setzt sich nur allmählich fort. Ist
Lückenzahl beider Räder ist die zweifache der Zahn- dagegen der Luftgehalt im Öl sehr niedrig, beginnt die
eingriffsfrequenz oft deutlich sichtbar. Auch das dis- Bildung der Blasen erst bei hoher Umfangsgeschwin-
kontinuierliche Öffnen der Zahnzwischenräume auf der digkeit. Der Schallpegel wächst in diesem Fall
Saugseite führt zu einer Überlagerung der Saugströ- sprunghaft an, siehe Bild 7-251.
mung mit einer Wechselschnelle der Flüssigkeitsteil- Das nachfolgende Bild 7-253 zeigt ein Ergebnis einer
chen, was zu einer Anregung des Ölwannenbodens Ordnungsanalyse einer Zahnradpumpe. Deutlich
führen kann. sichtbar ist der Anstieg des Schalldruckpegels zu
Mit steigender Drehzahl führen Geschwindigkeitsun- hohen Drehzahlen hin. Ab circa 4000 U/min steigen
terschiede zwischen der Flüssigkeit im Gehäuse und die Pegel bis zur dritten Ordnung stark an. Dieser
Radsatz und die rasche Volumenänderung in den Effekt ist auf die bereits beschriebene Kavitation der
Zahnlücken zum lokalen Druckabfall. Wird dabei der Blasen zurückzuführen, die vermehrt mit Zunahme
kritische Druck von circa 0,4 bar absolut unterschritten, der Geschwindigkeit entstehen.

Dr uckpuls Frequenz- mulmulti [P a]


Analyze
W orking : Input : spekt r um : FFT Analyzer

6 0k

4 0k

2 0k

0
6k

4k

2k Bild 7-253 Ordnungsanalyse


1k 2k 3k 4k 5k 6k beim Hochlauf einer
[H z] [RP M ] (N ominal V alues)
Zahnradpumpe
244 7 Motorkomponenten

25 110

20 100

Schalldruck [dB(A)]
Druck [bar]

15 90

10 80

5 70

0 60
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 Bild-254 Flächenbewerteter
-1
Drehzahl [min ] Schalldruckpegel einer
AZ z9 Pulsation AZ z 9 Schalldruck VDI 3743 Außenzahnradpumpe

25 110

20 100
Druckpulsation [bar]

Schalldruck [dB(A)]
15 90

10 80

5 70

0 60
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000
-1
Bild-255 Flächenbewerteter
Pumpen - Drehzahl [min ]
Schalldruckpegel einer
DuoIC z8 Pulsation VDI 3743 DuoIC z8 Schalldruck Innenzahnradpumpe

Ein weiteres Phänomen, das bei der untersuchten 7.15.7 Berechnung


Pumpe in einem Drehzahlband zwischen 2000 und
4000 U/min in Erscheinung tritt, ist auf eine Tor- 7.15.7.1 Numerische Strömungssimulation CFD
sionsresonanz im Triebstrang zurückzuführen. Eine Die Formulierung der Bewegungsgleichungen für
qualitativ gute Vorhersage des Schallleistungspegels, eine mehrdimensionale Strömung führt zu partiellen
Bild 7-254 und Bild 7-255, liefert die folgende Glei- Differentialgleichungen, die sowohl zeit- als auch
chung der VDI Richtlinie 3743 für den kavitations- ortsabhängig sind. Eine häufig komplizierte Geomet-
freien Bereich. Messungen bestätigen ihre Gültigkeit
rie der Strömungsführung, aufgrund des geringen zur
für Außenzahnradpumpen.
Verfügung stehenden Bauraumes, macht eine ge-
§P· schlossene Lösung dieser Gleichungen unmöglich.
LWA 78  11 ˜ lg ¨ ¸ r 3 >dB@ Was liegt näher als die Berechnungsräume so zu
© P0 ¹
vereinfachen, dass sie auf geometrisch einfach zu
Für Innenzahnradpumpen erzielt man eine bessere berechnende Volumina zurückgeführt werden kön-
Näherung durch eine modifizierte Form der oben nen. Mit entsprechenden Übergabe- und Randbedin-
genannten Beziehung. gungen können so komplizierte Strömungskanäle als
§P · Summe der einzelnen einfachen Volumenelemente
LWA 78  17 ˜ lg ¨ ¸ r 5 >dB@ dargestellt werden. Diese Idee liegt der modernen
© P0 ¹ Strömungssimulation (CFD) zugrunde. Es werden
In beiden Fällen stimmen die berechneten Schallpegel heute nicht nur die Erhaltungsgleichungen der Masse,
mit den gemessenen, bis zum Beginn der Kavitation Energie des Impulses und Spezies berechnet, sondern
erkennbar am sprunghaften Anstieg der Pulsation, auch der Wärmetransport für eine laminare und
sehr gut überein. turbulente Strömungsform.
7.15 Ölpumpe 245

Bild 7-256 Berechnete


Strömung innerhalb des
Pumpengehäuses einer
Flügelzellenpumpe

Bild 7-257 Berechnete


Verteilung der Strömungs-
geschwindigkeiten im
Radsatz einer Außenzahn-
radpumpe

Auf diese Weise lässt sich bereits in der Konstruk- tragen als auch wichtige Informationen zur Schwing-
tionsphase die Strömungsführung vom Ansaugpunkt neigung von Ventilen liefern.
und innerhalb des Gehäuses überprüfen. Druckverlus- Die Kenntnis über die Geschwindigkeit- und Druckver-
te, die eine Entstehung der Kavitation begünstigen, teilung in den Zahnräumen bildet wichtige Voraus-
können frühzeitig erkannt und unter Umständen setzung nicht nur in Bezug auf Kavitation und Pulsa-
beseitigt werden. tion sondern auch in Fragen zum Thema Verschleiß.
Neben der stationären Strömungsbetrachtung lassen Während die Messung des globalen Druckes im Rad-
sich heute auch die Bewegung von Ventilen und die satz kein Problem darstellt, kann nur die CFD-Analyse
Veränderung der Räume im Radsatz darstellen. Mit Information über die lokalen Druck- und Geschwin-
Hilfe der sogenannten Technik der bewegten Gitter digkeitsgradienten liefern. Die weiterentwickelte Tech-
wird die Bewegung der Strömungsräume simuliert. nik der verformbaren Gitter macht es möglich, die
Die Berechnung des Verhaltens von Regelkolben, Zustandsgrößen des Arbeitsmediums in den Arbeits-
sowie die Optimierung der Strömung im Ventilbe- räumen zu beobachten. Bild 7-256 zeigt beispielhaft
reich und der Rückströmung in den Förderkanal kann die Druckverteilung in den Zellen einer Flügelzellen-
sowohl zur Steigerung der Effizienz der Pumpe bei- pumpe. Im nächsten Bild 7-257 ist die Momentauf-
246 7 Motorkomponenten

nahme der berechneten Geschwindigkeitsverteilung im [7] Patentschrift FR000000980766A


[8] EG-Richtlinie 80/1268/EWG
Radsatz einer Außenzahnradpumpe dargestellt.
[9] Dr. Lamparski, C.: Bedarfsgerechte Ölversorgung; Regelölpum-
Korrespondierend zur Radsatzdrehzahl und den Eigen- pen im Serieneinsatz, Ölkreislauf von Verbrennungsmotoren II,
schaften des Öls bei einer Temperatur, repräsentieren Expert Verlag, 2007
die berechneten Werte die Geschwindigkeiten bei einer
isothermen Zustandsänderung. Wird parallel dazu die
Energiegleichung gelöst, so erhält man Zusatzinforma- 7.16 Nockenwelle
tionen über lokale Erwärmung, damit auch Dichte und Der Verbrennungsmotor gehört zu den periodisch arbei-
Viskositätsänderung und somit entscheidende Hinweise tenden Maschinen. Frische Ladung strömt durch einen
auf die Tragfähigkeit des Schmierspaltes. geöffneten Einlassquerschnitt in den Zylinder, wird
Die Rotation der Radsätze, ihr Saug- beziehungs- komprimiert, verbrennt, expandiert und gelangt über
weise Entleerverhalten beeinflusst die Strömung den geöffneten Auslassquerschnitt in das Abgassystem.
insbesondere im Bereich der Nierengeometrie. Das Öffnen und Schließen der Gaskanäle geschieht
Auch diese Vorgänge lassen sich heute sehr gut beim herkömmlichen Viertaktmotor, zum Teil auch
simulieren. Um numerische Singularitäten zu vermei- beim Zweitaktmotor, durch nockenbetätigte Ventile.
den, die durch die Kompression der theoretischen Beim Wankel- und Zweitaktmotor übernimmt norma-
Volumina auf „Null“ entstehen können, wird die lerweise der Kolben die Steuerung von Ein- und
Verzahnungskontur eines Läufers mit einem äquidis- Auslassquerschnitt. Mögliche weitere Ausführungs-
tantem Offset versehen. Die dadurch entstandene formen wie zum Beispiel rotierende oder oszillieren-
ursprünglich als Problem angesehene Spaltströmung de Schieber werden nicht beziehungsweise nicht
hat sich nicht als nachteilig erwiesen. mehr in Serie angewendet.

7.15.7.2 Eindimensionale Simulation 7.16.1 Aufgaben der Nockenwelle


von Strömungsnetzwerken
Die Hauptaufgabe der Nockenwelle ist das Öffnen
Neben der bereits erwähnten klassischen mehrdimen- und Schließen der Ein- und Auslassventile zu festge-
sionalen Simulation der Strömung haben sich seit legten, mit der Position des Kolbens und mit der
einigen Jahren wissensbasierte Programme zur Be- Kurbelwelle synchronisierten Steuerzeiten für den
rechnung verzweigter Strömungsnetzwerke etabliert. Ladungswechsel.
Diese Programme basieren auf der Grundlage der Bei einer herkömmlichen Ventilsteuerung wird beim
Stromfadentheorie. Sie sind in der Lage stationäre und Öffnen der Ventile eine Kraft vom Nocken über den
instationäre Strömungsvorgänge von kompressiblen Nockenfolger und ggf. weitere Betätigungselemente
Gasen und inkompressiblen Flüssigkeiten zu beschrei- zum Ventil übertragen und dieses entgegen der Ventil-
ben. Die besondere Stärke dieser Programme liegt im federkraft geöffnet. Beim Schließvorgang wird das
modularen Aufbau, wobei die einzelnen Module wie Ventil durch die Kraft der vorgespannten Ventilfeder
Ölpumpe, Ventile, Gleitlager, Nockenwellenverstell- geschlossen und im Bereich des Grundkreises (keine
einrichtungen, Rohrkrümmer und viele mehr wissens- Erhebung am Nocken) entgegen der kanalseitigen
basiert sind. Individuell auf das jeweilige Bauteil Gaskraft (Ladedruck beziehungsweise Abgasgegen-
zugeschnittene Gleichungen, oft durch Versuchser- druck) auf das Ventil geschlossen gehalten. Bei der
gebnisse untermauert, geben das Strömungsverhalten Auslegung ist zu beachten, dass alle Randbedingungen
dieser Bauteile wieder. Häufig lässt sich auch diese dynamisch betrachtet werden müssen.
Datenbasis durch eigene Erfahrungen oder Mess- Zwangssteuerungen zur Erhöhung der möglichen
ergebnisse erweitern. Mit Hilfe der genannten Module Motordrehzahl (sowohl Öffnungs- als auch Schließ-
können sehr komplexe mehrsträngige Netzwerke, wie bewegung wird durch einen Nocken bewirkt) werden
es zum Beispiel der Ölhaushalt eines Verbrennungs- auf Grund der reduzierten Ventiltriebsmassen bei
motors darstellt, aufbauen und untersuchen. Sie wer- Mehrventilmotoren und verbesserten Ventilfedern in
den oftmals zur Erstauslegung des Ölbedarfs bei der Serie selten angewendet.
verschiedenen Betriebszuständen des Motors genutzt. Beim Viertaktmotor rotiert die von der Kurbelwelle
angetriebene Nockenwelle mit halber Kurbelwellen-
Literatur drehzahl. Die Bestimmung der Ventilsteuerzeiten für
[1] Myron, F. Hill.: Kinematics of Gerotors, 2. Aufl. The Peter jedes einzelne Ventil erfolgt durch die Geometrie und
Reilly Company
[2] Beck, Th.: Beiträge zur Geschichte des Maschinenbaus. Springer
die Phasenlage von einzelnen Nocken, normalerweise
Verlag 1999 getrennt für Ein- und Auslass und für die Zylinder, die
[3] Lips, W.: Strömungsakustik in Theorie und Praxis, 2. Aufl. an einer oder mehreren Nockenwellen angeordnet sind.
Expert Verlag Bei Mehrventilmotoren können mittels Ventilbrücke
[4] VDI Richtlinie 3743 Bl. 1+2: Emissionskennwerte technischer
Schallquellen
oder Gabelhebel mehrere Ventile über einen Nocken
[5] Heckl, M.; Müller, H. A.: Taschenbuch der technischen Akustik, betätigt werden. In besonderen Bauformen werden
2. Aufl. Springer Verlag Ventile verschiedener Zylinder oder Ein- und Auslass-
[6] Findeisen, D. u. F.: Ölhydraulik. 4. Aufl. Springer Verlag ventile vom selben Nocken betätigt.
7.16 Nockenwelle 247

Zusätzlich zu den Bewegungen der Ein- und Auslass- onellen Ventiltrieben nur bedingt zu erfüllen (siehe
ventile für den Ladungswechsel kann die Nocken- auch Nockenwellenverstellsysteme und variable
welle auch zur Erzeugung der Zusatzbewegung von Ventilsteuerung).
Ventilen bei Motorbremssystemen (mittlere bis Bei allen Anwendungen sind Ventilhub, -geschwin-
schwere Nfz) verwendet werden. Dabei werden vor- digkeit und -beschleunigung immer ein Kompromiss
handene oder zusätzliche Nockenerhebungen derart zwischen möglichst schnellem Öffnen und Schließen
verwendet, dass die Schleppverluste des Motors im der einzelnen Ventile einerseits und den dabei auftre-
Schubbetrieb vergrößert werden; zum Beispiel wird tenden Kräften und Flächenpressungen andererseits.
das Auslassventil im Bereich des Kompressionstaktes Die Reibung beziehungsweise Reibungsverluste der
kurzzeitig oder dauerhaft geöffnet. Nockenwelle und des gesamten Ventiltriebsystems
Eine weitere Aufgabe der Nockenwelle ist neben sind ebenfalls ein wichtiges Kriterium bei der Aus-
der Leistungsabgabe an Hilfs- und Nebenaggregate legung.
(wie Vakuum-, Hydraulik-, Kraftstoff- oder Ein-
spritzpumpen) die Betätigung von Einzeleinspritz- 7.16.2 Ventiltriebkonfigurationen
pumpen im Motorblock (Pumpe-Leitung-Düse =
PLD) oder Pumpe-Düsen im Zylinderkopf (= PD). Bei untenliegender Nockenwelle (overhead valves =
Dies gilt hauptsächlich für Nfz-Anwendungen. OHV) ist diese im Motorblock angeordnet und über-
Dabei sind neben den Nocken für die Betätigung der trägt die Hubbewegung über Stößel oder Schlepp-
Ladungswechselventile zusätzliche Nocken zur Er- hebel, Stoßstange und Kipphebel auf das Ventil.
zeugung der Hubbewegung in der Einspritzpumpe Der Aufbau derartiger Ventiltriebe ist meist einfa-
angeordnet, die auf Grund der auftretenden Belastung cher, die Steifigkeit jedoch deutlich geringer als bei
meist deutlich stabiler ausgeführt werden müssen. Systemen mit obenliegender Nockenwelle (overhead
Durch die Lage der Ventilsteuerzeiten werden Dreh- camshaft = OHC beziehungsweise double overhead
moment, Leistung, Kraftstoffverbrauch und Abgas- camshaft = DOHC). Die Nockenwelle oder -wellen
emissionen entscheidend beeinflusst. Die vom Kun- sind dabei im Zylinderkopf angeordnet und werden
den gewünschte hohe spezifische Leistung, ein aus- über Zahnräder, Kette oder Zahnriemen (vereinzelt
geglichener Drehmomentverlauf sowie niedriger auch Zahnkette) von der Kurbelwelle angetrieben.
Kraftstoffverbrauch und niedrige Schadstoffemissio- Die Betätigung der Ventile erfolgt dabei über Kipp-
nen im gesamten Drehzahlbereich sind mit konventi- beziehungsweise Schlepphebel oder Tassenstößel.

OHV OHC OHC OHC


Stoßstange Kipphebel Schlepphebel Tassenstößel

Trend
Wenig verbreitet, für einfache V- Wenig verbreitet,
Standard Weit verbreitet
Motoren und Nfz-Anwendungen gleichbleibend

Varianten Gleitkontakt Gleitkontakt Gleitkontakt Gleitkontakt


Rollkontakt Rollkontakt Rollkontakt
mit/ohne HVA mit/ohne HVA mit/ohne HVA mit/ohne HVA

Nockenfolger Stahl (Rollkontakt) Stahl (Rollkontakt) Stahl (Rollkontakt) (Rollkontakt)


(Nockenkontakt) Gusseisen (Gleitkontakt) Stahl,Gusseisen (Gleitkontakt) Gusseisen (Gleitkontakt) Stahl (Gleitkontakt)
(GJL,SHG) (GJL,GJS) (GJL,GJS)

Nockenwerkstoff
Rollkontakt Stahl Stahl Stahl, P/M
Gleitkontakt Gusseisen Gusseisen Gusseisen Gusseisen
SHG (GJL,GJS) SHG (GJL,GJS) SHG (GJL,GJS) SHG (GJL,GJS)

Bild 7-258 Ventiltriebkonfigurationen für Pkw-, Motorrad- und Nfz-Motoren


248 7 Motorkomponenten

sen geteilt sein. Bei der Tunnellagerung sind an der


Nockenwelle Lagerringe mit einem Durchmesser
größer als die maximale Nockenerhebung angeordnet.
Die Nockenwelle kann dabei in geschlossene, eintei-
lige Lager im Zylinderkopf oder Motorblock einge-
schoben werden, Bild 7-259.

7.16.3 Aufbau einer Nockenwelle


Den grundsätzlichen Aufbau einer Nockenwelle zeigt
Bild 7-260.
Hauptbestandteil ist der zylinderförmige Nockenwel-
lenschaft (hohl oder voll), auf dem die einzelnen
Nocken für die Ventilbetätigung angeordnet sind.
Zusätzlich können auch, wie bereits erwähnt, Nocken
für die Einspritzung vorhanden sein. Die Abstützung
der Betätigungskräfte erfolgt über Nockenwellenla-
ger, von denen meist eines als Axiallager zur Führung
der Nockenwelle in Längsrichtung ausgebildet ist.
Über ein fest oder lösbar mit dem Antriebsflansch der
Nockenwelle verbundenes Antriebsrad oder einen
Nockenwellenversteller erfolgt der Antrieb von der
Kurbelwelle. Der Nockenwellenversteller kann auch
Bild 7-259 Varianten der Nockenwellenlagerung fest mit dem Nockenwellenrohr verbunden sein, um
den Antriebsflansch zu eliminieren. Alternativ dazu
Die verschiedenen Ventiltriebsvarianten für Pkw- kann bei DOHC-Motoren die zweite Nockenwelle
und Nfz-Anwendungen und deren Anwendungsberei- von der ersten angetrieben werden. In diesem Fall ist
che sind im Bild 7-258 dargestellt. Auf die angeführ- an den Nockenwellen je ein Koppelrad (meist Ketten-
ten Werkstoffe für Nocken und Nockenfolger wird
oder Zahnrad) angebracht.
später eingegangen.
Für den Antrieb von Hilfs- oder Nebenaggregaten wird
Bei der Übertragung der Hubbewegung vom Nocken
am freien Ende der Nockenwelle ein zusätzliches
auf den Nockenfolger (Hebel, Stößel oder Tasse)
Abtriebselement oder ein Mitnehmer oder, zum
kann zwischen Gleitkontakt und Rollkontakt unter-
Beispiel an einer Stelle am Nockenwellenschaft, ein
schieden werden. Der Entwicklungstrend geht weiter
Exzenter oder Hubprofil angebracht. Zur Bestimmung
in Richtung Rollkontakt zur Verminderung der An-
der Phasenlage einer Nockenwelle, insbesondere bei
triebsverluste und Erhöhung der ertragbaren Belas-
tung einerseits und bei einfachen Stößeltrieben zur Verwendung von Nockenwellenverstellern, kann auch
Kostenreduktion in Richtung Gleitkontakt (einteiliger ein Impulsgeberring (ein oder mehrere Impulse pro
Nockenfolger ohne hydraulischen Spielausgleich) Umdrehung) an der Nockenwelle angeordnet sein.
andererseits. Der Nocken besteht aus einem Bereich mit konstan-
Neben verminderten Reibungsverlusten (= erhöhter tem Radius (Grundkreis) und dem Hubbereich
Motorwirkungsgrad) kann durch die verbesserten (An- und Ablauframpe, Nockenflanke und Nocken-
tribologischen Eigenschaften auch der Verschleiß spitze). Die Differenz zwischen Grundkreis und
reduziert werden. Im Rollkontakt ist die ertrag- Nockenspitze ist der Nockenhub, der proportional
bare Flächenpressung zwischen Nocken und Nocken- dem gewünschten kinematischen Ventilhub gewählt
folger deutlich höher als im Gleitkontakt, wobei ist.
durch den Übergang von Gleit- auf Rollkontakt die Bei Systemen mit mechanischer Spieleinstellung
auftretende Hertzsche Pressung steigt (Krümmungs- haben Grundkreisfehler (Abweichungen des Grund-
radien). kreises vom Konstantradius) keinen Einfluss auf das
Bei der Auslegung eines Rollkontaktes müssen Betriebsverhalten. Ein System mit hydraulischem
Werkstoffe mit der erforderlichen Wälzermüdungs- Spielausgleich hingegen reagiert auf jede Änderung
festigkeit gewählt werden; als Standard wird gehärte- des Grundkreises. Bei einem Fehler entgegen der
ter Stahl (zum Beispiel Wälzlagerstahl) verwendet. Bewegungsrichtung gleicht das hydraulische Ventil-
Als Varianten bei der Nockenwellenlagerung werden spielausgleichselement (HVA) diesen Fehler als Ven-
„offene Lagerung“ und „Tunnellagerung“ unter- tilspiel aus; in diesem Fall vergrößert sich der Ventil-
schieden. Die Nockenwellenlager befinden sich bei hub. Liegt ein Grundkreisfehler in Erhebungsrichtung
der offenen Lagerung direkt am Nockenwellenschaft; vor, wird das Ventil durch den damit verbundenen
die Lager für die Abstützung der Nockenwelle müs- Kraftanstieg bereits im Grundkreisbereich geöffnet.
7.16 Nockenwelle 249

Impulsgeberring
(Phasenlage der
Nockenwellenlager
Nockenwelle)
(Ölversorgung durch
Nockenwelle)

Axiallager
(zwischen Nocken)

Einspritzpumpen-
nocken
Abtriebselement
(z.B. Vakuum-
pumpe)

Ventilnocken
Nockenwellenrohr
mit Teilschnitt (rot)

Nockenspitze
Sechskant (Service Nockenhub
und Montage)
Nockenflanke
Antriebsflansch Grundkreis Bild 7-260 Aufbau einer
(z.B. Nockenwellenversteller)
Nockenwelle mit Teil-
schnitt (rot)

Durch dieses sogenannte Aufpumpen kann es in werden. Bild 7-261 zeigt einen Überblick über die
ausgeprägten Fällen zum vollständigen Verlust der verwendeten Technologien und Werkstoffe.
Kompression im Brennraum, zum Durchbrennen von Zunehmend Verbreitung finden gebaute Nockenwel-
Ventilen beziehungsweise Ventilsitzringen und damit len. Diese bestehen aus gefügten Einzelteilen (Rohr,
zum Motorausfall kommen. Nocken, Antriebsflansch etc.). Die Werkstoffe kön-
nen daher den jeweiligen Anforderungen angepasst
7.16.4 Technologien und Werkstoffe werden. Für höchste Beanspruchungen werden aus
Stahl geschmiedete Nockenwellen beziehungsweise
Nockenwellen aus Gusseisen sind sehr weit verbreitet aus dem Vollen bearbeitete Nockenwellen (Stangen-
und können über Gefüge und Härte unterschieden material) verwendet.

Technologie Nockenwerkstoffe In Serie für:

Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS)


Pkw
Induktiv gehärtet
Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL)
Pkw
Umschmelzgehärtet (WIG)
Gussnockenwelle
Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS)
Pkw / Lkw
Schalenhartguss
Gusseisen mit Lamellengraphit (GJL)
Pkw / Lkw
Schalenhartguss

Stahl Pkw / Lkw

Sinterwerkstoffe Pkw
Gebaute Nockenwelle
Sinterwerkstoffe (Präzisionsnocken) Pkw

Guss in Entwicklung

Geschmiedete Nockenwelle Stahl Pkw / Lkw


Bild 7-261 Technologien
Stangenmaterial bearbeitet Stahl Lkw
und Werkstoffe bei Nocken-
wellen
250 7 Motorkomponenten

Nockenwelle: Querschnitt

Nockenwelle: „grau“ erstarrter Bereich

180° Einstrahlung 360°


Struktur mit „gerichteten“ Karbiden Lamellengraphit

Kugelgraphit

Nockenwelle: Längsschnitt

ungeätzt geätzt

Bild 7-262 Schalenhart-


gussnockenwellen im
Schnitt

7.16.4.1 Gussnockenwelle Nockenhub (innerer Nocken). In Kombination mit


einer Schalttasse wird eine Ventilhubumschaltung
Für Gleitkontakt und niedrig belasteten Rollkontakt
und somit ein variabler Ventiltrieb dargestellt.
bietet eine Nockenwelle aus Gusseisen mit Kugel-
graphit (GJS) oder Lamellengraphit (GJL) den idea-
7.16.4.2 Gebaute Nockenwelle
len tribologischen Partner für viele Anwendungen.
Durch Legierungen und gezieltes Härten der Nocken Als Basis für eine gebaute Nockenwelle dient ein
können dabei ertragbare Pressungen bis deutlich über Rohr, mit dem einzelne Nocken durch thermischen
1000 MPa erreicht werden. Schrumpfsitz, kraft- und reibschlüssiges Verpressen,
Beim Schalenhartguss (SHG) wird im Bereich der Innenhochdruckumformung oder ein vergleichbares
Nocken durch schnelles Abkühlen beim Gießvorgang Fügeverfahren verbunden sind. Grundsätzlich kann
eine verschleißfeste Karbidstruktur (Ledeburit) mit dabei zwischen Nockenwellen unterschieden werden,
hoher Härte und guter tribologischer Verträglichkeit bei denen das Rohr und alle Fügeteile bereits beim
erzeugt. Im Kernbereich und an den Lagerstellen der Fügevorgang als Fertigteile vorliegen und keine
Nockenwelle ist eine Graugussstruktur mit guter weitere Bearbeitung benötigen, und Verfahren, bei
Bearbeitbarkeit vorhanden, Bild 7-262. Eine Sonder- denen die Nockenwelle nach dem Fügevorgang ganz
bauform der Gussnockenwelle stellt die sogenannte oder teilweise als Rohteil vorliegt und wie herkömm-
TriLobe-Nockenwelle der Ventilsteuerung VarioCam liche (nicht gebaute) Nockenwellen geschliffen wer-
Plus dar. Bild 7-263 zeigt den Aufbau der Nocken den müssen.
mit großen Nockenhub (äußere Nocken) und kleinem Der Vorteil solcher gebauter Nockenwellen ist neben
der Gewichtsersparnis auch die Designfreiheit für die
einzelnen Nockenwellenbauteile als auch die Freiheit
in der Materialauswahl. So kann der Werkstoff für
Nocken, Rohr, Lager, An- und Abtriebselemente un-
abhängig voneinander und für den jeweilige Einsatz
hinsichtlich Kosten, Eigenschaften und Fertigungs-
technologie optimal gewählt werden.
Als Werkstoff für die Nocken wird Stahl oder Sin-
termaterial (P/M-Stahl) verwendet, Gussnocken be-
finden sich in der Entwicklung.
Stahlnocken werden meist als Rohteil geschmiedet,
anschließend wird die Innenbohrung bearbeitet und
der Nocken auf das Rohr gefügt. Zum Erreichen der
notwendigen Materialeigenschaften kann der Nocken
Bild 7-263 TriLobe – Nockenwelle für Hubumschal- vor oder nach dem Fügen gehärtet und angelassen
tung werden.
7.16 Nockenwelle 251

Bild 7-264 Nocken-


werkstoffe für gebaute
Nockenwellen

Beim Sintermaterial für Rollkontakt kann durch die


Möglichkeit, die Nockengeometrie exakter als die
geforderten Fertigungstoleranzen zu sintern, nach
dem Bearbeiten der Innenbohrung und dem Fügen
auf ein Rohr mit Fertiggeometrie eine Nockenwelle
erzeugt werden, die nicht mehr nachbearbeitet wer-
den muss.
Bild 7-264 zeigt einige Beispiele für Nockenwerk-
stoffe für gebaute Nockenwellen.
Für die Anwendung von Sintermaterial für Gleitab-
griff wird ein hochlegierter, flüssigphasengesinterter
P/M-Stahl entwickelt. In Entwicklung befinden sich
gebaute Nockenwellen mit Schalenhartgussnocken.
Damit können die Vorteile des Gussmaterials im
Gleitkontakt zum Nockenfolger mit den Vorteilen der Bild 7-265 Segmentnockenwelle für Stationärmotor:
gebauten Nockenwellen, wie zum Beispiel geringes je Zylinder ein austauschbares Nocken-/Lagerelement
Gewicht, kombiniert werden. Die Schalenhartgussno-
cken können im Einzelguss oder als Stangenmaterial Nockenwellen für höchste Beanspruchungen verwen-
hergestellt werden. Nachdem die Nocken in der det werden, sofern die tribologischen Partner abge-
Bohrung bearbeitet sind, erfolgt das Fügen analog zu stimmt sind.
Stahl oder Sinternocken.
7.16.4.4Sonderformen von Nockenwellen
7.16.4.3 Stahlnockenwelle Um den vielschichtigen Anforderungen moderner
Verbrennungsmotoren an die Ventilsteuerung gerecht
Für fast alle Anwendungen mit Rollkontakt in Nfz-, zu werden, kann die gebaute Nockenwelle einen
Stationär- und einigen Pkw-Motoren werden ge- entscheidenden Beitrag leisten. Zu den bekannten
schmiedete Stahlnockenwellen oder Stahlnocken- Vorteilen gegenüber Gussnockenwellen (Gewichtser-
wellen, die aus Vollmaterial bearbeitet sind, verwen- sparnis, Materialwahl) kommt die Integration von
det (Bild 7-265). Vor allem wenn Nockenwellen über Zusatzfunktionen sowie die Optimierung der Nocken-
zusätzliche Nocken zur Betätigung von Einspritz- welle hinsichtlich der Einsatzbedingungen hinzu.
pumpen (PD/PLD) hohe Kräfte aufnehmen oder Zur Reduktion der Ventiltriebsreibung und des Ver-
lange Lebensdauerzeiten sicherstellen müssen (Sta- schleiß bei Mangelschmierung oder stetig steigenden
tionär- oder Marineanwedungen), kommen Stahl- Belastungen können Nockenwellen mit beschichte-
nockenwellen zum Einsatz. Bei hohen Anforderungen ten Funktionsflächen eingesetzt werden. Hierzu kom-
an die Torsions- beziehungsweise Zugfestigkeit müs- men insbesondere Beschichtungen in Frage, wie diese
sen auch bei Gleitkontakt Stahlwellen eingesetzt wer- bereits für Nockenfolger zum Einsatz kommen. Aus-
den. Durch die hohe ertragbare Pressung sowie die führungen solcher Nockenwellen sind derzeit in der
mechanischen Materialeigenschaften können diese Entwicklung.
252 7 Motorkomponenten

Die wälzgelagerte Nockenwelle (Low Friction Cam- Die Verwendung variabler Nockenwellen wirkt
shaft (LFC); siehe Bild 7-266) ermöglicht bei mini- sich positiv auf Verbrauch, Emissionen und Dreh-
malen Änderungen eine Reduktion der Verluste im momentcharakteristik aus, weil nicht der Kompro-
Verbrennungsmotor durch Einsatz von Wälzlagern miss zwischen hohem Drehmoment im unteren und
anstelle der üblichen Gleitlagern. Durch die auf die mittleren Drehzahlbereich und der geforderten Mo-
Nockenwelle verbauten, geschlossenen Wälzlager tornennleistung erfolgen muss. Durch die teil- oder
kann die Lagerreibung halbiert und eine Druckölver- vollvariable Ventilsteuerung mittels Funktionsinte-
sorgung der Lagerstellen, wie sie für Gleitlagerstellen gration in der Nockenwelle kann die Steuerzeit und/
erforderlich ist, entfallen. Die Schmierung der Wälz- oder die Ventilhubfunktion entsprechend des jeweili-
lager erfolgt durch Ölnebel im Zylinderkopf. Eine gen Motorbetriebspunktes im Kennfeld gewählt
direkte Integration der LFC in den vereinfachten werden.
Zylinderkopf(-haube) ist möglich. Die Integration der Funktion von zwei Nockenwellen
Bei der Nockenwelle mit integrierter Ölnebelab- im Bauraum von einer Nockenwelle ist durch die
scheidung wird das Blow-by-Gas durch die Nocken- MAHLE CamInCam® (siehe Bild 7-268) umgesetzt.
welle geleitet, in der ein Drallerzeuger mitrotiert, Diese Nockenwelle besteht aus einer äußeren No-
Bild 7-267. Durch die Zentrifugalkraft werden die ckenwelle, auf welcher einerseits Nocken wie bei
schweren Ölanteile im Blow-by-Gas nach außen getra- einer herkömmlichen Nockenwelle fest mit dem
gen und bilden innen am Nockenwellenrohr einen Nockenwellenrohr über einen thermischen Schrumpf-
Wandfilm. Dieser wird am – zur Nockenwellen- sitz verbunden sind. Die anderen Nocken sind dreh-
antriebseite abgewandten – Nockenwellenende vom bar auf dem Nockenwellenrohr aufgebracht und sind
gereinigten Blow-by-Gas getrennt. Dieses aktive Ab- mittels einer Stiftverbindung mit der zweiten, innen-
scheidesystem zeichnet sich im Vergleich zu kon- liegenden Welle verbunden. Mit Hilfe eines einfa-
ventionellen, separat verbauten Abscheidesystemen chen, eines doppeltwirkenden oder zwei Nockenwel-
durch erhöhte Ölabscheideraten, die Einfriersicher- lenverstellern lassen sich die beiden Wellen und
heit und eine deutlich vereinfachte Zylinderkopf- somit benachbarte Nockenpaare unabhängig vonein-
haube mit verringerter Bauhöhe aus. ander in deren Winkelposition verstellen (zum Bei-
spiel die Einlass- und Auslasssteuerzeit der zugehö-
rigen Ventilerhebungen). Im Vergleich zu Motoren
mit zwei Nockenwellen (DOHC) lassen sich bei Mo-
toren mit bauartbedingt einer Nockenwelle (SOHC,
OHV) weiteres Gewicht und Bauraum einsparen. Der
freie Bauraum kann zur Verbesserung von Aero-
dynamik und passiven Fußgängerschutz genutzt
werden.
Mit einer CamInCam® kann bei Motoren mit bauart-
bedingt zwei Nockenwellen durch eine relative Ein-
lass- und/oder Auslassverstellung die Öffnungsdauer
der Ventile hinsichtlich optimaler Gaswechselarbeit
auf den vorliegenden Betriebszyklus (Miller/Atkin-
son-Cycle) stufenlos optimiert werden.
Bild 7-266 Wälzgelagerte Nockenwelle

Gereinigtes Blow-by
Blow

Tauchrohr-
Separator

Drallerzeuger

Einlass Blow-by
Bl ow-By

Dichtring

Erzeugen eines Ölrücklauf


Ölfilms

Bild 7-267 Nockenwelle


Spritzschutz mit integriertem
Ölnebelabscheider
7.16 Nockenwelle 253

Richtung verschiebbaren – Nockensegmente, welche


ebenfalls innen eine Längsverzahnung aufweisen. Die
Verzahnung der Welle und der Nockensegmente
greifen ineinander ein und übertragen das über die
Steuerkette von der Kurbelwelle eingeleitete Dreh-
moment über die unterschiedlichen Nockenkonturen
der Nockensegmente auf den Nockenfolger.
Eine weitere Sonderform von Nockenwellen ist
eine aus Kunststoff gespritzte Nockenwelle (siehe Bild
7-271), wie sie in tragbaren Motorgeräten (zum Bei-
spiel Fadenmäher, Laubgebläse, portable Hochdruck-
reiniger) zum Einsatz kommt. Insbesondere die im
Vergleich zu Pkw-, Nfz- oder Motorradmotoren deut-
lich geringeren mechanischen und thermischen Belas-
tungen sowie moderaten Anforderungen an die Le-
Bild 7-268 MAHLE CamInCam® bensdauer bei gleichzeitig geringem Gewicht ermögli-
chen den Einsatz von Kunststoffen, wie diese sonst bei
Kettenspannsystemen verwendet werden.

Bild 7-270 Explosionsdarstellung einer Audi Valve-


lift System-Nockenwelle [10]

Bild 7-269 Vollvariabler Ventiltrieb VLD

Durch die Verwendung eines Zwischenhebels in Ver-


bindung mit einer modifizierten CamInCam® kann ein
mechanisch vollvariabler Ventiltrieb zur drosselfreien
Laststeuerung dargestellt werden (Variable Lift and
Duration (VLD); siehe Bild 7-269). Hierbei werden auf
das Nockenwellenrohr besonders geformte Nocken
aufgebracht, die jeweils nur das Öffnen oder Schließen
der Ventile bewirken. Der generelle Aufbau der No-
ckenwelle in diesem vollvariablen Ventiltriebsystem
gleicht dem der CamInCam®.
Die Integration einer Hubumschaltung in die Nocken-
welle ist in dem teilvariablen Ventiltriebsystem AVS
(Audi Valvelift System) (siehe Bild 7-270) umgesetzt.
Die Nockenwelle besteht aus einer Grundwelle mit
aufgewalzter Evolentenverzahnung und federbelasteten Bild 7-271 Kunststoffnockenwelle für tragbare Mo-
Verriegelungen für die – auf der Welle in axialer torgeräte
254 7 Motorkomponenten

7.16.4.5 Werkstoffeigenschaften Zusammenfassung der Serientrends in Bild 7-258


und empfohlene Paarungen aufgezeigt. Ausgehend von den einfachsten Grau-
Bild 7-272 zeigt für verschiedene Gusswerkstoffe gussnockenwellen mit Gussstößel als Nockenfolger
exemplarisch die Streubereiche für Torsions- und für den Gleitabgriff kann mit den dargestellten Werk-
Zugfestigkeit. Verschiedene mögliche Paarungen für stoffpaarungen der gesamte Bereich bis zum höchst-
Roll- und Gleitkontakt und die dabei ertragbaren belasteten Rollabgriff mit Nocken und Rollen aus
Hertzschen Pressungen sind in Bild 7-273 und in der Wälzlagerstahl (100Cr6) abgedeckt werden.

Bild 7-272 Festigkeitswerte verschiedener Gusswerkstoffe

Bild 7-273 Werkstoffpaarungen und Hertzsche Pressungen


7.16 Nockenwelle 255

7.16.5 Massereduktion 7.16.6 Einflussfaktoren für


Ähnlich wie beim Gesamtfahrzeug oder dem gesam-
Nockenwellenbelastung
ten Ventiltrieb unterliegt auch das Einzelbauteil No- Die Ventiltriebskinematik bestimmt hauptsächlich die
ckenwelle der Notwendigkeit der Massereduktion. Belastung für die Nockenwelle. Dabei sind besonders
Einerseits soll die statische Masse des Motors mini-
die geometrischen Randbedingungen entscheidend
miert werden, andererseits hat die bewegte Masse
wie zum Beispiel Übersetzungsverhältnis oder No-
(rotatorisch) einen hohen Einfluss auf die Dynamik
ckenprofil (zum Beispiel hohe Beschleunigungen).
des Gesamtsystems.
Zusätzlich wird die Nockenwelle durch die bewegten
Gleichzeitig muss immer ein Kompromiss zwischen
Ventiltriebsmassen und die Summenkraft aus Ventil-
technischer Machbarkeit (Mindestwandstärke etc.),
feder und Abgasgegendruck belastet. Durch ein integ-
Kosten (Material, Bearbeitungsschritte etc.) und
riertes Motorbremssystem kann die Nockenwelle
Funktion (Nockenbreite, Grundkreisdurchmesser,
Torsionssteifigkeit etc.) gefunden werden. weiter und meist in erheblichem Maße (fünf- bis
Eine Möglichkeit ist Hohlbohren oder zylindrisches zehnfache Ladungswechselkräfte) belastet werden.
Hohlgießen von Nockenwellen mit bis zu 20 % Ge- Bild 7-275 zeigt einige Einflussfaktoren für die Be-
wichtseinsparung. Beim Hohlgießen mit gestufter lastung einer Nockenwelle.
Innenkontur (profilhohl) kann die Masse noch weiter Die so entstehenden Kontaktkräfte zwischen Nocken
reduziert werden. und Nockenwelle bewirken ein Dreh- und Biege-
Bild 7-274 zeigt einige Beispiele für Massenreduk- moment an der Nockenwelle, die in Summe mit
tion im Vergleich zu Nockenwellen aus Vollmaterial dem Antriebsmoment für Hilfs- und Nebenaggregate
sowie Beispiele für zylindrisch- und profilhohle die gesamte Torsions- und Biegebelastung der No-
Nockenwellen. ckenwelle ergeben.
Die gebaute Nockenwelle bietet zurzeit das größte Neben den Kontaktkräften und den resultierenden
Potenzial zur Massereduktion. Die Wandstärke des Momenten bestimmen auch die geometrischen Ober-
Stahlrohrs kann weiter reduziert werden als die flächen und die Elastizitätsmodule die auftretenden
Wandstärke beim Gießvorgang. Durch Integration Hertzschen Pressungen und Verformungen. Zu den
der Nockenwellenlager in den Nockenwellenschaft geometrischen Oberflächen der Nocken und der No-
(Rohrdurchmesser = Lagerdurchmesser) kann zusätz- ckenfolger gehören der Formverlauf in Bewegungs-
lich Masse eingespart werden. Ein wichtiges Ausle- ebene, die Kontaktfläche (Punkt-, Linien- oder Flä-
gekriterium bei derartigen Wellen ist die Fügeverbin- chenkontakt), die Kontaktbreite und die Balligkeit
dung zwischen Nocken und Rohr mit ihrem Einfluss über die Kontaktbreite.
auf das übertragbare Moment.

Bild 7-274 Massereduktion bei Nockenwellen


256 7 Motorkomponenten

Motorbremsbetrieb (Lkw- Motoren)


(z.B. „Jake“ - Brake)

Ventilfederkräfte
(Abgasgegendruck)

Massenkräfte
(bewegte Bauteile):
Ventil
Federteller+Befestigungskeile
Ventilbrücke
Kipphebel
Stoßstange
Nockenfolger Kontaktkraft zwischen
Nocken - Nockenfolger
(Drehmoment am Nocken)
Zylinderdruck bei Torsions - und Biegebelastung
„ Auslass öffnet“ der Nockenwelle
„Scharfe“ Nockenprofile
(hohe Beschleunigungen)
Nockenwellenantrieb;
Antriebsmoment für
Hilfs- und Nebenaggregate

Bild 7-275 Einflussfaktoren für die Nockenwellenbelastung

7.16.7 Auslegung von Nockenprofilen Wird in der Auslegung ein mechanischer Spielaus-
gleich gewählt, ist vor dem Öffnen des Ventils Spiel
Hohes Motordrehmoment im unteren und mittleren im Gesamtsystem zwischen Nocken und Ventil
Drehzahlbereich und eine gleichzeitig hohe Motor- vorhanden, um auftretende thermische Ausdehnungen
nennleistung stellen widersprüchliche Anforderungen und mechanische Setzungserscheinungen während
an den Ventilhubverlauf. Bei Ventiltrieben mit festen des Betriebs auszugleichen. Dieses Spiel bewirkt
Steuerzeiten stellt der Ventilhubverlauf einen Kom- einen unstetigen Hubbeginn und damit immer eine
promiss für die optimale Füllung über den gesamten Stoßbelastung. Beim Schließvorgang ergibt sich
Motorkennfeldbereich dar. ebenfalls ein Stoß, da das Ventil im Ventilsitz landet,
Dieser Zielkonflikt kann durch teil- oder vollvariable bevor der Nockenhub beendet ist. Um die Aufsetz-
Ventilsteuerungen partiell oder ganz gelöst werden, geschwindigkeiten und Stoßbeschleunigungen der
in dem für die jeweiligen Motorbetriebspunkte im beteiligten Ventiltriebsteile zu beschränken, müssen
Kennfeldbereich entsprechend unterschiedliche, entsprechende Öffnungs- und Schließrampen vorge-
angepasste Ventilhubverläufe dargestellt werden sehen werden. Abhängig von Verschleiß und Tempe-
können. ratur ergibt sich bei Systemen mit mechanischem
Der aus den thermodynamischen Berechnungen des Ventilspielausgleich unterschiedlicher Ventilhub und
Motorenherstellers geforderte Ventilhubverlauf sowie auch unterschiedliche Ventilüberschneidung (Bereich
die geometrischen Randbedingungen wie Ventil- in dem Auslass- und Einlassventile gleichzeitig
durchmesser, Ventilhub und Ventilfreigang zum Kol- geöffnet sind). Bei Ventilsteuerungen mit hydrau-
ben im oberen Totpunkt einerseits und die funktions- lischem Spielausgleich (HVA) ist dieses Spiel nicht
und fertigungstechnischen Forderungen wie zum vorhanden und somit können diese Rampen kleiner
Beispiel Beispiel ruckfreie Übergänge im gesamten ausgeführt werden, Bild 7-276, Ventilhub und
Ventilhubbereich oder die thermische Beanspruchung -überschneidung mit HVA sind näherungsweise
des Auslassventils beim Öffnen andererseits sind die konstant.
wichtigsten Parameter. Ein wichtiges Kriterium der Auslegung ist die
Dieser geforderte beziehungsweise angestrebte Ven- Hertzsche Pressung. Diese Kenngröße beschreibt
tilhubverlauf wird je nach Ventiltriebsbauart und die Druckbelastung der Kontaktpartner. Mit der
Kinematik in ein dem Nockenfolger angepasstes maximal ertragbaren Hertzschen Pressung lässt sich
Nockenprofil umgerechnet. eine Vorauswahl der möglichen Werkstoffe für
7.16 Nockenwelle 257

Nocken und Nockenfolger treffen. Die Dynamikrech- bearbeitung mehr bedarf, kann im Prinzip jeder Hohl-
nung zeigt im Vergleich mit der kinematischen Ba- radius realisiert werden.
sisauslegung meist realistischere Werte für die Lage Beim Einsatz einer gebauten Nockenwelle ist, je nach
und Größe der maximalen Pressungen, Bild 7-276. System, das zu übertragende beziehungsweise das
Beim Einsatz einer Rolle als Nockenfolger (Rollen- übertragbare Moment als entscheidende Größe zu
stößel, Rollenhebel, Rollenschlepphebel) ergeben betrachten. Bei der Auslegung ist darauf zu achten,
sich häufig Hohlradien in den Nockenflanken, um dass die maximalen dynamisch auftretenden Mo-
den geforderten Ventilhubverlauf hinsichtlich Ventil- mente auch mit der notwendigen Sicherheit übertra-
hubhöhe, Ventilöffnungsdauer und Ventilbeschleuni- gen werden müssen.
gung darstellen zu können. Die errechneten Hohlra-
dien der Nocken müssen immer größer dem Abgriff- 7.16.8 Kinematikrechnung
radius des Nockenfolgers sein, um einen stetigen
Ventilhubverlauf zu gewährleisten. Hier müssen be- Bei der kinematischen (quasistatischen) Berechnung
züglich der Schleifbearbeitung fertigungstechnische werden die bewegten Massen des Einzelventiltriebs
Grenzen beachtet werden, das heißt unter Umständen auf eine Einzelmasse und eine Feder (Ventilfeder)
ist es notwendig, Abweichungen von der geforderten reduziert. Dieser Einzelmasse wird eine Sollbe-
Ventilhubkurve zu akzeptieren. Bei Verwendung von wegung (entsprechend dem Ventilhubverlauf) vor-
Sinternocken, deren Außenkontur keiner Schleif- gegeben (aufgeprägt). Damit werden Massen- und Fe-

Bild 7-276 Ventilhub, -ge-


schwindigkeit und -beschleu-
nigung über dem Nockenwin-
kel für einen Rollenhebel-
Ventiltrieb mit HVA

Bild 7-277 Theoretischer


Ventilhub und Hertzsche
Pressung (kinematisch und
dynamisch) für einen Rollen-
hebel-Ventiltrieb mit HVA
258 7 Motorkomponenten

derkräfte berücksichtigt; zusätzliche äußere Kräfte und Dämpferelemente, die den Steifigkeiten der
wie beispielsweise Gaskräfte beim Öffnen des Aus- Bauteile und deren Dämpfungseigenschaften entspre-
lassventils können berücksichtigt werden. chen, miteinander gekoppelt werden. Neben der
Die wichtigsten Resultate der kinematischen Berech- Einbindung von hydraulischen Teilsystemen (HVA)
nung sind hydrodynamisch wirksame Geschwindig- in die Simulation ist es auch möglich, Ergebnisse der
keit bei Gleitabgriff beziehungsweise Rollendrehzahl FEM-Rechnung, zum Beispiel kraft- oder wegabhän-
bei Rollenabgriff, Kontaktkräfte beziehungsweise gige Steifigkeiten von Bauteilen in die Rechnung
Hertzsche Pressungen zwischen Nocken und Nocken- einzubinden. Der Detaillierungsgrad der Dynamik-
folger sowie Lagerbelastungen der Ventiltriebsteile, rechnung ist praktisch beliebig und lediglich durch
Belastung und Relativbewegung des Abtriebsgliedes das Verhältnis Nutzen zu Aufwand beschränkt.
auf dem Ventilschaftende beziehungsweise einer Mit all diesen Elementen und Randbedingungen
Ventilbrücke (zum Beispiel „Ventilfingerradius“, entsteht ein schwingungsfähiges Modell, das neben
„Elefantenfuß“, ...). der Steifigkeit insbesondere auch Eigenfrequenzen
Die hydrodynamisch wirksame Geschwindigkeit des betrachteten Systems abbildet. Als Ergebnisse
(Summengeschwindigkeit, Schmierzahl) ist ein Maß werden die Bewegung der einzelnen Komponenten
für die Tragfähigkeit des Schmierfilms zwischen den sowie die auf sie wirkenden Kräfte und Pressungen
Kontaktpartnern, Bild 7-278. Beim Gleitabgriff treten ausgegeben.
üblicherweise während einer Nockenumdrehung zwei In Bild 7-279 ist zu erkennen, dass die Kraft zwi-
„Nulldurchgänge“ (Vorzeichenwechsel) dieser Kurve schen Nocken und Rolle durch die der Sollbewegung
auf. Da in diesem kurzen Moment die Tragfähigkeit überlagerten Schwingungen deutlich vom kine-
des Schmierfilms zusammenbricht, können hier durch matisch ermittelten Verlauf abweicht. Besonders
entsprechende Gestaltung Verschleißrisiken verrin- in Ventiltrieben mit hydraulischem Spielausgleich
gert werden. kann ein Kontaktkraftverlust zu gravierenden Pro-
Bei Rollenabgriff mit Wälzlagerung (zum Beispiel blemen (Aufpumpen des HVA mit der Folge Ver
Nadellager bei einem Rollenschlepphebel) kann eine schleiß oder Ausfall von Ventiltriebsbauteilen) füh-
Lebensdauerbetrachtung (mit Berücksichtigung un- ren. Eine dynamische Analyse des Ventiltriebs kann
terschiedlicher Lastkollektive) durchgeführt werden. bereits in der Auslegungsphase (lange bevor Teile für
Messung und Motorbetrieb angefertigt werden)
7.16.9 Dynamikrechnung kritische Komponenten oder Zustände detektieren
und dadurch den Entwicklungsprozess deutlich ver-
Die Dynamikrechnung liefert ein wesentlich genaue- kürzen.
res Abbild des realen Systemverhaltens als das relativ
einfache Kinematikmodell. Dementsprechend ist
7.16.10 Nockenwellenverstellsysteme
auch der Modellierungsaufwand höher. Das Werk-
zeug für die Dynamikrechnung ist die Mehrkör- Zur Einhaltung zukünftiger Abgasvorschriften und zur
persimulation. Allen Programmen ist gemeinsam, Absenkung des Verbrauchs werden bei Ottomotoren
dass die zu betrachtenden mechanischen Systeme in zunehmend Elemente zur Veränderung der Ventilsteu-
Einzelmassen zerlegt werden, und diese über Feder- erzeiten eingesetzt. Ein solches ist der Nockenwellen-

Bild 7-278 Nockenkontur,


theoretischer Ventilhub und
hydrodynamisch wirksame
Geschwindigkeit über dem
Nockenwinkel für Nocken/
Flachstößel-Kontakt
7.16 Nockenwelle 259

Bild 7-279 Theoretischer


Ventilhub, kinematische
und dynamische Kontakt-
kraft über dem Nocken-
winkel für einen Hebel-
Ventiltrieb mit HVA

versteller, der eine kontinuierliche Veränderung der richtung entsprechende Ölkammer des Nockenwel-
Steuerzeiten einer Nockenwelle in einem weiten Win- lenverstellers, während Öl aus der jeweils anderen
kelbereich zulässt. Damit ist bei DOHC-Motoren eine Kammer ablaufen kann. Entsprechend der Befüllung
Veränderung der Ventilüberschneidung möglich und der Ölkammern des Verstellers ändert sich die Win-
damit eine Einstellung des Restgasgehaltes im Brenn- kellage der Nockenwelle zur Kurbelwelle. Sensoren
raum. Weiterhin können, vor allem im Leerlauf und in lesen die Geberräder an Nockenwelle und Kurbelwel-
der Volllast, die Steuerzeiten auf besten Komfort le ab; aus diesen Signalen wird wiederum der Istwin-
beziehungsweise höchstes Drehmoment und höchste kel ermittelt. Dieser Regelvorgang läuft ständig mit
Leistung abgestimmt werden. Nockenwellenverstel- hoher Frequenz ab und führt so zu einem guten Fol-
lungen werden seit Mitte der 1980er Jahre in Fahrzeu- geverhalten bei Sollwinkelsprüngen und einer hohen
gen eingesetzt, zunächst als einfach gesteuerte 2-Punkt- Winkelgenauigkeit beim Halten des Sollwinkels. Das
Verstellungen, heute aber zunehmend als kontinuier- System wird in der Regel mit Motoröldruck be-
lich einstellbare Systeme, betrieben im Regelkreis. trieben; für Sportmotoren sind auch Systeme mit
Bei DOHC-Motoren werden Nockenwellenversteller Hochdruckversorgung bekannt.
meist auf der Einlasswelle eingesetzt; typische Ver- Folgende Komponenten werden zur Darstellung einer
stellwinkel liegen bei 40 bis 60 qKW. Es sind jedoch Nockenwellenverstellung benötigt:
auch Auslassverstellungen vorzugsweise bei aufgela- x Die hydraulische Verstelleinheit, befestigt auf
denen Motoren in Serie sowie die Kombination bei- der Antriebsseite der Nockenwelle. In diesem
der Freiheitsgrade bei höchsten Anforderungen hin- Bauteil wird der Verstellwinkel durch wechsel-
sichtlich Leistung und Abgasqualität. weise Befüllung zweier Ölkammern eingestellt.
Teilweise werden bei DOHC-Motoren Nockenwel- Geringe Leckage und ausreichende Kolbenflächen
lenversteller eingesetzt zur Entdrosselung, das heißt stellen eine hohe Laststeifigkeit sicher. Die Ver-
Verbrauchsabsenkung durch spätes Schließen der stelleinheit ist in verschiedenen Bauformen – mit
Einlassventile. Bei diesem Konzept ist jedoch weder Linearkolben und Schrägverzahnung oder mit
eine Leistungssteigerung noch eine Komfortverbesse- Rotationskolben – ausgeführt.
rung im Leerlauf darstellbar, da die Ventilüber- x Das Steuerventil, eingebaut in den Zylinderkopf
schneidung nicht verändert wird. oder in ein Anbauteil, sollte nahe am Ölübertritt
Die kontinuierliche Nockenwellenverstellung wird in zur Nockenwelle liegen. Das Ventil ist elektrisch
einem geschlossenen Regelkreis betrieben und ist angesteuert, meist mit einem pulsweitenmodulier-
heute durchweg hydraulisch betätigt. ten Signal und steuert den Zu- und Ablauf des Öls
In der Motorsteuerung wird je nach Last und Dreh- in die Kammern des Verstellers. Hoher Durchfluss
zahl aus einem Kennfeld der geforderte Sollwinkel bei Verstellung und präzise Regelbarkeit zur
der Steuerzeiteinstellung ausgelesen. Dieser wird mit Fixierung des Winkels sind die wichtigsten Merk-
dem gemessenen Istwinkel verglichen. Abweichun- male des Ventils.
gen von Soll- zu Istwinkel werden von einem Regel- x Der Regelkreis zur kontinuierlichen Einstellung
algorithmus ausgewertet und führen zu einer Verän- besteht aus einer entsprechenden Software und ei-
derung des Stromes zum Steuerventil. Damit steuert ner Treiberendstufe in der Motorsteuerung sowie
das Ventil Öl in die jeweils der gewünschten Verstell- Geberrädern und Sensoren an Kurbelwelle und
260 7 Motorkomponenten

Nockenwellenversteller Schema der Nockenwellenverstellung Nockenwellenpositions-


sensor
Triggerrad

Steuerventil Kurbelwellen-
sensor
Triggerrad

Motorsteuerung
Kammer verbunden mit Motoröldruck
EMS
0
Kammer entlastet / Ölrücklauf 10

20
30
40

Bild 7-280 Kontinuierliche


Nockenwellenverstellung

Nockenwelle. Hier können die im Motor bereits führung mit Schrägverzahnung; sie besteht nur noch
vorhandenen Bauteile genutzt werden, wobei das aus den Bauteilen Antriebsrad und Abtriebsnabe – die
Geberrad der Nockenwelle zu modifizieren ist. Übertragung des Drehmomentes im Betrieb erfolgt
Das Gesamtsystem der kontinuierlichen Nockenwel- durch die Ölfüllung der Kammern. Nur während des
lenverstellung sowie die beschriebenen Komponenten Motorstarts sorgt zumeist ein Verriegelungselement
sind in Bild 7-280 dargestellt. für eine feste mechanische Verbindung von Antrieb
Zwei Bauformen der hydraulischen Verstelleinheit ha- und Abtrieb. Nach Befüllung des Nockenwellenver-
ben sich durchgesetzt. Im Folgenden wird kurz auf stellers mit Öl wird das Verriegelungselement hyd-
deren prinzipiellen Aufbau eingegangen. Der Nocken- raulisch entsperrt. Die verriegelte Endlage ist dabei in
wellenversteller mit Schrägverzahnung besteht aus der Regel für eine Verstellung der Einlassnocken-
den Hauptfunktionsteilen Antriebsrad (verbunden zur welle die „späte“ Steuerzeit, für eine Verstellung der
KW), Verstellkolben und Abtriebsnabe (verschraubt Auslassnockenwelle die „frühe“ Steuerzeit der No-
mit der NW). Diese Bauteile sind paarweise mitein- ckenwelle.
ander über geschrägte Steckverzahnungen verbunden, Das Steuerventil besteht aus einem hydraulischen
sodass eine axiale Verschiebung des Verstellkolbens Teil und einem Elektromagneten. Der hydraulische
eine Verdrehung der Antriebsnabe zum Antriebsrad Schieber sitzt in einer Bohrung mit Anschlüssen für
bewirkt. Die Übertragung des Drehmoments über Ölversorgung, Arbeitskammern des Nockenwellen-
Steckverzahnungen ist sehr robust. Die in Bild 7-281 verstellers, sowie Ölrücklauf. Der Schieber wird
dargestellte Ausführung ist komplett abgedichtet für durch eine Feder in Richtung der Grundstellung
den Einsatz in Zahnriementrieben. belastet. Bei Bestromung des Elektromagneten wird
Beim Motorstart hält die dargestellte Feder den der Schieber gegen die Kraft der Feder verschoben.
Verstellkolben in seiner Basis- oder Endlage (Grund- Dabei ändert sich der Ölzufluss beziehungsweise -ab-
stellung). Im geregelten Betrieb sind beide Kammern fluss der beiden Kammern; in der sogenannten Re-
ölbefüllt; die gute Abdichtung der beiden Kammern gelposition sind alle Ölwege weitgehend verschlos-
zueinander bewirkt eine hohe Laststeifigkeit. Motor- sen. Damit wird eine steife Einspannung des Ver-
seitig benötigte Sprungantworten werden ab circa stellkolbens im Nockenwellenversteller erreicht. Ent-
1,5 bar Motoröldruck erreicht. sprechend der Gegebenheiten des jeweiligen Anwen-
In Bild 7-282 ist der Schwenkmotor- oder Flügelzel- dungsfalles wird das Steuerventil direkt in den Zylin-
lenversteller in einer Ausführung für Kettentriebe derkopf integriert oder über ein Zwischengehäuse
dargestellt. Diese Bauform des Nockenwellenverstel- angebaut. Elektrisch ist das Steuerventil mit dem
lers ist kompakter und kostengünstiger als die Aus- Motorsteuergerät verbunden.
7.16 Nockenwelle 261

Nockenwellenstellung in Regelposition

Grundstellung

Kammer verbunden mit Motoröldruck

Kammer entlastet / Ölrücklauf


Bild 7-281 Schwenkmotor-
oder Flügelzellenversteller

Nockenwellenstellung in Regelposition

30° entspricht
60° Kurbelwinkel

Grundstellung

Kammer verbunden
mit Motoröldruck

Kammer entlastet / Bild 7-282 Nockenwellen-


Ölrücklauf
versteller mit Schrägver-
zahnung
262 7 Motorkomponenten

Literatur eines Zugmitteltriebes. Zum Einsatz kommen in den


[1] Bensinger, W.-D.: Die Steuerung des Gaswechsels in schnell- meisten Fällen Zahnriemen, Rollen-, Zahn- oder
laufenden Verbrennungsmotoren. Konstruktionsbücher, Bd. 16. Hülsenketten [1], [2], abhängig von der Auslegungs-
Springer Verlag, 1967 philosophie mit unterschiedlichen Gewichten.
[2] Holland, J.: Die instationäre Elastohydrodynamik. In: Konstruk- Die wichtigsten Kriterien bei der Entscheidung über
tion 30, Heft 9, 1978
[3] Ruhr, W.: Nockenverschleiß – Auslegung und Optimierung von den Antrieb sind Kosten, Bauraum, Wartungsfreund-
Nockentrieben hinsichtlich des Verschleißverhaltens. FVV-Vor- lichkeit, Lebensdauer und Geräuschentwicklung.
haben Nr. 285, 1985 Eine vergleichende Bewertung von verschiedenen
[4] Holland, J.: Nockentrieb Reibungsverhältnisse – Untersuchung
zur Verminderung der Reibung am Nocken-Gegenläufer-System
Steuerketten zum Zahnriemen zeigt Bild 7-283.
unter Verwendung von Gleit- und Rollengegenläufern. FVV- Steuertriebe in modernen Motoren treiben neben der
Vorhaben Nr. 341, 1986 Nockenwelle häufig noch andere Bauteile wie die
[5] Brands, Ch.: Dynamische Ventilbelastung – Rechnergestützte Ölpumpe, die Wasserpumpe und die Einspritzpumpe
Simulation der Beanspruchung des Ventiltriebs. FVV-Vorhaben
Nr. 614, 1998
an. Eine mögliche Ausführung eines Steuertriebes
[6] Dachs, A.: Beitrag zur Simulation und Messung von Tassenstö- zeigt Bild 7-284.
ßelventiltrieben mit hydraulischem Ventilspielausgleich, Disser- Da sowohl Nockenwelle als auch Kurbelwelle un-
tation. TU Wien, 1993 gleichförmig umlaufen und auch der Kraftbedarf der
[7] Ruhr, W.: Nockentriebe mit Schwinghebel, Dissertation. TU
Clausthal, 1985 Einspritzpumpe sehr starken periodischen Schwan-
[8] Rahnejat, H.: Multi-Body Dynamics. Vehicles, Machines and kungen unterliegt, entstehen sehr komplexe dynami-
Mechanisms. SAE International 1998 sche Beanspruchungen des Triebes [3, 4].
[9] Beitz, W.; Küttner, K.-H.: Dubbel Taschenbuch des Maschinen-
Im Verlauf jahrzehntelanger Erfahrung haben sich
bau. Springer Verlag
[10] Wurms, R.; Dengler, S.; Budack, R.; Mendl, G.; Dicke, T.; Eiser, für Steuertriebe einige Abmessungen von Rollen-
A.: Audi valvelift system – ein neues innovatives Ventiltrieb- und Hülsenketten als besonders geeignet herausge-
system von Audi. 15. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und stellt.
Motorentechnik 2006
[11] Schneider, F.; Simmonds, S.: MAHLE CamInCam – Neue
Freiheit für variable Steuerzeiten am Beispiel eines 8- und 7.17.1 Kettenbauformen
4-Zylindermotors. MTZ/ATZ Konferenz „Ladungswechsel im
Verbrennungsmotor“ 2008 Bei den Standardketten unterscheidet man zwischen
[12] Mohr, U.; Hoffmann, H.; Lancefield, T.: Modularität im Ventil- Rollen- und Hülsenketten. Darüber hinaus gibt es
trieb. MTZ Konferenz „Antrieb von Morgen“ 2005
[13] Bunsen, E.; Grote, A.; Willand, J.; Hoffmann, H.; Fritz, O.;
Einfach- und Duplexketten, Bild 7-285. Eine Sonder-
Senjic, S.: Verbrauchspotenziale durch Einlassventilhub und bauform der Kette ist die Zahnkette, Bild 7-286, auch
Steuerzeitenvariation – ein mechanisch vollvariables Ventiltrieb- als Silentchain bezeichnet.
system an einem 1.6 l Motor mit Benzindirekteinspritzung, Va- Herkömmliche Zahnketten, die in Steuertrieben ein-
riable Ventilsteuerung ISBN 978-3-8322-5910-5
[14] Schneider, F.; Steichele, S.; Ruppel, S.: Integration von Zusatz-
gesetzt werden, weisen durchwegs ein Bolzengelenk
funktionen in die gebaute Nockenwelle. 3. VDI-Tagung Ventil- auf. Durch die Kombination der Vorteile einer Hül-
trieb und Zylinderkopf, Würzburg 2008 senkette und einer Zahnkette entsteht ein neuer Ket-
tentyp für Steuertriebe, eine Hülsenzahnkette, Bild 7-
287. Diese Kettenvariante empfiehlt sich überall dort,
7.17 Kettentrieb wo es auf geringen Verschleiß sowie auf gutes Akus-
Die Nockenwelle hat die Aufgabe, Öffnungs- und tik- und Dynamikverhalten ankommt [5].
Schließzeiten der Ventile sicherzustellen. Dies erfolgt Bei den Zahnketten sind die Laschen so ausgebildet,
an modernen kopfgesteuerten Triebwerken mittels dass sie die Kraftübertragung zwischen Kette und

Bild 7-283 Vergleichende


Bewertung von Steuerkette
und Zahnriemen [6)
7.17 Kettentrieb 263

Bild 7-284 Steuerkettentrieb


eines V6-Motors (Quelle: Fa.
AUDI)

Ölpumpentrieb Steuerketten Steuerketten


Massenausgleichstrieb für Ottomotoren für Dieselmotoren
3.5 4.76 5.72 5.72 5.72
min. 5.72
8 9.525
9.525 9.525
9.525

∅5 ∅ 6.35 ∅ 6.35
∅ 6.35
∅7
11.7
∅ 6.35
9.8 10.46 15.5 10.5
14
max. 23.7 23.8
7 mm- 8 mm- 3,8'' - 3,8'' - 3,8'' - 3,8'' - Bild 7-285 Kettenbau-
Hülsenkette Hülsenkette Rollenkette Rollenkette Hülsenkette Hülsenkette
formen

Bild 7-287 Hülsenzahnkette

Die sich über den Hülsen drehenden Rollen einer


Rollenkette gleiten mit wenig Reibung an den Zahn-
Bild 7-286 Zahnkette flanken des Kettenrades, sodass immer wieder eine
andere Stelle des Umfangs zum Tragen kommt. Der
Kettenrad übernehmen können, während bei Rollen- Schmierstoff zwischen Rollen und Hülsen trägt zur
oder Hülsenketten die Verbindung mit dem Kettenrad Geräusch- und Stoßdämpfung bei. Bei einer Hülsen-
in der Gelenkstelle über Bolzen, Hülse oder Rolle kette berühren die Zahnflanken des Kettenrades die
erfolgt. Zahnketten können ohne grundsätzliche feststehenden Hülsen stets an der gleichen Stelle.
Aufbauänderung in jeder beliebigen Breite gebaut Deshalb ist eine einwandfreie Schmierung bei sol-
werden. Gegen das Ablaufen vom Rad werden chen Trieben besonders wichtig.
Führungslaschen eingebaut, die entweder in der Mitte Hülsenketten verfügen bei gleicher Teilung und
oder außen (beidseitig) angebracht werden. Bruchkraft über eine größere Gelenkfläche als die
264 7 Motorkomponenten

entsprechenden Rollenketten. Eine größere Gelenk- Ein Kettensteuertrieb stellt mit Masse, Steifigkeit
fläche ergibt eine geringere Gelenkflächenpressung und Dämpfung ein schwingungsfähiges System
und damit einen geringeren Verschleiß in den Ge- mit mehreren Freiheitsgraden dar. Dies kann bei
lenken. entsprechender Anregung durch Nockenwelle, Kur-
Besonders bewährt haben sich Hülsenketten bei hoch- belwelle, Einspritzpumpe etc. auf Grund von Wech-
beanspruchten Nockenwellen-Antrieben in schnell- selwirkungen Resonanzeffekte verursachen, die zu
laufenden Dieselmotoren. Sobald die Übertragung einer Extrembelastung des Steuertriebes führen.
eines gegebenen Drehmoments mit einer Einfachkette Durch konstruktive Maßnahmen ist eine Steifigkeits-
bei einem bestimmten maximalen Kettenraddurch- erhöhung der Kette unter Beibehaltung der spezifi-
messer zu einer Zähnezahl von < 18 Zähnen führen schen Masse realisierbar.
würde, empfiehlt es sich, auf eine Mehrfachkette Auch wird die Kettensteifigkeit als eine wichtige
kleinerer oder gleicher Teilung überzugehen. Eingangsgröße für eine dynamische Simulationsrech-
nung benötigt. Mit Hilfe dieser Rechnungen ist es
möglich bereits in der Entwicklungsphase das dyna-
7.17.2 Kettenkennwerte
mische Verhalten eines Kettensteuertriebes vorauszu-
Drei wesentliche Faktoren kennzeichnen die Ge- berechnen und gegebenenfalls Parameterstudien
brauchseigenschaften von Steuerketten: durchzuführen.
x Bruchfestigkeit
7.17.3 Kettenräder
x Dauerfestigkeit, Bild 7-288
x Verschleißfestigkeit. Die Zahnform der Kette ist für Rollenketten, Hülsen-
ketten und Zahnketten genormt (DIN 8196). Die
Als Ursache für einen Bruch kommt ein Überschrei- zweckmäßige Ausbildung der Zahnform ist für den
ten der statischen oder dynamischen Bruchlast in sicheren Betrieb eines Steuertriebes ebenso von
Frage. großer Bedeutung wie zum Beispiel die Verschleiß-
Speziell bei Steuertrieben wird man keine gleichmä- festigkeit der Kette.
ßige Belastung antreffen. Infolge der schwellenden Zur Anwendung kommen meist Kettenräder mit ma-
Drehmomente der Nockenwelle, der Einspritzpumpe ximaler Zahnlückenform, Bild 7-289. Diese Ausfüh-
bei zum Beispiel Dieselmotoren, der Drehungleich- rung gestattet infolge der niedrigen Zahnkopfhöhe
förmigkeit der Kurbelwelle und der durch den Poly- und der größeren Zahnlückenöffnung den ungestörten
goneffekt verursachten, schwellenden Kettenlängs- Ein- und Auslauf der Kette auch bei höheren Ketten-
kraft entsteht eine dynamische Belastung der Kette. geschwindigkeiten.
Dabei darf die Dauerfestigkeit der Kette nicht über- Je nach Bauraum und Anwendungsfall werden Schei-
schritten werden, da die Zahl solcher Lastwechsel benräder oder Kettenräder mit einseitiger oder zwei-
während der Lebensdauer eines Motors in jedem Fall seitiger Nabe verwendet (Bild 7-290). Die Materialaus-
größer als 108 LW ist. wahl hängt von den Steuertriebsverhältnissen, den Be-
Bei den heutigen Motoren mit präzisen Steuerzeiten triebsbedingungen und der Leistungsübertragung
sind geringe Längungen durch Verschleiß von 0,2 bis ab. Eingesetzt werden Kettenräder aus Kohlenstoff-
0,5 % der Kettenlänge bei bis 250.000 km Lauf- stahl und legierten Stählen sowie gesinterten Werk-
leistung erreichbar. stoffen.

10000

Hülsenkette
Di-Anwendungen
Lastspitze in N

5000 Hülsenkette Vorkammer-


Dieselmotoren

Rollenkette Hochleistungs-
steuertriebe für Ottomotoren

Rollenkette
Ölpumpenkette

0
10000 100000 1000000 10000000 100000000 Bild 7-288 Dauerfestigkeits-
Lastwechselzahl
ergebnisse Hülsen- und
Rollenketten
7.17 Kettentrieb 265

Bild 7-289 Kettenräder Zahlückenform (d = Teilkreisdurchmesser, d1 = maximaler Rollendurchmesser, r1max/min


= maximaler/minimaler Rollbettradius, r2 max/min = maximaler/minimaler Zahnflankenradius, Fmax/min = maxima-
ler/minimaler Rollbettwinkel)

Motor genau abgestimmt sind, lässt sich der Trieb


so optimieren, dass seine Lebensdauer der des
Motors entspricht, ohne dass neben der vorgeschrie-
benen Motorwartung besondere Pflege notwendig
wäre.
Der Kettenspanner, Bild 7-291, übernimmt eine
Reihe von Aufgaben im Steuertrieb. Zum einen wird
Feingestanztes Kettenrad die Steuerkette in allen Betriebsbedingungen im
Leertrum unter einer definierten Last vorgespannt,
auch bei im Betrieb auftretender Verschleißlängung.
Durch ein Dämpfungselement, entweder Reibungs-
oder Viskose-Dämpfung, werden Schwingungen auf
ein zulässiges Maß reduziert.
Als Führungselemente dienen zum Teil einfache
Schienen aus Kunststoff oder aus Metall mit Kunst-
Gesintertes Kettenrad stoffauflage, die je nach Kettenbahn eben oder ge-
krümmt sind, Bild 7-292. Bei neueren Bauformen
werden die Schienen zumeist aus Kunststoff ge-
spritzt.
Dabei wird bei der Spannschiene auf einen Träger aus
PA 66 mit 50 % Glasfaser ein Reibbelag aus PA 46
aufgespritzt oder aufgeclipst. Die Gleitschienen sind
meist als Einkomponenten-Schiene ausgeführt.
Gespanntes doppelreihiges Kettenrad
7.17.5 Reibungsreduzierungskonzepte
Bild 7-290 Kettenräder von Steuerkettentrieben
Als Werkstoffe für feingestanzte Räder kommen zum Bei der Auslegung von Steuerkettentrieben von
Beispiel C 10, für spanend hergestellte Räder zum Verbrennungsmotoren rückt die Reibungsreduzierung
Beispiel 16MnCr5 oder in gesinterter Ausführung immer mehr in den Fokus. Durch die weltweiten
D 11 mit der für den Werkstoff entsprechenden Vorgaben zur CO2-Reduzierung muss jedes erdenk-
Wärmebehandlung zur Anwendung. liche Einsparungspotenzial zur Verringerung des
Kraftstoffverbrauchs genutzt werden.
Entscheidend ist die optimale Gestaltung der Ketten-
7.17.4 Kettenführungselemente linie. Durch den Verzicht von stark gekrümmten
Durch den Einsatz von permanent wirkenden Spann- Schienen lässt sich die Reibung bis zu 70 % reduzie-
und Führungselementen, die auf den jeweiligen ren [7]. Neben der Gestaltung der Kettenlinie spielen
266 7 Motorkomponenten

Mechanischer Einschraub-Kettenspanner Flansch-Kettenspanner


Kettenspanner
Bild 7-291 Kettenspanner

Bild 7-292 Führungs-


2K-Kunststoff-Gleitschiene 1K-Kunststoff-Gleitschiene
elemente

die eingesetzten Materialien für Spann- und Füh- im Kontakt zur Schiene befinden. Zur Anwendung
rungsschienen eine wichtige Rolle. Versuche zeigten, kommen die Qualitäten „Nachschneiden“ oder „Fein-
dass bei entsprechender Materialauswahl eine Redu- stanzen“. Das größte Potenzial zeigen Ketten mit
zierung von bis zu 10 % möglich ist. feingestanzten Laschen.
Von entscheidender Bedeutung für das Reibungsver- Bild 7-293 zeigt die prinzipbedingten Unterschiede in
halten von Steuertrieben ist die Qualität der Laschen Bezug auf das Reibverhalten zwischen den verschie-
der Steuerketten und die Anzahl der Laschen, die sich denen Steuerkettenausführungen.

Bild 7-293 Reibmoment


verschiedener Ketten-
typen mit Kettenteilung
8 mm
7.18 Riementriebe 267

Literatur 7.18.1.1Antriebselement Zahnriemen


[1] Arnold, M.; Farrenkopf, M.; Mc Namar, S.: Zahnriementriebe Aufbau des Zahnriemens
mit Motorlebensdauer für zukünftige Motoren. 9. Aachener
Kolloquium; Fahrzeug- und Motorentechnik. Aachen: ika/VKA, Der Zahnriemen ist ein Verbund aus drei Komponen-
2000 ten (Bild 7-294):
[2] IWIS-Ketten: Handbuch Kettentechnik. München
[3] Fritz, P.: Dynamik schnellaufender Kettentriebe. VDI Fort- x Polyamidgewebe
schrittsberichte, Reihe 11: Schwingungstechnik, Nr. 253. Düs- x Gummimischung
seldorf: VDI-Verlag GmbH, 1998
[4] Fink, T.; Hirschmann, V.: Kettentriebe für den Einsatz in mode- x Zugkörper, üblicherweise endlos gewickelter
rnen Verbrennungsmotoren. In: MTZ 62 (2001) 10, S. 796 – 806 Glascord.
[5] Hirschmann, V.; Bongard, A.; Welke, L.: Neue Zahnkettengene-
ration für den Einsatz in Steuertrieben von Dieselmotoren. In Das Gewebe besteht aus hochfestem Polyamid und ist
MTZ 67 (2006) 11, S. 878 – 883 abrieb- und verschleißfest beschichtet. Es schützt
[6] Bauer, P.: Kettensteuertriebe. Die Bibliothek der Technik, sowohl die Gummizähne als auch den Cord im Be-
Band 353. Landsberg: Verlag Moderne Industrie, 2013 reich des Riemenstegs vor Verschleiß.
[7] Fink, T.; Bodenstein, H.: Möglichkeiten der Reibungsreduktion
in Kettentrieben. In: MTZ 72 (2011) 7–8 Die Gummimischung besteht aus einem widerstands-
fähigen Polymer. In den ersten Anwendungen wurde
Polychloroprene (CR) verwendet. Bedingt durch die
hohen Anforderungen an die Temperatur- und Alte-
7.18 Riementriebe rungsbeständigkeit sowie die dynamische Festigkeit
Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die kommen heute vorwiegend HNBR-Materialien (Hy-
Anforderungen und die Funktion aktueller Riemen- drierter Acrylnitrilbutadien-Kautschuk) zum Einsatz.
triebe an Verbrennungsmotoren, Zahnriementriebe Der Zugkörper besteht aus zu Cord zusammenge-
zum Antrieb der Nockenwellen und Micro-V®-Rie- fassten Glasfaserfilamenten – eine Konstruktion, die
mentriebe zum Antrieb der Nebenaggregate. sich durch hohe Zugfestigkeit bei geringster Dehnung
verbunden mit hoher Biegewilligkeit auszeichnet.
Dadurch eignet sie sich besonders gut für Nocken-
7.18.1 Zahnriementriebe zum Antrieb wellenantriebe, die einerseits über Lebenszeit hohe
von Nockenwellen Anforderungen an den stationären wie dynamischen
Der Zahnriementrieb zum Antrieb der Nockenwellen Synchronlauf stellen und andererseits aus Bau-
ist heute mit einem Marktanteil von 50 % in europä- raumgründen teils kleinste Riemenscheiben auf-
ischen Motoren vertreten. Dies ist im Wesentlichen weisen.
auf Vorteile in der Einfachheit des Triebes, in der Bedingt durch den Fertigungsprozess liegen die
Flexibilität der Riemenführung, der geringen Rei- Zugkörper spiralförmig im Riemenverbund, und zwar
bung, sowie auf Kostenvorteile gegenüber alterna- paarweise jeweils S und Z (gegenläufig) gezwirnt, um
tiven Antriebssystemen zurückzuführen. Weiterhin ein neutrales axiales Laufverhalten des Riemens zu
können Nebenaggregate wie Ölpumpen oder Wasser- erzielen.
pumpen im Trieb integriert werden.

Zugkörper
Nylongewebe Gummimischung

Zugkörper
S Z

Bild 7-294 Aufbau des


Zahnriemens
268 7 Motorkomponenten

Zahnriemenprofile bereits im Industriebereich bekannt war. Aufgrund


der gestiegenen Anforderungen bezüglich Lastüber-
Seit Einführung der Zahnriementriebe für Nocken- tragung, Überspringsicherheit und Geräuschentwick-
wellensteuerungen hat es eine vielseitige Evolution in lung wurden kreisbogenähnliche (Power Grip® HTD/
der Profilgebung der Riemen gegeben. Deshalb ist High Torque Drive) Profile entwickelt. Im Vergleich
heute eine Vielzahl von Profilen im Einsatz. Im Fol- zum Trapezprofil werden die Kräfte bei kreisför-
genden werden die verschiedenen Profile mit ihren migen Profilen gleichmäßiger in den Zahn eingeleitet
Eigenschaften dargestellt. und damit Spannungsspitzen vermieden (Bild 7-295).
Die ersten Nockenwellenriemen basierten auf der Auf heutigen Anwendungen kommen ausschließlich
klassischen Power Grip®-Trapezzahnform, wie sie kreisbogenförmige Profile zum Einsatz.

Belas
tung
Riemenzahn

®
Power Grip Trapezzahnriemen Zahnrad

Belas
tung

n
® enzah
Power Grip HTD - Zahnriemen Riem
Zahnrad
Bild 7-295 Entwicklung der
Zahnriemenprofile

PowerGrip ® Trapez Profile

Teilung 9.525 mm C - Zahn Teilung 9.525 mm B - Zahn

1.90 2.30

PowerGrip ® Power Function Profile

Teilung 9.525 mm CF - Zahn Teilung 9.525 mm BF - Zahn

2.20 2.80

PowerGrip ® HTD Profil

Teilung 8.00 mm Teilung 9.525 mm

3.20 3.60

PowerGrip ® HTD 2 Profil


Teilung 8.00 mm Teilung 9.525 mm

3.10 3.50

Bild 7-296 Zahnprofile


7.18 Riementriebe 269

Bei der ersten Generation Zahnriemen für Nocken- Profilen weiter verbessert. Hier sind nochmals die
wellenantriebe – den Trapezzahnriemen – gab es Fußradien und die Flankenwinkel vergrößert worden.
zwei verschiedene Zahnformen – den kleineren Für beide Profiltypen werden eigenständige Zahn-
„C-Zahn“ für Ottomotoren und den größeren scheibenprofile verwendet. Die genauen Profildaten
„B-Zahn“ für Dieselmotoren, jeweils mit einer Tei- stehen bei Gates zur Verfügung. Es werden bei bei-
lung von 9,525 mm (Bild 7-296). Diese Unterschei- den Profilen zwei Teilungen eingesetzt: 9,525 mm
dung wird bei den neuentwickelten HTD-Zahnpro- und 8,00 mm. Die kleinere Teilung kommt bei weni
filen nicht mehr gemacht. ger stark belasteten Trieben zur Anwendung – vor-
Mit der Einführung der HTD-Profile im Markt muss- wiegend Benzinmotoren – und erlaubt eine kompak-
te berücksichtigt werden, dass bei einigen Automo- tere Baugröße des gesamten Triebes.
bilherstellern die bestehenden Trapezzahnscheiben Jedes der vorgenannten Profile kann auch bei einem
weiterhin verwendet wurden. doppelseitigen Zahnriemen eingesetzt werden (Bild
Für diese Anwendungen sind die Profile in Bezug auf 7-297). Anwendungen für doppelseitige Zahnriemen
Fußradius, Flankenform und Zahnhöhe so optimiert sind zum Beispiel Ausgleichswellentriebe.
worden (Power Function Profile), dass sie auf den
bestehenden Trapez-Zahnscheiben eingesetzt werden
konnten. Die zugehörigen Zahnscheiben Typ ZA Twin Power(R) Profile
(C beziehungsweise CF-Zahn) und Typ B (B bezie-
hungsweise BF-Zahn) sind in ISO 9011 festgelegt.
HTD steht für „High Torque Drive“ und wurde von
Gates entwickelt und patentiert. Mit diesem kreis-
bogenähnlichen Profil gelang eine wesentliche Ver-
besserung hinsichtlich der Geräuschreduzierung und
der Lastübertragung und damit der Lebendauer.
Mit der Einführung der nächsten Generation HTD 2
wurden die bereits vorhandenen Vorteile von HTD- Bild 7-297 Doppelseitiger Zahnriemen
W

B
PLD/2

P = Teilung
P D = Zahnhöhe
W = Stegstärke
B = Breite Bild 7-298 Kenngrößen
PLD/2 = Wirklinienabstand
Zahnriemen

Kenngrößen – Zahnriemen und Zahnscheiben


PD = Teilung x Zähnezahl
PLD/2

In Bild 7-298 sind die wichtigsten Kenngrößen des OD = PD – PLD


Zahnriemens dargestellt. Die Zahnhöhe plus die
Stegstärke ergibt die Gesamtdicke des Zahnriemens.
Außendurchmesser OD
Wirkdurchmesser PD

Der Wirklinienabstand (PLD), der Abstand vom


Stegbereich zur Mitte der Zugstränge, ist abhängig
von der Zahnriemenkonstruktion, der Gewebedicke,
dem Durchmesser der Zugstränge und verschiedenen
produktionstechnischen Parametern.
Die Breite des Zahnriemens wird entsprechend der
dynamischen Wechselbelastung ausgelegt und liegt
bei Verbrennungsmotoren üblicherweise zwischen 15 PLD/2 = Wirklinienabstand
und 25 mm, bei einzelnen Anwendungen bis zu (Halber Abstand des Außendurchmessers zur Wirklinie )
30 mm.
Für die Zahnscheibe muss das Profil in Abhängigkeit Bild 7-299 Kenngrößen Zahnscheibe
vom Durchmesser bestimmt werden. Der Wirk-
durchmesser ergibt sich aus der Anzahl der Zähne 7.18.1.2 Antriebssystem Zahnriemen
und der Teilung, der Außendurchmesser der Zahn- Die wichtigste Anforderung an das System Zahnrie-
scheibe ist um den PLD reduziert (Bild 7-299). mentrieb ist die Synchronisation der Nockenwelle
270 7 Motorkomponenten

über die Motorlebensdauer. Dies ist ein wichtiges X.nnn = Zähnezahl der Zahnriemens/
Kriterium für die Einhaltung der Emissionswerte Zähnezahl der Zahnscheibe,
auch nach längeren Laufstrecken. Durch die Wahl der wobei folgende X.nnn-Werte vermieden werden
Materialien des Zahnriemens, den Einsatz eines sollten:
automatischen Spannsystems sowie einer optimierten
Systemdynamik kann die Längung des Zahnriemens X.nnn = X.0, X.5 (müssen vermieden werden)
unter 0,1 % der Riemenlänge gehalten werden. Dies X.nnn = X.25, X.333, X.666, X.75 (sollten vermieden
ergibt bei Vierzylindermotoren eine Steuerzeitenab- werden)
weichung von 1 bis 1,5° bezogen auf die Kurbelwel- Mindestdurchmesser von Zahnscheiben
le. Diese Verstellung ist so gering, dass sie im All- und Umlenkrollen
gemeinen nicht vorgehalten werden muss.
Weiterhin gelten die im Motorenbau üblichen Anfor- Teilung 9,525 mm 17 Zähne
derungen hinsichtlich Motorlebensdauer (aktuell Teilung 8,00 mm 18 Zähne
240.000 bis 300.000 km) [1], Temperaturen von circa Unverzahnte Umlenkrollen ‡ 50 mm
120 °C sowie möglichst geringer Bauraum und mi- Toleranzen der Zahnscheiben und Umlenkrollen
nimales Gewicht. Störende Geräusche des Zahnrie-
mentriebs sind nicht akzeptabel. Rundlauf/Planlauf: ‡ 50 bis 100 mm 0,1 mm
‡ > 100 mm 0,001 mm pro mm ‡
Auslegungskriterien Konizität des Außendurchmessers: 0,001 mm pro
Die Auslegung komplexer Zahnriementriebe wird mm Scheibenbreite
rechnergestützt durch hauseigene Programme vorge- Parallelität von Bohrung zur Verzahnung:
nommen. Hier soll ein Überblick über die wichtigsten  0,001 mm pro mm Scheibenbreite
Parameter der Auslegung sowie einige allgemeine Oberflächenrauhigkeit: Ra  1,6 μm
Auslegungskriterien dargestellt werden. Wichtige Teilungsfehler < 100 mm ‡ ± 0,03 mm Lücke/Lücke/
Eingabedaten sind die Anordnung der Komponenten, 0,10 mm über 90°
also die Antriebskonfiguration, die Drehmomentver- 100 bis 180 mm ‡ ± 0,03 mm Lücke/Lücke/0,13 mm
läufe der Komponenten und daraus berechnet die über 90°
dynamischen Umfangskräfte, sowie die Riemendaten. Axiale Führung
Mit diesen Daten lässt sich die Systemgeometrie wie
zum Beispiel Trumlängen und die Umschlingungs- Ein Zahnriemen muss zumindest an einer Scheibe
winkel, aber auch die Lebensdauer des Riemens in durch Bordscheiben geführt werden, um ein Ablaufen
Bezug auf verschiedene Fehlermodi berechnen und vom Trieb zu vermeiden. In der Regel wird der Rie-
optimieren. Mit den dynamischen Kräften und men an der Kurbelwellenscheibe geführt. Hierbei
Schwingungen können ebenso die anderen Kompo- dient oft der Kurbelwellendämpfer als vordere Bord-
nenten im System wie die Auslegung der Umlenkrol- scheibe. Die hintere Scheibe ist an der KW-Zahn-
len und der Spannrollen berechnet werden. scheibe befestigt beziehungsweise integriert. Bei
Im Folgenden werden einige allgemeine Auslegungs- komplexen Mehrventiltrieben, können je nach Anzahl
kriterien dargestellt, die bei Zahnriemensystemen der Scheiben und Umlenkrollen weitere Bordschei-
berücksichtigt werden sollen, um ein funktionsfähiges ben notwendig werden. In diesen Fällen empfiehlt es
System mit den heute geforderten Lebendauern von sich, die Bordscheiben an Zahnscheiben anzuordnen
240.000 km zu erhalten: und nicht an Umlenkrollen. Generell ist bei Zahn-
scheiben mit Bordscheiben auf eine genaue Fluchtung
Empfohlene Mindestumschlingungswinkel zu den anderen Scheiben zu achten, um den Riemen
Kurbelwelle 150° nicht von seiner Laufspur abzulenken. Zahnscheiben
Nockenwelle/Einspritzpumpe 100° und Rollen mit nur einer Bordscheibe oder ohne
Nebenaggregatescheibe 90° Bordscheiben werden breiter als der Riemen ausge-
Spannrolle (glatt oder verzahnt) min. 30°, besser >70° führt, um ein sicheres Laufen des Riemens auf der
Umlenkrolle (glatt oder verzahnt) 30° Scheibe beziehungsweise der Rolle zu gewährleisten.
Die Breite der Zahnscheiben sowie die geometrische
Periodischer Zahneingriff Auslegung der axialen Führungsscheiben ist in Bild
7-300 dargestellt.
Ein periodischer Zahneingriff bedeutet, dass immer
die gleichen Riemenzähne in die gleichen Scheiben- Riemenspannsysteme
lücken eingreifen. Dies ist zu vermeiden, um dadurch
bedingten ungleichmäßigen Riemenverschleiß, bezie- Feste Spannrollen
hungsweise Riemenbeschädigungen auszuschließen. In der Vergangenheit sind ausschließlich feste Spann-
Das Auftreten von Periodizität errechnet sich folgen- rollen eingesetzt worden. Es wurden überwie-
dermaßen: gend exzentrisch gelagerte Umlenkrollen verwendet
7.18 Riementriebe 271

8–25°°

b f′′ b f′ bf

> 2,4
∅ Scheibe + 0,38

∅ Scheibe
>1.0
b = nominale Riemenbreite
bf ′′ = b + (1.5 x positive Toleranz der Riemenbreite)
bf ′ = b + 1.75 mm
bf = b + 3.50 mm
Bild 7-300 Scheibenbreite
und Riemenführung

Exzenter -Spannrolle Mechanischer Kompaktspanner Hydraulikspanner

Bild 7-301 Riemenspann-


systeme

(Bild 7-301). Die Vorspannung wurde maschinell an 7.18.1.3 Zahnriementriebdynamik


der Linie eingestellt und mit geeigneten Messmitteln
kontrolliert (Trumfrequenzmessung). Feste Spannrol- Die Optimierung der Systemdynamik ist ein wesent-
len haben den Nachteil, zum einen den temperaturbe- licher Schritt auf dem Weg zu Zahnriementrieben mit
dingten Spannungsaufbau, bedingt durch die höhere Motorlebensdauer, weil damit die Randbedingungen
in Bezug auf Kräfte und Belastungen möglichst
Ausdehnung des Motors im Vergleich zum Zahnrie-
minimiert und gleichzeitig kontrolliert werden. Dabei
men bei Motorerwärmung, und zum anderen den
muss sichergestellt werden, dass alle Komponenten
Spannungsabfall der Riemen über die Laufzeit durch
im Trieb unter diesen Bedingungen das Lebensdauer-
Riemenlängung und Riemenverschleiß, nicht kom- ziel erreichen.
pensieren zu können.
Die dynamische Belastung des Triebes, Drehschwin-
Automatische Spannrollen gungen, dynamische Kräfte und Trumschwingungen
müssen im Zusammenspiel optimiert werden. Dazu
Bedingt durch die Nachteile der festen Spannrollen sind die Parameter wie die Charakteristik des Span-
und die stark angestiegenen dynamischen Kräfte im ners, Vorspannung und Dämpfung, die Riemenkenn-
Nockenwellenantrieb bei gleichzeitig gestiegenen werte, Riemensteifigkeit und Riemendämpfung, das
Lebensdauerforderungen werden in zunehmendem Riemenprofil sowie die Trägheitsmomente der No-
Maße automatische Spannrollen eingesetzt. Mit die- ckenwellenräder so zu optimieren, dass die dynami-
ser Technologie kann sowohl der Spannungsanstieg sche Belastung des Systems minimiert wird. In Bild
über Temperatur und die Riemenlängung kompen- 7-302 sind zwei wichtige Kenngrößen für die Dyna-
siert werden, als auch die notwendige hohe Spannung mik des Zahnriementriebs dargestellt, die Wechsellast
konstant aufgebracht werden, die für einen zuverläs- an der Kurbelwelle und die Drehschwingungen der
sigen Betrieb bei hoher Motordynamik erforderlich Nockenwelle.
ist. Am weitesten verbreitet ist der mechanische, Die Resonanz des Systems, hier bei 4000 Umdrehun-
reibgedämpfte Kompaktspanner. Bei sehr hohen gen pro Minute, wird durch eine optimale Systemaus-
dynamischen Kräften im System Zahnriementrieb legung auf ein Minimum reduziert und muss über die
werden in einigen Anwendungen auch hydraulische Lebensdauer des Triebs kontrolliert werden. Gleich-
Spannrollen eingesetzt, die aufgrund ihrer asymmetri- zeitig werden ebenfalls die Belastungen der anderen
schen Dämpfung selbst bei geringen Vorspannkräften Systemkomponenten wie Umlenkrollen und Spann-
sehr gute Dämpfungseigenschaften aufweisen. rollen minimiert.
272 7 Motorkomponenten

Wechsellast Kurbelwelle
2000

1000
[N]

-1000

-2000
1000 2000 3000 4000 5000 6000
Drehzahl [1/min]

Drehschwingungen NW
1,5
[°]

0,5

0
1000 2000 3000 4000 5000 6000
Drehzahl [1/min]
Bild 7-302 Systemresonanz

7.18.1.4 Ovalradtechnologie Durch die anwendungsbezogene optimierte Auswahl


Riementriebe für Verbrennungsmotoren mit ungleich- von Ovalität und Phasenlage eines solchen Rades in
förmiger Übersetzung sind heute Stand der Technik, einem zahnriemengetriebenen Steuertrieb, zum Bei-
entsprechende Patentschriften stammen bereits aus spiel auf der Kurbelwelle, lassen sich die Auswirkun-
den 1990er Jahren. gen auf den Trieb minimieren. Der Effekt eines mit
Die durch die Ventilbetätigung bedingten Wechsel- Ovalrädern ausgestatteten Triebes hängt weitgehend
momente der Nockenwellen stellen insbesondere im von der Veränderung der Dynamik über alle Be-
mittleren und höheren Drehzahlbereich neben Hoch- triebszustände ab; für den Idealfall (konstante äußere
druck-Einspritzpumpen für Dieselmotoren die Haupt- Dynamik) lässt sich die Schwingung der Komponen-
anregungsquelle für dynamische Effekte dar und ten gänzlich unterbinden während die Dynamik der
wirken sich damit primär auf Lebensdauer und Funk- Riemenkräfte auf einem Niveau gehalten werden
tion eines solchen Systems aus. Das Ovalrad wirkt kann, das der äußeren Dynamik der Komponenten
diesen dynamischen Einflüssen entgegen, das heißt entspricht.
sie werden durch eine lastsynchrone Änderung par- Die Praxis zeigt, dass Riemenkräfte um bis zu 45 %,
tieller Riemenlängen weitgehend kompensiert. Schwingungsamplituden der Nockenwellen um bis zu

Bild 7-303 Reduzierung der


Riemenkräfte im Vergleich
zu einem runden Kurbel-
wellenrad
7.18 Riementriebe 273

Bild 7-304 Reduzierung der


Schwingungsamplituden der
Nockenwelle im Vergleich zu
einem runden Kurbel-
wellenrad

zu 50 % reduziert werden können. Beispielhaft ist 7.18.1.5 Anwendungsbeispiele


dies in den beiden Bilder 7-303 und 7-304 darge-
stellt. In Bild 7-305 sind typische Anwendungsbeispiele von
Durch die Verwendung solcher Systeme ergeben sich zwei Motoren dargestellt. Bei beiden Trieben ist die
unter anderem folgende Vorteile beziehungsweise Wasserpumpe im Trieb integriert. Bei den Dieselmo-
konstruktive Möglichkeiten: toren werden in vielen Anwendungen die Einspritz-
pumpen (Verteilereinspritzpumpe oder Common-Rail-
x Verringerung der Riemenbreite, Verwendung Pumpe) im Primärriementrieb mit integriert.
einer kostengünstigeren Riemenkonstruktion und/
oder Erhöhung der Systemlebensdauer
x gleichbleibende Motor-Performance bei geringe- 7.18.2 Keilrippenriementriebe zum
ren Abgasemissionen und geringerem Kraftstoff- Antrieb von Nebenaggregaten
verbrauch durch erhöhte Konstanz der Steuer- Der Nebenaggregatetrieb wurde in der Vergangenheit
zeiteneinhaltung über Lebensdauer als Keilriementrieb ausgeführt. Durch die gestiegene
x Verringerung der Reibverluste Komplexität, bedingt durch erhöhte Komfortansprü-
x Verringerung der Geräuschentwicklung durch Re- che der Kunden, ist heute neben der Lichtmaschine
duzierung des Kraftniveaus. und der Wasserpumpe auch die Integration von Lenk-
Kombinationen unrunder Räder, zum Beispiel auf hilfepumpe und Klimakompressor in den Trieb Stand
Kurbel- und Nockenwelle oder auf Kurbelwelle und der Technik. Durch weitere Aggregate wie Lüfter,
Einspritzpumpe, versprechen weiteres Optimierungs- mechanische Lader oder Pumpen zur Sekundärluft-
potenzial hinsichtlich der oben angegebenen Vorteile. einblasung erhöht sich die Komplexität der Triebe

Nockenwellen Nockenwelle

Einspritzpumpe
CM2 CM1
CM1

IP

+
+ IDR Spannrolle
Spannrolle
Umlenkrolle
W_P
W_P Wasserpumpe
Wasserpumpe

CRK CRK
Kurbelwelle Kurbelwelle

Reihen-Dieselmotor
Bild 7-305 Anwendungs-
Reihen-Ottomotor
beispiele
274 7 Motorkomponenten

weiter. Heute werden die Nebenaggregatetriebe als


Doppelseitiger Micro-V® Riemen
Serpentinentriebe mit Mehrrippenkeilriemen (Micro-
V®-Riemen) ausgeführt. Die wesentlichen Vorteile des
Micro-V®-Riemens gegenüber Keilriementrieben ist
die höhere Leistungsübertragung sowie ein geringerer
Bauraum bei komplexen Antrieben.

7.18.2.1 Antriebselement Micro-V®-Riemen


Aufbau des Micro-V®-Riemens Bild 7-307 Doppelseitiger Micro-V®-Riemen
Der Micro-V®-Riemen ist ein Verbund aus drei
Komponenten (Bild 7-306): Breite (Anzahl Rippen x 3.56 mm)

x faserverstärkte Gummimischung Höhe


x Zugstränge 4.3–5.3 mm,
x Rückengewebe oder die Gummierung. abhängig
von der
Konstruktion

Micro-V ® Riemen Deckgewebe


oder Gummierung Bezugsumfang
300 mm
Zugstränge

Gummimischung
Messkraft
100 N pro Rippe
Bild 7-306 Aufbau des Micro-V®-Riemens Längenmessung

Die Zugstränge übertragen die Antriebsleistung von Bild 7-308 Kenngrößen Micro-V®-Riemen
der Kurbelwelle auf die Nebenaggregate und nehmen
die dynamischen Kräfte auf, bei geringer Längung sor mit dem Riemenrücken kann der Riemen auch als
und hoher Biegewechselfestigkeit. doppelseitiger Micro-V®-Riemen, mit Rippen auf
Die Zugstränge bestehen aus Nylon, Polyester oder beiden Seiten, ausgeführt werden (Bild 7-307).
Aramid, mit den sehr unterschiedlichen E-Modulen
der Zugstränge kann die dynamische Abstimmung Kenngrößen Micro-V®-Riemen und Scheiben
des Systems optimiert werden. Das Gummi bildet die In Bild 7-308 sind die wichtigsten Kenngrößen des
Keilrippen und überträgt die Antriebskräfte von der Micro-V® Riemens dargestellt. Die Riemenbreite
Riemenscheibe in die Zugstränge. Als Material berechnet sich aus der Anzahl der Rippen multi-
kommt Chloropren oder EPDM zum Einsatz, zur pliziert mit 3,56 mm (PK-Profil). Die Riemenhöhe
Versteifung wird das Gummimaterial fasergefüllt. beträgt je nach Konstruktion 4,3 bis 5,3 mm. Die
Der Riemenrücken kann sowohl als Rückengewebe Bezugsriemenlänge wird auf einem 2-Scheiben-Prüf-
als auch als Gummierung ausgeführt werden. Im stand mit einer definierten Vorspannung ermittelt
Fertigungsprozess liegen die Zugkörper spiralförmig (ISO 2790). Dabei beträgt der Bezugsumfang der
im Riemenverbund, und zwar paarweise jeweils S Riemenscheiben 300 mm.
und Z gezwirnt um ein weitgehend neutrales Ablauf- Die Profilnorm der Riemenscheiben ist in Bild 7-309
verhalten des Riemens zu erzielen. dargestellt. Als Durchmesser der Riemenscheiben
Der Micro-V®-Riemen wird im Vulkanisationspro- wird zum einen der Außendurchmesser der Scheiben
zess hergestellt. Die Keilrippen werden dabei entwe- verwendet, wichtiger für die Auslegung und die Län-
der geformt oder nach dem Vulkanisationsprozess genbestimmung des Riemens ist jedoch der Schei-
eingeschliffen. Bei den doppelseitigen Riemen erfolgt bendurchmesser über den Prüfkugeln (‡ 2,5 mm).
der Schleifprozess von beiden Seiten. Bei dieser Messmethode wird auch das Profil der
Scheibe und damit der Rillenwinkel berücksichtigt. Je
Micro-V®-Riemenprofil
nach Durchmesser der Scheibe wird der Rillenwinkel
Für die Anwendung im Automobilbereich wird übli- an das in der Umschlingung laufende und deformierte
cherweise das PK-Profil verwendet (ISO-Norm). Der Riemenprofil angepasst. Übliche Rillenwinkel sind
Rillenabstand beträgt 3,56 mm. Die Bezeichnung des im Bereich von 40 bis 44°. Aus dem Scheibendurch-
Riemens, zum Beispiel 6 PK 1.270 bedeutet 6 Rip- messer über den Prüfkugeln kann dann entsprechend
pen, PK-Profil, 1270 mm Bezugslänge. Für den der Riemenkonstruktion der Wirkdurchmesser er-
Antrieb von leistungsstarken Komponenten wie rechnet werden. Der Wirkdurchmesser verläuft durch
Lichtmaschine, Lenkhilfepumpe oder Klimakompres- die Mitte der Zugstränge im Micro-V®-Riemen.
7.18 Riementriebe 275

dB
a dB
Wirkdurchmesser
Außen-
durchmesser
A

Do DoB

Do Profil-Außendurchmesser
DoB Durchmesser über Kugel
dB Kugeldurchmesser (2,5 mm)
Bild 7-309 Kenngrößen
a Rillenwinkel A Abstand Außendurchmesser zu Wirkdurchmesser
Micro-V®-Riemenscheibe

Kennwerte gängiger Riemenkonstruktionen sind in Im Folgenden werden einige allgemeine Auslegungs-


der DIN 7876 beziehungsweise ISO 9981 festgelegt, kriterien dargestellt, die bei Micro-V®-Riemen-
für eine detaillierte Auslegung sollte allerdings auf systemen berücksichtigt werden sollen, um ein funk-
die Kennwerte der Riemen, beziehungsweise Schei- tionsfähiges System mit der heute geforderten Lebens-
benhersteller zurückgegriffen werden. dauer von 240.000 km zu erhalten.
Die Riemenscheiben werden entweder in Stahl oder
in Kunststoff ausgeführt. Empfohlene Mindestumschlingungswinkel
Kurbelwelle 150°
7.18.2.2 Antriebssystem Nebenaggregatetrieb Lichtmaschine 120°
Die wichtigsten Anforderungen an das System Neben- Lenkhilfepumpe, Klimakompressor 90°
aggregatetrieb ist der schlupffreie Antrieb aller Ne- Spannrolle 60°
benaggregate in allen Belastungszuständen über Fluchtungsfehler/Einlaufwinkel
Motorlebensdauer. Bei modernen Motoren mit Voll-
trieben werden damit über den Micro-V®-Riemen, in Um unzulässigen Verschleiß des Riemens und Geräu-
5- oder 6-rippiger Ausführung, maximale Drehmo- sche zu vermeiden, sollte der Einlaufwinkel des Rie-
mente von bis zu 30 Nm und maximale Leistungen mens in die gerillten Scheiben 1° nicht überschreiten.
von 15 bis 20 KW bei Volllast aller Aggregate über- Systemeigenfrequenz
tragen. Die Umgebungstemperaturen sind mit durch-
schnittlich 80 bis 100 °C etwas niedriger als im Die Systemeigenfrequenz sollte nicht im Leerlauf-
Zahnriementrieb. Insbesondere Geräusche, wie bei- bereich des Motors liegen (2. Motorordnung).
spielsweise das bekannte Keilriemenquietschen bei Mindestdurchmesser von Scheiben
feuchtkaltem Wetter, verursacht durch Schlupf zwi- und Umlenkrollen
schen Riemen und Scheibe, müssen durch eine opti-
male Systemauslegung hinsichtlich Geometrie und In der Praxis befindet sich die kleinste Riemenschei-
Dynamik vermieden werden. Weiterhin gilt es, Rie- be häufig an der Lichtmaschine, um dort die erforder-
mengeräusche durch Scheibenfluchtungsfehler bereits lichen hohen Drehzahlen zu ermöglichen. Typische
in der Auslegung zu vermeiden. Auch für die Nebe- Lichtmaschinenscheiben liegen bei einem Durchmes-
naggregatetriebe gilt 240.000 km bei aktuellen Ent- ser von 50 bis 56 mm. Die Riemenermüdung nimmt
wicklungen als Lebensdauerforderung. bei Verwendung sehr kleiner Scheiben exponentiell
zu, dies ist bei der Riemenauslegung zu berücksichti-
Auslegungskriterien gen. Für Umlenkrollen wird empfohlen, Durchmesser
Die Auslegung der Nebenaggregatetriebe wird rech- nicht kleiner als 70 mm zu verwenden.
nergestützt durch hauseigene Programme vorge-
Riemenspannsysteme
nommen.
Hier soll ein Überblick über die wichtigsten Parameter Die Riemenspannung bei Nebenaggregatetrieben
der Auslegung sowie einige allgemeine Auslegungs- wird heute üblicherweise über automatische Spann-
kriterien dargestellt werden. Wichtige Eingabedaten rollen aufgebracht. Die Spannrollen stellen eine
sind die Anordnung der Komponenten, also die An- konstante Spannung über die Lebenszeit sicher und
triebskonfiguration, die Drehmomentverläufe und die gleichen Riemendehnung beziehungsweise Riemen-
Trägheitsmomente der Komponenten, sowie die verschleiß über die Laufzeit aus. Die Konstruktion
Riemendaten. Mit diesen Daten lässt sich die System- der Spannrollen wird wesentlich durch den zur Ver-
geometrie, wie zum Beispiel Trumlängen und die fügung stehenden Bauraum bestimmt (Bild 7-310).
Umschlingungswinkel, die Systemeigenfrequenzen, Bei Langarmspannern liegt das Feder-Dämpfersystem
die Schlupfgrenzwerte aber auch die Lebensdauer des in einer Ebene mit dem Riementrieb, bei Z-Typ
Riemens berechnen und optimieren. Spannern taucht das Spannergehäuse in den Bereich
276 7 Motorkomponenten

7.18.2.4 Riemengetriebener Starter-Generator


(RSG/Start-Stopp-System)
Sowohl Emissionen als auch Kraftstoffverbrauch und
Verschleiß können mit einem automatischen Start-
Stopp-System reduziert werden. Unabhängige Stu-
dien bestätigen eine Kraftstoffreduzierung zwischen
4 bis 25 % mit diesen Systemen, je nach Fahrzyklus.
Der Starter-Generator dreht den Motor auf hohe
Kurbelwellen-Startdrehzahl. Dies gewährleistet einen
sehr schnellen, geräuscharmen und Kraftstoff sparen-
Langarmspanner Z-Typ Spanner den Start. Das riemengetriebene Start-Stopp-System
bietet zusätzlich die Möglichkeit, gespeicherte Elek-
Bild 7-310 Automatische Riemenspannsysteme trizität für die Beschleunigung zu nutzen und Brems-
energie in elektrische Energie umzuwandeln und
hinter dem Riementrieb ein. Die Vorspannung wird wiederum der Batterie zuzuführen. Der konventionel-
durch eine Schenkelfeder erzeugt, gleichzeitig ist der le Starter kann bei solchen Systemen normalerweise
Spanner reibgedämpft. Die Vorspannungen bei 6 PK entfallen, dies bringt Vorteile hinsichtlich Kosten und
Riemen liegen abhängig von der Systemdynamik Gewicht. Modifizierte Starter werden heute auch für
üblicherweise im Bereich von 250 bis 400 N. Start-Stopp-Systeme angeboten, allerdings bieten die-
7.18.2.3 Anwendungsbeispiele se weder Geräusch- noch Gewichtsvorteile.
Für RSG-Anwendungen mussten ein spezieller Hoch-
In Bild 7-311 ist ein typischer Micro-V®-Riementrieb leistungskeilrippenriemen und spezielle Riemen-
dargestellt. Bei vielen Trieben ist bereits die Lenk- spannsysteme (Bild 7-312) entwickelt werden. Da der
hilfepumpe und der Klimakompressor standardmäßig Start des Verbrennungsmotors nun über den im
integriert. Insbesondere bei sehr komplexen Trieben Riementrieb integrierten Starter-Generator erfolgt,
sind zusätzliche Umlenkrollen notwendig, um die werden besonders an die Eigenschaften des Riemens
notwendige Umschlingung an allen Aggregaten und neue Anforderungen gestellt. Dank optimierter Adhä-
damit einen schlupffreien Betrieb sicherzustellen. sion der Riemenbestandteile, der Entwicklung einer
Gummimischung mit höherer Lasttragfähigkeit und
Lenkhilfepumpe verbesserten Zugsträngen ist der neue High-Load-
Micro-V®-Riemen in der Lage, Momente von 70 Nm
und mehr unter allen Betriebsbedingungen und bis zu
einer Lebensdauer von einer Million Startvorgängen
Lichtmaschine Umlenkrolle zu übertragen. Diese Leistungsfähigkeit stellt einen
Wasserpumpe Durchbruch in der Riementechnologie dar und er-
möglicht die kostengünstige Integration eines Starter-
Generator-Systems ohne gravierende Änderungen im
Nebenaggregatetrieb oder am Motor. RSG-Systeme
Spannrolle
benötigen den gleichen Bauraum wie konventionelle
Klimakompressor Riementriebe heutiger Motoren, während zum Bei-
Kurbelwelle spiel der auf der Kurbelwelle montierte Starter-Gene-
rator (KSG) Platz zwischen Motor und Getriebe be-
Bild 7-311 Beispiel Nebenaggregatetrieb nötigt. Riemengetriebene Starter-Generator-Systeme

Bild 7-312 Riemenspan-


nerkonzepte für Starter-
Generatortriebe
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren 277

haben außerdem ein niedrigeres Gewicht und sind Gründe dafür sind die hohe Stoßbelastbarkeit und
deutlich kostengünstiger. Dämpfung, die leichte Teilbarkeit zur Montage über
Für die Riemenspannsysteme in den Start-Stopp- Kurbel- oder Nockenwelle, der geringe Platzbedarf,
Systemen ist der Funktionsumfang insofern erweitert, Unempfindlichkeit gegenüber Verschmutzung und –
als dass hier nun auch während des Motorstarts eine last, but not least – die niedrigen Kosten im Vergleich
entsprechende Riemenkraft vorgehalten wird. Nach zu Wälzlagern. Prinzipieller Nachteil von Gleitlagern
dem Motorstart wechseln Last- und Leertrum. gegenüber Wälzlagern ist die höhere Reibung und der
In Serienproduktion sind Konzepte für Spannsysteme daraus resultierende höhere Ölbedarf.
mit hydraulisch gedämpften Spannern, Doppelspan- Wälzlager werden in Motoren teilweise dort einge-
ner-Spannsystemen, oder ein asymmetrisch gedämpf- setzt, wo die Vorteile des Gleitlagers nicht zum
ter Spanner, der dann im Zugtrum des Riementriebs Tragen kommen: Im Kurbeltrieb von kleinen Ein-
(generatorisch) platziert wird. Die Entscheidung für zylindermotoren, in der Lagerung des Rädertriebs
das Spannsystem hängt hauptsächlich von den einzel- und zunehmend im Ventiltrieb (Rollenstößel).
nen funktionellen Ansprüchen (zum Beispiel Stopp-
Start, Drehmomentunterstützung) und Bauraumbedin- 7.19.1 Grundlagen
gungen ab.
Die Kundenakzeptanz für das RSG-System ist auf- 7.19.1.1 Radiallager
grund der geräuscharmen Starteigenschaften und des Konstante Belastung
reduzierten Kraftstoffverbrauchs sehr hoch. Der Ziel-
markt für RSG-Systeme sind alle Otto- und Diesel- In einem Radialgleitlager wird das Schmiermittel
motoren die im Bereich Pkw und Kleintransporter durch Adhäsion in den Schmierspalt zwischen den
zum Einsatz kommen. 12-V- und 42-V-Bordnetze relativ bewegten Oberflächen gezogen und baut
machen für das Riementriebsystem dabei keinen dadurch einen Druck auf, der der äußeren Kraft das
Unterschied. Gleichgewicht hält und die Partner, Zapfen und
Lager, durch einen Ölfilm trennt, Bild 7-313.
Literatur Die dimensionslose Sommerfeldzahl beschreibt den
[1] Arnold, M.; Farrenkopf, M.; McNamara, St.: Zahnriementriebe Zusammenhang für ein zylindrisches Radiallager.
mit Motorlebensdauer für zukünftige Motoren. In: MTZ 62
p ˜\ 2
(2001) 2 So D f ( b d ,H ) (7.18)
[2] Di Giacomo, T.; Schulte, G.; Steffens, C.; Tiemann, C.; Walter, K ˜Z
R.; Wedowski, S.: Zahnriemen versus Kette, Studie zum CO2-
Sparpotenzial im Steuertrieb. In: MTZ 70 (2009) 5 In dieser Formel bedeuten:
p [N/m2] spezifische Lagerbelastung F / (b · d)
Z [sec–1] Winkelgeschwindigkeit
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren \ []  relatives Lagerspiel, s/d
Wellen in mehrzylindrigen Hubkolbenmotoren – K [1m2 ˜ sec] dynamische Viskosität
Kurbeltrieb, Ventiltrieb und Massenausgleichswel- H [] relative Exzentrizität des Zapfen-
len – sind in der Regel in Gleitlagern gelagert. Die mittelpunkts im Lagerspiel

b
P
DB

MZ MB
h0

n
dZ
x

MZ(MB bei n = ∞)
Pmax
Pma

e0 =½ Spiel

e
MZ

Bild 7-313 Hydrodynami-


MZ bei n = 0
scher Druckaufbau durch
Gümbel'scher Kreis
Drehung
278 7 Motorkomponenten

Bearing width [mm]


vL dL Bearing diameter [mm]
h dW Shaft diameter [mm]
e Excentricity
W

F Bearing load [N]


v

Bearing load portions


Fp, F V
h0 MW caused by rotation and
ML
squeeze effect [N]
h Lubricant film thickness [mm]
e h0 Minimum lubricant film
FV b

dW
dL
thickness [mm]
pmax Maximum lubricant film
d FD pressure [MPa]
pDmax Maximum lubricant film
ax pVmax pressure caused by rotation
m
pV and squeeze effect [MPa]
b Angular position of h 0,
relative to F0
d Angular postion of h 0
max

g Angular position of bearing


pD

load F
pmax
vL Angular velocity of bearing
ax

vW Angular velocity of shaft


pm

dL – dW
j Relative clearance ( dL )

Bild 7-314 Hydrodynamischer Druckaufbau durch Drehung und Verdrängung

Jeder Last und Drehzahl entspricht eine bestimmte rein hydrodynamisch laufen. Die Reibung ist in
exzentrische Gleichgewichtslage des Zapfens im diesem Fall nur von der Scherkraft des Öls bestimmt
Lager. und sehr niedrig, in der Größenordnung von μ =
H 0 o So D 0; H 1 o So D f 0,002 bis 0,005. Im tatsächlichen Betrieb kommt es
aber zu Kontakt der Gleitflächen, da das Lager nicht
Dynamische Belastung für jeden Betriebszustand einen ausreichenden hyd-
rodynamischen Schmierfilm aufbauen kann. Dieser
Kennzeichnendes Merkmal von Motorenlagern ist Zustand der „Mischreibung“ ist mit wesentlich höhe-
ihre in Größe und Richtung periodisch wechselnde rer Reibung verbunden – als Größenordnung bis zum
Belastung, zum Beispiel aus den Gas- und Massen- Zehnfachen. Die bekannte Stribeck-Kurve beschreibt
kräften am Kurbeltrieb oder die Schwelllast aus der die Zusammenhänge (Bild 7-315).
Ventilbetätigung an der Nockenwelle.
Die Veränderung der Kraft bewirkt ein Ungleichge-
wicht, das zu Verlagerung des Wellenmittelpunkts in Misch-
reibung Flüssigkeitsreibung
radialer und Umfangsrichtung führt. Bei steigender
Last vergrößert sich die Exzentrizität; der Widerstand Ruhreibung
Reibungszahl μ

gegen die Verdrängung des Schmiermittels dämpft


die Radialbewegung. Daraus resultiert die hohe Ausklinkpunkt (Übergangsdrehzahl)
Stoßbelastbarkeit des Gleitlagers.
Die resultierende zusätzliche Tragkraft wird durch die
Sommerfeldzahl bei Verdrängung definiert:
p ˜\ ²
SoV f ( b d ,H ) (7.19)
K ˜ (wH / wt ) 0 nü Drehzahl n

Die Gesamttragkraft des Lagers ergibt sich aus der Bild 7-315 Stribeck-Kurve
vektoriellen Addition beider Effekte, Bild 7-314.
Wenn die entstehende Reibenergie nicht abgeführt
Reibung
werden kann, wird das System thermisch instabil. Die
Würde eine dauernde vollständige Trennung der Wahrscheinlichkeit, dass in einem Gleitlager ein
Gleitflächen durch den Ölfilm erfolgen, wäre kein thermisch instabiler Zustand erreicht wird, das heißt
eigenes Lagermaterial notwendig; das Lager würde die Anfälligkeit der Lagerung gegenüber Störungen,
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren 279

ist von der Energiedichte in der Lagerung (Last, 7.19.2 Berechnung und Dimensionierung
Gleitgeschwindigkeit) sowie von der Kühlung durch von Motorlagern
das Schmiermittel abhängig.
Entsprechend der dynamischen Belastung beschreibt Die Dimensionierung einer Lagerung erfolgt bei der
der Wellenmittelpunkt im Lager eine periodische Konstruktion eines Motors in mehreren Schritten. Die
„Verlagerungsbahn“, siehe Bild 7-318, mit zeitlich- Festlegung der Hauptdimensionen, Durchmesser und
unterschiedlicher Größe und Lage des kleinsten Breite, wird wesentlich von den konstruktiven Gege-
Schmierspalts. Dies hat zur Folge, dass das Lager benheiten des Motors und den Anschlussteilen be-
einerseits lokal einen wesentlich höheren Grad an stimmt.
direktem Materialkontakt ertragen kann, dass aber Nach der Berechnung der Lagerbelastung kann in
andererseits jeder Bereich einer Schwelllast unter- der Konzeptphase die spezifische Lagerbelastung
liegt. Damit kann das Lager kleiner dimensioniert (F / b · d) als grober Anhaltswert dienen. Wegen des
werden, aber das Material wird auch auf Dauerfestig- großen Einflusses von Lastcharakteristik, Breiten-/
keit belastet. Durchmesser-Verhältnis, Lagerspiel, Ölviskosität und
konstruktiven Gegebenheiten muss jedoch möglichst
7.19.1.2 Axiallager früh eine genauere Berechnung zur Lagerdimensio-
Axiallager dienen der Führung der Wellen und neh- nierung stattfinden.
men den Axialschub von Schrägverzahnungen und Im Zusammenhang mit den zulässigen Grenzwerten
eventuell Schräglagen auf. Kurzzeitig können höhere ist die Auswahl der geeigneten Lagerbauart für den
Lasten auftreten, zum Beispiel von der Kupplung Einsatzfall neben den Lagerdimensionen das Haupt-
oder Stöße durch Beschleunigungen. ergebnis der Berechnung.
Axiallager sind entweder als Anlaufringe oder kombi- 7.19.2.1 Belastung
niert mit einem Radiallager als sogenanntes „Bundla-
ger“ ausgeführt. Diese Lager sind einfache, mit Lager- Die Belastung von Motorlagern ist zyklisch ver-
metall versehene Planflächen und arbeiten im Misch- änderlich. Als repräsentatives Beispiel sind in Bild
reibungsgebiet, das heißt es findet kein hydrodynami- 7-316 die am Kurbeltrieb wirksamen Kräfte darge-
scher Druckaufbau statt. Wichtig ist, dass eine Benet- stellt. Die Kräfte setzen sich aus dem Zylinderdruck,
zung der Oberflächen mit Schmieröl sichergestellt ist. den oszillierenden und den rotierenden Massenkräf-
Auch Axiallager versagen in der Regel durch Über- ten zusammen.
hitzung; Brüche aus Überlastung durch Stöße oder Bild 7-317 zeigt beispielhaft den Verlauf der Lager-
Schwingungen werden überwiegend durch schlechte kraft des Pleuellagers eines Dieselmotors bei maxi-
Rückenanlage ausgelöst. malem Drehmoment in Größe und Richtung über ein

lateral force of piston cylinder


+pgas pressure +pmasse
Stroke

rod force

cylinder pressure
inertia force of piston
rotating inertia force of conrod
radial inertia force of conrod

reaction of the
TDC
conrod pin force
force onto conrod pins
Force onto
neighbouring
bearing pins tangential force
onto crankshaft

conrod force including


translational inertia
rotating inertia BDC force of conrod
force of crank
throw Bild 7-316 Kräfte am Trieb-
werk eines Motors
280 7 Motorkomponenten

7.19.2.2 Zapfenverlagerungsbahn
Z
Die in jedem Arbeitsspiel einmal durchlaufene Zap-
0 fenverlagerungsbahn, Bild 7-318, kann mit relativ
einfachen Mitteln berechnet werden. Die Ergebnisse
werden sehr stark von der Art des Modells (Methode
von Holland-Lang oder Mobility Method nach Boo-
180
ker), von den Randbedingungen für das Druckprofil
90
630
und von den Annahmen für die Ölviskosität be-
450 540 270 einflusst. Daher ist der Vergleich der Ergebnisse
0,75 0,50 0,25 0,25 0,50 0,75
unterschiedlicher Programme nur dann möglich, wenn
diese Annahmen übereinstimmen. Auch die zulässigen
Grenzwerte, die aus Zuordnung von Erfahrungen aus
praktischem Betrieb und aus Versuchsergebnissen zu
360
den berechneten Daten ermittelt werden, gelten nur für
vergleichbare Berechnungsmodelle.
Über das Arbeitsspiel wird die Bahn in Schritten von
einigen Grad Kurbelwinkel bis zur Konvergenz ite-
riert. Die Berechnung erfolgt für jeden Lastfall geson-
dert. In der Regel werden die Werte für Nennlast und
Bild 7-317 Polardiagramm der Kräfte für das Pleuel- maximalen Moment bei niedriger Drehzahl ermittelt.
lager eines Dieselmotors Die wichtigsten Ergebnisse der Berechnung sind:
x kleinster Schmierspalt
Arbeitsspiel, dargestellt in Polarkoordinaten. Bei x höchster Schmierfilmdruck.
höheren Drehzahlen und niedrigeren Lasten nimmt Als weitere Resultate werden Öldurchsatz, hydro-
die Spitzenlast aus der Zündung ab und die Massen- dynamische Reibung und daraus resultierende Öl-
kraftellipse zu. erwärmung berechnet. Die Verweildauer des kleins-
Bei der Auslegung des Kurbeltriebs werden die La- ten Schmierspalts in einem bestimmten Bereich gibt
gerlasten in der Regel gemeinsam mit den Steifigkei- einen Hinweis auf die Konzentration der Reibenergie
ten und Schwingungslagen der Kurbelwelle unter und damit auch des zu erwartenden Verschleißes.
Berücksichtigung der elastischen Verformungen be- Die Berechnung der Verlagerungsbahn eignet sich
rechnet. Damit ergibt sich vor allem bei Hauptlagern besonders für Parameterstudien in einem frühen
(statisch unbestimmte Lagerung!) eine genauere Stadium der Motorkonstruktion, zum Beispiel zur
Ermittlung der Lastverteilung auf die einzelnen Bestimmung der optimalen Auslegung des Massen-
Lagerstellen. Mit den derart ermittelten zyklischen ausgleichs im Hinblick auf die Kurbelwellenlager,
Belastungen können nun die auftretenden hydro- und/oder des Einflusses von Konstruktionsparametern
dynamischen Drücke und Schmierspaltweiten be- wie Breite-Durchmesser-Verhältnis oder Lagerspiel.
rechnet werden. Die gängigste Methode ist die Be- Die Berechnung von Belastung und Verlagerungs-
rechnung der Zapfenverlagerungsbahn. bahn ist häufig integriert.

Verlagerungsbahn
Schalenfest Zapfenfest
Z S
120 0 180 0
540 60 600240

480
660

60
300

0,75 0,50 0,25 0,25 0,50 0,75 0,75 0,50 0,25 0,25 0,50 0,75

300
660
120 Bild 7-318 Verlagerungs-
480 420
420
360 360
bahn eines Pleuellagers
600
180 540
240 (relativ von Lager und Zap-
fen aus betrachtet)
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren 281

7.19.2.3 Numerische Lösungen Methode besteht darin, dass sich damit nahezu alle
zur Lagerberechnung Wechselwirkungen des Motors und des Triebwerkes
auf ihre Auswirkung auf die einzelnen Lager unter
Durch die numerische Lösung der Reynold’schen
optimalen Betriebsbedingungen untersuchen lassen.
Differentialgleichung können die Einflüsse der loka-
len Geometriemerkmale mit unterschiedlichen äuße-
ren Einflüssen auf das Lager kombiniert werden. 7.19.2.4 Hauptdimensionen: Durchmesser, Breite
Lagerdurchmesser und -breite sind in engen Grenzen
7.19.2.3.1 Steife Lagerumgebung durch die Motorkonstruktion und die dynamischen
Werte der Wellen vorgegeben. Innerhalb dieser
Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass alle
Grenzen lässt sich die spezifische Lagerbelastung
Lagermerkmale in ihrer Wechselwirkung mit den
beeinflussen, was für die Bauartenwahl entscheidend
Ölbohrungen in der Kurbelwelle abgebildet werden
sein kann.
können. Das Gehäuse wird in dieser Berechnung als
Das übliche Breite-Durchmesser-Verhältnis beträgt
starr angenommen, was eine wesentliche Reduktion
0,25 bis 0,35. Bei gleicher spezifischer Belastung
der Rechenzeit darstellt. Diese Methode eignet sich
F/(B ˜ D) ergibt ein relativ kleinerer Durchmesser bei
speziell für die Konzeptphase in der Motorenentwick-
größerer Breite einen größeren Schmierspalt, einen
lung, wenn das Lagerumfeld noch nicht gänzlich
niedrigeren Spitzendruck und auch eine kleinere
bekannt ist. Eingabe und Ergebnisauswertung sind im
Reibleistung. Da durch die niedrigere Umfangsge-
Bild 7-319 dargestellt.
schwindigkeit die Empfindlichkeit gegenüber Fest-
körperkontakt und Störungen sinkt, ist diese Situation
7.19.2.3.2 Elastohydrodynamische Simulation anzustreben. Die für die Kurbelwellensteifigkeit
Eine genauere und in den letzten Jahren sehr rasch notwendigen Mindest-Zapfendurchmesser setzen die-
weiter entwickelte Methode zur Berechnung von Mo- ser Optimierung jedoch eine Grenze.
torenlagern ist die elastohydrodynamische Berechnung.
Hier werden die im Lager entstehenden Schmierfilm- 7.19.2.5 Ölführungsgeometrie
parameter lokal, unter Berücksichtigung von elasti-
Auf das System zur Verteilung des Schmier- und
schen Verformungen und der entsprechenden Zap-
Kühlöls des Motors wird in Kapitel 9 näher einge-
fengeometrie berechnet. Inzwischen wurden auch An-
gangen. Hier werden nur die unmittelbar das Lager
sätze zur Berücksichtigung des Temperatureinflusses
betreffenden Merkmale beschrieben.
und der Mischreibung entwickelt und entsprechend
Wesentlich beeinflusst wird der Aufbau des hydro-
angewendet. Bild 7-320 zeigt einen derartigen Ansatz
dynamischen Schmierfilms durch die für die Schmier-
mit Mischreibungsberücksichtigung als Modell und
ölversorgung notwendigen Nuten und Bohrungen,
deren Ergebnisse. Zusätzlich wurde der Mischreib-
zum Beispiel in den Hauptlagern. Für eine kontinuier-
anteil – repräsentiert durch den Kontaktdruck über
liche Versorgung der Pleuellager wäre eine Ringnut in
den Zyklus – in die Darstellung aufgenommen.
den Hauptlagern ideal, würde bei ansonsten gleichen
Diese Methode erfordert wesentlich detailliertere Da-
Bedingungen aber den kleinsten Schmierspalt auf
ten und einen bedeutend höheren Berechnungsauf-
circa 30 % reduzieren. Durch die bessere Ölversor-
wand als die Berechnung der Verlagerungsbahn oder
gung der Lagerstelle wird dies teilweise kompensiert,
die Berechnung mit starrer Geometrie. Daher wird sie
sodass die Tragfähigkeit auf circa die Hälfte sinkt.
sinnvoller Weise im fortgeschrittenen Stadium der
Es ist daher eine ausreichende Ölversorgung durch
Konstruktion und zur Untersuchung von lokalen Ein-
Bohrungen und Teilnuten in den Gebieten des Lagers
flüssen wie Geometrieoptierungen oder als Basis bei
mit niedriger Belastung beziehungsweise großen
Fretting-Untersuchungen am Lagerrücken eingesetzt.
Schmierspaltweiten anzustreben. Die oben beschrie-
Eine Lebensdauerabschätzung mit Hilfe von Scha-
bene Verlagerungsbahn gibt Aufschluss über die
densakkumulationsmodellen kann angeschlossen
günstigste Lage von Nuten (Lager) und Bohrungen
werden, wenn die Lastkollektive und die erforderli-
(Welle).
chen Werkstoffdaten bekannt sind. In der Regel wird
Für Pkw-Motoren hat sich als Standard eine Halbnut
die Lebensdauer und Betriebssicherheit heute durch
in der Oberschale des Hauptlagers und eine Bohrung
Feldversuche und begleitende Bauteiluntersuchungen
in der Kurbelwelle, deren Austritt am Pleuelzapfen
verifiziert.
circa 45 Grad vor dem Scheitel in Drehrichtung liegt,
durchgesetzt.
7.19.3.2.3 Triebwerkssimulation Zur Vermeidung von Unstetigkeiten in der Ölströ-
Durch die Verknüpfung der unterschiedlichsten mung, die zu Versorgungsengpässen und Kavitation
Simulationsmethoden, der Strukturmechanik und der führen können, müssen häufig schroffe Unstetigkei-
Hydrodynamik kann eine Triebwerkssimulation, die ten der Ölführungsgeometrie beseitigt werden. Dies
den gesamten Kurbeltrieb inklusive des Motorgehäu- geschieht durch Verrundung von Bohrungen und
ses umfasst, aufgebaut werden. Der Vorteil dieser kontinuierlichen Auslauf von Nuten.
282 7 Motorkomponenten

Bild 7-319 Modell und Ergebnisse einer starren hydrodynamischen Berechnung


7.19 Lager in Verbrennungsmotoren 283

Bild 7-320 Ergebnisse einer elastohydrodynamischen Berechnung

Bei der Konstruktion der Schmierölversorgung ist x Festsitz, Überstand


nicht nur auf ausreichende Zufuhr, sondern auch auf x Lagerspiel
ausreichende Abflussquerschnitte zu achten. Dies gilt x Verlauf der Lagerdicke über den Umfang, Frei-
besonders für die Führungslagerstelle, wo radial stellung am Stoß der Lagerschalen
durchgehende Nuten in der Lauffläche sowohl für x Oberflächenbeschaffenheit, Form- und Lagetole-
Benetzung der Axiallagerfläche als auch für eine ranzen der Anschlussteile.
wenig gedrosselte Ausströmung aus dem Radiallager
sorgen. Festsitz, Überstand
Nuten im Lagergehäuse sind häufig für die Ölver- Die Lagerkraft muss auf das Gehäuse übertragen
teilung erforderlich, wobei wichtig ist, dass die La- werden. Dazu ist ein Festsitz des Lagers im Gehäuse
gerschalen in belasteten Zonen nicht hohl liegen, weil notwendig, der die durch Schwelllast entstehenden
sie sich ansonsten unter dem Schmierfilmdruck Relativbewegungen zuverlässig unterdrückt. Dieser
durchbiegen und Brüche des Lagermetalls auftreten Festsitz wird zum Beispiel beim Radiallager durch
können. eine Überdeckung der Durchmesser beziehungsweise
durch den sogenannten „Überstand“ Sn der Halbscha-
7.19.2.6 Feindimensionen len erzeugt, Bild 7-321.
Die eigentliche Lagerkonstruktion konzentriert sich Die üblicherweise zur richtigen Positionierung des
neben der Wahl der Bauart auf die Feindimensio- Lagers angebrachten Nasen oder Stifte sind für die
nierung: Fixierung des Lagers nicht geeignet.

Bild 7-321 Überdeckung


und Einbauspannung
284 7 Motorkomponenten

Die Grenzen sind einerseits ein ausreichend hoher Hier wird oft die unmittelbare Lagerumgebung durch
radialer Anpressdruck (siehe Bild 7-321), anderer- eingegossene Sinterstahl- oder Stahlgussteile ver-
seits eine für die Lagerschale ohne große plastische steift. Zur Auslegung der Lagerstelle bei Verbund-
Verformung ertragbare Tangentialspannung. Bei den konstruktionen reichen die globalen Modelle für eine
heute üblichen geringen Lagerdicken sind alle gängi- Presssitz-Berechnung nicht mehr aus; es müssen die
gen Lagermetalle überfordert; eine Stahlstützschale lokalen Spannungen und Verformungen mittels FE-
muss für den Festsitz sorgen. Ein Motorenlager Methode ermittelt werden.
besteht also in der Regel aus einem Verbundmaterial Lagerspiel
von Stahl und eigentlichem Lagermetall, je nach
Das Lagerspiel ist die wichtigste frei wählbare Größe
Zusammensetzung und Einsatzbereich mit oder ohne
bei der Lagerkonstruktion. Kleines Lagerspiel ergibt
zusätzliche Beschichtung. Nur in Einzelfällen, zum nominell höhere hydrodynamische Tragfähigkeit und
Beispiel in großen Kolbenbolzenbüchsen, kann durch die höhere Dämpfung gegen Verdrängung
Vollmaterial verwendet werden. bessere akustische Bedingungen. Dagegen wird mit
Die in der Lagerfertigung erforderlichen niedrig größerem Lagerspiel der Schmieröldurchsatz über-
legierten Stahlsorten haben eine Stauchgrenze von proportional (mehr als quadratisch) größer; das Lager
maximal 360 N/mm2; daraus ergibt sich auch eine wird gegen Verformungen und Störungen toleranter.
Untergrenze der Lagerdicke, die bei circa 2,5 % des Man wird also das Mindestspiel so klein wie für die
Durchmessers liegt. Betriebssicherheit möglich wählen. Das Größtspiel
Von besonderer Bedeutung ist der Temperaturgang bei ergibt sich aus den Fertigungstoleranzen der Lager-
Leichtmetallgehäusen. Wegen der unterschiedlichen wanddicke (6 bis 12 μm) und der angrenzenden Bau-
Wärmeausdehnung von Stahl und Aluminium ergibt teile und kann besonders bei kleinen Motoren,
sich bei Erwärmung eine Abnahme, die bis zum Ver- D < 60 mm, unzulässig hoch werden. Eine Klassierung
lust der Vorspannung gehen kann, während bei niedri- der Lagerdicke ist häufig eine günstigere Methode zur
ger Außentemperatur die Festigkeit der Lagerschale Einschränkung der Spieltoleranz als genauere Fer-
beziehungsweise der Bohrung überschritten wird. tigung.

Lagerstelle Betriebsbedingungen Konstruktionsgrößen


Bewegungsart Belastungsart U Pmax \min B/D pr min
[m/sec] N/mm2] [%] –– [N/mm2]
Kurbeltrieb:
Kolbenbolzen- schwenkend Schwelllast aus Zy- 2–3 70 – 130 0,8 < 1,0 9
büchse linderdruck oszillie-
renden Massen
Pleuellager ungleichförmig Schwelllast aus 10 – 20 60–120 0,5 0,28 – 0,35 10
rotierend, ~ n Kolbenbolzenkraft
und rotierenden
Massen
Kurbelwellen- rotierend, n Schwelllast aus 12 – 22 50–90 0,8 0,25 – 0,32 8
lager benachbarten
Pleuellagern
Axiallager gleitend Führungskraft, 15 – 24 < 2 Dauer –– ––– ––
Kupplungskraft, < 5 kurz
Stoßlast < 12 Stoß
Ventiltrieb:
Kipphebellager schwenkend, > 0 stoßförmig 60 – 90 0,7 0,5 – 0,8 9
Nockenwellen- rotierend, n/2 schwellend 20 – 50 8
lager
Massenaus- rotierend, 2n umlaufend 20 – 40 1,2 0,3 – 0,4 > 10
gleich
Rädertrieb, rotierend gleichförmig konstruktiv bedingt
Kettenräder,
Nebenaggregate

Bild 7-322 Kenngrößen und typische Anhaltswerte für wichtigste Lagerstellen


7.19 Lager in Verbrennungsmotoren 285

Wie beim Presssitz ist auch die Beherrschung des Einlaufschichten unterstützen den Lagereinlauf durch
Lagerspiels bei Gehäusen aus Leichtmetall schwierig. rasches Anpassen im Einlauf und verhindern Fressen
Hier ergibt sich über den Temperaturbereich eine bei Motorenanlauf.
unzulässige Veränderung von zum Beispiel 15 μm bei Jeder gute Lagerwerkstoff ist ein Kompromiss zwi-
– 30 °C auf bis zu 120 μm bei 130 °C für einen schen den widersprüchlichen Anforderungen nach
Durchmesser von 50 mm. Zur Einschränkung des Festigkeit und tribologischen Eigenschaften. Die
Größtspiels ist eine genauere Klassierung erforder- beste Zusammensetzung richtet sich nach der Ge-
lich, bei der Bohrung, Welle und Lager einander wichtung für den vorliegenden Einsatzfall.
zugeordnet werden. Trotz der Vielzahl unterschiedlicher und zum Teil
sehr ähnlicher Werkstoffe verschiedener Lagerher-
Wanddickenverlauf, Freistellung am Lagerstoß steller lassen sich die für den Einsatz in Verbren-
Ideal für die Lagerfunktion ist eine ungestört kreiszy- nungsmotoren wichtigsten in drei Gruppen von La-
lindrische Bohrung. Die Spannungen aus dem La- germetallen und drei Gruppen von Laufschichten
gereinbau und die Massenkräfte erzeugen jedoch eine zusammenfassen (Bild 7-323).
meist unrunde Bohrung, die durch eine kontinuierli-
che Veränderung der Lagerschalendicke vom Scheitel
Lagermetalle
zum Stoß kompensiert wird. Bei halbschalig geteilten
Weißmetalle, gegossen (DIN-ISO 4381, SAE 12 – 17)
Lagern sorgt eine unmittelbar neben dem Stoß liegen-
de, einige Millimeter lange Freistellung von circa 5 PbSb14Sn9Cu

bis 15 μm Tiefe für den Ausgleich unterschiedlicher SnSb8Cu4, SnSb12Cu5


Dicken der Halbschalen. Einige Kenngrößen zeigt Al - Legierungen, walzplattiert (SAE 770 – 788)
Bild 7-322. AlSn40Cu, AlSn25CuMn, AlSn20Cu, AlSn6Cu
Wesentlich für eine störungsfreie Funktion des La- AlSn12Si4, AlSn10NiMn
gers ist auch die richtige Gestaltung der Bohrung und AlZn4.5SiPb
der Zapfen in Bezug auf Fluchtung, Rundheit, Bal- Bleibronzen, gegossen, gesintert
ligkeit, Welligkeit und Rauigkeit. Hier wird auf die (DIN 1716; DIN-ISO 5382, 4383; SAE 790 – 798)
einschlägigen Konstruktionsrichtlinien und Normen CuPb30
verwiesen. CuPb25Sn4, CuPb20Sn2
Die Wahl der Lagerbauart in Abhängigkeit von Be- CuPb15Sn7, CuPb10Sn10
lastung und anderen Randbedingungen erfolgt anhand
Bleifreie Kupferwerkstoffe, gegossen
von zulässigen Grenzwerten. Die Belastungsgrenzen
CuSn 5 zu 1, CuZn20, CuAl8, …
und die Gebrauchseigenschaften der üblichen Lager-
Laufschichten
bauarten sind in 7.19.4 näher beschrieben. Wichtig ist
bereits im Entwurfstadium des Motors die simultane Weißmetall, galvanisch (SAE 19, …)

Entwicklung mit dem Lagerhersteller. PbSn8, PbSn10Cu2, PbSn16Cu3, Pbln9


SuSb12Cu, SuSb7, SuCu4
Synthetische Laufschichten
7.19.3 Lagerwerkstoffe PAI/MoS2/C, PAI/WS2/BNhex, PAI/PTFE/TiO2
Das Lager hat neben seiner eigentlichen Funktion, Al - Legierung, gesputtert
Last bei Relativbewegung zu übertragen, zusätzlich AlSn20Cu
die wichtige Aufgabe, Störungen des Systems auf
sich zu konzentrieren und die angrenzenden Bauteile Bild 7-323 Wichtigste Lagermetalle für Verbundlager
wie die Kurbelwelle, möglichst lange zu schützen.
Dies wird durch die steigenden Belastungen, Erhö- Die genaue Definition, Toleranzen der Werkstoffzu-
hung des Mischreibanteiles während des Zyklus und sammensetzung und mechanische Eigenschaften sind
Einschränkungen von Materialien wie Blei durch die in [1] und den oben angegebenen Normen angeführt.
Umweltgesetzgebung zunehmend schwieriger und
erfordert neue Ansätze. Bei den bekannten Standard- 7.19.3.1 Lagermetalle
werkstoffen, die aus einer härteren Matrix mit guter
Wärmeleitfähigkeit (zum Beispiel CuSn und AlCu) Weißmetalle
mit Einlagerungen aus weichen, unmischbaren Pha- Stahl-Weißmetall-Lager findet man im Pkw-Moto-
sen (hauptsächlich Pb und Sn) bestehen, setzt man renbau nur noch selten in niedrig belasteten Lager-
auf ein gutes Notlaufverhalten durch Schmierung aus stellen (Nockenwellenlager, Rädertrieb). Die Legie-
den niedrig schmelzenden Bestandteilen. Bei den rungen SnSb8Cu oder PbSn8 haben hervorragende
neuen, eher homogenen Werkstoffen tritt durch Laufeigenschaften, aber zu geringe Dauerfestigkeit
spezielle, triobologisch aktive Legierungselemente für die bei modernen Motoren im Triebwerk auftre-
der Schaden erst bei größeren Störungen ein. Dünne tenden Schwelllasten.
286 7 Motorkomponenten

AIZn5SiPb AlSn6Cu AlSn20Cu AlSn25CuMn


Härte HB 55–65 Härte HB 36–45 Härte HB 34–38 Härte HB 43–55

Bild 7-324 Gefügevergleich von Al-Lagerlegierungen

Die Herstellung des Verbundmaterials mit Stahl er- Neuere Entwicklungen, wie die sogenannte „Belt
folgt im Standguss oder Schleuderguss für Dickwand- Casting“ Technologie erlauben eine größere Bandbreite
Lager beziehungsweise als Bandguss für Dünnwand- im Verfahren und daher auch die Kombination: hoher
lager kleinerer Abmessungen. Anteil matrixverstärkender Elemente/hoher Weich-
phasengehalt. Da hier die Kokille – im Gegensatz zu
Leichtmetalle (Bild 7-324) den beiden anderen Verfahren – aus einem mitlau-
Legierungen auf Aluminium-Basis haben sich in fenden Band besteht, können die Erstarrungsbedingun-
weiten Bereichen als Hauptlager und Nockenwellen- gen besser auf die jeweilige Werkstoffzusammenset-
lager bewährt. Als Zweistofflager ohne Laufschicht zung abgestimmt werden. Durch die Verwendung
sind sie bei mäßigen Belastungen eine sehr kosten- dieser Gießmethode wurden Lagermetalle, wie das
günstige Lösung, als Dreistofflager und Rillenlager oben angesprochene AlSn25CuMn erst ermöglicht.
stehen sie in direktem Wettbewerb mit Bleibronzen. Nach dem Gießen werden die Streifen in mehreren
Nicht geeignet sind Al-Legierungen nach heutigem Schritten abgewalzt und wärmebehandelt; AlSn-
Standard für hochbelastete Buchsen mit Schwenkbe- Legierungen werden danach noch mit einer dünnen
wegung, zum Beispiel im kleinen Pleuelauge, und Bindeschicht aus Al verbunden und – abhängig von
Kipphebel und als Untergrund für Sputterlager. der Dicke der fertigen Lager – zu Coils aufgewickelt
Am häufigsten eingesetzt werden AlSn-Legierungen. oder in Streifen zwischengelagert.
Ab einem Sn-Gehalt von circa 15 % haben diese Die Verbindung mit Stahl erfolgt durch Walzplat-
Legierungen gute Gleiteigenschaften; ihre exzellente tieren – im Prinzip ein Reibschweißvorgang (Bild
Korrosionsbeständigkeit erlaubt vor allem auch den 7-325). Die Oberflächen der beiden Bänder werden
Einsatz in Gasmotoren und großen Viertaktern, die gereinigt und aktiviert; danach erfolgt eine Erwär-
mit Schweröl betrieben werden. Im angelsächsischen mung und das Zusammenwalzen bei Abwalzgraden
Raum und in Japan werden auch AlSiSn-Werkstoffe von 20 bis 35 %. Das fertige Band wird wieder aufge-
und auch AlPb-Legierungen eingesetzt. rollt. Bei kleineren Losgrößen ist das Plattieren in
Für hohe Belastungen, zum Beispiel in Pleuellagern, Streifen von mehreren Metern Länge wirtschaftlicher;
wird AlZn4,5SiPb verwendet. Dieser Werkstoff hat das Verfahren ist im Prinzip das Gleiche.
keine eingelagerte Weichphase mehr und eignet sich Die neueren AlSn-Legierungen werden auch mit le-
daher nur mit Laufschicht als Untergrund für Drei- gierten Zwischenschichten, zum Beispiel AlZn, plat-
stoff- oder Rillenlager. tiert, damit ihre höhere Festigkeit auch im Verbund
Die Herstellung von Al-Lagerlegierungen erfolgt genutzt werden kann.
durch kontinuierliche oder halbkontinuierliche Guss- Kupfer-Legierungen
verfahren, wobei die Verfahrensfenster durch das
Die Werkstoffe für Lageranwendung auf Cu-Basis
Entstehen von Seigerungen der weichen Phase und
sind sehr vielfältig. Für Verbundwerkstoffe werden
durch das Auftreten von Rissen in der harten Phase
fast ausschließlich Legierungen vom Typ CuPbSn
begrenzt sind. Je fester die Matrix und je höher der eingesetzt. Andere Legierungen wie CuAl oder CuZn
Sn-Gehalt, umso enger das Verfahrensfenster. werden nur in Sonderfällen als Massivwerkstoff
Die heute am weitesten verbreitete Methode ist der eingesetzt.
horizontale Strangguss (HSG), der für AlSn-Werk- Bleibronzen bestehen aus einer festen CuSn-Matrix,
stoffe unkritisch ist, allerdings keine höherfesten in die Blei eingelagert ist. Zinn wird im Bereich von
Gefüge produzieren kann. Ein etwas homogeneres 1 bis 10 %, Blei von 10 bis 30 % zulegiert. Je höher
Gefüge ist mit dem vertikalen Strangguss zu er- der Sn-Gehalt, desto fester; je höher der Pb-Gehalt,
zielen, allerdings ist das Verfahren wegen der schwie- desto lauffähiger wird der Werkstoff. Es bilden sich
riger zu beherrschenden Kühlbedingungen anfälliger. die beiden Gruppen
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren 287

Ab-Haspel Bürstmaschine
Bandschweiß- Richtwalze Per-Bad
maschine

Al-Band Plattier-
Induktion- Walzwerk
Ab-Haspel Ofen
Bandschweiß-
Schere
maschine
Bandschleif-
maschine
Richtwalze Auf-Haspel

Per-Bad

Bild 7-325 Herstellung des


Stahl-Aluminium-Verbund-
St-Band
materials (aus [1])

x CuPb(18 – 23)Sn(1 – 3) für höhere Gleitgeschwin- durch Schwefel- und Chlorverbindungen. Daher
digkeiten, das heißt für den Einsatz in Pleuel- und werden bei Schwerölbetrieb und in Gasmotoren Al-
Hauptlagern und Legierungen bevorzugt.
x CuPb(10 – 15)Sn(7 – 10) für Schwenkbewegung, Die Herstellung des Bronze-Stahl-Verbundmaterials
das heißt für den Einsatz in Kipphebel- und erfolgt durch Gießen oder Sintern.
Kolbenbolzenbüchsen Als Gussverfahren eignet sich der Bandguss bis circa
heraus. Im Bereich der bleifreien Kupferwerkstoffe 6 mm Dicke des Verbundmaterials beziehungsweise
sind eher homogene Werkstoffe wie Messing oder der Schleuderguss für dickere Lager.
Bronzen im Einsatz. Beim für Pkw-Lager am weitesten verbreiteten Band-
guss wird das vorbehandelte Blechband an den Kan-
x CuSn basierende Bronzen mit guter Verform- ten aufgebogen und die Schmelze in den Trog einge-
barkeit und gossen. Nach dem Abkühlen wird die Oberfläche
x CuZn basierende Messinglegierungen mit guter gefräst und die Seitenkanten werden beschnitten.
Korrosionsbeständigkeit. Eine leichte Reckung des Bandes während der letzten
Für rotierende Anwendungen sind Bleibronzen nur beiden Schritte sorgt für eine stabile Stahlfestigkeit.
mit zusätzlicher galvanischer oder gesputterter Lauf- Ein optional nachgeschalteter Walzvorgang erhöht für
schicht geeignet. Kolbenbolzen- und Kipphebelbüch- hochbelastete Lager (Sputterlager) die Festigkeit so-
sen werden abhängig von ihrer Größe mit und ohne wohl des Stahls als auch der Bronze. Zur Zwischenla-
Laufschicht eingesetzt. gerung wird das Band wieder aufgerollt (Bild 7-326).
Ein wesentlicher Nachteil von Bleibronzen ist die Beim Sintern wird wiederum das Blechband vor-
Empfindlichkeit des Bleis gegen korrosiven Angriff behandelt, danach Bronzepulver aufgestreut. Der ei-

Ab-Haspel Bürstmaschine Auf-Haspel

Bandschweißmaschine Vorfräßmaschine
Profiliermaschine Rollenschere
Glühstrecke Fertigmaschine
Schmelzofen Walzenzug
Gießkasten Schere
Kühlstrecke

+ + Bild 7-326 Herstellung des


Bleibronze-Verbundmate-
rials im Bandguss (aus [1])
288 7 Motorkomponenten

Bild 7-327 Gefüge der


Legierung CuPb20Sn2
CuPb20Sn CuPb20Sn CuPb20Sn
Bandguss Schleuderguss gesintert
aus verschiedenen Herstell-
verfahren

gentliche Sinterprozess (Sintern – Walzen) erfolgt in halte über 16 % führen zu schneller Diffusion und
zwei Stufen, um ein Gefüge mit wenigen und kleinen daher Langzeitinstabilität, Cu-Gehalte über 6 % zur
Poren zu erhalten. Versprödung, sodass die festigkeitssteigernde Wir-
Die Gefüge unterscheiden sich deutlich (Bild 7-327), kung zunichte gemacht wird.
auch die Festigkeit von gegossenen Bronzen ist ohne Als weiterer Standard haben sich Sn basierende Lauf-
besondere Maßnahmen höher als die von gesinterten. schichten mit Sb oder Cu Anteilen etabliert. Sie stellen
auch einen Ansatz für bleifreie Dreistofflager dar.
7.19.3.2 Laufschichten Eine gewisse Bedeutung haben in diesem Zusammen-
Auf alle höherfesten Lagermetalle müssen sogenann- hang auch Bi-Laufschichten erlangt.
te Laufschichten aufgebracht werden, um ausreichend Hergestellt werden diese Schichten in galvanischen
gutes Laufverhalten und Störunempfindlichkeit her- Bädern unter Strom in einem vielstufigen Prozess von
zustellen. Es gibt im Wesentlichen drei grundsätzlich Vorbehandlung, Aufbringen und Aktivieren der
verschiedene Arten der Beschichtung: Zwischenschicht, Abscheiden der Laufschicht und
nachfolgender Wärmebehandlung zur Stabilisierung
x elektrochemisch abgeschiedene Weißmetalle des Gefüges und zur Herstellung einer ausreichenden
x gespritzte/gedruckte Kunststoffschichten auf Poly- Diffusionsbindung.
merbasis Die Dicke von Laufschichten ist aus mehreren Grün-
x durch PVD-Verfahren (Sputtern) aufgebrachte den begrenzt:
AlSn-Legierungen.
x Die Dauerfestigkeit nimmt mit zunehmender
Oberflächen-Modifikationen wie zum Beispiel Zink- Dicke schnell ab.
phosphatieren finden sich zwar in Nischenanwendun- x Bei Verschleiß darf sich die Schmierspaltgeo-
gen, setzen sich aber auf breiter Basis nicht durch. metrie nicht unzulässig verändern.
Zur guten Bindung am Untergrund und/oder zur x Durch Konzentration elektrischer Spannungen
Unterbindung von Diffusionserscheinungen ist eine kommt es an Kanten und Rändern zu Verdickungen.
Zwischenschicht erforderlich, in der Regel aus Nickel
oder NiSn. Nickel ist kein Gleitwerkstoff; daher soll Auch aus wirtschaftlichen Gründen ist möglichst eine
die Dicke dieser Schicht deutlich geringer sein als die Maßbeschichtung anzustreben.
Oberflächenrauigkeit. Üblich sind 1 bis 3 μm, ansons- In der Regel werden Laufschichten von 15 bis 35 μm
ten kommt es zu größeren zusammenhängenden Ni- Dicke maßgalvanisch, in Abhängigkeit von der La-
Feldern an der Lauffläche und einem aggressiven gerdimension aufgebracht; wo dickere Schichten
Verhalten des Lagers bei Störungen, wenn die Lauf- notwendig sind, zum Beispiel in Großlagern, müssen
schicht verschlissen ist. diese nachbearbeitet werden.

Galvanische Laufschichten Synthetische Laufschichten


Diese Laufschichten sind legierungstechnisch gesehen Diese sind Weiterentwicklungen von Trockenschmier-
ähnlich den gegossenen Weißmetallen, haben aber eine stoffen auf Basis neuer Polymergruppen mit der not-
geringere Härte und auch ein feineres Gefüge, weil sie wendigen Alterungsstabilität. Die Laufschicht wird
bei Temperaturen unterhalb des Schmelzpunkts, quasi spritz- oder drucktechnisch aufgebracht und erhält
im eingefrorenen Zustand, abgeschieden werden (siehe ihre Festigkeit durch den Polymerisationsvorgang in
Bild 7-332, Dreistofflager). Sie sind sehr unempfindlich einer gesteuerten Temperaturbehandlung. Als tribo-
gegen Mischreibung, verschleißen aber wegen ihrer logisch aktive Füllstoffe werden hauptsächlich Gra-
niedrigen Härte von 14 bis 22 HV auch schnell. phit und MoS2 verwendet.
Weit verbreitet ist das System PbSn(8 – 18)Cu(0 – 8), Die Schichten wirken durch die Reduktion von Rei-
wobei der Sn-Anteil die Korrosionsempfindlichkeit bung durch gezielten Verschleiß im Falle von Fest-
reduziert und Cu die Dauerfestigkeit erhöht. Sn-Ge- körperkontakt, reduzieren so den Energieeintrag
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren 289

Bild 7-328 Querschliff


SYNTHEC

wesentlich und verhindern auf diese Weise Lagerver-


sagen. Ein Schliff durch eine derartige Schicht als
Lagerschale Lagerschale
Laufschicht ist in Bild 7-328 dargestellt. Weiter wer-
den diese Schichten auch als Einlaufschichten in
Al
einer Dicke von 6 bis 10 μm verwendet. Al

Gesputterte Laufschicht
Eine Entwicklung, die erst im letzten Jahrzehnt in
größerem Umfang in Serie gegangen ist, stellt die Al

Anwendung des Sputterverfahrens zur Abscheidung Plasma Plasma


e
von AlSn-Schichten auf Gleitlager dar.
Al+
Sputtern (Kathodenzerstäuben) ist ein Beschichtungs-
verfahren, bei dem im Hochvakuum ein Arbeitsgas Al e–

(Argon) ionisiert wird. Ein elektrisches Feld beschleu-


nigt die Ionen zur Kathode, dem „Target“, aus dem
durch den Aufprallimpuls Atome herausgeschlagen
werden. Diese Atome kondensieren an der Lagerlauf-
fläche und bilden die Gleitschicht, Bild 7-329. Al Al Sn Al Al Al Sn Al Target
Durch atomare Abscheidung bildet sich ein festes Target
Gefüge mit extrem feiner Weichphasenverteilung, Al Sn Al

was trotz der hohen Härte von circa 90 HB gute Lauf- Gitter-Atom Primärstoß
eigenschaften erzeugt (Bild 7-330).
Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist die Steigerung Bild 7-329 Sputterverfahren, schematisch
der Bindefestigkeit durch Vorreinigung des Substrats
durch „Sputter-Ätzen“ im Vakuum, wodurch eine
hochaktive Oberfläche erzeugt wird.
Heute wird fast ausschließlich AlSn20Cu als Sputter-
schicht für hochbelastete Lager verwendet, doch ist AlSn20
das Verfahren grundsätzlich sehr flexibel und erlaubt Strangguss
plattiert
die Abscheidung einer viel größeren Legierungsbreite
als die herkömmlichen elektrochemischen Verfahren.
Der einzige wesentliche Nachteil sind die hohen
Kosten der Beschichtung.

7.19.4 Lagerbauarten – Aufbau,


Belastbarkeit, Anwendung gesputterte
AlSn20
Aus Kostengründen wird angestrebt, mit einem mög- Legierung
lichst einfachen Aufbau des Lagers die Anforderun-
gen für den jeweiligen Einsatzfall zu erfüllen. Die
widerstrebenden Forderungen nach Festigkeit, gutem
Festsitz und guten Laufeigenschaften führen aber
letztendlich zu einem arbeitsteiligen Prinzip und Bild 7-330 Gefügevergleich von AlSn20-Schichten,
mehrschichtigem Aufbau der Lager. walzplattiert und gesputtert
290 7 Motorkomponenten

Stütz- Lager-Metall Laufschicht Maximal Hauptanwendung


schale pquer
Massivlager keine CuPb15Sn7 keine 60 Kolbenbolzenbüchsen
AlSn6 Anlaufringe, Nockenwellenlager
Zweistofflager Stahl CuPb10Sn10 keine 120 Kolbenbolzenbüchsen,
CuPb15Sn7 Kipphebelbüchsen
AlSn6 45 Anlaufringe, Nockenwellenlager
AlSn20 40 Hauptlager, Pleuellager
SnSb12Cu 20 Nockenwellenlager
Dreistofflager Stahl CuPb10Sn10 PbSnCu 90 große Kolbenbolzenbüchsen
CuPb20Sn2 PbSn16Cu 55 Pleuellager, Hauptlager
PbSn10 Cu
PbSn10
SuSb7 Keramik 65
SYNTHEC 70
CuZn5Zn SnCu4 65
SYNTHEC 70
AlZn4,5 PbSn16Cu2 50 Pleuellager
RillenlagerTM Stahl CuPb20Sn2 SnSb7 50 Hauptlager großer Motoren
AlZn4,5 PbSn16Cu2 55 Hauptlager, Pleuellager
Sputterlager Stahl CuPb20Sn2 AlSn20 > 100 Pleuellager
CuPb10Sn10
CuSn5Zn > 120
CuSn5Zn AlSn20 + > 130
SYNTHEC
Bild 7-331 Wichtigste Lagerbauarten und Einsatzgebiet

Die Gebrauchseigenschaften der Lager, vor allem 7.19.4.2 Zweistofflager


ihre dynamische Belastbarkeit, sind neben den ver-
wendeten Werkstoffen auch durch ihren Schichtauf- Hier gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche
bau, die Schichtdicken und andere konstruktive Maß- Einsatzgebiete:
nahmen zu beeinflussen. So gibt es über die klassi- x Für Kolbenbolzen- und Kipphebellagerung eig-
sche Mehrschichtigkeit hinaus neuere Bauformen, die nen sich gerollte Buchsen aus harten Bleibron-
durch gezielten Schichtaufbau oder Laufflächen- zen. Sie ertragen die hohen Belastungen bis
gestaltung die Gebrauchseigenschaften des Lagers 120 N/mm2, die reduzierte Lauffähigkeit spielt
optimieren. durch die geringe Umfangsgeschwindigkeit keine
Die grundlegenden Vor- und Nachteile wurden be- Rolle. Bei ungenügendem Ölangebot neigen diese
reits bei den Werkstoffen erwähnt. Das Bild 7-331 Buchsen zu Bleiaustritt aus dem Werkstoff und
gibt einen Überblick über die am häufigsten verwen- Ölverkokung („Brandspuren“).
deten Bauarten für das jeweilige Einsatzgebiet. x Lager auf AlSn-Basis sind wegen ihres ausge-
zeichneten Performance-Kosten-Verhältnisses die
7.19.4.1 Massivlager bevorzugte Lösung für moderat belastete Einsatz-
Massivmaterial wird vorwiegend in Großmotoren fälle mit Rotationsbewegung, vorwiegend also
verwendet, in Form von harten Bronzen für dickwan- Haupt- und Pleuellager von Ottomotoren und
dige Buchsen und AlSn6 für Anlaufringe (Axiallager). Großdiesel. Ihr Verschleiß ist niedrig; der An-
Vorteil ist die einfache Herstellung, bei Anlaufringen passungsfähigkeit sind Grenzen gesetzt. Der nie-
noch die Möglichkeit, bei entsprechender Konstruktion drige Verschleiß birgt auch ein Risiko: Das Er-
eine beidseitige Verwendbarkeit zu erreichen. scheinungsbild der Lager ändert sich kaum; daher
Bei Pkw-Motoren werden häufig die langsamlaufen- ist auch eine Diagnose des Zustands durch opti-
den Nockenwellen direkt im Leichtmetall-Zylinder- sche Beurteilung schwierig. Im Erprobungs-
kopf gelagert. Obwohl diese Legierungen keine La- stadium eines Motors ist daher eine ausreichende
germetalle sind, ist ihre Funktion wegen der geringen statistische Absicherung der Lebensdauer erfor-
Energiedichte in der Lagerung ausreichend sicher. derlich.
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren 291

Sputterlager
Stahlstützschale
Wahlweise mit Bleibronze- oder
hochfester Aluminiumlegierung
als Zwischenschicht oder ohne
Zwischenschicht
Laufschicht: AlSn20 Sputter
Sputterschicht: SYNTHETIC
Einlaufschicht

CuSn5Zn Bronze AlSn20


Rillenlager
Stahlstützschale
Je nach Einsatzfall kommen
verschiedene Aluminium- oder
Bleibronze-Legierungen als
Zwischenschicht und verschiedene
galvanische Laufschichten zur
Anwendung

CuPb20Sn AlZn4,5
Dreistofflager
Stahlstützschale
Je nach Einsatzfall kommen
verschiedene Aluminium- oder
Bleibronze-Legierungen als
Zwischenschicht und verschiedene
galvanische Laufschichten zur
Anwendung,
SYNTHETIC Laufschicht
als Alternative

CuPb20Sn CuSn5Zn-Synthec
Zweistofflager
Stahlstützschale
Je nach Einsatzfall kommen
verschiedene Aluminium- oder
Bleibronze-Legierungen
zur Anwendung

CuPb20Sn AlSn20Cu
Bild 7-332 Materialaufbau
(Beispiele)

Die immer weiter steigenden Belastungen in der Neu- vorherrschende Bauart für Kurbelwellenlager. Sie
und Weiterentwicklung von Motoren hatten die stellen eine ausgereifte Technologie dar, sind welt-
Entwicklung von Zweistofflagern mit höherfesten weit verfügbar und haben ein gutes Kosten-Nutzen-
AlSn-Legierungen zur Folge. Für diese gilt grund- Verhältnis. Sie zeichnen sich durch gute Anpassungs-
sätzlich das oben Gesagte, doch sind diese Lager fähigkeit sowie Schmutz- und Fehlertoleranz aus,
wegen der kleineren Schmierspalte und der höheren solange die weiche Laufschicht erhalten ist. Für
Energiedichte verreibgefährdeter. Die Erhöhung der größere Motoren werden auch Dreistofflager auf
Festigkeit durch Reduktion des Zinn-Gehalts ist Leichtmetallbasis eingesetzt.
daher kein zielführender Ansatz. Auch die Binde- Für die hohen Belastungen vor allem in Pleuellagern
schicht aus Reinaluminium kann zur Schwachstelle moderner Motoren mit Direkteinspritzung (sowohl
werden. Otto als auch Diesel) sind Dreistofflager nur be-
schränkt geeignet. Ihre Schwachstelle ist der bei
7.19.4.3 Dreistofflager zunehmender Belastung immer raschere Verschleiß
Dreistofflager mit galvanisch aufgebrachter Lauf- der Laufschicht. Auch die Korrosionsfestigkeit, die
schicht, vor allem auf Bleibronze-Basis sind die bei längeren Ölwechselintervallen immer wichtiger
292 7 Motorkomponenten

wird, ist nicht hoch. Der Verschleiß der 15 bis 30 μm guten Laufeigenschaften finden sie in Motoren hoher
dicken Laufschicht beeinträchtigt die Lagerfunktion Leistungsdichte für Pkw, Nutzfahrzeuge (hauptsäch-
an und für sich nur unwesentlich; die Freilegung des lich in bleifreien Versionen) und Antriebe schneller
Untergrunds führt aber zu einer drastischen Erhöhung Schiffe Anwendung. Vor allem für Pleuellager von
der Empfindlichkeit gegenüber Störungen. Das klas- Pkw-Dieselmotoren mit Direkteinspritzung kommen
sische Dreistofflager mit PbSnCu-Laufschicht wird heute derartige Lager in unterschiedlicher Material-
daher zunehmend durch höherfeste Al-Zweistoff- kombination zum Einsatz. Für Lager in Nutzfahrzeu-
lager im unteren Lastbereich, durch Dreistofflager mit gen mit extremer Belastung und Sputterlager mit
Sn basierender Drittschicht im angestammten Lastbe- größeren Lagerdurchmessern werden sie teilweise mit
reich und durch die eigentlichen Hochleistungsbauar- SYNTHEC-Einlaufschicht versehen. Die wesentli-
ten – Rillenlager für Großmotoren und SYNTHEC chen Nachteile der Sputterlager sind ihr Preis sowie
beziehungsweise Sputterlager für Pkw- und Nfz- die etwas höhere Empfindlichkeit bei Schmutzanfall,
Motoren – ersetzt. speziell bei den bleifreien Versionen. Auf Grund der
aufwändigen Vakuumbeschichtung zum Beispiel ist
7.19.4.4 Miba-Rillenlager ein Sputterlager circa 5- bis 8 - mal so teuer wie ein
Dreistofflager. Daher wird in den Pleuel- und Haupt-
Das von Miba vor fast 20 Jahren entwickelte Rillen- lagern eine Sputter-Schale auf der hoch belasteten
lager, Bild 7-333, verzögert den Abtrag der Lauf- Seite mit einer Dreistoff- oder Rillenlagerschale auf
schicht durch eine spezielle Geometrie der Oberflä- der weniger belasteten Seite kombiniert. Diese Kom-
che. Die Laufschicht ist in feinste Rillen in Laufrich- bination hat zusätzlich den Vorteil, dass kleine
tung eingelagert; dazwischen befinden sich Stege des Schmutzpartikel in der weichen Laufschicht eingebet-
härteren Lagermetalls. Das Werkstoffverhältnis an tet werden können.
der Lauffläche ist circa 75 % Laufschicht, 25 % Speziell für größere schnelllaufende Motoren wurden,
Lagermetall. Mit dieser Geometrie wird erreicht, dass um eine verbesserte Schmutzverträglichkeit und An-
die tribologischen Eigenschaften nach wie vor von passungsvermögen bei Geometrieabweichungen zu
der Laufschicht bestimmt werden, diese aber durch erreichen, inzwischen auch weichere Sputterschichten
die härteren Stege vor Verschleiß geschützt ist. Damit auf Zinnbasis entwickelt.
bleiben die guten Laufeigenschaften wesentlich län- Richtwerte für Einsatzgrenzen und Kosten von La-
ger erhalten als bei Dreistofflagern. gerbauarten zeigt das Bild 7-334.
Das Rillenlager findet heute sein Hauptanwendungs-
gebiet in Dieselmotoren hoher spezifischer Leistung
für den Antrieb von Lokomotiven und Schiffen; im 7.19.5 Lagerversagen
Segment der Pkw- und Nfz-Motoren wurde es wegen 7.19.5.1 Hergang eines Schadens
der immer weiter steigenden Belastungen in den
letzten Jahren mehr und mehr durch das Sputterlager Ein Lagerschaden, Bild 7-335 im eigentlichen Sinn
ersetzt. ist immer eine Störung der Geometrie des Gleitrau-
mes in einem Ausmaß, das keine stabile Operation
7.19.4.5 Sputterlager der Lagerstelle mehr zulässt. Die Folge ist hohe
Reibung, damit örtliche Überhitzung und Zerstörung
Die am höchsten belastbaren Lager, die heute in des Lagers und der angrenzenden Bauteile bis zum
großen Stückzahlen produziert werden, sind Drei- Totalschaden des Motors.
stofflager auf Basis von Bleibronze oder bleifreier In Verbrennungsmotoren, wo im Gegensatz zu Ma-
Bronze mit Sputter-Laufschicht. Wegen der hohen schinenbaulagern die Lastgröße und Richtung zy-
Belastbarkeit bis über 100 N/mm2 bei gleichzeitig klisch wechselt, ist der Schadensverlauf vom Ort,

Struktur der Lauffläche

200 μm
Laufschicht
ca. 75 %

Al-Legierung
ca. 25 %
Nickeldamm
max. 5 %

Ansicht der Laufrichtung Schnitt senkrecht zur


Laufrichtung
Bild 7-333 Miba-RillenlagerTM
7.19 Lager in Verbrennungsmotoren 293

a) b)

c) d)

Bild 7-334 Richtwerte für Lagerbauarten


e)
Zeitpunkt und Lastniveau abhängig und daher sta- Übertemperatur, Ölmangel etc.) oder ein Geometrie-
tistisch zu sehen. Dieselbe Ursache kann in einem fehler durch Verschleiß oder Anpassung gemildert
Lager zu einem Totalschaden führen, während im wird.
Nachbarlager kaum eine Schädigung zu bemerken ist. Wegen der hohen Folgeschäden eines Lagerversagen
Auch können Störungen kurzzeitig überbrückt und werden aber auch schon Erscheinungen, die für sich
ausgeheilt werden, wenn die Ursache behoben ist betrachtet noch keinen Ausfall verursachen, als La-
(zum Beispiel durch Ölmangel, große Schmutz- gerschäden eingestuft. Derartige Erscheinungen sind
partikel, Geometrieabweichungen etc.) (zum Beispiel als Frühwarnzeichen für einen sich anbahnenden
294 7 Motorkomponenten

Lagerschaden zu verstehen und daher für die Zu- Dauerbruch


standsdiagnose des Systems sehr wichtig. Der Lagerwerkstoff muss ausreichend Dauerfestigkeit
aufweisen, damit für die geforderte Lebensdauer die
Schwelllast sicher übertragen werden kann. Ist dies
nicht der Fall, entstehen feine Risse und in weiterer
Folge ein Abplatzen von Partikeln. Das Gefahrenpo-
tenzial von Dauerbrüchen ist von der Dicke der
betroffenen Schicht abhängig: Ausbrüche der Lauf-
schichten führen selten direkt zu Lagerversagen.
Brüche des circa zehnmal so dicken Lagermetalls
stören die Gleitraumgeometrie nachhaltig.
Kavitation
Kavitation ist eine Folge von Dampfblasen im
Schmieröl, die entstehen, wenn der Schmieröldruck
örtlich den Dampfdruck unterschreitet. Wenn diese
Bild 7-335 Totalschaden eines Bleibronze-Lagers Blasen wieder in ein Gebiet höheren Drucks kom-
men, implodieren sie. Der dabei entstehende Druck-
7.19.5.2 Arten von Lagerschäden stoß reißt aus der Lageroberfläche Teilchen heraus, in
schweren Fällen durch das Lagermetall durch bis in
Die Norm DIN-ISO 7146 und Fachpublikationen den Stahl der Stützschale.
der Gleitlagerhersteller beschreiben die häufigsten Kavitation ist sehr häufig ein konstruktives Problem
Lagerschäden, daher hier nur eine kurze Übersicht. (Nutausbildung, Lagerspiel etc.). Ihr Auftreten kann
Die Darstellung folgt der Gliederung der DIN- zusätzlich zu Änderungen der Ölführungsgeometrie
ISO 7146. auch durch Maßnahmen verringert werden, die den
Öldruck im System heben.
Schäden an der Lauffläche
Korrosion
Fremdkörper, Schmutz
Von den in der Lagertechnik gebräuchlichen Materia-
Fremdkörper, die mit dem Schmieröl in die Lagerung lien ist das Blei der galvanischen Laufschicht und der
eingeschwemmt werden, stellen trotz großer Bemü- Bleibronze durch Reaktion mit Schwefel und Chlor
hungen um Sauberkeit in Montage und Betrieb immer am meisten betroffen. In den Fällen, wo Korrosion im
noch die häufigste Ausfallursache von Lagern dar, Betrieb zu erwarten ist, zum Beispiel bei mit Schwer-
besonders bei Hauptlagern. Das Problem bei diesen öl oder Deponiegas betriebenen Großmotoren, ist
Vorgängen ist neben der verbleibenden Störung, die eine Erhöhung des Sn-Gehalts in den CuPb-Werk-
die Lebensdauer reduziert, auch der Verriefungs- stoffen oder die Verwendung von AlSn statt CuPbSn
oder Einbettvorgang selbst! Dabei wird örtlich extrem erforderlich.
hohe Reibung erzeugt.
Flächiger Verschleiß Schäden am Lagerrücken
Bei hoher Last, falschem Öl (zu dünn) oder Wahl Mangelnder Festsitz
einer ungeeigneten Lagerbauart kann in der Zone des Die zweite wichtige Funktionsfläche des Radiallagers
kleinsten Schmierspalts vorzeitiger Verschleiß ent- ist der Außendurchmesser. Zur Übertragung der Kraft
stehen. In der Regel ist Verschleiß bei Normalbetrieb ist ausreichende Haftreibung erforderlich. Der Fest-
kein Problem; Dreistofflager werden aber störanfälli- sitz des Lagers in der Gehäusebohrung wird durch
ger, wenn die tolerante Laufschicht nicht mehr vor- eine ausreichende Überdeckung der Durchmesser
handen ist. hergestellt, bei Halbschalen durch eine Überlänge,
Kantenträger, lokale Überlastung, Überhitzung den sogenannten „Überstand“. Durch die elastischen
Verformungen unter den Betriebskräften ergibt sich
Geometriemängel, örtliche Anlaufstellen durch elasti- an der Schnittstelle zwischen Lager und Gehäuse eine
sche Verformungen oder Montagefehler kleineren Schubbeanspruchung, die bei ungenügendem Festsitz
Ausmaßes können durch örtlichen Abtrag der wei- zu Relativbewegungen zwischen Lager und Gehäuse
chen Schicht gemildert werden. Dieser Vorgang führt führt.
aber zu einem erhöhten Mischreibgrad, entsprechend Die Folge sind Materialverschiebungen, Reibrost,
der örtlichen Temperaturerhöhung, und im Extremfall Materialübertrag (Pittings) und in schweren Fällen
zur Instabilität und Zerstörung. Wanderung der Schalen.
7.20 Ansaugsysteme 295

Durch höheren Überstand können diese Relativbewe- x neue synthetische Laufschichten auf Polymerbasis
gungen unterdrückt werden. Die Grenze ist allerdings mit Festschmierstoffeneinlagerungen
durch die Tangentialspannungen in der Stahlschale x neue PVD Schichtkombinationen zur Erhöhung
gegeben, die die Kriechgrenze nicht überschreiten der Temperaturfestigkeit.
dürfen. Drehzahlerhöhungen bestehender Motoren
Mehrere derartige Neuentwicklungen sind knapp vor
machen daher häufig konstruktive Änderungen not-
der Serieneinführung. Sie werden die herkömmlichen
wendig.
Lager in Bereichen mit Umweltrelevanz wie die Pkw-
Montagefehler Industrie verdrängen und für andere Anwendungen
Neben den Betriebsbeanspruchungen und geometri- unter Berücksichtigung der tribologischen Notwen-
schen Mängeln sind häufig Fehler bei der Montage digkeiten Alternativen für höhere Lebensdauer und
der Lager die Ursache für schwere Lagerschäden. höhere Belastungen darstellen.
Daher sollen Lager so konstruiert sein, dass Falsch-
lagen, Verwechslungen und Ähnliches mit Sicherheit Literatur
vermieden werden. [1] Affenzeller, J.; Gläser, H.: Lagerung und Schmierung von Ver-
brennungsmotoren. Springer, 1996 (enthält ausführliches Litera-
turverzeichnis)
7.19.6 Ausblick [2] Lang, O. R.; Steinhilper, W.: Berechnung und Konstruktion von
Die rasante Entwicklung der Motorentechnik, die Gleitlagern mit dynamischer Belastung. Springer, 1978
[3] N.N.: Gleitlager-Handbuch, Miba Gleitlager AG, 2000
gerade durch die Einführung der Motoren mit Direkt- [4] Ederer, U. G.; Aufischer, R.: Schadenswahrscheinlichkeit und
einspritzung eine Beschleunigung erfährt, wird durch Grenzen der Lebensdauer. TA Esslingen, 1992
Entwicklungen der Komponenten begleitet und [5] Arnold, O.; Budde, R.: Konstruktive Gestaltung von Lagerungen
teilweise erst ermöglicht. in Verbrennungsmotoren. HdT Essen, 1999
[6] Ederer, U. G.; Werkstoffe, Bauformen und Herstellung von Ver-
Wesentliche Treiber für Neuentwicklungen auf dem brennungsmotoren-Gleitlagern. HdT Essen, 1999
Lagersektor sind: [7] DIN-ISO 7146: Schäden an Gleitlagern
x Belastbarkeit (höhere Zünddrücke, Mitteldrücke, [8] Knoll, G.; Umbach, S.: Einfluss des Schmierstoffs auf die
Mischreibung in Gleitlagern. In: MTZ (2010) 3
Laufzeiten) [9] Damm, K.; Skiadas, A.; Witt, M.; Schwarze, H.: Gleitlagererpro-
x Kosten (hochbelastbare Mehrschichtlager sind teuer) bung anhand der Forderungen des Automobilmarkts. In: MTZ
x Umweltfragen (Blei, Reinigung, Herstellprozesse). Extra (2010) 3
[10] Linke, B.; Buck, R.: Aggregatelager mit höherer Lebensdauer
Auch wenn heute alle Anforderungen von technischer durch schwingungstechnische Analyse. In: MTZ (2010) 3
Seite abgedeckt werden, stellt die Kombinationen von [11] Adam, A.; Prefot, M.; Wilhelm, M.: Kurbelwellenlager für Mo-
Belastbarkeit, Laufeigenschaften und Herstellkosten, toren mit Start-Stopp-System. In: MTZ (2010) 12
in Zusammenhang mit dem Ersatz von umweltbe-
denklichen Stoffen wie Blei eine besondere Heraus-
forderung für die Entwicklung dar. 7.20 Ansaugsysteme
Aus wirtschaftlichen Gründen wird die Verwendung
von Lagern ohne Laufschicht auch bei höheren Belas- Luftansaugsysteme moderner Verbrennungsmotoren
tungen angestrebt, sodass die meisten Werkstoffent- erfüllen neben Luftführung, Filtration, Akustik und
wicklungen der letzten Jahre auf eine Erhöhung der Luftverteilung auf die einzelnen Zylinder heute noch
Festigkeit bei möglichst wenig Einschränkungen in eine Fülle unterschiedlicher Funktionen. Mit zuneh-
Bezug auf die Lauffähigkeit gerichtet sind. Die Ent- mender Komplexität der Motoren werden die Anfor-
wicklungen gehen derzeit auf Grund des Technolo- derungen an Ansaugsysteme weiter steigen, wobei
giewechsels in unterschiedlichste Richtungen: die Haupttrends Downsizing, Plattformstrategie, Ver-
schärfung der Abgasgesetzgebung sowie eine Erwei-
x Verbesserung der Belastbarkeit von Zweistoffla-
terung der Funktionsintegration die Entwicklung der
gern, sodass sie in Teilbereichen die Dreistoff-
Systeme maßgeblich beeinflussen.
lager ersetzen. Dies geschieht durch Entwicklung
neuer Leichtmetall-Legierungen in Verbindung
Systemkompetenz
mit fortschrittlicher Gusstechnologie. Neuere Ent-
wicklungen sind zum Beispiel AlSn10NiMn, Die Luftführung wird von der Ansaugöffnung bis
AlSn12Si4 oder AlSn25CuCoZr – erstere wegen zum Zylinderkopf als System betrachtet, welches
der immer noch deutlichen Reduktion des Sn- vom Zulieferer ausgelegt und entwickelt, hergestellt
Gehalts eher für den Einsatz in kleineren Motoren und einbaufertig geliefert wird. Dies setzt beim Zulie-
(Pkw) bei moderaten Belastungen ferer ein entsprechendes Systemverständnis voraus,
x Erhöhung der Verschleiß- und Dauerfestigkeit der das sich über die gesamte Luftführung erstreckt und
galvanischen Laufschichten durch neue Werk- ein ganzheitliches Verständnis unterschiedlichster
stoffkombinationen im Zinnsystem, teilweise auch Funktionen des Motors inklusive des Ladungswech-
mit Partikelverstärkung, und komplett neue Syste- sels und der Abgasanlage voraussetzt.
me wie Wismut
296 7 Motorkomponenten

1 Rohluftleitung
2 Luftfiltergehäuse mit MAF
3 Reinluftleitung
4 Abgasturbolader
5 Ladeluftleitung 1
(heiße Hochdruckseite)
6 Ladeluftkühler 8
7 Ladeluftleitung
(kalte Hochdruckseite)
8 Saugrohr

7
5 5 4

Bild 7-336 Luftführungssystem eines Verbrennungsmotors (schematisch)

Grundlagen Im Folgenden werden die entsprechenden Kompo-


nenten und Funktionen insbesondere Filtration, Strö-
Das Ansaugsystem besteht aus den roh- und reinseiti-
mungstechnik und Akustik, näher beschrieben.
gen Luftleitungskomponenten, dem eigentlichen
Luftfilter als Hauptkomponente sowie dem Saugrohr, Rohluftleitung
wobei dem Motor möglichst partikelarme und kalte
Die Rohluftführung, also der Bereich des Ansaugsys-
Luft für den Verbrennungsprozess zugeführt werden
tems zwischen Ansaugöffnung im Frontend des Fahr-
soll. Akustische Maßnahmen dämpfen die vom Motor
zeuges und Luftfilter, erfüllt neben der Strömungsfüh-
emittierten Geräusche nach den gesetzlichen Vorga-
rung die Funktion der Partikel- und Wasserabschei-
ben, das Saugrohr verteilt die Ansaugluft möglichst
dung sowie gegebenenfalls der Warmluftzumischung.
homogen auf die einzelnen Zylinder und kann so eine
Eine geeignete Rohluftführung ist in der Lage, Grob-
gleichmäßige und wirkungsvolle Verbrennung ge-
partikel (Tropfen, Schnee, Verunreinigungen) über
währleisten. Bild 7-336 zeigt schematisch die Luft-
Umlenkungen mit geringem Druckverlust an den
führung eines Vierzylindermotors mit den wichtigs-
Wänden abzuscheiden. Diese Vorabscheidung entlas-
ten Funktionen und Anbauteilen. Der Aufbau des
tet die eigentliche Abscheidefunktion (Partikelauf-
Luftführungssystems hängt grundsätzlich von der Art
nahme) des Luftfilters. Die Position sowie der Ver-
des Verbrennungsprozesses (Otto oder Diesel) und
lauf der Leitung beeinflussen also maßgeblich den
vom Aufladeprinzip ab.
Partikeleintrag, die Partikelabscheidung und den
Druckverlust und werden heute mit Hilfe der Strö-
7.20.1 Komponenten des Ansaugsystems mungssimulation (CFD – Computational Fluid Dy-
Rohluftleitung und Luftfilter sind bei allen Varianten namics) rechnerisch vorherbestimmt.
ähnlich, stromabwärts des Luftfilters unterscheiden Die Warmluftzumischung beeinflusst das Betriebs-
sich die Systemen hingegen deutlich (Bild 7-337). verhalten des Motors, insbesondere in der Kaltstart-
Aufgeladene Motoren haben eine längere Luftfüh- phase. Auch die Trocknung des Filterelements und das
rung als Saugmotoren. Bei Motoren mit Abgasturbo- Abtauen von Schnee können durch die Warmluftzu-
lader (ATL) wird die Ansaugluft vom Frontmodul mischung begünstigt werden. Die Zumischung der
über den Luftfilter zum Verdichter des ATL beim Warmluft erfolgt mittels einer zweiten Ansaugung,
Abgaskrümmer geführt. Die komprimierte Luft wird deren Ansaugstelle in einem warmen Bereich des
dann wieder zum Frontmodul mit Ladeluftkühler Motorraums platziert ist. Die Regelung erfolgt über
geleitet. Schließlich führt die kalte Seite der Ladeluft- Klappen, welche zum Beispiel mittels Dehnstoffele-
leitung zum Saugrohr am Motor. menten temperaturgesteuert geschaltet werden.
7.20 Ansaugsysteme 297

Drosselklappe
Reinluftleitung 1 Reinluftleitung 2
Luftfilter
Ansaug-
öffnung Saugrohr

Zylinder
Rohluftleitung Luftmassen-
messer

Abgaskrümmer
Abgas

Bild 7-337a Luftführung bei Saugmotoren

Reinluftleitung Turbolader
Luftmassen-
Luftfilter
messer
Ansaug-
öffnung
Abgas
Ladeluftleitung,
heiße Seite

Rohluftleitung
Ladeluftkühler

Abgaskrümmer
Saugrohr

Zylinder
Ladeluftleitung, Drosselklappe
kalte Seite

Bild 7-337b Luftführung bei aufgeladenen Motoren

Luftfilter sehr früh das optimale Design zu bestimmen. Bei-


Als Luftfilter bezeichnet man im Allgemeinen das spielweise konnte bei dem in Bild 7-338 dargestellten
Gehäuse zur Aufnahme des Luftfilterelements. Neben System eine Druckverlustreduzierung von 30 % und
der akustischen Wirkung hat der Luftfilter die Funk- durch die Homogenisierung der Anströmung des
tion der Luftführung zur optimalen Anströmung des Luftfilterelementes eine deutliche Steigerung der
Filterelements. Unter „optimal“ versteht man dabei Filtrationsperformance erzielt werden. Ebenso profi-
eine möglichst gleichmäßige An- und Abströmung. tiert die Signalgüte des Luftmassenmessers von dieser
Dabei sollte die Geschwindigkeit senkrecht zum Strömungsoptimierung.
Filterelement über die gesamte Filterfläche möglichst In der kalten Jahreszeit kann Schnee angesogen
gleichmäßig verteilt sein, so dass eine druckverlust- werden, welcher rohluftseitig am Filterelement abge-
arme Durchströmung bei maximaler Staubkapazität schieden wird. Dies führt zu einem Druckverlustan-
und Abscheideleistung des Filtermediums gewähr- stieg zwischen Roh- und Reinseite des Luftfilters, auf
leistet werden kann. Zur Auslegung der Strömung in Dauer letztendlich zu einem Verblocken des Elemen-
Luftfiltern, Bild 7-338 wird bereits zu einem sehr tes und zum Stillstand des Motors. Eine Gegenmaß-
frühen Zeitpunkt die dreidimensionale Strömungs- nahme ist der Einsatz von Anti-Schnee-Systemen
simulation (CFD) eingesetzt. Damit ist es möglich, (ASS), welche ebenso wie die Warmluftansaugung
mit einem minimalen versuchstechnischen Aufwand eine Zweitansaugung darstellen. Aus einem schnee-
298 7 Motorkomponenten

Luftfiltergehäuse (rohluft, Draufsicht)

Starke Leitrippen
Verwirbelungen
Geschwindigkeit

Luftfilterelementanströmung Bild 7-338 Anströmung von


Filterelementen:
– ungleichmäßig mit hohem
Druckverlust und reduzierter
Filtrationsperformance
(links)
– optimal und homogen mit
Strömungsleitrippen nach
CFD-Simulation (rechts)

freien Raum des Motorraums wird die Luft angeso- steigenden Anforderungen an die Signalqualität,
gen. Die Steuerung basiert auf einer Drucksteuerung, resultierend aus der Verschärfung der Abgasgesetz-
wobei ein rohluftseitig positioniertes Ventil öffnet. gebung, eine immer größer werdende Bedeutung zu.
Signalabweichungen dQ/Q im Bereich r 2,5 % kön-
Luftfiltration nen bauraumbedingt eine Herausforderung darstellen,
Das im Luftfilter integrierte Luftfilterelement hat die sind aber durchaus üblicher Natur. Dies kann den
Aufgabe, die in der Ansaugluft enthaltenen Partikel Einsatz von zusätzlichen Komponenten wie zum
Beispiel Luftführungsgitter, Lamellen oder Luftleit-
bestmöglich abzuscheiden, um Sensoren (zum Bei-
rippen erforderlich machen. Die Anströmung des
spiel Luftmassenmesser) und den Motor vor Ver-
MAF wird mittels CFD-Simulation betrachtet, um
schleiß zu schützen. Luftfilterelemente gibt es als
eine gleichmäßige Strömung, Instabilitäten in der
Flachfilter oder in zylindrischen Ausführungen. Um
Strömung und toleranzbedingte Abweichungen von
den Bauraum maximal mit Filterfläche ausnützen zu
Systemen zueinander zu minimieren und so ein
können, wird das Filtermedium in gefalteter Form
optimales Produktdesign zu generieren. Im Hinblick
verbaut. Typische Filtermedien bestehen aus Zellulo-
auf verschärfte Emissionsgrenzwerte ist die zuverläs-
sefasern, die durch eine geeignete Imprägnierung für
sige Funktion des MAF in allen Betriebszuständen
die Anwendung unter den gegebenen Randbedingun-
und über die Lebensdauer des Fahrzeugs vorge-
gen geschützt werden. Zunehmend kommen auch
schrieben. Schleichende Degradation des Signals zum
synthetische Materialien zum Einsatz. Die Auswahl
Beispiel durch Ablagerungen von Öltropfen aus der
des geeigneten Filtermediums und Elementdesigns
Kurbelgehäuseentlüftung oder aus der Abgasrückfüh-
erfolgt individuell für die jeweilige Anwendung unter rung (AGR) auf dem Sensor können ebenfalls mit
Berücksichtigung der gestellten Anforderungen und Hilfe der CFD-Simulation der Strömungsführung
Randbedingungen. drastisch verringert werden. Weiterhin ist die Signal-
Weiterführende Informationen können dem Kapitel qualität unter Beladung des Filterelementes ein wich-
23 „Filtration von Betriebsstoffen“ entnommen tiges Kriterium zur Einschätzung und Qualifizierung
werden. der Signalgüte des MAF.
Auf der Reinluftseite stromabwärts werden die vom
Reinluftleitung
Verbrennungsmotor erzeugten Gaspulsationen intensi-
In dem Reinluftstutzen des Luftfiltergehäuses oder ver. Falls nicht grundsätzlich Thermodynamik und
auch in der Reinluftleitung sind häufig Druck-, oder Akustik ganzheitlich betrachtet werden, muss dies
Temperatursensoren, aber auch Sensoren zur Luft- spätestens im Bereich der Reinluftleitung erfolgen,
massenmessung integriert. Der Anströmung des weil sich beide Disziplinen in ihrer Wirkung auf die
Luftmassenmessers (MAF) kommt aufgrund der Luftführung beeinflussen. Im Bereich der Reinluftlei-
7.20 Ansaugsysteme 299

tung findet man akustische Bauteile (Nebenschluss- neben der gleichmäßigen Luftverteilung der Einfluss
Resonatoren, O/4 Rohre), die auch den Ladungswech- des Saugrohres auf die Motorperformance eine wich-
sel beeinflussen. Dazu werden heute Simulationswerk- tige Rolle spielt. Sowohl Leistung und Drehmoment
zeuge benutzt, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt in also auch CO2-Reduzierung im Teillastbereich sind
der Auslegungsphase Luftaufwand und Mündungsge- Zielgrößen auf die ein Saugrohr ausgelegt werden
räusch errechnen. Der Modellierungsaufwand kann kann. Sauganlagen unterscheiden sich zwischen pas-
dabei erheblich reduziert werden, weil ein Berech- siven (starren) Systemen und aktiven (schaltbaren)
nungsmodell beide Ergebnisse liefert. Systemen, bei denen mittels Schaltelementen die
Sauganlage verändert werden kann.
Entwicklungsziele heute und in der Zukunft Prinzipiell kann bei heutigen Sauganlagen in drei
Downsizing der Motoren bedingt einen höheren Anwendungskategorien unterschieden werden:
Anteil aufgeladener Motoren was zu spezifisch höhe- x für normalansaugende Ottomotoren
re Luftmassenströmen führt. Die Plattformstrategien x für aufgeladene Ottomotoren
der Automobilhersteller führen zu kleineren und x für aufgeladene Dieselmotoren
komplexeren Bauräumen. Beides erschwert die Erfül-
lung der gegenläufigen Ziele von Akustik und Zusatzfunktionen bei Saugrohren sind die Einleitung
Druckverlust. Steigende Temperaturen im Motorraum und Gleichverteilung von Gasen und die Nutzung der
und Ladedrücke erfordern den Einsatz von höherwer- Bauteile als Träger für Anbauteile.
tigen Materialien und ein intelligentes Produktdesign. Die Einleitung von Kurbelgehäuse- und Tankentlüf-
Erhöhte Anforderungen bezüglich der Abgasgesetz- tungsgasen kommt hauptsächlich bei Ottoanwendun-
gebung haben gesteigerte Spezifikationen hinsichtlich gen zum Tragen, eine Herausforderung ist die Ver-
der Sensorik insbesondere die Güte der MAF Signal- meidung von Vereisungen an den Einleitstellen. Bei
stabilität zur Folge. Neue Luftfiltermedien bezie- kritischen Anwendungen kann mit Heizrohren entge-
hungsweise variable Filterelementdesigns unterstüt- gengewirkt werden. Bei Dieselanwendungen steht die
zen dabei. Mittels neuer Produktionstechnologien Abgasrückführung im Vordergrund. Die Herausfor-
werden zudem Bauteilgewichte reduziert, so zum derung besteht zum einen in der Erreichung einer
Beispiel im Spritzgussverfahren hergestellte Luftfilter ausreichenden Gleichverteilung und dem Bauteil-
auf Basis geschäumter Kunststoffe. Das akustische schutz für das Saugrohr, da in manchen Betriebs-
Verhalten des Ansaugsystems ist gerade bei Wand- punkten die Einleitung von ungekühltem Abgas not-
stärkenreduzierungen zur Gewichtseinsparung zu wendig ist und dies zu keiner thermischen Schädi-
beachten. Die erforderliche Bauteilsteifigkeit und die gung des Kunststoffsaugrohrs führen darf.
damit verbundene Reduzierung der Körperschallab- Saugrohre für normalansaugende Ottomotoren
strahlung kann durch angepasstes Design kompen-
siert werden. So unterstützen hierbei Bombierung von Um den Liefergrad bei normalansaugenden Ottomo-
Flächen sowie die Verrippungen und/oder Sicken. toren zu steigern, werden gasdynamische Auflade-
effekte genutzt, die Schwingrohr- und die Resonanz-
Saugrohr aufladung.
Das Saugrohr (SR) ist die luftseitig letzte Komponen- Bei der „Schwingrohraufladung“ (Bild 7-339) wird
te im Ansaugsystem. Es wird direkt am Zylinderkopf jeder Zylinder über das sogenannte Schwingrohr mit
angeflanscht und hat grundsätzlich die Aufgabe die einem gemeinsamen Sammler verbunden. Durch den
Ansaugluft möglichst gleichmäßig auf die einzelnen Saugimpuls des Zylinders wird eine Unterdruckwelle
Zylinder zu verteilen. Je nach Motortyp ist die Aus- im Schwingrohr ausgelöst. Diese Unterdruckwelle
führung des Saugrohres sehr unterschiedlich, da bewegt sich mit Schallgeschwindigkeit entgegen der

Unterdruckwelle
Saugrohr

Reflexion

Einlassventil
Überdruckwelle

a [ms–1 ]
optimale Rohrlänge [m] ≈ 10 ·
n [min–1 ]
OT OT
Bild 7-339 Prinzip der
UT
Schwingrohraufladung
300 7 Motorkomponenten

Durch das Öffnen einer, zwischen den beiden Reso-


300 nanzsammlern angeordneten, Resonanzklappe kann
im höheren Drehzahlbereich ein gemeinsamer Leis-
280 tungssammler geschaffen werden und die kurzen
Drehmoment [Nm]

Rohre arbeiten nach dem Prinzip der Schwingrohr-


260 aufladung. Bei dieser Anordnung führen die Reso-
nanzaufladung zu einer Drehmomentsteigerung im
240 unteren und die Schwingrohraufladung zu einer Leis-
tungssteigerung im oberen Drehzahlbereich.
220 Drehmomentrohr
Leistungsrohr Saugrohre für aufgeladene Ottomotoren
200
1000 2000 3000 4000 5000 6000
Bei aufgeladenen Ottomotoren wird der Liefergrad
Drehzahl [1/min] hauptsächlich durch den vom Lader erzeugten Lade-
druck beeinflusst. Gasdynamische Aufladeeffekte
Bild 7-340 Drehmomentverlauf eines Sechszylin- spielen in Bezug auf Leistung und Drehmoment eine
dermotors mit Schaltsaugrohr (Längenschaltung) sehr untergeordnete Rolle. Daher werden hier vor-
zugsweise passive Systeme mit kurzen, mit dem
Sammler verbundenen, Rohren eingesetzt.
Strömungsrichtung zum Sammler. Am Sammler er-
Bei aktiven Systemen dieses Typs kommen soge-
folgt durch den Querschnittssprung eine Reflexion der
nannte Ladungsbewegungsklappen zum Einsatz. Die-
Unterdruckwelle. Die zum Brennraum zurücklaufende
se sind nahe am Zylinderkopf angeordnet und ver-
Überdruckwelle kann zur Verbesserung des Liefer-
bessern den Verbrennungsprozess im Teillastbetrieb.
grades genutzt werden, wenn sie kurz vor Schließen
Aufgabe ist eine Verwirbelung der Ansaugluft für
des Einlassventils im Brennraum ankommt. Um die-
eine bessere Vermischung mit dem eingespritzten
sen Effekt über ein breiteres Drehzahlband nutzen zu
Kraftstoff und damit eine optimale Verbrennung zu
können werden zweistufige und in seltenen Fällen auch
erzeugen. Die optimale Verbrennung ist notwendig
dreistufige Schaltsaugrohre verwendet (Bild 7-340).
um den immer schärferen gesetzlichen Emissions-
Die Resonanzaufladung (Bild 7-341) kommt haupt-
grenzwerten gerecht zu werden.
sächlich bei Drei-, Sechs- und Zwölfzylindermotoren
zum Einsatz. Die Funktionsweise beruht auf einem
Saugrohre für aufgeladene Dieselmotoren
Helmholtz-Resonator. Es werden Gruppen von Zylin-
dern gebildet, deren Ansaugimpulse sich nicht über- Wie schon beim Saugrohr für aufgeladene Ottomoto-
schneiden. Im Fall eines Sechszylindermotors werden ren beschrieben, ist für die Bereitstellung des not-
jeweils drei Zylinder über kurze Rohre an die beiden wendigen Liefergrades der Lader zuständig. Daher
Resonanzsammler angeschlossen. Diese wiederum wer- sind bei aufgeladenen Dieselmotoren praktisch keine
den über zwei Resonanzrohre mit dem Hauptsammler Schwingrohre mehr zu finden. Das Saugrohr wird als
verbunden. Durch die abwechselnden Ansaugimpulse Ladeluftverteiler benutzt und über extrem kurze
wird bei der Auslegungsdrehzahl eine Resonanz er- Einströmtulpen wird die Luft direkt in die Zylinder
zeugt, die zu einer Liefergradsteigerung führt. geleitet.

Bild 7-341 Prinzip einer Resonanzschaltsauganlage für einen Sechszylindermotor


7.20 Ansaugsysteme 301

Bei aktiven Systemen kommen sogenannte Drall- reits bei der Auslegung berücksichtigt. Im Gegensatz
klappen zum Einsatz. Voraussetzung für dieses Sys- zu metallischen Werkstoffen haben bei Kunststoffen
tem sind zwei Einlasskanäle im Zylinderkopf, wobei Umwelteinflüsse wie Temperatur, Feuchte und Bean-
einer als Drall- und der zweite als Füllkanal ausge- spruchungsdauer einen wesentlich größeren Einfluss
führt ist. Die Drallklappe wird im Füllkanal angeord- auf die mechanischen Eigenschaften. Bei faserver-
net und verschließt diesen im Teillastbetrieb. Der stärkten Polyamiden kommt es durch die unterschied-
Zylinder wird in diesem Kennfeldbereich über den liche Faserorientierung zu richtungsabhängigen me-
Drallkanal befüllt. Die Drallströmung im Zylinder chanischen Eigenschaften, die durch eine Kopplung
erzeugt eine bessere Vermischung des Kraftstoffes zwischen Spritzgieß-Simulation und Strukturmecha-
mit der Luft und damit eine optimale Verbrennung. nik-Simulation berücksichtigt werden können. Ver-
Diese ist auch hier notwendig, um die Emissionen so wendete Schweißverfahren führen zu reduzierten Fes-
gering wie möglich zu halten. tigkeiten im Bereich der Fügezone, die bei der Ausle-
gung gegen statische und dynamische Belastungen
Entwicklungsziele heute und in der Zukunft berücksichtigt werden müssen. Zum Prüfumfang im
Durch die Verschärfung der Gesetze hinsichtlich des Rahmen der Bauteilprüfung gehören Versuche an
erlaubten CO2-Ausstoßes und die damit verbundenen Einzelkomponenten sowie am Gesamtsystem. Abge-
Strafen steht der Fokus der Motorenentwicklung auf rundet wird dies durch Funktionsversuche mit Über-
der CO2-Einsparung. Dieser Trend hat auch einen lagerung der im Fahrzeug vorliegenden Umgebungs-
starken Einfluss auf die Saugrohre. Eine Möglichkeit bedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit und Me-
ist die Umstellung von der direkten auf die indirekte dienbeaufschlagung. Die Bauteillebensdauer wird mit
Ladeluftkühlung. Im Ottomotorenbereich hat die umfangreichen Schwingungs- und Pulsationsversu-
Ladeluftkühlerintegration im Saugrohr ihren Einzug chen geprüft, die die reale Beanspruchung im Fahr-
gehalten, im Dieselmotorenbereich hingegen arbeitet zeug simulieren. Abgerundet wird die Bauteilvalidie-
man hauptsächlich mit Ladeluftkühlern im Ladeluft- rung durch Simulationen zum Spritzgussprozess, um
rohr vor Drosselklappe. die Bauteilqualität und den Herstellprozess zu op-
timieren.
Validierung
7.20.2 Akustik
Für die ganzheitliche Produktvalidierung stehen heute
eine Vielzahl von leistungsfähigen Werkzeugen aus Unter Schall versteht man mechanische Schwingun-
den Bereichen Simulation, Akustik und Bauteilver- gen und Wellen in einem elastischen Medium. Im
such zur Verfügung. Ziel ist es, möglichst früh im vorangegangenen Abschnitt des Kapitels wurde
Entwicklungsprozess einen hohen Produktreifegrad beschrieben, dass sich durch die Bewegung des
zu erreichen. Dazu werden bereits in der frühen Kolbens nach dem Öffnen des Einlassventils eine
Konzeptphase, im Rahmen der virtuellen Produktva- Unterdruckwelle entgegen der Strömungsrichtung
lidierung, Simulationen durchgeführt, um die Funkti- bewegt. Diese Druckschwankungen werden als Schall
onen und Eigenschaften der Ansaugsysteme zu opti- über die Mündung des Ansaugsystems abgestrahlt
mieren. Neben der eigentlichen Bauteilfunktion sind (Mündungsgeräusch). Daneben regt die Pulsation im
die optimale Herstellbarkeit und ein geringer Materi- Innern der Bauteile die Wände zu Schwingungen an
aleinsatz ebenfalls wichtige Kriterien, die bereits zu (Körperschall), die dann wiederum Luftschall ab-
Beginn der Entwicklung berücksichtigt werden. strahlen. Von der Umwelt wird dieser Schall nicht
Neben dem akustischen Verhalten werden auch die immer als angenehm empfunden, weshalb es Ge-
strömungstechnischen Eigenschaften wie Druckver- räuschgrenzwerte gibt, die von jedem Fahrzeug ein-
lust, Gleichverteilung und Anströmung der Messsen- gehalten werden müssen (siehe auch Kapitel 27).
sorik analysiert und gezielt verbessert. Sobald erste
Musterbauteile vorliegen, werden bei Luftfiltersyste- Geräuschentstehung
men unter anderem die Filtrationseigenschaften Bei einem Verbrennungsmotor erzeugen die Kolben
überprüft. Aufgrund der strengen Abgasgesetzgebung durch ihre Auf- und Abbewegung Luftdruckschwan-
wird das Strömungsverhalten im Luftfilter auch unter kungen (Luftpulsationen) und als Folge davon Luft-
Berücksichtigung einer Staubbeladung sehr genau schall. Der Kolben wirkt somit als aeropulsive Ge-
untersucht. Dabei werden auch Einflussfaktoren wie räuschquelle. Hohe Strömungsgeschwindigkeiten an
Faltengeometrie des Filterelements und Streuung des Kanten und Turboladern sind weitere aerodynami-
Filtermediums auf das Signal des Luftmassenmessers sche Quellen, die zu dem Ansauggeräusch beitragen.
berücksichtigt. Für die Saugrohre ist eine optimale In erster Linie wird dieses Geräusch über die Ansaug-
Steifigkeit und Festigkeit gegen Innendruckbelastun- mündung emittiert und gelangt so direkt in die Umge-
gen bei hohen Temperaturen ein sehr wichtiges bung. Ein zweiter Teil der Pulsationsenergie regt
Entwicklungsziel. Hierbei werden die Besonderheiten innerhalb der Ansauganlage die elastische Struktur zu
der eingesetzten thermoplastischen Kunststoffe be- Körperschallschwingungen an. Diese werden dann von
302 7 Motorkomponenten

den Außenflächen auf die umgebende Luft übertragen setzt man Sekundärmaßnahmen, wie Dämpferfilter
beziehungsweise über die Befestigungspunkte in die und Nebenschlussresonatoren ein, um das Ansaugge-
Karosserie eingeleitet. Diese Zusammenhänge sind auf räusch zu reduzieren. Die Wirkung einer akustischen
dem Bild 7-342 schematisch dargestellt. Maßnahme auf das Mündungsgeräusch und auf den
Ladungswechsel ist auf dem Bild 7-343 beispielhaft
Optimierungsmaßnahmen dargestellt.
Das Ziel der Maßnahmen zur Optimierung des An-
Akustische Elemente von Rohrleitungssystemen
sauggeräusches ist eine konsequente Akustikentwick-
lung, wobei das Geräusch schon im Entwurfsstadium Für die Dämpfung von Ansauggeräuschen können
reduziert werden sollte. Die Maßnahmen zur Opti- verschiedenste akustische Prinzipien angewendet
mierung des Geräusches unterteilt man in: werden, siehe Bild 7-344. Die wichtigste Dämpfer-
bauart ist im Prinzip wie ein sogenannter Reihenreso-
Primäre Maßnahmen: Sie nehmen Einfluss auf die nator aufgebaut. Darunter ist ein System nach der
Schallquelle. Bei den luftschallerregten Geräuschen Form eines Helmholtz-Resonators zu verstehen, bei
bedeutet dies eine Verringerung der Wechseldrücke, dem an eine Dämpferkammer ein Rohrstück ange-
bei den körperschallerregten Geräuschen eine Verrin- schlossen ist. Im Prinzip wirkt ein solcher Resonator
gerung der anregenden Kräfte und eine Veränderung wie ein Feder-Masse-System, in dem die Feder durch
des Körperschallverhaltens und der Abstrahlung die kompressible Luft in der Kammer, die Masse
(Admittanz und Abstrahlgrad). dagegen durch die Luftstöße im Rohr realisiert wird.
Sekundäre Maßnahmen: Sie vermindern nachträg- Abhängig von seinen Abmessungen, lässt sich eine
lich den entstandenen Luftschall und senken die Resonanzfrequenz f0 errechnen, bei der solch ein Re-
Geräuschemissionen durch Schalldämpfer und/oder sonator den eingeleiteten Schall verstärkt. Die Fre-
Kapselung. quenz berechnet sich nach der Formel
Die aeropulsive Schallquelle der Ansauganlage ist der
Motor; der Einfluss darauf kollidiert aber häufig mit c Aw
f0 , (7.20)
den Zielvorgaben aus der Thermodynamik. Deshalb 2 ˜ S lakust ˜ V

Abstrahlung
Resonator

Mündungs- Reinluftleitung
geräusch Luftfilter

Luftmengen- Drosselklappe
Rohluftleitung messer
Ansaug- Saugrohre
öffnung Zylinder
1
Körperschall-
einleitung Schall- 2
erregung
3

4 Abstrahlung
Bild 7-342 Geräuschquellen
Sammler
eines Ansaugsystems
Mündungsgeräusch

Ladungswechsel
Wirkung auf
Wirkung auf

Lufteinlass
Rohluftleitung Luftfilter Reinluftleitung Sammler Schwingrohre

Bild 7-343 Wirkung auf das


Mündungsgeräusch und den
Ladungswechsel
7.20 Ansaugsysteme 303

Bild 7-344 Bauformen von akustischen Dämpfern mit ihrem Einsatzbereich

wobei Aw der mittlere Querschnitt des Resonator- lationswerkzeuge haben in den letzten Jahren an
Halses, lakust die effektive akustische Länge des Halses Bedeutung stark zugenommen, da mit ihnen in einem
und V das Kammervolumen ist. Umgekehrt werden sehr frühen Stadium der Entwicklung schon Aussa-
Frequenzen ab f 0 ˜ 2 gedämpft. Diesen Zusammen- gen über das akustische Verhalten gemacht werden
hang gilt es mit dem Dämpferfilter auszunutzen. Um können. Neben der Finite-Elemente-Methode haben
möglichst gute Dämpfung zu erzielen, muss f0 so tief sich 1D-Berechnungsprogramme, basierend auf der
wie möglich, das heißt weit unterhalb der im Betrieb Transfermatrix-Methode oder der Finite-Differenzen-
auftretenden Frequenzen liegen. Das kann man mit Methode, durchgesetzt. Letztere hat den Vorteil, dass
Vergrößerung des Luftfiltervolumens, mit Verkleine- neben den akustischen Größen auch thermodynamische
rung des Ansaugquerschnitts oder mit einer Verlänge- Kennwerte berechnet werden können. Sobald erste
rung des Ansaugrohres erreichen. Wegen des meist Muster vorhanden sind, können die Berechnungser-
begrenzten Bauraums lässt sich das Gehäusevolumen gebnisse an einfachen Bauteilprüfständen validiert
nicht beliebig steigern. Auch ein stark verkleinerter werden. Eine abschließende Optimierung mit serienna-
Ansaugquerschnitt hat unerwünschte Nebenwirkun- hen Teilen erfolgt dann auf dem Motorakustikprüfstand
gen, weil dadurch der Ansaugluftstrom gedrosselt beziehungsweise im Fahrzeug.
wird. Ein erhöhter Druckverlust bedeutet aber immer Neben der reinen Pegelminimierung spielt auch die
auch ein Verlust an Motorleistung, weshalb in der Geräuschqualität eine immer wichtigere Rolle bei
Praxis der Druckverlust im Ansaugrohr dadurch in der Entwicklung. Hierfür werden mit Hilfe von Kunst
Grenzen gehalten wird, dass die Ansaugöffnung ähn- kopfaufnahmen die Geräusche aufgenommen, um sie
lich einem Venturirohr diffusorartig gestaltet wird. dann in Hörvergleichen subjektiv von Probanden
Auch die Verlängerung des Ansaugrohres stößt an beurteilen zu lassen.
Systemgrenzen, birgt eine solche Maßnahme doch In Bild 7-345 sind die Werkzeuge dargestellt.
die Gefahr von Rohrresonanzen, die der Dämpfung
dann bei bestimmten Frequenzen wieder entgegen- Zukünftige Systeme
wirken können. Deshalb sorgt nur eine exakte Ab- Neben den passiven Maßnahmen finden bei Ansaug-
stimmung des Gesamtsystems für einen optimalen systemen immer mehr adaptive Maßnahmen Ver-
Kompromiss aus Aufwand und Rentabilität. wendung. Vornehmlich zur Steigerung des Luftauf-
wandes werden Schaltsaugrohre eingesetzt. Aber
Akustische Mess- und Simulationswerkzeuge auch bei Luftführungssystemen können diese Bautei-
Für die Auslegung eines Ansaugsystems stehen vie- le zur Optimierung des akustischen Verhaltens ein-
le Werkzeuge zur Verfügung; insbesondere die Simu- gesetzt werden. So kann zum Beispiel durch ein ein-
304 7 Motorkomponenten

Tool Option

1D-FDM- Optimierung des gesamten


ComputerSimulation Ansaugsystems

3D-FEM/BEN- Detailbetrachtung in Bezug


Computer-Simulation auf Abstrahlung

Pulsations- Realitätsnahe Abstrahlungs-


prüfstand messung ohne Motor

Motorakustik- Realitätsnahe Untersuchung


prüfstand am Motor

Rollenprüfstand Gesamtfahrzeugmessung,
für Kfz Transfer-Path-Analyse

Kunstkopf- Psychoakust. Beurteilung


messungen Sound Design
Bild 7-345 Akustische
Lautsprecher- Spektrum der Dämmung und
beschallungstest Dämpfung von Bauteilen Mess- und Simulations-
werkzeuge

Active Noise Control basiert auf Interferenz von Wellen


180° Lautsprecher

Motor

Durch Überlagerung (= Addition) der ursprünglichen Schallwelle mit einem Bild 7-347 Active Noise
Gegenschall (Phasenverschiebung 180°) wird der Schall ausgelöscht.
Control

stufig schaltbares Ansaugrohr im niederen Drehzahl- Eine vorteilhafte Ausführung sieht für die Abstim-
bereich, wenn der Motor noch nicht seinen vollen mung eine zweite Rohluftleitung vor, diese wird so
Volumenstrom benötigt, ein kleinerer Ansaugquer- dimensioniert, dass sie als alleinige Öffnung aus-
schnitt verwendet werden, um so eine niederfrequente reicht. Der Gewinn durch die niederfrequente Ab-
Abstimmung des Helmholtz-Resonators zu erreichen. stimmung führt zur Einsparung von großvolumigen
Bild 7-346 zeigt beispielhaft einen solchen Aufbau. Resonatoren, für die ohnehin im begrenzten Bauraum
kein Platz mehr vorhanden ist. Die federbelastete
Mündungsklappe gibt den zweiten Kanal frei sobald
der Unterdruck stark genug ist, dadurch bleibt der
Druckverlust auch beim maximalen Volumenstrom
gering.
Mit dem Einzug der Elektronik in das Ansaugsystem
könnten sich auch noch ganz andere Systeme durch-
setzen, wie die Verwendung von Gegenschall zum
Löschen von Geräuschen. Wird dem vom Motor
kommenden Schall eine um 180° phasenverschobene
Welle mit gleicher Amplitude entgegengeschickt, so
löschen sich diese beiden Wellen aus. Dieses Prinzip
wird auch als Active Noise Control bezeichnet und ist
auf dem Bild 7-347 dargestellt. Erste Anwendungen
in Abgasanalgen zur Soundgestaltung sind mittler-
weile in Serie vorhanden.

Literatur
[1] Müller, K.; Mayer, W.: Einfluss der Ventilgeometrie auf das Ein-
strömverhalten in den Brennraum, 3. Aufl. Wiesbaden: Vieweg,
Bild 7-346 Mündungsklappe 1999
7.21 Dichtsysteme 305

[2] Wild, S.: Torque vs. Power – No Conflict with Highly Variable Zylinderkopf und Kurbelgehäuse. Daraus resultiert ein
Resonance Runners. Global Powertrain Congress, Detroit 2001 erheblicher Einfluss auf die Kraftverteilung innerhalb
[3] Weber, O.; Wild, St.: Leistung plus Drehmoment – optimierte
Sauganlage mit voll variablen Resonanzrohren. 22. Internationa- des gesamten Verspannungssystems und die dadurch
les Wiener Motorensymposium 2001; VDI Fortschrittsberichte verursachten elastischen Bauteilverformungen.
Reihe 12, Nr. 455, Band 2, S. 320–332 Steigende Anforderungen bezüglich Verbrauchs- und
[4] Alex, M.: Akustikoptimierung bei der Filterentwicklung. Haus Emissionsreduzierung führen zu gewichtsoptimierten
der Technik Essen, 1996
[5] Weber, O.: topsys – A New Concept for Intake Systems. SAE 98
Motorkonstruktionen und speziell beim Dieselmotor
„Merra“ zu höheren Zünddrücken. Durch die Verwendung von
[6] Weber, O.; Paffrath, H.; Beutnagel, H.; Cedzich, W.: Thermo- Leichtmetall und reduzierten Guss-Wanddicken ist
dynamische und akustische Auslegung von Ansaugsystemen für mit einer weiteren Verringerung der Bauteilsteifigkeit
Fahrzeugmotoren unter Berücksichtigung fertigungstechnischer zu rechnen. Um die für das Abgasverhalten schädli-
Belange. 19. Internationales Wiener Motorensymposium, Mai
1998 chen Zylinderverzüge weiter abzusenken, wird eine
[7] Paffrath, H.; Hummel, K.-E.; Alex, M.: Technology for Future Reduzierung der Schraubenkräfte angestrebt. Durch
Intake Air Systems. SAE, März 1999 diese Maßnahmen ergeben sich für die Zylinderkopf-
[8] Weber, O.; Vaculik, R.; Füßer, R.; Pricken, F.: Qualitativ hoch- dichtung erheblich höhere Belastungen in Form von
wertige Akustik von Ansaugsystemen und Kunststoffen – ein
Widerspruch?; High Quality Acoustics of Plastic Intake Sys-
dynamischen Dichtspaltschwingungen. Die Brenn-
tems – Vision or Contradiction? 20. Internationales Wiener raumabdichtung muss in der Lage sein, bei allen
Motorensymposium, Mai 1999 Betriebsbedingungen die erforderliche Mindestdicht-
[9] Pricken, F.: Active noise concellation in future air intake sys- kraft dauerhaft zu gewährleisten. Daraus resultieren
tems. SAE 2000 sehr hohe Anforderungen an die Dauerhaltbarkeit des
[10] Pricken, F.: Sound Design in the Passenger Compartment with
Active Noise Control in the Air Intake System. SAE 2001 verwendeten Abdichtsystems.
[11] DIN ISO 362 Akustik, Messung des von beschleunigten Straßen-
fahrzeugen abgestrahlten Geräusches; Verfahren der Genauig-
7.21.1.1 Ferrolastic-Weichstoff-Zylinderkopf-
keitsklasse 2 (ISO 362 AMD 1-1985, ISO 382; 1981)
[12] Büchler, A.: Benchmarking – Polyamides in Automotive, Poly- dichtungen
mers and e-mobility in the automotive industry, Vol. 9 No. 03/11
Die Zylinderkopfdichtung aus asbestfreien Ferro-
lastic-Weichstoffen, Bild 7-348, ist das System, das
nach der Umstellung auf asbestfreie Werkstoffe Ende
7.21 Dichtsysteme der 1980 er Jahre hauptsächlich zur Anwendung kam.
Der Aufbau besteht aus einem gezackten Trägerblech
Dichtungen sind im Verbrennungsmotor in vielen
mit beidseitig aufgewalztem Weichstoff.
Varianten und Werkstoffen vertreten. Üblicherweise
Durch die überwiegend flächige Abdichtwirkung ist
wird man auf diese meist unscheinbaren Konstrukti-
eine hohe Schraubenkraft erforderlich. Die Nachteile
onselemente erst dann aufmerksam, wenn sie versa-
dieses Systems liegen in den vergleichsweise niedri-
gen. In diesen Fällen ist jedoch meist die Funktion
gen elastischen Rückfederungseigenschaften. Hohe
des gesamten Systems gefährdet. Der hohe Stellen-
dynamische Dichtspaltschwingungen oder thermische
wert des Bauteils Dichtung zeigt sich schon während
Pressungsänderungen können nicht kompensiert
der Motorentwicklung. Ohne funktionsfähige Ab-
werden und sind nur teilweise durch höhere Schrau-
dichtung kann praktisch keine sinnvolle Komponen-
benkräfte auszugleichen. Insbesondere thermisch
tenerprobung erfolgen.
hochbeanspruchte Motoren mit geringen Stegbreiten
Moderne Dichtsysteme arbeiten heute sehr zuverläs-
und großen Dichtspaltschwingungen haben die Gren-
sig. Mit hohem Entwicklungsaufwand wurden Lö-
zen dieses Systems aufgezeigt und zur Entwicklung
sungen geschaffen, die eine langlebige und sichere
leistungsfähigerer Systeme geführt.
Funktion auch unter kritischen Randbedingungen,
wie zum Beispiel aggressiven Medien, hohen Drü-
cken und Temperaturen sicherstellen.
In diesem Kapitel soll dem Leser ein Überblick über
die unterschiedlichen Dichtungsbauarten, deren An-
wendung sowie die funktionellen Grundlagen ver-
mittelt werden.

7.21.1 Zylinderkopfdichtungssysteme
Der Zylinderkopfdichtung (ZKD) kommt in modernen
Motoren eine zunehmend wichtigere Bedeutung zu.
Neben der Abdichtung des Brennraums, der Kühl-
mittelbereiche und der Öldurchgänge dient die Zylin-
derkopfdichtung als Kraftübertragungsglied zwischen Bild 7-348 Ferrolastic-Weichstoff-ZKD
306 7 Motorkomponenten

7.21.1.2 Metall-Elastomer-Zylinderkopf- Da die Elastomerelemente nur unbedeutende Dicht-


dichtungen kräfte im Verhältnis zur Schraubenkraft benötigen,
kann nahezu die gesamte Schraubenkraft für die
Metall-Elastomer-Zylinderkopfdichtungen, Bild 7-349, Brennraumabdichtung und gegebenenfalls für die
kommen heute hauptsächlich bei schweren Nfz-Mo- Bauteilabstützung eingesetzt werden. Dadurch wird
toren zum Einsatz. Kennzeichnend für das Funkti- die verfügbare Schraubenkraft sehr effizient genutzt;
onsprinzip dieser Bauart, Bild 7-350 ist die Funk- der Bauteilverzug oder die Anzahl der Schrauben
tionstrennung zwischen Brennraum- und Flüssig- kann reduziert werden.
keitsabdichtung und das hohe Potenzial der jeweili-
gen Dichtsysteme.
Zur Abdichtung des Brennraums werden neben rein 7.21.1.3 Metalllagen-Zylinderkopfdichtungen
plastischen Sickenkonzepten auch elastische Systeme Metaloflex®
eingesetzt. Die Flüssigkeitsdurchtritte werden mit Seit 1992 werden Mehrlagen-Stahldichtungen als
Elastomerdichtlippen hoher Anpassungsfähigkeit und Zylinderkopfdichtungen, Bild 7-351 in Großserien
elastischer Rückfederung abgedichtet. Durch die Aus- eingesetzt. Speziell bei modernen Dieselmotoren
wahl eines geeigneten Elastomerwerkstoffs lässt sich sowie bei hochbeanspruchten Ottomotoren war mit
die Alterungsbeständigkeit gegen die Medien Kraft- den bis dahin verwendeten Weichstoffdichtungen nur
stoff, Kühlmittel und Öl sicherstellen. Je nach Ge- mit höchstem Aufwand eine serientaugliche Lösung
samtkonzept der Dichtung können die Elastomerlip- darzustellen. Der wesentliche Vorteil der Metallla-
pen an die Dichtungsplatte stirnseitig oder auf die gen-ZKD für den Entwickler besteht darin, dass die
Oberfläche direkt angespritzt werden. Alternativ dazu Dichtungsauslegung zielsicher auf die technischen
kommen auch sogenannte Inserts, das heißt Metall- Anforderungen des Motors angepasst wird und damit
träger mit anvulkanisierter Dichtlippe, zur An- kosten- und vor allem zeitaufwändige Iterations-
wendung. schritte vermieden werden. Die Metalllagen-ZKD ist,
Zur Vermeidung von Bauteilverzügen und zur geziel- entsprechend der Anwendung, ein- oder mehrlagig
ten Pressungseinleitung in die angrenzenden Bauteile aufgebaut.
können optional Abstützelemente im Außenbereich
der Dichtung vorgesehen werden.

Bild 7-351 Metalllagen-ZKD

Funktion
Bild 7-349 Metall-Elastomer-ZKD
Die Abdichtfunktion der Metalllagen-ZKD wird im
Wesentlichen durch die Sicken in den Federstahlla-
Metallische Brennraumsicke FPM-Elastomer zur Kühlwasser- gen bestimmt. Die Verformungscharakteristik ermög-
zur Gasabdichtung und Ölabdichtung
licht einerseits eine plastische Anpassung an die
Bauteilsteifigkeiten und andererseits ein hohes Rück-
federungsvermögen zur Kompensation von dynami-
schen Dichtspaltschwingungen und thermischen
Bauteilverformungen. Durch die Verwendung von
Halbsicken im Flüssigkeitsbereich und üblicherweise
Vollsicken am Brennraum werden jeweils die zur
Abdichtung erforderlichen Linienpressungen erreicht,
Gas Motorblock Kühlwasser bzw. Öl
Bild 7-352.
Am Umfang des Brennraums werden die Motorbau-
Bild 7-350 Brennraumschnitt durch eine Metall- teile durch den Stopper elastisch vorgespannt. Damit
Elastomer-ZKD wird eine Reduzierung der durch die Gaskraft verur-
7.21 Dichtsysteme 307

Bild 7-352 3D-Querschnitt durch eine Metalllagen-


ZKD

verursachten Dichtspaltschwingungen erreicht und Bild 7-353 Der Mäanderstopper erreicht nahezu die
gleichzeitig eine unzulässige Verformung der Voll- identische Steifigkeit wie ein lasergeschweißter
sicken verhindert. Die üblichen Stopperdicken liegen Stopper
im Bereich 100 bis 150 μm. Zur Realisierung der
geforderten Einbaudicke oder unterschiedlicher Di-
ckenabstimmungen für Dieselmotoren kann eine Zwi-
schenlage, die keinerlei Einfluss auf die Abdichtfunk-
tion hat, eingefügt werden.
Bisher wurden lasergeschweißte und umgefalzte
Stopperlagen sehr erfolgreich in Serie eingesetzt,
inzwischen wird der Generationswechsel zu gepräg-
ten Stoppern vollzogen. Neben der dauerhaften Ge-
währleistung der Stopperwirkung gelingt es mit
diesem Konzept, zusätzliche Funktionen in die Dich-
tung zu integrieren. Durch die Einbindung des ge- Bild 7-354 Der Karostopper kommt bei nahezu allen
prägten Stoppers in eine ohnehin vorhandene Dich- Zylinderkopfdichtungen mit Trägerblech zur Anwen-
tungslage werden wirtschaftlichste Lösungen erreicht. dung
Grundsätzlich ist zwischen Stopperprägungen in den
Federstahllagen und im Trägerblech zu unterschei-
geprägten pyramidenstumpfförmigen Vertiefungen
den. Die Herstellverfahren für Karo- und Mäander-
erzeugen auf der jeweils gegenüberliegenden Seite
stopper erlauben nahezu jegliche geometrische Profi-
Aufwerfungen, die in einem zweiten Arbeitsgang ka-
lierung, sowohl bezüglich der Stopperbreite, als auch
libriert, das heißt auf die beabsichtigte Stopperdicke
der Stopperdicke. Über den Bereich der klassischen
geprägt werden. Damit wird eine erhebliche Kaltver-
Stopperfläche hinaus eröffnet sich für den Konstruk-
festigung im duktilen Grundmaterial erreicht, so dass
teur die Möglichkeit, fast überall auf der Dichtung
eine Stopperstruktur mit sehr hoher mechanischer
zusätzliche Abstützungen darzustellen.
Festigkeit entsteht. Die derart hergestellten Stopper
Applikationsbeispiele sind in der Steifigkeit vergleichbar mit geschweiß-
ten Stoppern. Der beschriebene Kalibrierprozess kann
Mäanderstopper in Federstahllagen sowohl mit planen als auch mit profilierten Werkzeu-
Mit dem Mäanderstopper wird die vom Motor geo- gen erfolgen; dadurch lassen sich auch topografische
metrisch vorgegebene Fläche für den Stopper ideal Stopper in einem sehr wirtschaftlichen Verfahren
ausgenutzt. Eine in Mäanderform geprägte „Mikro- produzieren.
sicke“ erzeugt eine Verdickung, die mit nahezu
identischer Steifigkeit den geschweißten Stopper Variable Stopperdicke
substituieren kann, Bild 7-353. Der Grund: Die durch Mit der Gestaltung des Stoppers kann gezielt Einfluss
die Mäandergeometrie bedingten zahlreichen Win- auf die Pressungsverteilung und damit auf die Dicht-
dungen erhöhen die Steifigkeit des Stoppers, so dass spaltschwingung genommen werden. Im Stopperbe-
ein Setzen im Motorbetrieb und ungewollte Elastizität reich ist die Dichtungsdicke, entsprechend der Motor-
vermieden werden. Denn ein derartiger elastischer steifigkeit, um üblicherweise 0,10 bis 0,15 mm erhöht.
Stopper würde zu einer Erhöhung der Dichtspalt- Dadurch wird eine Pressungserhöhung und elastische
schwingungen unter Zünddruck im Motor führen und Vorspannung des Dichtverbands erzielt, Bild 7-355.
sich damit negativ auf die Dauerhaltbarkeit des Sys- Gerade mit den geprägten Stoppern lässt sich nahezu
tems auswirken. jede für die Motorbauteile erforderliche topografi-
sche Ausbildung des Stoppers erreichen. Die Höhen-
Karostopper im Trägerblech profilierung, Bild 7-356, kann sowohl für jeden Zy-
Der geprägte Stopper im Trägerblech verfügt über linder als auch für weitere Bereiche auf der Dichtung
eine Karogeometrie, Bild 7-354. Die beidseitig ein- variabel festgelegt werden.
308 7 Motorkomponenten

elemente lassen sich Durchbiegungen und die Span-


hoch/high
nungsverteilung in Kopf und Block optimieren. Die
Abstützelemente sind aufgrund der speziellen Präge-
technologie von nahezu an jeder Stelle der Dichtung
auch in Kombination mit konventionellen Stoppern,
möglich. Dies ist sowohl mit Mäander- als auch mit
Karostoppern realisierbar.
Durch die Auslegung der Dichtung werden die Ver-
formungen der Motorbauteile unter Berücksichtigung
niedrig/low
der Schraubenkraft gezielt beeinflusst und begrenzt.
Auf diese Weise lassen sich auch Spannungen in den
Bild 7-355 Vergleich der Pressungsverteilung, links
Motorbauteilen reduzieren, womit beispielsweise
ein Stopper mit konstanter Dicke und rechts der
Risse in Zylinderköpfen wirksam verhindert werden
optimierte Stopper mit variabler Dicke
können. Wegen der hohen lokal eingeleiteten Schrau-
benkräfte sind üblicherweise die Zylinderkopfverzüge
an den Endzylindern deutlich erhöht. Abstützungen in
diesen Bereichen, Bild 7-357, zur Optimierung der
Lagergassenverzüge werden seit langem bei zahlrei-
chen Motoren eingesetzt. Sie begrenzen die Durch-
biegung des Zylinderkopfs auf ein Minimum, Bild
7-358, und verringern dadurch die Biegebeanspru-
chungen in der Nockenwelle. Ein weiterer positiver
Effekt ist die Reduzierung von Laufgeräuschen durch
erhöhtes Lagerspiel.
Bild 7-356 3D-Ansicht einer ZKD mit höhenprofi-
liertem Stopper

Durch den topografischen Stopper besteht die Mög-


lichkeit, inhomogene Bauteilsteifigkeiten zu kompen-
sieren. Bereiche mit niedrigeren Steifigkeiten können
dadurch vorgespannt und somit die Pressungsbeauf-
schlagung vergleichmäßigt werden. Auf diese Weise
wird die zur Verfügung stehende Schraubenkraft
exakt auf die gewünschten Bereiche verteilt und da-
durch optimal eingesetzt.
Da die ZKD ein zentrales Element des Verspan-
nungssystems zwischen Zylinderkopf und -block ist,
kann mit ihr die Pressungsverteilung und damit die
Krafteinleitung in die Motorbauteile exakt gesteuert Bild 7-357 Trägerlage mit stirnseitigen Karo-Ab-
werden. Durch die Verwendung zusätzlicher Abstütz- stützelementen

Bild 7-358 Zylinderkopfver-


formung mit und ohne
stirnseitige Abstützelemente
7.21 Dichtsysteme 309

Mehrfunktionslagen-Design, Bild 7-359 kann damit gezielt Rechnung getragen werden. Für
Zu große Dichtspaltschwingungen führen zu einer die Kühlmittel- und Ölabdichtung sind beispielsweise
dynamischen Überbeanspruchung der Sicken; speziell bei großen Bauteilrauigkeiten oder Poren eine höhere
die Vollsicken am Brennraum sind dabei gefährdet. Schichtdicke und ein weicheres Elastomer vorteilhaft.
Es kommt zur Relaxation, das heißt zur Abnahme der Gleichzeitig sind zur Abdichtung des Zünddrucks im
Sickenkraft und des Rückfederungspotenzials oder Brennraumbereich niedrigere Schichtdicken erforder-
gar zu Sickenrissen. Die mit Sicken versehenen lich. Diese Zielkonflikte können durch die selektive
Funktionslagen der Metaloflex-ZKD kompensieren Beschichtung gelöst werden.
durch ihr Rückfederungsvermögen die im Motor
auftretenden Dichtspaltschwingungen. Durch die Doppelstopper-Design für Buchsenkonstruktionen
Verwendung mehrerer Funktionslagen kann die Für Buchsenkonstruktionen ist in vielen Fällen eine
Gesamtamplitude auf die Einzellagen aufgeteilt und angepasste Dichtungsauslegung notwendig. Um plas-
damit auf ein akzeptables Niveau reduziert werden. tische Deformationen und ein Absinken der Buchsen
Das Gesamt-Rückfederungsvermögen der Dichtung zu vermeiden, müssen die erforderlichen Abdicht-
steigt mit der Anzahl der verwendeten Funktions- und Vorspannkräfte gezielt in den Dichtverband ein-
lagen. Dadurch werden auch bei niedrigen Schrau- geleitet werden, Bild 7-361 und 7-362.
benkräften und hohen Spitzendrücken die Funktion Durch die Verwendung eines sogenannten Doppel-
und Dauerhaltbarkeit sichergestellt. stoppers wird die Kraftbeaufschlagung der Buchse
gezielt definiert. Bei dieser Konstruktion liegt ein
erster geprägter Stopper, wie bei Standardauslegun-
gen, auf der Buchse entlang des Brennraumumfangs
und ein zweiter Stopper hinter der Sicke auf dem
Kurbelgehäuse.
Für ein optimales Betriebsverhalten darf die auf die
Buchse wirkende Stopperkraft keine plastische Buch-
senabsenkung verursachen. Durch die Prägung unter-
schiedlicher Stopperdicken wird die Pressungsvertei-
lung auf den beiden Stoppern individuell gesteuert.
Bild 7-359 3D-Ansicht einer ZKD im Mehrfunk- So kann beispielsweise der außenliegende Stopper
tionslagen-Design eine um 20 μm größere Dicke aufweisen, wodurch

Partielle Elastomerbeschichtung, Bild 7-360


Durch die partielle Beschichtung werden nur die für
die Abdichtung relevanten Oberflächenbereiche der
Zylinderkopfdichtung beschichtet. Dadurch besteht
die Möglichkeit, die Beschichtung auf den frei im
Kühlmittel oder Öl stehenden Dichtflächen auszuspa-
ren und somit unter kritischen Randbedingungen
Beschichtungsablösungen auszuschließen.

Bild 7-361 3D-Ansicht einer ZKD mit Doppelstop-


per: Falzbördel

Bild 7-360 Metalllagen-ZKD mit partieller Beschich-


tung

Weitere Vorteile dieses Verfahrens liegen darin, dass


durch das spezielle Auftragsverfahren sowohl die
Schichtdicke als auch das Beschichtungsmedium
anwendungsbezogen ausgewählt werden können. Den
zum Teil unterschiedlichen Beschichtungsanforde- Bild 7-362 3D-Ansicht einer ZKD mit Doppelstop-
rungen im Brennraum- und im Flüssigkeitsbereich per: Karodesign
310 7 Motorkomponenten

der größte Teil der Vorspannkraft nicht auf die Buch-


se, sondern auf den äußeren Bereich des Zylinder-
rohrs geleitet wird. Durch diese Maßnahme wird
einerseits die erforderliche Bauteilvorspannung ge-
währleistet und andererseits eine Buchsenabsenkung
vermieden. In vielen Fällen lässt sich durch die
Zweiteilung des Stoppers eine erhebliche Reduzie-
rung der Zylinderverzüge erreichen.

Stopperloses Design
Bei Ottomotoren, speziell bei Verwendung von
Leichtmetallkurbelgehäusen, kann unter bestimmten
Voraussetzungen auf den Stopper verzichtet werden.
Auf diese Weise werden die durch die Zylinderkopf-
dichtung verursachten elastischen Bauteilverzüge
drastisch vermindert. Neben der Reduzierung von
Zylinderverzügen können auch Verformungen im Bild 7-364 ZKD mit integrierter Dichtspaltsensorik
Bereich der Ventilsitze deutlich verringert werden. (IDS)
Allerdings erfordert die Auslegung dieses Konzepts
eine exakte Anpassung der Sickengeometrien an die Die Messung von Kühlmittel- und Bauteiltemperatu-
Bauteilgegebenheiten. Bei den üblicherweise verwen- ren im Motor gewinnt zunehmend an Bedeutung, da
deten Dichtungen mit Stoppern ist die Verformung im Zusammenhang mit zum Beispiel kennfeldgesteu-
der Vollsicken durch die Stopperdicke vorgegeben. erter Kühlung an den bisher verwendeten Messstellen
Durch diesen Sickenschutz werden optimale Bedin- kaum repräsentative Werte erfasst werden können.
gungen bezüglich Dauerhaltbarkeit und Rückfede- Speziell in Betriebsbereichen mit keiner oder nur
rungsvermögen erreicht. geringer Kühlmittelströmung muss die Temperatur
Ohne Stopper, Bild 7-363, hängt die Sickenver- zwangsläufig im Motor an kritischen Stellen gemes-
formung im Wesentlichen von der Bauteilsteifigkeit sen werden.
ab. Das heißt je nach Steifigkeit von Zylinderkopf
und Kurbelgehäuse werden die Sicken mehr oder
weniger stark verformt. Um einerseits ausreichende 7.21.1.4 Ausblick
Dichtpressungen und andererseits optimale Dauer-
Die Anforderungen zukünftiger Motorkonstruktionen
haltbarkeit zu erreichen, ist eine individuelle Anpas-
an die Zylinderkopfdichtung sind im Wesentlichen
sung an die Motor-Randbedingungen erforderlich.
durch höhere Spitzendrücke, höhere thermische Be-
anspruchung, reduzierte Bauteilsteifigkeiten und neue
Werkstoffe gekennzeichnet.
Die Metalllagen-Zylinderkopfdichtung bietet durch
ihren modularen Aufbau alle Möglichkeiten zur
individuellen Anpassung an die spezifischen Motor-
randbedingungen. Durch die konstruktive Freiheit
dieses Systems wird eine gezielte Beeinflussung der
Bild 7-363 3D-Ansicht einer ZKD ohne Stopper Verspannung und Pressungsverteilung im Motor
möglich. Dadurch kann die zur Verfügung stehende
Integrierte Zusatzfunktionen Schraubenkraft, bei gleichzeitig minimierten Bauteil-
Durch die Integration eines hochempfindlichen verzügen, effizient eingesetzt werden. Die weiterent-
Sensorsystems direkt in die Zylinderkopfdichtung – wickelte Metalllagen-Zylinderkopfdichtung Meta-
integrierte Dichtspaltsensorik (IDS), Bild 7-364 – loflex£ stellt auch in Zukunft ein sicheres, langlebi-
können Vorgänge im Motor noch zuverlässiger wahr- ges und kostengünstiges Abdichtkonzept dar.
genommen werden. Die Metall-Elastomer-Technologie wird auch weiter-
Das Sensorsystem macht sich die enormen Drücke zu hin die beherrschende Zylinderkopfdichtungsbauart
Nutze, die bei der Verbrennung im Zylinder entste- im Bereich der schweren Nutzfahrzeugmotoren sein.
hen. Diese Drücke bewirken eine Relativbewegung Durch die Funktionstrennung von Brennraum- und
zwischen Motorblock und Zylinderkopf. Der Sensor Flüssigkeitsabdichtung ist eine optimale Anpassung
registriert die Bewegung und ist dadurch beispiels- der Abdichtung, speziell bei Motoren mit nassen
weise in der Lage, Unregelmäßigkeiten im Motor – Laufbuchsen, an die besonderen Anforderungen
etwa Fehlfunktionen bei der Verbrennung – frühzeitig gegeben.
zu erkennen.
7.21 Dichtsysteme 311

7.21.2 Spezialdichtungen sich eine Dichtung hinsichtlich der Parameter Anpas-


sungsfähigkeit, mechanische Stabilität und Setzverhal-
7.21.2.1 Funktionsbeschreibung der Flachdichtung
ten einstellen. Die Leistungsfähigkeit der Weichstoff-
Mit Flachdichtungen lassen sich hocheffektive, kos- dichtung kann durch zusätzliches Auftragen von linien-
tengünstige Abdichtungen sowohl für eine Vielzahl förmigen Elastomerschichten verbessert werden. In
flüssiger Medien als auch für Gase realisieren. Druck- diesen Bereichen wird die vorgegebene Vorspannkraft
und Temperaturbelastungen sind in einem weiten auf der Fläche (niedrige Dichtpressung) auf schmale
Rahmen beherrschbar. Die Anforderungen an die Linienbereiche reduziert (hohe Dichtpressung).
Flanschflächen der abzudichtenden Bauteile sind
gering; mit dem Messerkopf eben bearbeitete Ober-
flächen sind ausreichend. Um eine sichere Abdich-
tung zu erreichen, muss bei statischen Flachdichtun-
gen eine ausreichende Flächenpressung in allen
Betriebszuständen gewährleistet sein. Einflusspara-
meter wie Betriebsmedien, Schwankungen von Tem-
peratur und Betriebsdruck, konstruktive Elemente
(zum Beispiel Schrauben und Dichtflächen), die Lage
der Dichtung im Verbund und auch das Langzeitver-
halten der Dichtung selbst auf den Dichtverband
müssen bei der Auslegung berücksichtigt werden.
Somit ergibt sich folgendes Anforderungsprofil an
das Dichtelement:
x Adaption an Bauteiloberflächen (Mikrostruktur –
Rauigkeit/Makrostruktur – Unebenheit) Bild 7-365 Weichstoffdichtungen
x Druckstandfestigkeit (Setzverhalten) unter Wärme
und/oder Medieneinwirkung
x Dichtheit über die Oberfläche der Dichtung
x Querschnittsdichtheit im Dichtungswerkstoff
x mechanische Stabilität (Zugfestigkeit)
x elastische Rückstelleigenschaften
x Temperaturbeständigkeit.
Demzufolge ist die ideale Dichtung ein gummielasti-
sches Metall mit hoher Festigkeit sowie Medien- und
Temperaturbeständigkeit.
Bild 7-366 Weichstoffdichtungen – Compositeaufbau
7.21.2.2 Weichstoffdichtungen
Das Einsatzgebiet von Weichstoffdichtungen (Bild Die Konfektionierung der Weichstoffdichtungen
7-365 ist breit gefächert. Sie sind aus einem Compo- erfolgt heute auf modernen CNC-gesteuerten Wasser-
sitematerial aufgebaut, das aus Fasern, Füllstoffen strahl-Schneidanlagen. Mit dieser Technologie wer-
und Bindemitteln besteht, Bild 7-366. Seit Ende der den Dichtungen werkzeuglos geschnitten.
1980er Jahre wurden die als IT-Materialien (Gummi- Die Grenze für den Einsatz von asbestfreien Weich-
Asbest) bekannten Weichstoffdichtungen fast 100%ig stoffdichtungen liegt bei thermisch sehr hochbelaste-
durch asbestfreie Qualitäten ersetzt. Bei hochwertigen ten Abdichtstellen.
Weichstoffdichtungen wurde die Asbestfaser weitge-
hend durch die Aramidfaser substituiert. Diese hat 7.21.2.3 Metall-Weichstoff-Dichtungen
ausgezeichnete mechanische und thermische Eigen- Metall-Weichstoff-Dichtungen, Bild 7-367, unter-
schaften. Zellulose und Mineralfasern finden in scheiden sich von den im vorigen Kapitel beschriebe-
kostengünstigen Dichtungsmaterialien mit unterge- nen Weichstoffdichtungen durch die in der Material-
ordneten Anforderungen Verwendung. mitte liegende Metalleinlage, Bild 7-368. Sie werden
Die Vielzahl der vorhandenen Werkstoffqualitäten, wie hauptsächlich im Automobilbereich eingesetzt und
zum Beispiel EWP£-Dichtungswerkstoffe, ermöglicht kommen im Kühlmittel-, Öl-, Kraftstoff- und Abgas-
für fast jeden Anwendungsfall die Auswahl eines bereich zur Anwendung.
geeigneten Dichtungsmaterials. Weichstoffdichtungs- Die Metalleinlage (Trägerblech) besteht meist aus
material steht im Dickenbereich von 0,20 mm bis über einem Stahlblech, das gezackt, perforiert oder auf einer
2,5 mm zur Verfügung. Über die Materialdicke lässt glatten Oberfläche aufgeklebt zum Einsatz kommt.
312 7 Motorkomponenten

Durch die Metalleinlage ergeben sich eine Reihe von


Vorteilen:
x Hohe Zugfestigkeit
x Mechanische Robustheit
x Hohe Maßhaltigkeit der Dichtung
x Verfahrenstechnische Vorteile (Coilfertigung)
x Kostensenkung durch Reduzierung des
Fasergehalts
x Applikation unterschiedlicher Dichtwerkstoffe auf
dem Trägerblech.
Da die erforderliche Zugfestigkeit durch das Träger-
blech erreicht wird, können, wie das nachfolgende
Bild 7-369 zeigt, andere spezifische Eigenschaften
der Dichtungsmaterialien gezielt optimiert werden.
Die spezifischen Eigenschaften der in Bild 7-369
Bild 7-367 Metall-Weichstoff-Dichtungen aufgeführten Werkstoffe werden hauptsächlich über
die Zusammensetzung der Dichtauflage festgelegt.
Bild 7-370 zeigt die wichtigsten Einstellparameter für
die Auswahl der Dichtauflage.
Die Zusammensetzung der Dichtauflagen hängt am
stärksten von den thermischen Anforderungen ab.
Im Temperaturbereich bis 150 °C sind sie mit Com-
positewerkstoffen (Kapitel 7.21.2.2) vergleichbar.
Für Abgasdichtungen werden thermisch hochbelast-
bare Graphit- und Glimmerwerkstoffe verwendet.
Wie auch im vorigen Kapitel über Weichstoffdich-
Bild 7-368 Aufbau der Metall-Weichstoff-Dichtung tungen beschrieben, kann die Leistungsfähigkeit der

Werkstoffe Optimierte Eigenschaften Anwendungsbeispiel


FW 522 Druckstandfestigkeit, Querschnittsdichtheit, Medienbeständigkeit Zylinderkopfdichtung
FW 715 Anpassungsfähigkeit, Querschnittsdichtheit Ölwanne
FW 520 Temperaturbeständigkeit bis 450 °C Abgaskrümmer
FW 501 Anpassungsfähigkeit, Temperaturbeständigkeit bis 500 °C Abgasrückführung
FW 610 Temperaturbeständigkeit bis 800 °C Turbolader

Bild 7-369 Übersicht über die Metall-Weichstoff-Werkstoffe

Druckstand- Anpassungs- Innendichtheit Rückstell- Temperatur-


festigkeit fähigkeit eigenschaften beständigkeit
Füllstoffgehalt Ï Ð Î Ð Ï

Fasergehalt Ð Ï Ð Ï Î

Elastomeranteil Ð Ð Ï Ï Ð

Imprägnier- Ð Î Ï Ð Ð
mittelgehalt
Verdichtung Ï Ð Ï Ð Î

Bild 7-370 Werkstoffparameter und deren Funktionseinfluss


7.21 Dichtsysteme 313

Metall-Weichstoff-Dichtungen durch eine zusätzliche träger, der meist beidseitig elastomerbeschichtet ist.
linienförmige Elastomerbeschichtung weiter gesteigert Einer der großen Vorteile liegt darin, dass sich, je
werden. Insbesondere die Oberflächenabdichtung nach Anwendungsstelle, verschiedene Metalle mit
lässt sich dadurch signifikant verbessern. unterschiedlichen Elastomertypen kombinieren las-
sen. Durch die zusätzlich eingeprägten Sicken können
7.21.2.4 Spezialdichtungen aus Metaloseal£ die Trägermaterialeigenschaften optimal auf den
Dichtverband abgestimmt werden, Bild 7-372. Die
Die Bezeichnung Metaloseal£ wird von dem engli- bereits in Kapitel 7.21.2.1 beschriebenen Anforde-
schen Begriff „Metal sealing“ (metallisches Abdich- rungen an das Dichtelement können nur durch metal-
ten) abgeleitet. Der prinzipielle Aufbau metallischer lische Dichtungen, die beschichtet und mechanisch
Dichtungen Bild 7-371, beruht auf einem Metall- modifiziert sind, erfüllt werden.

Trägerwerkstoffe
Über die Auswahl der Trägerwerkstoffe wird ein
direkter Einfluss auf das Abdichtverhalten ausgeübt.
Eine optimale Anpassungsfähigkeit der Dichtung an
die Flanschflächen (Makroabdichtung) lässt sich über
die entscheidenden Einstellparameter Trägermaterial
eigenschaften und Sickengeometrie erreichen. Bild
7-373 gibt einen Überblick über die unterschiedlichen
Trägerwerkstoffe.
Die üblichen Materialdicken liegen zwischen 0,20 und
0,30 mm. In besonderen Fällen können dickere oder
auch mehrlagige Dichtungen verwendet werden. Somit
lässt sich für nahezu jeden Anwendungsfall durch
Auswahl geeigneter Werkstoffe und Sickengeometrien
eine bestmögliche Makroabdichtung erreichen.

Beschichtung
Bild 7-371 Ölfilterhalterdichtung mit Lamellen Die Auswahl des Elastomerwerkstoffs richtet sich in
erster Linie nach den abzudichtenden Medien und der
vorhandenen Betriebstemperatur. Eine der wichtigs-
ten Aufgaben der Beschichtung ist das Verschließen
der Oberflächenrauheit. Somit wird das abzudichten-
de Medium am Austreten über die Oberfläche gehin-
dert. Die Auftragsdicke der Beschichtung pro Seite
kann, je nach Anwendungsfall, zwischen 5 μm und
100 μm variieren. In Bild 7-374 werden einige An-
wendungsbeispiele für die unterschiedlichen Elasto-
Trägerblech Beschichtung Sicke
merwerkstoffe genannt.
Bild 7-372 Aufbau metallischer Dichtungen

Trägermaterialien Einsatzbedingungen
Kaltband Standardausführung
Federstahl Dynamische Dichtspaltbewegungen, hohe Drücke
Edelstahl Aggressive Medien, Korrosionsschutz, erhöhter
Schutz gegen Reibverschleiß
Temperaturbeständige Abgasbereich oder bei Temperaturen zwischen
Stähle 400 °C und 1.050 °C
Aluminium Präventiv zur Vermeidung von Kontaktkorrosion
Bild 7-373 Metaloseal£-
bei Magnesium-, Aluminium- oder GG-Gehäusen
Trägerwerkstoffe
314 7 Motorkomponenten

Elastomerwerkstoffe Einsatzbedingungen
NBR Kühlmittel, Öl, Luft, begrenzt bei Kraftstoff
FPM Kraftstoff
EPDM Bremsflüssigkeit, Hydrauliköl
Temperaturbestän- Abgasbereich bis Flanschtemperaturen < 1.000 °C
dige Beschichtung
Bild 7-374 Einsatzbedin-
Graphitbeschichtung Als Gleitbeschichtung, um hohe Relativbewegun- gungen für die verschiedenen
gen der Bauteile ausgleichen zu können Elastomerwerkstoffe

Funktionsweise der metallischen Abdichtung Die Sickenkraft wird sowohl durch ein bestimmtes
Höhen-Breiten-Verhältnis der Sicke als auch durch
In der Vergangenheit mussten mit den herkömmlichen
die Sickenform selbst – Halb- oder Vollsicke – beein-
Weichstoffmaterialien zum Teil erhebliche konstruk-
flusst und individuell an jede Anwendungsstelle
tive „Klimmzüge“ gemacht werden, um ein sicheres
angepasst. Beim Erstanzug der Bauteile wird die
Abdichten zu gewährleisten. So benötigen Weich-
Elastomerbeschichtung über die Sickenkraft in die
stoffdichtungen zum Beispiel einen exakt definierten
Oberfläche gepresst und verschließt dort vorhandene
Schraubenanzug, um einerseits eine ausreichende
Kanäle. Zudem wird über die Sicke die Anpassungs-
Flächenpressung zu erreichen und andererseits ein
fähigkeit der Dichtung an die Bauteilebenheit einge-
Überpressen des Weichstoffes zu verhindern, was
stellt. Die Sicke arbeitet im klassischen Sinne wie
zwangsläufig zu einer Zerstörung des Weichstoffes
eine Feder, die abhängig von der Verformung die
und damit zu einer Leckage führen würde. Darüber
benötigte Dichtkraft aufbaut. In Bild 7-375 wird der
hinaus besteht bei der Zusammensetzung eines
Zusammenhang zwischen den Anforderungen des
Weichstoffwerkstoffes immer ein Zielkonflikt zwi-
Bauteils an die Dichtung und den Einflussmöglich-
schen den verschiedenen Dichtungseigenschaften
keiten der verschiedenen Funktionselemente be-
(siehe Bild 7-370, Kapitel 7.21.2.3). Und genau hier
schrieben.
setzen die metallischen Dichtungen an. Durch eine
eingeprägte Sicke wird die Flächenpressung auf eine Einsatzbedingungen
Linienpressung reduziert. Somit lassen sich bei glei- Durch die Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten
chen Schraubenkräften höhere Flächenpressungen zwischen metallischen Trägerwerkstoffen und den
erzielen oder es wird umgekehrt bei gleichen Flä- verschiedenen Elastomerwerkstoffen können nahezu
chenpressungen eine geringere Schraubenkraft be- alle Anwendungsstellen im Motor abgedeckt werden.
nötigt. Selbstverständlich muss jeder Dichtverband analy-
Durch die Verwendung eines metallischen Trägers siert und müssen die entsprechenden Dichtungseigen-
können nun alle physikalischen Eigenschaften eines schaften wie Materialaufbau und Sickengeometrien
Metalls ausgenutzt werden. Zusätzlich erhält man definiert werden. Bild 7-376 gibt einen Überblick
eine weitere Größe, die variabel eingestellt werden über den großen Einsatzbereich metallischer Dich-
kann: die Sickenkraft. tungen.

Anforderungen an die Dichtung Funktionselement


Adaptionsfähigkeit an Bauteilrauheit Anpassungsfähige Elastomerbeschichtung
Adaptionsfähigkeit an die Bauteilunebenheit Sicken
Querschnittsdichtheit der Dichtung Porenfreie Elastomerbeschichtung
Druckstandfestigkeit (Setzverhalten) Metallischer Träger, dünne Elastomerbeschichtung
Mechanische Stabilität Metallischer Träger
Elastische Rückstelleigenschaften Trägerwerkstoff zum Beispiel Federstahl, Sicke
Temperaturbeständigkeit Träger- und Beschichtungswerkstoff

Bild 7-375 Die verschiedenen Funktionselemente der Metaloseal£-Dichtung erfüllen jeweils spezifische Anfor-
derungen
7.21 Dichtsysteme 315

Kriterien Einsatzbereich
Temperatur – 40 °C bis 1.050 °C
Druck bis 350 bar
Medien Kühlmittel, Öl, Abgas, Bremsflüssigkeit, Hydraulik-
öl, Luft, Kraftstoff, Biodiesel, Harnstofflösung
Oberflächenparameter
Rauheit Rmax d 25 μm Bild 7-376 Der
Einsatzbereich metallischer
Unebenheit d 0,30 mm Dichtungen

7.21.2.5 Ausblick Auch beim Einsatz von Biokraftstoffen muss darauf


Im Zuge steigender Abgasemissionsanforderungen geachtet werden, dass die Dichtungen keiner Schädi-
nach Euro 5 und Euro 6 im Pkw- und Lkw-Bereich, gung unterliegen.
werden auch an Dichtsysteme höhere Forderungen Durch die Verwendung von metallischen Träger-
gestellt. Dies führt zu neuen, innovativen Produkten. werkstoffen können Dichtungen zusätzliche Funktio-
Der Trend in der Motorenentwicklung geht hin zum nen übernehmen, wie beispielsweise die Integration
Downsizing und Motoren mit Abgasturbolader. Bei von Ölschwallblechen oder Sensoren für ein effizien-
Temperaturen von über 1.000 °C im Abgasbereich, tes Motormanagement. Darüber hinaus bieten Vor-
werden spezialbeschichtete metallische Dichtungen montagelösungen wie Halteklammern und Zentrier-
benötigt, die auch bei diesen Temperaturen noch ein elemente zusätzliche Vorteile beim Einbau des Bau-
ausreichendes, mechanisches Federverhalten aufwei- teils.
sen. Hierbei werden zunehmend Nickelbasislegierun-
gen als Dichtungswerkstoff angewandt. Metallische 7.21.3 Elastomer-Dichtsysteme
Dichtringe (V- beziehungsweise C-Ringe) aus Nickel- Mehr Leistung bei weniger Gewicht, geringerem
basislegierungen stellen hier eine technische Dicht- Kraftstoffverbrauch und sinkenden Emissionen –
lösung dar, Bild 7-377. Durch spezielle Herstellungs- diese zentralen Vorgaben der Motorkonstrukteure
verfahren können hier extrem niedrige Leckageraten stellen immer höhere Anforderungen an die Dichtsys-
auch bei hohen Temperaturen realisiert werden. Da teme. So werden Motorkomponenten und Anbauteile
geringste Leckageraten in der Regel auch eine zusätz- aus Gewichts- und Funktionsgründen zunehmend aus
liche Beschichtung der Abdichtsysteme erfordern, Kunststoffen gefertigt. Reduzierte Bauteilsteifigkei-
muss hier insbesondere im Hochtemperaturbereich ein ten (geringerer E-Modul) im Vergleich zu den bisher
besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden. verwendeten Werkstoffen Aluminium und Magnesi-
Zusätzliche Abgasnachbehandlungssysteme wie SCR um sind die Folge. Bei der Verspannung treten da-
(Selective Catalytic Reduction) stellen an Dichtsys- durch höhere Deformationen auf, die durch das
teme verstärkt Ansprüche in Bezug auf Korrosion. Dichtsystem kompensiert werden müssen.

Bild 7-377 Metall-


Dichtungen aus
Nickelbasislegierungen
316 7 Motorkomponenten

Elastomerwerkstoff
Kurzform Chemische Einsatzbereich Motor Thermische Anwendungsbeispiele
(ISO 1629) Bezeichnung Kraftstoff Kühlmittel Öl Anwendungsbereiche
FPM Fluor-Kautschuk + + + –20 bis +230 °C ZKD, Ansaugbereich
MVQ Silikon-Kautschuk – o o –50 bis +200 °C ZKD, Spezialanwendungen
MFQ Fluor-Silikon-Kautschuk – o + –70 bis +180 °C ZKD, Spezialanwendungen
ACM Polyacrylat-Kautschuk – – + –30 bis +150 °C Ölwanne, Zylinderkopfhaube
AEM Ethylen-Acrylat-Kautschuk – – + –35 bis +160 °C Ölwanne, Zylinderkopfhaube
EPDM Ethylen-Propylen-Dien- – + – –50 bis +130 °C Wasserpumpe
Kautschuk
ECO Epichlorhydrin-Kautschuk + – + –40 bis +120 °C Spezialanwendungen im
Kraftstoffbereich
HNBR Hydrierter Nitrilkautschuk o o + –30 bis +150 °C Spezialanwendungen
+ gut geeignet / o geeignet / – ungeeignet ZKD = Zylinderkopfdichtung

Bild 7-378 Elastomerwerkstoffe

Um diese anspruchsvollen Forderungen zu erfüllen, Elastomerdichtung eine optimale Abdichtung gewähr-


eignen sich die elastomeren Dichtsysteme hervorra- leistet werden.
gend. Zum einen ist die erforderliche Dichtpressung Mit speziell per Finite-Elemente-Methode (FEM) er-
von Elastomerdichtungen sehr niedrig und zum rechneten Querschnitten wird das Dichtungsprofil an
anderen ermöglicht das hohe elastische Verhalten die spezifischen Eigenschaften der abzudichtenden
einen großen Toleranzausgleich. Auf Grund der Tem- Bauteile angepasst. Ein rechteckiger Dichtungsquer-
peraturbeständigkeit von elastomeren Dichtungs- schnitt wird nur sehr selten eingesetzt, da die Ver-
werkstoffen werden diese ausschließlich zur Abdich- formungseigenschaften sehr begrenzt sind.
tung von Flüssigkeiten oder Gasen eingesetzt. Die Im Bereich der Akustik ist der T-Querschnitt ein
Abdichtung des Brennraums erfolgt bei Elastomer- bevorzugtes Dichtungsprofil. In Kombination mit
dichtungen über eine metallische Konstruktion. besonders ausgelegten Entkopplungselementen für
In Abhängigkeit vom abzudichtenden Medium und die Verschraubung wird dieses Design bei der Ven-
den vorhandenen Temperaturen werden entsprechend tilhaubenabdichtung angewandt. Da die abzudichten-
dem Anforderungsprofil geeignete Elastomere aus- den Bauteile mittels Elastomerelementen zusammen-
gewählt. Bild 7-378 gibt einen Überblick über die zur gepresst werden (siehe Bild 7-380), kann dieses
Verfügung stehenden Elastomerwerkstoffe und ihre System mit den in der Vergangenheit angewendeten
jeweiligen Einsatzbereiche. Konstruktionsmethoden nicht mehr berechnet wer-
den. Um diese Systeme funktionssicher zu gestalten,
7.21.3.1 Elastomerdichtungen ist eine Analyse des kompletten Verspannungssys-
tems aus Dichtung, Entkopplungselement, Schraube
Elastomerdichtungen, Bild 7-379, haben keinen Trä- und Hülse mittels FE-Berechnung unumgänglich
ger. Um eine Überbeanspruchung des Elastomerprofils (siehe Bild 7-386 und 7-388, Kapitel 7.21.4.1).
zu verhindern, werden diese Dichtungen zum Beispiel
in eine Bauteilnut eingelegt. Grundsätzlich müssen die
Bauteile so gestaltet sein, dass eine extreme Verfor-
mung ausgeschlossen wird. Charakteristisch für diese
Ausführung der Dichtung ist das Höhen-Breiten-
Verhältnis. Der Geometriequerschnitt ist in Richtung
der verpressenden Kraft (Höhe) wesentlich größer als
in der Querrichtung (Breite). Dies bewirkt bei einer
Verpressung von 20 bis 30 % einen sehr weiten Ar-
beitsbereich der Dichtung und ermöglicht damit die
Abdichtung von sich stark deformierenden Bauteilen
aus Kunststoff. Insbesondere wird diese Bauart in
Kombination mit Ventilhauben, Ansaugkrümmern
oder Wasserflanschen aus Kunststoff eingesetzt. Für
die Abdichtung von Nockenwellenlagern und anderen
dreidimensionalen Durchbrüchen in Bauteilen stellt
die Elastomerdichtung die einzige Möglichkeit dar,
die Abdichtung sicher zu beherrschen. In diesen Be-
reichen kann durch eine spezielle Formgebung der Bild 7-379 Ansaugkrümmerdichtung
7.21 Dichtsysteme 317

Hülse
(kraftführendes
Element)
Zylinder-
kopfhaube
Entkopplungs-
element

Elastische
Lagerung
Elastomer- der Haube
Dichtung (verliersichere
Vormontage)
Schraube
(mit Zentrierspitze), Bild 7-380 Beispiel für ein
beweglich gelagert Elastomer- entkoppeltes Zylinder-
Dichtung
kopfhauben-System

Anforderungen an akustisch entkoppelte Systeme Metallträger AEM-Elastomer zur


sind: Ölabdichtung

x Körperschall-Entkopplung
x sichere Bauteilverschraubung
x Abdichtung
x Vormontage der Einzelteile.
Das Zusammenspiel von Finite-Elemente-Berech-
nung, Laborsimulation und Werkstoffentwicklung
ermöglicht maßgeschneiderte schallentkoppelte
Dichtsysteme.
Schraube Bauteil Flüssigkeitsdurchgang

7.21.3.2 Metall-Elastomer-Dichtungen Bild 7-382 Schnitt durch eine Metall-Elastomer-


Da sich bei einigen Bauteilen aus geometrischen oder Dichtung
funktionellen Gründen reine Elastomerdichtungen
(benötigen eine Nut im Bauteil) oftmals nicht einset- Die Konstruktionsfreiheit für den Motorenentwickler
zen lassen, wurde die Metall-Elastomer-Dichtung, wird bei dieser Bauart durch die Integration von
Bild 7-381, entwickelt. Bei dieser Dichtungsbauart Zusatzfunktionen im Träger wesentlich erhöht. Dar-
wird das Elastomer direkt an einen Aluminium- oder über hinaus zeichnet sich dieses System durch hohe
Stahlträger anvulkanisiert. Die Elastomerhöhe wird Funktionssicherheit und Wirtschaftlichkeit aus. In der
auf die Trägerdicke abgestimmt, ist aber deutlich Praxis häufig integrierte Funktionen sind:
niedriger als bei reinen Elastomerdichtungen. Das x Kalibrierung von Fluidströmen
Elastomer wird auch hier, wie bei den reinen Elasto- x Abgasrückführung
merdichtungen, im Kraftnebenschluss eingesetzt. x Montagehilfe
Eine Bauteilnut ist nicht erforderlich, da der Träger x Vormontage mittels Klammern
aus Aluminium oder Stahl den Krafthauptschluss x Kabelabdichtungen.
bildet, Bild 7-382.
Durch den Einsatz von Zwei-Komponenten-Spritz-
maschinen ist es möglich, zwei verschiedene Elasto-
mere in einem Spritzarbeitsgang an einen Träger
anzuvulkanisieren. Dies hat den Vorteil, dass für
jedes abzudichtende Medium der dafür am besten
geeignete Elastomerwerkstoff eingesetzt werden
kann. Unverzichtbare Voraussetzung für dieses Ver-
fahren sind zuverlässige Haftvermittler-Systeme, die
für beide Elastomere eine gute Metallanbindung
gewährleisten.
Metall-Elastomer-Zylinderkopfdichtungen aus Me-
tallträgern mit anvulkanisierten Elastomerprofilen
werden in Kapitel 7.21.1.2 beschrieben. Diese Dich-
Bild 7-381 Metall-Elastomer-Dichtung für Kurbel- tungsbauart kommt im Nutzfahrzeugbereich, bis hin
gehäuse zu Großmotoren in Schiffen und Lokomotiven, zum
Einsatz.
318 7 Motorkomponenten

7.21.3.3 Module Je nach Anforderung an das Kunststoff-Bauteil wer-


den die Werkstoffe PA 6 für Designteile sowie
Für einen optimal funktionierenden Dichtverband ist
PA 6.6 für Teile mit Krafteinleitung beziehungs-
es wichtig, das Dichtsystem nicht isoliert zu betrach-
weise Kraftübertragungsfunktion verwendet. Erste
ten, sondern das komplexe Zusammenspiel aller
Ansätze, PA 6.6 durch PA 6 zu ersetzen, befinden
beteiligten Einzelsysteme zu berücksichtigen. Dich-
sich in der Entwicklung. Um die notwendigen Festig-
tungshersteller entwickeln daher in zunehmendem
keits- und Verarbeitungseigenschaften zu erhalten,
Maße auch Bauteilkomponenten und bieten diese zu-
gibt man zu diesen Grundtypen Glasfasern und teil-
sammen mit Dichtungen als vormontierte, multifunk-
weise mineralische Füllstoffe hinzu. Bei Modulen mit
tionale Systeme an. Diese montagefertigen Module
integrierter Dichtfunktion werden elastomere Dicht-
lösen mehr und mehr die bisherigen Einzelkompo-
systeme eingesetzt, da diese sich optimal auf das
nenten ab. Dabei sind alle erdenklichen Kombinatio-
abzudichtende Medium und die Erfordernisse der
nen aus Dichtsystem und Bauteil (aus Aluminium,
Bauteilsteifigkeit abstimmen lassen.
Magnesium, Stahl oder Kunststoff) möglich.
Für reduzierten Kraftstoffverbrauch bei steigender In Module können auf Grund der Verarbeitungsei-
Motorleistung sind Leichtbaukonstruktionen unver- genschaften von Kunststoffen zahlreiche Funktionen
zichtbar. Kunststoff bietet hier entscheidende Vorteile sehr effizient und wirtschaftlich integriert werden.
und ersetzt zunehmend die bisher f ür Motorkom- Große Vorteile liegen zudem – wie bereits erwähnt –
ponenten verwendeten Werkstoffe. Das Know-how in der erzielbaren Gewichtsreduzierung und der
und die Systemkompetenz aus der Dichtungstechno- Fertigungstechnologie, die es bei Kunststoffbauteilen
logie, insbesondere aus der Elastomerverarbeitung, erlaubt, auf Nacharbeiten wie etwa Entgraten, Ge-
bilden die Basis für die Entwicklung von innovativen windeschneiden oder Bearbeiten von Oberflächen
Kunststoff-Modulen. Diese werden besonders in vollständig zu verzichten. Gegenüber Aluminium hat
folgenden Bereichen eingesetzt: thermoplastischer Kunststoff den Vorteil, dass durch
x Ventilhauben, Bild 7-383 Schweißen Komponenten integriert werden können.
x Motorraumabdeckungen Beispiele für die Multifunktionalität von Modulen
x Ölabscheider sind:
x Kühlmittelflansche x akustische Entkopplung des Bauteils
x Ansaugkrümmer. x Integration der Blow-by-Gas-Ausleitung aus dem
Kurbelgehäuse
x Integration von Ölabscheidungssystemen in eine
Ventilhaube
x Integration von Ventilen zur Regelung des Kur-
belgehäusedrucks
x Integration von Kabeldurchführungen aus dem
Zylinderkopf
x vormontiertes Komplettsystem.
Um die sichere Funktion des Moduls über die gesam-
te Lebensdauer des Motors hinweg gewährleisten zu
können, führt man in der Entwicklungsphase um-
fassende Funktions- und Geometrieüberprüfungen
durch. Darüber hinaus werden Simulationstests erar-
beitet, die die auftretenden Belastungszustände im
Fahrzeugbetrieb abbilden und eine Reduzierung der
Testzeit erlauben. Bei der Entwicklung dieser Tests
werden permanent die Erfahrungen und Ergebnisse
aus der Praxis berücksichtigt.
Das Zusammenspiel von FE-Berechnungen, Simula-
tion und Motortests ermöglicht es, innerhalb kürzes-
ter Zeit Kunststoff-Module, die alle Lastenheftanfor-
derungen zum Beispiel hinsichtlich Belastbarkeit und
Lebensdauer erfüllen, in Serie zu bringen.

7.21.4 Entwicklungsmethoden
Motorprüfläufe sind bis heute ein Hauptbestandteil
Bild 7-383Ventilhaubenmodul mit integrierter der Dichtungserprobung. Die Versuche im befeuerten
Dichtung und Ölabscheidung Prüfstandsmotor sind jedoch teuer und zeitaufwändig.
7.21 Dichtsysteme 319

Biegebalkendarstellungen
Last Last Last

Verformung Verformung Verformung

linear, kleine Verformung geometrisch nichtlinear, der nichtlinearer Kontakt mit Bild 7-384 Biegebalken
Lastangriffspunkt wandert anderen Körpern begrenzt linear, nichtlinear und mit
durch große Verformungen die Verformung
Kontakt

Da der Trend aber hin zu immer kürzeren Entwick- Bauteils, so sind diese als nichtlineare Kontaktbedin-
lungszeiten geht, treten Berechnungen des Dichtver- gungen zu beschreiben. Das Materialverhalten der
bands und Laborprüfungen unter motornahen Rand- meisten technischen Werkstoffe ist ebenfalls nur in
bedingungen mehr und mehr in den Vordergrund. einem kleinen Bereich linear; sie gehorchen dort dem
Wesentliche Aussagen über die Funktion des Dich- „Hookeschen Gesetz“, welches Spannung und Deh-
tungsdesigns sollen damit bereits vor der eigentlichen nung über den Faktor „Elastizitätsmodul“ verknüpft.
Motorerprobung gewonnen werden, um die Anzahl An die Grenzen dieses Bereichs führen Optimie-
kostenintensiver Motorprüfläufe auf das absolut not- rungsstrategien zur Gewichtsreduzierung oder besse-
wendige Minimum zu beschränken. Die Vorprüfun- ren Materialausnutzung im Sinne eines gleichmäßi-
gen an Dichtungen ohne reale Motorbauteile geben gen Spannungsniveaus. Verlässt man diesen linearen
schon weitgehend Aufschluss über die Funktions- Bereich, so treten typischerweise plastische Verfor-
tauglichkeit des Produkts. mungen an Metallen, Kriechdehnungen an Kunststof-
Als Berechnungswerkzeug dient die Methode der fen oder Spannungsrelaxationsvorgänge auf. Grundsätz-
„Finiten Elemente“. Dieser Begriff beschreibt den lich nichtlineare Zusammenhänge in der Spannungs-
mathematischen Algorithmus zur Übersetzung eines Dehnungs-Beziehung findet man bei Gummiwerk-
physikalischen Phänomens an einem Teilstück des zu stoffen. Dort spielen auch die zeitlichen Bedingun-
berechnenden Bauteils für den Computer. Ein Finite- gen – das heißt, wie schnell eine Last aufgebracht
Elemente-Modell ist die Abbildung einer Geometrie wird sowie die Einwirkdauer – eine wesentliche Rolle
durch eine genügende Zahl von Elementen. beim Deformationsverhalten eines Körpers.

7.21.4.1 Finite-Elemente-Analyse Produktberechnungen


Aufgabe des Berechners ist es, die für seine Problem- Die Vorausberechnung und Optimierung von Bauteil-
stellung notwendigen Phänomene zu erkennen und in eigenschaften erfordert sowohl detaillierte Kenntnisse
das Rechenprogramm einzubinden. Sowohl in der des Materialverhaltens als auch ein gutes Verständnis
Konstruktions- als auch in der darauf folgenden für den Herstellungsweg vom Halbzeug bis zum liefer-
Testphase wird durch FE-Berechnungen eine Opti- fertigen Produkt. An einer Vollsicke einer Metallla-
mierung der Bauteile vorgenommen. Durch diese gendichtung (siehe Bild 7-385 oben) werden mehrere
Vorauswahl lässt sich die Anzahl der erforderlichen Umformschritte bis zur endgültigen Montage im Motor
Prototypen reduzieren. vorgenommen. Alle Schritte werden durch strukturelle
Viele Probleme des Konstrukteurs können heute Veränderungen im Metall gespeichert und legen die
direkt im CAD-Programm in ein FE-Rechenmodell Sickeneigenschaften „Federcharakteristik“ und „er-
umgewandelt und mit entsprechendem Materialver- tragbare Dichtspaltamplitude“ fest. Durch geeignete
halten und Randbedingungen versehen einem FE- Werkzeugabmessungen kann das Federelement bei
Analyseprogramm zur Berechnung zugeführt werden. konstanter Breite auf hohe Kraft bei entsprechend
Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist eine geringer zulässiger Dichtspaltamplitude oder aber auf
lineare Berechnung mit kleinen Bauteilverformungen, hohe Dichtspaltamplitude bei niedrigerer Kraft ausge-
elastischem Materialgesetz sowie eindeutigen Ein- legt werden (siehe Bild 7-385 unten). Die notwendige
spannungen und Belastungen. Ein weites Feld von Abstimmung der Sicke wird von der Steifigkeit der
Spezialanwendungen ergibt sich für die Bauteilbe- Motorbauteile und der Zündkraft bestimmt.
rechnung dann, wenn eine der Voraussetzungen für Elastomerprofile werden am Motor häufig zur Ab-
die lineare Betrachtungsweise verletzt wird. Die dichtung von Hauben, Ansaugrohren und Deckeln des
Nichtlinearität eines Berechnungsproblems (siehe Motors eingesetzt. Sie zeichnen sich aus durch hohe
Bild 7-384) entsteht in der Regel durch große Ver- Anpassungsfähigkeit an die Dichtflächen bei gleich-
formungen eines Bauteils unter Last, wodurch sich zeitig niedriger Vorspannkraft. Ein T-Profil (siehe
zum Beispiel die Länge des Hebelarms zur Einspan- Bild 7-386) wird unter anderem eingesetzt, um das
nung verkürzt und damit ein kleineres Biegemoment Spritzöl des Ventiltriebs zwischen der Motorhaube
auftritt, als es die Grundabmessung definiert. Gibt es und dem Zylinderkopf nach außen abzudichten. Die
zusätzlich Wegbegrenzungen für die Deformation des vertikale Verspannung des Profils erzeugt im Nut-
320 7 Motorkomponenten

Sicke mit Stopper, Radialschnitt 1,5-lagig oder 3,5-lagig

a)

140
Sickenkraft/Amplitude [%]

130
Maximal zulässige
120 Amplitude
110 Linienkraft der Sicke
100 auf Stoppermaß
Linienkraft der Sicke
90 bei 10 μm Ausfederung
80
70
60 Bild 7-385 Dichtspalt-
50 amplitude und Linienkraft
40
b) 80 90 100 110 120 Sickenhöhe [%]
einer Sicke als Funktion der
Sickenhöhe

5
4,5
Verformung, Messung
4 0,01 mm/s
3,5
Kraft [N/mm]

Relaxiert 30 min
3 Messung
2,5
Verformung, FEM
2 mit 2 mm/s
1,5
Relaxiert 30 min
1 FEM
0,5 Bild 7-386 Schnitt durch
0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 Verformung [mm]
T-Profil in Nut. Berechnung
der Kraft-Verformungskurve

grund und an der Doppeldichtlippe zum Zylinderkopf gepresst und in den übrigen Bereichen lokal auf die
die Dichtpressung. Das Profil ist für schallentkoppel- Blechdicke. Der Stopper wirkt wie ein Keil am Brenn-
te Systeme ausgelegt und hat seitlich zwei Blöcke, raum und spannt die Bauteile elastisch vor. Die Pres-
die einen direkten Kontakt der Haube zum Kopf sung auf dem Stopper am Brennraumumfang muss
verhindern. Die Spannungsrelaxation des Elastomer- größer als Null sein, um eine sichere Abdichtung bei
werkstoffs verringert die Dichtkraft des verspannten allen Betriebszuständen zu gewährleisten. In Bild
Profils mit der Zeit und muss daher bei der Ausle- 7-387 ist auf der Auslassseite unter Zünddruck ein
gung berücksichtigt werden. abgehobener Bereich zu erkennen, der durch Anpas-
sung der Stopperhöhe korrigiert werden muss, um die
Berechnung des Bauteilverbands Brennraumsicke vor hohen Dichtspaltamplituden zu
Die Zylinderkopfdichtung stellt das Bindeglied zwi- schützen. Bei zu hohen Pressungen am Stopper kann
schen Kurbelgehäuse und Zylinderkopf eines Motors zum Beispiel bei Aluminiumbauteilen eine Werkstoff-
dar und bildet im Zusammenwirken mit den Zylin- überbeanspruchung auftreten und damit das Bauteil
derkopfschrauben den Dichtverband. Für die Analyse beschädigt werden. Die hohe Temperatur der Bauteile
eines Dichtverbands benötigt man neben den geomet- am Brennraum schränkt die Belastbarkeit zusätzlich
rischen Bauteilbeschreibungen als FE-Modell, den ein.
Materialeigenschaften und den Dichtungscharakteris- Die Schallentkopplung eines Bauelements unterbricht
tika auch die Temperaturverteilung in den Bauteilen die mechanischen Übertragungswege durch elastische
und den Zünddruck im Brennraum. Ein Motor wird Lagerung zwischen Elastomerelementen, Bild 7-388.
während seiner Betriebszeit unter verschiedensten An einer Ventilhaube wirken dabei die Dichtkräfte
Lastzuständen gefahren und muss dabei stets gas- und zwischen Zylinderkopf und Ventilhaube einerseits und
flüssigkeitsdicht sein. Extreme Betriebspunkte für die die Kräfte am Gegenlager, dem Entkopplungselement,
Zylinderkopfdichtung treten bei Motorvolllast mit andererseits. Das Entkopplungssystem (siehe Bild
maximaler Kühlwassertemperatur und beim Kaltstart 7-380, Kapitel 7.21.3.1) aus Haube, Dichtung und
des Motors auf. Durch die Schraubenvorspannkraft mehreren Gegenlagern wird durch Schrauben mit
wird die Dichtung am Brennraum auf die Stopperhöhe Distanzhülsen vorgespannt. Ist die Verformungscha-
7.21 Dichtsysteme 321

250
Normalspannung [N/mm2]

Motor kalt
200
Motor warm
(Volllastbetr.)
150
Motor warm
und Gaskraft
100

50

0
Steg Schraube Einlass Schraube Steg
0 45 90 135 180
Schraube Auslass Schraube Steg
225 270 315 360
Bild 7-387 Kraftverteilung
Linie entlang der Bohrung [Grad]
am Brennraumumfang mit
starrem Stopper

Entkopplungssystem Haube Verpressung Dichtung nominal 2,21 mm


Entkopplungselement nominal 0,99 mm
Relaxierte Bauteile Gesamttoleranz Verpressung 2,10 mm
Dichtungslänge 130 mm Toleranzbereich +1,45/–0,75 mm
1800
1600 Verpressung 4,65 mm/Kraft 1650 N
1400
1200
Kraft [N]

1000
Entk.-Element relaxiert
800
Dichtung relaxiert
600 Kraft max.
Verpressung 3,20 mm/Kraft 385 N Kraft nominal
400 Kraft min.
Verpressung 2,45 mm/Kraft 240 N
200
Mindestdichtpressung an Dichtung, Verpressung 1,4 mm/Kraft 194 N
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Bild 7-388 Entkopplungs-
Entkopplungselement Verpressung [mm] Dichtung system mit Arbeitsbereich
durch Bauteiltoleranzen

rakteristik der Dichtung und des Entkopplungsele- barkeit, Anpassungsfähigkeit, Setzverhalten und
ments bekannt, so kann bei gegebener Vorspannung Dichtwirkung.
der Arbeitspunkt bestimmt werden. Da alle Bauteile Gängige Dauerhaltbarkeits-Prüfverfahren im Labor
Fertigungstoleranzen aufweisen, wird die tatsächliche stützen sich auf servohydraulische Prüfmaschinen,
Vorspannung eines Systems vom Auslegungspunkt die hydraulische Verbrennungsdrucksimulation zur
abweichen. Aus den Berechnungen des Dichtprofils ist Erprobung der Zylinderkopfdichtung, Shaker und
die kleinste zulässige Verformung bei sicherer Ab- Temperaturkammern zur Baugruppenuntersuchung
dichtung als Wert für die Mindestdichtpressung zu sowie auf Heißgaserzeuger zur Simulation der ther-
ermitteln. Damit lässt sich die kleinste für den Betrieb mischen Belastungen im Abgasstrang.
notwendige Anpresskraft der Dichtung bestimmen.
Die maximale Vorspannkraft des Systems wird von Servohydraulische Prüfmaschinen
der Tragfähigkeit der Entkopplungselemente begrenzt; Servohydraulische Prüfmaschinen werden für quasi-
die ertragbaren Spannungen im Elastomer dürfen nicht statische, quasistatisch-thermische und dynamische
überschritten werden. Innerhalb dieser Grenzen ist das Prüfungen eingesetzt. Quasistatische Prüfungen, die
System betriebssicher und kann durch Abstimmen der auch mit elektromechanischen Prüfmaschinen durch-
Vorspannung mit Toleranzlagen auf einen Arbeits- geführt werden können, liefern Aussagen über das
bereich fixiert werden. Zielsetzung ist es, mit mög- Kompressions- und Rückfederungsverhalten von
lichst kleinen Kräften zu arbeiten und damit die Ver- Dichtungen. Mit quasistatisch-thermischen Prüfungen
formungen an den Bauteilen zu minimieren. wird die Standfestigkeit und das Kriechverhalten von
Dichtungswerkstoffen unter Pressungs- und Tempera-
7.21.4.2 Simulation im Labor – Funktions- tureinfluss untersucht.
und Lebensdauerprüfung Dynamische Tests zur Vorselektion und Prüfung des
Unter Laborbedingungen werden reale Beanspru- Dichtungsdesigns sind insbesondere für Metalllagen-
chungen simuliert – abhängig von der Dichtungs- dichtungen von Bedeutung, Bild 7-389. Der Brenn-
bauart zum Beispiel mit Tests zur Ermittlung von raumbereich der Dichtung wird dabei zwischen Me-
Medien- und Temperaturbeständigkeit, Dauerhalt- tallflanschen verspannt und über eine festgelegte An-
322 7 Motorkomponenten

angeschlossenen Medienkreislauf Temperaturzyklen


gefahren. Das Zusammenspiel zwischen Bauteilstei-
figkeit und Dichtungsdesign lässt sich durch die
Messung der eintretenden dynamischen Dichtspalt-
öffnungen beurteilen. Schwachstellen der Bauteile
können frühzeitig erkannt werden; Optimierungs-
maßnahmen am Dichtungsdesign sind damit vor dem
Beginn der eigentlichen Motorerprobung möglich.

Lebensdauerversuche
Mit diesen Prüfverfahren wird das Langzeitverhalten
von Dichtungen, Dichtungsmaterialien und Modulen
untersucht. Es handelt sich dabei überwiegend um
Prüfungen von Elastomerwerkstoffen und Kunststof-
fen (Module). Ausnahmen bilden die Untersuchungen
Bild 7-389 ZKD-Test an der servohydraulischen des Setzverhaltens und der Druckstandfestigkeit von
Anlage Weichstoff-Dichtungswerkstoffen.
Elastomerdichtungen und Kunststoffe erfahren im
Betrieb eine zeitliche Alterung, die während der
sonst üblichen Abpresstests, Kurzzeit-Thermoschock-
tests und Wärmeeinlagerungen nicht auftritt. Um die
Funktion des Moduls über die Lebensdauer zu ge-
währleisten, werden Simulationstests erarbeitet, die
die im Fahrzeugbetrieb auftretenden Belastungszu-
stände berücksichtigen und angemessene Testzeiten
ermöglichen. Dazu müssen die Einflussgrößen Tem-
peratur-, Medien- und Druckbeanspruchung in ein
Prüfprogramm einbezogen werden. Dies kann durch
den Anschluss von externen Medienkreisläufen (Öl,
Kühlmittel) an den Prüfling und/oder durch die Ein-
lagerung in einer Temperaturkammer realisiert wer-
den. Mit diesen Prüfungen, die die thermischen
Betriebszustände des Motors nachstellen, können
innerhalb einer Testdauer von 2.000 h die Belastun-
Bild 7-390 Dynamische Innendrucksimulation mit gen, die einer Beanspruchung von circa 10 Jahren
Original-Motorbauteilen Fahrzeugbetrieb entsprechen, simuliert werden. Sind
auch Schwingungseinflüsse zu beachten, dann kann
zahl von Zyklen (zum Beispiel 107) bei gegebener ein derartiger Test zusätzlich in Kombination mit
Frequenz mit konstanter Kraft- oder vorzugsweise einem Schwingerreger durchgeführt werden.
Wegamplitude beaufschlagt. Ziel ist es, die maximal
Schwingprüfanlagen
ertragbare Schwingungsamplitude zu ermitteln. Die
Flanschflächen können zudem mit definierter Oberflä- Motorkomponenten und Module sind im Betrieb
chenqualität (Rauigkeit, Porosität) hergestellt werden, mechanischen Schwingbeanspruchungen auf Grund
so dass sich mit Abpresstests auch die zur Abdichtung von Fahrbahneinflüssen und direkter Schwingungsan-
minimal notwendige Dichtpressung bestimmen lässt. regung durch den Motor ausgesetzt. Diese dynami-
schen Beanspruchungen können mit sogenannten
Hydraulische Innendrucksimulation „Shakern“ auf das zu untersuchende Bauteil übertra-
Aufbauend auf den Tests an der servohydraulischen gen werden. Neben hydraulischen Systemen werden
Anlage prüft man mit der dynamischen Innendruck- primär elektrodynamische Shaker verwendet. Eine
simulation, Bild 7-390, den gesamten Dichtver- Kombination mit einem Gleittisch ermöglicht neben
band unter realitätsnahen Bedingungen. Die Zylin- der Anregung in vertikaler Richtung auch eine Prü-
derkopfdichtung wird dabei zwischen den Original- fung bei horizontaler Schwingbeanspruchung. Mit
Motorbauteilen (Kopf, Block) verbaut. Die einzelnen hydraulischen Systemen lässt sich bei Bedarf eine
Brennräume werden dann über schnelle Servoventile mehrachsige Beanspruchung realisieren. Mit Be-
hydraulisch unter Berücksichtigung der Zündfolge schleunigungsaufnehmern werden die Bauteilschwin-
„befeuert“. Überlagert zur Innendruckbeaufschlagung gungen am Prüfling erfasst, so dass gezielt im kriti-
werden über einen an den Wassermantel des Motors schen Schwingungsresonanzbereich getestet werden
7.22 Verschraubungen am Motor 323

kann. Ermüdungserscheinungen am Prüfling lassen V6-Motor) und weniger vom Verbrennungsverfahren


sich daher mit einem deutlichen Zeitraffereffekt (Diesel- oder Ottomotor). In Japan entwickelte Moto-
untersuchen. ren haben gegenüber den europäischen pro Motor
circa 15 % mehr Schraubverbindungen bei gleichzei-
Heißgassimulation tig geringerer Typenvielfalt. Die Schraubengröße/
Die thermische Beanspruchung der Bauteile, und -anzahl wächst mit größer werdendem Hubraum
damit auch der Dichtstellen im Bereich der Abgasan- beziehungsweise größer werdender Zylinderanzahl.
lage, kann mit Heißgaserzeugern nachgestellt werden. Die Serienfertigung wurde bei allen Automobilher-
Diese liefern definierte Abgasmassenströme bei stellern in Europa seit 1983 im Endmontagebereich
konstanter Temperatur durch die Verbrennung von sehr stark automatisiert. Vorreiter war hier VW mit
Heizöl, Dieselkraftstoff oder Erdgas. Zur Erzielung der „Halle 54“ im Werk Wolfsburg zur Produktion
hoher Bauteilverzüge (Beispiel Abgaskrümmer), wie des damals gerade anlaufenden GOLF III [1]. Dazu
sie auch im Motorbetrieb auftreten, wird der Prüfling war es erforderlich, die Schrauben zuführ- und mon-
einem Thermoschockprogramm unterworfen, wobei tagegerecht zu konstruieren.
er abwechselnd mit Heißgas und kalter Umgebungs- Beim Motorenbau handelt es sich um eine hochprä-
luft durchströmt wird. Die Dichtfunktion kann durch zise Komponentenfertigung, wobei die Fertigungs-
Abpresstests bei Raumtemperatur untersucht werden toleranzen der Basiswerkstücke (zum Beispiel Zylin-
(vor und nach dem Prüflauf). Dies ist aber keine derblock und -kopf) sehr gering sind und die Positio-
entscheidende Einschränkung für die Beurteilung der niergenauigkeit der Betriebsmittel beziehungsweise
Abdichtung, da der Schraubenkraftverlust durch Roboter unter 0,5 mm liegt.
Wärmeausdehnungen im Verspannungssystem insbe- Bei vollautomatisierten Montagestraßen werden die
sondere bei niedrigen Temperaturen voll zum Tragen Verbindungselemente über Zuführungen zur Ein-
kommt. Müssen auch dynamische Einflüsse berück- schraubstelle befördert; das Einschrauben und Fest-
sichtigt werden, kann der Heißgaserzeuger mit einer ziehen wird von einem Einfach- oder Mehrfach-
Schwingprüfanlage kombiniert werden. Abhängig schrauber in einer automatischen Schraubstation vor-
von der Aufgabenstellung und der Gestalt des Prüf- genommen – schon um das Reaktionsmoment abzu-
lings kommen hierfür elektrodynamische Shaker oder fangen. Werden auf einer Fertigungsstraße viele ver-
servohydraulische Anlagen in Frage. schiedene Motorvarianten gebaut, ist eine Vollauto-
matisierung unzweckmäßig. Mit der Weiterent-
Literatur wicklung der elektrischen Steuersysteme und der
[1] Diez, A.; Baur, M.: Geprägte Stopper – wichtiger Entwicklungs- ergonomischen Bauweise werden verstärkt Hand-
schritt bei Metaloflex-Metalllagen-Zylinderkopfdichtungen. In: schrauber mit integrierter Elektronik (Drehmoment-
MTZ 9/2004, S. 706 – 709 und Drehwinkel-Messwertgeber) zur Überwachung
[2] Bendl, K.; Griesinger, E.; Lieb, F.: Kunststoffmodule auch für
Nutzfahrzeugmotoren – Gewichtsreduzierung und Kosteneinspa-
oder Steuerung des Anziehvorganges eingesetzt [2 a].
rung. In: MTZ 9/2004, S. 714 – 718 Dadurch werden die Investitions- und Wartungs-
[3] Basshuysen, R. van; Schäfer, F. (Hrsg.): Dichtsysteme. In: Lexi- kosten der Montagelinie gesenkt und die Flexibilität
kon Motorentechnik. Wiesbaden: Vieweg, 2006 in Richtung „joint production systems“ erhöht.
[4] ElringKlinger AG: Fachdokumentationen Zylinderkopfdichtun-
gen, Spezialdichtungen, Module- und Elastomer-Dichtsysteme
[5] Diez, A.; Dr. Maier, U.; Dr. Eifler, G.; Schnepf, M.: Integrierte 7.22.2 Qualitätsanforderungen
Drucksensorik in der Zylinderkopfdichtung. In: MTZ 1/2004,
S. 22 – 25 Werden Fehlverschraubungen nicht erkannt, kommt
[6] Griesinger, E.: Ventilhaubenmodule von ElringKlinger – kom-
paktes Design, vielfältige Funktionen. In: MTZ 6/2003, S. 504 –
es zu Störungen im Produktionsablauf. Bei ausgelie-
509 ferten Aggregaten ist mit Funktionsstörungen zu
[7] Walter, G.; Griesinger, E.: Kunststoffmodule – Funktion und rechnen. Die Ursache für einen Störfall wird meist
Ästhetik. In: ATZ/MTZ System Partners 2002, S. 32 – 37 der Schraube zugeordnet, obwohl neben der Qualität
[8] Diez, A.; Gruhler, T.: Dichtung mit Profil. In: Automobil Indus-
trie Special Mercedes-Benz E-Klasse, Mai 2002, S. 60
der Schraube die Toleranz und Beschaffenheit der zu
[9] Dr. Zerfaß, H.-R.; Diez, A.: Zylinderkopfdichtungskonzepte für verschraubenden Teile und des Mutterngewindes
zukünftige Motorgenerationen. In: MTZ 1/2001, S. 30 – 35 sowie die Qualität der Montage genauso Einfluss auf
die Verbindung haben.
Somit ist bei der Automatisierung die Verwendung
7.22 Verschraubungen am Motor qualitativ hochwertiger Schrauben wichtig. Deshalb
werden Schrauben bei renommierten Schraubenher-
7.22.1 Hochfeste Schraubenverbindungen stellern neben Stichproben in der Fertigung oftmals
Ein moderner Grundmotor enthält zwischen 250 und am Ende des Fertigungsprozesses auch einer Vollprü-
320 Schraubenverbindungen, die mit 80 bis 160 ver- fung mittels Kontrollautomaten unterzogen. Damit
schiedenen Schraubentypen verbaut werden. Die wird der Qualitätsforderung der Schraubenabnehmer
Anzahl der Schraubverbindungen ist in erster Linie nach dem „0-Fehlerziel“ Rechnung getragen. In
abhängig von der Bauform (zum Beispiel R4- oder der Praxis lässt sich bis zur Schraubengröße M14 –
324 7 Motorkomponenten

bis zu dieser Abmessung ist eine Automatenkontrolle (KLT) gefüllt oder in Klarsichtbeutel abgepackt und
technisch problemlos durchführbar – ein Fehleranteil anschließend versiegelt. Eine andere, wenn auch
unter 50 ppm, bezogen auf die überprüften Haupt- wenig benutzte Variante ist es, die Schrauben erst
merkmale, realisieren. Die modernsten Automaten beim Anwender einer Prüfung zu unterziehen.
erreichen je nach Prüfumfang und Prüfungsart zwi- Einen Gestaltungsvorschlag für montagefreundliche
schen 100 Stück/min (mechanische Prüfung) und Schrauben zeigt Bild 7-391.
300 Stück/min (optische Prüfung). Bei größeren Werden Schrauben von unterschiedlichen Herstellern
Abmessungen ist die Vollautomatenkontrolle und das gemischt verbaut, gibt es erfahrungsgemäß Schwie-
damit verbundene Handling durch Schraubengewicht rigkeiten, wenn nicht exakte Festlegungen im Hin-
und -größe oftmals unwirtschaftlich, so dass eine blick auf Werkstoff, Streckgrenzverhältnis und Rei-
visuelle Kontrolle, meist kombiniert mit einem ande- bungskennwerte getroffen worden sind. Bei Lieferan-
ren Arbeitsgang (zum Beispiel Einhängen der Teile in tenwechsel ist häufig ein erneutes Einfahren der
Gestelle für die Oberflächenbeschichtung oder Ver- Anlage erforderlich [4, 5, 6].
packen der Teile) durchgeführt wird. Im Zusammen-
spiel mit einer prozesssicheren Fertigung, bei der nur
7.22.3 Schraubverbindungen
Zufallsfehler (auf die Jahresproduktion bezogenes
Auftreten von Fehlern in großen Zeitabständen und in Am Motor sind im Allgemeinen 5 kritische Schraub-
erfassbaren Stückzahlen) und keine Einzelfehlteile stellen vorhanden, die im Folgenden erläutert werden:
auftreten, werden in der Regel Fehleranteile unter x Zylinderkopfschraube
50 ppm erreicht, ansonsten unter 300 ppm. x Hauptlagerdeckelschraube
Diese Prozesssicherheit wurde im letzten Jahrzehnt x Pleuelschraube
nicht zuletzt durch die konsequente Einführung der Tech- x Riemenscheibenschraube
nischen Spezifikation ISO/TS 16949: QM-Systeme: Be- x Schwungradschraube.
sondere Anforderungen bei Anwendung von ISO 9001
[3] in den Betrieben erreicht. Damit konnte der Fehler- Weiterhin sind folgende Schraubverbindungen pro-
anteil in der Fertigung von 1.000 ppm auf < 300 ppm blematisch, die zwar nicht als kritisch aus Sicht der
ohne weitere Maßnahmen reduziert werden. Anwendungstechnik eingestuft werden, jedoch den
Um spätere Vermischungen auszuschließen und der Hauptanwendungsfällen am Motor zuzurechnen sind:
Forderung nach Fremdteilfreiheit zu entsprechen, ist x Nockenwellen-Lagerdeckelschraube
der Prüfung die Verpackung unmittelbar nachge- x Ölwannenbefestigungsschraube, Ventilhauben-
schaltet. Die Ware wird hier in spezielle Behälter befestigungsschraube.

dc 90° ± 1°
Presskontur Kopfauflage
dpr
S wahlweise
120°±1° Innentorx
kpr

m
ea
hm t,
u fna skan c
A ch
0,2+0,1

R
0 bis 1°30'
1,5d

A Se ds
k

g dw
i e run gen B
ntr eli
Ze keg dc
T (Z) B

am nd dw dr
Bu
dr
Übergang gerundet gerundeter
lges

oder kegelig Gewindeauslauf


d
Gewinde-Toleranzlage
l

6g 30
°
6h für schweren Schaftlastige Schraube: 35°+10°
Korrosionsschutz dc ≥ lges + 2mm (mm)
b

15°
Kopflastige Schraube:
dc > lges + 2mm (mm)

(X) A
lz
la

dz (Y)

90° ± 2°

Bild 7-391 Gestaltungsvorschlag für montagefreundliche Schrauben [1]


7.22 Verschraubungen am Motor 325

An dieser Stelle werden die Aggregatverschraubungen dem von Aluminium ist. Ein noch ungelöstes Pro-
und Anflanschungen bis auf das Verschrauben von blem ist der hohe Werkzeugverschleiß auf Grund der
Magnesiumbauteilen nicht weiter betrachtet. Hierbei großen Festigkeit des Materials. Außerdem haben die
werden größtenteils hochfeste Schrauben ab M6 ein- Legierungszuschläge für Stahl seit 2004 (circa
gesetzt, wobei es sich überwiegend um Norm- bezie- 80 €/to) stark angezogen und bewegen sich aktuell
hungsweise normähnliche Ausführungen handelt. bei 200 €/to. Durch beide Faktoren ist eine wirt-
schaftliche Fertigung noch nicht gegeben.
7.22.3.1 Zylinderkopfschraube
Die Funktion von Zylinderkopfschrauben besteht
darin, eine betriebssichere Verbindung des Gesamt-
systems Zylinderkopf, Zylinderkopfdichtung und
Kurbelgehäuse im Langzeitbetrieb unter Berücksich-
tigung der maximal möglichen Zündkräfte herzustel-
len. Ziel sind vor allem geringe, gleichmäßige Bau-
teilbeanspruchungen und Dichtheit gegen Verbren-
nungsgase, Schmiermittel und Kühlmittel.
Nachdem früher Zylinderkopfschrauben zum Aus-
gleich von Setzvorgängen bis zu zweimal nachgezo-
gen werden mussten, ist heute die nachzugsfreie
Zylinderkopfverbindung Stand der Technik.
Dies wurde mit dem Einsatz von Dehnschaft- oder
Gewindedehnschrauben mit hoher Elastizität, einge-
engten Toleranzen der Zugfestigkeit und des Rei-
bungsverhaltens, mit setzarmen Zylinderkopfdichtun- Bild 7-392 Dehnschaft- oder Gewindedehnschrauben
gen (zum Beispiel Ganzmetalldichtungen) und einem für die Zylinderkopfverschraubung (KAMAX-Werke)
Verschraubungsverfahren mit niedriger Streuung der
Vorspannkraft möglich. Als Verschraubungsverfah- Der immer stärker vorhandene Zwang zur Kosten-
ren hat sich weitgehend das drehwinkelgesteuerte reduzierung wurde bei der Optimierung der Zylinder-
Anziehen in den überelastischen Bereich durchge- kopfschraube in zwei Bereichen umgesetzt:
setzt. Die immer stärker forcierte Leichtbauweise mit x Einsatz von Gewindedehnschrauben als Kompro-
daraus resultierender geringerer Bauteilsteifigkeit von miss zwischen ausreichender Elastizität und redu-
Block und Zylinderkopf wird in der Regel durch eine zierten Fertigungskosten im Vergleich zu Dehn-
Absenkung der maximalen Schraubenfestigkeit aus- schaftschrauben mit einem deutlich aufwändige-
geglichen. Die Einhaltung der minimal notwendigen ren Fertigungsablauf.
Schraubenkraft kann dann nur über eine drastische x Ersatz des Unterlegelements auch bei Aluminium-
Einschränkung der Toleranzen der Zugfestigkeit und Zylinderköpfen durch seine Integration in den
der Reibungszahlen erreicht werden. Bei der Ausle- Schraubenkopf in Form einer Schraube mit
gung der Zylinderkopfverschraubung müssen gege- Flanschkopf. Zur Vermeidung von „Fresserschei-
benenfalls thermische Einflüsse Berücksichtigung nungen“ bei der Schraubenmontage muss die Geo-
finden. Es ist möglich, dass sich beim Warmlauf des metrie der Unterkopfauflage im Vorfeld in engen
Motors die Zylinderkopfschrauben weniger stark er- Grenzen bestimmt und anschließend fertigungs-
wärmen als die zu verspannenden Teile von Zylin- technisch umgesetzt werden. Dies beinhaltet eine
derkopf und Kurbelgehäuse. Es kann zu einem erheb- Oberflächenbehandlung mit extrem geringer Va-
lichen Anstieg der Vorspannkraft führen, wenn für rianz der Reibungs-Kennwerte und exzellenter
diese Bauelemente Werkstoffe mit höherem thermi- Haftung auf dem Grundmaterial, wie es zum Bei-
schen Ausdehnungskoeffizienten wie zum Beispiel spiel das Verfahren der Dünnschichtphospha-
Aluminium Verwendung finden. Auch unter diesem tierung mit quasiamorpher Kristallausbildung
Aspekt ist der Einsatz von Dehnschaft- oder Gewin- bietet.
dedehnschrauben (Bild 7-392) von Vorteil, da auf
Grund des geringeren Anstiegs der Feder-Kennlinie 7.22.3.2 Hauptlagerdeckelschraube
der Zuwachs der Schraubenbelastung deutlich gerin-
ger ausfällt [7, 8]. Zur Verbindung der Hauptlagerdeckel für die Kur-
Das Ausdehnungsverhalten von Stahl wird grundle- belwellen-Lagerung mit dem Kurbelgehäuse dienen
gend nur durch das Zulegieren von Nickel bestimmt. Hauptlagerdeckelschrauben. Davon werden in der
Deshalb sehen die neuesten Entwicklungen Zylinder- Regel zwei für jeden Hauptlagerdeckel eingesetzt, die
kopfschrauben aus austenitischem Werkstoff vor, als Ganzgewinde-Bundschrauben, gegebenenfalls in
dessen thermischer Ausdehnungskoeffizient ähnlich Verbindung mit Unterlegscheiben, ausgeführt sind.
326 7 Motorkomponenten

Bild 7-393 zeigt die Einbausituation einer solchen Als Montageverfahren haben sich das streckgrenz-
Verbindung sowie den dazugehörigen Kraftfluss. oder das drehwinkelgesteuerte Verfahren durchge-
Darin bedeuten: lk = Klemmlänge, lck = Plattendicke, setzt.
FB = Betriebskraft.
Das wesentliche Problem bei der Auslegung dieser 7.22.3.3 Pleuelschraube
Schrauben ist in den meisten Fällen der knapp bemes-
sene Bauraum, der für den Schraubenkopf zur Verfü- Bei den Pleuelschrauben handelt es sich um die
gung steht. Es ist sehr präzise auf die Einhaltung der dynamisch höchstbelasteten Verbindungselemente im
zulässigen Flächenpressung für die Unterkopfauflage Verbrennungsmotor. Die Pleuelschraube verbindet
und die Gegenlage zu achten. Jede Hauptlagerdeckel- bei der Montage auf die Kurbelwelle die Pleuelstange
verschraubung wird zweimal montiert: erstmals bei mit dem Pleuellagerdeckel.
der spanenden Bearbeitung der Lagerschalensitze auf Bei der Herstellung der Pleuelstange wird zuerst der
Rohling als Sinter-, Schmiede- oder Gusspleuel ein-
teilig gefertigt, die Bohrungen und/oder Gewinde
lk werden eingebracht. Im nächsten Schritt wird das
FB
große Pleuelauge durchtrennt. Dabei entsteht der
FB
Pleuellagerdeckel und die Pleuelstange. Im weiteren
lk′ Fertigungsablauf wird der Lagerdeckel auf der Pleu-
elstange mit der Pleuelschraube verspannt, um die
Sitze der Lagerschalen fein zu bearbeiten. Dabei
muss die Pleuelschraube ähnliche Vorspannkräfte wie
im späteren Betrieb aufbringen, damit sich gleiche
Verformungsverhältnisse bei der Lagersitzbearbei-
tung einstellen. Abschließend werden die Pleuel-
schrauben gelöst, die Lagerschalen werden eingesetzt
und das fertige Pleuel wird auf der Kurbelwelle
montiert.
Bei Pkw-Motoren wurde das große Pleuelauge früher
zumeist spanend durchtrennt. Um eine Querverschie-
bung des Pleuellagerdeckels auf der Pleuelstange im
Betrieb zu verhindern, mussten beide Teile zu-
einander zentriert werden über Rändel, Verstiftungen,
Bild 7-393 Einbausituation und Kraftfluss an der Splinte oder einen Passbund an der Pleuelschraube.
Hauptlagerdeckelverschraubung Größere Pleuelstangen, insbesondere im Nutzfahr-
zeugbereich, wurden mit Verzahnungen ausgeführt,
Passmaß; dann nach der Montage der Kurbelwelle die sich an ihren Fügeflächen finden. Ab 1990 hat
und dem Aufsetzen der Lagerdeckel. Bei der zweiten sich in der Großserienfertigung das „Cracken“ durch-
Montage kann es zum „Fressen“ im Gewinde kom- gesetzt. Dabei wird der Pleuellagerdeckel von der
men, wenn die Schraube im Kuppenbereich/Gewin- Pleuelstange an vorher eingebrachten Sollbruchstel-
deanfang Beschädigungen, zum Beispiel Schlagstel- len abgesprengt und es entstehen zerklüftete Bruch-
len, aufweist. Vorbeugend wird dies in der Konstruk- flächen, die genau zu ihrem Gegenstück passen und
tion durch eine optimale Kuppengestaltung und in der so die Funktion der Zentrierung übernehmen und eine
Fertigung durch möglichst niedrige Fallhöhen (ma- Querverschiebung verhindern. Dies Verfahren ergibt
ximal 300 mm) vermieden. Unter Kuppengestaltung im Vergleich zur konventionellen Fertigung, wo das
versteht man das Anfasen des Schraubenschaftan- große Pleuelauge separat aufgeschnitten werden
fangs vor dem Gewindewalzen, damit das Gewinde muss, um dort nach der Bearbeitung die Pleuellager-
beim Aufwalzen nicht ausbricht. Am Gewindeanfang schalen einzusetzen, erhebliche Kosteneinsparungen.
entstehen lediglich stumpfe Gewindezähne, deren Das Design der Pleuelschraube richtet sich nach der
Neigung zur Schlagstellenbildung gering ist. Ausführung der Pleuelstange. Bei spanend durch-
Um die Steifigkeit des Kurbelgehäuses zu erhöhen, trennt hergestellten Pleuelstangen werden häufig
werden in Motoren immer häufiger sogenannte „Lad- Schrauben mit Passbund eingesetzt. Alternativ haben
derframes“ eingesetzt. Sie stellen eine Verbindung sich Pleuelschrauben etabliert, in die kalibrierte
zwischen einzelnen Hauptlagerdeckeln dar. Dadurch Rillen eingewalzt wurden, die die Funktion des Pass-
kann der untere Motorenbereich verwindungssteifer bunds übernehmen. Mit der Tiefe der eingewalzten
gestaltet werden. Meist sind dabei die Lagerdeckel in Rille wird auch eine der Dehnschraube ähnliche
den „Ladderframe“ aus Leichtmetall eingegossen. In Nachgiebigkeit erzeugt. Rillenpleuelschrauben (oder
diesem Fall wird mit der Hauptlagerschraube die Vieltaillenschrauben) sind fertigungstechnisch ohne
komplette Einheit verschraubt. spanenden Arbeitsgang herstellbar und somit kosten-
7.22 Verschraubungen am Motor 327

günstiger. Noch kostengünstiger lassen sich Ganz- Je nachdem, ob eine Mutter verwendet wird oder
gewindeschrauben in Crackpleueln einsetzen, da sie nicht, sind die Kopfformen mit Kraftangriffen oder
dort keine Zentrierfunktion des Pleuellagerdeckels Verdrehsicherungen ausgestattet.
übernehmen müssen. Übliche Abmessungen in Pkw-Motoren reichen von
Ein Beispiel aktuell verwendeter Pleuelschrauben M6,5–M10, bei Nutzfahrzeugen von M11–M16.
zeigt Bild 7-394. Im Betrieb müssen die Pleuel hohe dynamische
Belastungen ertragen. Beim Umlauf der Kurbelwelle
entstehen Massenkräfte der Pleuelstange, die neben
den Kolbenkräften aufgenommen werden müssen.
Durch die quadratische Abhängigkeit der Fliehkraft
von der Drehzahl begrenzen die Massenkräfte die
Maximaldrehzahl des Motors. Mit dem Trend des
Downsizings werden Hubräume reduziert und gestei-
gerte Leistungen durch höhere Drehzahlen realisiert.
Dafür sind kleine und möglichst belastbare Verbin-
dungen am Pleuellagerdeckel zwingend notwendig.
Die Pleuelschraube trägt dem mit immer höheren
Zugfestigkeiten Rechnung, die mittlerweile bis etwa
1.600 MPa reichen.
Zum Sicherstellen einer gleichmäßig hohen Vor-
Bild 7-394 Crackpleuel, diverse Pleuelschrauben spannkraft bei der Pleuelstangenbearbeitung und im
(RIBE, [18]) Betrieb haben sich überelastische Montageverfahren
bewährt, die den Reibwerteinfluss auf die Montage-
vorspannkraft minimieren. Das können drehwinkel-
Die Nachgiebigkeit der Schraube hat einen erhebli- gesteuerte Verfahren sein oder streckgrenzgesteuerte
chen Einfluss auf die Schwingfestigkeit. Die dyna- Montageverfahren. Für die drehwinkelgesteuerte
misch angreifende Schraubenzusatzkraft FSA (und Montage ist die Anzugsvorschrift über eine Reihe
damit die Belastung der Pleuelschraube) sinkt, wenn von Schraubversuchen am Originalbauteil zu ermit-
die Nachgiebigkeit der Schraube erhöht ist. Deswe- teln, bei der streckgrenzgesteuerten Montage wird die
gen findet man bei Pleuelschrauben eher Dehn- Vorschrift lediglich über einen Anzug in das „grüne
schaftschrauben als Vollschaftschrauben. Schrauben Fenster“ definiert. Hier ist eine wesentlich geringere
mit Passbund sind wenig nachgiebig, weswegen sie – Anzahl von Einschraubversuchen notwendig.
sofern sie zum Einsatz kommen müssen – mit einem Gleichmäßig hohe Vorspannkräfte wirken sich auch
Dehnschaftanteil kombiniert werden. Schrauben mit positiv auf die Dauerschwingfestigkeit aus: Pleuel-
Gewinde bis unter Kopf liegen bezüglich ihrer Nach- schrauben in Motoren sind infolge ihrer Anordnung
giebigkeit nahe an Dehnschaftschrauben. immer exzentrisch belastet und exzentrisch verspannt.
In Bild 7-395 werden die Eigenschaften verschiede- Dabei steigt die Dauerschwingfestigkeit mit der Höhe
ner Schraubenschaftgeometrien miteinander ver- der eingebrachten Vorspannkraft [20].
glichen.

Schraubenform

Gewicht 100 91 91 91 91 76 70
Statische Tragfähigkeit [%] 100 100 100 100 100 87 70
Nachgiebigkeit [%] 100 116 141 145 143 147 182
Dynamische Tragfähigkeit [%] 100 112 131 130 130 135 162
Kosten [%] 100 96 107 118 118 156 163

Bild 7-395 Vergleich der Eigenschaften verschiedener Schaftformen [19]


328 7 Motorkomponenten

Eine weitere schwingfestigkeitserhöhende Maßnahme oben links). Davon ausgehend werden Geometrie-
ist das sogenannte „Schlusswalzen“ des Gewindes und Werkstoffdaten analytisch verarbeitet, die Belas-
nach dem Vergüten des Bolzens auf seine Endfestig- tungen ergeben sich heute meist aus numerischen FE-
keit. Die beim Schlusswalzen eingebrachten Kaltver- Berechnungen. Ergebnis einer umfassenden Schrau-
festigungen und Druckeigenspannungen verbessern benberechnung sind Vorschläge für die tragfähige
die Dauerschwingfestigkeit auch bei überelastisch Verbindungsgestaltung sowie für das Montage- und
montierten Schraubenverbindungen. Die Belastungen Betriebsverhalten. Die Diagramme in der Abbildung
sind beim Walzen höchstfester Schrauben auf die unten zeigen ein errechnetes Montagediagramm
Umformwerkzeuge sehr hoch; dies führt zu einem er- (links), aus dem die drehwinkelgesteuerte Montage-
höhten Werkzeugverschleiß und damit zu höheren spezifikation entnommen werden kann und ein Über-
Fertigungskosten. Deshalb wurden Entwicklungen tragungsdiagramm (rechts), das ein kontrolliertes
mit bainitisch schlussvergüteten Schrauben ange- partielles Klaffen durch die Betriebslast anzeigt.
strengt. Da sich das Gefüge des Bainits nicht nadelig Nach Abschluss der Berechnung werden mit Pul-
wie Martensit darstellt, ist die innere Kerbemp- sertests am gesamten Pleuel und Feldversuchen in
findlichkeit geringer, die Schrauben weisen eine Prototypenmotoren die Berechnungsergebnisse abge-
hohe Duktilität auf und die Zugfestigkeit einer sichert.
15.8 Schraube liegt 22 % höher gegenüber einer kon-
ventionell vergüteten 12.9 Pleuelschraube. Außerdem 7.22.3.4 Riemenscheibenschraube
verbessert sich die Dauerschwingfestigkeit im Ver-
gleich zur schlussvergüteten Schraube [21]. Die Riemenscheibe wird mit einer Zentralschraube
Dauerhaltbarkeitswerte von schlussvergüteten Schrau- befestigt. Auf die Kurbelwelle wird oft neben der
ben liegen bei VA | r 55 MPa. Schlussgewalzte Riemenscheibe auch ein Zahnrad für den Ölpumpenan-
Schrauben liegen auch im überelastisch montierten trieb und eventuell der Schwingungsdämpfer ver-
Zustand bis zu 40 % darüber [20]. schraubt. Die Riemenscheibe wird über ihre Innenboh-
Bei der rechnerischen Auslegung einer Pleuelver- rung auf den Kurbelzapfen aufgesetzt. Der große
schraubung richtet man sich bei der ersten Auswahl Bohrungsdurchmesser der Riemenscheibe macht es
der Schraubenabmessung und -festigkeit nach dem erforderlich, dass durch eine große Scheibe oder durch
Vorgängermotor oder einem bauartähnlichen Motor. einen großen Schraubenbunddurchmesser eine kraft-
Durch die Gesetzmäßigkeiten des Kurbeltriebs sind schlüssige Verbindung zwischen Schraube und Rie-
die einwirkenden Massen- und Gaskräfte bekannt. menscheibe geschaffen wird. Oft ist eine Schraube
Nicht bekannt sind die Betriebsbelastungen nach M 12 mit einem Scheiben- beziehungsweise Bund-
Größe, Richtung und Lage bezogen auf die Schrau- durchmesser bis 38 mm (zum Beispiel Ottomotor) oder
benachse in der Trennfugenebene, die in die einzelne eine Schraube M 18 mit einem Bunddurchmesser bis
Verbindung eingeleitet werden, um die Verformun- 65 mm (zum Beispiel Dieselmotor mit 2,5 Liter Hub-
gen und Beanspruchungen der Schraube zu ermitteln. volumen) ausgestattet.
In der Fachliteratur [9,10] finden sich verschiedene Die Riemenscheibe wird auf den Kurbelzapfen separat
analytische Verfahren, mit denen sich die Axial- aufgepresst oder über die Schrauben mit einem vorher
kraft FA, der Querkraft FQ sowie der exzentrische definierten Anziehdrehmoment auf die Kurbelwelle
Abstand a der Axialkraft von der Schraubenachse in aufgezogen. Bei Nutzfahrzeug-Motoren geht man in
Abhängigkeit zur Pleuelgestaltung bestimmen lässt. der Regel bis zum Abmessungsbereich M 24 u 1,5 und
Mit diesen Vorgabewerten lässt sich eine iterative setzt die Unterlegscheibe kurz vor der Montage auf.
Auslegung mit verschiedenen Softwareprogrammen Bei großen Nutzfahrzeug-Motoren wird die Riemen-
(zum Beispiel Screw-Designer, VDI-Schraubenbe- scheibe auf den Schwingungsdämpfer aufgesetzt und
rechnung, KABOLT etc.) durchführen. Die verfügba- über Durchgangsbohrungen direkt mit sechs bezie-
ren Berechnungsprogramme richten sich grundsätz- hungsweise acht Schrauben beziehungsweise Stehbol-
lich nach der VDI 2230 Blatt 1, die einen Leitfaden zen (zum Beispiel M 10) mit der Kurbelwelle ver-
zur Schraubenauslegung, insbesondere für Pleuel- schraubt.
schrauben, darstellt. Riemenscheibenschrauben wurden früher nur mit
Als Berechnungsergebnis erhält man die notwendige einem Drehmoment angezogen. Heute hat sich das
Vorspannkraft, die ein partielles Abheben des Pleuel- Drehwinkelverfahren durchgesetzt. Der Anzug er-
lagerdeckels und eine Querverschiebung der ver- folgt über ein Fügemoment, bis alle Trennfugen satt
spannten Teile verhindert, und verifiziert die vorher aufeinander liegen. Daran schließt sich ein Weiter-
angenommene Gewindeabmessung und Festigkeits- drehen an, das über eine Drehwinkelmessung gesteu-
klasse der Schraube. Mit einer passenden Anzugsvor- ert wird. Dabei können extrem hohe Endanzugs-
schrift muss das Erreichen der Vorspannkraft im momente erreicht werden. Bei einer Schraube
Betrieb sichergestellt werden. M 12 u 1,5 – 10.9 werden Momente bis zu 260 Nm
Bild 7-396 zeigt zur Verdeutlichung den Berech- erreicht, wobei das theoretisch errechnete Endmo-
nungsablauf für eine Crack-Pleuelschraube (Foto ment zwischen 120 und 150 Nm liegt.
7.22 Verschraubungen am Motor 329

nume-
rische
Model-
lierung

Input Input Input mechanisch-thermische


Geometrie Werkstoffe Schraubenbelastung
Liste der
Sicherheiten

Abb-Kap-Pleuelschraube...dsf
Gestaltung
der Ver-
bindung

Montage-
verhalten Betriebs-
50 verhalten
tightening torque

40
20
Ttot (Nm )

30
screw loading

15
Fsaod (kN)
Fsaos +

20 10
10 5

0
0
0 5 10 15 20
180

270

360

450

540
90
0

external axial loading


tightening angle teta (°) Faos0 + Faod0 (kN)

Bild 7-396 Pleuelschraube und analytisch-numerische Schraubenberechnung (Screw-Designer) [22]

Die große Streuung des Endmomentes ergibt sich auf sondern auch über die Verbindung bestimmt werden
Grund der großen Kopfauflage, die bei kleinster kann.
Verkantung ein „Fressen“ hervorruft. Ein streck-
grenzgesteuertes Verfahren kann dann bei Riemen- 7.22.3.5 Schwungradschraube
scheibenschrauben nicht durchgeführt werden, wenn Bauseitig ist auf der Kurbelwelle ein relativ kleiner
ein extrem großer Bunddurchmesser vorliegt oder Teilkreis vorgegeben. In der Montage ist darauf zu
mehrere Teile miteinander verspannt werden, so dass achten, dass zwischen den Schrauben genügend
sich daraus eine hohe Trennfugenanzahl zwischen Freiraum für die Anziehwerkzeuge liegt. Die Schrau-
den zu verspannenden Teilen ergibt. Diese ergeben ben werden mit einer Mehrspindeleinheit gleichzeitig
auf Grund von Fertigungsungenauigkeiten und un- streckgrenzgesteuert angezogen. Dies auch, weil hier
vermeidbarer Verschmutzung ein höheres Setzverhal- geringe Klemmlängen (zum Beispiel 7 mm) vorlie-
ten beziehungsweise eine so nachgiebige Verbindung, gen. Durch den geringen Abstand zwischen Kurbel-
dass der Streckgrenzpunkt nicht über die Schraube, zapfen und Schwungrad sind die Kopfhöhen kleiner
330 7 Motorkomponenten

als nach Norm. Um das erforderliche Drehmoment


sicher aufzubringen, wird deshalb oft ein Außen-
zwölfkant- oder ein Außensechsrund-Angriff, gege-
benenfalls auch ein Innenvielzahn-Schlüsselangriff,
vorgesehen. Wenn eine Ölversorgung durch Kanäle
in der Kurbelwelle gegeben ist, werden die Schrauben
zur Abdichtung gegen Ölleckagen mit einem mikro-
verkapselten Dichtkleber oder mit einer Nylon-Rund-
umbeschichtung versehen.
Einige Motorenhersteller ziehen Schwungradschrau-
ben noch drehmomentgesteuert an, die dann manuell
„nachgeknickt“ werden.
Bei den in jüngster Zeit vermehrt zum Einsatz kom-
menden Zweimassenschwungrädern werden die
Gesamt-Module dem Fahrzeughersteller komplett mit Bild 7-397 Rifixx+, Schraube-Hülse-Kombination
Schwungradschrauben angeliefert und dort als Ein- mit zusätzlichem Körperschallentkopplungselement
heit montiert. Die Schrauben werden dabei mit einem (RIBE) [23]
mehrspindeligen Schrauber durch Bohrungen in der
Kupplungstellerfeder und der Kupplungsscheibe
angezogen.

7.22.3.6 Nockenwellen-Lagerdeckelschraube
Bei dieser Schraubverbindung werden meist norm-
ähnliche Bundschrauben im Abmessungsbereich M 6,
M 7 und M 8 für Pkw-Motoren, sowie M 10 und
M 12 für Nutzfahrzeug-Motoren eingesetzt. Da beim
drehmomentgesteuerten Anzug die Gefahr besteht,
dass sich die Nockenwellenlager unterschiedlich ver-
spannen, wird vermehrt das drehwinkelgesteuerte
Verfahren gewählt, um definierte Vorspannkräfte zu
erreichen. Die Besonderheit einiger Pkw-Hersteller
liegt im Einsatz von Stiftschrauben, die in den Zylin-
derkopf eingeschraubt werden; anschließend wird der
Lagerdeckel aufgesetzt und mit Muttern festge-
schraubt.

7.22.3.7 Ölwannenbefestigungsschraube
Die Ölwanne wird heute üblicherweise mit unverlier- Bild 7-398 Ölwannenschraube mit Innensechsrund
bar in ihrem Flansch angeordneten Schrauben am und Bund (KAMAX-Werke)
Endmontageband angeliefert, wo sie mit dem Motor-
block verschraubt werden. Damit eine vollständige
Öldichtheit erreicht wird, muss die Flächenpressung Rippen an der Unterseite des Motorblocks reduzieren
über die gesamte Dichtfläche gleichmäßig hoch sein. die Geräuschabstrahlung. Aufgrund des geringen
Dies wird durch drehmomentgesteuert angezogene Gewichts und der großen Fläche geht von der Öl-
Schrauben (M6–M8, Festigkeitsklasse 8.8/10.9) er- wanne selbst eine hohe Geräuschemission aus. Bei
reicht. Damit die von den Schrauben aufgebrachten nur geringfügig erhöhten Kosten bietet sich hier die
Vorspannkräfte gleichmäßig auf die Dichtung wirken Lösung einer Körperschallentkopplung über die
können, kommen hier Schrauben mit großem Bund- verwendeten Ölwannenbefestigungsschrauben an.
durchmesser, siehe Bild 7-398, oder Distanzhülsen
mit großem Flanschdurchmesser, siehe Bild 7-397, 7.22.4 Verschrauben in Leichtmetalle
zur Anwendung.
Außerdem wird eine hohe Anzahl von Schrauben Der seit Jahren anhaltende Trend zum Leichtbau in
benötigt, damit es bei der Krafteinleitung zu großen der Automobilindustrie führt dazu, dass viele Bautei-
Überlappungen der Druckkegel im Bereich der Dich- le im Motorenbereich aus Stahl und Kunststoff durch
tung kommt. Überwerfungen bei der Montage werden Aluminium und Magnesium ersetzt werden. Alumi-
durch das Festlegen einer Anzugsreihenfolge von der nium und Magnesium sind mittlerweile gängige
Mitte des Motors nach außen hin vermieden. Gehäusewerkstoffe zum Beispiel für Getriebe anstelle
7.22 Verschraubungen am Motor 331

von Grauguss. Sie besitzen den Vorteil einer relativ grenze nicht überschritten wird, da ansonsten die
hohen Steifigkeit bei dünnwandiger Ausführung. In Schraube gelängt wird. Die Vorspannkraft ist die Kraft,
Verbindung mit Stahlschrauben treten unter thermi- die in der Schraubverbindung nach Abschluss der
scher Belastung hohe Zusatzkräfte auf. Durch die Montage vorhanden ist. Bei einem sehr hohen IST-
ständigen Temperaturänderungen kommt es zu Rela- Reibbeiwert (höher als angenommen) fällt die Vor-
xation und großen Setzverlusten und damit zur Redu- spannkraft sehr niedrig aus. Somit kann mit diesem
zierung der Vorspannkräfte. Ferner sind Maßnahmen Verfahren die Schraube nicht optimal ausgenutzt
gegen Kontaktkorrosion zu treffen, da das elektro- werden. Die zwischen den Schraubenherstellern und
chemische Potenzial von Stahlschrauben gegenüber der Automobilindustrie vereinbarten zu erwartenden
Aluminium/Magnesium sehr hoch ist. Dies führt in Reibbeiwerte liegen zwischen μges = 0,08 bis 0,14. Sie
jüngster Zeit vermehrt zum Einsatz von wärmebe- sind Bestandteil des jeweiligen Qualitätsabkommens
handelten Schrauben aus Aluminium (AL9), die – da und werden je Schraubenlos auf einem Reibwertprüf-
grundsätzlich überelastisch montiert – ähnlich hohe stand stichprobenartig überwacht [17].
Vorspannkräfte wie drehmomentgesteuert montierte Eine spezielle Form des Drehmomentanzuges ist die
Stahlschrauben 8.8 erzeugen. Diese dehnen sich syn- Kombination mit dem sogenannten „Nachknicken“,
taktisch zum Mutterwerkstoff aus, so dass keine zum Beispiel nach dem abgeschlossenen Schraubvor-
thermisch induzierten Zusatzspannungen bei erhöhten gang wird die Verbindung mit einem messenden
Temperaturen (Grenze: 150 °C) auftreten. Das dem Drehmomentschlüssel nachgezogen. Dieses Verfah-
Mutterwerkstoff ähnliche Ausdehnungsverhalten ren wird in der Großserie an den verbleibenden Hand-
auch unter Last bietet den weiteren Vorteil einer montageplätzen eingesetzt und in der Kleinserie bei
optimalen Gewindeüberdeckung im Eingriff, so dass allen kritischen Verbindungselementen. Bei der manu-
die Einschraubtiefen reduziert werden können. Alu- ell durchgeführten Verschraubung wird mit einem
miniumschrauben können so etwas kleiner bauen als drehmomentgesteuerten Druckluft-Schrauber oder bis
Stahlschrauben und sind dabei noch leichter. Bezüg- zum vorgegebenen Moment angezogen und anschlie-
lich Korrosion ist in Magnesium oder Aluminium ßend mit einem messenden Drehmomentschlüssel
keine besondere Maßnahme zu treffen, da sich die nachgeknickt und üblicherweise farbmarkiert. Das zum
Potenziale gleichen, beziehungsweise stark ähnlich Beginn des Weiterdrehens erforderliche Drehmoment
sind. ist das Nachknickmoment (auch Nachziehmoment
Eine mehrfache (überelastische) Montagefähigkeit genannt).
von Aluminiumschrauben stellt hohe Anforderungen
an die Oberfläche der Schrauben. Es können dazu die
Aluminiumschrauben mit einer Al-Phosphatschicht
und einem geeigneten Gleitmittel (zum Beispiel
RIBE-Lub) versehen werden, was die benötigte Reib-
wertkonstanz bei bis zu fünf aufeinanderfolgenden
Montagen sichert.

7.22.5 Schraubenanziehverfahren
Bei der Wahl der Anzieh- und Montageverfahren ist
zu bedenken, dass Pkw-Motoren in großen Stückzah-
len gefertigt werden; Nfz-Motoren teilweise in Klein-
serien- oder in Einzelfertigung [16].

7.22.5.1 Drehmomentgesteuertes Anziehen


Der drehmomentgesteuerte Schraubenanzug wird
zumeist nur für untergeordnete Schraubfälle (Min-
destvorspannkraft muss nicht genau definiert aufge-
bracht werden) angewendet und nur in Einzelfällen für
hochwertige Anwendungen (zum Beispiel Riemen-
scheibenmontage) in automatisierten Montagestraßen.
Es wird auch zukünftig seinen Bestand im Service-
Bereich behalten. Die Problematik besteht darin, dass (Werkbild: Atlas Copco Tools)

die über das Drehmoment erzielte Vorspannkraft so


gewählt werden muss, dass auch im ungünstigsten Fall Bild 7-399 Aggregatemontage mittels Handschrau-
(zum Beispiel kleinerer IST-Reibbeiwert als bei der ber mit integriertem Drehmoment- und Drehwinkel-
Drehmomentfestlegung abgeschätzt wurde) die Streck- Messwertgeber (Atlas-Copco)
332 7 Motorkomponenten

Das „Nachknicken“ erfolgt erfahrungsgemäß etwas Der Bereich der Rp0,2.-Punkte stellt beim streckgrenz-
über dem Einstellwert des Knickschlüssels hinaus, so gesteuerten Anziehen das sogenannte „grüne Fenster“
dass sich dadurch oft ein indirekt drehwinkelgesteuer- dar. In diesem Bereich muss der Abschaltpunkt des
ter Anziehvorgang ergibt. Schraubers liegen, damit die Verschraubung als in
Ordnung erfasst wird und die gegebenenfalls vorge-
7.22.5.2 Drehwinkelgesteuertes Anziehen sehene Farbmarkierung erhält.
Beim Drehwinkelanzug bis in die Streckgrenze liegt Bei der Dimensionierung von Schraubverbindungen
die Vorspannkraft im Mittelwert 25 bis 30 % höher ist zu berücksichtigen, dass der Schraubenbolzen im
als beim drehmomentgesteuerten Anziehen. Während Falle einer Überbeanspruchung durch statische Zug-
beim drehmomentgesteuerten Anziehen die Vor- kräfte in seinem schwächsten Querschnitt brechen
spannkraft um circa +/– 25 % schwankt (praktisch im wird. Üblicherweise ist dies im freien belasteten
gleichen Maße wie die Reibung), beträgt die Vor- Gewindeteil oder im Dehnschaftbereich der Fall.
spannkraftschwankung beim drehwinkel- und streck- Der Einsatz des Drehwinkelanzugs (als streckgrenz-
grenzgesteuerten Anziehen hingegen nur circa überschreitendes Verfahren) ist bei Schrauben mit
+/– 10 %. Beim Drehwinkelanzug ist die Vorspann- einer Schaftlänge über 2 u d beziehungsweise einem
kraftstreuung lediglich im Bereich bis zum Fügemo- freien belastetem Gewindeteil mit mehr als zehn Gän-
ment reibungsabhängig. Das Fügemoment ist dabei gen unkritisch. Dann sind bei der Auslegung des An-
das Moment, welches aufgebracht werden muss, bis ziehdrehwinkels selbst Toleranzen von 20 Grad ver-
durch Anziehen der Verbindung die Flächen aller kraftbar. Bei einer Schraube mit zum Beispiel der
Trennfugen durch elastische und plastische Verfor- Steigung P = 1,5 mm bedeutet ein Weiterdrehen der
mung „satt“ aufeinander liegen. Die Streuung ergibt Schraube über den Streckgrenzpunkt um 30 Grad eine
sich hauptsächlich aus den unterschiedlichen Ist- plastische Längung von circa 0,125 mm. Auf eine
Streckgrenzen der Schrauben, vorausgesetzt, die gefor- Klemmlänge von 60 mm bezogen, ist dies eine blei-
derte Wiederholgenauigkeit beim Anfahren der einge- bende Verformung von 0,21 %. Dieser Wert ist unbe-
stellten Winkel wird erreicht. Dies ist bei den heutigen denklich. Im Umkehrschluss ist bei dem Einsatz von
Impulsgebern der Fall. Darüber hinaus ist aus den kurzen Schrauben (< 2 u d Schaftlänge) der Drehwin-
Kurvenverläufen oberhalb des Streckgrenzpunktes kel so genau zu bestimmen, dass der Abschaltpunkt
erkennbar, dass eine Winkelstreuung nur einen unter- nahe im Bereich des Streckgrenzpunktes liegt, zumal
geordneten Einfluss auf die Montagevorspannkraft hat heute Schrauben mehrfach bis in die Streckgrenze
(Bild 7-400). Zur Qualitätssicherung der Verbindung angezogen werden. Als Faustformel gilt, dass in diesen
wird eine Drehmoment-Überwachung eingesetzt. Fällen auf die Klemmlänge bezogen eine bleibende
Man erkennt, dass beim Drehmomentanzug die mini- Dehnung von maximal 1 % zulässig ist. Hierbei ist
male Vorspannkraft Fm zwischen 48 und 57 kN liegt; jedoch zu beachten, dass durch das mehrmalige Anzie-
beim streckgrenzgesteuerten Anzug zwischen 67 und hen die Kopfauflage und auch die tragenden Gewinde-
85 kN und beim drehwinkelgesteuerten Anzug zwi- gänge in Mitleidenschaft gezogen werden können und
schen 77 und 94 kN. Damit weist der Drehmoment- deshalb zum „Fressen“ neigen. Ist dies der Fall, wird
anzug bei kleinstem Vorspannkraftniveau die größte die erforderliche Vorspannkraft nicht mehr erreicht.
Vorspannkraftstreuung auf. Das Vorspannkraftniveau Ein weiterer Vorteil des Drehwinkelanzuges ist die
beim drehwinkelgesteuerten Anziehverfahren liegt Reproduzierbarkeit mit einfachem Anzugswerkzeug,
im Mittel circa 10 % über dem des Streckgrenz- so dass er gerne für den Erstanzug in der Linie und
verfahrens. für den Servicebetrieb ausgewählt wird.

100 100 mG = mK = 0,10 Rp0,2 =


ΔFM = 17 kN mG = mK = 0,14 1100 N/mm2
Montage-Vorspannkraft Fm

Rp0,2-Punkt mG = mK = 0,10
u-Anzug Rp0,2 =
kN 940 N/mm2
Drehmomentanzug

mG = mK = 0,14
ΔFM = 19 kN
Drehmomentanzug

MA-Anzug 50
50
MA max bei

,10
40
Füge- =0 = 0,1
4
umax bei

30 mK
moment G = = mK
m mG
20
10
0
0 10 50 Nm 100 130 0 50 grd 100 150
Anziehmonent MA Anziehdrehwinkel u

Bild 7-400 Anziehkurven einer Schraube DIN EN ISO 24014 – M 12 u 1,5 u 70 – 10.9 für den drehmoment-
(links) und drehwinkel- und steckgrenzgesteuerten Anzug (rechts), mit Darstellung der Einflüsse von Gewinde-
und Kopfreibung sowie der Schraubenfestigkeit
7.23 Abgaskrümmer 333

7.22.5.3 Streckgrenzgesteuertes Anziehverfahren [13a] Esser, J.: Ermüdungsbruch – Einführung in die neuzeitliche
Schraubenberechnung, 23. Aufl. 1999 (TEXTRON Verbin-
Dieses Verfahren hat gegenüber dem drehwinkelge- dungstechnik GmbH + Co. OHG, Neuss, 1998)
[14] Kübler, K.H.; Turlach, G.: Jende, S.: Schraubenbrevier, 3. Aufl.
steuerten Verfahren den Vorteil, dass immer die Ist- 1990 (KAMAX-Werke Rudolf Kellermann GmbH & Co.KG,
Streckgrenze der jeweils montierten Schraube ange- Osterode am Harz)
fahren wird. Dieses Verfahren kann nur sehr einge- [15] Scheiding; W.: Verschrauben von Magnesium braucht mehr als
schränkt eingesetzt werden, wenn während und kurze Alltagswissen, Konstruktion und Engineering, 04/01. Landsberg:
Verlag moderne industrie
Zeit nach dem Anzug mit größeren Setzbeträgen zu [15a] Westphal, K.: Verschraubung von Magnesiumkomponenten. In:
rechnen ist. Die bleibende Dehnung der Schraube pro Metall, 56. Jg., Heft 1–2 2002. Isernhagen: Giesel-Verlag
Anzug liegt je nach Sensibilität der Schraubersysteme [16] Kübler, K.H.; Mages, W.: Handbuch der hochfesten Schrauben,
zwischen 0,1 und 0,2 % und damit noch unterhalb der KAMAX-Werke (Hrsg.), 1. Aufl. Essen: Verlag W. Girardet,
1986
0,2-%-Dehngrenze. Eine unzulässig verbleibende [17] Jende, S.; Mages, W.: Schraubengestaltung für streckgrenzüber-
Längung der Schraube über die Dehngrenze hinaus schreitende Anzugsverfahren – überelastische Grenzgänger.
ist kaum noch möglich. Gegenüber dem drehwinkel- KEM, Ausgabe 9/1986 Leinfelden-Echterdingen: Konradin
gesteuerten Verfahren liegt das mittlere Vorspann- Verlag
[18] Richard Bergner Verbindungstechnik GmbH & Co.KG., Anwen-
kraftniveau 4 bis 7 % niedriger. Die Qualitätssiche- dungstechnisches Labor (Bildnachweis)
rung der Verbindung erfolgt durch die Überwachung [19] Wiegand, H.; Kloos, K.H.; Thomala, W.: Schraubenverbindun-
des „grünen Fensters“. Das „grüne Fenster“ legt den gen, 5. Aufl. Springer, 2007, S. 190
Abschaltpunkt des Schraubers im Streckgrenzbereich [20] Schneider, W.: Dissertation: Beanspruchung und Haltbarkeit
hochvorgespannter Schraubenverbindungen, 06/1991, Institut für
der Schraube fest, der über minimale und maximale Werkstoffkunde der Technischen Hochschule Darmstadt
Winkel- und Drehmomentvorgaben definiert ist. [21] Köhler, H.; Dieterle, H.; Hartmann, G.: Ultrafeste Schrauben-
Schrauben mit höchster Festigkeit bei gleichzeitig exzellenter
Literatur Zähigkeit, In: Konstruktion 1/2 2010, Springer-VDI-Verlag
[22] Friedrich, C.: Screw-Designer-Release V2.0, Siegen
[1] Jende, S.: Robotergerechte Schrauben – Hochfeste Verbindungs- [23] Richard Bergner Verbindungstechnik GmbH & Co.KG, Rifixx+,
elemente für flexible Automaten, Techno TIP 12/84. Würzburg: 2013
Vogel-Buchverlag
[2] N. N.: Industriewerkzeuge – Montagewerkzeuge, Firmenkatalog
2000–2001 der Atlas Copco Tools GmbH, Essen 7.23 Abgaskrümmer
[2 a]N.N.: Schraub- und Einpresssysteme. Firmenkatalog der Robert
Bosch GmbH Automationstechnik, Ausgabe 1.1 (2001), Murrhardt Im Fahrzeugbereich wurden über lange Zeit stan-
[3] Technische Spezifikation ISO/TS 16949: QM-Systeme: Beson-
dardmäßig Gusskrümmer eingesetzt. Lediglich für
dere Anforderungen bei Anwendung von ISO 9001: 2000 für die
Serien- und Ersatzteilproduktion in der Automobilindustrie, sportliche Motorvarianten wurden wegen der Dreh-
VDA-QMC, 2002, Frankfurt moment- und Leistungsoptimierung auch einwandige
[4] Jende, S.; Mages, W.: Roboterschrauben. Wie sollen Roboter- Rohrkrümmer verwendet, die angepasste Einzelrohr-
schrauben gestaltet sein? Schriftreihe Angewandte Technik. längen, Rohrdurchmesser und Rohrzusammenführun-
Verlag für Technikliteratur, 1990, S. 12–18
[5] Jende, S.: Automatische Montage hochfester Schrauben – An-
gen ermöglichten. Die motorische Verbrennung er-
wendungsbeispiele aus der Praxis – wt – Zweitschrift für indus- folgte bei Volllast weit unterstöchiometrisch, so dass
trielle Fertigung. Berlin, Heidelberg: Springer, 1986 die Abgastemperaturen relativ niedrig waren.
[6] N. N.: Informations-Centrum Schrauben – Automatische Mitte der 1980 er Jahre forderte der Gesetzgeber auch
Schraubmontage, Deutscher Schraubenverband e.V. (Hrsg.),
in Europa eine Limitierung der Schadstoffemission,
Hagen, 2. Aufl. 1997 (Iserlohn: Mönning-Druck)
[7] Jende, S.; Knackstedt, R.: Warum Dehnschaftschrauben? Defini- die es notwendig machte, die Fahrzeuge mit Kataly-
tion – Wirkungsweise – Aufgaben – Gestaltung. In: VDI-Z 128 satoren auszurüsten. Auf Grund der sich immer
(1986), Nr. 12 weiter verschärfenden Abgasgesetzgebung mussten
[8] Illgner, K. H.; Blume, D.: Schraubenvademecum, Bauer & die Emissionen nach dem Kaltstart des Motors immer
Schauerte Karcher GmbH (Hrsg.), 9. Aufl. 2001
[9] Lang, O. R.: Triebwerke schnelllaufender Verbrennungsmoto-
schneller und weiter reduziert werden.
ren. Konstruktionsbücher Nr. 22. Berlin, Heidelberg: Springer, Eine der Möglichkeiten zur schnellen Reduktion stellt
1966 die Verminderung der thermischen Masse des Krüm-
[10] Grohe, H.: Otto- und Dieselmotoren: Arbeitsweise, Aufbau und mers dar. In der Gussausführung kann die Masse mit
Berechnung von Zweitakt- und Viertakt-Verbrennungsmotoren. 4 bis 8 kg für einen Vierzylinderkrümmer recht hoch
Kamprath – Reihe kurz und bündig, Technik, 6. Aufl. Würzburg:
Vogel-Buchverlag, 1982
sein. Ist die thermische Masse des Krümmers gering,
[11] VDI: Systematische Berechnung hochbeanspruchter Schrauben- dann kann die Wärmeenergie des Abgasstromes den
verbindungen. VDI-Richtlinie 2230 (2013) Katalysator schneller auf „Anspring“-Temperatur
[12] Jende, S.: KABOLT – ein Berechnungsprogramm für hochfeste bringen. Als Anspringtemperatur wird diejenige
Schraubenverbindungen, Beispiel: Die Pleuelschraube. In: VDI
Abgastemperatur bezeichnet, bei der die Hälfte der
Z 132 (1990), Nr. 7, Juli, S. 66/78
[13] Schraubenberechnungsprogramme: VDI-Software „Schrauben- Schadstoffe konvertiert wird. In den Kapiteln 7.23.2
berechnung“ 3. Aufl. April 2009, Beuth-Verlag GmbH, Berlin bis 7.23.4 werden Möglichkeiten zur Massenredukti-
(über 100 Demoversionen ausgegeben) SR1-Schraubenberech- on vorgestellt. Bild 7-401 zeigt den Einfluss der
nung nach VDI2230; update 2007; Prof. Schwarz, Uni Siegen Krümmerkonstruktion auf die Temperatur vor dem
(über 170 Installationen)
Katalysator beim MVEG-Fahrprofil.
334 7 Motorkomponenten

600 100
Luftspalt-isoliert
Rohrkrümmer 2 mm
Gusskrümmer
500
Fahrgeschwindigkeit 80

Geschwindigkeit [km/h]
Abgastemperatur [°C]

400
60

300

40
200

20
100

Bild 7-401 Einfluss der


0 0 Krümmerkonstruktion auf
0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 275 300 325 350 375 400
die Temperatur vor dem
Zyklus-Zeit [s]
Katalysator

Ein weiterer Aspekt, der sich negativ auf die etablier- im Vergleich 1,0 bis 1,8 mm) in der Zeitstandfestig-
te Konstruktionsweise der Gusskrümmer auswirkte, keit betrieben werden, führen die in diesem Tempera-
war die Erhöhung der Abgastemperaturen, die als turbereich auftretenden Gefügeänderungen und die
Ergebnis der Erhöhung der Leistungsdichte und des nicht hinreichende Warmfestigkeit zu plastischen
Betriebes mit stöchiometrischem Gemisch in weiten Verformungen [6]. Während des Abkühlens entstehen
Bereichen des Motorkennfeldes entstand. Hatte man Mikrorisse, die auf Dauer zu einem Ausfall des
es in den frühen 1980 er Jahren noch mit Abgastem- Krümmers führen. Auch eingehende Untersuchungen
peraturen von 850 °C bei Ottomotoren und 650 °C zur Entwicklung neuer Gusswerkstoffe für Krümmer
bei Dieselmotoren zu tun, so haben sich heute die führten nicht zu einer hinreichend verbesserten Le-
Abgastemperaturen bis auf über 1.000 °C bei Otto- bensdauer [1].
motoren und bis zu 850 °C bei Dieselmotoren erhöht. Als Lösung bieten sich gebaute Krümmer aus Stahl-
Diese Tatsache hat auch vor allem bei Ottomotoren blech oder Stahlrohr an, die auf Grund ihres Designs
einen erheblichen Einfluss auf die Wahl des Gussma- eine höhere Zeitstandfestigkeit haben.
terials. Bisherige Gusskrümmer haben mit Silizium- Bessere Voraussetzungen für Gussmaterial bezüglich
Molybdän(SiMo)-Legierungen ihre Anwendungs- der maximalen Abgastemperatur bieten Dieselmoto-
grenze bei Abgastemperaturen von bis zu 900 °C. ren. Auf Grund der neuen Abgasgesetzgebung zeigen
Höherwertige Graugussqualitäten mit einem Nickel- sich jedoch auch hier Tendenzen, Guss- durch Blech-
gehalt von 20 bis 36 % sind bis etwa 1.000 °C ein- material zu ersetzen.
setzbar. Für noch höhere Abgastemperaturen muss Weitere Argumente zum Ersatz von Guss durch
man auf Nickel- oder Kobalt-Basislegierungen aus- Blech sind die Bestrebungen, das Fahrzeuggesamt-
weichen, die auch im Turbinenbau zum Einsatz gewicht zu reduzieren, und letztendlich auch das
kommen. Da Gusskrümmer generell wegen der starke Nachheizverhalten eines Gusskrümmers nach
typischen Wandstärke von 4 bis 6 mm (Rohrkrümmer dem Abstellen des Motors (Bild 7-402).

250

225
Lufttemperatur in 30 mm Abstand [°C]

200

175

150

125
Luftspalt-isoliert
100
Gusskrümmer
75
Rohrkrümmer 1 mm
50
Rohrkrümmer 2 mm
25

0 Bild 7-402 „Soaking“ –


0 60 120 180 240 300 360 420 480 540 600
Zeit nach Motor aus [s]
Verhalten verschiedener
Krümmerkonstruktionen
7.23 Abgaskrümmer 335

Die Einbausituation lässt eine sehr kompakte Gestal- In der Regel beträgt die Gesamtzeit zwischen An-
tung mit Gusskrümmern zu, während Rohrkrümmer frage und SOP etwa zwei Jahre. Neuere Entwicklun-
auf Grund der optimierten Rohrleitungslängen und gen werden auch bereits jetzt schon in einer Zeit von
von minimal einzuhaltenden Biegeradien bei Rohr- 14 Monaten durchgeführt, wobei acht Monate als
krümmern eher mehr Platz in Anspruch nehmen. reine Entwicklungszeit anfallen und die restlichen
Beim Aufheizen und Abkühlen der verschiedenen sechs Monate für den Bau der Serienwerkzeuge und
Krümmerkonstruktionen zeigt sich, dass Gusswerk- den Aufbau der Fertigungslinien benötigt werden.
stoff im Vergleich zum Rohr- und Blechwerkstoff
thermisch sehr träge ist. Eine gebaute luftspaltisolier-
te Konstruktion bewegt sich bezüglich dieses Verhal- 7.23.2 Krümmer als Einzelkomponente
tens zwischen Guss und Rohr. 7.23.2.1 Gusskrümmer
Die Notwendigkeit für Hitzeschutzmaßnahmen wird
in der Hauptsache von der Bauteiloberflächentempe-
ratur, dem Nachheizverhalten und der Nähe umge-
bender Bauteile bestimmt. Da die übertragene Energie
im Strahlungsbereich mit der vierten Potenz der Ober-
flächentemperatur steigt, ist es sinnvoll, Guss- und
Rohrkrümmer, die bis zu 800 °C Oberflächentempera-
tur aufweisen können, abzuschirmen. Eine sehr gute
Alternative sind luftspaltisolierte Krümmer (LSI), bei
denen die gasführenden Rohre durch einen Luftspalt
gegenüber der tragenden Struktur getrennt sind. Diese
Krümmer, die dadurch naturbedingt ihr eigenes Hitze-
schild mitbringen und eine maximale Oberflächentem-
peratur von 550 °C bis 600 °C aufweisen, benötigen im
Allgemeinen keine weiteren Abschirmeinrichtungen.
Bild 7-403 Gusskrümmer für Vierzylindermotor
7.23.1 Ablauf einer Krümmerentwicklung (Ottomotor)
Im Folgenden sind die wesentlichen Schritte eine Typische Werkstoffe:
Krümmerentwicklung aufgezeigt: Globularer Grauguss (GGG), SiMo-Grauguss: Globu-
x Kundenanfrage für ein gewünschtes Krümmer- larer Grauguss mit Silizium-Molybdän (GGG-SiMo),
konzept SiMoGrauguss mit vermikularem Graphit, austenti-
x Übergabe des Bauraums durch den Kunden (unter sches Gusseisen (GGV-SiMo) [6]
Umständen mit einer Geometrie des Grobkonzepts Wanddicken: 7 mm – 8 mm bei GGG-Krümmern
sowie des Zylinderkopfflansches, Abgasflansch- 2,25 mm – 4 mm bei Schalenguss
geometrie, Schrauberfreigänge, umgebende Mo- Vorteile:
torraumgeometrien etc.) x Kompakte Konstruktion.
x Übergabe von Beanspruchungsdaten (Motortyp x Große Möglichkeiten der Formgestaltung.
und Motorleistung, Schwingungsanregung durch x Gute akustische Eigenschaften durch hohe Ma-
Motor- oder Straßenanregung, Abgastemperatur) terialdämpfung.
x Definition des Abgaskonzepts (EURO 5 oder Nachteile:
EURO 6 oder …) x Hohes Gewicht.
x Entwicklung eines Feinkonzepts und Ausarbei- x Beim Gussmaterial sind die maximal zulässigen
tung des Designs unter Einsatz von CAE-Werk- Abgastemperaturen beschränkt.
zeugen, wie zum Beispiel Wärmeübertragungs- x Falls durch sehr hohe Temperaturen der Einsatz
rechnungen, strömungs-mechanische Berechnun- von Nickel-Legierungen notwendig wird, erhöht
gen oder FEM-Berechnungen [3, 4] sich der Preis, abhängig vom Ni-Gehalt, drastisch.
x Bau von Musterteilen aus seriennahen Hilfswerk- x Gusskrümmer fahren im Zeitstandfestigkeits-
zeugen bereich (schlecht für die Dauerhaltbarkeit unter
x Test mit Zertifizierungsläufen im Haus des Ent- dem Aspekt der erhöhten Leistungsdichte der
wicklers oder des Kunden Motoren und damit höheren Temperaturen).
x Freigabe der Entwicklung zur Produktion durch x Hohe Oberflächentemperaturen (Hitzeabschir-
den Kunden mung erforderlich).
x Bau von Serien-Werkzeugen x Kritischer als Rohrkrümmer bezüglich der Emis-
x Test mit Serienteilen zur Absicherung des Designs sionen nach dem Kaltstart durch die relativ hohe
x Beginn der Produktion (SOP). thermische Masse des Krümmers.
336 7 Motorkomponenten

x Starkes Nachheizverhalten durch die hohe ther- wählten Wandstärke von 1,8 bis 2,0 mm noch rela-
mische Masse. tiv hoch ist. Dem Problem kann mit einer Wand-
x Beliebige beziehungsweise optimierte Rohrlängen stärkenreduktion auf typischerweise 1,2 mm begeg-
sind durch das Gussmaterial nur eingeschränkt net werden. Ausgewählte Konstruktionen haben
umsetzbar (eine Leistungsoptimierung ist nur heute schon Wandstärken von 1,0 mm [5].
bedingt möglich). x Höhere Körperschallabstrahlung durch geringe
Materialdämpfung. Zusätzliche Maßnahmen sind
7.23.2.2 Rohrkrümmer unter Umständen erforderlich.

7.23.2.3 Einfachwandige Halbschalenkrümmer

Bild 7-405 Halbschalenkrümmer für Dreizylinder-


motor (Dieselmotor)

Typische Werkstoffe:
Austenitische Stähle wie zum Beispiel 1.4828
Bild 7-404 Leichtbau-Rohrkrümmer für Vierzylin- Ferritische Stähle wie zum Beispiel 1.4509
dermotor (Ottomotor) Wanddicken: 1,5 mm – 1,8 mm
Vorteile:
Typische Werkstoffe:
x Geringes Gewicht.
Austenitische Stähle wie zum Beispiel 1.4828
x Vorhandene Standardstähle können hohe Abgas-
Ferritische Stähle wie zum Beispiel 1.4509
temperaturen vertragen.
Wanddicken: 1,2 mm–1,5 mm
x Geringes Nachheizverhalten.
Vorteile:
x Eine leistungsoptimierte Auslegung ist möglich Nachteile:
x Geringes Gewicht. x Geht es um einen Vierzylindermotor, dann sind
x Vorhandene Standardstähle können hohe Abgas- nur sehr kurze Rohrlängen realisierbar; die Geo-
temperaturen ertragen. metrie eines solchen Krümmers ist dann typischer-
x Geringes Nachheizverhalten. weise sehr eingeschränkt.
x Sounddesign ist möglich. x Formbedingt fällt beim Herstellungsprozess sehr
viel Materialverschnitt an.
Nachteile: x Sehr lange Schweißnähte erforderlich.
x Kompaktere Konstruktionen sind möglich, sollten x Hohe Oberflächentemperaturen (Hitzeabschir-
aber bei Vierzylindermotoren aus Leistungsge- mung erforderlich).
sichtspunkten nicht unbedingt umgesetzt werden. x Höhere Körperschallabstrahlung durch geringe
Heute werden teilweise solche Designs realisiert, um Materialdämpfung (zusätzliche Maßnahmen sind
eine vorhandene Gusskonstruktion durch eine unter Umständen in Form von doppelwandigen
Rohrkonstruktion bei gleichem Bauraum zu erset- Schalen erforderlich).
zen. Das jedoch hat neben vielen anderen Nachteilen
auch erhebliche Probleme beim Erreichen der
7.23.2.4 Luftspaltisolierte Krümmer
geforderten Dauerhaltbarkeit zur Folge.
(LSI-Krümmer)
x Hohe Oberflächentemperaturen (Hitzeabschir-
mung erforderlich). Funktionstrennung: Innen sind leichte gasführende
x Ein Rohrkrümmer ist bezüglich der Startemissionen Bauteile, außen sind die tragenden Elemente mit höhe-
im Vergleich zum Gusskrümmer zwar besser, kann rer Materialstärke. Diese Innenbauteile sind durch
aber immer noch kritisch sein, wenn die thermische Schiebesitze entkoppelt. Dadurch ist die Dauerhaltbar-
Masse des Krümmers auf Grund einer zu stark ge- keit eines solchen Krümmers einfacher darstellbar.
7.23 Abgaskrümmer 337

7.23.3 Krümmer als Teilmodul


7.23.3.1 Krümmer und Katalysator integriert

Bild 7-406 Luftspaltisolierter Krümmer für V6-Otto-


motor

Typische Werkstoffe für die gasführenden Innenteile:


Austenitische Stähle wie zum Beispiel 1.4828 oder
1.4835
Typische Werkstoffe für die tragenden Außenteile:
Austenitische Stähle wie zum Beispiel 1.4541 oder
1.4829
Ferritische Stähle wie zum Beispiel 1.4509 Bild 7-407 Motornaher Katalysator mit verschweiß-
Wanddicken: gasführende Innenteile 1,0 mm, tragen- tem Krümmer (Sechszylinderboxermotor)
de Außenteile 1,5 mm
Da ein motornaher Katalysator mit dem Krümmer
Vorteile:
durch Verfahren wie Schweißen oder Flanschen ver-
x Relativ geringes Gewicht bei kompakter Bauweise
bunden werden kann, hat man alle Möglichkeiten, die
x Eine leistungsoptimierte Auslegung ist in einem
unter Punkt 7.23.2 dargestellt wurden, als Option für
definierten Spielraum möglich.
die Krümmerseite.
x Vorhandene Standardstähle können hohe Abgas-
temperaturen vertragen. 7.23.3.2Krümmer und Turbolader integriert
x Keine hohen Oberflächentemperaturen (dadurch
können umgebende Bauteile ohne weitere Schutz- Das gezeigte Krümmer-Lader-Modul, Bild 7-408,
maßnahmen relativ nahe an dem LSI-Krümmer plat- wird sowohl für Ottomotoren als auch für Dieselmo-
ziert werden). toren eingesetzt. Im Vergleich zu der Kombination
x Geringes Nachheizverhalten. von Einzelbauteilen entfallen bei diesem Modul die
x Geeignet für emissionsoptimierte Systeme. Die Massen der Einzelbauteilflansche und es vereinfacht
inneren gasführenden Bauteile haben nur eine sich die Montage. Ein klarer Nachteil dieses Moduls
geringe Wärmekapazität, so dass ein geringer ist, dass bei Ausfall von nur einer Komponente der
Energieverlust bis zum Katalysator vorliegt, wäh- Austausch des Gesamtsystems erforderlich wird. Im
rend die äußeren Bauteile mit einer höheren ther- Falle eines nicht notwendigen Austausches des La-
mischen Masse erst nach dem Katalysatorstart die ders oder Krümmers entstehen hier sehr hohe Kosten.
Wärmeenergie aufnehmen.
x Erfolgt in der Startphase des Motors eine fahr-
zyklusbedingte Leistungsreduktion, so verhindert
die umgebende tragende Struktur als „Isolation“
das schnelle Auskühlen des Katalysators.
x Selbst ein wassergekühltes Außenmantelkonzept
ist möglich [2].
x Gutes akustisches Verhalten kann mit geringem
Aufwand erreicht werden.
Nachteile:
x Teilweise müssen innenhochdruck-umgeformte
Rohre (IHU) verwendet werden, um die geforder-
ten komplexen Geometrien auf kleinstem Raum
zu realisieren; das heißt hohe Kosten und lange
Leadtime für die Werkzeuge.
x Eine beliebige Rohrlänge kann nicht realisiert Bild 7-408 Gusskrümmer mit integriertem Guss-Tur-
werden. bolader (Dieselmotor)
338 7 Motorkomponenten

Gussflansch mit Stützflanschkonzept Stanzflansch


Sekundärluftzuführung 2 Stanzflaschen aus 6 mm 8 mm Blech

Gussflansch mit Sekundärluft- Lamellenflansch Tiefziehflansch


zuführung im Zylinderkopf 3 mm Blech

Bild 7-409Flanschkonzepte für Rohrkrümmer

Will man auch in diesem Bereich aus den schon [4] Voeltz, V.; Kuphal, A.; Leiske, S.; Fritz, A.: Der Abgaskrümmer –
Vorkatalysator für die neuen 1.0 l- und 1.4 l-Motoren von
beschriebenen Gründen auf andere Krümmertypen
Volkswagen. In: MTZ 60 (1999) 7/8
wechseln, so ist eine zusätzliche Abstützung des [5] Eichmüller, C.; Hofstetter, G.; Willeke, W.; Gauch, P.: Die Ab-
schweren Laders am Motorblock erforderlich. gasanlage des neuen BMW M 3. In: MTZ 62 (2001) 3
In der Entwicklung befinden sich auch Turboladerge- [6] Hockel, K.: Der Abgaskrümmer von Personenwagenmotoren als
Entwicklungsaufgabe. In: MTZ 45 (1984) 10
häuse aus Blech, mit denen weiter Wärmekapazität [7] Hummel, K.-E.; Huurdeman, B.; Diem, J.; Saumweber, C.: An-
und Gewicht reduziert werden können. saugmodul mit indirektem und integriertem Ladeluftkühler. In:
MTZ 11, 2010
[8] Diez, R.; Kornherr, H.; Pirntke, F.; Schmidt, J.: Effizienzsteige-
7.23.4 Krümmer-Komponenten rung durch zylinderbankübergreifende Krümmer. In: MTZ 05,
2010
Bauteile, wie die Anschlussstutzen der Abgasrückfüh-
rung oder die Kanäle der Sekundärluftzuführung, die
bis vor kurzem noch im Krümmer oder den ange-
schweißten Eingangsflanschen beinhaltet waren, wer-
7.24 Kühlmittelpumpen für
den mehr und mehr im Motorblock selbst integriert. Verbrennungsmotoren
Flanschkonzepte für Rohrkrümmer zeigt das Bild
7-409. 7.24.1 Anforderungen, Bauarten
Dargestellt sind Flanschkonstruktionen von komple- und konstruktiver Aufbau
xen und schweren Gussflanschen mit integrierter
Sekundärluftzuführung bis hin zu sehr einfachen und Die Kühlmittelpumpe stellt den anforderungsgerech-
leichten Tiefziehflanschen aus Blech. In einigen ten Kühlmittelumlauf im Kühlkreislauf unter allen
Fällen weisen Tiefziehflansche bei gleicher Funktio- Betriebsbedingungen und Betriebszuständen des Ver-
nalität eine bis zu 50 % reduzierte Masse gegenüber brennungsmotors sicher. Dabei soll eine hohe Aus-
einem vergleichbaren Gussflansch auf. So entsteht fallsicherheit, geringe Antriebsleistung und kavita-
zum Beispiel durch das „Hochstellen“ der Randberei- tionsfreier Betrieb bei gleichzeitig kleinstem Bau-
che des Tiefziehflanschs das gleiche Steifigkeitsver- raum und niedrigen Kosten gewährleistet werden.
halten wie beim Gussflansch. Die Dichtheit wird Derzeit werden in Kfz-Kühlkreisläufen mehrheitlich
durch höhere Flächenpressung mittels Anprägungen einstufige radiale Kreiselpumpen verwendet. Deren
um die Eintrittsöffnungen erreicht. Drehzahl, und damit nach den Ähnlichkeitsbeziehun-
Typischerweise ist die thermische Belastung des Ein- gen für Kühlmittelpumpen der Pumpenvolumen-
gangsflanschs wegen der Auflage am relativ kühlen strom, ist durch den direkten Antrieb von der Kur-
Zylinderkopf gering. Daher können hier kostengüns- belwelle des Motors über ein Übersetzungsverhältnis
tige, leicht vergütete Normalstähle wie zum Beispiel an die Motordrehzahl gekoppelt. Die zunehmend
ST52-3 verwendet werden. Bei Ausgangsflanschen gestellten Forderungen nach teilweise oder vollstän-
gleicher Bauart müssen wegen der hohen Temperatu- dig motordrehzahlunabhängigen Kühlmittelvolumen-
ren höherwertige ferritische oder austenitische Stähle strömen werden mit schaltbaren, drehzahlgeregelten
gewählt werden [3]. oder elektrisch angetriebenen Kühlmittelpumpen er-
reicht.
Literatur Wegen konstruktiv bedingter unterschiedlicher Ein-
[1] „Grenzen für Grauguss“, Automobil-Produktion, Oktober 2000 bauverhältnisse sowie differierender Anforderungs-
[2] Hein, M.: Deutsches Patentamt, Offenlegungsschrift DE
4324458A1; Az.: P4324458.0, 1.94
profile an den Kühlmittelpumpen kommen unter-
[3] Weltens, H.; Garcia, P.; Neumaier, H.: Neue Leichtbaukonzepte schiedliche Bauarten und Fertigungskonzepte zur
bei Pkw-Abgasanlagen sparen Gewicht und Kosten Anwendung.
7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren 339

Bild 7-410 Kfz-Kühlmittel-


pumpe (Anbaupumpe) der
Firma GPM

Bild 7-411 Kfz-Kühlmittel-


pumpe (Einsteckpumpe) der
Firma GPM

Der konstruktive Aufbau einer Kfz-Kühlmittelpumpe ihres konstruktiven Aufbaus in Anbaupumpen (Bil-
besteht nach den Bildern 7-410 und 7-411 im We- der 7-410, 7-412 und 7-413) und Einsteckpumpen
sentlichen aus Lagergehäuse mit Lagereinsatz, Gleit- (Bild 7-411), nach verschiedenen Flügelradbauarten,
ringdichtung, Flügelrad, Nabe (Riemenscheibe), Le- nach saugseitiger oder druckseitiger Anordnung der
ckagebehälter mit Deckel und bei Anbaupumpen dem Gleitringdichtung sowie nach Ausführung des An-
Gehäuse mit Spiralkanal. triebes unterschieden. Bei Einsteckpumpen liegen
Der Kühlmittelzulauf sollte strömungsoptimal ach- Teile der Pumpenkonstruktion wie zum Beispiel Spi-
sensymmetrisch erfolgen, jedoch kann aus motor- ralkanal und Zulauf im Motorengehäuse.
oder kühlkreislaufkonstruktiven Gründen der Pum- Der Kühlmittelpumpenantrieb erfolgt mittels Keilrie-
penzulauf auch rückseitig über das Pumpengehäuse men, Zahnriemen oder Poly-V-Riemen. Bei motor-
und die Gleitringdichtung ausgeführt werden. Bild konstruktionsbedingter Lage der Kühlmittelpumpe
7-412 zeigt eine Anbaupumpe mit im Pumpengehäu- kann der Antrieb auch mittels Zahnrädern erfolgen.
se integrierten Zulauf und Spiralkanal. Kühlmittelpumpengehäuse werden in Grauguss oder
Bei Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren Aluminium und zunehmend auch in Kunststoff gefer-
wird hinsichtlich ihrer Befestigung beziehungsweise tigt. Für Flügelräder kommen überwiegend im Pkw-
340 7 Motorkomponenten

Bild 7-414 Motormodul der Firma GPM mit Kühl-


mittelpumpe, Kennfeldthermostat und regelbarer Öl-
pumpe

Das Kennfeldthermostat wird über das Steuergerät


angesteuert und regelt nach einem hinterlegten Kenn-
feld den Kühlmittelstrom.
Das Modul integriert darüber hinaus eine regelbare
Ölpumpe. Sie ermöglicht eine bedarfsgerechte Ver-
sorgung mit Öldruck und Ölvolumenstrom bei im
Bild 7-412 Kfz-Kühlmittelpumpe (Anbaupumpe) der Vergleich mit ungeregelten Ölpumpen geringen An-
Firma GPM mit gehäuseintegriertem Zulauf und triebsleistungen und damit hoher Effizienz.
Spiralkanal
7.24.2 Flügelrad und Spiralkanal
Die Umwandlung der über die Antriebsscheibe an die
Pumpenwelle zugeführten mechanischen Energie in
Druck- und Geschwindigkeitsenergie findet im Flü-
gelrad statt. Dabei tritt bei radialen Flügelrädern das
Kühlmittel axial in das Flügelrad ein und wird infolge
der Fliehkraft radial zum Umlauf des Flügelrades im
Flügelradkanal geführt. Die Verzögerung der Strö-
mung erfolgt nach Flügelradaustritt im Spiralkanal.
Üblicherweise werden in Kraftfahrzeugkühlmittel-
pumpen radiale Flügelräder verwendet, bei kleinen
Flügelraddurchmessern und hohen Pumpendrehzah-
len können auch halbaxiale oder axiale Flügelräder
eingesetzt werden.
Bild 7-413 Kfz-Kühlmittelpumpe (Anbaupumpe) der Radiale Flügelräder werden in offener (Bild 7-415)
Firma GPM mit integrierter Mehrfachspirale und ge- oder geschlossener (Bild 7-416) Bauweise gefertigt.
schlossenem Flügelrad Ein geschlossenes Flügelrad ist gegenüber einer offe-
nen Ausführung in Hinsicht auf Kennlinienverhalten
und Kavitationsanfälligkeit unempfindlicher bei fer-
Bereich temperaturbeständige Kunststoffe, Blech und tigungsbedingten Spaltgrößenstreuungen. Die Werk-
Aluminium und im Nkw-Bereich Grauguss zum zeugkosten zur Flügelradherstellung sind jedoch we-
Einsatz. gen der zusätzlichen Deckscheibe höher als bei offe-
An das Motormodul (Bild 7-414) ist die Kühlmittel- ner Ausführung.
pumpe angeflanscht. Das an der Saugseite der Kühl- Die konstruktive Auslegung des Flügelrades und des
mittelpumpe integrierte Kennfeldthermostat gewähr- Spiralkanals erfolgt auf Kundenwunsch nach Vor-
leistet in jedem Betriebszustand des Motors die an- gabe des Auslegungspunktes mit GPM-spezifischem
orderungsgerechte Versorgung mit Kühlmittel. Rechenprogramm. Dabei werden neben den Ausle-
7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren 341

Bild 7-415 Offenes Flügelrad

Bild 7-417 Spiralkanal (Einfachspirale)

Spiralkanals nimmt im Drehsinn des Flügelrades zu.


Damit eine homogene achsensymmetrische Strömung
gewährleistet ist, muss in jedem Parallelkreis der
Spirale der gleiche Strömungszustand, das heißt
konstanter Drall, vorherrschen.
Bei V-förmig angeordneten Motorzylinderreihen
kann der Kühlmittelzulauf zu den Zylinderbänken
über einen Zwillingsspiralkanal erfolgen (Bild
7-418). Zwillingsspiralen können sowohl bei Anbau-
pumpen (pumpenintern) als auch bei Einsteckpumpen
(kurbelgehäuseintern) realisiert werden.
Von den Spiralkanälen sind außerdem für diverse
Aggregate weitere Abgänge möglich, so dass ein
Mehrfachspiralkanal (Bild 7-419) entsteht.

Bild 7-416 Geschlossenes Flügelrad

gungsdaten auch die jeweiligen Einbau- und Einsatz-


bedingungen beachtet.
Die Anströmung des Flügelrades sollte in axialer
Richtung möglichst ungestört und drallfrei erfolgen.
Eventuelle Versperrungen und Vordrall müssen daher
in der Berechnung berücksichtigt werden.
Der Spiralkanal (Bild 7-417) beziehungsweise das
Spiralgehäuse kann als Leitkanal mit einer Leitschau-
fel aufgefasst werden. Die Spirale entspricht dabei
dem Schrägabschnitt der Leitschaufel.
Spiralgehäuse werden meist bei einstufigen Pumpen
verwendet. Sie können sich im Motorblock (bei
Einsteckpumpen) beziehungsweise im Pumpengehäu-
se (bei Anbaupumpen) befinden. Der Querschnitt des Bild 7-418 Zwillingsspiralkanal
342 7 Motorkomponenten

Bild 7-419 Mehrfachspiralkanal


Bild 7-421 VR-Dichtung (radiales Dichtsystem)

7.24.3 Kühlmittelseitige Abdichtung


Die Gleitpaarungen der Gleitringdichtung werden mit
Die kühlmittelseitige Abdichtung zum Pumpenlager dem Kühlmittel geschmiert und gekühlt. Dadurch
wird durch eine Gleitringdichtung (axiales Dicht- kann eine geringfügige Leckage von Dampf bezie-
system) (Bild 7-420) oder durch eine Radialwellen- hungsweise Flüssigkeit in die Atmosphäre austreten.
dichtung, zum Beispiel VR-Dichtung (radiales Dicht- Der Austritt dieser sogenannten kosmetischen Lecka-
system) (Bild 7-421) sichergestellt. Sie kann auf der ge in die Atmosphäre kann durch konstruktive Maß-
Saugseite oder der Druckseite des Flügelrades ange- nahmen innerhalb des Kühlmittelpumpengehäuses
ordnet werden. Bei saugseitig angeordneten Dichtun- verhindert werden. Die somit im Gehäuse verbleiben-
gen wird wegen der Umspülung mit dem gesamten de Leckage verdampft durch die entstehende Motor-
Pumpenvolumenstrom die Reibungswärme gut abge- wärme (siehe Bilder 7-410 und 7-411).
führt. Bei druckseitig angeordneten Gleitringdichtun- Die VR-Dichtung (radiales Dichtsystem) stellt eine
gen muss ein ausreichender Spülvolumenstrom über kostengünstige Alternative zur axialen Gleitringdich-
die Flügelradrückseite zur Wärmeabfuhr gewährleis- tung dar. Das Dichtprinzip erfordert keine Leckage
tet werden. über den Dichtspalt. Da die Dichtlippen gegen eine
speziell gehärtete Wellenschutzhülse laufen, tritt wäh-
rend der Lebensdauer kein messbarer Verschleiß auf.
Besondere Vorteile liegen im geringen Bauraum
sowie dem möglichen Einsatz bei hohen Drehzahlen
(10.000 U/min).

7.24.4 Kennfeld und Ähnlichkeits-


beziehungen der Kühlmittelpumpe
Die Abhängigkeit des Pumpendifferenzdruckes bezie-
hungsweise der Pumpenförderhöhe vom geförderten
Kühlmittelvolumenstrom und von der Pumpendreh-
zahl wird im Kühlmittelpumpenkennfeld dargestellt.
Bild 7-422 zeigt ein typisches Kennfeld einer Pkw-
Kühlmittelpumpe inklusive den Linien gleichen Wir-
kungsgrades und der Anlagenkennlinie (Kühlkreis-
laufwiderstand).
Die Darstellung des Kühlmittelpumpenkennfeldes
sollte wie in Bild 7-422 mittels der Kenngröße „För-
derhöhe“ und damit strömungsmitteltemperatur- und
strömungsmittelzusammensetzungsunabhängig erfol-
gen, das heißt das Kennfeld gilt für alle Kühlmittel-
temperaturen und prozentualen Frostschutzmittelan-
teile. Demgegenüber würde der Kennlinienverlauf
mit Verwendung der Pumpenkenngröße „Differenz-
druck“ nur für die bei der Kennfeldermittlung vor-
Bild 7-420 Gleitringdichtung (axiales Dichtsystem) herrschenden Strömungsmittelzustände gelten.
7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren 343

44

39
30

46
33

47
49
28
48
Förderhöhe [m]

48
35

22 49 47

46
45
17
49 43 n=9360 1/min
40
48 40
11 43 47
46 35
45
43
43 30 n=7560 1/min
40
6 40 25
35
35 n=5400 1/min
Wirkungsgrad
30
30 Drosselkurven
25 n=3600 1/min Anlagenkennlinie
n=135020
1/min
0 Bild 7-422 Kennfeld
0 50 100 150 200 250 300 350
einer Pkw-Kühl-
Volumenstrom [l/min]
mittelpumpe

Der Verlauf beziehungsweise die Steilheit der Pum- ist, dass sich die Pumpenantriebsleistung bei gleicher
penkennlinien kann durch Form und Anzahl der Motordrehzahl abhängig vom Kühlkreislaufbetriebs-
Flügelradschaufeln beeinflusst werden. zustand (zum Beispiel Heizung offen oder ge-
Für die Förderhöhe H gilt: schlossen, Thermostat offen, regelnd oder geschlos-
'pges sen) wegen der damit unterschiedlichen Kühlkreis-
H (7.21) laufgesamtwiderstände ändern kann.
U ˜g Mit Hilfe der Ähnlichkeitsbeziehungen für Kreisel-
pumpen können die Kennwerte einer messtechnisch
p D  pS c2  c2
 hD  hS  D S (7.22) ermittelten oder vorgegebenen Kühlmittelpumpen-
U ˜g 2˜g kennlinie auf andere Pumpendrehzahlen umgerechnet
D bezeichnet die Messstelle an der Pumpendruck- werden. Es gilt:
seite, S die Messstelle an der Pumpensaugseite. n1 V1
Nutzleistung, Antriebsleistung und Wirkungsgrad der (7.26)
n2 V2
Kühlmittelpumpe errechnen sich aus
PNutz 'pges ˜ V H ˜ U ˜ g ˜ V (7.23) n12 'p1 H1 M d1
(7.27)
n22 ' p2 H2 Md2
PAn Md ˜ 2 ˜ S ˜ n (7.24)
n13 PNutz1
PNutz (7.28)
K (7.25) n23 PNutz2
PAn
Die Gleichungen (7.26), (7.27) und (7.28) zeigen,
Bild 7-423 stellt die Abhängigkeit der Pumpenantriebs- dass der Volumenstrom linear, der Pumpendifferenz-
leistung von der Motordrehzahl und vom Pumpen- druck beziehungsweise die Förderhöhe sowie das
volumenstrom dar. Üblich sind je nach Volumen- Pumpendrehmoment quadratisch und die Pumpen-
strombedarf, Pumpenwirkungsgrad und Kühlkreis- nutzleistung in dritter Potenz mit höherer Pumpen-
laufwiderstand Pumpenantriebsleistungen bei Motor- drehzahl ansteigen. Die Antriebsleistung steigt ähn-
nenndrehzahl zwischen 500 W und 3,5 kW, bei Nutz- lich wie die Pumpennutzleistung, ist jedoch zusätz-
fahrzeugen auch wesentlich höhere notwendige An- lich vom Wirkungsgradverlauf (siehe Bild 7-422) ab-
triebsleistungen der Kühlmittelpumpe. Zu beachten hängig.
344 7 Motorkomponenten

Bild 7-423 Kühlmittel-


pumpenantriebsleistung in
Abhängigkeit von Drehzahl
und Kühlmittelvolumen-
strom

Die Ähnlichkeitsbeziehungen nach den Gleichungen


(7.26) bis (7.28) gelten uneingeschränkt für ein Pum-
penkennfeld nach Bild 7-422, das heißt die Pumpen-
kennwerte lassen sich auf veränderte Drehzahlen
umrechnen.
Bei Betrieb der Kühlmittelpumpe im Kühlkreislauf
gelten die Ähnlichkeitsbeziehungen jedoch nur für
konstanten Strömungswiderstand des Kühlkreislau-
fes. Da zumindest im unteren Motordrehzahlbereich
durch eine nicht vollständig hydraulisch rauh ausge-
bildete Strömung der Kühlkreislaufwiderstand an-
steigt, können die Ähnlichkeitsbeziehungen bei Be-
trieb der Kühlmittelpumpe im Kühlkreislauf zur
Umrechnung der Pumpenkennwerte nur einge- Bild 7-424 Gesamtströmungswiderstand eines Kühl-
schränkt, das heißt ab Erreichen einer hydraulisch kreislaufes
rauhen Strömung, verwendet werden.
Bild 7-424 zeigt schematisch den charakteristischen
In Bild 7-425 sind schematisch die unterschiedli-
Verlauf eines Kühlkreislaufgesamtwiderstandes unter
chen Kühlkreislaufwiderstände und Arbeitspunkte AP
Kennzeichnung des Punktes, ab dem eine hydraulisch
für Leerlauf- und Nenndrehzahl bei offener und
rauhe Strömung vorliegt und die Ähnlichkeitsbezie-
geschlossener Heizung im Kühlmittelpumpenkenn-
hungen angewendet werden können.
feld dargestellt.
Die gleiche Charakteristik des Strömungswiderstand-
Die Auslegung der Kühlmittelpumpe erfolgt übli-
verlaufes wie in Bild 7-424 dargestellt zeigen die ein-
cherweise für einen vom Motorproduzenten vorgege-
zelnen Kühlkreislaufkomponenten wie zum Beispiel
benen Auslegungspunkt (Pumpendifferenzdruck be-
Motor, Kühler, Heizung, Thermostat, Ölwärmetau-
ziehungsweise Förderhöhe und Volumenstrom) bei
scher usw.
Pumpennenndrehzahl oder einer anderen Pumpen-
Das Ansteigen des Kühlkreislaufwiderstandes nach
drehzahl zwischen Leerlauf- und Abregeldrehzahl und
Bild 7-424 bei kleinen Volumenströmen beziehungs-
weise Drehzahlen ist dafür verantwortlich, dass von für einen bestimmten Kühlkreislaufzustand, zum
der Kühlmittelpumpe im unteren Motordrehzahl- Beispiel Thermostat offen, Heizung geschlossen. Die-
bereich eine unterproportionale Kühlmittelmenge ser Auslegungspunkt sollte mit dem aus dem Betrieb
gefördert wird. Diese strömungstechnischen Verhält- der Kühlmittelpumpe im Kühlkreislauf resultierenden
nisse müssen bei Festlegung des Pumpenauslegungs- Arbeitspunkt übereinstimmen. Mit einem abweichen-
punktes vom Motorenhersteller beachtet werden. den Arbeitspunkt werden andere Kühlkreislaufvolu-
Der Schnittpunkt der Pumpenkennlinien mit dem menströme und damit zu große oder zu kleine Teilvo-
Kühlkreislaufwiderstand ergibt für die jeweiligen lumenströme über die Kreislaufelemente gefördert als
Pumpendrehzahlen die Arbeitspunkte der Kühlmittel- im Auslegungspunkt der Kühlmittelpumpe festgelegt
pumpe. Bei verändertem Kühlkreislaufwiderstand wurde, was nachteilige Auswirkungen auf Wärme-
zum Beispiel durch Absperren der Heizung oder bei transport und Wärmeabfuhr sowie auf die Druckbelas-
Thermostatregelung verschieben sich die Arbeits- tung der Kühlkreislaufelemente haben kann.
punkte entsprechend.
7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren 345

Bild 7-425 Kühlkreislauf-


widerstände und Arbeits-
punkte im Kühlmittel-
pumpenkennfeld

7.24.5 Kavitation tenden Betriebszustand des Kühlkreislaufes, (zum


Beispiel 40 % Frostschutzmittelanteil, Kühlmitteltem-
Kavitation wird das Entstehen und Zerfallen von peratur an der Pumpensaugseite = 108 °C, Heizung
Dampfblasen in strömenden Flüssigkeiten genannt. geschlossen), der erforderliche Druck an der Pum-
Kavitationserscheinungen treten auf, wenn an einer pensaugseite und gegebenenfalls der erforderliche
Stelle des Kühlkreislaufes der Druck des Kühlmittels Druck im Ausgleichbehälter beziehungsweise seine
den Dampfdruck unterschreitet. Besonders kavita- Anschlussstelle im Kühlkreislauf zur Kavitationsver-
tionsgefährdet ist wegen ihres niedrigen Druckniveaus meidung berechnet werden:
die Saugseite der Kühlmittelpumpe. Abhängig von der
c2
Größe der Dampfdruckunterschreitung verringert sich pS stat erf (NPSH ˜ U ˜ g)  pDampf  U S (7.30)
die Förderhöhe der Kühlmittelpumpe und damit der 2
Kühlkreislaufvolumenstrom. Außerdem kann es wegen
des schlagartigen Zerfallens der Dampfblasen in Berei-
chen höherer Drücke zum Beispiel im Spiralkanal oder
im Motorblock zu einem Materialabtrag kommen. Die
Druckabsenkungen treten örtlich an scharfen Kanten
und Umlenkungen sowie bei Eintritt in den Schaufel-
kanal bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten (also
hohen Kühlmittelvolumenströmen bei großen Pumpen-
drehzahlen) auf. Wegen der schwierigen Berechnung
und Messung dieser punktuellen Druckabsenkungen im
rotierenden Schaufelkanal werden Kavitationsuntersu-
chungen beim Kühlmittelpumpenhersteller zumindest Bild 7-426 Kavitationskennfeld einer Kühlmittelpumpe
für den Auslegungspunkt bei Auslegungsdrehzahl auf
einem dafür ausgelegten Kühlmittelpumpenprüfstand
durchgeführt. Dabei wird der Druck an der Pumpen- Zu beachten ist, dass bei Betrieb der Kühlmittelpumpe
saugseite so weit abgesenkt, bis ein bestimmter, zum im Kühlkreislauf Kavitationserscheinungen nicht nur
Beispiel 3-%iger, Förderhöhenabfall erreicht wird. bei sehr hohen Kühlmitteltemperaturen, sondern auch
Aus dem dabei ermittelten Saugdruck und den bei im mittleren Temperaturbereich wegen des meist
den Prüftstandsuntersuchungen vorherrschenden hohen Druckabfalls am Bypassthermostatteller und
Messbedingungen (Strömungsmitteltemperatur und dem bei diesem Motorbetriebszustand noch sehr nied-
-zusammensetzung) wird der sogenannte NPSH(net rigen Druck im Ausgleichbehälter auftreten können.
positiv suction head)-Wert berechnet: Um auch bei vom Pumpenauslegungspunkt abwei-
pS 97 %  pDampf c2 chenden Drehzahlen und Volumenströmen Aussagen
NPSH 97 %  S (7.29) über das Kavitationsverhalten der Kühlmittelpumpe
U ˜g 2˜g
zu erhalten, kann ein Kavitationskennfeld ermittelt
Da dieser NPSH-Wert wie die Förderhöhe strömungs- werden. Der Kavitationswert NPSH erhöht sich dabei
mittelzusammensetzungs- und strömungsmitteltempe- mit steigender Pumpendrehzahl und steigendem Vo-
raturunabhängig ist, kann aus ihm für einen zu betrach- lumenstrom (Bild 7-426).
346 7 Motorkomponenten

7.24.6 Strömungssimulation,
Strömungsanalyse,
Festigkeitsnachweis und
Optimierung
Die Entwicklung von effizienten Kühlmittelpumpen
bedarf genauer Kenntnis der physikalischen Zusam-
menhänge der das System beschreibenden Variablen.
Dabei sind besonderes Augenmerk auf die Ge-
schwindigkeits- und Druckverteilungen zu legen.
Während für den einfachen Entwurf niedrig dimen-
sionierte Theorien wie zum Beispiel die des Stromfa-
dens oder der schaufelkongruenten Strömung ausrei-
chend sind, werden für Optimierungen der Pumpen
die mittlerweile weitverbreiteten kommerziellen Be-
rechnungspakete eingesetzt, in denen dreidimensiona-
le und instationäre physikalische Vorgänge modelliert
werden. Ohne an dieser Stelle in grundlegende Theo-
rien der Kontinuumsmechanik eindringen zu wollen,
sind die Möglichkeiten der Berechnungen von kavi-
tierenden Strömungen ebenso wie die Simulation der
Turbulenzen mit zahlreichen Modellen hinterlegt.
Dem Entwicklungsingenieur obliegt dann die Aufga-
be, anhand der Ergebnisse, wie zum Beispiel dem Bild 7-428 Geschwindigkeitsvektoren in einer
Druckfeld (Bild 7-427) oder dem Geschwindigkeits- Schnittebene
feld (Bild 7-428), Änderungsforderungen an der
Geometrie der Pumpenbauteile zu formulieren und seits ist aber durch die Beschleunigung der Flüssig-
umzusetzen. keit im Umfeld der Schaufel die Übertragungsfähig-
keit durch nicht gewollte Kavitationsentstehung be-
schränkt. Die dabei vorliegenden Druckgebiete, die
den Dampfdruck lokal unterschreiten, führen oft zur
Bauteilschädigung und letztlich zum Ausfall der
Kühlmittelpumpen. In den Leiteinrichtungen, die bei
Kühlmittelpumpen oft aus unbeschaufelten Spiralge-
ometrien geformt sind (siehe Abschnitt 7.24.2), ist
speziell an der Abrisskante (Spiralkanalzunge) auf
eine saubere Anströmung zu achten. Der Druckver-
lauf in der Spiralgeometrie entscheidet maßgeblich
über die Ausnutzung der Wirkungsgradpotenziale der
Pumpen. Die numerischen Berechnungen der Strö-
mungen, die geschuldet der eingesetzten Computer-
technologie entsprechend genaue Ergebnisse liefert,
zeigen ihren Vorteil in den Visualisierungsmöglich-
keiten der internen Strömungsvorgänge, wie sie kei-
neswegs mit vergleichbarem Aufwand experimentell
ermittelt werden könnten.
Der Festigkeitsnachweis (Bild 7-429) erfolgt über die
Ermittlung von Schwachstellen auf Basis der Kraft-
einleitung an der Riemenscheibe mittels Festkörper-
simulationen (FEM – Finite-Elemente-Methode). Die
berechneten kritischen Belastungen am Gehäuse
Bild 7-427 Druckverteilung an benetzten Ober-
müssen durch Versteifungen (Rippen und Stege)
flächen
kompensiert werden.
Die Optimierung umfasst die Anpassung des Gehäu-
Von zentraler Bedeutung sind die Schaufeln der sekonstrukts an die durch FEM-Analysen ermittelten
Flügelräder, mit denen die Leistungsübertragung auf Belastungen und die anschließende Wiederholung der
die Flüssigkeit sichergestellt werden muss. Anderer- Analysen.
7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren 347

Bild 7-429 Festigkeits-


simulation

7.24.7 Schaltbare, regelbare und Zur Abschaltung des Volumenstroms sind verschie-
elektrische Kühlmittelpumpen dene Lösungen bekannt geworden, aus denen sich
vorwiegend folgende Konzepte ableiten:
Mit Verwendung von drehzahlgeregelten Kühlmittel-
x Wegeventile in Reihenschaltung zur Pumpe
pumpen kann die Forderung nach motordrehzahl-
x Kühlmittelpumpen mit schaltbarer Magnetkup-
unabhängigen Kühlmittelvolumenströmen erreicht
plung
werden. Dadurch lassen sich niedrige Volumenströme
x Kühlmittelpumpen mit integriertem Spaltring-
im Motorteillastbereich zur Erhöhung der Kühlmittel-
schieber (Bild 7-430 und 7-431).
und Öltemperaturen für eine Motorreibleistungsver-
minderung sowie hohe Volumenströme ab Motorleer- Der Spaltringschieber als Regelglied für Kreiselpum-
lauf zur Heizungsunterstützung, bei großem Wärme- pen wurde bereits von Pfleiderer eingehend unter-
eintrag ins Kühlsystem nach Volllastfahrt und bei sucht. Es handelt sich um einen flügelradkonzen-
hohen Motordrehmomenten im unteren Motordreh- trischen Ringschieber, der durch eine geeignete Ak-
zahlbereich realisieren. Außerdem kann die Kühl- tuatorik axial über das Flügelrad geschoben werden
mittelpumpe während der Motorwarmlaufphase zum
schnelleren Erreichen der Betriebstemperatur abge-
schaltet werden. Wegen der kühlmittelseitigen Sätti-
gung von Heizung und Kühler wird der Kühlmittel-
volumenstrom im oberen Motordrehzahlbereich be-
grenzt, wodurch sich nach Bild 7-423 eine wesent-
liche Pumpenantriebsleistungseinsparung realisieren
lässt. Mit Abregelung des Kühlmittelvolumenstromes
im oberen Motordrehzahlbereich kann außerdem eine
wesentliche Verringerung der Bauteileingangsdrücke,
zum Beispiel von Heizung und Kühler, erreicht
werden.
Die positiven Effekte einer Volumenstromvariabilität
im Rahmen des Thermomanagements ohne wesentli-
che Änderungen am Motor beziehungsweise am
Kühlkreislauf lassen sich weitgehend durch kosten-
günstige mechanisch angetriebene Pumpen mit Ab-
schaltfunktion herbeiführen.
Insbesondere in der Kaltstartphase ermöglicht die
Abschaltung des Kühlmittelvolumenstroms eine
deutlich schnellere Motorerwärmung. Hieraus resul-
tiert ein geringerer Kraftstoffverbrauch und reduzierte
Emissionen. Die mögliche Kraftstoffeinsparung im
NEFZ (neuer europäischer Fahrzyklus) infolge der
Volumenstromabschaltung liegt nach Herstelleranga- Bild 7-430 Pneumatisch schaltbare mechanische
ben im Bereich zwischen 0,5… 3 %. Kühlmittelpumpe der Firma GPM
348 7 Motorkomponenten

x Die Motorkühlung als Fail-safe-Funktion ist durch


Federrückstellung gewährleistet.
Neben einer reinen On/Off-Schaltung können die in
den Bildern 7-430 und 7-431 dargestellten mechani-
schen Kühlmittelpumpen mit Spaltringschieber durch
genaue Positionierung des Schiebers entlang der
Flügelradbreite den Volumenstrom stufenlos über den
gesamten Drehzahlbereich abregeln. Damit ergeben
sich wesentliche Vorteile im Kühlkreislaufbetrieb:
x Die Bauteileingangsdrücke von gefährdeten Bau-
teilen wie Kühler und Heizung werden begrenzt
(Bild 7-432).
x Die Kavitationsneigung der Kühlmittelpumpe
sinkt signifikant (Bild 7-433).
x Weitere durch zu hohe Pumpendrücke verursachte
Schäden oder Fehlfunktionen im Kühlkreislauf
werden vermieden, zum Beispiel das Thermostat-
aufdrücken des Kühlerthermostaten bei Kurz-
schlussbetrieb (mit aufgedrücktem Kühlerthermo-
stat im Kurzschlussbetrieb wird durch den unge-
wollten Kühlervolumenstrom die Motoraufwärm-
phase wesentlich verlängert).
x Verringerung der notwendigen Antriebsleistung
Bild 7-431 Elektrohydraulisch regelbare mechani- der Kühlmittelpumpe (Bild 7-434).
sche Kühlmittelpumpe der Firma GPM Es kann der tatsächlich geförderte Kühlmittelvolu-
menstrom an den Volumenstrombedarf des Mo-
kann. Die Betätigung kann mittels eines externen tors angepasst werden. Beispielsweise werden bei
Unterdruckaktuators (Bild 7-430) oder auch direkt Konstantfahrt in der Ebene wesentlich geringere
mit Hydraulikdruck (Bild 7-431) erfolgen. Kühlmittelmengen benötigt als bei Maximal-
Die elektrohydraulische Betätigung des Ringschie- belastung des Kühlsystems. Durch Abregelung
bers (Bild 7-431) erfolgt durch einen pumpeninternen des Kühlmittelvolumenstromes in diesem häufig
Hydraulikkreislauf. Dabei wird eine Axialkolben- auftretenden Betriebszustand ergeben sich mit der
pumpe über eine an der Flügelradrückseite liegende daraus resultierenden geringeren Pumpenantriebs-
Hubkontur angetrieben. Ein Magnetventil schließt leistung nachweisbare Kraftstoffeinsparungen.
den Hydraulikkreislauf und der Regelschieber wird x Die Aufwärmphase des Kühlmittels und damit des
durch den sich aufbauenden Druck über das Flügelrad Motors kann durch Verringerung des Kühlmittel-
geschoben. Bei Öffnen des Magnetventiles fällt der volumenstromes im Kurzschlussbetrieb verkürzt
Hydraulikdruck ab und der Regelschieber wird durch werden.
die Rückstellfeder in seine Ausgangsposition zurück- x Durch Erhöhung der Pumpenkennlinie können im
gefahren. Mit der Rückstellfeder wird gleichzeitig die unteren Motordrehzahlbereich die Volumenströme
Fail-safe-Funktion sichergestellt. für Bauteile wie Heizung und Turbolader erhöht
Die Kühlmittelpumpe mit Spaltringschieber weist im werden. Damit werden zur Wärmeabfuhr notwen-
Vergleich mit anderen Regelkonzepten eine Reihe dige Kühlmittelmengen zum Beispiel für den Tur-
von signifikanten Vorteilen auf: bolader ab Leerlaufdrehzahl erreicht. Ab mittleren
Drehzahlen wird die Gesamtmenge durch Abre-
x Der Schieber ermöglicht im Unterschied zu
gelung begrenzt. Außerdem kann mit Anhebung
Kupplungspumpen bei laufendem Motor eine wir-
der Kühlmittelmenge im unteren Drehzahlbereich
kliche Nullförderung, da auch Thermosyphonströ-
das in Abschnitt 7.24.4 diskutierte Problem gelöst
mungen sicher unterbunden werden.
werden, dass bei sehr kleinen Leerlaufdrehzahlen
x Die Schieberpumpe erfordert im Wesentlichen
keine voll turbulent ausgebildete Strömung vor-
nicht mehr Bauraum als eine Konstantpumpe bei
handen ist und damit keine ausreichende Wär-
geringem Mehrgewicht.
meabfuhr erreicht wird (Kühlprobleme im Heiß-
x Die Pumpenantriebsleistung kann im Off-Zustand
leerlauf).
erheblich reduziert werden (Bild 7-435).
x Insbesondere im Vergleich zu Kupplungspumpen Bei Kaltstart des Motors wird zur schnellen Erwär-
lässt sich die Schieberpumpe sehr kostengünstig mung des Kühlmittels und damit des Motors zuneh-
darstellen. mend eine Nullförderung, das heißt stehendes Kühl-
7.24 Kühlmittelpumpen für Verbrennungsmotoren 349

Bild 7-432 Bauteileingangsdrücke im Pkw-Kühl-


kreislauf
Bild 7-434 Pumpenantriebsleistungen bei ungeregel-
ter Pumpe und Spaltringschieberpumpe der Firma
GPM

Bild 7-433 Erforderliche Saugdrücke zur Kavita-


tionsvermeidung und vorhandene Saugdrücke im
Pkw-Kühlkreislauf

mittel, gefordert. Gleichzeitig sollen zur Verminde-


rung der Reib- beziehungsweise Verlustleistung die
Nebenaggregate wie die Kühlmittelpumpe bereits ab Bild 7-435 Vergleich der Pumpenantriebsleistung bei
Leerlaufdrehzahl kleine Antriebsleistungen aufwei- Spaltringschieberdrosselung und Ventildrosselung
sen. Die Abschaltung des Kühlmittelvolumenstromes
mit der Spaltringschieberpumpe (Bilder 7-430 und Kühlmittelpumpen erfüllt werden. Bild 7-436 zeigt
7-431) ergibt gegenüber anderen Abschaltmöglich- eine elektrische Hauptwasserpumpe mit Kühlmittel-
keiten, zum Beispiel mittels Ventil am Pumpenaus- verteilfunktion.
gang, erheblich geringere Antriebsleistungen (Bild Die elektrische Kühlmittelpumpe nach Bild 7-436
7-435). erreicht durch Verwendung eines axialen Flügelrades
Die Anforderungen nach stufenlos regelbaren Kühl- hohe Pumpenwirkungsgrade und benötigt damit eine
kreislaufvolumenströmen können mit elektrischen relativ kleine Pumpenantriebsleistung. Durch die Inte-
350 7 Motorkomponenten

Bild 7-436 Elektrische Kühlmittelverteilpumpe der


Firma GPM Bild 7-437 Parallelsystem aus elektrischer und me-
chanischer, schaltbarer Kühlmittelpumpe der Firma
GPM
gration von Kreislaufregelelementen wie dem Ther-
mostat können von der elektrischen Kühlmittelver-
mittelmengen erfolgt ein reiner Kühlkreislaufbetrieb
teilpumpe kostengünstig und platzsparend zusätzliche
mittels der elektrischen Sekundärpumpe.
Kühlkreislauffunktionen übernommen werden. Mit
Außerdem kann die elektrische Sekundärpumpe als
strömungsoptimierten Kühlkreisläufen zum Beispiel
Nachlaufpumpe genutzt werden. Nach Abstellen des
durch Verringerung der Hauptströmungswiderstände
Verbrennungsmotors kann es zu einem hohen Wär-
und Optimierung der Kühlkreislaufvernetzung kann
meeintrag in das Kühlsystem kommen (Nachheizen),
die Pumpenantriebsleistung und damit die Baugröße
wodurch ein Kühlmittelauswurf über den Ausgleich-
des Elektromotors sowie die Generatorbelastung
behälter oder eine Schädigung des Turboladers er-
klein gehalten werden.
folgt. Bisher verwendete Nachlaufpumpen erreichen
Elektrische Hauptwasserpumpen wurden bisher nur
oftmals nur unzureichende Kühlmittelvolumen-
in einzelnen Motorbaureihen appliziert. Einer weite-
ströme, da wegen ihrer Anordnung in einem Kühl-
ren Verbreitung stehen die begrenzte Verfügbarkeit
kreislaufzweig (zum Beispiel im Turboladervorlauf)
von elektrischer Leistung innerhalb von 12-V-Bord-
Rückströmungen, partiell stehendes Kühlmittel und
netzen entgegen, insbesondere aber auch die hohen
unerwünschte Bauteilvolumenströme auftreten. Es
Systemkosten für elektronische Gleichstrommotoren.
wird zum Beispiel die stehende Hauptpumpe durch-
Außerdem setzt die Verwendung einer elektrischen
flossen, was mit dem Parallelpumpensystem vermie-
Hauptwasserpumpe umfangreiche Änderungen am
den wird.
Kühlkreislaufaufbau voraus.
Die jeweiligen Vorteile der elektrischen Kühlmittel- Kurzzeichenverzeichnis
pumpe und der schaltbaren mechanischen Pumpe ver- cD = Strömungsgeschwindigkeit an der Pum-
eint das Parallelpumpensystem in Bild 7-437. Hierbei pendruckseite [m/s]
ist eine elektrische Sekundärpumpe parallel zu der cS = Strömungsgeschwindigkeit an der Pum-
mechanischen, schaltbaren Hauptkühlmittelpumpe pensaugseite [m/s]
2
(Primärpumpe) angeordnet. Unerwünschte Rückströ- g = Erdbeschleunigung [m/s ]
mungen werden durch Absperrung des Elektropum- H = Förderhöhe [m]
penkreises vermieden. hD = geodätische Höhe der Pumpendruckseite
Das Parallelpumpensystem ermöglicht die anforde- [m]
rungsgerechte Kühlmittelversorgung für Fahrzeuge hS = geodätische Höhe der Pumpensaugseite
mit Hybridantrieb, Start-Stopp-System und Verbren- [m]
nungsmotor. Dabei werden vielfältige Betriebsmodi Md = Drehmoment [Nm]
–1
wie Kühlmittelnullförderung bei Motorkaltstart, Küh- n = Drehzahl [s ]
lung der Elektromaschine und der Leistungselektro- NPSH = Net positiv suction head – absolute Ener-
nik bei Hybridmotoren und Begrenzung des Volu- giehöhe abzüglich der Verdampfungs-
menstromes während des Verbrennungsmotorenbe- druckhöhe = Netto-Energiehöhe [m]
triebes während der Motoraufheizphase oder bei hö- NPSH97% = NPSH-Wert bei 3%igem Förderhöhenab-
heren Motorlasten und Drehzahlen zur Begrenzung fall [m]
der Bauteildruckbelastung und der Antriebsleistung PAn = Antriebsleistung [W]
mittels der Spaltregelpumpe darstellbar. Bei geringen pD = örtlicher Druck an der Pumpendruckseite
2
Motorlasten und damit kleinen erforderlichen Kühl- [ N/m ]
7.25 Steuerorgane des Zweitaktmotors 351

pDampf = Dampfdruck des Strömungsmittels


2
[N/m ]
PNutz = Nutzleistung [W]
ps = örtlicher Druck an der Pumpensaugseite
2
[N/m ]
pS 97% = statischer Druck an der Pumpensaugseite
2
bei 3%igem Förderhöhenabfall [N/m ]
pS stat erf = erforderlicher statischer Druck an der
Pumpensaugseite zur Kavitationsvermei-
2
dung [N/m ]
–4
RKKL = Kühlkreislaufgesamtwiderstand [m ]

3
= Volumenstrom [m /s]
'pges = Gesamtdruckdifferenz nach Bernoulli
2
[N/m ]
3
ȡ = Strömungsmitteldichte [kg/m ]
Ș = Wirkungsgrad [–]
Q 2
= kinematische Zähigkeit [m /s]
Literatur
[1] Brömmel, A.; Rombach, M.; Wickerath, B.; Wienecke, T.;
Durand, J.-M.; Armenio, G.; Squarcini, R.; Gibat, T.-J.:
Elektrifizierung treibt Pumpeninnovationen. In: MTZ Extra 3,
2010
[2] Keller, P.; Wenzel, W.; Becker, M.; Roby, J.: Hybrid-Kühlmit- Bild 7-438 Schnittdarstellung eines modernen Zwei-
telpumpe mit elektrischem und mechanischem Antrieb. In: MTZ taktottomotors mit Umkehrspülung, Kurbelkammer-
11, 2010
[3] Wickerath, B.; Fournier, A.; Duran, J.-M.; Brömmel, A.: Voll-
spülpumpe, Einlasssystemlamellenventilen und Flach-
variable mechanische Kühlmittelpumpe für Nutzfahrzeuge. In: schieberauslasssteuerung
MTZ 1, 2011

kehrspülung steuert der Kolben sowohl das Abströ-


7.25 Steuerorgane des Zweitaktmotors men des Abgases aus dem Zylinder über den/(die)
Auslassschlitz/(e) als auch das Zuströmen des Frisch-
Das charakteristische Kennzeichen des Zweitaktprin- gases über die Spülschlitze und bei Verwendung der
zips ist es, dass im Gegensatz zum Viertaktmotor pro Kurbelkammerspülpumpe zusätzlich den Zutritt des
Umdrehung der Kurbelwelle ein vollständiger Arbeits- Frischgases in die Kurbelkammer. Durch die Anord-
zyklus durchlaufen wird und dass das Entfernen der nung von Auspuff-, Einlass- und Spül- beziehungs-
verbrannten Ladung aus dem Zylinder und das Einfüh- weise Überstromkanälen am Zylinder, die als Schlitze
ren des Frischgases beziehungsweise der Verbren- die Zylinderwand durchbrechen, ergeben sich für die
nungsluft in den Zylinder (Spülvorgang) in Kurbelwin- Triebwerke von Zweitaktmotoren verschiedene im
kelbereichen um den unteren Totpunkt (UT) ablaufen. Folgenden genannte Besonderheiten. Die Schlitze in
Hierbei besteht die Forderung, dass durch eine zweck- der Zylinderwandung erschweren eine definierte
mäßige Gestaltung der Ladungswechselorgane der Schmierung der tribologischen Paarung von Kolben
Spülvorgang bei minimaler Vermischung von Frisch- und Zylinder, so dass zur Gewährleistung einer aus-
gas und Abgas (hohe Spülwirkungsgrade) mit niedri- reichenden Schmierung und zur Vermeidung unzu-
gem erforderlichem Spüldruckgefälle (niedrige La- lässig hoher Ölverbräuche der Wahl der Laufpaarung
dungswechselarbeit) in einem möglichst kleinen Kur- in Hinblick auf einen minimalen Schmierölbedarf
belwinkelbereich um UT (geringe Begrenzung des sowie einer dosierten Schmierölzufuhr und/oder einer
Zylindernutzhubes) abläuft. Für den Ladungswechsel ausreichenden Ölabstreifwirkung der Kolbenringe
von Zweitaktmotoren stehen eine Reihe verschiedener, eine wesentliche konstruktive Beachtung geschenkt
in Abschnitt 10.3 näher erläuterter Spülverfahren zur werden muss. Um ein unzulässiges Einfedern der
Auswahl (siehe hierzu auch [1] und [2]), durch deren Kolbenringe in die Auslass-, Spül- und Einlassschlit-
Einsatz sich gegenüber Viertaktmotoren wesentliche ze zu verhindern, müssen wie in [2] und [3] ausführ-
Unterschiede in der Gestaltung der Triebwerkskompo- lich dargelegt, maximale Schlitzbreiten (ausgedrückt
nenten ergeben. Da der Arbeitsprozess des Zweitakt- als Verhältnis zwischen Schlitzbreite und Zylinder-
motors mit Kurbelwellendrehfrequenz abläuft, ist im durchmesser) eingehalten werden.
Gegensatz zum Viertaktmotor die Steuerung der Gas- Außerdem werden die in ihrer Grundform zumeist
ströme durch den Kolben möglich. eckig ausgelegten Schlitze an Schlitzober- und Un-
Bei der insbesondere bei Kleinmotoren und Schnell- terkante in den Ecken ausgerundet und die Übergänge
läufern eingesetzten, in Bild 7-438 dargestellten Um- von Zylinder- und Kanalwandung mit Radien ver-
352 7 Motorkomponenten

sehen. Eine Drehung der Kolbenringe in den Ring- taktottomotoren zur Erhöhung der Frischgasfüllung,
nuten des Kolbens verbunden mit der Gefahr des zur Beeinflussung der Gemischbildung und zur Ver-
Einfederns der Ringenden in die Schlitze des Zylin- meidung von negativen Einflüssen der Gasschwin-
ders wird – sofern notwendig – durch in den Ringnu- gungen in Ansaug- und Abgastrakt je nach vorlie-
ten eingepresste Stifte verhindert. gendem Konzept teilweise Einlassdrehschieber, La-
Die doppelte Zündfrequenz, vor allem jedoch die mellenventile (Reedvalves), Nebenschluss-Lamellen-
Steuerung des Frischgasstromes und besonders des steuerungen, Schwingkammern und auf der Auslass-
Abgasstroms durch den Kolben, führt bei schlitzge- seite Steuerschieber beziehungsweise Steuerwalzen
steuerten Zweitaktmotoren, wie in [4] dargelegt, ge- eingesetzt werden. Hierdurch erhöht sich der Kom-
genüber vergleichbaren Viertaktmotoren zu einer gra- plexitätsgrad der Triebwerkskonstruktion unter Um-
vierend höheren thermischen Belastung von Zylinder ständen erheblich.
und Kolben, die als wesentliche Ursache für eine Bei der Gleichstromspülung mit Auslassventilen, die
vielfach vorliegende begrenzte Standfestigkeit von insbesondere bei Dieselmotoren eingesetzt wird, tritt
Hochleistungszweitaktmotoren anzusehen ist. Er- das Frischgas über vom Kolben gesteuerte Spülschlitze
schwerend wirkt dabei, dass bei Führung des Frisch- in den Zylinder ein, während das Abgas über zumeist
gases durch die Kurbelkammer (Kurbelkammerspül- mehrere im Zylinderkopf angeordnete, mit Kurbelwel-
pumpe) eine effektive Kühlung des Kolbens durch lendrehfrequenz angesteuerte Ventile abströmt. Zur
Spritzöl – wie bei Viertaktmotoren höherer Leistung Erzeugung guter Spülwirkungsgrade müssen die Ein-
üblich – sich weitgehend ausschließt. Eine Verringe- lasskanäle beziehungsweise -schlitze, abgesehen von
rung der thermischen Belastung von Kolben, Kolben- einer leicht tangentialen Orientierung zur Unterstüt-
ringen und Bolzenlagerung wird unter anderem durch zung der Gemischbildung, im Allgemeinen keine be-
die folgenden Maßnahmen erreicht: Begrenzung der sondere Richtwirkung ausüben, so dass das den Spül-
Einzelzylindervolumina, sorgfältige Auslegung der schlitzen vorgeschaltete Luftsammlervolumen, wie in
Zylinderkühlung (möglichst Flüssigkeitskühlung) ins- Bild 7-439 exemplarisch dargestellt, vielfach an den
besondere im Bereich der Auslassschlitze, konstrukti- Außendurchmesser der Laufbüchse angrenzt (siehe
ve Minimierung von Zylinderverzügen, die eine Wär- hierzu auch [5]).
meabfuhr vom Kolben über die Kolbenringe an den Die Forderung, dass die Spülschlitze in der OT-Posi-
Zylinder erschweren, Wahl von Steuerzeiten, die ein tion durch den Kolbenschaft abgedeckt werden müs-
zusätzliches Aufheizen von Kolben und Frischgas sen, bedingen insbesondere bei langhubigen Motoren
durch das Rückblasen von Abgas in die Spülschlitze lange Kolben und vergleichsweise große Gesamt-
verhindern, Wahl eines Spülverfahrens welches einen bauhöhen des Motors. Im Vergleich zur Umkehrspü-
großflächigen Kontakt des aus dem Zylinder ab- lung ergeben sich bei der Gleichstromspülung mit
strömenden Abgases mit der Kolbenoberfläche ver- Auslassventilen etwas geringere und symmetrischere
meidet. thermische Belastungen von Kolben und Zylinder.
Bei modernen Umkehrspülzylindern für schnelllau- Demgegenüber werden wegen der im Vergleich zu
fende Zweitaktmotoren wird das Frischgas über im Viertaktmotoren verdoppelten Betätigungsfrequenz
Allgemeinen vier bis sieben spiegelsymmetrisch zum der Auslassventile und der hohen thermischen Belas-
Auslasskanal angeordnete Spül- beziehungsweise tung des Zylinderkopfes bei schnelllaufenden Moto-
Überströmkanäle unter einem flachen Winkel in ren an die Auslegung der Zylinderkopfkühlung und
Richtung der dem Auslassschlitz gegenüberliegende der Ventiltriebskinematik hohe Anforderungen ge-
Zylinderwand gespült. Hierdurch bildet sich an der stellt. Bei der bei Schnellläufern vielfach gewählten
Zylinderwandung ein aufsteigender Frischgasstrom, Bauart mit vier Auslassventilen besteht die entwickle-
der im Bereich des Zylinderkopfes seine Richtung rische Zielsetzung, eine gedrungene Kanalkontur zu
umkehrt und das Abgas aus dem Zylinder drängt. Die verwirklichen (geringe zu kühlende Kanaloberfläche,
seitlich am Zylinder angeordneten, sich in Strö- geringe Abgaswärmeverluste bei Ankoppelung eines
mungsrichtung leicht verjüngenden Überströmkanäle Abgasturboladers), bei der sich die Abgasströme der
bedingen bei entsprechenden Mehrzylindermotoren, einzelnen Ventile so wenig wie möglich behindern.
gegenüber vergleichbaren Viertaktmotoren, wesent- Daneben muss insbesondere der Bereich um die
lich größere Zylinderabstände. Die durch die La- Einspritzdüse zur Vermeidung von Verkokungspro-
dungswechselkanäle bedingten Steifigkeitssprünge in blemen intensiv gekühlt werden. Um in dem begrenz-
der Geometrie des Zylinders, der indirektere Kraft- ten, für den Ladungswechsel zur Verfügung stehen-
fluss zwischen Zylinderkopf und Kurbelwelle und die den Kurbelwinkelbereich einen Ladungswechsel mit
hohe, durch die Auslassschlitze bedingte asymmetri- möglichst geringer Ladungswechselarbeit zu ermög-
sche thermische Belastung von Kolben und Zylinder, lichen, muss ein geeignetes Ventiltriebskonzept ge-
macht eine sehr sorgfältige Gestaltung des Trieb- wählt und eine optimale Ventiltriebskinematik mit
werks und der Triebwerkskühlung erforderlich. Es sei einem minimalen Druckverlust bei Durchströmung
angemerkt, dass insbesondere bei modernen Zwei- verwirklicht werden.
7.25 Steuerorgane des Zweitaktmotors 353

Bild 7-439 Längs- und Querschnitt durch einen gleichstromgespülten Vierzylinder-Zweitaktdieselmotor Firma
Krupp [5]

Bild 7-440 Längs- und Querschnitt durch den gleichstromgespülten Pkw-Zweitaktdieselmotor der AVL [6]
354 7 Motorkomponenten

Bild 7-440 zeigt beispielhaft die Lösung bei einem


1,0-Liter-Zweitaktdieselmotorenkonzept der Firma
AVL. Bei diesem Motor werden je vier Auslassventi-
le pro Zylinder mittels Rollenschlepphebeln von zwei
obenliegenden Nockenwellen betätigt. In Bild 7-441
ist die Illustration einer hierzu alternativen Auslass-
kanalführung dargestellt.
Literatur
[1] Venedinger, H. J.: Zweitaktspülung insbesondere Umkehrspü-
lung. Stuttgart: Franckh’sche Verlagshandlung, 1947
[2] Bönsch, H. W.: Der schnelllaufende Zweitaktmotor, 2. Aufl.
Stuttgart: Motorbuch Verlag, 1983
[3] Küntscher, V. (Hrsg.): Kraftfahrzeugmotoren – Auslegung und
Konstruktion. 3. Aufl. Berlin: Verlag Technik, 1995
[4] N. N.: Hütte; des Ingenieurs Taschenbuch IIA; 28. Aufl. Berlin:
Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, 1954
[5] Scheiterlein, A.: Der Aufbau der raschlaufenden Verbrennungs-
kraftmaschine. 2. Aufl. Wien: Springer, 1964
[6] Knoll, R.; Prenninger, P.; Feichtinger, G.: 2-Takt-Prof. List
Dieselmotor, der Komfortmotor für zukünftige kleine Pkw-
Antriebe; 17. Internationales Wiener Motorensymposium 25. –
26. April 1996, VDI Fortschritt-Berichte Reihe 12 Nr. 267.
Düsseldorf: VDI Verlag, 1996
[7] Blair, G. P.: Design and Simulation of Two-Stroke Engines.
Warrendale PA: SAE International, 1996
Bild 7-441 Illustration der Auslasskanalführung und [8] Meinig, U.: Standortbestimmung des Zweitaktmotors als Pkw-
des Ventiltriebs eines gleichstromgespülten Pkw- Antrieb: Teil 1 – 4. In: MTZ 62 (2001) 7/8, 9, 10, 11
Zweitaktdieselmotors [9] Basshuysen, R. van: Zweitaktmotor/Wankelmotor. In: MTZ 70
(2009) 1
8 Motoren

8.1 Motorkonzepte Mit steigender Drehzahl nehmen jedoch die Probleme


zu. Die Wirkungen der zu beschleunigenden Massen
Das Motorkonzept wird von vielen Faktoren beein- sind schwerer zu beherrschen, ebenso die thermi-
flusst, die oft nicht frei wählbar sind, so zum Beispiel schen Beanspruchungen, der Ladungswechsel und die
Arbeitsverfahren (Zweitakt – Viertakt), Arbeitspro- Einbringung von Kraftstoff. Daher sind der Drehzahl
zess (Diesel – Otto), Kühlungsart (Wasser – Luft), als Mittel der Leistungssteigerung zumindest bei
Leistungsabstufung, Zahl und Anordnung der Zylin- großserientauglichen und kostengünstigen Pkw-Mo-
der, Triebwerkskonfiguration, Kurbelgehäusebauart, toren enge Grenzen gesetzt.
Steuerungsart, Aufladung unter anderem mehr. Ähnliches gilt für das Hubvolumen des Motors. Große
Wichtigstes Kriterium für einen Motor ist sein Ver- Hubvolumina, entweder durch große Zylindervolumina
wendungszweck, Bild 8-1. Danach richten sich die oder hohe Zylinderzahl, sind für Pkw-Motoren eben-
Bedingungen, unter denen bestimmte Anforderungen falls begrenzt. Damit steigt die Motormasse und der
erbracht werden müssen. benötigte Bauraum. Beides muss aber in einem ver-
Mit den Gesetzmäßigkeiten der Ähnlichkeitsmecha- nünftigen Verhältnis zu den auf das Fahrzeug bezoge-
nik kann man zeigen, dass die einzelnen Faktoren der nen Daten wie zum Beispiel Fahrzeugmasse, zur Ver-
Leistungsgleichung fügung stehender Bauraum, stehen. Darüber hinaus
S 2 n bedeuten große Einzelzylindervolumina große zu be-
P z˜ ˜ d ˜ s ˜ we ˜ schleunigende Kolbenmassen, was ebenfalls eine
4 i
Begrenzung darstellt. Bohrungsdurchmesser zwischen
nicht unabhängig voneinander sind. Es sind beispiel- circa 70 und 110 mm, bei etwa quadratischem Hub-/
weise nicht nur Leistung, Hubvolumen und Drehzahl Bohrungsverhältnis decken heute den Bereich üblicher
miteinander verknüpft, sondern auch Arbeitsverfah- Pkw-Motoren ab.
ren, Verbrennungsverfahren, Kühlungsart etc. Große Der konstruktive Aufbau von Motoren ist im Prinzip
absolute Leistungen lassen sich nur mit großen Zy- durch die Wirkungsweise des Triebwerks vorgegeben.
linderabmessungen (Bohrung, Hub) darstellen, hohe Dabei hat sich das Hubkolbentriebwerk als überlegen
spezifische Leistungen (Leistung/Arbeitsraum; Leis- erwiesen, wobei die Betrachtung immer als Integral
tung/Motormasse) hingegen über Arbeitsspielfre- über alle wichtigen Eigenschaften gesehen werden
quenz und hohe spezifische Arbeit. muss. Zum Beispiel bieten Motoren mit äußerer Ver-

Bild 8-1 Verwendungszweck von Motoren und Motorengröße (Quelle: Zima)

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_8
356 8 Motoren

brennung bei dem Teilaspekt Thermodynamik sicher- x Ottomotor:


lich Vorteile, andere Aspekte wie zum Beispiel Bau- – Motoren mit Saugrohr- oder Direkteinsprit-
raum sind daher negativ zu bewerten. zung, wobei die Direkteinspritzung aus Ver-
Die Arbeitsspielfrequenz bestimmt über die Taktzahl brauchs- und Leistungsgründen zunehmend
die Leistungsdichte der Motoren; ein Zweitaktmotor sein wird
leistet – zumindest theoretisch – das Doppelte eines – Saugmotoren überwiegen, wobei Turbomoto-
Viertaktmotors, da er bei jeder Kurbelwellenumdre- ren mit mechanischer Aufladung, überwiegend
hung einen Arbeitshub hat. Dass dies in Praxis nicht jedoch die Abgasturboaufladung eingesetzt
so ist liegt an der geringeren spezifischen Arbeit werden
(Spülverluste), die ein Zweitaktmotor verrichtet. – Turboaufladung, vor allem im Zusammenhang
Man kann prinzipiell unterscheiden zwischen Ein- mit einem Downsizing-Konzept wird zunehmen
und Mehrwellentriebwerken, wobei die Mehrwellen- – Aluminium als Werkstoff für Zylinderkopf
triebwerke hier nicht behandelt werden. Pkw-Moto- sowie Aluminium und Magnesium für den Zy-
ren werden ausschließlich als Einwellentriebwerke linderblock
dargestellt. – variable Nockenwellenverstellsysteme bis hin
Die Entwicklungs- und Optimierungsziele in der Mo- zur voll variablen Verstellung
torenentwicklung für Pkw-Motoren sind im Wesent- – geregelter Dreiwegekatalysator mit Lambda-
lichen gekennzeichnet durch die Forderungen nach: sonden
x Verbesserung der Fahrleistung – vorwiegend vier Ventile pro Zylinder
x Minimierung des Kraftstoffverbrauchs und damit – Einzelzündspulen und zylinderselektive Zünd-
der CO2-Emission winkelverstellung
x Erfüllen der Normen für Abgasqualität zum Bei- – Zylinderselektive Einspritzung
spiel EU4, EU5, ULEV – Zylinderabschaltung bei großvolumigen und
x Verbesserung des Komforts und der Akustik vielzylindrischen Motoren
x Kostenminimierung. – Wärmemanagement zur Optimierung von Küh-
lung und Warmlauf
Das setzt die Entwicklung von Baugruppen, Syste- – Schaltsaugrohre zur Verstellung der Rohrlän-
men und Modulen voraus, mit denen die oben ge- gen im Ansaugtrakt
nannten, teilweise gegenläufigen Forderungen, erfüllt – bevorzugt vier, sechs oder acht Zylinder, wo-
werden können. Die aus der Zieldefinition herzulei- bei Sechszylindermotoren in V- und Reihen-
tenden Entwicklungsschritte müssen in den meisten bauweise, Achtzylindermotoren in V-Ausfüh-
Fällen einen Kompromiss darstellen. rung bebaut werden.
Moderne Motoren für den Individualverkehr zeichnen – zunehmende „Hybridisierung“ des Antriebs-
sich durch folgende übergreifende Merkmale aus: stranges wie zum Beispiel Starter-Generator,
x Dieselmotor: elektrisch betriebene Nebenaggregate, Mico-
– Motoren mit Direkteinspritzung und Mild-Hybride
– Mehrlocheinspritzdüsen und luftverteilenden – Energie- und Wärmemanagement
Verbrennungsverfahren
– Hochdruck-Einspritzsysteme mit Einspritzdrü- 8.1.1 Motorbauarten
cken um 2.000 bar Motoren für den Einsatz im Pkw sind Einwellen-
– vorwiegend vier Ventile pro Zylinder mit zen- triebwerke. Einwellentriebwerke sind Triebwerke von
tral sitzender Einspritzdüse Hubkolbenmotoren, die eine Kurbelwelle aufweisen.
– Lufteinlasssysteme, die Einlassdrall zeugen Man kann folgende Hauptbauarten unterscheiden:
– elektronische Dieselregelung mit erweitertem
Funktionsumfang Boxermotor: Das ist ein Motor mit Anordnung der
– Aluminium als Werkstoff für Zylinderkopf und Zylinder in einer Ebene mit zwei einander gegenüber-
zunehmend auch für Zylinderblock liegenden Zylinderreihen. Man kann sie auch als
– Abgasnachbehandlungssysteme mit Katalysa- 180°-V-Motoren bezeichnen, bei denen die gegenü-
tor, NOx-Speicher, Reduktionsmittel etc. und berliegenden Kolben und Pleuel auf eine gemeinsame
Partikelfilter oder aber jeweils auf eine eigene Kröpfung arbeiten.
– Abgasturboaufladung mit variabler Turbinen- Unter Kröpfung versteht man dabei die Folge von
geometrie und Ladeluftkühlung Kurbelwange – Hubzapfen – Kurbelwange. Die Zy-
– gekühlte Abgasrückführung linder benachbarter Kurbelkröpfungen, Bild 8-2
– vorwiegend Vier-, Sechs- oder Achtzylinder- liegen sich gegenüber. Sie können deshalb in Kur-
motoren, wobei Sechszylindermotoren in V- belwellenrichtung näher aneinander angeordnet wer-
und Reihenbauweise, Achtzylindermotoren in den, weshalb Boxermotoren kürzer bauen als Rei-
V-Ausführung gebaut werden. henmotoren gleicher Zylinderzahl. Außerdem bauen
– Energie- und Wärmemanagement sie sehr flach. Bekannte Boxermotoren sind der luft-
8.1 Motorkonzepte 357

Kröpfung

r = Kurbelradius
Kurbelwange Hubzapfen

Bild 8-2 Kurbelkröpfungen eines Boxermotors

gekühlte Zweizylinder-Motorradmotor von BMW


und der des legendären VW-Käfers sowie Porsche-
Motoren.
Grundsätzlich besteht die Kröpfung aus den Pleuella-
gerzapfen und den Kurbelwangen, die durch die
Hauptlagerzapfen verbunden sind. Für Reihen- und
V-Motoren sind Kurbelwellen mit 1 bis 10 Kröpfun-
gen und Teilungen von 180°, 120°, 90°, 72°, 60°, 45°, Bild 8-3 Luftgekühlter Einzylinder-Dieselmotor
40° und 36° üblich. Im Allgemeinen werden Kurbel- (Hatz)
wellen nach jeder Kröpfung gelagert.
Die Pleuel können entweder durch den Kolben oder
jeweils zwei sich im V gegenüberliegende Kolben auf
durch die Kröpfung seitlich geführt werden. Im
eine Kurbelkröpfung. V-Motoren haben Vorteile be-
letzteren Fall müssen dort an die Genauigkeit der
züglich:
Anlaufbunde und die Weiten der Pleuellagerzapfen
höhere Anforderungen gestellt werden. x Hoher Leistungsdichte bei kompaktem Grundauf-
bau und guter Zugänglichkeit.
Einzylindermotoren x In V-Bauweise ist der benötigte Einbauraum im
Der Einzylindermotor stellt die Grundeinheit aller Fahrzeug gering (geringe Triebwerkslänge); es
Motorkonzepte dar. Als Pkw-Antrieb ist er jedoch be- lassen sich selbst Sechszylindermotoren in Pkw
deutungslos und wird nur für niedrige Leistungen mit quer einbauen.
kleinen Zylinderabmessungen gebaut. Als Otto-und x Der Raum zwischen und unter den Motorreihen
Dieselmotor ist er meist luftgekühlt und dient zum kann mit Motorzubehör (Einspritzpumpe, Abgas-
Antrieb von Arbeitsmaschinen und Stromerzeuger, turbolader, Filter etc.) raumsparend genutzt wer-
als Ottomotor auch zum Antrieb leichter Krafträder den, so dass eine sehr kompakte Antriebseinheit
und Motorräder. Zum Ausgleich von Massenwirkun- entsteht.
gen und zur Vergleichmäßigung des Drehmoments x Reihenmotoren größer als sechs Zylinder sind in
sind besondere Maßnahmen getroffen (zum Beispiel modernen Pkw nicht mehr einbaubar (V-Motoren
Massenausgleichsgetriebe). Bild 8-3 zeigt den Schnitt bis zu zwölf Zylinder).
durch einen Einzylindermotor. x Schnelllaufende Hochleistungsmotoren werden
schon ab sechs Zylindern in V-Bauweise gebaut.
Einreihenmotor und Nachteile bezüglich:
Der Einreihenmotor (oder auch Reihenmotoren) ist x Größere Querkomponenten der Lagerkräfte in
die Standard-Ausführung. Er entsteht durch Aneinan- V-Motoren erfordern eine aufwändigere Gestal-
derreihen mehrerer Zylinder in Kurbelwellenrichtung. tung des Kurbelwellenlagerdeckels im Kurbel-
Die Kurbelgehäuse von Reihenmotoren gestalten sich gehäuse.
konstruktiv einfach. Reihenmotoren sind wartungs- x Die Saugrohrleitungen gestalten sich konstruktiv
und reparaturfreundlich. Fahrzeugmotoren werden aufwändiger.
heute als Reihenmotoren mit bis zu sechs Zylindern x Man hat zwei „heiße“ Motorseiten.
ausgeführt. x Der Aufwand bei Aufladung ist größer gegenüber
Reihenmotoren.
V-Motoren x V-Motoren verhalten sich bezüglich freier Mas-
V-Motoren entstehen bei der Zusammenfassung senwirkungen ungünstiger als Reihenmotoren.
zweier um einen bestimmten Winkel, den V-Winkel, Trotz dieser Nachteile ist der V-Motor heute neben
zueinander geneigter Zylinderreihen, deren Trieb- dem Vierzylinder-Reihenmotor eine bevorzugte Bau-
werke auf eine gemeinsame Kurbelwelle arbeiten – art.
358 8 Motoren

gekröpfter Hubzapfen
Drehschwingungsverhalten, Begrenzung der Motor-
abmessungen in Höhe und Breite, Nutzung des
Grundtriebwerkes für Otto- und Dieselmotor, die
Zylinderzahl des Motors sowie die jeweils vorhande-
nen Fertigungseinrichtungen.
Es gibt praktisch alle V-Winkel zwischen den Ex-
tremwerten 0° (Reihenmotor) und 180° (Boxer-
motor), Bild 8-5. Kleine V-Winkel verlangen längere
Pleuel (kleinere Pleuelverhältnisse O = r/l), um den
nötigen Freigang der Pleuel von den Zylindern zu
gewährleisten. Das ergibt höhere Kurbelgehäuse bei
Bild 8-4 Kurbelwelle mit gekröpftem Hubzapfen geringeren Kolbenseitenkräften als Folge kleinerer
(Split-Pin) Pleuelschwenkwinkel. Gleiche Zündabstände erhält
man, wenn der V-Winkel zu G = 720°/Zylinderzahl
Ein weiteres wichtiges Konstruktionsmerkmal ist die (Viertakter) gewählt wird. Für Fahrzeugmotoren und
Pleuel – neben – Pleuel-Ausführung. Das ist vom schnelllaufende Dieselmotoren wird der 90°-V-Win-
Triebwerk her die einfachste Lösung (gleiche Pleuel kel bevorzugt, weil dieser einen vollständigen Aus-
und gleiche Lager). Sie erfordert aber wegen des in gleich oszillierender Massenkräfte 1. Ordnung durch
Hubzapfenrichtung exzentrischen Kraftangriffs (Pleu- umlaufende Gegengewichte ermöglicht. Bei Achtzy-
elversatz) gekröpfte Zwischenwände. Bei „Splitpin“- linder-V-90°-Viertaktmotoren entspricht der V-Win-
Kurbelwellen, Bild 8-4 sind die breiteren Pleuella- kel dem (gleichmäßigen) Zündabstand. Wenn Zylin-
gerzapfen (für V-Motoren) in Umfangsrichtung ab- derzahl und V-Winkel nicht korrespondieren, erreicht
gesetzt, was günstigere Zündabstände ergibt und man dennoch gleiche Zündabstände durch „Auf-
damit die Laufruhe des Motors verbessert. spreizen“ der Hubzapfen um die Differenz zwischen
Wichtiger konstruktiver Parameter beim V-Motor ist V-Winkel und Zündabstand (split-pin-Kurbelwelle,
der V-Winkel. Kriterien für die Wahl sind zum Bei- gekröpfter Hubzapfen, Hubversatz). So werden heute
spiel: Zündabstände, Massenwirkungen, Aufladung, Sechszylinder-Pkw- und Nkw-Motoren mit V-Winkel

V = 15°
symmetrisch
geschränkte Zylinder V = 40° V = 45° V = 50° V = 60°
Volkswagen VR6 MTU 20 V 672 Deutz MWM 632 Sulzer ZA 40 S MTU 20 V 1163
d = 81 mm d = 185 mm d = 250 mm d = 400 mm d = 230 mm

V = 180°
Daimler-Benz OM 807
d = 138 mm
V = 72° V = 90° V = 120°
MTU 16 V 595 Pielstick 16 PA4 185 Deutz MWM 816
d = 190 mm d = 185 mm d = 142 mm V-Winkel verschiedener Motoren

Bild 8-5 V-Winkel verschiedener Motoren (Quelle: Zima)


8.1 Motorkonzepte 359

von 90° (zum Beispiel Audi, Deutz, DaimlerChrys-


Zylinder 2,4,6 aB Zylinder 7,9,11
ler), 60° (Ford) und sogar 54° (Opel) gebaut, was aV
einen Kröpfungsversatz von insgesamt 30°, 60° Zylinder 1,3,5

beziehungsweise 66° erfordert.


VR-Motoren
Die Baulänge von Reihenmotoren lässt sich verkür- Zylinder 8,10,12

l
zen, wenn man die Zylinder in der Kurbelkreisebene
r
„auseinanderrückt“ und dann in Kurbelwellenrich-
Drehrichtung

aS
tung „zusammendrückt“. Man erhält einen V-Motor
mit sehr kleinem V-Winkel, Bild 8-6. VW entwickel- –q +q
te für den Quereinbau eines Sechszylindermotors in
einen Pkw einen VR6-Motor mit einem V-Winkel Bank 2
Bank 1
von 15°. Der Freigang des Triebwerks wurde durch
Auseinanderrücken der Zylinderreihen (bei gleich- 12
6
bleibendem V-Winkel) erreicht so dass sich die

d
11
5
Zylinderachsen nicht in Kurbelwellenmitte, sondern 10
4
darunter schneiden (geschränkter Kurbeltrieb). Die 9
3
Vorteile sind: Kurze Motorlänge durch dichtere

B
8

A
2
Packung der Zylinder, kleine Motormasse, nur ein 7
1
Zylinderkopf und geringe freie Massenwirkungen.
Nachteile ergeben sich durch unterschiedliche Län-
gen für die Ansaug- und Auspuffwege, durch unglei- Bankwinkel aB 72°
V-Winkel aV 15°
che Kerzenlagen der beiden Zylinderreihen und durch
Splitpin-Winkel aS 12°
verschiedene Feuersteghöhen infolge des Schrägan- Zylinderabstand A mm 65
schnitts der Kolben sowie weniger günstige Verhält- Bankversatz B mm 13
nisse für Ladungswechsel, Verbrennung und Schad- Schränkung q mm ±12,5
stoffemission. Pleuellänge l mm 168,5
Kurbelradius r mm 44,95
Bohrung d mm 84
RV-Winkel effektiver Hub s mm 90,168

Bild 8-7 VW-12 Zylinder-W-Motor

sein können, was Vorteile bezüglich Baulänge ergibt.


Aktuelles Beispiel ist der VW W12-6-Liter-Motor,
der eine Kombination aus zwei V6-Motoren mit
einem Bankwinkel von 72°, einem V-Winkel von
15° und einer gemeinsamen Kurbelwelle darstellt,
Bild 8-7.
Es gibt noch eine Reihe weiterer Motorbauarten wie
zum Beispiel Doppelkolbenmotor, Gegenkolbenmotor,
Sternmotor, X-Motoren, auf die jedoch in diesem Zu-
sammenhang nicht weiter eingegangen werden kann.

8.1.2 Unterscheidungsmerkmale
von Motorkonzepten bezüglich
des Grundmotors
a) Lage der Kurbelwelle
Bild 8-6 RV-Anordnung Pkw-Motoren haben in den meisten Fällen unten lie-
gende Kurbelwellen. In Sonderfällen, zum Beispiel
zum Antrieb von Stromerzeugern oder auch für
W-Motoren
besondere militärische Anwendungen, sind auch
Bei W-Motoren arbeiten drei Zylinderreihen auf eine Motoren mit stehender Kurbelwelle gebaut worden.
gemeinsame Kurbelwelle. Wobei die einzelnen Zy- Moderne Pkw-Motoren haben ausschließlich liegende
linderreihen in Längsrichtung gegeneinander versetzt Kurbelwellen.
360 8 Motoren

b) Lage der Zylinder dreht (liegend einbaut) oder aber als V-Motor mit
einem V-Winkel von 180° (Boxer-Motor).
Bei den meisten Motoren sind die Zylinder stehend,
x Motor mit stehenden Zylindern (auch manch-
können auch leicht geneigt angeordnet sein, Bild 8-8.
mal um einige Grad geneigt). Steuerung und
Triebwerk sind gut zugänglich. Das Motoröl
sammelt sich im tiefsten Bereich der Ölwanne und
kann von dort angesaugt und wieder in den Kreis-
lauf gefördert werden. Da man bei modernen Pkw
die Höhe des Motorraumes in Hinblick auf den
Luftwiderstandsbeiwert (cw-Wert) niedrig halten
will, werden Pkw-Reihenmotoren in vielen Fällen
schräg eingebaut.
senkrecht stehende Zylinder schräg stehende Zylinder
c) Zylinderanordnung
Die Anordnung der Zylinder, Bild 8-9, erfolgt in
Hinblick auf geringen Raumbedarf, niedrige Leis-
tungsmasse (mMotor/P) und dynamisches Verhalten
(Massenkräfte), wobei es viele Kombinationsmög-
lichkeiten gibt.
Wirken die Zylinder konzentrisch auf eine Kurbel-
kröpfung, erhält man Sternmotoren. Zylinderreihen
im Polygon mit mehreren Kurbelwellen ergeben
liegende Zylinder hängende Zylinder
Mehrwellenmotoren. Durch Zusammenfassen von
mehreren Reihenmotoren kommt man zu V-, W- und
Bild 8-8 Lage Zylinder senkrecht und schräg stehen- X-Motoren mit einer Kurbelwelle sowie zu Doppel-
de, liegende, hängende und H-Motoren mit zwei Kurbelwellen, durch Zu-
sammenfassung von zwei oder mehr „Sternen“ zu
Doppel- und Mehrsternmotoren wie auch Stern-
Die Neigung ist meist bedingt durch die Einbausitu- reihenmotoren. Gesichtspunkte für die Anordnung
ation und Bauraumverhältnisse des Fahrzeuges. Die der Zylinder sind:
Kolben arbeiten auf die liegende Kurbelwelle.
Dreht man das Kurbelgehäuse um die Kurbelwelle, x Die Einbauverhältnisse und das Package begren-
dann erhält man: zen die Motorabmessungen. Bei Quereinbau des
Motors in Pkw ist es die Länge, bei Unterflurmo-
x Motor mit hängenden Zylindern, der nur im toren ist es die Höhe und bei Flugzeugmotoren
Flugzeugbau eingesetzt wurde. wegen des Luftwiderstands ist es die Stirnfläche.
x Motor mit liegenden Zylindern (Unterflurmoto- x Die Empfindlichkeit von Kurbelwellen gegen
ren). Der Einsatz mit liegenden Zylindern erfolgt Drehschwingungen, die mit der Kröpfungszahl
aus Packagegründen, wenn geringe Einbauhöhen zunimmt. Daher sind Reihenmotoren mit mehr als
gefordert werden. Der Motor ist um 90° ge- sechs Zylindern nicht üblich.

Reihenmotor V-Motor W-Motor Boxer-Motor

X-Motor Sternreihenmotor Sternmotor Doppelsternmotor Vierfachsternmotor

Bild 8-9 Zylinderanordnung 1 (Quelle: Zima)


8.1 Motorkonzepte 361

d) Zylinderzahl sind. Als Beispiel seien hier die vielfältigen Bau- und
Wirkungsweisen der Ventilsteuerung genannt – von
Die Grundform des Motors ist der Einzylindermotor.
der festen Zuordnung der Steuerzeiten über alle Last-
In Hinblick auf Leistung, Drehmoment, Gleichför-
und Drehzahlbereiche des Motors bis zur voll varia-
migkeit von Drehmoment und Drehzahl sind Pkw-
blen Ventilsteuerung, bei der Ventilhub, Ventilsteu-
Motoren ausschließlich mit mehreren Zylindern
erzeit und Öffnungsdauer der Ventile frei wählbar
ausgeführt. Nach oben begrenzt wird die Zylinderzahl
sind. Andere Beispiele sind die Vielfalt der Kurbelge-
zum Beispiel durch das Einsatzgebiet, den zur Verfü-
häuse- und Zylinderkopfbauarten sowie die Ölversor-
gung stehenden Bauraum, der Motormasse, den
gung. Auch hier sei auf die entsprechenden Kapitel
Herstellkosten, den Aufwand für die Instandhaltung
hingewiesen.
und dem Drehschwingungsverhalten des Triebwerks.
Pkw-Fahrzeugmotoren haben heute drei bis zu acht-
zehn Zylinder, Motorräder ein bis vier und Nutzfahr- 8.1.4 Konzepte der Anordnung
zeugmotoren vier bis zwölf Zylinder. des Aggregates im Fahrzeug
Ein weiteres wesentliches Merkmal eines Motorkon-
Motor- und Fahrzeugkonzept müssen aufeinander ab-
zeptes stellt die auf Basis von grundsätzlich festge-
gestimmt sein, so dass mit der gewählten Motorisie-
legten Parametern wie beispielsweise Hub und Boh-
rung im entsprechenden Fahrzeug die geforderten
rung, abzuleitende Baureihe dar. Der Grundmotor ist
Fahreigenschaften realisiert werden können. Weiter-
so ausgelegt, dass durch „Anfügen“ weiterer Zylinder
hin besteht eine enge Wechselwirkung zwischen
unter Beibehaltung zum Beispiel der Parameter Hub
Motor- und Antriebsstrangkonzept, zum Beispiel der
und Bohrung die Zylinderzahl und damit Leistung
Anordnung des Getriebes. Für die Einbindung des
und Drehmoment den Fahrzeugerfordernissen ange-
Motors in ein Gesamtfahrzeugkonzept stehen folgen-
passt werden.
de Punkte im Vordergrund der Betrachtung:
8.1.3 Weitere Konzeptkriterien x Anordnung der Zylinder und damit die Bauart des
Motors, wie zum Beispiel Reihenmotor, V-Motor,
Die bisherigen Betrachtungen bezogen sich überwie-
W-Motor, Boxermotor wobei die Anordnung durch
gend auf den mechanischen Aufbau des Grundmotors.
eine Reihe von Kriterien wie zum Beispiel verfüg-
Man kann jedoch noch eine ganze Reihe weiterer
barer Bauraum, geforderte Motorleistung, Anord-
konzeptbeeinflussender Kriterien darstellen, was je-
nung im Fahrzeug bestimmt ist. Damit sind aber
doch den Umfang dieses Beitrages sprengen würde.
auch wesentliche Hauptabmessungen des Grund-
Daher sind im Weiteren nur einige ausgewählte Bei-
motors, welche den Hubraum definieren, die Lage
spiele aufgelistet. Weitere Beurteilungskriterien, die in
der Kurbelwelle, Abmessungen der Nebenaggrega-
die Konzeptfindung mit einbezogen werden (Details
te, Motorlagerung, Schwingungsverhalten etc. als
zu den einzelnen Elementen sind in den entsprechen-
Einflussgrößen auf das Motorkonzept gegeben.
den Kapiteln zu finden.) sind zum Beispiel:
x Anordnung des Aggregates im Fahrzeug. Man
x Art der Kühlung, wobei unterschieden wird zwi- unterscheidet hierbei den Längs- und Quereinbau.
schen der Flüssigkeitskühlung und der Luftküh- Die Variante von Längs- und Quereinbau kann mit
lung. Der überwiegende Anteil heute in Pkw ein- der Lage des Motors im Fahrzeug kombiniert wer-
gesetzten Motoren ist flüssigkeitsgekühlt, da die den als Front-, Mittel-, oder Heckmotor. Diese An-
Kühlwirkung im Vergleich zur Luftkühlung wir- ordnungen können wiederum konventionell oder
kungsvoller ist und keine Geräusche durch das als Unterflurmotor erfolgen. Die Fahrzeuganforde-
Gebläse zur Luftförderung auftreten. rungen bestimmen weitestgehend die Anordnung
x Gemischbildungs- und Verbrennungsverfahren des Aggregates. Die Forderung nach zum Beispiel
(heterogene Gemischbildung im Dieselmotor und geringer Fahrzeuglänge und damit beschränkten
daraus abgeleitete Verbrennungsverfahren, Innere Motorraumabmessungen haben dazu geführt, dass
(inhomogene-/homogene-/geschichtete-) und äu- zum Beispiel Sechszylinder-Reihenmotoren wei-
ßere Gemischbildung im Ottomotor. testgehend durch Sechszylinder-V-Motoren er-
x Art der Lufteinbringung wie Saugmotor und auf- setzt wurden. Vierzylinder-Reihenmotoren werden
geladener Motor häufig quer eingebaut, weil diese Kombination mit
x Art der Zündung wie Selbstzündung (Diesel) und dem Getriebe eine relativ geringe Länge des Ag-
Zündungseinleitung durch externe Energiezufuhr gregates ergibt. Für die Unterflur-Anordnung des
(Otto) Aggregates haben sich daher auch nur quer einge-
x Arbeitsverfahren 2-Takt und 4-Takt, wobei heute baute Motoren durchgesetzt. Die wesentlichen
für Pkw-Motoren ausschließlich 4-Takt-Motoren Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten sind:
Verwendung finden.
– Frontmotor/Quereinbau: Vorteilen wie zum
Innerhalb einer Motorgrundkonzeption lassen sich Beispiel Kompakte Abmessungen, geringe
weitere Unterteilungen ableiten, die konzeptrelevant Länge des Vorderwagens und kurze Leitungs-
362 8 Motoren

längen stehen höhere Aufwendungen für die 8.2 Aktuelle Motoren


Motorlagerung und die verfügbare Breite zwi-
schen den Längsträgern gegenüber. Diese An- V6-Dieselmotor von Mercedes-Benz
ordnung ist besonders geeignet für Reihenmo-
Diese V6-Variante ersetzt alle Fünf- und Sechs-Zy-
toren mit drei und vier Zylindern, RV- und V6-
linder-Reihenmotoren in den Fahrzeugbaureihen. Die
Motoren. Der Einsatz als Unterflurmotor be-
wesentlichen motorischen Hauptkenndaten zeigt
schränkt sich lediglich auf Drei- und Vierzylin-
Bild 8-10.
der-Reihenmotoren.
– Frontmotor/Längseinbau: Diese Bauweise ist
für fast alle Motoren realisierbar. Insbesondere Zylinderzahl/ – V6
sind lange Motoren möglich zum Beispiel V12- -Anordnung
Motoren (zwei Bänke mit je sechs Zylindern). Bankwinkel Grad 72
Nachteilig kann die größere Vorderwagenlänge Ventile/Zylinder – 4
und die Breite des Getriebetunnels sein.
– Mittelmotor/Quereinbau: Diese Variante eig- Hubraum cm3 2.987
net sich vornehmlich für Drei- bis Fünfzylin- Bohrung mm 83
der-Reihenmotoren. Neben einer geringen Län- Hub mm 92
ge des Vorderwagens ist die gute Achslastver-
Zylinderabstand mm 106
teilung hervorzuheben. Problematisch ist die
Breite der hinteren Längsträger und die Tatsa- Verdichtung – 18
che, dass ein Allradantrieb nicht möglich ist. Pleuellänge mm 163
Außerdem eignen sich Mittelmotoren grundsätz-
Nennleistung bei kW/min–1 165/3.800 bezie-
lich nur für zweisitzige Fahrzeuge (Roadster).
Drehzahl hungsweise
– Mittelmotor/Längseinbau: Grundsätzlich ist
der Mittelmotor-Längseinbau für alle Motorbau- 173/3.600
arten vom Dreizylinder-Reihenmotor über die Nenndrehmoment Nm/min–1 510/1.600 – 2.800
V-Motoren bis hin zum Boxer-Motor geeignet. bei Drehzahl beziehungsweise
Ansonsten gelten die gleichen Vor- und Nach- 540/1.600 – 2.400
teile wie beim Mittelmotor mit Quereinbau. Motormasse kg 208
– Heckmotor/Quereinbau: Die Vorteile dieser
Bauweise sind eine gute Traktion und bei der Bild 8-10 Technische Daten des Motors OM 642
Unterflurvariante ist ein sehr kompaktes Fahr-
zeug möglich. Nachteile sind die erforderliche Der gewählte Bankwinkel von 72° stellt einen Kom-
Breite zwischen den hinteren Längsträgern so- promiss zwischen Bauraumbedarf und Triebwerks-
wie Einschränkungen in der Zugänglichkeit von auslegung dar. Das 41 kg „leichte“ Kurbelgehäuse hat
Innenraum und Stauraum. Die Unterflurvarian- eingegossene Graugussbuchsen und wird im Schwer-
te ist nur für Drei- und Vierzylindermotoren kraftguss-Verfahren mit Sandkernen aus AlSi6Cu
geeignet, während die konventionelle Variante hergestellt. Die gesenkgeschmiedete, vierfach gela-
auch noch für V-Motoren Verwendung findet. gerte Kurbelwelle ist aus Vergütungsstahl 42CrMo4,
– Heckmotor/Längseinbau: Neben einer sehr die gewichtsoptimierten Pleuel sind aus dem neuen
guten Traktion sind als Vorteile eine optimale Werkstoff 70MnVs4 hergestellt.
Gewichtsverteilung beim Bremsen, Raumaus- Als Einspritzsystem kommt die dritte Generation der
nutzung (Ablage, Gepäck) über dem Motor Common-Rail-Technik, mit Piezo-Aktormodul zum
möglich. Nachteilig sind die Baulänge von Einsatz, mit der bis zu fünf Einspritzungen realisier-
Motor und Getriebe mit langem Überhang hin- bar sind. Die verwendete Einspritzdüse ist eine Acht-
ten, der hohe Aufwand bei der Leitungsverle- lochdüse.
gung und eine ungünstige Achslastverteilung, Der Motor verfügt über ein elektrisch betätigtes AGR
die sich negativ auf das Fahrverhalten auswir- Ventil, welches das gekühlte Abgas zur Einleitstelle
ken kann. Geeignet sind Motoren in Reihen- in die Ladeluftführung leitet. Zu den Verteilermodu-
und V-Bauweise einschließlich Boxermotoren. len der Ladeluft gehört eine elektrisch zu betätigende
Einlasskanalabschaltung zur gezielten Drallsteuerung.
Weiterhin spielt bei der Motorkonzeption für ein Bezüglich einer NVH-Minimierung wurden Maß-
bestimmtes Fahrzeug das Antriebskonzept eine nahmen ergriffen wie zum Beispiel sehr steif kon-
Rolle, wobei unterschieden wird zwischen Front-, struiertes Aluminium-Kurbelgehäuse, eine im V an-
Heck- und Allradantrieb sowie das Antriebs- geordnete Ausgleichswelle, Zylinderkopfhaube mit
strangkonzept, welches die Anordnung von Ge- integrierter Nockenwellenlagerung, akustische Maß-
triebe, Achsgetriebe, Gelenkwellen etc. betrachtet, nahmen bezüglich Luftführung, Kettenführung, Mo-
eine entscheidende Rolle. torabdeckung mit Schaumbelegung etc.
8.2 Aktuelle Motoren 363

Für die Abgasnachbehandlung stehen zwei Oxidati- Gegenüber dem Vorgängermodell konnte durch Ent-
onskatalysatoren als motornaher Katalysator und als drosselung eine deutliche Absenkung des Druckver-
Hauptkatalysator sowie länderspezifisch ein Partikel- lustes erreicht werden. Der Verlauf des Drehmomen-
filter (ohne Additivierung) zur Verfügung. tes im unteren Drehzahlbereich konnte durch ein
Vorvolumen vor dem Eintritt in den Verdichter des
Literatur Abgasturboladers verbessert werden. Die Stellung der
Doll, G.; Fausten, H.; Noell, R.; Schommers, J.; Sprengel, C.; Wer- Leitschaufeln erfolgt durch einen elektrischen Stell-
ner, P.: Der neue V6-Dieselmotor von Mercedes-Benz. In: MTZ 66 motor, mit dem eine schnelle Positionierung sowie
(2005) 9
eine hohe Positionsgenauigkeit erreicht wird.
4,0-Liter-V8-Dieselmotor von Mercedes-Benz Das Abgas wird über zwei AGR-Ventile kennfeldge-
regelt zugeführt, wobei das Abgas im Warmlauf
Die Zielsetzungen bei der Entwicklung des Motors durch einen schaltbaren Bypass am AGR-Kühler vor-
waren neben der Steigerung von Leistung und Dreh- beigeführt wird. Der Aufbau der Abgasrückführein-
moment die Erfüllung der Abgasvorschrift Euro 4, heit zeigt Bild 8-12.
der Serieneinsatz eines Partikelfilters ohne Verwen- Der erhöhte Spitzendruck des Motors machte eine
dung von Zusätzen, die Senkung des Kraftstoffver- Anpassung des Zylinderkopfes in Richtung höherer
brauchs und bessere NVH-Eigenschaften gegenüber Steifigkeit notwendig. Erreicht wurde dies unter
dem Vorgänger. Die Motorischen Kennwerte zeigt anderem durch ein Zwischendeck im Wasserraum.
Bild 8-11. Als Einspritzanlage wird ein Common-Rail-System
der dritten Generation mit Piezo-Injektoren verwen-
Zylinderzahl/Bauart – V8 det, die bis zu fünf Einspritzungen pro Arbeitsspiel
Bankwinkel Grad 75 mit Siebenloch-Einspritzdüsen ermöglichen.
Besonderer Wert wurde auf eine akustische Optimie-
Ventile/Zylinder – 4 rung bei geringen Drehzahlen und Lasten gelegt.
Hubraum cm3 3.996 Erreicht wurde dies unter anderem durch ein beson-
Bohrung mm 86 ders steifes Kurbelgehäuse, größerem Hauptlager-
durchmesser, Ausgleichswelle, steifere Ausführung
Hub mm 86 der Motorträger, Abdeckungen sowie Entkopplung
Zylinderabstand mm 97 diverser Bauteile wie zum Beispiel Kraftstoffleitun-
gen, Ladeluftverteilerleitung.
Verdichtung – 17
Motormasse kg 253 V10-FSI-Motor von Audi
Nennleistung kW bei min–1 231/3.600 Der Aufbau des Motors erfolgte nach dem Baukas-
bei Drehzahl tenprinzip, bei dem bewährte Bauteile aus der Audi-
Nenndrehmoment Nm bei min–1 730/2.200 V-Familie übernommen wurden. Die wichtigsten
bei Drehzahl technischen Daten des Motors sind dem Bild 8-13 zu
entnehmen.
Abgasstufe – Euro 4
Das Zylinderkurbelgehäuse ist als Bedplate-Version
Bild 8-11 Motorische Kennwerte des 4,0-Liter-V8- konzipiert, wobei das Oberteil als homogener Mono-
Dieselmotors block aus AlSi17Cu4Mg und das Kokillenguss-

AGR-Ventile

AGR-Ventil-Kühlung

Umschalt-
AGR-Einleitung
Klappe
in den Ladeluft-
verteiler AGR-Kühler
Wasser- Bypass
eintritt Wasser-
austritt

Abgaseintritt
links
Bild 8-12
AGR-Kühler System der Abgasrück-
führung
364 8 Motoren

Hubraum cm3 5204 druckverlust von nur 40 mbar bei einem Luftdurch-
satz von 1.200 kg/h erreicht wurde. Es kommt ein
Hub mm 92,8 vierschaliges Schaltsaugrohr für zwei Längen aus
Magnesium-Druckguss zum Einsatz. Die V10-typi-
Bohrung mm 84,5
sche Akustik wird mittels eines „Soundpipe“ über
Zylinderabstand mm 90 spezielle Membran- und Schaumabstimmungen ge-
filtert in den Innenraum geleitet.
Länge/Breite/Höhe mm 685/801/713 Der Kraftstoff wird über zwei bedarfsgeregelte Ein-
Ventile/Zylinder – 4 kolben-Hochdruckpumpen, die einen Betriebsdruck
von über 100 bar erzeugen, bereitgestellt. Die Hoch-
Ventildurch- mm 33,85/11 druckeinspritzventile sind Einloch-Drallventile, die
messer/Hub so angeordnet und ausgeführt sind, dass eine minima-
Einlass le Wandbenetzung auftritt.
Der V10-FSI-Motor erreicht spezifische Werte von
Ventildurch- mm 28/11
63 kW/Liter und über 100 Nm/Liter.
messer/Hub
Auslass Literatur
Nockenwellen- Grad 42 Königstedt, J.; u. a.: Der neue V10-FSI-Motor von Audi, 27. Interna-
verstellbereich tionales Wiener Motorensymposium, Wien, 2006

Verdichtung – 12,5 1,6-Liter-Turbo-Ottomotor von GM


–1
Leistung bei kW/min 331/7.000 Ein Ziel der Entwicklung war unter anderem das
Drehzahl Erreichen hoher spezifischer Werte bezüglich Leis-
tung von 82,5 kW/Liter und Drehmoment von über
Drehmoment bei Nm/min–1 549/3.000 – 4.000
143 Nm/Liter. Die wesentlichen Motordaten sind
Drehzahl
dem Bild 8-14 zu entnehmen.
Zündfolge – 1-6-5-10-2-7-3-8-4-9
Motormasse kg 220 Hubvolumen cm3 1.598

Abgasnorm – EU IV Zylinderabstand mm 86
Bohrung mm 79
Bild 8-13 Technische Daten des V10-FSI-Motor von
Audi Hub mm 81,5
Pleuelmasse kg 480
Bedplate aus AlSi12Cu1 mit eingegossenen GGG50
Einlegeteilen erstellt wurde. Kolbenmasse kg 340
Die Kurbelwelle aus 42CrMoS4 wurde als Split-Pin- Einlassventil- mm 31,2
Welle ausgeführt, die einen gleichmäßigen Zündab- Durchmesser
stand von 72 Grad ergibt.
Die freien Massenkräfte erster Ordnung werden durch Auslassventil- mm 27,5
eine mit Kurbelwellendrehzahl rotierende, gegenläu- Durchmesser
fige Ausgleichswelle kompensiert. Ventilhub E/A mm 7,0/7,0
Der Aluminium-Gusskolben hat eine Kolbenboden-
geometrie, die an das Brennverfahren angepasst ist Verdichtung – 8,8
und die Ladungsbewegung entsprechend unterstützt. Maximale Leis- kW bei min –1
132/5.500
Die hohe thermische Belastung des Kolbens wurde tung bei Drehzahl
über eine optimierte Kolbenkühlung aufgefangen. Der
Kolben weist einen Kühlkanal (Salzkern) auf; Mul- Maximale Dreh- Nm bei min–1 230/2.200–5.500
denrand und Ringnut sind entsprechend optimiert. moment bei Dreh-
Die Einlasskanäle verfügen über ein Trennblech zur zahl
Tumblegenerierung. Motormasse kg 131
Die gebauten hohlen Nockenwellen sind direkt im
Aluminium gelagert und mit einem Leiterrahmen Abgasnorm – Euro V
verschraubt.
Das Ansaugsystem ist zweiflutig ausgeführt und Bild 8-14 Motordaten des 1,6-Liter-Turbo-Ottomotors
strömungsmechanisch optimiert, so dass ein Gesamt- von GM
8.2 Aktuelle Motoren 365

Der Grundmotor mit seinen Geometriedaten basiert


auf der Saugvariante unter Ausnutzung von Gleichtei- Leistung [kW]/Drehzahl [min–1] 103/4.200
len. Für die aufgeladene Variante wurden speziell der Drehmoment [Nm]/Drehzahl 320/1.750 – 2.500
Öl-Wasser-Wärmetauscher sowie der Drehschwin- [min–1]
gungsdämpfer angepasst sowie die höher belasteten
Hubraum [dm3] 2,0
Bauteile entsprechend optimiert. Neu entwickelt wur-
den unter anderem der Einlasskrümmer, der Abgas- Zylinderabstand [mm] 88
krümmer, welcher einen integrierten Turbolader auf-
Nockenwellenachsabstand 54,6
weist, der Kolben, der Unterflurkatalysator sowie das
Zweimassenschwungrad. Bild 8-15 zeigt den Turbo- Einspritzdruck [bar] 1.800
lader mit integriertem Abgaskrümmer.
Anzahl Ventile/Zylinder 4
Verdichtung 16,5
Abgasnorm Euro 5
CO2-Emission [g/km] 190

Bild 8-16 Daten des 2,0-Liter-4V-TDI

Wesentliche Änderung am Motor im Vergleich zu


seinem Vorgänger ist die Umstellung auf das Com-
mon-Rail-System. Zur Bewältigung der Abgasforde-
rungen und der Verbesserung der Akustik wurde das
System auf bis zu sieben Einspritzungen pro Arbeits-
spiel mit volumetrischer Zumessung und Druckrege-
lung am Rail ausgelegt. Eingesetzt ist ein 8-Loch-
Einspritzventil mit Lochdurchmessern von 0,123 mm.
Die Verbesserung bezüglich Gemischbildung resul-
tiert auch aus einer Anpassung des Saugrohrs und
Bild 8-15 Turbolader mit integriertem Abgaskrüm- einer Niedertemperatur-EGR. Drall und Massenstrom
mer werden bei diesem Motor durch kontinuierlich ver-
stellbare Drallklappen im Saugrohr in Abhängigkeit
des Motorbetriebspunktes eingestellt. Für den Luft-
Wesentliches Tool zum Erreichen der Entwicklungs- einlass stehen ein Tangential- und ein Spiralkanal zur
ziele war die Simulation. Neben der dreidimensiona- Verfügung. Der Tangentialkanal dient der Drallgene-
len Strömungssimulation des Saugrohres und die rierung, der Spiralkanal dient als Füllungskanal.
damit erreichte günstige Package-Variante waren es Eine Niedrigtemperatur-Abgasrückführung wird über
insbesondere komplexe Simulationen im Zusammen- die EGR-Kühlung mit einer Kühlleistung von bis zu
hang mit der Auslegung des Abgaskrümmers. 8 kW realisiert. Die dazu benötigte Kühlflüssigkeit
wird über eine elektrisch betriebene Zusatzpumpe
2,0-Liter-4V-TDI mit Common-Rail über den Haupt- und den EGR-Kühler geleitet.
von Volkswagen Der Abgasturbolader verfügt über eine pneumatisch
verstellbare Leitschaufelverstellung auf der Turbinen-
Ziele für die Entwicklung dieses Motors auf der Basis seite.
des bisherigen 2-Liter-Aggregates waren, die Euro-5- Um den Wandauftrag an flüssigem Kraftstoff zu
Vorgaben sicher zu erfüllen und eine zukunftsfähige reduzieren, wurde die Muldenform des Kolbens in
Lösung in Richtung Euro 6 zu sichern. Ausgestattet Hinblick auf eine größere freie Strahllänge weiter-
ist der Motor, der seit 2007 in Serie ist, mit einem entwickelt. Lokal fette Zonen sind dadurch verringert,
Common-Rail-System der neuesten Generation und die Entstehung eines homogenen Gemisches wird
CRS 3.2. Wesentliche Motordaten sind Bild 8-16 zu begünstigt.
entnehmen. Zur Abgasnachbehandlung werden ein Katalysator
Der Motor hat 4 Ventile pro Zylinder, welche über und ein Partikelfilter eingesetzt. Der Katalysator ist
zwei Nockenwellen angetrieben werden. Die über als Metallträger konzipiert, um ein frühes Anspringen
Rollenschlepphebel betätigten Ventile sind um das bei hohen Umsatzraten zu gewährleisten. Die Oxida-
zentral sitzende Einspritzventil gruppiert. Beide No- tionskatalysator-Funktion im Partikelfilter ist bezüg-
ckenwellen sind über geradverzahnte Stirnräder mit- lich thermischer Beständigkeit optimiert; das Filter ist
einander verbunden. Der Ventilstern ist um 90° zur mit einer Zonenbeschichtung aus Platin/Palladium
Motorlängsachse gedreht. versehen.
366 8 Motoren

Bild 8-17 Verbrauchskenn-


feld des 2-Liter-Common-Rail
Triebwerks (Quelle: MTZ)

Bild 8-18 Leistungs- und


Drehmomentverlauf des
2-Liter-Common-Rail-
Triebwerks (Quelle: MTZ)

Diese und andere Maßnahmen führten zu einem sehr konnte eine kurze Baulänge von nur 689 mm erreicht
guten spezifischen Kraftstoffverbrauch, wie Bild 8-17 werden. Das Kurbelgehäuse ist auf Mitte der Kurbel-
zeigt. Der Bestpunkt des Kraftstoffverbrauchs ist mit welle geteilt. Die Lagerdeckel, aus Späroguss (GJS-
196 g/kWh angegeben. 600), sind zu einem Leiterrahmen miteinander ver-
Die Leistungs- und Drehmomentcharakteristik zeigt bunden. Für das Kurbelgehäuse wurde der Werkstoff
Bild 8-18. Vermikulargraphitguss (GJV-450) gewählt. Alle me-
dienführenden Komponenten sind in das Kurbelge-
Literatur häuse integriert.
Hohe Biege- und Torsionswechselfestigkeit, niedrige
[1] Hadler J.; u .a.: TDI-Motor mit Common-Rail-Einspritzung von
Belastung der Hauptlager durch Massenkräfte, gerin-
Volkswagen, MTZ 11/2007
ge Reibleistung und geringe Anregung des Steuer-
und Nebenaggregateantriebs waren Auslegungskrite-
6-Liter-V12-TDI-Motor von Audi
rien für die Kurbelwelle. Das wurde zum Beispiel er-
Der laut Audi leistungsstärkste Dieselmotor in einem reicht durch einen Hauptlagerzapfendurchmesser von
Pkw, seit 2008 in Serie, liefert aus circa 6 Liter Hub- 65 mm, einen Hubzapfendurchmesser von 60 mm
raum 1.000 Nm Drehmoment und 368 kW Leistung und einen Hub von 91,4 mm.
bei einem Kraftstoffverbrauch im MVEG-Test von Bild 8-20 zeigt die Anordnung des Kettentriebes mit
11,3 Liter/100 km. einer Verschachtelung von vier Simplex-Ketten. Die
Einige wesentliche Daten des Motors sind in Bild beiden Hochdruckeinspritzpumpen werden über zwei
8-19 dargestellt. separate Triebe direkt von der Kurbelwelle angetrie-
Der Zylinderwinkel beträgt 60 Grad. Durch den ben. Ein Zwischenradsatz treibt die beiden Nocken-
mehrstufigen, getriebeseitig angeordneten Kettentrieb wellenräder an.
8.2 Aktuelle Motoren 367

Bauart – V12-Motor
Zylinderwinkel Grad 60
Hubraum dm3 5,934
Hub mm 91,4
Bohrung mm 83
Verdichtung – 16
Zylinderabstand mm 90
Hauptlagerdurchmesser mm 65
Pleuellagerdurchmesser mm 60
Pleuellänge mm 155
Ventildurchmesser Einlass mm 28,7
Ventildurchmesser Auslass mm 26,8
Anzahl Ventile pro Zylinder – 4
Zündfolge – 1-7-5-11-3-9-6-12-2-8-4-10
Maximale Leistung bei Drehzahl kW bei min–1 368/3750
–1
Maximales Drehmoment bei Drehzahl Nm bei min 1.000/1.750 – 3.250
Motormasse kg 329
Motorlänge mm 680
Maximaler Ladedruck bar 2,7
Zylinderspitzendruck bar 165
Abgasnorm – Euro 4
CO2-Emission (MVEG-Test) g/km 298
Verbrauch (MVEG-Test) l/100 km 11,3

Bild 8-19 Motordaten

Der Zylinderkopf ist dreiteilig ausgeführt. Er besteht Der luftspaltisolierte Abgaskrümmer für jede Bank ist
aus dem Zylinderkopfunterteil, einem Mittelteil und aus Edelstahlblech hergestellt. Zur Aufladung werden
einem Leiterrahmen mit vormontierten Nockenwel- zwei Ladegruppen mit variabler Turbinengeometrie
len. Wie bei anderen V-Motoren von Audi erfolgt die eingesetzt. Ein Strömungsgleichrichter auf der Ver-
Ventilbetätigung über Rollenschlepphebel. Die Ein- dichtereintrittseite und ein Strömungsdämpfer am
und Auslassnockenwellen sind als gebaute Holwellen Verdichteraustritt dienen der akustischen Optimie-
konzipiert. rung. Temperatursensoren jeweils vor der Turbine
Aus akustischen Gründen ist die AL-Zylinderkopf- verhindern eine thermische Überlastung, wobei die
haube über das Dicht- und Verschraubungskonzept zulässige Grenztemperatur 830 qC beträgt .
vom Leiterrahmen im Zylinderkopf entkoppelt. Das Brennverfahren für den Motor ist denen des V6
Niedrige NOx-Emissionen sind mit Hilfe einer ge- und V8 ähnlich. Einer der jeweils zwei Einlasskanäle
kühlten AGR möglich, wobei der AGR-Kühler einem pro Zylinder ist mit Hilfe einer Klappe zur Erzeugung
separaten Niedertemperatur-Kühlkreislauf ange- eines hohen Dralls stufenlos zu schließen. Die Ver-
schlossen ist. Das Abgas wird über elektrisch betätig- dichtung wurde gegenüber den bisherigen Modellen
te AGR-Ventile durch integrierte Kanäle im Kurbel- auf 16 gesenkt.
gehäuse und in den Zylinderköpfen zentral dem Der gegossene Aluminium-Kolben ist mit einem
AGR-Kühler, der im V angeordnet ist, zugeführt. Ringträgerkühlkanal ausgestattet. Zum geringen Öl-
Mit Hilfe von unterdruckbetätigten Klappen ist der verbrauch tragen die Brillenhonung und die optimier-
AGR-Kühler in die Stellungen: kein Kühlbetrieb, te Kolbenringbestückung bei.
mittlere Kühlleistung und maximale Kühlleistung Kolbenmulde und Ringpartie sind in Bild 8-21 darge-
schaltbar. stellt.
368 8 Motoren

Bild 8-20 Kettentrieb


(Quelle: MTZ)

dungszustand der Partikelfilter (DPF) beziehungs-


weise die Regeneration wird mit Hilfe von Modellen
überwacht beziehungsweise eingeleitet. Zum einen ist
es ein Modell, in das der gemessene Druck vor DPF
eingeht, zum anderen ein Simulationsmodell, das den
Rußeintrag und den Rußabbrand durch Oxidation
berücksichtigt. Die auf die Modelle aufbauende Re-
generationsstrategie erfolgt mit bis zu fünf kennfeld-
abhängigen Einspritzungen.
Das Kennfeld des spezifischen Verbrauchs zeigt
Bild 8-22. Der Bestwert ist mit 204 g/kWh angege-
ben. Verbrauch, Leistung und Drehmoment bei Voll-
last sind in Bild 8-23 dargestellt.
Bild 8-21 Kolben (Quelle: MTZ)
Literatur
Der Einspritzdruck beträgt 2.000 bar und wird er-
[1] Bach, M. u. a.: Der 6,0-Liter V12-DTI-Motor von Audi, Teil 1.
reicht über eine Intankpumpe mit einem Vorförder- In: MTZ 10/2008
druck von 1,3 bar und über je eine Hochdruckpumpe [2] Bauder, R. u. a.: 6,0-Liter V12-DTI-Motor von Audi, Teil 2. In:
pro Bank. Über eine Hochdruckleitung von 3 mm MTZ 11/2008
Innendurchmesser sind die Piezo-Inline-Einspritz- [3] Baretzk, U. u. a.: Der V12-TDI für die 24h von LeMans – Sieg
einer Idee, Wiener Motorensymposium 2007
düsen, mit acht konisch strömungsoptimierten Ein-
spritzlöchern, mit dem Rail verbunden.
Zur Motorsteuerung werden zwei identische Mo- 4,8-Liter-V8-Ottomotor von Porsche
torsteuergeräte im Master/Slave Verbund eingesetzt. (Turbo- und Saugmotor)
Hauptmerkmal ist ein 32-bit-Prozessor mit 150 MHz Es werden zwei Ottomotoren mit Direkteinspritzung
Taktfrequenz, 136 kByte internem RAM, zwei MByte beschrieben, welche die überwiegend gleiche Grund-
internem und zwei MByte externem Flashspeicher. ausstattung besitzen. Der eine Motor wird als auf-
Die zweiflutig ausgelegte Abgasanlage wurde im geladener Motor, der andere als Saugmotor ange-
Hinblick auf geringen Abgasgegendruck und geringe boten. Beide Varianten basieren in ihrer Grundver-
Wärmeverluste konzipiert. Motornah platzierte Oxi- sion auf dem 4,5-Liter-V8-Motor, mit einem Kur-
dationskatalysatoren zur schnellen Aufheizung sind belgehäuse aus einer übereutektischen Al-Si-Legie-
mit einer Platinbeschichtung versehen. Stromab ein- rung, der als Closed-Deck-Bauweise ausgeführt ist. In
gesetzte Partikelfilter aus SIC-Substrat sind ebenfalls die Zylinderköpfe (Legierung aus Al – Si – Mg – Cu)
katalytisch (Platin/Palladium) wirksam. Der Bela- wurde die Technik für die Benzindirekteinspritzung
8.2 Aktuelle Motoren 369

Bild 8-22 Kennfeld Kraft-


stoffverbrauch (Quelle: MTZ)

tung durch Einspritzen kurz vor OT in die Kompres-


sionsphase sichergestellt.
Die erhöhten Kurbelwellendrehschwingungen auf-
grund gestiegener Gaskräfte wurden mittels eines neu
konzipierten Schwingungsdämpfers als Visko-Dämp-
fer reduziert.
Zur Steuerung des Ladungswechsels ist ein weiter-
entwickeltes VarioCam-Plus-System, mit dem über
50q Kurbelwinkel kontinuierlich verstellt werden
kann, eingesetzt. Unterschiedliche Ventilerhebungen,
von 10 mm auf 3,6 mm in der Teillast, werden über
schaltbare Tassenstößel einlassseitig erreicht.
Die bewährte Trockensumpfschmierung aus dem
Vorgängermodell wurde beibehalten, wobei eine va-
riable Ölpumpe mit volumenstrom- und druckgere-
gelter Stufung zum Einsatz kommt. Dies ermöglicht
es, den Öldruck auf den minimal benötigten Wert in
jedem Betriebspunkt abzusenken.
Der luftspaltisolierte Krümmer des Vorgängermodells
Bild 8-23 Leistungs-, Drehmoment- und Verbrauchs- wurde durch einen 4-in-2-in-1-Krümmer ersetzt.
charakteristik bei Volllast (Quelle: nach MTZ) Verringerung des Druckverlustes, Strömungsgleich-
verteilung und Gewichtsreduktion sind weitere Ent-
integriert. Aufgrund der Leichtbauentwicklung ergab wicklungsziele gewesen, die erfüllt wurden.
sich eine Gewichtsreduzierung von circa 30 %. Die direkte Zufuhr des Kraftstoffs in den Brennraum
Thermische Vorteile im Bezug zum Vorgängermodell wird über elektromagnetisch betätigte Drallinjektoren
brachte die Überarbeitung des Kühlkonzeptes im mit einer Mengenspreizung (Leerlauf-Volllast) von
Bereich zwischen den Stegen beziehungsweise der über 22 realisiert. Die homogene Gemischbildung
Zündkerze. wurde durch eine saugsynchrone Einspritzung bezie-
Die Kurbelwelle ist aus dem Werkstoff 38MnS6BY, hungsweise Doppeleinspritzung erreicht. Das Ver-
das geschmiedete Crack-Pleuel aus dem Werkstoff dichtungsverhältnis wurde gegenüber dem Vorgän-
C70S6BY gefertigt. Entsprechend der gesetzlichen germodell um eine Einheit angehoben.
Forderung wurden die Pleullagerschalen auf den Diverse Maßnahmen, wie zum Beispiel eine bedarfs-
bleifreien Werkstoff G344 umgestellt. Die Kolben geregelte Ölpumpe, Formoptimierung des Kolben-
mussten auch aufgrund des geänderten Brennverfah- ringpaketes, DLC-beschichteter (Diamond Like
rens neu konzipiert werden und erhielten eine Kol- Carbon) Top-Kolbenring und Tassenstößel führten
benmulde zur Unterstützung der Gemischschichtung zur Verringerung des Reibmitteldrucks. Der Verlauf
beim Kaltstart und anschließender Katalysatorauf- des Reibmitteldrucks über der Drehzahl zeigt Bild
heizphase. In dieser Phase wird die Gemischschich- 8-24.
370 8 Motoren

Bild 8-24 Reibmitteldruck


der beiden Motorvarianten
(Quelle: MTZ)

Die wesentlichen Motordaten sind in Bild 8-25 dar-


gestellt.
Eine weitere Verbesserung der Motoreigenschaften
erfolgte mittels Ladungswechseloptimierung. Für die-
sen Motor wurde eine variable Saugrohranlage mit
schaltbarer Schwingrohrlänge entwickelt. Ladeluft-
kühler mit erhöhter Blocktiefe erhöhten den thermi-
schen Wirkungsgrad und reduzierten den Druck-
verlust.
Das Brennverfahren ist für beide Varianten, Turbo-
und Saugmotor weitgehend identisch. Der Injektor ist
seitlich unterhalb des Einlasskanals angeordnet,
Bild 8-26.
Eine Mulde in der Kolbenoberfläche dient zur Unter-
stützung der Gemischbildung beim Start und während
der Heizphase des Katalysators. Zur Unterstützung
der Gemischaufbereitung ist der Einlasskanal so ge- Bild 8-26 Schnitt durch den Brennraum
staltet, dass eine Tumble-Generierung möglich ist. (Quelle: MTZ)

Saugmotor Aufgeladener Motor


Zylinderzahl 8 (V-Ausführung) 8 (V-Ausführung)
Hubvolumen [dm3] 4,806 4,806
Hub [mm] 83 83
Bohrung [mm] 96 96
Ventilzahl pro Zylinder 4 4
Nennleistung [kW] bei Drehzahl [min–1] 283/6.200 368/6.000
Maximales Drehmoment [Nm] bei Drehzahl [min–1] 500/3.500 700/2.250 – 4.500
Verdichtungsverhältnis 12,5 10,5
Kraftstoff [ROZ] 98 98
CO2-Emission nach NEFZ [g/km] 329 – 358 358
Abgasnorm Euro 4 Euro 4
Maximaler Mitteldruck [bar] 13 18,2
Maximaler Einspritzdruck [bar] 120 120
Bild 8-25 Motordaten des 4,8-Liter-V8-Ottomotors
8.2 Aktuelle Motoren 371

Bild 8-27 Drehmoment und


Leistung (Quelle: MTZ)

Die Betriebsstrategien „homogen“ und „geschichtet“ vorliegt, wird bei Verfahren mit Schichtladung eine
werden jeweils mittels des Einspritzzeitpunktes Inhomogenität bezüglich der Zylinderladung erzeugt.
gesteuert. Bei Homogenbetrieb wird eine Einzel- Die Saugmotoren, seit 2007 in Serie, wurden mit
beziehungsweise eine Doppeleinspritzung in den einem strahlgeführten Brennverfahren ausgestattet,
Saughub vorgenommen; bei geschichtetem Betrieb welches sowohl im europäischen Fahrzyklus als auch
wird kurz vor dem Zünd-OT eingespritzt. Nach dem im realen Fahrbetrieb zur Verbrauchsreduktion bei-
Motorstart erfolgt eine Doppeleinspritzung in den trägt. Verwendet wurde die Direkteinspritzung der
Saug- beziehungsweise Kompressionshub, was eine zweiten Generation, als High Precision Injection be-
Möglichkeit darstellt den Katalysator schnell aufzu- zeichnet.
heizen. Basis der Triebwerke ist einerseits das Magnesium-
Die Leistungs- und Drehmomentcharakteristik der Kurbelgehäuse mit Aluminium-Inserts für den Sechs-
beiden Motoren ist in Bild 8-27 dargestellt. zylindermotor sowie das Aluminium-Gehäuse für den
Vierzylindermotor.
Schichtbrennverfahren für Vier- und Eine externe AGR dient der Reduzierung der NOx-
Sechszylinder-Saug-Ottomotoren von BMW Emissionen im Schichtbetrieb.
Im Gegensatz zum homogenen Gemisch, bei dem Ein Ausschnitt der wesentlichen Motordaten für die
örtlich kein Gradient des Luft-Kraftstoff-Gemischs Sechs- und Vierzylinder-Variante zeigt Bild 8-28.

Reihen-
Bauart – Sechszylindermotor Vierzylindermotor
Hub [mm] 88 90
Bohrung [mm] 85 84
Hubvolumen [dm3] 2,996 1,995
Verdichtung – 12 12
Zylinderabstand [mm] 91 91
Ventilzahl pro Zylinder – 4 4
Effektive Leistung [kW] 200 125
Bei Drehzahl [min–1] 6.700 6.700
Effektives Drehmoment [Nm] 320 210
–1
Bei Drehzahl [min ] 2.750 – 3.000 4.250
Emissionsminderung – Euro 4 Euro 4
Ventiltrieb – Rollenschlepphebel/Doppel-VANOS
Bild 8-28 Daten der BMW-Ottomotoren mit Schichtladung (Auszug)
372 8 Motoren

Bild 8-29 Schnitt durch den


Brennraum (Quelle: MTZ)

Als Einspritzanlage wird eine konventionelle Nieder- Einen Schnitt durch den Brennraums zeigt Bild 8-29.
druckeinheit mit einem Systemdruck von 5 bar und Der geschichtete Betrieb lässt eine Qualitätsregelung
ein Hochdruckteil mit einen Einspritzdruck von im Teillastgebiet zu. Damit kann in weiten Bereichen
200 bar eingesetzt. Das Einspritzventil ist so ausge- der Teillast auf eine Drosselregelung verzichtet und
bildet, dass ein hohlkegelförmiger Einspritzstrahl ent- somit die Ladungswechselverluste reduziert werden.
steht. Der thermische Kompensator stellt sicher, dass Besondere Aufmerksamkeit muss beim strahlgeführ-
bei allen Betriebstemperaturen des Injektors ein kons- ten Brennverfahren dem Zündsystem gewidmet wer-
tanter Nadelhub vorliegt. Das schnelle Öffnen und den. Da die Zündkerze am Strahlrand in Nähe des
Schließen der Nadel ermöglicht unmittelbar nach- Einspritzsprays liegt, ist sie durch hohe Temperatur-
einander folgende Einspritzimpulse. wechsel und Ablagerungen belastet. Daher wurde
Mit leichter Neigung zur Einlassseite ist der Injektor eine Gleitfunkenkerze mit hoher Selbstreinigungsfä-
zentral bezüglich des Brennraums angeordnet. Unmit- higkeit eingesetzt.
telbar neben dem Injektor ist die leicht zur anderen Die Abgasnachbehandlung muss sowohl für Luft-
Seite geneigte Zündkerze platziert. Sie erreicht mit Kraftstoff-Verhältnisse um Lambda gleich eins, als
ihren Elektroden das Rezirkulationsgebiet des Luft- auch für magere Gemische wirkungsvoll sein. Er-
Kraftstoff-Gemisches mit einer zündfähigen Zusam- reicht wird dies durch einen motornahen Dreiwegeka-
mensetzung. Die Kolbenmulde ist so ausgeführt, dass talysator und zwei NOx-Speicherkatalysatoren.
eine Benetzung der Kolbenkrone bei der Schichtla- Die Betriebsstrategie sieht vor, dass nach einer Be-
dung verhindert wird. Der Kolbenboden wird nur heizung des Katalysators eine Warmlaufphase im Ho-
minimal benetzt. Dieses sind Voraussetzungen für mogenbetrieb erfolgt. Daran schließt sich der ver-
einen Betrieb mit minimalen HC-Emissionen. brauchsminimierte Schichtbetrieb an, der weite Be-
Da das vorliegende Brennverfahren keine ausgepräg- reiche des europäischen Fahrzyklus umfasst. Der
te Tumbleströmung benötigt, sind die Einlasskanäle Schichtbetrieb wird nur kurzzeitig durch die Regene-
als Füllungskanäle ausgeführt. ration des NOx-Speichers unterbrochen.

Bild 8-30 Betriebsdaten und


das Verbrauchskennfeld des
3- Liter-Sechszylindermotors
(Quelle: MTZ )
8.2 Aktuelle Motoren 373

Bild 8-31 Leistungs- und


Drehmomentverlauf des
Sechs- und Vierzylindermotors
(Quelle: MTZ)

Bild 8-30 zeigt die Betriebsdaten und das Ver- Ausgehend von einer Grundkonzeption soll der
brauchskennfeld des 3-Liter-Sechszylindermotors. Motor abhängig von Anforderungen mit Zusatzmodu-
Aus dem Bild sind deutlich die Verbrauchsvorteile in len erweiterbar sein. Ein Merkmal des Grundmotors
der unteren Teillast durch das Schichtladeverfahren ist die Anordnung des Nockenwellenantriebs auf der
ersichtlich. So ergibt sich bei dem Betriebspunkt Getriebeseite, was aus Packagegründen notwendig
2.000 min–1 und einer spezifischen Arbeit von war, Bild 8-32.
0,2 kJ/dm3 ein spezifischer Verbrauch von nur Der Nockenwellenantrieb ist eine Kombination aus
295 g/kWh. Zahnrad und Kettentrieb. Das führt zu kurzer Motor-
Die Leistungs- und Drehmomentcharakteristik des länge.
Sechs- und Vierzylindermotors zeigt Bild 8-31. Eine tiefe Anbindung der Zylinderkopfschrauben und
die damit einhergehende Formstabilität der Lauf-
Literatur buchse reduziert die Tangentialkraft der Ringbestü-
[1] Schwarz, C. u. a.: Die neuen Vier- und Sechszylinder-Ottomoto- ckung mit positiven Auswirkungen auf die Reibleis-
ren von BMW mit Schichtbrennverfahren. In: MTZ 05/2007
tung. Weitere vorteilhafte Ausprägungen sind: Opti-
Vierzylinder-Dieselmotor von Mercedes-Benz mierung des Ölkreislaufs im Hinblick auf eine be-
darfsgerechte Regelung des Fördervolumens und eine
Die zentralen Entwicklungsziele, des seit 2007 in schaltbare Kolbenkühlung.
Serie befindlichen Motors, waren: Die Hauptkenndaten des Motors sind in Bild 8-33
x Verringerung des Kraftstoffverbrauchs bei besse- dargestellt.
ren Fahrleistungen Der Motor ist ausgestattet mit einer zweistufigen
x Steigerung von Drehmoment und Leistung zum Aufladung, einem Hochdruck- und einem Nieder-
Vorgängermodell druck-Abgasturbolader. Im Verdichter-Bypass ist
x Emissionsstufe Euro 5 und Potenzial im Hinblick eine schaltbare Klappe angeordnet, die im Hochleis-
auf Euro 6 tungsbereich einen parallelen Luftpfad öffnet. Damit
x Motorkonzept geeignet für Längs- und Quereinbau werden Druckverluste reduziert und es wird eine
x Optimierung und Standardisierung von Bau- Überlastung des Hochdruckladers vermieden. Ein
gruppen. Luft-Luft-Ladeluftkühler mit hoher Kühlleistung ist
374 8 Motoren

notwendige Voraussetzung für die geforderte spezifi-


sche Motorleistung.
Der Motor verfügt über eine gekühlte AGR, wobei
das rückgeführte Abgas über einen AGR-Vorkühler
und einen AGR-Hauptkühler gekühlt wird. Das
Abgas kann sowohl gekühlt oder auch ungekühlt über
einen Bypass dem Luftstrom in den Motor zugeführt
werden.
Die wesentlichen Merkmale des Einspritzsystems
sind:
x Common-Rail-System mit 2.000 bar Einspritz-
druck
x bis zu fünf Einspritzvorgänge pro Gesamteinsprit-
zung.
Der Einsatz einer sauggedrosselten Hochdruckpumpe
hält den Wärmeeintrag in den Kraftstoff gering, so
dass auf eine Kraftstoffkühlung verzichtet werden
kann. Bei einem erstmals eingesetzten, direktbetätig-
ten Piezoinjektor, ist eine direkte Ventilnadelsteue-
rung realisiert. Vorteile gegenüber einem Servoinjek-
tor liegen zum Beispiel in einem höheren realisierba-
ren Kraftstoffvolumen und darin, dass das System
leckagefrei ist. Insgesamt führt dies zu einer besseren
Regelbarkeit bei der Mehrfacheinspritzung und zu
einer vom Raildruck unabhängigen Einspritzrate.
Der Motor erfüllt die ab September 2009 geltende
Bild 8-32 Nockenwellenantrieb beim Vierzylinder- Abgasnorm Euro 5. Die Grenzwerte werden ohne
Dieselmotor eine aktive NOx-Abgasnachbehandlung eingehalten.

Bauart – Reihen-Vierzylinder
Ventilzahl pro Zylinder – 4
3
Hubraum cm 2.143
Zylinderabstand mm 94
Hub mm 99
Bohrung mm 83
Pleuellänge mm 143,55
Maximaler Spitzendruck bar 200
Aufladegrad bar 3
Stegbreite mm 11
Ventilwinkel Grad 6
–1
Nennleistung bei Drehzahl kW bei min 150 bei 4.200
Maximales Drehmoment bei Drehzahl Nm bei min–1 500 bei 1.600 – 1.800
Verdichtungsverhältnis – 16,2
Maximaler effektiver Mitteldruck bar 29,33
Abgasnorm – EU5
Literleistung kW/Liter 70

Bild 8-33 Kenndaten des Motors


8.2 Aktuelle Motoren 375

Bild 8-34 Leistungs- und


Drehmomentcharakteristik
des Vierzylinder-Diesel-
motors

Ein Ziel des angewandten Thermomanagements ist Zylinderzahl [–] 4


die Kühlmittelbewegung zu verhindern, um eine
möglichst schnelle Aufheizung des Brennraums nach Zylinderabstand [mm] 82
einem Kaltstart zu erreichen. Damit lassen sich die Hubraum [dm ] 3
1,39
Rohemissionen von CO und HC senken.
Die Regelung der Kühlmitteltemperatur im Rahmen Hub [mm] 75,6
des Wärmemanagements auf Werte bis 70 °C, redu- Bohrung [mm] 76,5
ziert ebenfalls die NOx-Emission.
Verdichtung 10
In Kombination mit dem Fahrzeug C250 CDI beträgt
der Kraftstoffverbrauch des Motors im NEFZ Leistung bei Drehzahl [kW/min–1] 125/6.600
5,2 Liter pro 100 km. Den Verlauf von Leistung und
Drehmoment [Nm/min–1] 240/1.750
Drehmoment über der Drehzahl zeigt Bild 8-34.
Maximaler Ladedruck [bar absolut] 2,5
Literatur
Maximaler effektiver Mitteldruck [bar] 21,6
[1] Schommers, J. u. a.: Der neue Vierzylinder-Dieselmotor für Pkw
von Mercedes-Benz. In: MTZ 12/2008 Kraftstoffverbrauch [l/100 km] 7,2
[2] Schommers, J. u. a.: Der neue 4-Zylinder Pkw-Dieselmotor von
Mercedes-Benz für weltweiten Einsatz. 17. Aachener Kollo- Bild 8-35 Kenndaten des Motors
quium, 2008, Aachen

Ottomotoren mit Direkteinspritzung zipiert ist, verfügt über eine interne Übersetzungsstu-
und Doppelaufladung von VW fe. Die Gesamtübersetzung bezogen auf die Kurbel-
Der Turbo-Spark Ignition (TSI) hat eine Leistung von welle beträgt i = 0,2.
125 kW bei einem Hubvolumen von 1,4 Liter. Er Den Betriebsbereich des Kompressors zeigt Bild
stellt eine Kombination aus Direkteinspritzung, 8-36.
Downsizing und Doppelaufladung dar. Die wichtigs- Angetrieben wird der Kompressor über einen fünfril-
ten Motordaten sind in Bild 8-35 enthalten. ligen Keilrippenriemen von der Wasserpumpe aus.
Das hohe Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen und Die Geräuschdämpfung des Kompressorsystems er-
der Drehmomentverlauf über der Drehzahl sind folgt neben einer Akustikoptimierung der Kompres-
wesentlich durch den Einsatz von zwei Aufladesys- sormechanik auch durch eine Reduktion der Luftpul-
temen bestimmt: Eine mechanische Aufladung und sation sowie spezielle Breitbanddruckdämpfer am
eine Abgasturboaufladung. Der Abgasturbolader, der Ein- und Austritt. Kompressor und Dämpfer sind zu-
auf bestmöglichen Wirkungsgrad ausgelegt ist, stellt sätzlich gekapselt.
alleine bei niedrigen Abgasdurchsätzen den nötigen Die Gaswege von Luft und Abgas sind schematisch
Ladedruck nicht zur Verfügung. Dabei kann der in Bild 8-37 dargestellt.
Kompressor für die mechanische Aufladung mittels Da zur Reduktion der thermischen Belastung auf eine
einer Magnetkupplung zugeschaltet werden. Ab einer Anfettung zugunsten eines niedrigen Kraftstoff-
bestimmten Drehmomentanforderung ist er perma- verbrauchs verzichtet wurde, ist die Turbinenseite des
nent im Einsatz, bei circa 3.500 min–1 wird er abge- Laders Temperaturen bis 1050 °C ausgesetzt. Dies
schaltet. Der Kompressor, der als Rootsgebläse kon- bedeutet eine entsprechende Anpassung der Werk-
376 8 Motoren

Bild 8-36 Betriebsbereich


des Kompressors (Quelle:
MTZ)

stoffe. Das Turbinengehäuse besteht aus einem hoch- einer Kurbelwelle aus Grauguss und die daraus resul-
hitzebeständigen Stahlguss, das Turbinenrad aus einer tierende höhere Steifigkeit.
hochwarmfesten Nickellegierung MAR 246. Für die Das Kolbengewicht des gegossenen Kolbens beträgt
Welle wird der Werkstoff X45CrSi9.3 verwendet. 238 g. Die mit einer Kante zur Strömungsführung
In das Motorkühlsystem ist die Wasserkühlung des versehene Kolbenmulde ist bearbeitet. Zur Anpas-
ATL eingebunden. Eine Kühlmittelnachlaufpumpe sung auf Zünddrücke in Richtung 120 bar musste der
sorgt für die Kühlung des ATL nach Abstellen des Kolbenbolzendurchmesser von 17 auf 19 mm erhöht
Motors. werden.
Das GG-Zylinderkurbelgehäuse mit einer mittleren Öl- und Kraftstoff-Hochdruckpumpe wurden an die
Wandstärke von 3 mm ist als Deep-Skirt-Gehäuse größeren Massendurchsätze angepasst.
ausgeführt und wiegt 29 kg. Die Open-Deck- Mit Hilfe des Ladeluftkühlers kann die Ansaugluft
Konstruktion ist besonders für die hier verwendete auf 5 °C über Umgebungstemperatur rückgekühlt
Zweikreiskühlung (Kopf und Block getrennt) geeig- werden.
net und bietet Vorteile bezüglich Zylinderrohrver- Der Brennraum des Motors mit Benzin-Direkt-
formung. einspritzung ist als Dachbrennraum mit zentraler
Einen Beitrag zur Gesamtakustik leistet die Stahlkur- Zündkerzenlage ausgeführt. In Kombination mit einer
belwelle durch den höheren E-Modul im Vergleich zu flachen Kolbenmulde kann eine Verdichtung von 10

Bild 8-37 Gaswege von Luft


und Abgas (Quelle: MTZ)
8.2 Aktuelle Motoren 377

Bild 8-38 Verbrauchskennfeld (Quelle: MTZ)

erreicht werden. Die Ladungsbewegungsklappen, Die unter anderem oben beschriebenen Maßnahmen
welche die Einlasskanäle im unteren Drehzahlbereich des Downsizing Konzepts führten zu einem niedrigen
zur Hälfte schließt, erhöht die Ladungsbewegung. Ab Kraftstoffverbrauch in weiten Bereichen des Kenn-
einer Drehzahl von 2.800 min–1 geben die Klappen feldes, welcher in Bild 8-38 dargestellt ist.
den gesamten Einlasskanalquerschnitt frei. Die Leistungs- und Drehmomentcharakteristik des
Zur Minderung der Kaltstartemissionen wird der Motors zeigt Bild 8-39.
Katalysator durch eine Doppeleinspritzung (während Ab 2008 steht der 1,4-Liter-TSI-Motor mit zwei
des Ansaugphase und vor dem Zünd-OT) aufgeheizt. Abgasturboladern und 90 kW zur Verfügung, der sich
Das Einspritzventil, als Mehrloch-Hochdruckein- unterhalb des oben beschriebenen Aggregates einord-
spritzventil konzipiert, ist auf der Einlassseite plat- net. Ende 2009 ist ein 1,2-Liter-TSI-Motor geplant,
ziert und hat sechs Kraftstoffaustrittsbohrungen. Der der einen weiteren Schritt in Richtung Downsizing
Einspritzdruck beträgt im Leerlauf 60 bar, in der darstellt.
Volllast bis zu 150 bar.

Bild 8-39 Leistungs- und


Drehmomentverlauf (Quelle:
MTZ)
378 8 Motoren

Literatur zu aktuelle Motoren Zudem müssen sie immer strenger werdende gesetzli-
[1] Hahne, B.; Neuendorf, S.; Paehr, G.; Vollmers, E.: Neue Die-
che Richtlinien erfüllen. Sie können daher nicht rein
selmotoren für Volkswagen-Nutzfahrzeug-Anwendungen. In: unter Leistungsgesichtspunkten ausgelegt werden,
MTZ 01/2010 Bild 8-40.
[2] Eiser, A.; Böhme, J.; Ganz, M.; Marques, M.: Der neue 2,5-l- In der Geschichte des Motorradmotorenbaus hat es
TFSI-Fünfzylinder für den Audi TT RS. In: MTZ 05/2010
[3] Herrmann, D.: Der Abtrieb des Audi A1. In: ATZ extra, Wies-
viele verschiedene Bauarten von Hubkolbenmotoren
baden, Juni 2010 gegeben, vom Einzylinder- bis hin zum Achtzylin-
[4] Brinkmann, C.; Baur, G.; Geywitz, G.; Fronemann, J.; Heu- dermotor. Der größte Teil am Gesamtangebot wurde
bach, W.; Königstedt, J.; Schwarnberger, A.: Die neue Generati- durch Ein-, Zwei- und Vierzylindermotoren abge-
on der V8 FSI-Motoren von Audi, 5. Emission Control 2010,
Dresden, 11. Juni 2010
deckt. Alle haben für sich betrachtet ihre spezifischen
[5] Lechner, B.; Kiesgen, G.; Kriese, J.; Schopp, J.: Der neue Mini- Vorteile und Reize im Leistungsverhalten. Wegen der
Motor mit Twin-Power-Turbo. In: MTZ 07 – 08/2010 sehr unterschiedlichen freien Massenkräfte und Mo-
[6] Waltner, A.; Lückert, P.; Doll, G.; Kemmler, R.: Der neue 3,5-l- mente und auch Zündabstände weisen sie auch sehr
Ottomotor mit Direkteinspritzung von Mercedes-Benz. In: MTZ
09/2010
individuelles Vibrations- und auch Klangverhalten
[7] Bick, W.; Köhne, M.; Pape, U.; Schiffgens, H.-J.: Die neuen auf. Der Stellenwert der Einleitung dieser Kräfte vom
Tier-4-l-Motoren von Deutz. In: MTZ 10/2010 Motor in den Rahmen ist beim Motorrad wesentlich
[8] Doll, G.; Waltner, A.; Lückert, P.; Kemmler, R.: Der neue 4,6-l- größer als beim Auto, weil die Motoren anders als
Ottomotor von Mercedes-Benz. In: MTZ 10/2010
[9] Bauder, R.; Fröhlich, A.; Rossi, D.: Neue Generation 3,0-l-Mo-
beim Auto meist als mittragendes Element steif mit
tors von Audi. In: MTZ 10/2010 dem Rahmen verschraubt sind. Zusätzlich müssen
[10] Kahrstedt, J.; Zülch, S.; Streng, C.; Riegger, R.: Neue Generati- einige Motoren auch Fahrwerkselemente wie Schwin-
on des 3,0-l-TDI-Motors von Audi. In: MTZ 11/2010 genlager aufnehmen.

8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren
Leistung
Motorradmotoren sind heute generell Viertaktmoto- Komfort Drehmoment
ren. Der Wechsel vom Zweitakt- zum Viertaktmotor
begann Anfang der 1980er Jahre. Ausnahmen bilden Haltbarkeit Kosten
Geländemotorräder (Off road) wie Motocross und Straßen-
zugelassener
Enduro und Sonderanwendungen. Motor Wartungs-
Recycling
armut
8.3.1 Motorräder für die Straße (On road) Geräusch-
Gewicht gesetzgebung
Im Gegensatz zu Rennmotoren im Straßen- und Ge- Abgas-
gesetzgebung
ländebereich müssen Motoren für straßenzugelassene
Motorräder haltbar, vibrationsarm, wartungsarm,
preiswert zu produzieren und auch recycelbar sein. Bild 8-41 Einflussgrößen auf Motorradmotoren

Bild 8-40 Beta-Motor-Trial-


Fahrzeug
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 379

8.3.1.1 Einzylindermotoren
Der Einzylindermotor stellt die einfachste Bauform
dar und wird nach wie vor in viele leichte Fahrzeuge
eingebaut, Bild 8-42.
Typische Vertreter sind Enduro- und Supermoto-Fahr-
zeuge. Sein Hubraum ist auf circa 800 ccm begrenzt,
weil mit zunehmendem Hubraum die bewegten
Massen von Triebwerk- und Ventiltriebsbauteilen
überproportional schwerer werden. Dies begrenzt die
erreichbaren Drehzahlen und damit die spezifische
Leistung.
Hinzu kommt das bei großen Zylinderhubvolumina
schwieriger werdende Brennverhalten. Die flachen
Brennräume mit ungünstigem Volumen-Oberflächen-
Verhältnis stellen immer höhere Ansprüche an die
Entflammungsphase bei Niedriglast im unteren Dreh-
zahlbereich. Bei Gemischen von O = 1 und gleichzei-
tig viel internem Restgas, was aufgrund des für hohe
Literleistung notwendigen Ventilüberschneidungs-
querschnitts zwangsläufig vorherrscht, muss eine sau-
bere Gemischaufbereitung und die exakte Lage der
Zündkerze dafür sorgen, dass das Gemisch sicher
entflammt und ausreichend schnell durchbrennt.
Ansonsten sind trotz der für Euro 3 notwendigen 
Katalysatoren die Abgasgrenzwerte nicht zu unterbie- Bild 8-43 KTM 690
ten und die Fahrbarkeit leidet stark. Dies äußert sich
in Ruckeln bei der Konstantfahrt und in Lastwechsel- Komfortmäßig tun sich große Einzylinder naturge-
situationen, wo ein hartes Wiedereinsetzen der Ver- mäß schwer. Um Motoren mit mehr als 600 cm3 für
brennung nach einer Schubphase eine „saubere“ Drehzahlen von 8.000 min–1 und mehr überhaupt noch
Kurvenlinie speziell in engen Radien (Alpen-Kehren) erträglich komfortabel zu machen, werden heute häu-
vereiteln kann. fig Ausgleichswellen verbaut, die die Massenkräfte
1. Ordnung verringern. Ausgleichswellen bringen al-
lerdings Gewichtsnachteile und vor allem unge-
1 Ölsieb wünschte Schwungmasse, was die Spontanität des An-
2 Druckpumpe
3 Grobfilter sprechens verschlechtert, Bild 8-43, 8-44, 8-45.
4 Überdruckventil
5 Kipphebelachsen 8.3.1.2 Zweizylindermotoren
6 Getriebe
7 Kupplung Größere Hubräume als 800 ccm werden üblicherwei-
8 Ölspritzdüsen
9 Feinfilter
se auf mehrere Zylinder verteilt. Sehr beliebt sind die
10 Kurbelwelle

Bild 8-42 Einzylindermotor mit Ölkreislauf Bild 8-44 Prinzip Einspritzung


380 8 Motoren

Bild 8-45 KTM 690 Super Moto

Zweizylindermotoren. Die am häufigsten gewählten


Anordnungen der beiden Zylinder sind der Reihen-
motor, der V-Motor und der Boxermotor.
Zweizylinder-Reihenmotor
Beim Zweizylinder-Reihenmotor stehen zwei Zylin-
der nebeneinander und können längs wie quer ins Bild 8-47 BMW-Zweizylinder-Reihenmotor F800
Fahrwerk eingebaut werden. Die Kurbelwelle kann
180° oder 360° Zündabstand haben, das heißt die begrenzen Gewicht und Reibstellen. Gleiche Küh-
Kolben bewegen sich gegenläufig beziehungsweise lungsbedingungen für Auspuff und Saugrohre bewir-
gleichläufig. ken sehr ähnliches Brennverhalten der Zylinder.
Dies bringt jeweils ein eigenes Massenkraft- und Moderne Vertreter dieser Bauart werden derzeit in der
Klangverhalten mit sich. Bei der 180° Variante sind BMW F800 und MZ 1000SF eingesetzt, Bild 8-47,
die Massenkräfte 1. Ordnung ausgeglichen. Dafür gibt 8-48.
es Massenkräfte 2. Ordnung und Massenmomente Der bei Rotax entwickelte F800-Motor hat als Paral-
1. Ordnung. Die 360° Variante hat dagegen Massen- lel-Twin eine 360°-Kurbelwelle. Um trotzdem heuti-
kräfte 1. und 2. Ordnung, aber keine freien Massen- gen Komfortansprüchen gerecht zu werden, wurde im
momente, Bild 8-46. Motor ein recht ungewöhnliches Massenausgleichs-
Vorteile des Reihenmotors sind sein einfacher Auf- konzept eingesetzt. Zwischen den beiden Zylindern
bau und die geringe Teilezahl, was ihn sehr kosten- ist ein Ausgleichspleuel angeordnet, welches auf
günstig macht. Der gemeinsame Zylinderkopf und einer rechtwinklig zur Zylinderachse angebrachten,
-block und die gemeinsam genutzte Ventilsteuerung im Motorgehäuse abgestützten Ausgleichsschwinge

Zweizylinder-Reihenmotor 0° 0°
360° 360°
360°-Kurbelwelle

0° Zyl 2 Zyl 1 Zyl 2 Zyl 1


270° 90° 270° 90°

270° 90°
180° 180°
Kurbelstern Kurbelstern
180° 0° 0°
180°-Kurbelwelle 360° 360°

Zyl 1 Zyl 2 Zyl 1


270° 90° 270° 90°
270° 90° Zyl 2

Bild 8-46 Massenkräfte


180° 180°
180° Kurbelstern Kurbelstern
Zweizylinder-Reihenmotor
(360°/180°-Kurbelwelle)
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 381

Bild 8-48 BMW F800 Zylinderkopf

hängt. Die Kinematik ist so ausgelegt, dass sich das


Ausgleichspleuel gegenläufig zu den beiden Motor-
pleuel bewegt. Durch die Führung über die lange
Schwinge wird eine annähernd gerade Auf- und Ab-
bewegung des kleinen Auges des Ausgleichspleuels Bild 8-50 BMW F800 Kurbeltrieb
erreicht und so die freien Massenkräfte 1. Ordnung
vollständig und die 2. Ordnung zu 70 % ausgegli- samen Kurbelzapfen geführt werden, so dass die Mo-
chen, Bild 8-49, 8-50. torbreite schmaler als beim Reihenmotor ausfällt.
Die Wahl des Zylinderwinkels ist unter anderem vom
V2-Motor Hub-Bohrungs-Verhältnis, Bauraum und Einsatzzweck
Beim Zwei-Zylinder-V-Motor werden die beiden des Motors abhängig. Mit abnehmenden V-Winkeln
Einzelzylinder mit einem Versatz zueinander auf ein unterhalb von 90° wird die Motorbaulänge geringer,
gemeinsames Kurbelgehäuse gesetzt. Er wird in ver- die Bauhöhe nimmt leicht zu. Kleine Zylinderwinkel
schiedenen V-Winkeln von 45 bis 180° ausgeführt. werden daher bevorzugt, wenn Motorräder mit kur-
Typisch ist, dass die Pleuel dabei auf einem gemein- zem Radstand geplant sind. Die Reduzierung des Win-
kels hat aber unter Bauraumgesichtspunkten Grenzen.
Um eine Berührung der Kolben im Zwickelbereich
ausschließen zu können, müssen bei kleinen Zylin-
derwinkeln längere Zylinder und Pleuel verwendet
werden. Dies treibt einerseits die bewegten Massen in
die Höhe, was sich auf die erreichbaren Drehzahlen
und Motorbelastungen auswirkt. Andererseits steigt die
Bauhöhe und auch die Baulänge des Motors, was
wiederum das Package von Tank und Airbox stört. Es
muss also immer ein Kompromiss gesucht werden.
Alle V-Motoren weisen Massenkräfte 1. und 2. Ord-
nung auf. Die 90°-V-Motoren sind deshalb so beliebt,
weil diese Massenkräfte durch Gegengewichte voll-
ständig ausgeglichen werden können. Übrig bleiben
nur die Massenmomente, die auftreten, weil die
Pleuel auf einem Hubzapfen liegen und somit einen
Zylinderachsenversatz aufweisen. Die Massenkräfte
versuchen dadurch, den Motor um die Mitte zwischen
den Pleuel zu drehen. Da der Abstand zwischen den
Pleuelmitten klein ist, sind auch die bei allen V-Mo-
toren vorhandenen freien Massenmomente klein.
Der V-Motor benötigt eigene Nockenwellen für jeden
Zylinderkopf, was Fertigungskosten und Gewicht
erhöht. Durch zusätzliche Lagerstellen nehmen auch
die Reibverluste im Ventiltrieb zu. Die Kühlsituation
durch den Fahrtwind ist für beide Zylinder unter-
Bild 8-49 BMW F800 Massenausgleich schiedlich. Dies wirkt sich bei den heute meist was-
382 8 Motoren

sergekühlten Motoren kaum auf die Zylinderkühlung,


wohl aber auf die Auspuffkühlung aus. Die unter-
schiedlich heißen Abgase haben auch unterschiedlich
große Schallgeschwindigkeiten, wodurch sich die
Wellenbewegungen im Auspuff ändern. Damit erge-
ben sich ungleiche Ladungswechselbedingungen.
Auch die ungleichmäßigen Zündabstände wirken sich
zwar leicht nachteilig auf den Ladungswechsel aus,
erzeugen aber ein sehr angenehmes Klangbild. Des-
halb und wegen seiner angenehmen Leistungscharak-
teristik ist der V-Motor trotz seiner systembedingten
Nachteile sehr beliebt.
Einige typische Zylinderwinkel sind eng mit Motor-
radherstellern verknüpft. Ducati verwendet seit jeher
einen 90°-Winkel und bezeichnet den Motor als
L-Motor. Zu Beginn waren die Motoren luftgekühlt
und die 90° als liegendes L waren günstig für die
Bild 8-52 Moto Morini 87° V-Motor
Kühlsituation. Die große Baulänge war nicht so
nachteilig, weil Ducati damals für gute Fahrstabilität
kompakten Außenmaßen passt dieser Motor sowohl
lange Radstände und großen Nachlauf favorisierte.
in die großen Offroad-Modelle (Adventure, Super
Beim Übergang auf Wasserkühlung und Vierventil-
Enduro) als auch in die reinen Straßenmodelle (Super
technik der heutigen Superbike-Modelle wurde der
Duke, Super Moto). KTM wird den 75° Winkel auch
Zylinderwinkel beibehalten.
beim hubraumstärkeren Nachfolger des LC8-Motors
Auch typisch für den Ducati Twin ist die Zwangs-
beibehalten, der in das Superbike RC8 eingebaut wer-
steuerung der Ventile (Desmodromik), die mit ihren
den soll und dadurch nochmals deutlich leistungs-
Schließnocken sehr hohe Ventilbeschleunigungen zu-
gesteigert wird, Bild 8-53.
lässt und so sehr hohe Zylinderfüllungen ermöglicht.
Den KTM LC8 zeichnen besonders die sehr geringe
Aufgrund der Werkstoffverbesserungen bei den Ven-
Schwungmasse und das sehr geringe Gewicht aus.
tiltriebsbauteilen sind die Vorteile zu herkömmlichen
Entsprechend extreme Agilität im Handling und im
Ventiltrieben allerdings sehr klein geworden. Trotz-
Ansprechverhalten sind die Folge. Hier ist KTM si-
dem ist der wassergekühlte Ducati L-Twin mit Testa-
cherlich Benchmark bei den Zweizylindermotoren,
stretta-Zylinderkopf mit Literleistungen von 140 PS
Bild 8-54, 8-55.
(999) beziehungsweise 150 PS (999R) Benchmark in
Aprilia verwendet bei den großen Viertaktmodellen
der Zweizylinderklasse, Bild 8-51, 8-52.
einen 60°-V-Motor von Rotax, ein sehr drehfreudiges
KTM hat sich beim Entwurf des LC8-Motors wegen
Aggregat, das sogar mit zwei Ausgleichswellen ver-
maximaler Kompaktheit mit kurzer Baulänge für
einen 75°-V-Motor entschieden. Um den im Ver-
gleich zum 90°-Motor systembedingt schlechteren
Massenausgleich zu verbessern, ist der Motor mit
einer Ausgleichswelle ausgestattet. Mit seinen sehr

Bild 8-51 Ducati 90°-V-Motor Bild 8-53 KTM LC8 V75°


8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 383

Bild 8-57 Aprilia Mille Factory


Bild 8-54 KTM 990 Super Duke

Bild 8-55 KTM RC8


sehen ist, von denen eine vor der Kurbelwelle und Bild 8-58 45°-V-Motor (Harley-Davidson) Primär-
eine im Zylinderkopf liegt, Bild 8-56, 8-57. antrieb (Kette)
Einer der bekanntesten Vertreter der V-Motoren ist
Harley-Davidson. Dort wird der 45°-Winkel gepflegt.
Da bei Harley-Davidson langsam laufende Langhuber
mit zwei Ventilen und seitlicher Ansauganlage Tradi-
tion haben, stören die notwendigen langen Pleuel und
die große Bauhöhe nicht sehr. Die Motoren können
wegen der geringen notwendigen Schräglagenfreiheit
tief ins Fahrwerk gesetzt werden. Die heftigen Vibra-
tionen werden durch weiche Lagerungen herausgefiltert.
Interessant ist der Primärantrieb, der über eine Kette
erfolgt. Zwei unten liegende Nockenwellen betätigen
über lange Stößelstangen die Ventile, was nur geringe
Höchstdrehzahlen zulässt, Bild 8-58, 8-59, 8-60.

Bild 8-59 45°-V-Motor (Harley-Davidson) Stößel-


stangen

Bild 8-56 60°-V-Motor (Aprilia Mille) Bild 8-60 Harley-Davidson Softtail Deluxe
384 8 Motoren

Einige Hersteller verwenden bei Motoren mit Zylin-


derwinkeln unter 90° einen Hubzapfenversatz, um
das Massenausgleichs- und Klangverhalten dem des
90°-Motors anzunähern. Dies gelingt auch bei einigen
Motoren gut. Allerdings birgt ein großer Zapfenver-
satz auch mechanische Risiken. Es kann dann bei
hohen Drehzahlen zu Kurbelwellenbrüchen kommen,
wenn die Überdeckung der Hubzapfen nicht ausrei-
chend groß dimensioniert wird, Bild 8-61.

Bild 8-63 BMW-Boxermotor R1200

glichen werden können. Das ist nur beim Sechszylin-


der-Boxer (siehe Porsche) möglich. In der Praxis läuft
ein Zwei-Zylinder-Boxermotor nicht kultivierter als
ein guter V-Motor.
Größter Verfechter des Boxerkonzeptes ist die BMW
Bild 8-61 V-Kurbelwelle mit Hubzapfenversatz AG, die den luftgekühlten Boxermotor seit Jahrzehn-
ten pflegt. Drehzahl- und damit leistungsmäßig waren
Boxermotor die BMW-Boxermotoren immer durch ihren Stößel-
Der Boxermotor ist eine Bauform, bei der sich die stangen-Ventiltrieb begrenzt. Dies gilt auch für die
Zylinder in einer Ebene gegenüberliegen. Die außen- derzeitige Ausbaustufe mit 1.200 cm3, die in vielen
liegenden Kolben arbeiten auf einer in der Mitte Modellen eingesetzt wird. Durch Verringerung der
liegenden Kurbelwelle. Der große Unterschied zum bewegten Massen und die Konzentration auf maxima-
V-Motor ist, dass die Pleuel nicht auf einem gemein- len Luftdurchsatz wurde inzwischen auch eine sport-
samen Hubzapfen arbeiten, sondern jeweils auf einem liche Variante erzeugt, die erstmals höhere Drehzah-
eigenen. Die Hubzapfen liegen um 180° versetzt, so len erreicht. Damit kann eine Literleistung von etwa
dass sich die Kolben symmetrisch aufeinanderzu- und 100 PS/L erreicht werden, was die Grenze für luft-
-wegbewegen. gekühlte Serienmotoren darstellt. Das Vibrations-
Diese Bauform ist bereits sehr früh entstanden, weil verhalten dieses Sportmotors ist allerdings deutlich
keine freien Massenkräfte wirken. Sie sind völlig unkomfortabler als bei den gemäßigteren Modellen,
ausgeglichen. Der Abstand der Pleuel ist durch die Bild 8-62, 8-63, 8-64, 8-65, 8-66.
Einzelhubzapfen (häufig mit Mittellager zwischen
den Zapfen) deutlich größer als beim V-Motor. Dies
bringt im gleichen Maße höhere freie Massenmomen-
te mit sich, die beim Zweizylindermotor nicht ausge-

Bild 8-62 BMW-R1200 S Bild 8-64 BMW-R1200 S


8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 385

Bauteile können mit zunehmender Zylinderzahl hö-


here Drehzahlen erreicht werden, Bild 8-67.

Dreizylindermotoren
Bei Dreizylindermotoren gibt es grundsätzlich ver-
schiedene Ausführungen der Kurbelwelle. Laverda
hat beispielsweise in den 1970er Jahren einen Drei-
zylinder mit 180°-Kröpfung der Kurbelwelle gebaut.
Die aktuellen Dreizylindermotoren von Triumpf und
Benelli, Bild 8-68 arbeiten mit 120° Zündabstand. Sie
haben keine freien Massenkräfte, da die immer durch
die gegenläufigen Bewegungen der Kolben ausgegli-
chen werden. Es bleiben nur freie Massenmomente,
die dadurch entstehen, dass die beiden äußeren Zylin-
der versuchen, den Motor um die Mittelachse zu
drehen.
Durch die geringeren bewegten Massen als beim
Zweizylinder kann der Dreizylinder etwas höhere
Bild 8-65 BMW-Boxermotor R1200 Drehzahlen erreichen. Die im Vergleich zu Vier-
zylindern größeren Einzelhubräume verbessern das
8.3.1.3 Mehrzylindermotoren Drehmomentverhalten im unteren Drehzahlbereich,
Aufgrund der kleineren Einzelhubräume und den was zusammen mit dem angenehm sonoren Sound zu
damit verbundenen kleineren bewegten Massen der einem sehr attraktiven Motorenkonzept führt.

Bauart Zylinder- Kurbel- Zünd- Massen- Massen- Massen- Massen-


zahl kröpfung abstand kraft kraft moment moment
1. Ordnung 2. Ordnung 1. Ordnung 2. Ordnung

Reihe 1 – 720° u u – –

2 180° 180°/540° – u u –

2 360° 360° u u – –

3 120° 240°/240° – – u u

3 180° 360°/180° – u – –

4 180° 180°/180° – u – –

4 90° 90°/270° – – u u

6 60° 120°/120° – – – –

Boxer 2 – 360° – – – u

4 180° 180°/180° – – – u

6 120° 120°/120° – – – –

V-Motor 2 – 270°/450° u – sehr klein sehr klein


(90°) (mit Gegengewicht
ausgleichbar)

4 90° 270°/90° u – sehr klein sehr klein


(mit Gegengewicht
ausgleichbar)

6 120° 150°/90° – – u u

Bild 8-66 Massenkräfte und -momente verschiedener Bauarten


386 8 Motoren

16000
Yamaha R6
15000 Vierzylinder
14000 Suzuki GSXR750
Dreizylinder Yamaha R1
13000
Yamaha
Nenndrehzahl [1/min]

Zweizylinder Triumpf Speed Triple FZR1000


12000
Triumpf
KTM Super Duke Daytona 675
11000
BMW R 1200S MV Agusta F4
10000 Einzylinder KTM LC4
9000 Suzuki Hayabusa
Kawasaki ZZR1400
8000
Benelli TNT1130 Vier-/Fünfventiler
7000 BMW F800
Ducati GT1000
6000 Moto Guzzi Norge

5000 Yamaha MT03 Zweiventiler


Yamaha MT01
40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160
Spezifische Leistung [kW/L]

Bild 8-67 Spezifische Leistung

40 Jahren permanent perfektioniert. Sie haben heute


in Leistung, Produktion und Haltbarkeit einen sehr
hohen Stand erreicht.
Die Klasse mit 600 ccm erreicht heute bei Drehzahlen
bis 16.000 min–1 eine Literleistung von über
200 PS/L. Gleichzeitig werden Laufzeiten von 50.000
bis 100.000 km erreicht. Dies hat den Vierzylinder-
Reihenmotor zum derzeit erfolgreichsten Konzept
gemacht.
Wie bei den V2-Motoren sind auch beim Vierzylin-
dermotor verschiedene Konzepte (Reihe, V, Boxer)
möglich. Alle sind auf dem Markt vertreten.
Durchgesetzt hat sich heute der Vierzylinder-Reihen-
motor, der sowohl in Sport- als auch in Touring-Kon-
zepten vertreten ist. Vorteile des Vier-Zylinder-Rei-
henmotors sind:
Bild 8-68 Benelli 1130 TNT
x relativ einfacher Aufbau o Teilegleichheit
x kompaktes, leichtes Motorgehäuse
Vierzylindermotoren
o geringes Gewicht
Bereits in den 1960er Jahren erkannten speziell die x kurze, steife Kurbelwelle o hohe Drehzahlen
japanischen Hersteller im Rennsport, dass eine weite- x gleiche Bedingungen für Lastwechsel-Bereich
re Leistungssteigerung nur über die Drehzahl und o hohe Leistung
damit über die Verringerung der bewegten Massen zu x gute Laufruhe o guter Komfort
erreichen ist. Die Verringerung der bewegten Massen
ließ sich nur durch die Erhöhung der Zylinderzahl Außer in GP1-Motoren wird heute immer eine 180°-
bewerkstelligen. Neben einigen Sechs- und Acht- Kurbelwelle mit Zündfolge 1-3-4-2 oder 1-2-4-3 einge-
zylinderkonzepten hat sich dann der Vierzylinder als setzt. Dadurch erhält man einen gleichmäßigen Zünd-
sehr guter Kompromiss herausgestellt. 1968 wurde abstand von 180° und die Massenkräfte 1. Ordnung
von Honda mit der CB750 ein Vierzylinder-Reihen- sowie Massenmomente 1. und 2. Ordnung können aus-
motor erstmals in Serie gebracht. Dieser Motor hat geglichen werden. Übrig bleiben Massenkräfte 2. Ord-
die Motorradwelt nachdrücklich verändert. Die japa- nung, die gegebenenfalls durch eine Ausgleichswelle
nischen Hersteller haben dieses Konzept seit fast ausgeglichen werden können, Bild 8-69.
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 387

Vierzylinder-Reihenmotor
180°-Kurbelwelle
0° 0°
0° 360° 360°

270° 90° 270° 90° 270° 90°

180°
180° 180°
Kurbelstern Kurbelstern
Bild 8-69 Kurbelstern 180°
1. Ordnung 2. Ordnung
Vierzylinderwelle

Eine weitere Möglichkeit stellt die nichtebene Kur- Leistungsaspekten ist der Vierzylinder-Reihenmotor
belwelle mit 90°-Kröpfung dar. Hierbei sind die offensichtlich unschlagbar. Aber Motorradfahren be-
Massenkräfte 1. und 2. Ordnung vollständig ausgegli- steht zu sehr großen Teilen auch aus Emotion, die
chen, Massenmomente 1. und 2. Ordnung treten aber diesen perfekten Fahrmaschinen abgeht. Das ist der
auf. Diese Bauform wird allerdings trotz ihrer Vortei- Grund, warum es immer noch Motorradhersteller
le bei den Massenkräften in heutigen Serienmotoren gibt, die auch abweichende Konzepte wie beispiels-
nicht mehr verwendet. Gründe sind Nachteile im weise die V2-Motoren produzieren.
Ladungswechsel und der ungleichförmige Zünd- Abseits der Rennstrecke finden sich immer noch
abstand, der größere Drehungleichförmigkeiten und genügend Fahrer, denen auch Emotion und Sound
damit auch größere Drehschwingungsanregungen mit wichtiger als reine Motorleistung sind.
sich bringt, Bild 8-70. Zylinderzahlen größer als vier machen heute nur noch
Die heutigen Vier-Zylinder-Reihenmotoren bauen bedingt Sinn. Die Laufruhe lässt sich mit einem
durch die geschickte Anordnung der Nebenaggregate Sechszylinder-Reihenmotor, der komplett ausgegli-
und der Getriebewellen extrem kompakt, was eine chen ist, natürlich weiter steigern. Das macht den
gute Massenkonzentrierung und kurze Radstände Einsatz in Komfortfahrzeugen wie der Honda Gold-
zulässt. Moderne Werkstoffe und Fertigungstechni- wing durchaus sinnvoll. Die Motorleistung kann aber
ken ermöglichen sehr leichte Motorgehäuse. Die nicht mehr über Drehzahlsteigerung angehoben
Ansaugwege können durch den kompakten Motor werden, da die Kurbelwelle länger und somit emp-
sehr geradlinig gestaltet und mit großer Airbox ver- findlicher gegen Drehschwingungen wird. Dies und
sehen werden. Durch kleine Einzelhubräume mit die Zunahme von Baubreite und Gewicht verhindert
entsprechend kleinen, leichten Bauteilen und einer einen Einsatz in Supersport-Motorrädern, Bild 8-71,
sehr steifen, kurzen Kurbelwelle können extrem hohe 8-72.
Drehzahlen erreicht werden. Yamaha ermöglicht
beim aktuellen Supersportler R6 Drehzahlen von über
8.3.1.4 Leistungsentwicklung
16.000 min–1, und dies bei einem Serienmotorrad. Die
R6 erreicht mit einer Literleistung von 211 PS/L Zur Leistungsanhebung müssen die einzelnen beein-
Werte, die vor wenigen Jahren in Rennmotorrädern flussbaren Parameter betrachtet werden. Die Leistung
mit kurzer Lebensdauer erreicht wurden. Rein unter ist wie folgt definiert: Pe = i u pme u Vh u n.

Vierzylinder-Reihenmotor
90°-Kurbelwelle
0° 0°
0° 360° 360°

270° 90° 270° 90° 270° 90°

180°
180° 180°
Kurbelstern Kurbelstern Bild 8-70 Kurbelstern 90°
1. Ordnung 2. Ordnung Vierzylinderwelle
388 8 Motoren

Bild 8-73 Volllast-Motorprüfstand

Zur Mitteldrucksteigerung muss der Liefergrad er-


Bild 8-71 Yamaha R1 Schnitt höht werden. Der Liefergrad ist das Verhältnis der
nach dem Ladungswechsel im Zylinder verbliebenen
Frischgasmasse zur theoretischen Frischgasmasse:
Ol = mFZ/U0 u Vh.
Dies kann durch Aufladeeffekte erzielt werden. Eine
Möglichkeit sind Aufladesysteme wie mechanische
Lader oder Turbolader. Der Reiz der Aufladung be-
steht in der sehr hohen Leistungsdichte. Das heißt, es
kann ein kleiner, leichter Motor mit hohem Drehmo-
ment und hoher Leistung eingesetzt werden.
Mechanische Lader können Verdrängerlader wie
Rootsgebläse oder Radialverdichter oder Lader mit
innerer Verdichtung wie Schraubenverdichter sein.
Gegen mechanische Lader sprechen beim Motorrad
der große Bauraumbedarf, das relativ hohe Gewicht,
die sehr hohe Antriebleistung bei hohen Drehzahlen
und die große Drehzahlspanne des Motorradmotors.
Auch für den für gute Wirkungsgrade notwendigen
Ladeluftkühler ist in den seltensten Fälle Platz.
Daher haben in den 1980er Jahren mehrere Hersteller
Motoren mit Turboaufladung produziert. Die Schwie-
rigkeiten liegen im kaum beherrschbaren Instationär-
verhalten. Anders als beim Dieselmotor, der immer
mit voller Füllung läuft, variieren die durchgesetzten
Luftmassen beim Ottomotor im Verhältnis 1 : 40 bis
1 : 50. Deshalb braucht der Lader beim Übergang von
Teillast auf Volllast recht lange, bis Druck aufgebaut
wird. Im Zusammenspiel mit geringer Motor-
Bild 8-72 Yamaha R1 schwungmasse ergibt sich daher bei Motorradturbo-
motoren ein unbefriedigendes Ansprechverhalten und
ein unharmonisches Fahrverhalten.
Zur Leistungssteigerung kann also entweder der Derzeit werden in Motorrädern fast nur noch Saug-
Hubraum, der Mitteldruck oder die Drehzahl erhöht motoren eingesetzt, die schwingungstechnische Ef-
werden. Eine Hubraumaufstockung ist beim Motor- fekte der Schwingrohr- und Resonanzsaugrohraufla-
radmotor wegen der Nachteile der zunehmenden dung nutzen. Beim Schwingrohr wird vom Kolben in
bewegten Massen und Packagemaße nicht immer der Ladungswechselphase eine Unterdruckwelle aus-
sinnvoll. Bei gleichem Hubraum bleiben nur die Er- gelöst, die das Saugrohr in Richtung Airbox bezie-
höhung des Mitteldrucks und der Drehzahl, Bild hungsweise Luftfilter durchläuft. Diese Welle wird
8-73. am offenen Trichter als Druckwelle reflektiert und
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 389

Spez.
Leistung Einflüsse aus der EU-Gesetzgebung
[PS/L]
Geräuschmessung Geräuschgrenzwert Abgasgrenzwert
neuer Meßverfahren neuer Grenzwerte Euro-4-Grenzwerte
für beschleunigte für beschleunigte (Absenkung auf ca.
Vorbeifahrt Vorbeifahrt 50% der EU3-Werte)
(Zielbeschleunigung) (80 dB → 77 dB)

ca. 2009 ca. 2010 ca. 2011 Einsatz aller


Maßnahmen

2007 2008 2009 2010 2011 2012


Bild 8-74 Leistungs-
Konventionelle Weiterentwicklung
entwicklung

läuft in Richtung Motor. Trifft die Druckwelle genau quadratisch mit der Drehzahl steigen. Oberstes Ziel
zum Zeitpunkt des Einlassventilschließens ein, kann bei der Leistungsentwicklung muss also immer die
noch Frischgas in den Zylinder geschoben werden, Minimierung der bewegten Massen im Motor sein.
auch wenn der Kolben nach UT bereits wieder in der In den kommenden Jahren wird ein erhöhter Auf-
Aufwärtsbewegung ist. So kann eine Aufladung von wand notwendig sein, um eine Leistungssteigerung
bis zu 15 % erzielt werden. Diese Vorgänge sind trotz der künftig steigenden Anforderungen hinsicht-
natürlich stark abhängig von der Geometrie des lich Geräusch- und Abgasemissionen ermöglichen zu
Saugrohrs (Rohrlänge, die durchlaufen werden muss) können, Bild 8-74, 8-75, 8-76. Die Motorenbauer
und der kinetischen Energie der Gasströme. Diese werden zu Variabilitäten im Ventiltrieb und Saug-
wiederum werden stark vom Durchmesser des Saug- rohrbereich sowie zu steuerbaren Klappensystemen
rohrs und von der Anregung durch den Kolben beein- im Abgasstrang greifen müssen, da die meisten Maß-
flusst, die natürlich von der Drehzahl abhängig sind. nahmen zur Abgas- und Geräuschverbesserung für
Da die Steuerzeiten der Nockenwellen normalerweise die Leistungssteigerung kontraproduktiv sind.
fix sind, sind die Aufladeeffekte stark drehzahlab-
hängig. Damit kann man positive Effekte für den 8.3.1.5 Hub-Bohrungs-Verhältnis
Liefergrad in verschiedene Drehzahlbereiche legen.
Die Möglichkeiten zur Liefergrad- und damit zur Verbrennungstechnisch sind langhubig ausgelegte
Mitteldruckerhöhung ist bei Motorradsaugmotoren Motoren effektiver (Verhältnis Hub/Bohrung > 1).
allerdings sehr begrenzt. Die Ladungswechselorgane Günstige Brennraumform, gutes Oberflächen/Volu-
und Schwingrohrlängen beim Motorrad sind ohnehin menverhältnis mit geringeren Wärmeverlusten und
meist auf die Nenndrehzahl ausgelegt. Moderne kurze Flammenwege ergeben sehr gute Verbren-
Motoren sind bereits mit intensiver Ladungswechsel- nungswirkungsgrade, hohe Klopffestigkeit und ge-
Simulationsrahmungsrechnung optimiert worden und
arbeiten mit geringer Drosselung auf der Saug- und
Druckseite.
Der Mitteldruck kann in größerem Maße nur noch
durch Variabilitäten im Ladungswechselsystem ge-
steigert werden. Systeme wie Saugrohrlängenschal-
tung, Camphaser, Ventilhubumschalter und Klappen-
systeme sind im Automobilbereich bereits seriener-
probt und wirkungsvoll. Komplexität, Bauraumbe-
darf, Drehzahlfestigkeit und Kosten sprechen bei Mo-
torradmotoren gegen diese Maßnahmen.
Daher ist eine größere Leistungssteigerung fast nur
noch über die Anhebung der Nenndrehzahl zu errei-
chen. Die Erhöhung der Nenndrehzahl erfordert zahl-
reiche Maßnahmen, da die Massenkräfte im Motor Bild 8-75 Abgassteuerklappe Yamaha R1
390 8 Motoren

x geringe mögliche Ventilflächen


o eingeschränkte Literleistung
x große Kolbengeschwindigkeiten
o Dauerhaltbarkeit
x große Massenkräfte o mechanische Festigkeit
x große Bauhöhe o hohe Schwerpunktlage
Die Vorteile des Kurzhubers überwiegen mit steigen-
den spezifischen Leistungen und den dazu notwendi-
gen hohen Drehzahlen die Nachteile in der Verbren-
nung. Daher werden moderne Motorradmotoren als
Kurzhuber ausgelegt. Ausnahmen bilden Motoren, die
auf alten Motorkonzepten basieren (Harley-Davidson,
Buell oder Retromodelle wie die Yamaha MT01).
Diese Motoren sind häufig noch als Zweiventiler
ausgeführt und daher sowieso in Drehzahl und Liter-
leistung begrenzt, Bild 8-77.

8.3.1.6 Ventiltrieb
Die hohe spezifische Leistung der Motorradmotoren
erfordert die Auslegung der Ladungswechselorgane
auf eine sehr hohe Nenndrehzahl. Zur Optimierung
der Füllung und zur Minimierung von Drosselverlus-
ten werden sehr große Einlassventile, Ventilhübe und
Drosselklappen notwendig. Luftführung und Einlass-
kanäle müssen große Querschnitte besitzen und mög-
Bild 8-76 Saugrohrlängenschaltung Yamaha R1 lichst gerade ausgeführt sein.
Das mit steigender spezifischer Leistung zunehmende
ringe Schadstoffemission. Daher sind einige Auto- Drehzahlniveau bedingt die Reduktion aller bewegter
mobilmotoren eher langhubig ausgelegt. Mit steigen- Massen im Motor. Die Ladungswechselsteuerorgane
den spezifischen Leistungen und den dazu notwendi- stoßen mit steigendem Zylinderhubvolumen meist als
gen hohen Drehzahlen verschiebt sich das Verhältnis erste an geometrische Grenzen.
zugunsten kurzhubiger Ausführungen. Bei Motorrad- Um die Kräfte und Beschleunigungen an Nockenwel-
motoren mit hoher spezifischer Leistung bei hoher len und Ventilbetätigung in dauerhaltbaren Grenzen
Nenndrehzahl sprechen mehrere Gründe gegen die zu halten und die Steuerzeiten präzise einhalten zu
langhubige Auslegung: können, müssen die bewegten Ventiltriebsmassen

1,3
Harley-Davidson
Screaming
1,2
Harley-Davidson Triumpf
Sportster Thunderbird
1,1 Triumpf
BMW F800 MZ 1000S Daytona 675
Benelli TNT1130
Yamaha R1
Hub-/Bohrungsverhältnis

1,0
Kawasaki ZZR1400
0,9 Yamaha FZ1 Suzuki GSXR750

Yamaha R6
0,8

0,7
Yamaha
MT01 Yamaha
0,6
MT03 Moto Ducati
Guzzi
0,5 Norge GT1000 BMW Suzuki Hayabusa
R 1200S
Ducati MV Agusta F4
0,4 KTM Super Duke 999R

0,3
40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160
Spezifische Leistung [kW/L]

Bild 8-77 Spezifische Leistung in Abhängigkeit vom Hub-Bohrungs-Verhältnis


8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 391

Ventilsteuerung Bewegte Steifigkeit Drehzahl- Kosten Package Ventilspiel- HVA-


Masse festigkeit einstellung Tauglichkeit
OHV Kipphebel – – – + + + –
OHC Kipphebel 䊊 䊊 䊊 + + + –
Schlepphebel 䊊 䊊 䊊 䊊 + + +
DOHC Tassenstößel + + + – – – +
Schlepphebel + + + – 䊊 䊊 +

Bild 8-78 Vergleich Ventiltriebsparameter

minimiert und die Steifigkeit des Ventiltriebs maxi- Beide arbeiten mit Gleitabgriff, weshalb die Schlepp-
miert werden, Bild 8-78. hebel häufig mit sehr harten DLC-Beschichtungen
Je nach Einsatzzweck eignen sich für den Ventiltrieb ausgeführt werden. Diese harten Carbon-Beschich-
von Motorradmotoren mehrere Ventilsteuerarten. Für tungen (Diamond Like Carbon) werden wegen der
einfache, leichte Fahrzeuge mit Einzylindermotoren Reibungsarmut und Verschleißfestigkeit bei Hoch-
werden häufig OHC-Triebe verwendet. Für dieses drehzahlmotoren zunehmend eingesetzt. Bei richtiger
Konzept sprechen Kosten, Bauraum, Wartungs- Auslegung lassen sich mit der Beschichtung eines
freundlichkeit und vergleichsweise geringes Dreh- Reibpartners die Reibverluste einer solchen Gleitpaa-
zahlniveau. Für moderne Hochleistungsmotoren mit rung auf circa 1/10 absenken. Bei Beschichtung
Nenndrehzahlen von deutlich über 10.000 min–1 sind beider Reibpartner kann die Reibung nochmals um
nur DOHC-Triebe sinnvoll. Hier überwiegt die Dreh- 50 % reduziert werden, was in der Formel 1 und im
zahlfestigkeit und Präzision über die Kosten und Grand Prix genutzt wird. Kolbenbolzen, Kolbenringe
Bauraumsituation, Bild 8-79. und Nockenwellen eignen sich gut für solche Be-
Zunehmende Ventildurchmesser können teilweise schichtungen.
durch die Reduktion des Ventilschaftdurchmessers Das in der Formel 1 verbreitete Pneumatiksystem als
und der Ventillänge kompensiert werden. Stahlventile Ventilrückholfeder hat zwar das größte Drehzahl-
können durch Titanventile ersetzt werden, die ein potenzial, ist aber derzeit unter anderem aus Auf-
spezifisches Gewicht von 4,5 g/cm3 statt 7,85 g/cm3 wandgründen in Serie nicht zu realisieren.
haben. Dies ist auf der Einlassseite wegen der gerin- Die im Automobilbau häufig eingesetzten reibungs-
geren thermischen Belastungen problemlos machbar armen Rollenhebel können aus Gewichts- und Bau-
aber mit deutlich höheren Kosten verbunden. raumgründen nicht verwendet werden. Auch Ventil-
Auch die Lebensdauer ist gegenüber Stahlventilen betätigungen mit hydraulischem Spielausgleich sind
eingeschränkt. Um Drehzahlen von mehr als wegen der geringeren Steifigkeit, Drehzahlfestigkeit
10.000 min–1 zu erreichen, sind Tassenstößel oder und der höheren bewegten Massen nicht für hochdre-
Schlepphebel die bevorzugten Ventilbetätigungen. hende Motoren einsetzbar.
Sie verbinden Steifigkeit mit geringem Gewicht.
8.3.1.7 Getriebe
Derzeit finden in den meisten Motorradmotoren
Klauengetriebe Verwendung. Diese Bauart benötigt
den geringsten Bauraum und ist somit prädestiniert
für den Einsatz im Motorrad. Die geringe Baubreite
erleichtert das Stehen auf dem Motorrad, unterstützt
die Schräglagenfreiheit und reduziert natürlich auch
das Motorgewicht.

Funktion
Alle Räder sind permanent im Eingriff und können
somit ohne den Einsatz von Synchronringen geschal-
tet werden. Auf Grund der gleichen Drehzahl aller
Räder wird in der Regel ohne zu kuppeln geschaltet,
ja es ist sogar unter Last möglich, die Gänge zu
Bild 8-79 Ventiltrieb Suzuki GSX-R 1000 wechseln.
392 8 Motoren

Schaltvorgang Handkräfte unter Verwendung relativ geringer Au-


ßendurchmesser.
Dazu müssen die Schieberäder, auf welchen die
Klauen (dienen als Kupplung) sitzen, axial verscho-
ben werden. Diese greifen dann in die Taschen der Funktion
Losräder und so entsteht der Formschluss. Verscho- Reiblamellen (greifen in den Korb) und Stahllamellen
ben werden die Räder über Schaltgabeln, welche über (greifen in den Mitnehmer) werden über Spiralfedern
Zapfen in die Kulisse der Schaltwalze eingreifen. zusammengedrückt. Verstärkersysteme basierend auf
Durch Drehung der Walze können die Schieberäder Steigflächen reduzieren dabei die benötigte Hand-
in beide Richtungen verschoben werden. kraft. Diese Systeme sind beidseitig wirkend, das
Dies ist nur möglich, da alle Räder gerade verzahnt heißt das übertragbare Moment wird im Lastfall
sind. erhöht und im Schiebebetrieb reduziert. Die Reduk-
Material und Herstellung tion bewirkt beim Motorrad den sogenannten ANTI
HOPPING Effekt, das heißt das Hinterrad „stempelt“
Auf Grund der Anforderungen an Gewicht und Größe nicht.
finden hauptsächlich legierte Einsatzstähle mit hoher Zusätzlich werden innerhalb der ersten Lamelle
Reinheit Anwendung. Härtetiefen von 0,7 bis 1,1 mm Tellerfedern verbaut, welche einen weichen Eingriff
und HRC-Werte von 59 bis 63 erlauben erforderliche unterstützen sollen.
Flächenpressungen. Die Kraftübertragung ins Getriebe wird über den
Alle Räder und auch die Antriebswelle, auf welcher auf der Antriebswelle sitzenden Mitnehmer herge-
im Normalfall der 1. Gang sitzt, werden geschmiedet stellt.
oder kaltfließgepresst. Die zur Übertragung der Momente eingesetzten Be-
Taschen und Klauen sind je nach Herstellungsverfah- läge sind in der Regel organischen Ursprungs (Papier,
ren und Präzision roh oder bearbeitet (mit Hinterstel- Kork und so weiter) und werden auf Träger aus
lung). Aluminium aufgeklebt. Die Abstände der trapezför-
Die Verzahnung ist gefräst, gestoßen, geschliffen migen Felder ermöglichen die Ölabfuhr und reduzie-
oder leistungsgehont, je nach Anforderung an Ge- ren die Haftung der Reibbelagslamellen an den Stahl-
räusch und Laufleistung. Kopfrücknahmen oder lamellen. Das Öl dient hauptsächlich dem Wärme-
Kopfkantenbrüche helfen, die Biegungen der Zähne transport.
im Lastfall auszugleichen. Mitnehmer, Druckkappe und Korb sind aus Alumini-
Gezieltes schmieren der Rädergruppen der Fahrgänge um gefertigt und teilweise oberflächenbehandelt
ist ebenfalls Standard, Bild 8-80. (Vernickelung, Hartcodierung, PTFE (Polytetrafluor-
ethylen) an Steigflächen).
Kupplung Der Korb wird drehbar auf dem Kupplungsrad gela-
In Motorrädern finden im Allgemeinen Lamellen- gert; dadurch ist eine Dämpfung möglich. Sie wird
kupplungen, welche im Ölbad laufen, Verwendung. entweder durch radial angeordnete Spiralfedern oder
Diese Mehrscheibenkupplungen erlauben geringe durch Gummielemente erzeugt, Bild 8-81.

11 3
Stückliste
14 22 12 6 23 13 5 Pos. Zeichnungsnummer Bezeichnung Stck.
1 60033_Abtriebswelle Getriebeabtriebswelle M600 1
2 2 60033_Antriebswelle Getreibeantreibswelle M600 1
3 0405222613 Nadelkranz K22x26x13 TN geschlitzt 1
10 4 0405242813 Nadelkranz K24x 28x13 F-81900-50 1
5 0405263113 Nadelkranz K26x31x13 F-95085 4
Lager bündig 6 0417280150 Sprengring Seeger SW28 1
einpassen 7 0417300151 Sprengring Seeger SW30 2
8 0471300150 Sicherungsring DIN 471 - 30 x 1,5 1
18 9 0618091312 Nadelhülse HK 0912 B 1
9
10 60033001000 Antriebswelle 12z 1
15 1 11 60033002000 Festrad 2. Gang 1
12 60033003000 Schieberad 3./4. Gang 1
13 60033005000 Losrad 5. Gang 1
14 60033006000 Losrad 6. Gang 1
15 60033010000 Abtriebswelle 1
16 60033011000 Losrad 1. Gang 1
17 60033012000 Losrad 2. Gang 1
18 60033013000 Losrad 3. Gang 1
8 24 19 1
60033014000 Losrad 4. Gang
6.G 5.G 20 60033015000 Schieberad 5. Gang 1
5 4.G
2.G 3.G 4 21 60033016000 Schieberad 6. Gang 1
17 1.G
5 22 60033041000 Anlaufscheibe 22.2/30.2/1.5 1
21 25 23 60033042000 Anlaufscheibe 28.3/35.75/1.5 1
16 19 24 60033043000 Anlaufscheibe 20.2/34/1 1
27 20 15
25 60033044000 Anlaufscheibe 24.5/35.75/1 1
7 26 27 7 26 60033045000 Anlaufscheibe 26.2/36/1.5 2
27 60033046000 Anlaufscheibe 30.2/39/1.5 1

Bild 8-80 Getriebe und Kupplung


8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 393

6
1
5

2
4
8 2638 543.32.012.000 Disco Condotto (Sp. 1.2), Driven Plate (Th. 1.2) 8
7 P2-7504 548.32.080.000 Molla, Spring 6
6 5750 598.32.602.03 Vite M8x20, Screw M8x20 1
5 2633 581.32.081.000 Scodellino, Cup 6
4 P1-6803 546.32.003.000 Piatto Springdisco, Pressure Plate 1
3 P1-6804 548.32.002.000 Tamburo Condotto, Driven Hub 1
2 2711/E 575.32.013.000 Rondella, Washer 1
3 1 P1-6805 548.32.001.072 Assieme Campana, Housing Clutch Assembly 1

Bild 8-81 Kupplung

8.3.2 Motorräder für das Gelände bedingungen im Freien, in denen das Motorrad und
(Off road) der Motor überleben müssen. Diese variieren von sehr
staubig und hart bis zu schlammig, rutschig und nass.
8.3.2.1 Motocross Die für diesen Zweck entwickelten Motorräder unter-
liegen verschiedenen Reglements, sind jedoch nicht
Unter Motocross versteht man ein Fahren im unbefes-
für die Straße homologiert.
tigten Gelände, zumeist auf dafür abgeschlossenen
Bei der Auslegung der Motoren wird vor allem auf
Rundkursen mit zum Teil ausgedehnten Sprüngen.
folgende Randbedingungen Augenmerk gelegt:
Im Rahmen einer WM oder AMA, in Amerika ausge-
Der Motor soll in nahezu jeder Lage zumindest kurze
tragene Rennveranstaltungen, werden entweder unter
Zeit betrieben werden können.
freiem Himmel, unter dem Titel Motocross Veran-
Überdurchschnittlicher Kupplungsabrieb und damit
staltung oder in Hallen als Supercross geführt, Bild
starke Ölverschmutzung dürfen ihm nichts anhaben.
8-82, 8-83.
Eine robuste Konstruktion des Motors ist Vorausset-
Der wichtigste Unterschied liegt in der Streckenlänge
zung, um den rauen Betrieb in Bezug auf Schläge,
und dem Layout der Strecke sowie den Fahrbahnbe-
angesaugten Staub und Sand sicher zu stellen.
dingungen. Die Strecken im Freien sind zwischen 1,5
Aus diesen Anforderungen heraus haben sich ur-
und 4 km lang und mit weniger spektakulären Sprün-
sprünglich 2-Takt-Motoren mit 4-Gang-Getrieben
gen versehen als die anspruchsvollen kurzen Strecken
entwickelt.
in Hallen. Ein weiterer Umstand sind die Witterungs-
Die Wiege des Offroadsports
Der 2-Takt-Einzylindermotor war der unschlagbare
und traditionelle Antrieb in den klassischen Hub-
raumvarianten der Rennreglements. Andere Motor-
konzepte haben bei gleichem Hubraum kaum eine
Chance gegen die sehr hohe, spezifische Leistungs-
ausbeute eines für den Rennbetrieb konzipierten
2-Takt-Motors.
Erst auf Grund von starkem Druck und Lobby der
großen japanischen Herstellern, die wegen deren
Produkt- und Marketingstrategien im Offroad-Wett-
bewerb ausschließlich mit 4-Takt-Motoren antreten
wollen, wurden die Rennreglements zugunsten des
4-Takt-Konzeptes geändert. Das heißt Anfang der
Bild 8-82 Bild im Rennbetrieb Jahrtausendwende wurden die Rennreglements inso-
394 8 Motoren

Bild 8-83 Bild im Renn-


betrieb

fern modifiziert, dass Fahrzeuge mit 4-Takt-Motoren x Lage der rotierenden Motormassen (Handling zu
beinahe, beziehungsweise genau den doppelten Hub- Fahrstabilität) und optimale Abstimmung der
raum als Fahrzeuge mit 2-Takt-Motoren in den ein- Massenträgheitsmomente zur Motorcharakteristik
zelnen Rennklassen an den Start gehen dürfen. So (Traktion, Fahrbarkeit zu Ansprechverhalten und
treten heute 125 ccm 2-Takt-Motoren gegen 250 ccm Aggressivität).
4-Takt-Motoren, sowie 250 ccm 2-Takt- gegen
450 ccm 4-Takt-Fahrzeuge, in Enduro- und Moto- Bauarten 2-Takt-Motocross- und Enduromotoren
crossbewerben an. Die Vormachtstellung des 2-Takt- 50 ccm Automatik, Bild 8-84, 8-85
Motors im Offroadsport ist dadurch eliminiert, den-
noch ist der 2-Takt-Motor heute, nach dem ersten wird für Kindermotocross-Bewerbe und Trainings-
4-Takt-Boom, wieder aktuell, da er (bei gleichem fahrten eingesetzt. Es handelt sich um luft- oder
Hubraum ohnehin unschlagbar) auch bei diesen wassergekühlte 2-Takt-Motoren, die zur Kraftüber-
ungleichen Bedingungen noch wettbewerbsfähig ge- tragung mit einer Einstufen-Automatik – Fliehkraft-
blieben ist. Speziell in den Enduroklassen E2 und E3 kupplung ausgestattet sind. Die Leistungsausbeute
sind 2-Takt-Fahrzeuge sehr konkurrenzfähig. Ursache beträgt bis zu 12 PS bei 11.500 min–1.
dafür sind die ganz spezifischen Vorteile der 2-Takt-
Konzepte, die je nach Art des Wettbewerbs, der Stre- 65 ccm MC
ckenverhältnisse und Bedürfnisse des Fahrers zum In dieser Hubraumklasse werden wassergekühlte
Vorschein kommen. Auch sind das niedrige Gewicht, 2-Takt-Motoren verwendet. Die Kraftübertragung
die geringeren Anschaffungs- und Instandhaltungs- erfolgt bereits über eine Mehrscheiben-Ölbadkup-
kosten ein wesentliches Argument für den 2-Takt- plung und ein klauengeschaltetes Sechsganggetriebe.
Motor. Besonders bei Hobby- und Clubrennen sowie Derzeit werden etwa 16 PS bei 11.500 min–1 reali-
Trainingsveranstaltungen, aber auch für den Jugend- siert; eine höhere Leistungsausbeute würde der Fahr-
sport oder finanzschwächeren Privatteams, spielt der barkeit entgegenwirken.
Kostenaspekt eine wichtige Rolle.
85/105 ccm MC, Bild 8-86
Anforderungen an einen Offroad –
Es handelt sich um wassergekühlte 2-Takt-Motoren
Wettbewerbsmotor
mit Auslasssteuerung mittels drehzahlabhängiger
Möglichst geringes Gewicht, hohe Leistungsausbeute
bei trotzdem gut fahrbarer und in Traktion umsetzba-
rer Leistungsentfaltung sind wesentliche Merkmale,
um die gewünschte Fahrdynamik zu erreichen. Die
optimale Fahrdynamik, die nur in perfekter Symbiose
zwischen Chassis, Motor und Fahrer funktionieren
kann, ist letztendlich für schnelle Rundenzeiten
verantwortlich. Das Fahrzeug muss in diesen Anfor-
derungsmerkmalen möglichst gut adaptierbar sein um
es den jeweiligen Bedingungen (Wettbewerb, Stre-
cke, Fahrer) anpassen zu können.
Dazu zählen auch folgende Merkmale:
x einstellbare Motorcharakteristik
x geringer Platzbedarf und Integrierbarkeit des
Motors Bild 8-84 Motorrad 50 SX
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 395

badkupplung und ein klauengeschaltetes Sechs- be-


ziehungsweise Fünfganggetriebe. Derzeit werden in
einem Serienfahrzeug mit 125 ccm etwa 40 PS bei
11.500 min–1, bei einem 250 ccm Serienfahrzeug
51 PS bei 8500 min–1, realisiert. Die Leistung ist im
Fahrbetrieb gut umsetzbar, weil die Auslasssteuerung
für einen flacheren Leistungsanstieg, das heißt mehr
Drehmoment auch in den unteren und mittleren Dreh-
zahlen sorgt.

Bild 8-85 Mini in Aktion

Steuerklappenstellung. Die Steuerklappe wird über


einen Fliehkraftregler bewegt. Die Kraftübertragung
erfolgt über eine Mehrscheiben-Ölbadkupplung und
ein klauengeschaltetes Sechsganggetriebe. Derzeit
werden etwa 26 PS bei 11.500 min–1 realisiert. Die
Leistung ist im Fahrbetrieb gut umsetzbar, weil die
Auslasssteuerung für einen flacheren Leistungs-
anstieg sorgt also für mehr Drehmoment auch in den
unteren und mittleren Drehzahlen.

Bild 8-87 Schnitt Motor 125SX

Serienlösungen an 2-Takt-Motocross- und


Enduro-Wettbewerbsmotoren
Motocross- und Enduro-Wettbewerbsmotoren sind so
kompakt und leicht wie möglich gestaltet; dabei muss
in der Serienfertigung auf die Herstellkosten geachtet
werden.
Bild 8-86 Motorrad 85SX
Motorgehäuse, Wasserpumpendeckel,
Kupplungszwischendeckel, Kupplungskorb,
125/200/250/300 ccm MC/E, Bild 8-87 Kupplungsmitnehmer und Kupplungsdruckkappe
Es sind wassergekühlte 2-Takt-Motoren mit Auslass- x Druckgusslegierung Al226 GD-AlSi9Cu3
steuerung mittels drehzahlabhängiger Steuerklappen- Das Fertigungsverfahren Druckguss bietet sich an,
stellung des Auslasskanals. Zusätzlich werden die weil es sehr dünne Wandstärken (bis 2 mm), eine
beiden Hilfsauslässe durch die Walzenschieberstel- hohe Genauigkeit, damit verbunden einen hohen Vor-
lung gesteuert. Die Steuerklappe und die beiden fertigungsgrad, (das heißt es kann auf viele mechani-
Hilfsauslässe werden über einen Fliehkraftregler und sche Bearbeitungsschritte verzichtet werden), sehr
ein Hebelsystem beziehungsweise Mechanik bewegt. günstige Rohteil- und Bearbeitungskosten, sowie hohe
Kraftübertragung erfolgt über eine Mehrscheibenöl- Prozesssicherheit und Qualität ermöglicht. Nachteil
396 8 Motoren

sind die sehr teuren Druckgusswerkzeuge (circa Kolben


300.000 € pro Werkzeug), welches sich erst ab einer x Kokillengusslegierung G-AlSi18CuMgNi, Nieder-
gewissen Stückzahl rechnet, sowie die Unflexibilität druck-Kokillenguss, ohne verlorene Kerne
in der Gestaltung (keine verlorenen Kerne möglich). Das Gusswerkzeug besteht zur Gänze aus Stahl. Der
Motordeckel Siliziumgehalt der Legierung ist maßgebend für das
Zündungsdeckel, Kupplungsdeckel und Steuerungs- Verschleißverhalten, jedoch auch für die mögliche
deckeln sind ebenfalls aus den genannten Gründen im Dünnwandigkeit des Kolbens. Im Allgemeinen gilt:
Druckgussverfahren, allerdings mit Magnesiumlegie- Je weniger Si Gehalt, umso zäher und somit dauerfes-
rung MgAl9Zn1, gegossen. ter und besser geeignet für leichte, dünnwandige Kol-
Magnesiumdruckgussteile sind etwa 35 % leichter als ben, die jedoch schneller die Verschleißgrenze am
Aluminiumdruckgussteile. Die Deckel benötigen keine Kolbenhemd erreichen. Schmiedekolben werden in
anschließende mechanische Bearbeitung; in gegosse- der Regel mit bis maximal 14 % Si gefertigt, da bei
nen Dichtringnuten werden Formdichtringe aus NBR höheren Anteilen der Werkstoff beim Schmieden
70 (Nitrile Butadiene Rubber) oder Viton eingelegt, rissig wird.
jedoch müssen sie pulverbeschichtet werden, da Mag- Kurbelwelle/Pleuel
nesium ein starkes Korrosionsverhalten zeigt. Dieses
verhindert auch den Einsatz von Magnesium bei Bau- „Gebaute“ Kurbelwelle mit geschmiedeten Kurbel-
teilen mit Kühlmittelkanälen, da das Kühlmittel sehr wangen aus 42CrMoS4, gut spanbarer Vergütungs-
aggressives Korrodieren von Magnesium verursacht. stahl mit hoher Festigkeit bei guter Zähigkeit, nicht

Zylinder, Zylinderkopf, Bild 8-88


x Kokillengusslegierung 12CuMgNi, warm ausge-
lagert
Niederdruck Kokillenguss bietet sich an, weil zum
einen die Notwendigkeit von verlorenen Kernen be-
steht (Wasserraum, Überströmkanäle, Auslasskanal),
und zum anderen die Rohteile genauer und billiger
sind als Sandgussteile. Grund dafür ist die Stahlkokil-
le, deren Kavitäten die Außenform der Teile darstel-
len. Im Sandguss muss jede Außenform einzeln in
Sand geformt werden und geht verloren. Zudem sind
die Sandkerne in der Stahlkokille präziser gelagert,
die nicht formgebundenen Geometrien sind also auch
genauer als beim Sandguss. Die Lauffläche des Zy-
linders ist mit einer Nikasilbeschichtung versehen,
eine galvanisch aufgebrachte Nickelmatrix mit einge-
lagerten, sehr harten Siliziumkarbiden, anschließend
gehont, und mit einem sogenannten Kreuzschliff ver-
sehen, welcher die Ölaufnahmefähigkeit der Zylin-
derwand verbessert.

Bild 8-88 Motor-Schnitt 125/200 Bild 8-89 Auslasssteuerung KTM


8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 397

Aus diesen grundsätzlichen Merkmalen haben sich auf


Druck über das Reglement auch Einzylinder-4-Takt-
Motoren entwickelt. Diese wurden und werden zum
größten Teil ebenfalls wälzgelagert ausgeführt.

Bauarten 4-Takt-Motocross-
und Enduro-Wettbewerbsmotoren
Die ausgeführten Hubräume von 250, 450 und größer
475 ccm ergeben sich wie bereits oben beschrieben
aus dem FIM Reglement für Enduro- und Motocross-
wettbewerbe. Die meisten Hersteller benutzen für
einen Hubraum die gleiche Motorenbasis für Moto-
cross und Enduro mit ein paar, speziell für den jewei-
ligen Einsatz, abgestimmten Features. Der Hubraum
Bild 8-90 Fahrzeug KTM 450 SX-F
>475 ccm ist immer eine Ableitung des 450 ccm
Motors, meistens mit einer vergrößerten Bohrung,
gehärtet. Hubzapfen aus 16MnCr5, einsatzgehärtet Bild 8-90, 8-91.
für hohe Verschleißfestigkeit bei zähem Kern. Pleuel
aus 15CrNi6, aufgekupfert und somit partiell an den Motorgehäuse/Zylinder/Motordeckel
Verschleißflächen der Pleuelaugen einsatzgehärtet. Vertikal geteilte Motorgehäuse aus Aluminium, mit
Kurbel- und Getrieberaum und aufgesetztem be-
Getriebe
schichtetem Closed-Deck-Zylinder.
Kaltfließgepresste Getrieberäder aus 17CrNiMo6, ho- Motordeckel aus Magnesium (solange sie nicht was-
he Festigkeit, einsatzgehärtet. Rohteile haben ein serführend sind).
kaltverfestigtes Gefüge und hohen Vorfertigungsgrad,
die Schaltklauen und -taschen sind fertiggepresst. Kurbeltrieb/Massenausgleich, Bild 8-92
Nach dem Bearbeiten werden die Teile elektroche- Der Kurbeltrieb besteht aus einer gebauten Kurbel-
misch entgratet, um die Kerbwirkung der Bearbei- welle, wälzgelagert mit Kugel- und/oder Rollenlager,
tungsriefen zu verringern. aus einteiligen Pleuel mit Nadellager im großen und
Moderne 2-Takt-Motocross- und Enduromotoren ver- Gleitlager im kleinen Auge und aus einem Alumini-
fügen über ausgeklügelte Steuermechanismen und umschmiedekolben.
Kanalanordnungen. So ist zum Beispiel ein Abgas- Die Kolbendurchmesser bei den Motocrossmotoren
schieber mit den unterschiedlichsten Betätigungen bewegen sich in der 250 ccm Klasse um 76 mm, in
Stand der Technik, Bild 8-89. der 450 ccm Klasse um 97 mm. Mit den jeweiligen
Abregeldrehzahlen von circa 13.500 und 12.000
U/min ergeben sich damit Kolbengeschwindigkeiten
von ungefähr 25 m/sec. Zur Reibungs-, Gewichts-
und Bauraumoptimierung sind die Kolben als Ein-
ringkolben ausgeführt. Für eine kompakte Bauweise
sorgen des Weiteren kurze Pleuel mit einem Schub-
stangenverhältnis von etwa 0,30.
Die Schwungmasse auf den Kurbelwangen ist ein
wesentlicher Bestandteil zur Gestaltung der Motor-
charakteristik. Verringerungen führen zu einem ver-
bessertem Handling des Gesamtfahrzeuges und zu
einem verbesserten Ansprechverhalten, Erhöhungen
zu einer verbesserten Traktion und einer geringeren
Absterbneigung des Motors.
Die Wälzlagerung wird aus Sicherheitsgründen ge-
wählt, da im Offroadbetrieb durch häufiges Stürzen
die Motoren des Öfteren kurzfristig ohne Drucköl-
versorgung laufen.
Zur Reduktion der Motorvibrationen sind die 450 ccm
Motoren mit einer Ausgleichswelle ausgeführt. Auf
der Kurbelwelle werden dabei meistens 40 bis 50 %
der oszillierenden Massen ausgeglichen, auf der
Bild 8-91 Rechte Ansicht KTM 450 SX-F Ausgleichswelle aus Platzgründen nur 20 bis 30 %.
398 8 Motoren

Getriebe/Kupplung
Die Getriebe sind mehrheitlich als Klauengetriebe
ausgeführt. In der 250 ccm Klasse verwenden Enduro
und Motocross 6-Gang-Getriebe. Beim Endurogetrie-
be mit einer größeren Spreizung zur Erzielung einer
höheren Höchstgeschwindigkeit für Verbindungs-
etappen bei Rennen und zum Fahren mit Schrittge-
schwindigkeit in extremem Gelände.
450 ccm Motoren sind als 4- bis 5-Gang für Moto-
cross und 5- bis 6-Gang für Enduro ausgeführt. Die
Kupplung ist immer eine Mehrscheiben-Ölbadkupp-
lung. Kupplung und Getriebe sind aufgrund der extre-
men Belastung im Offroadbetrieb (fahren mit schlei-
fender Kupplung, Landungen nach Sprüngen mit
hohen Differenzdrehzahlen) sehr robust gestaltet.
Gemischaufbereitung
Obwohl alle Hersteller an offroad-elektronischen Ein-
spritzsystemen (EFI) arbeiten, verwendet die Mehrheit
nach wie vor Flachschiebervergaser. Die Vorteile lie-
gen in einer sehr hohen Ausfallsicherheit bei extre-
men Anwendungen, der einfachen Adaptierbarkeit
bei Motortuning und geänderten Umweltbedingungen
(Temperatur, Luftdruck), einem niedrigeren Fahr-
zeuggesamtgewicht und der billigeren Herstellkosten.
EFI Systeme bieten aber deutlich mehr Möglichkei-
ten, die Motorcharakteristik zu gestalten. Im Enduro-
bereich wurde aufgrund der Abgasgesetzgebung EFI
ab Dezember 2007 eine Notwendigkeit.
Schmiersystem
Bild 8-92 Kurbeltrieb/Ventiltrieb KTM 450SX-F Um die Motoren möglichst kompakt und mit wenig
Gewicht auszuführen, wird generell versucht, mit
Die 250 ccm Motoren verzichten zum Teil auf eine möglichst wenig Öl (1,2 bis 1,5 l) auszukommen. Da-
Ausgleichswelle. Dies wird durch konsequente Re- zu werden auch kurze Ölwechselintervalle (5 bis
duktion der oszillierenden Massen (aktuell circa 15 Betriebsstunden) in Kauf genommen. In Serie
240 g) und einer Optimierung des Massenausgleichs realisiert sind Motoren mit einem oder zwei Ölkreis-
ermöglicht. läufen für Kurbelraum/Zylinderkopf und Getrie-
be/Kupplung. Der Vorteil von zwei Kreisläufen liegt
Zylinderkopf/Ventiltrieb/Steuertrieb in einem saubereren Motoröl ohne Kupplungsabrieb
Aufgrund der hohen Drehzahlen sowie hohen Ventil- für Kurbelraum und Zylinderkopf, der Nachteil in
beschleunigungen und der damit notwendigen Ven- einem höheren Aufwand.
tiltriebssteifigkeit kommen bei Motocrossmotoren Der Druckkreislauf besteht aus einer Eaton Pumpe,
mehrheitlich DOHC-Systeme mit Tassen- oder Druckregelventil und Ölfilter. Ölleitungen sind mehr-
Schlepphebeltrieb zur Anwendung. Da andererseits heitlich, der Ölfilter immer im Gehäuse und/oder den
bei Enduromotoren von Seiten des Anwenders nicht Deckeln integriert.
so hohe Drehzahlen gefordert werden, sind sie zum Die Kurbelraumölentsorgung erfolgt zum Teil mit
Teil noch als SOHC mit Kipphebeln ausgeführt. Die Eaton Saugpumpen, zum Teil mit Flatterventilen unter
Vorteile der SOHC liegen in einer kompakteren, zu Hilfenahme der Pumpwirkung des Kolbens und
leichteren, montage- und servicefreundlicheren Bau- zum Teil durch einen einheitlichen Kurbel- und Ge-
weise. trieberaum mit Absaugung und eigenem Öltank.
Alle Motoren sind als 4- oder 5-Ventiler ausgeführt.
Zur Massenminimierung wird als Ventilwerkstoff fast Kühlsystem
durchweg Titan und als Federtellerwerkstoff zum Teil Aufgrund der hohen Leistungsdichte (circa 130 PS/l
MMC (metal-matrix-composite) verwendet. bei 450 ccm und 160 PS/l bei 250 ccm) sind alle
Der Steuertrieb wird fast durchgehend mit Zahnketten Motoren wassergekühlt. Enduromotoren sind auf-
und hydraulischem oder mechanischem Kettenspan- grund des breiten Einsatzgebietes mit einem Ther-
ner realisiert. mostat und nachrüstbarem Lüfter ausgestattet, Moto-
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 399

143,5
100
85

93,2
126
5,7
Bild 8-93 Motorschnitt
KTM 250 SX-F

crossmotoren ohne Thermostat und ohne Lüfter. Die 8.3.2.2 Enduro und Rallye
Wasserpumpe sitzt meistens auf der dem Kurbelraum Im Gegensatz zum Motocross-Motorrad ist das Endu-
vorgelagerten Ausgleichswelle, in manchen Fällen ro-Motorrad ein geländegängiges Fahrzeug, ebenfalls
auch auf der Nockenwelle oder auf einem Steuer- für den Einsatz auf der Straße zugelassen. Um diese
triebzwischenrad. Straßenzulassung zu erreichen, sind oft Leistungs-
reduktionen zur Erreichung des Geräuschlimits not-
Starteinrichtung
wendig, Bild 8-95, 8-96.
Zur erleichterten Startbarkeit sind mittlerweile alle Diese werden zurzeit über verschiedene Auspuffanla-
Endurofahrzeuge mit E-Starter ausgerüstet. Da in gen, Beeinflussung des Zündzeitpunktes und Schie-
schwerem Gelände durch mehrmaliges Starten die beranschläge verwirklicht. So kann man abseits öf-
Batterie oft vollständig entleert wird, wird als Back- fentlicher Straßen mit einer Wettbewerbsabgasanlage
upsystem ein Kickstarter vorgesehen. Aus Gewichts- und -Zündkurve, sowie ohne Schieberanschlag, mit
gründen wird bei Motocross meistens auf einen erheblicher Mehrleistung rechnen.
E-Starter verzichtet (Gewichtsvorteil von circa 2 kg), In Ergänzung zur oben beschriebenen Wettbewerbs-
Bild 8-93, 8-94. oder Sportenduro entstand im Laufe der Zeit eine
Ø76

19,5 98 27,4 Bild 8-94 Motorschnitt


KTM 250 SX-F
400 8 Motoren

In beiden Fällen sind Adaptionen im Kühl-, Ölkreis-


lauf und in der Getriebeabstufung die einzigen Maß-
nahmen.

8.3.2.3 Trial
Ähnlich wie die Motocross-Motorräder sind die Trial-
Motorräder in der Regel ohne Straßenzulassung als
reines Sportgerät entwickelt (Trials sind homologiert
wie Enduros).
Die Enduro-ähnlichen Hubraumklassen (50, 80 125,
250 und 320 ccm) haben sich aus 2-Takt-Motoren
entwickelt und wurden erst seit 2005 durch den
4-Takt-Motor ergänzt.
In diesem Sport spielt Fahrzeuggewicht (70 bis
Bild 8-95 Erzberg 80 kg), neben guter Gasannahme und gutem Niedrig-
drehzahlverhalten eine entscheidende Rolle. Die tech-
nischen Modifikationen der größten Teils aus dem
Motocross weiterentwickelten Motoren zielen auf er-
höhte Schwungmasse, andere Getriebeabstufung und
eventuell kompaktere Anordnung des gesamten Mo-
torpackages ab.

Bild 8-96 Paris-Dakar

Bild 8-98 KTM Rallye

Bild 8-97 KTM 525 EXC

breite Palette von Straßen-, Reise-, Rallye- und Hard-


Enduros für die unterschiedlichsten Nutzungen und
Veranstaltungen, mehr oder weniger geländetauglich
ausgeführt, Bild 8-97, 8-98.
Da diese Enduromodelle aus unterschiedlichen Fahr-
zeug- und Motorfamilien entstanden sind, gibt es hier
zwei Motorkonzepte. Zum einen die Ableitung vom
Motocrossmotor und zum anderen von einem Stra-
ßenmotor, Bild 8-99. Bild 8-99 KTM 990 Adventure
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 401

8.3.3 Gesetzgebung [g/km]


25
8.3.3.1 Abgasemissionen –63 % (CO)
20 –50 % (HC) CO HC NOx
1994 wurden die ersten Abgasnormen für Motorräder
eingeführt. Motorradfahrer und Hersteller reagierten 15 –58 % (CO)
eher abweisend auf die neuen Gesetze. Damals –67 % (HC)
10
herrschte die Meinung, dass „die paar Motorräder“ –64 % (CO)
–70 % (HC)
doch kaum Auswirkungen auf die Gesamtemissionen 5 –50 % (NOx)
haben. Dazu muss man aber folgende Fakten berück-
0
sichtigen, die vor einigen Jahren vom deutschen Bun- 1994 1999 2003 2006
desumweltministerium veröffentlicht wurden: ECE-R 40 EURO-1 EURO-2 EURO-3

x Motorräder haben nur einen Anteil von circa Bild 8-101 Absenkungsschritte
2,5 % der Gesamtjahresfahrleistung, stellen aber
andererseits 15 % der gesamten HC-Emissionen.
x Der HC-Ausstoß aller Motorräder im Sommer ist
etwa genauso groß wie der der G-Kat-Autoflotte
mit 20-facher Fahrleistung.
x Die Start- und Verdunstungsemissionen stellen
über 40 % der gesamten Zweirademissionen dar.
Die Forderungen der Gesetzgeber waren also nicht
unbegründet und führten zu folgenden Änderungen:
x 1999 Euro 1 Einführung einheitlicher Vorschriften
für Abgasgrenzwerte
x 2002 Euro 2 für Kleinkrafträder
x 2003 Euro 2 für Krafträder
x 2006 Euro 3 für Krafträder.
In diesen letzten zwölf Jahren wurden bei den Abgas-
emissionen große Fortschritte erreicht. Die Grenzwer-
te für die Schadstoffe CO, HC und NOx konnten
europaweit drastisch gesenkt werden. Insgesamt san-
ken seit 1994 die Grenzwerte für HC und CO um
95 % und die der NOx um 50 %, Bild 8-100, 8-101.
Nicht nur die Grenzwerte selbst, sondern auch die
Abgastestzyklen zur Ermittlung der Abgaswerte wur-
den strenger. Die Ermittlung der Abgaswerte erfolgt
auf einem Rollenprüfstand, wo die vorgegebenen
Last/Drehzahlzyklen exakt abgefahren werden kön-
nen. Dabei wird Abgas an der Austrittsöffnung des Bild 8-102 Abgasrollenprüfstand
Endschalldämpfers entnommen und einer CVS-An-
lage (Constant Volume Sampler) zugeführt. Dort definiert verdünnt und ein festgelegter Teil in drei
werden die Abgase in einem Verdünnungstunnel Beuteln gespeichert. Nach dem Testzyklus analysiert
eine Abgasmessanlage den Beutelinhalt und bestimmt
[g/km] neben den integralen Abgaswerten, die mit den
25 Grenzwerten verglichen werden, auch die zeitlich
aufgelösten Schadstoffwerte, so dass analysiert wer-
20 CO HC NOx den kann, wo das Motorrad hinsichtlich der Abgas-
15
werte gut oder schlecht arbeitet. Im Beutel 1 befindet
–95 % (CO)
sich Abgas aus der Start- und Warmlaufphase, in
10 –95 % (HC) Beutel 2 Abgas aus den Stadtzyklen im warmgefah-
5
–50 % (NOx) renen Zustand und in Beutel 3 ist Abgas aus der
Überlandfahrt bis 120 km/h. So kann der Motorent-
0 wickler gezielt an Verbesserungen arbeiten, Bild
1994 1999 2003 2006
ECE-R 40 EURO-1 EURO-2 EURO-3 8-102, 8-103.
Bis 2006 war der Abgaszyklus Euro 2 gültig. Der
Bild 8-100 Absenkung der Abgasgrenzwerte seit Euro-2-Zyklus bestand aus sechs innerstädtischen
1994 Dreierblöcken, wobei die Abgasentnahme erst nach
402 8 Motoren

Teilen. Teil 1 besteht wie bisher aus sechs innerstäd-


tischen Zyklen (dem ECE R40 kalt). Teil 2 simuliert
einen außerstädtischen Zyklus (EUDC – Extra Urban
Drive Cycle), der etwas höhere Drehzahl- und Last-
phasen mit erfassen soll. Ein wichtiger Unterschied
zum Euro-2-Zyklus ist die Startphase, da von Beginn
an Abgas gemessen und somit die gesamte Kaltstart-
phase mit erfasst wird, Bild 8-104.
Für Motorräder mit maximal 150 cm3 unterscheidet
sich der Euro-3-Zyklus durch die fehlende Überland-
fahrt. Es werden nur sechs Stadtzyklen ECE R40 ge-
messen, Bild 8-105.
Weil der Abgasmesszyklus das Fahrverhalten nur
sehr unzureichend beschreibt, arbeiten die europäi-
schen und internationalen Gremien daran, einen
Bild 8-103 CVS-Anlage WMTC (World Motorcycle Testing Cycle) festzule-
gen. Dieser beinhaltet weniger stationäre und mehr
dem ersten innerstädtischen Block gestartet wurde. dynamische Phasen, was die Einhaltung der Grenz-
Die Motoren hatten damit 390 sec Zeit aufzuwärmen werte noch etwas schwieriger macht.
und den Katalysator auf Betriebstemperatur Für den WMTC gibt es auch eine andere Klassifizie-
(>250 °C) zu bringen. Ab 1.1.2006 gilt europaweit rung der Fahrzeuge nach Hubraum und Maximalge-
Euro 3. Es wurden die Abgasgrenzwerte gegenüber schwindigkeit:
Euro 2 um circa 50 % reduziert.
x Für die Klasse 1 wird der Teil 1 kalt und heiß
Neue Grenzwerte gefahren und mit je 50 % gewichtet
x CO < 2,0 g/km x Klasse 2 fährt Teil 1 kalt und Teil 2 heiß, wobei
x HC < 0,3 g/km Teil 1 mit 30 % und Teil 2 mit 70 % gewichtet
x NOx < 0,15 g/km. wird
x Klasse 3 fährt Teil 1 kalt, Teil 2 heiß und Teil 3
Zum anderen wurde der Messzyklus verschärft. Der heiß, wobei die Teile mit 25 %, 50 % und 25 %
verwendete Messzyklus für Motorräder mit mehr als gewichtet werden.
150 cm3 Hubraum ist an den NEDC (New European
Driving Cycle) der Automobile angelehnt und wird Der derzeitige Zyklus, der aber noch nicht endgültig
NEDC-Motorcycle genannt. Er besteht aus zwei verabschiedet ist, ist in Bild 8-106 dargestellt.

130
Sampling
120

110
Part One Part Two
100

90
UDC Cycle - 6 Phases IECE15 of 195 s = 1170 s
80 km 1.013 · 6 Phases = 6.078 km
Speed: [km/h]

Max. Speed: 50 km/h


70
Average Speed: 19 km/h
60

50

40

30
EUDC Cycle of 400 s
20 km 6.955
Max. Speed: 120 km/h
10
Average Speed: 62,5 km/h
0
1 101 201 301 401 501 601 701 801 901 1001 1101 1201 1301 1401 1501
Time [s]

Bild 8-104 Euro-3-Zyklus für Motorräder mit mehr als 150 ccm
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 403

UDC Cycle - 6 Phases IECE15 of 195 s = 1170 s


60 km 1.013 · 6 Phases = 6.078 km
Max. Speed: 50 km/h
Average Speed: 19 km/h
Sampling
50

40
Speed: [km/h]

30

20

10

0
1 101 201 301 401 501 601 701 801 901 1001 1101
Time [s]

Bild 8-105 Euro-3-Zyklus für Motorräder d150 ccm

140
Phase 3
130

120

110
Phase 2
100

90
Phase 1
Speed: [km/h]

80

70

60

50

40

30

20

10

0
1 101 201 301 401 501 601 701 801 901 1001 1101 1201 1301 1401 1501 1601 1701
Time [s]

Bild 8-106 WMTC-Zyklus

Vmax [km/h]
Die Klassifizierung des WMTC-Zyklus zeigt Bild
8-107. 3.2

Die Euro-3-Grenzwerte sind ohne Abgasnachbehand- 3.1


< 130 United
lung mit Katalysator nicht mehr zu unterschreiten. 2.2 Nations
Die Hauptaufgaben der Ingenieure zur Erreichung der < 115
Abgasgrenzwerte bestehen aus:
2.1
< 100
< 60 1.3
x Minimierung der Rohgas-Schadstoffemissionen < 50
1.1

x Abgasnachbehandlung 1.2

x ECU-Applikationsstrategie. Hubraum

Bild 8-107 Klassifizierung WMTC-Zyklus


404 8 Motoren

Minimierung der Rohgas-Schadstoffemissionen


Die Minimierung der Rohgas-Schadstoffemissionen
erfolgt durch innermotorische Maßnahmen:
x interne Restgasrückführung
x Ladungsbewegung
x Gemischbildung
x Brennraumgestaltung.
Interne Restgasrückführung
Zur Minimierung der Rohgas-Schadstoffemissionen
wird meist ein Kompromiss zwischen Volllastdreh-
moment und -leistung auf der einen Seite und der
Verbrennung im Teillastbereich auf der anderen Seite
gesucht. Die hohe Leistungsausbeute ist bei Motor-
radmotoren nur bei hohen Drehzahlen möglich. Dies
erfordert eine Auslegung der Ladungswechselorgane
(Ventildurchmesser, Kanaldurchmesser und -geome- Bild 8-108 Hubumschalter
trie, Ventilsteuerzeiten, Saugrohrlänge und -durch-
messer) auf geringe Strömungsverluste bei Nenndreh-
zahl. Diese Auslegung bringt jedoch große Nachteile Durchströmungseigenschaften und andererseits gutes
im gesamten Teillast- und insbesondere im Niedrig- Teillastverhalten verbinden lassen.
lastbereich im leerlaufnahen Bereich mit sich. Die Art und Anzahl der Variabilitäten werden aber im
großen Ventilüberschneidungsquerschnitte erzeugen Vergleich zum Automobil eingeschränkt sein. Gründe
eine hohe innere Abgasrückführrate, indem das nicht dafür sind Bauraum, Gewicht, Drehzahlfestigkeit und
ausgeschobene Restgas eines Zyklus bei Einlass- Kosten.
Öffnet durch den Unterdruck auf der Saugseite ins Im Nachfolgenden sind einige Möglichkeiten und
Saugrohr strömt und dann im nächsten Zyklus wieder Variabilitäten beschrieben, die die Abgasemissionen
angesaugt wird. Die großen Kanalquerschnitte sorgen verbessern und auch für den Motorradbereich vor-
bei geringer Ladungsdichte in der Teillast und gerin- stellbar sind:
gen Anregungen durch niedrige Drehzahlen für Camphaser/Nockenwellenversteller
geringe Einströmgeschwindigkeiten des Frischgemi-
sches. Dies führt zu kaum vorhandener Ladungsbe- Eine beim Automobil schon recht verbreitete Variabi-
wegung, was eine schlechte Durchmischung von lität ist der Nockenwellensteller, der als Zweipunkt-
Restgas und Frischgemisch zur Folge hat. Es liegt Steller oder als kontinuierlicher Steller ausgeführt wer-
also ein unhomogenes Gemisch vor, was durch den den kann, Bild 8-108. Damit können Einlass- und/oder
hohen Restgasanteil schwer entflammbar ist. Zudem Auslass-Nockenwellen gegenüber der Kurbelwelle
hat die Flammentransportgeschwindigkeit ein sehr verdreht werden, was zu geänderten Ventilsteuerzeiten
geringes Niveau, was dazu führt, dass die ohnehin führt. Die Ventilhubverlaufskurve bleibt allerdings un-
sehr träge ablaufende Entflammung nur verhältnis- verändert. Mit einem Einlass-Camphaser wird in der
mäßig langsam durch den Brennraum wandert. Unter Volllast eine Einlassschlussanpassung mit steigender
solchen Umständen kann die Verbrennung bis weit Drehzahl ermöglicht, was den Luftaufwand bezie-
über 90° nach OT ablaufen, was dazu führt, dass der hungsweise den Liefergrad günstig beeinflusst.
Auslass während dieser verschleppten Verbrennung Zum anderen kann man in der Teillast und speziell in
schon wieder öffnet. Dies führt zu einem Arbeits- und den kritischen leerlaufnahen Niedriglastbereichen
Wirkungsgradverlust, überhöhten Rohgas-Schadstoff- durch die Anpassung des Einlass-Öffnet-Zeitpunktes
emissionen und durch die hohen Abgastemperaturen zu den Ventilüberschneidungsquerschnitt anpassen. So
einem stark belasteten Katalysator. Der Restgasanteil kann auch im leerlaufnahen Bereich eine gute Brenn-
kann in der Niedrigstlast soweit ansteigen, dass Ent- stabilität, gutes Abgasemissionsverhalten und auch
flammung beziehungsweise Durchbrennen gar nicht eine Verbrauchsverbesserung erreicht werden.
mehr möglich ist. Es kann, gerade bei Motoren mit
wenig Schwungmasse, zu vereinzelten Aussetzern oder Vollvariable Ventiltriebe, Bild 8-109
gar zum Absterben des Motors kommen. Wenn neben der zeitlichen Verschiebung der Ventil-
Aufgrund des Wunsches nach immer weiter steigen- öffnungsdauer auch eine Variation des Ventilhubver-
der Leistung und der gleichzeitig immer strenger laufes erreicht werden soll, kann nur ein System mit
werdenden Abgasgesetzgebung werden auch Motor- variablem Ventilhub zum Einsatz kommen. Die voll-
radmotoren in der Zukunft mit Variabilitäten ausges- variablen Systeme wie die Valvetronic von BMW,
tattet werden. Nur so werden sich einerseits gute das VVH (Variabler Ventil Hub) von META oder
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 405

Bild 8-110 Tumble-Kanal

In ausgeprägter Form kann der Tumble die Brenn-


dauer deutlich verkürzen und Verbrauch und Abgas
Bild 8-109 Bild Hubumschalter verbessern. Die Motorradkanalgeometrien und die
geringe Ladungsdichte lassen allerdings im leerlauf-
ähnliche Systeme sind sehr komplex und wegen der nahen Bereich, wo die Ladungsbewegung benötigt
zu großen bewegten Massen (Rollenabgriff und ähn- wird, nur relativ energiearme Tumbleströmungen zu.
liche) derzeit nicht ausreichend drehzahlfest für den Die Möglichkeiten zur Verbrennungsverbesserung
Einsatz im Motorradmotor. sind stark eingeschränkt.
Kanalabschaltung, Bild 8-111
Ventilhubumschalter
Sind für die Einlassventile getrennte Drosselklappen
Die einfacheren Systeme eines Ventilhubumschalters vorgesehen, kann die Einströmung in Geschwindig-
wie das VTEC von Honda oder das VarioCam+ von keit und Ausrichtung beeinflusst werden. Im Niedrig-
Porsche scheinen unter den oben genannten Gesichts- lastbereich kann ein Einlasskanal abgeschaltet wer-
punkten geeigneter. Ventilhub, Ventilöffnungsdauer, den. Die gesamte Gemischmasse strömt durch ein
EÖ und ES können als Zweipunktschalter verstellt Einlassventil, was, bedingt durch den kleineren Quer-
werden, was für die meisten Motorradanwendungen schnitt, die Einströmgeschwindigkeit deutlich erhöht
völlig ausreichend ist. und auch eine gezielte Drallströmung im Zylinder-
Eine sichere und saubere Verbrennung setzt eine raum erzeugt, was eine wesentlich bessere Ladungs-
hohe Flammengeschwindigkeit voraus. Die Flam- bewegung bewirkt und damit die Gemischaufberei-
mengeschwindigkeit setzt sich aus der reinen Durch- tung verbessert und die Verbrennung beschleunigt.
brenngeschwindigkeit der Flamme und der Flammen-
transportgeschwindigkeit zusammen.
Die Durchbrenngeschwindigkeit ist unter anderem
stark abhängig vom Luftverhältnis O und vom Rest-
gasgehalt. Ein mageres Gemisch mit O = 1,25 brennt
viel langsamer als ein fettes Gemisch mit O = 0,85.
Auch viel Restgas verlangsamt die Verbrennung. Für
den Ingenieur gibt es im O = 1-Betrieb wenig Mög-
lichkeiten zur Beeinflussung.
Die Flammentransportgeschwindigkeit dagegen ist
die Geschwindigkeit, mit der die Flamme von der sich
bewegenden Zylinderladung weitergetragen wird.
Diese Ladungsbewegung im Brennraum kann durch
verschiedene Maßnahmen gezielt gesteuert werden.

Tumble Bild 8-111 Kanalabschaltung


Durch das Einschießen des Frischgemisches über die
obere Hälfte des Einlassventiltellers wird beispiels- Ventilabschaltung
weise eine Tumbleströmung im Zylinderraum er- Anstatt eine Drosselklappe zu schließen, um einen
zeugt, das heißt, es erfolgt eine Walzenströmung quer Kanal stillzulegen, kann man auch das Einlassventil
zur Zylinderachse, Bild 8-110. stilllegen. Das ist eine sehr effiziente Methode, die
406 8 Motoren

aber Schaltungen in den sehr schnell bewegten Teilen


des Ventiltriebs erfordert.
Bypass-Systeme
Eine andere Möglichkeit sind kleine, auf das Einlass-
ventil ausgerichtete Bypassbohrungen im Ansaug-
bereich des Zylinderkopfes. Bei Niedriglast wird die
Drosselklappe geschlossen und das Gemisch über
diese Bohrungen eingeleitet. Durch die hohen Strö-
mungsgeschwindigkeiten können stabile Drall- oder
Tumbleströmungen erzeugt werden. Wegen der klei-
nen Querschnitte ist eine sensiblere Steuerung als
über die Drosselklappe möglich. Das Einsatzgebiet ist
aber auf einen kleinen Kennfeldbereich begrenzt.
Bild 8-112 Katalysatoren
Brennraumgestaltung
Der Brennraum wird vom Zylinderkopf und vom Abgasnachbehandlung
Kolben gebildet.
Ziele bei der Brennraumgestaltung sind: Bei Euro 2 reichte häufig schon ein passives Sekun-
därluftsystem, um die Grenzwerte einzuhalten. Durch
x Kompakte Form, günstiges Oberflächen-Volumen- Einbringung von Luft ins Abgassystem wurden die
Verhältnis o gutes Și (innerer Wirkungsgrad) im Leerlauf und in Schubphasen anfallenden CO- und
x Zentrale Zündkerzenlage o gleichmäßig kurze HC-Emissionen im Auspuff nachverbrannt. Häufig
Flammenwege wurden auch ungeregelte kleine Katalysatoren mit
x Geringe Behinderungen der Gemischeinströ- 100 bis 200 cpsi (cells per square inch) eingesetzt,
mung o gute Füllung Bild 8-112. Im Kaltstart half die Kraftstoffumsetzung
x Geringe Behinderung der Flammenausbreitung o des Sekundärluftsystems bei der Katalysatorauf-
gute Verbrennung heizung.
x Minimierung von Spalten o Vermeidung von Zur Erreichung der Grenzwerte Euro 3 reicht ein
Flammenerlöschung. solch einfaches System nicht mehr aus. Um die
Frühere Zweiventilzylinderköpfe hatten häufig halb- Grenzwerte sicher zu unterschreiten, muss das Mo-
kugel- oder linsenförmig geformte Brennräume. torsystem aufgerüstet und die Strategie überarbeitet
Diese Formen sind sehr kompakt und haben durch ihr werden.
Oberflächen-Volumen-Verhältnis geringe Wärmever-
luste, was einen guten inneren Wirkungsgrad begüns- Katalysator
tigt. Nachteil dieser Konstruktion ist das niedrige Für eine ausreichend große konvertierende Ober-
Verdichtungsverhältnis, was mit einem flachen Kol- fläche ist eine Zelldichte des Katalysators von 200 bis
ben erreicht werden kann. Will man ein zur Wir- 300 cpsi (cells per square inch) notwendig. Mit stei-
kungsgradsteigerung notwendiges hohes Verdich- gender Zellenzahl nimmt neben der Oberfläche auch
tungsverhältnis (H > 11) erreichen, geht dies nur mit der Abgasgegendruck überproportional zu, was sich
Kolbenböden, die Aufbauten aufweisen. Dies führt negativ auf Maximalmoment und vor allem auf die
neben zusätzlichem Kolbengewicht aufgrund von Maximalleistung auswirkt. Dies kann teilweise durch
notwendigen Ventiltaschen zu zerklüfteten Brenn- einen größeren Katalysatorquerschnitt kompensiert
raumoberflächen, deren vergrößerte Oberfläche wie- werden. Das Katalysatorvolumen muss aus diesen
der wirkungsgradnachteilig ist. Gründen etwa 0,5 bis 0,8 l/l Hubvolumen aufweisen,
Moderne Motorradmotoren sind überwiegend als zum einen für eine ausreichende Konvektionsoberflä-
Mehrventilmotoren ausgeführt. Der größte Teil der che, zum anderen zur Minimierung des Abgasge-
Motoren besitzt Vierventilköpfe. Die Anzahl und gendrucks. Die Lage des Kat ist wichtig für das
Größe der Ventile gibt die Brennraumform weitge- schnelle Erreichen der Anspringtemperatur (Light-
hend vor. Es ergibt sich ein eher flacher, dachförmi- Off), Bild 8-113. Bei Motorradmotoren werden daher
ger Brennraum, der mit kleinen Ventilwinkeln recht wie beim Pkw die Katalysatoren in Zukunft vom
kompakt bleibt und ein akzeptables Oberflächen- Schalldämpfer näher an den Motor rücken. Die
Volumen-Verhältnis aufweist. Zellenzahlen der Katalysator werden auf 400 cpsi
Mit flachen Kolben und geringen Ventiltaschen lassen steigen.
sich Verdichtungsverhältnisse von etwa H = 12 errei-
chen. Mit größeren Ventiltaschen kann das Verdich- Gemischaufbereitung
tungsverhältnis bei thermodynamisch befriedigenden Ein betriebswarmer Katalysator kann bei exakter Ein-
Brennräumen bis circa 13,5 gesteigert werden. haltung eines stöchiometrischen Gemisches (O = 1)
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 407

Start
Wird der Motor in kaltem Zustand gestartet, liegen
gleich mehrere ungünstige Bedingungen vor:
x Die Lambda-Sonde ist noch kalt und nicht be-
triebsbereit.
x Die ECU kann nur mit den Motortemperaturdaten
eingespeicherte Einspritzwerte vorsteuern. Eine
Regelung ist noch nicht möglich.
x Alle Motorbauteile sind kalt.
x Die Kraftstoffverdampfung im Ansaugtrakt ist
stark eingeschränkt, was zu einer starken Wand-
filmbildung führt. Das Gemisch muss daher in der
Kaltstartphase stark angefettet werden, um ein
Anspringen des Motors sicherzustellen. Wichtig
ist, die Anfettung mit zunehmender Motortempe-
ratur und betriebsbereiter Lambda-Sonde schnell
aufO = 1 zurückzufahren.
x Der Katalysator ist noch kalt.
x Solange der Katalysator eine Temperatur unter-
halb von 250 °C hat, ist keine beziehungsweise
nur eingeschränkte Abgaskonvertierung möglich.
Beschleunigung/Verzögerung
Im normalen Fahrbetrieb ist die genaue Einhaltung
des Kraftstoff-Luft-Gemischs wegen des im Ver-
gleich zum Automobil wesentlich dynamischeren
Motorverhaltens außerordentlich schwierig. Die ge-
ringe Schwungmasse der Motorradmotoren führt zu
sehr großen Drehzahlgradienten, die die Ermittlung
der zum Einspritzzeitpunkt wirklich vorliegenden
Drehzahl erschweren. Zudem zeigt die Lambda-
Sonde immer nur den Zustand des vorherigen Zyklus
an, weshalb die ECU grundsätzlich etwas nacheilt.
Bild 8-113 Motornahe Kat-Position (Kawasaki ZX Würde man nur mit den Kennfeldwerten und der
10R, Yamaha R1) Lambdaregelung arbeiten, würde der Motor bei
plötzlicher Beschleunigung immer ausmagern und
beim Übergang in die Schubphase überfetten. Neben
bis 98 % der Schadstoffe in CO2 und Wasser konver- Fahrbarkeitsproblemen ergäben sich auch Nachteile
bei der Abgaskonvertierung. Um diese Unzulänglich-
tieren. Die Schwierigkeit besteht in der genauen
keiten zu minimieren, enthält die ECU Funktionen
Einhaltung von O = 1, die eine Regelung der Ge-
zur Beschleunigungsanreicherung, die den jeweiligen
mischaufbereitung und damit eine elektronisch ge-
Fahrzustand und den Fahrerwunsch (Änderungsgra-
steuerte Einspritzanlage unverzichtbar macht. Nur so
dient der Gasgriffstellung) berücksichtigen.
kann auf Schwankungen des Lambdas schnell rea-
Die Euro-3-Abstimmung bringt einige Zielkonflikte
giert werden. Als Regelgröße dient das Signal der
mit sich:
Lambda-Sonde, die den Sauerstoffgehalt im Abgas
dedektiert. x Die zunehmende Zellenzahl erhöht die aktive
Die Motorsteuerung oder ECU (electronic control Katalysatoroberfläche aber auch den Abgasgegen-
unit) wertet das Signal der Lambdasonde aus und druck, was die Verbesserung der Volllastleistung
versucht mit der Einspritzmenge ein stöchiometri- erschwert.
sches Gemisch einzuregeln. Stationär funktioniert x Die für ein schnelles Anspringen des Katalysators
dies sehr gut, wenn der Regelalgorithmus auf das notwendige motornahe Lage des Kat kann zu gro-
Ladungswechselsystem abgestimmt ist. ßen Überhitzungsproblemen in der Hochdrehzahl-
Zwei Betriebszustände des Motorrades weichen volllast oder in Schubphasen mit Gemischanrei-
jedoch stark vom idealen Stationärbetrieb ab: cherung führen.
x Lambda1-Betrieb und Schubabschaltung führen in
x Start (Kaltstart, Heißstart, Wiederholstart) Niedriglastbereichen und in Lastwechselphasen
x Beschleunigung/Verzögerung. zur Verschlechterung der Fahrbarkeit.
408 8 Motoren

ECU-Applikationsstrategie und ihre Ziele mals verstärkt. In den Niedriglastphasen kann eine
Veränderung des Drosselklappenwinkels von 1° eine
1. Möglichst schnelle Katalysatoraufheizung Vervielfachung der anliegenden Leistung bedeuten.
auf Betriebstemperatur Für den Leerlauf und den leerlaufnahen Bereich kann
eine Bestückung mir einer zweiten Drosselklappe
Ziel ist es, hohe Abgastemperaturen in der Kaltstart-
oder einem Bypass-System helfen, die Fahrbarkeit zu
und Warmlaufphase zu erreichen, um alle wärmeauf-
verbessern.
nehmenden Bauteile und im Speziellen den Katalysa-
In Zukunft werden, wie beim Automobil, E-Gas-
tor schnell zu erwärmen. Dazu kann beispielsweise
Systeme Einzug halten. Beim E-Gas-System entfällt
sehr spät gezündet werden, was eine späte und ver-
die mechanische Verbindung von Gasgriff und Dros-
schleppte Verbrennung mit sich bringt, die teilweise
selklappe. Mit dem Gasgriff wird ein Potentiometer
bis in die Ausschiebephase hinein verläuft. Zusätzlich
den Fahrerwunsch aufnehmen und ans Steuergerät
wird für die erste Kaltstartphase ein sehr fettes Ge-
(ECU) weitergeben. Dort wird die Information verar-
misch eingestellt, dass die Verbrennung bis in den
beitet, mit der aktuellen Fahrsituation verglichen und
Auspuff hinein unterstützt. Zudem kann das fette
eine Stellinformation an eine elektronisch geregelte
Gemisch durch Lufteinblasung in den Abgastrakt
Drosselklappe weitergegeben. Ein solches System hat
nachverbrannt werden, was hohe Abgastemperatur-
viele Vorteile: Zum einen kann das „Ansprechverhal-
entwicklung im Katalysator zur Folge hat. Das Ge-
ten“ des Gasgriffs kennfeldmäßig abgelegt und ver-
misch wird dann mit einer Zeit- und Temperaturfunk-
ändert werden. Das heißt die Empfindlichkeit kann
tion in Richtung Lambda = 1 verstellt. Sobald der
last-, drehzahl- und geschwindigkeitsabhängig ange-
Katalysator mehr als 250 °C erreicht hat, kann im
passt werden. Im leerlaufnahen Stadtbetrieb, wo sich
O = 1-Betrieb bereits eine hohe Konvertierungsrate
bereits kleine Drosselklappenstellungsänderungen dras-
erreicht werden.
tisch auswirken, kann ein unempfindlicheres An-
sprechverhalten eingestellt werden, was die Applika-
2. Möglichst lange und genaue Einhaltung von O = 1 tion auf gute Fahrbarkeit deutlich erleichtert. Bei
Die Abgasnachbehandlung mit einem neuen und höheren Geschwindigkeiten und Lasten kann ein
betriebswarmen Katalysator kann bei einem Verbren- schnelles Ansprechverhalten eingestellt werden, was
nungsluftverhältnis O = 1 über 97 % der schädlichen ein sportliches Fahrgefühl unterstützt. Auch zu
Abgaskomponenten in CO2 und Wasser konvertieren. schnelles Aufreißen der Drosselklappen, was durch
Eine solche Reduzierung ist mit verbrennungsverbes- nicht genügend schnelle Anpassung der Einspritz-
sernden Maßnahmen nicht zu erreichen. Daher muss menge zu einem Verschlucken des Motors führt, kann
versucht werden, auch im dynamischen Betrieb das vermieden werden, indem die Drosselklappenöff-
Lambda bei 1 zu halten. Bei Konstantfahrten ist dies nungsgeschwindigkeit an die Beschleunigungsanrei-
mit gutem Regelalgorithmus möglich. Schwierigkei- cherung angepasst wird. Zum anderen kann ein
ten gibt es beim Kaltstart, Leerlauf und in Beschleu- E-Gas-System in sicherheitsrelevante Systeme wie
nigungsphasen, wo eine Anreicherung erfolgen muss, eine Schlupf- oder Wheelie-Kontrolle eingebunden
um eine gute Fahrbarkeit zu realisieren. Für diesen werden. In den Top-Rennserien Moto GP und Super-
Kompromiss muss die Beschleunigungsanreicherung bike werden solche Systeme bereits sehr erfolgreich
deshalb sehr sorgfältig abgestimmt werden. eingesetzt.

Verdunstungsemissionen
3. Schubabschaltung
Zukünftig werden wie in Kalifornien auch in den
In Schubphasen mit geschlossener Drosselklappe soll restlichen Staaten der USA und in Europa nicht mehr
keine Verbrennung mehr stattfinden. Es wird daher allein die Abgasemissionen limitiert werden. Das
angestrebt, den Kraftstoff bei Schub abzuschalten. System Motorrad wird dann ganzheitlich betrachtet.
Der Übergang von Fahrbetrieb zu Schubbetrieb und Das heißt auch die Kraftstoff-Emissionen, die durch
umgekehrt ist allerdings ein sehr sensibler Bereich. die Tankoberfläche, den Tankverschluss, die Schläu-
Im Niedrigstlastbereich ist die Entflammung und che und alle kraftstoffgängigen Bauteile abgegeben
Verbrennung träge. Bei einer Hochleistungsausle- werden, müssen minimiert werden.
gung mit großer Überschneidung kann es leicht zu Schon heute gibt es in Kalifornien Grenzwerte für die
Zyklen mit sehr schlechter Verbrennung oder gar Verdunstungsemissionen. Ermittelt werden die Emis-
Aussetzern kommen, was sich in Motorruckeln äu- sionen im SHED-Test. Die SHED-Kammer ist eine
ßert. In engen Kehren mit geschlossener Drosselklap- kohlenwasserstoffdichte Kammer (SHED = Sealed
pe erzeugt das Wiedereinsetzen der Kraftstoffein- Housing for Evaporative Detection), in die das
spritzung einen Schlag und bringt so Unruhe ins Motorrad zum Test eingeschlossen wird, Bild 8-114.
Fahrverhalten. Durch Hochleistungsdrosselklappen Mit einem festgelegten Testprozedere werden unter-
mit großen Durchmessern wird diese Tendenz noch- schiedliche Fahrzeugzustände erzeugt und die dann
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 409

Bild 8-114 SHED-Prüfstand

Start
Befüllung des Tanks auf
Kraftstoff ablassen 50 % des Nennvolumens
und neu befüllen Testkraftstoff: Indolene
max. 60 min oder Phase 2 CARB-Sprit
Vorkonditionieren auf Phase 1 + 2 des FTP 75
Rollenprüfstand (Kaltstart + stabilisierte Phase)
max. 5 min
Kalt-Abstellphase 12 bis 36 Stunden

Kraftstoff ablassen Befüllung mit abgekühltem


und neu befüllen Kraftstoff (ca. 15 °C)

Aufheiz-Phase im SHED: Dauer: 1 Stunde; separate


HC-Emissionen aufgrund von Heizkissen für Kraftstoff und
Temperaturschwankungen Dampf, jeweils 1 Thermoelement
0–60 min
Phase 1 + 2 des FTP 75
Kaltstart-Abgastest
(Kaltstart + stabilisierte Phase)
10 min
Heißstart-Abgastest Phase 1 des FTP (Heißstart)
max. 7 min
Heiß-Ausdünstungspahse
1 Stunde
in SHED-Kammer

Ende Bild 8-115 Ablauf


SHED-Prüfung

anfallenden Verdunstungen gemessen. Der Grenzwert Geräuschlimits für Motorräder


liegt bei 2 g/Test.
Motorräder > 175 cm3
In Bild 8-115 ist der Ablauf einer SHED-Prüfung Zukünftige
schematisch beschrieben. 86 dBA 86 dBA
Grenzwerte
83 dBA
8.3.3.2 Geräuschemissionen 80 dBA 80 dBA
76–77 dBA

Seit 1986 sind die Grenzwerte für die Motorradge-


räuschemissionen sukzessive abgesenkt worden. Die-
ser Trend wird sich fortsetzen, auch wenn derzeit der 1984 1988 1990 1993 2006 2009–2011 ?

genaue Termin für die Einführung neuer Grenzwerte


und die exakte Definition der dann verschärften Bild 8-116 Entwicklung der Geräuschgrenzwerte seit
Messbedingungen noch nicht feststeht, Bild 8-116. 1984
410 8 Motoren

Photocell
Radar
Mic. left

7m 10 m 10 m 7m

0m
Mic. right Bild 8-117 Geräuschmess-
strecke

Das derzeitige Messverfahren zur Bestimmung der dur erkennt und beispielsweise die zweite elektro-
Geräuschemission ist wie folgt definiert, Bild 8-117: nisch angesteuerte Drosselklappe bei Durchfahrt der
x 20 m lange und 15 m breite Messstrecke (ISO- Teststrecke soweit geschlossen hat, dass die Be-
Asphalt) schleunigung und die damit verbundene Geräusch-
x 2 Mikrophone im Abstand von 7,5 m links und entwicklung niedrig ausfiel. Das Ansauggeräusch war
rechts neben der Messstrecke durch die weitgehend geschlossene Klappe zusätzlich
x Einfahrt in die Messstrecke mit konstant 50 km/h stark gedämmt. Im realen Fahrbetrieb war das Ge-
x Volllast-Beschleunigung ab 50 km/h im 2. und räuschniveau höher.
3. Gang Zusätzlich zur Änderung des Messverfahrens werden
x Geräuschlimit: 80 dBA. die Grenzwerte für die Geräuschemission von 80 dB
auf vermutlich 76 b i s 77 dB gesenkt. Sowohl die
Beim Standgeräusch gibt es keine Grenzwerte für neuen Limits als auch das verschärfte Verfahren wird
straßenzugelassene Fahrzeuge. Es wird im Abstand bei allen Motorradherstellern sehr großen Entwick-
von 0,5 m in 45° zur Auspuffmündung gemessen und lungsaufwand nach sich ziehen.
die Werte eingetragen, Bild 8-118. In Zukunft werden Mündungsgeräusche (Ansaug-
Das neue Geräuschmessverfahren für die beschleu- und Auspuffgeräusch) stark gedämpft werden müs-
nigte Vorbeifahrt, das vermutlich im Zeitraum 2009 sen. Es wird sehr schwierig werden, dies ohne
b i s 2011 Pflicht wird, ist eng an das oben genannte Leistungs- und Drehmomentverluste zu erreichen.
bisherige Verfahren angelehnt. Entscheidender Un- Die Schalldämpfervolumina werden dafür erheblich
terschied ist die Beschleunigungsphase. Bisher frei- größer ausfallen müssen. Auch die Airbox wird
gestellt, wird die Beschleunigungsphase in der Mess- größer werden, um die Amplituden der Druckpulsati-
strecke durch das Leistungsgewicht des Motorrades onen abzuschwächen. Die Mündungen der zur hohen
vorgegeben. Die notwendige Kurve zur Bestimmung Leistungsausbeute notwendigen geradlinigen, groß-
der Zielbeschleunigung wird zurzeit noch bei den volumigen Ansaugwege müssen dann entweder ver-
europäischen Fachgremien der EU diskutiert. Mit deckt angebracht werden, mit Resonator-Elementen
dieser Maßnahme versucht der europäische Gesetz- versehen sein oder mit Variabilitäten wie Klappen-
geber, Manipulationen durch Geräuschtesterkennung systeme ausgestattet werden.
seitens der Hersteller auszuschließen. Diese Maßnahmen werden in den meisten Fällen aber
In der Vergangenheit konnte nicht ausgeschlossen nicht ausreichen, um die Grenzwerte zu unterschrei-
werden, dass ein Steuergerät die Geräuschmessproze- ten. Zudem treten bei sehr niedrigen Mündungsgeräu-
schen die Motorgeräusche in den Vordergrund. Klap-
pern, Rasseln, Mahlen und Scheppern des Motors
0,
5 mindern das Qualitätsempfinden. Deshalb müssen
≥3

auch die Geräuschemission des Motors und der


45+

Kraftübertragung, das Abrollgeräusch und die Ge-


räuschabstrahlung der angeregten Bauteile im Ver-
≥3 gleich zu heute deutlich reduziert werden.

≥3 Mechanische Motorgeräusche sind:


≥3

x Kolbenkippen
x Steuertrieb (Zahnräder, Ketten, Spanner)
x Ventiltrieb (Ventilaufsetzen, Tassenstößel,
Bild 8-118 Randbedingungen für die Standge- Schlepphebel)
räuschmessung x Primärtrieb
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 411

x Getriebegeräusche (Zahnflankenspiele) rein das Fahrzeuggewicht auf mindestens 98 kg


x schwingende Motorflächen beschränkt. Verbleites Benzin ist verboten. Die Moto-
x Vibrationen rentechnik ist sehr speziell auf höchste Leistungsaus-
x freie Massenkräfte beute über die gesamte Renndistanz, geringes Ge-
x freie Massenmomente wicht, gute Integrierbarkeit ins Chassis, Abstimmbar-
x Verbrennungsgeräusch keit und Adaptierbarkeit an die jeweilige Strecke,
x Kettenschlagen auf die Schwinge Fahrer und meteorologische Verhältnisse ausgelegt.
x Einlaufgeräusche (Ritzel, Kettenrad) Es werden wassergekühlte Ein- und Zweizylinder-
x Schallleitwege Zweitaktmotoren, mit oder ohne elektrischer bezie-
x Motorschwingungen (Motorordnung oder Vielfa- hungsweise pneumatischer Auslasssteuerung ver-
che) werden auf Anbauteile übertragen, die dann wendet. Die Zylinderanzahl ist durch das Reglement
den Schall abstrahlen. begrenzt und beschränkt sich in der 125er Klasse auf
Die Akustiker beziehungsweise NVH-Techniker einen Zylinder (bis Ende der 1980er Jahre waren zwei
(NVH = Noise, Vibration, Harshness) müssen in Zu- Zylinder erlaubt) und in der 250er Klasse auf maxi-
kunft bereits früh in die Konstruktionsphase einge- mal zwei Zylinder.
bunden werden, um in enger Zusammenarbeit mit den 125er Maschinen erreichen eine Leistung von über
Strukturfestigkeitsrechnern Schwingungsamplituden 50 PS, 250er von über 100 PS, beide bei circa
in den einzelnen Bauteilen zu minimieren. Mögliche 13.000 min–1 und überdrehen bis zu 14.200 min–1.
Schallleitwege können frühzeitig vermieden, unter- Damit werden Spitzengeschwindigkeiten, je nach
brochen oder gedämpft werden. Rennstrecke, von bis zu 240 km/h (125er), bezie-
Zur Bestimmung der Einzelanteile der Geräuschquel- hungsweise 280 km/h (250er) erreicht, Bild 8-119.
len am Gesamtgeräuschpegel werden klassische In der 250er Klasse sind V- und zum Teil auch Rei-
Schallpegelmessungen am zu untersuchenden Bauteil henanordnungen (derzeit nur KTM) geläufig, wobei
bei Abdeckung der restlichen Bauteile durchgeführt. beim 2-Takt-Motor jeder Zylinder ein eigenes, abge-
Zur Unterstützung können moderne Messverfahren trenntes Kurbelgehäuse benötigt, „echte“ V-Motoren
wie die Array-Messtechnik, Laser-Vibrometer oder mit einem Hubzapfen für beide Pleuel sind demnach
die Holographie eingesetzt werden. Bei richtiger nicht möglich. Die Motorcharakteristik kann durch
Anwendung können auffällige Schallquellen sehr den, vom besten Massenausgleich abweichenden,
schnell geortet werden. Je nach untersuchtem Fre- Zündversatz der beiden Leistungseinheiten optimiert
quenzbereich kann das eine oder das andere Messver- werden. Geläufig sind heute bei 250er Rennmotorrä-
fahren erfolgreich sein. dern ein Zündzeitpunktversatz vom ersten auf den
zweiten Zylinder von 90° Kurbelwinkel.
8.3.4 Rennmotoren Die Kraftübertragung erfolgt mittels Mehrscheiben-
Trockenlamellenkupplung (besserer Wirkungsgrad
8.3.4.1 125 und 250 2T für GP als Ölbadkupplung) über klauengeschaltete Sechs-
In diesen beiden Klassen – Kategorien 125 ccm und gang-Kassettengetriebe (Auswechseln der einzelnen
250 ccm werden Prototypen und deren in Kleinserien Gangabstufungen beziehungsweise Übersetzungsver-
aufgelegten Replikas eingesetzt. hältnisse sind ohne Ausbau des Motors möglich) auf
In der 125er Klasse beträgt das maximal zulässige die Antriebskette und aufs Hinterrad. Die Wasser-
Fahrzeuggewicht plus dem Fahrer, inklusive komplet- pumpe ist elektrisch (weniger Reibverluste) oder
ter Fahrerbekleidung, 136 kg. In der 250er Klasse ist mechanisch über die Kurbelwelle angetrieben. Das

Bild 8-119 GP 250 Rennmaschine (Aoyama)


412 8 Motoren

Kurbelgehäuse ist oft in einem Teilbereich ebenfalls Motors auf. Zudem ist dieses System ein gutes Ab-
wassergekühlt. Alle Motoren haben heute Aus- stimmungsinstrument, um die Fahrbarkeit des Motors
gleichswellen, um die Motorvibrationen drastisch zu beim Öffnen des Gasschiebers im Grenzbereich am
reduzieren. Dies ist notwendig, weil die Motoren als Kurvenscheitel beziehungsweise beim Herausbeschleu-
mittragende Elemente starr mit den Aluchassis ver- nigen aus der Kurve zu verbessern. Der Einlass erfolgt
schraubt sind. Rahmenrisse und den Fahrer störende über eine Airbox. In dieser ist der oder sind die Verga-
Vibrationen an Lenkerstummeln und Fußrasten wären ser untergebracht. Die Airbox baut geschwindigkeits-
ohne Ausgleichswellen die Folge. abhängig einen Staudruck auf, der die Füllung verbes-
Die Gemischaufbereitung erfolgt über einen bezie- sert und den Motor auflädt.
hungsweise zwei (250er Klasse) Schiebervergaser und Der Zündzeitpunkt wird variabel, abhängig von
zusätzlicher, elektronisch gesteuerter Benzinzuführung Drehzahl, Schieberstellung und zum Teil auch von
vor oder nach dem Vergaser mittels eines Magnetven- anderen Einflussgrößen über ein Kennfeld variiert.
tils (Power Jet) oder Einspritzdüse. Mit dieser zusätzli- Dies wird mittels einer elektronischen, frei program-
chen Abstimmungsmöglichkeit kann der Motor über mierbaren Zündanlage realisiert.
den Vergaser bewusst leistungsoptimiert eingedüst Eine Datenerfassung, das sogenannte Data-Recor-
werden, weil in kritischen Lastzuständen dem mager ding, zeichnet im Fahrbetrieb die wichtigsten Mess-
abgestimmten Motor zusätzlicher Kraftstoff zugeführt daten auf, die zur Abstimmung und Verbesserung des
werden kann. Dies hilft Kolbenreiber beziehungsweise Fahrzeuges unerlässlich sind. Dazu gehören:
Klemmer zu vermeiden, die mit der mageren, leis-
tungsoptimierten Vergaserabstimmung unausweichlich x Geschwindigkeit
wären. Diese Probleme treten insbesondere bei hohen x Drehzahl
Drehzahlen und geringer Vergaserschieberöffnung, das x Gangerkennung
heißt, wenn wenig Verdunstungskühlung am Kolben- x Schieberstellung
boden und schlechte Gemischölversorgung an den x Auspuff und Wassertemperatur
Zylinderwänden vorliegt, oder auch beim Klopfen des x Airboxdruck und Temperatur

Als Beispiel ist in Bild 8-120 kurz der KTM V4-GP1 Motor beschrieben.
Bauart/V-Winkel –/° V4/75
Zündfolge – 1-4-2-3
Kurbelwellenkröpfung ° KW 360
Zylinderabstand mm 94
Bohrung/Hub mm 84/44.6
3
Hubraum cm 989
Pleuellänge mm 96.5
Ventile/Zylinder – 4
E/A Ventilflächenverhältnis – k. A.
Verdichtungsverhältnis – 14 : 1
Gemischaufbereitung 2 Einspritzdüsen/Zylinder
Ventiltrieb Schlepphebeltrieb, pneumatische Ventilfeder
Steuertrieb Rädertrieb
Kühlung Querstrom-Wasserkühlung
Schmierung Integrierte Trockensumpfschmierung
Getriebe 6-Gang-Kassettengetriebe
Massenausgleich 95 % Ausgleich osz. Kräfte 1. Ordnung mit Gegengewichten an
Kurbelwangen und gegenläufig rotierende Ausgleichsräder,
100 % Ausgleich Momente 1. Ordnung an den Ausgleichsrädern
Kupplung Trockenkupplung
Motormanagement McLaren Electronics
Motorgewicht kg 58
Bild 8-120 Daten des KTM V4-GP1 Motor
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 413

x Kurbelraumtemperatur
x Vorder- und Hinterraddrehzahl (Schlupf)
x diverse Chassis und Fahrwerksdaten.

8.3.4.2 GP1
Die MotoGP Klasse geht von folgenden Randbedin-
gungen aus:
x ausschließlich Prototypen mit einem Hubraum
von maximal 990 ccm
x Motorradgesamtgewicht:
2- und 3- Zylinder-Motoren – 135 kg
4- und 5- Zylinder-Motoren – 145 kg
ab Sechszylindermotoren – 155 kg
x Saugmotoren
x maximal Tankinhalt 24 Liter, 2005 – 22 Liter.

Bauweise
Die im Sandgussverfahren hergestellten Motorgehäu- Bild 8-122 Dreifach gelagerte Kurbelwelle
sehälften, Bild 8-121 aus G AlSi7MgCu 0.5 sind
horizontal geteilt. In dieser Teilungsebene befindet Zugankern des Kurbelgehäuseoberteils zu einer stei-
sich auch die Lagerung der Abtriebswelle des Getrie- fen Anbindung der Bedplate-Konstruktion. Somit
bes. Das Gehäuseoberteil ist als Closed-Deck- können im Volllastbetrieb die Spitzen in den Flächen-
Konstruktion ausgeführt und vereint die gewünschte pressungen, die Spannungen und die spezifischen
Leichtbauweise mit den Anforderungen an die erhöh- Lagerdeformationen verringert werden.
te Struktursteifigkeit. Die Zylinderlaufflächen sind Die konstruktionsgerechte Umsetzung der Forderung
gemäß den hohen tribologischen Beanspruchungen nach integrativen Lösungen wurde im Gehäuse mit
nikasilbeschichtet. Pro Zylinderbank sorgen sechs der Wasserführung im V der Zylinderbänke realisiert.
Zuganker für die Verbindung Zylinderkopf/Gehäuse- Korrespondierend zu diesen Konstruktionsmerkmalen
oberteil. wurde im Unterteil das Gehäuse – Ölabsaugpumpen,
Aufgrund der hohen Spitzenverbrennungsdrücke und Öldruckpumpe und mechanischem Öl/Luft – Zentri-
der hochdrehzahlkonzeptbedingten Massenkräfte fugalabscheider eingebaut. Ein weiteres motorradspe-
sorgt eine Bedplate-Konstruktion in Verbindung mit zifisches Merkmal ist das angegossene Getriebege-
einer Doppelverschraubung für eine Anpassung an häuse mit integrierten Lagerstühlen, wobei die Aus-
die erhöhten Belastungen. Vorrangiges Ziel ist die führung als Schnellwechselgetriebe für den Renn-
steife Ausführung der Hautlagergasse und die direkte sport vorausgesetzt wird.
Führung der Kraftlinien von Zylinderkopf über die Das Kernstück des Triebwerks, Bild 8-122 bildet die
dreifach gelagerte, aus dem Vollen bearbeitete Kur-
belwelle mit vier Gegengewichten und gasnitrierten
Haupt- und Pleuellagern. Aufgrund von gasdynami-
schen Vorteilen in der Gesamtabstimmung von Ein-
und Auslasssystem wurde eine Kurbelwellenkröpfung
von 360° vorgesehen. Die hervorragende Biege- und
Torsionssteifigkeit und der am Triebwerk konsequent
betriebene Leichtbau gewährleistet eine hohe Eigen-
frequenz und ist die Grundlage für das Hochdreh-
zahlkonzept.
Der Ausgleich der Massenkräfte und Momente er-
folgt über Unwuchten an den Kurbelwangen und
zusätzlichen zwei Ausgleichsrädern an den Seitenflä-
chen des Kurbelgehäuses. Mit dieser Anordnung
werden die Massenkräfte 1. Ordnung zu 95 % und die
Massenmomente 1. Ordnung zu 100 % ausgeglichen.
Bei Betrachtung der ersten beiden Ordnungen ist die
Gesamtbelastung für die Motoraufhängungspunkte
Bild 8-121 Schnitt durch das Kurbelgehäuse des vergleichsweise geringer als beim Vier-Zylinder-Rei-
KTM V4-GP1 henmotor, Bild 8-123.
414 8 Motoren

Gesamtkraft über Kurbelwinkel (V4/75 Var_30) Gesamtkraft über Kurbelwinkel (Reihe4)


6000 6000

5000 5000
Gesamtkraft [N]

Gesamtkraft [N]
4000 4000

3000 3000

2000 2000

1000 1000

0 0
0 90 180 270 360 0 90 180 270 360
Kurbelwinkel [Grad] Kurbelwinkel [Grad]

FMAG vorne FMAG hinten unten FMAG hinten oben FMAG vorne FMAG hinten unten FMAG hinten oben

Bild 8-123 Belastung Motoraufhängung

dichten Durchtritt der Kühlwasser- und Ölströme. Die


obere Lagerung der beiden Nockenwellen pro Zylin-
derbank erfolgt direkt durch die aus Aluminium
gefräste Zylinderkopfhaube. Diese konstruktive Lö-
sung ermöglicht eine äußerst steife Nockenwellenla-
gerung und eine kompakte Bauweise.
Der hohe Anspruch an die Genauigkeit des nachzu-
bildenden kinematischen Ventilhubes und die Forde-
rung nach Einhaltung der Steuerzeiten im dynami-
schen Betrieb resultiert in der mechanischen Ausfüh-
rung des Steuertriebs als Zahnradtrieb, Bild 8-125.
Die konzeptionelle Festlegung des Ventiltriebs und
die sich daraus ergebenden Möglichkeiten in der Ge-
staltung der Ventilbeschleunigungen führen zu hohen
dynamischen Belastungen. Die ausgeführte Wahl der
Untersetzungsstufen, zusammen mit steifer Zahnrad-
Bild 8-124 Zylinderkopf konstruktion und in Verbindung mit der Gehäuseaus-
führung, ermöglicht den Betrieb bis 18.000 U/min
Der Zylinderkopf, Bild 8-124 wird im Sandgussver- mit respektablem Sicherheitsabstand zu den System-
fahren aus G AlSi7MgCu 0.5 hergestellt. Er ist als eigenfrequenzen. Die Anregung kommt aus der 1. und
Vierventilkonzept mit zentraler Zündkerzenposition 3. Motorordnung der Nockenwellenmomente. Die
konzipiert. Die zwei Nockenwellen werden dreifach
gleitgelagert und zusätzlich durch ein Nadellager ab-
gestützt. Der Antrieb der mechanischen Kraftstoff-
druckpumpe wird über die Auslassnockenwelle inte-
griert. Der Ventilsitzring und die Ventilschaftführung
werden aus Kupferberyllium hergestellt. Die Forde-
rung nach einem kompakten, verbrennungsoptimier-
ten Brennraum, hoher Verdichtung und maximal
möglicher Ausnutzung von Ventilquerschnitten, führ-
ten zu einer leicht radialen Anordnung der Ventile.
Die Integration der Pneumatikfeder erfolgt über
angegossene Zylinder und Druckleitungen zur lecka-
gebedingten Versorgung mit Stickstoff und zur Be-
reitstellung des geforderten Systemdruckes. Die La-
gerung der Schlepphebel wird über eingeschraubte
Lagerböcke gewährleistet. Die Funktionen der Zylin-
derkopfdichtung übernehmen gasgefüllte Stahlringe
zum Brennraum hin und zusätzlich O-Ringe für den Bild 8-125 Steuertrieb als Zahnradtrieb
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 415

Einheit Einlass Auslass


Ventil g 19,25 17
Ventilkeile g 0,45 0,45
Einstellplättchen g 0,85 0,85
Pneumatikkolben g 6 5,35
oszillierender Schlepphebelanteil g 8,46 8,46
Gesamtmasse oszillierend g 35,01 32,11
Ventilhub mm 14,5 12,1
2
Maximale Ventilbeschleunigung mm/rad 77 62
Öffnungsdauer bei 1 mm Hub °KW k.A k.A

Bild 8-126 Kenngrößen des Ventiltriebes

erste Dreheigenfrequenz des Systems liegt bei circa


1.150 Hz, was bei einer Anregung der 3. Motor-
ordnung einer Motordrehzahl von 23.000 U/min
entspricht.
Als uneingeschränkt geeignetes Steuerungskonzept
für den Ladungswechsel wurde, korrespondierend zu
den Hochdrehzahlanforderungen eines Rennmotors,
der Ventiltrieb als Schlepphebeltrieb mit pneumati-
scher Ventilfeder ausgeführt (Abbildung). Im Vorder-
grund stand einerseits die freie Gestaltung des kine-
matischen Ventilhubverlaufs zur Optimierung des
Liefergradverhaltens und andererseits die mechani-
sche Robustheit des Systems.
Die Realisierung der gewünschten Ventilbeschleuni-
gungen und des dynamischen Verhaltens des Ventil-
triebs resultieren in einer konsequenten Massenredu-
zierung der Einzelkomponenten. Die Ventile und die
Pneumatikkolben wurden aus Titan, die Ventilsitze
und die Ventilführung aus Kupferberyllium gefertigt.
Die oszillierenden Massen und wesentliche Kenngrö-
Bild 8-127 Pneumatiksystem der Ventilsteuerung
ßen des Ventiltriebs sind in Bild 8-126 abgebildet.
Der Einsatz von pneumatischen Ventilfedern redu-
ziert entscheidend die bewegte Gesamtmasse bei Zur Optimierung des tribologischen Verhaltens des
gleichzeitiger Optimierung des dynamischen Schwin- Ventiltriebs wurden Nockenwellen und Schlepphebel
gungsverhaltens. Des Weiteren ergeben sich Vorteile mit einer DLC Beschichtung versehen. Die Frisch-
in der Federkennlinienanpassung durch Variation des ölschmierung wird über Spritzdüsen, die den Kontakt
Pneumatikdrucks. Nockenwelle zu Schlepphebel versorgen, gewähr-
Das Layout des Pneumatiksystems ist in Bild 8-127 leistet.
dargestellt. Als Druckspeicher dient ein integrierter Die ausgeführte, integrierte Trockensumpfschmie-
Hochdruckbehälter (250 bar) im V der Zylinderbän- rung besitzt einen Druck- und einen Saugkreislauf.
ke, der über ein mechanisches 2-Stufenventil und ein Dieser, modular aufgebaute Pumpenstrang, besteht
Dämpfervolumen den Systemdruck (13 bar) für die aus einer Druckpumpe und zwei Saugpumpen aus
Pneumatikzylinder zur Verfügung stellt. Der Stick- verschleißfestem Aluminium und wird parallel zur
stoff wirkt hierbei wie eine pneumatische Ventilfeder. Kurbelwellenachse in der unteren Kurbelgehäusehälf-
Die konstruktionsbedingten Leckageverluste werden te verbaut.
vom Niederdrucksystem über Drosselquerschnitte Die Druckpumpe saugt Öl über einen Ansaugschnor-
hin zum Zylindervolumen ausgeglichen. chel vom Trockensumpf an und fördert es über das
416 8 Motoren

Öldruckregelventil, den Ölfilter und den Öl/Wasser- blechen in den Trockensumpf. Die abgeschiedene
wärmetauscher zu den Verbrauchern. Öldruckregel- Luft strömt zurück in die Airbox.
ventil und Ölfilter sind in „Cartridge“-Bauweise aus- Zur Einstellung des geforderten Unterdrucks im
geführt und können servicefreundlich ausgetauscht Saugkreislauf sind an den Zylinderköpfen Drossel-
werden. Die Verteilung erfolgt über ein Netz aus querschnitte angeordnet, die für die Belüftung sorgen.
getrennten Ölführungen, die verbrauchsabhängig mit Die Grundkonzeptionierung des Zylinderkopf-Kühl-
Drosselquerschnitten versehen wurden, um die Ölzu- kreislaufs ist als Querstromkühlung ausgeführt. Die
flussmengen zu optimieren. Um einen zuverlässigen Wasserführung des Zulaufs in den Zylindermantel
und vor allem gleichmäßigen Aufbau des Ölfilms in und der Ablauf aus den Zylinderköpfen ist gemäß den
den Haupt- und Pleuellagern zu gewährleisten, wer- zentralen Kernpunkten des Lastenhefts im V der Zy-
den diese getrennt voneinander mit Öl versorgt. linderbänke integriert. Die Durchtrittsquerschnitte
Dabei werden die Hauptlager von einer im V befind- und die weitere Wasserführung und Wassermantel-
lichen Ölgalerie, die Pleuellager und das Pleuelauge konstruktion ermöglichen eine Intensivkühlung der
zentral über eine Gleitringdichtung an der Kurbelwel- kritischen Bereiche im Zylinderkopf. Hier sind be-
le mit Schmieröl versorgt. Im Zylinderkopf werden sonders der Zündkerzenbereich und die Kühlung zwi-
zusätzlich zu den Nockenwellenlagerstellen auch die schen den Auslasskanälen zu erwähnen. Der Kreis-
Schlepphebelachsen und der Kontakt Nocke zu lauf im Rennmotorrad schließt sich über den Kühler
Schlepphebel über Spritzdüsen geschmiert. und die Wasserpumpe, die als Axial/Radialrad mit
Die Verringerung der Reibung im Getriebe erfolgt dreidimensionaler Schaufelgeometrie ausgelegt ist.
ebenfalls über gerichtete Spritzdüsen hin zum Zahn- Der Auslegungspunkt der Wasserpumpe wurde mit
flankeneingriff. 180 l/min und 2 bar Förderdruck bei Nenndrehzahl
Jeweils eine Saugpumpe evakuiert den geschlossenen festgelegt. Für die Drehzahlen des Fahrbereichs wurde
Kurbelraum des Zylinders 2/4, und des Zylinders 1/3 die Strömungsmaschine wirkungsgradoptimiert.
sowie die getrennte Absaugung der Zylinderköpfe 1/2 Die speziellen Anforderungen hinsichtlich Leistungs-
und 3/4, wobei die Ölrestmenge des Getrieberaums entfaltung und Leistungsausbeute im Motorradrenn-
drucklos in den Sumpf fließt. Dieses abgesaugte Luft- sport resultierten in der Anordnung von zwei Ein-
Öl-Gemisch wird auf der Druckseite der Saugpumpen spritzdüsen pro Zylinder, Bild 8-129. Die zylinder-
vereinigt. Eine zuverlässige Trennung der Luft aus selektive, liefergradspezifische Anpassung der Ge-
dem Öl erfolgt in zwei hintereinander geschalteten mischzusammensetzung ermöglicht eine größtmögli-
Abscheidern. Die erste Stufe, die im Pumpenstrang, che Freiheit in der Gesamtabstimmung und somit ein
Bild 8-128 integriert ist und von diesem angetrieben hohes Potenzial für die Erfüllung der Fahrbarkeitskri-
wird, ist als mechanischer Zentrifugalabscheider terien, die, abgesehen von einem „harmonischen“
konzipiert. Die vorab abgeschiedene Luft entweicht Volllastbereich, wesentlich auch durch dynamische
axial und wird in einem kleinen Zyklonabscheider Lastwechsel im Teillastbetrieb definiert sind.
nochmals von kleinen Öltropfen getrennt. Der radial Die elektromagnetisch gesteuerten Einspritzventile
aus der Zentrifuge entweichende, großteils „gereinig- von Magneti Marelli im Ansaugkanal sind in ihrer
te“ Ölstrom wird ebenfalls zur weiteren Feinabschei- Funktion vorwiegend im Leer- und Teillastbereich
dung der Luft in einen Zyklon geführt. Das entgaste abgestimmt. Sie ermöglichen die schnellere Anpas-
Öl gelangt nun über ein System von Schwall- sung der Gemischzusammensetzung bei Lastwech-
selvorgängen und im dynamischen Betrieb. Die „Top
Feed“-Einspritzdüsen über den Einlasstrichtern ho-
mogenisieren das Kraftstoff-Luft-Gemisch im Voll-
lastbetrieb und sorgen für eine wirkungsgradstei-
gernde Verbrennung und für gestiegene Leistungs-
ausbeute.
Ein Schaubild des Kraftstoffsystems, Bild 8-130
zeigt, dass der gefilterte Kraftstoff von einer elektri-
schen Förderpumpe und einem Zwischenbehälter mit
einem definierten Vordruck der mechanischen Hoch-
druckpumpe vorgelagert wird. Diese äußerst kom-
pakte Zahnradpumpe wird über die Auslassnocken-
welle der hinteren Zylinderbank angetrieben. Das
Druckregelventil reguliert den Einspritzdruck in der
aktuellen Entwicklungsstufe auf circa 12 bar.
Das Motormanagement wurde gemeinsam mit McLa-
ren Electronics entwickelt und ist speziell auf renn-
Bild 8-128 Pumpenstrang-Ölsystem sportorientierte Anforderungen abgestimmt. Neben
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 417

Bild 8-129 Drosselklappenkörper mit Einspritzleisten


den standardmäßigen Aufgaben der kennfeldgesteuer-
ten Einspritz- und Zündungssteuerung übernimmt die
ECU auch Datarecording, Traktionskontrolle und
Regelstrategien für die elektronische Pneumatikan-
steuerung.
Die Kurbelwellenkröpfung von 360 °KW und der 75°
V-Winkel favorisieren das System zweier getrennt
voneinander geführten zwei in eins Abgasanlagen,
Bild 8-131. Der Vorteil dieser Abgasführung liegt
einerseits in der Zielsetzung eines kompakten Packa-
ging am Motorrad und andererseits in strömungstech-
nischen und gasdynamischen Kriterien. Dabei verein-
facht die Symmetrie der Zündfolge pro Zylinderbank
wesentlich die Abstimmung des liefergradoptimierten
Gesamtsystems. Da die derzeit gültigen Bild 8-131 Abgasanlage des Rennmotorrads

Kraftstoff-Kreislauf

Drossel

Catch-Tank
(0,5 bar Vorförderdruck)
„Top feed“
Einspritzdüsen
Vorförderpumpe p
Niederdrucksensor

p Druck-Sensor

Filter T Temperatur-Sensor

Tank mech. Druckpumpe Feinfilter Hochdruckregler

Saugrohreinspritzdüsen
Sauglinie
Niederdrucklinie
Hochdrucklinie
Bypass

Bild 8-130 Prinzipdarstellung des Kraftstoffsystems


418 8 Motoren

nicht zuletzt wegen der ebenen Fahrbahn an. Es


werden Geschwindigkeiten von über 200 km/h mit
Leistungen über 150 PS (110 kW) gefahren.
Das Utility Segment kommt in den verschiedensten
Bereichen zur Anwendung, so sind dies zum Beispiel
Holzwirtschaft, Betreuung von Liften und Gasthäu-
sern in Wintersportorten, Transport von Unfallopfern
aus entlegenen Gebieten, und so weiter. Hier kom-
men von 40 PS (30 kW) luftgekühlten 2-Takt- bis hin
zu 100 PS (75 kW) wassergekühlten 4-Takt-Motoren
einige Konzepte zum Einsatz.

Bild 8-132 Kassettengetriebe mit Lagerschild 8.3.5.2 Wassermotorräder oder PWC


(Personal Water Craft)
Schalldruckpegelbeschränkungen von 130 dBA keine Wassermotorräder sind relativ kleine, aus glasfa-
Schalldämpfung notwendig machen, ist die Realisie- serverstärktem Kunststoff bestehende Wasserfahr-
rung geringster Druckverluste möglich. zeuge ohne Bordwand für den Personentransport für
Die Kupplung ist als Lamellentrockenkupplung aus- eine Person – stehend und sitzend – oder zwei bis vier
geführt. Die „trockene“ Arbeitsweise schließt eine Personen, sitzend, für Binnen- und Küstengewässer.
zusätzliche Temperaturerhöhung und Abriebver- Das Wasserfahrzeug wird mit einem Verbrennungs-
schmutzung des Öls aus. motor betrieben. Der Vortrieb und die Steuerung des
Die Getriebeeinheit, die als austauschbares Kasset- Fahrzeuges erfolgt durch einen Wasserstrahlantrieb,
tengetriebe dimensioniert wurde, verfügt über einen die sogenannte Jet-Pumpe. Der Motor hat kein manu-
sequentiellen Sechsgang-Mechanismus. Anders als ell schaltbares Getriebe. Wassermotorräder sind stark
bei den herkömmlichen Motorradgetrieben befinden motorisiert (teilweise bis 164 kW), sehr wendig und
sich die Schaltelemente nur auf der Abtriebswelle. können hohe Geschwindigkeiten erreichen (bis zu
Die Schaltgabeln greifen hier in die angetriebenen 140 km/h).
Schaltmuffen ein und stellen den Formschluss der Als Antrieb wurde zu Beginn zum Beispiel bei Sea-
einzelnen Gangstufen sicher. Alle Getrieberäder sind Doo von BRP/Rotax eine Ableitung des Schlitten-
auf Nadellagern gelagert. Hierbei war es möglich, die motors verwendet. Die verschärfte Abgasgesetzge-
bewegten Massen für den Schaltvorgang zu reduzie- bung hat jedoch auch hier nach der Entwicklung eines
ren und somit verkürzte Schaltzeiten zu erreichen, 4-Takt-Motors verlangt.
Bild 8-132. Der Bootsmotor R-1503 entstammt der Rotax 4-TEC
Baureihe. Motoren dieser Baureihe werden in ver-
8.3.5 Sonderanwendungen schiedenen Segmenten des Freizeitbereichs, etwa in
8.3.5.1 Schneemobil Booten, Motorschlitten, All-Terrain-Vehicles und Mo-
torrädern eingesetzt. Sie besitzen eine Vielzahl von
Als eine der ältesten Sonderformen für Freizeitan-
Gleichteilen und gleichen Techniken. Die 4-TEC-
wendung sind die etwa in den 1920er Jahren in den
Motoren sind leichte, leistungsstarke Antriebsaggre-
USA erfundenen Motorschlitten oder Schneemobile,
gate mit kurzhubiger Auslegung, Vierventiltechnik,
oft auch Ski-Doo genannt, was allerdings ein Be-
Flüssigkeitskühlung, Benzineinspritzung und innova-
griffsmonopol ist. 1922 baute Joseph-Armand Bom-
tiven, an die jeweiligen Marktsegmente angepassten
bardier das erste Schneemobil „Ski-dog“, das durch
technischen Details. Bei dem Motor R-1503 handelt
einen typografischen Fehler zu „Ski-Doo“ wurde. Bei
es sich um einen Dreizylindermotor mit einem Hub-
deren Motorisierung handelt es sich zumeist um
raum von 1.500 cm3. Er erfüllt alle ab 2006 weltweit
Zweitaktmotoren, da deren Leistungsgewicht bis
für Boote geltenden Abgas- und Geräuschvor-
heute unerreichbar scheint.
schriften.
Wie auch bei den Motorrädern gibt es mehrere Seg-
mente beziehungsweise Anwendungen. Das wichtigs-
Motorkonzept
te ist das Mountain Segment. Wie der Name schon
sagt, wird mit diesen Schlitten in den Bergen, speziell Motoren von Aufsitzbooten sind im Inneren des
im Tiefschnee, gefahren. Hier spielt das Gewicht, das Boots längs eingebaut. Die Kurbelwelle treibt über
auf den vorderen Kuven ruht, eine entscheidende eine Abtriebswelle die Jetpumpe des Bootsantriebes
Rolle. In diesem Segment werden Leistungen von direkt an, Bild 8-133. Durch die dynamische Fahr-
120 PS (88 kW) und darüber angeboten. weise der Boote kommt es zu extremen Schräglagen
Der sogenannte Laker ist ein Schlitten, mit dem lange von bis zu 45° zur Seite, aber auch nach hinten und
gerade Strecken mit möglichst hoher Geschwindig- vorn, so dass die Anforderungen an die Funktion des
keit bewältigt werden. Zugefrorene Seen bieten sich Ölkreislaufs wesentlich von denen für Straßenfahr-
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 419

In Bild 8-134 sind die wichtigsten geometrischen


Größen des Motors zusammengefasst. Bild 8-135
zeigt den Längs- und Querschnitt des Motors.
Die folgenden konstruktiven Merkmale charakterisie-
ren den Motor:
x Zylinderkopf, Kurbelgehäuseoberunterteil und
Auspuffkrümmer aus Aluminium
x SOHC-Nockenwelle mit Antrieb über Einfachrol-
lenkette, vier Ventile je Zylinder
x Betätigung über Aluminium-Rollenkipphebel mit
hydraulischem Ventilspielausgleich
x Kurbelgehäuseoberteil aus Druckguss mit einge-
gossenen Rauhgusslaufbuchsen
Bild 8-133 Außenkontur des Motors wird durch das x Kurbelgehäuseunterteil aus Lost-Foam-Guss mit
Boot bestimmt integriertem Trockensumpföltakt
x geschmiedetes Stahlpleuel mit bruchgetrennten
zeuge abweichen. Das Ölsystem des Motors R-1503 großem Pleuelauge
wurde darauf abgestimmt. x gewichtsoptimierter Kolben mit geringer Feuer-
Auch ein Roll-over des Boots (Bootsüberschlag) steghöhe, bestückt mit drei Kolbenringen
muss berücksichtigt werden: Der Motor bleibt öldicht x Ausgleichswelle zur Kompensation der Momen-
und ist anschließend startbar. Durch die dynamische tananregungen erster Ordnung
Fahrweise dringt außerdem Wasser durch die Belüf- x Kunststoffsaugrohr mit integrierter Flammen-
tungskanäle ins Bootsinnere ein (bis zu 70 Liter), was sperre
bei der Auslegung des Absaugsystems sowie der x Ölabscheidermodul aus Aluminium mit integrier-
Kolben-Zylinderlaufbahnpaarung zu berücksichtigen ter Lenzpumpe, Öleinfüllstutzen und Blow-by-
ist. Der gesamte Motor ist marinisiert ausgeführt Abschaltventil
(Stecker, Motorsteuerung, Schrauben, Aluminium- x frischwassergekühlter Auspuffkrümmer.
Gussmaterialien). Das Package des Motors orientiert
sich an der vorgegebenen, ergonomischen Kontur des Zylinderkurbelgehäuse
Fahrzeugs. Aus diesem Grund wurden die Zylinder
um 19° zur Auslassseite geneigt. Das Zylinderkurbelgehäuse ist aus Aluminium zwei-
Die Leistungsentfaltung des Motors folgt der Charak- teilig ausgeführt. Die Trennebene von Ober- und
teristik der Jetpumpe für den Bootsantrieb. Die ma- Unterteil liegt auf Kurbelwellenmitte. Das Oberteil in
ximale Drehzahl beträgt 7.300/min, das maximale Open-Deck-Bauweise wird im Druckgussverfahren
Drehmoment wird, passend zum Jet-Antrieb, erst bei aus AlSi9Cu3 hergestellt. Um eine prozesssichere
7.000/min zur Verfügung gestellt. Weitere Anforde- Gießbarkeit zu gewährleisten, wurde darauf geachtet,
rungen an den neuen Motor ergaben sich aus den möglichst wenige Funktionen zu integrieren. Dage-
Coast-Guard Bestimmungen. So darf die Oberflä- gen wurde für das Unterteil das Lost-Foam-Gussver-
chentemperatur auch des Abgassystems maximal fahren gewählt und Ölführungskanäle, der Trocken-
90 °C betragen, was zu einem „nassen“ Auspuff- sumpföltank und die Trennung der Kurbelkammern
system führte. integriert.

1,5 l-Motor
Hubraum [cm3] 1439,8
Bohrung [mm] 100
Hub [mm] 63,4
Hub-Bohrungsverhältnis [-] 0,634
Zylindermittenabstand [mm] 110
Pleuellänge [mm] 120
Verdichtungsverhältnis [-] 10,5
Ventiltrieb 4V SOHC, Rollenkipphebel
Ventilwinkel/Einlass/Auslass [°] 17/18
Ventildurchmesser Einlass/Auslass [mm] 38/31
maximaler Einlassventilhub [mm] 10
Einlass öffnet [°KW vor OT] 10
Einlass schließt [°KW nach UT] 45
maximaler Auslassventilhub [mm] 9,4
Auslass öffnet [°KW vor OT] 50
Auslass schließt [°KW nach UT] 5 Bild 8-134 Leistungsdaten
Ventilüberschneidung [°KW] 15 des Motors R-1503
420 8 Motoren

Bild 8-135 Quer- und


Längsschnitt des Motors
R-1503

Bild 8-137 Kurz bauender Zylinderkopf


Bild 8-136 Oberteil des Zylinderkurbelgehäuses

Das Lost-Foam-Verfahren ermöglicht zudem opti-


mierte Wandquerschnitte zur Verringerung des Ge-
wichts, eine Minimierung der Bearbeitungs- und
Montageoperationen sowie präzise und gleich-
bleibende Qualität der Gussteile. Als Werkstoff wird
aus Festigkeitsgründen AlSi10Mg(Cu) verwendet,
Bild 8-136.

Zylinderkopf
Der Vierventil-Zylinderkopf wird aus einer Alumini-
um-Silizium-Legierung im Schwerkraft-Kokillenguss
hergestellt. Zur Homogenisierung des Materialgefü-
ges und Festigkeitssteigerung wird das Gussteil einer
nachfolgenden Wärmebehandlung unterzogen. Der
einteilige Zylinderkopf ist mit der längs einsteckbaren
Nockenwellenkonstruktion sehr kostengünstig herzu-
stellen, Bild 8-137. Bei der gesamten Motorkonstruk-
tion wurde auf ein Minimum an Dichtfugen und
Leckagemöglichkeiten geachtet. Das Design des Bild 8-138 Steuertriebsseite des Zylinderkopfs
Kettenkastens ist hierfür beispielhaft, denn es ver-
meidet Dreiwege-T-Fugen zwischen Zylinder, Zylin- geringer Bauhöhe, Bild 8-139. Die Nockenwelle wird
derkopf und Steuertriebdeckel, Bild 8-138. im Schmiedeverfahren aus dem Werkstoff C53F her-
gestellt und längs in den Zylinderkopf eingesteckt.
Ventiltrieb Die Ventilbetätigung erfolgt pro Zylinder über zwei
Das dargestellte Konzept des Ventiltriebs bietet die Rollenkipphebel für die Auslassventile und einem ge-
Möglichkeit eines Gleichteilekonzepts für Ein- und gabelten Rollenkipphebel für die beiden Einlassven-
Mehrzylindermotoren sowie einen wartungsfreien tile. Die Kipphebel sind aus Gewichts- und Kosten-
Ventiltrieb über die gesamte Motorlebensdauer bei gründen im Druckgussverfahren aus dem Werk-
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 421

telstrom für den geschlossenen Kühlkreislauf wird


von einer Wasserpumpe geliefert, die an der Stirnsei-
te des Steuertriebdeckels montiert ist und von der mit
Motordrehzahl laufenden Ausgleichswelle angetrie-
ben wird.
Das Wasserpumpengehäuse aus Kunststoff trägt den
87 °C Thermostat und alle Schlauchanschlüsse. Die
Wasserpumpe fördert das Kühlmittel durch einen im
Steuertriebdeckel eingeschlossenen Kanal in das
Zylinderkurbelgehäuse. Die Haupteinspeisung erfolgt
auf der Einlassseite des Motors; eine Nebenstromein-
speisung erfolgt über einen zusätzlichen Kanal an der
Auslassseite. Der Hauptstrom tritt an der Auslassseite
des Zylinderkurbelgehäuses durch kalibrierte Löcher
in der Metall-Zylinderkopfdichtung in den Zylinder-
kopf.
Um bei der hohen spezifischen Motorleistung eine
effiziente Kühlung im Zylinderkopf zu gewährleisten,
wird das Querstromprinzip angewendet. Oberhalb der
Einlasskanäle wird das Kühlmittel in einem eingegos-
senen Kanal gesammelt und zum Thermostatventil
Bild 8-139 Kompakter Ventiltrieb geleitet. Neben Temperatur-, Druck- und Durchfluss-
messungen wurde bei der experimentellen Entwick-
lung der Kühlwasserströmung auch die optische Ana-
stoff AlSi11CU2(Fe) hergestellt. Der Ausgleich des lyse mit Hilfe eines transparenten Rapid-Prototyping-
Ventilspiels wird durch hydraulische Ausgleichsele- Kopfes verwendet. Bei geschlossenem Thermostat-
mente vorgenommen, die am ventilseitigen Ende der ventil wird das Kühlmittel direkt der Saugseite der
Kipphebeln angeordnet sind. Die Nocken sind induk- Wasserpumpe zugeführt. Bei Erreichen der Schalt-
tiv gehärtet; ihre Auslegung wurde mit einem im Hause temperatur wird eine zunehmende Menge des Kühl-
entwickelten Berechnungssystem durchgeführt. mittelstroms über den patentierten, am Bootsrumpf
Die Berechnung des dynamischen Verhaltens der angebrachten Wasser/Wasser-Wärmetauscher zurück
Ventilfedern erfolgte mit dem Simulationsprogramm zur Wasserpumpe geleitet, Bild 8-140.
ITI-SIM. Optimiert wurde der Ventilhubverlauf im Die Anordnung des Motors im geschlossenen Boots-
Hinblick auf die Kontraktkraft zwischen Nockenwel- rumpf und die hohe spezifische Motorleistung ma-
le und Rolle des Kipphebels sowie die Aufsetz- chen einen Öl/Wasser-Wärmetauscher erforderlich,
geschwindigkeit. Der Schaftdurchmesser der ge- welcher am Kurbelgehäuseunterteil montiert ist und
wichtsoptimierten Einlass- und Auslassventile beträgt über einem Bypass-Strom mit Kühlmittel versorgt
6 mm. Je Ventil kommen zwei Ventilfedern zum Ein- wird. Um die in Aufsitzbooten zugelassene Oberflä-
satz, mit denen Ventilflattern bis zur Gesamtdrehzahl chentemperatur von maximal 90 °C nicht zu über-
8.500/min vermieden wird. schreiten, ist für das Abgassystem eine Wasserum-
Die Auslegung wurde am Komponentenprüfstand mantelung bis zum ersten Schalldämpfer erforderlich.
durch Messung der Ventilbewegung mit Hilfe eines Die Durchströmung dieses Kühlwassermantels erfolgt
Laser-Vibrometers experimentell überprüft. Um den mit Frischwasser (offener Kühlkreislauf) durch den in
hohen thermischen Belastungen der Auslassventile der Jetpumpe des Bootes gebildeten Staudruck. Ein
Rechnung zu tragen, werden Nimoni-Ventile einge- Teil des Frischwassers wird zusätzlich zur Kühlung
setzt. Die Lagerung der Kipphebel erfolgt auf einer der Auspuffgase in den ersten Schalldämpfer einge-
gemeinsamen Achse, die mit den Kipphebeln vor- spritzt.
montiert von oben auf den Zylinderkopf aufgesetzt
und vierfach verschraubt wird. Somit ist eine einfache Ölkreislauf und Kurbelgehäuseentlüftung
und prozesssichere Vormontage des Zylinderkopfs Die Betriebsbedingungen für Aufsitzboote beinhalten
möglich. Die Ölversorgung der hydraulischen Aus- Schwenklagen von 45° um alle Achsen bei voller
gleichselemente und der Nockenwellenlager wird Motorleistung sowie Roll-over (Bootsüberschlag).
über die Kipphebelachse bereitgestellt. Dabei darf kein Motorschaden entstehen und kein Öl
auslaufen. Für diese Bedingungen wurde ein speziel-
Kühlung
ler Trockensumpf-Ölkreislauf entwickelt, bei dem der
Der Motor verfügt über einen geschlossenen Kühl- Trockensumpf-Öltank im Unterteil des Kurbelgehäu-
kreislauf mit Thermostatregelung und einen offenen ses integriert ist. Die Kurbelkammern der einzelnen
Kühlkreislauf für die Auspuffanlage. Der Kühlmit- Zylinder sind vollständig abgeschlossen und mit dem
422 8 Motoren

Water temperature sensor


activates monitoring beeper and
limp home mode when temperature
Coolant exceeds 100 °C (212 °F)
tank
Blend hose from
cylinder head to
coolant tank
Water flows
Waterpump housing
to oil cooler
including thermostat
(operates at 87 °C/188 °F)
and waterpump impeller
Ride plate Water flows
(operates as to ride plate
radiator) Oil cooler

Water return
from oil cooler
Water return
from ride plate

Bild 8-140 Geschlossener


Kühlkreislauf

Kipphebelachse, den hydraulischen Ausgleichsele-


menten in den Kipphebeln und zu den Nockenwellen-
lagern. Blow-by-Gase werden mit dem Rückförderöl
aus den Kurbelkammern in den Öltank geleitet. Von
dort gelangen sie in ein speziell entwickeltes, paten-
tiertes Ölabscheidermodul (TOPS – Tip Over Protec-
tion System).
Dieses Modul beinhaltet einen Zyklonabscheider, den
Öleinfüllstutzen und ein elektromagnetisches Zwei-
wegeventil für den Blow-by-Kanal. Im elektrisch
stromlosen Zustand, bei Motorstillstand oder Roll-
over, verschließt dieses Ventil alle Leitungen aus dem
Öltank sowie den Blow-by-Kanal zur Airbox. Da-
durch wird Ölaustritt in das Ansaugsystem sowie
vom Tank in den Zylinderkopf und Steuertriebraum
Bild 8-141 Abgeschlossene Kurbelkammer zur verhindert. Mittels federbelasteter Ventilteller wird
Rückförderung des Öls im Falle eines defekten Ventils die Funktion des Öl-
kreislaufs gewährleistet. Im Anschluss an den Ölab-
scheider wird das Blow-by-Gas in den Ansaugtrakt
Öltank über einen eingegossenen Rückförderkanal
geleitet, das abgeschiedene Öl wird von einer Lenz-
verbunden, Bild 8-141.
pumpe über eine Drossel aus dem Zyklonabscheider
Die Rückförderung des Öls aus den Kurbelkammern
abgesaugt und zum Tank zurück gefördert. Die Ab-
in den Öltank erfolgt über die Pumpwirkung der
stimmung des gesamten Systems erfolgte am Schwer-
Kolben beim Aufwärtshub. Das Rücklauföl aus dem
punktprüfstand sowie an einem speziellen Roll-over-
Zylinderkopf wird über den Kettenschacht in einen
Prüfstand.
abgeschlossenen Raum im Steuertriebdeckel geleitet
und von dort mittels einer Lenzpumpe in den Öltank Ansauganlage
zurück gefördert. Die Saugstelle der Druckölpumpe
Bei der Entwicklung des Ansaugsystems waren fol-
befindet sich zentral im Öltank. Die Druckölpumpe
gende Kriterien zu berücksichtigen:
selbst ist im Steuertriebdeckel montiert und wird über
die Ausgleichswelle angetrieben. x minimaler Druckverlust zur Erreichung der gefor-
Der Ölfilter sitzt ebenfalls im Steuertriebdeckel und derten Leistung
ist von der Sitzöffnung des Bootes gut erreichbar. x Vermeiden von Wasseransaugung aus dem Boots-
Von der Hauptölgalerie aus werden die Spritzdüsen innenraum – auch für den Fall eines mehrmaligen
zur Kolbenkühlung und die Kurbel- und Ausgleichs- „Roll-overs“
wellenlager versorgt. Eine gedrosselte Steigleitung x Integration einer Flammensperre (Flame Arrestor)
führt zum hydraulisch gedämpften Kettenspanner, zur in den Einlasssammler (Plenum) zur Vermeidung
8.3 Motorradmotoren/Sondermotoren 423

x Kurbelwellenantrieb mit Kerbverzahnung und


beweglichem Abtriebslager und Dichtungseinheit
x Druckölpumpe und Ölfilter
x Absaugstelle des drucklosen Öls vom Zylinder-
System with
integrated water kopf und Steuertriebraum.
separator
Die Forderung der Integration aller Komponenten
stellt hohe Anforderungen an die Konstruktion, er-
möglicht aber eine extrem kurze Baulänge des Motors.
Besonders erwähnt werden muss die bewegliche
Abtriebsdichtung, die auf der Abtriebswelle gelagert
ist und Auslenkungen von r5° zulässt. Die Wartungs-
freiheit der Kerbverzahnung auf der Abtriebswelle
wird durch die Versorgung mit Schmieröl gewähr-
Bild 8-142 Ansaugsystem mit integriertem Wasser- leistet. Eine integrierte Schneckenförderung auf der
abscheider Abtriebshülse verhindert einen Ölstau in der Dich-
tungseinheit und minimiert so das Risiko durch Ölaus-
von Flammenaustritten in den Bootsinnenraum tritt.
nach US-Coast-Guard-Bestimmungen
Elektronische Motorsteuerung
x Einhaltung der gesetzlichen Geräuschbestimmun-
gen und Optimierung der subjektiv empfundenen Für die Erfüllung zukünftiger Abgasvorschriften, Re-
Qualität des Ansauggeräuschs hinsichtlich des duzierung des Benzinverbrauchs, spezieller Leis-
Kriteriums Sportlichkeit. tungsanforderungen und eines optimalen Ansprech-
verhaltens des Motors über den gesamten Drehzahl-
Die Airbox befindet sich im vorderen Bereich des und Lastbereich wurde in Kooperation Continental
Boots unterhalb der Lenkstange. Von dort wird die Automotive (ehemals: Siemens VDO Automotive)
Luft unterhalb der Einlassabdeckung angesaugt, die eine kompakte Motorsteuerung entwickelt.
als Spritzwasserschutz dient. Das patentierte Zwei- Die Kenndaten des Motorsteuerungssystem sind:
kammersystem der Airbox wurde im Hinblick auf
Akustik und Wasserabscheidung optimiert, Bild x 16-bit-μ-Controller
8-142. Dazu wurde in zwei standardisierten Tests das x Flash-Speicher
kontinuierliche Ansaugen von Wasser und das einma- x CAN- und K-Linie-Kommunikationsschnittstelle
lige Ansaugen einer größeren Wassermenge (Was- x Aktive-Anti-Klopfregelung
serschwall) stimuliert. Durch Abscheidelamellen wird x sequentielle Multipoint-Benzin-Einspritzung
bei voll geöffneter Drosselklappe die sichere Abschei- x zylinder-sequentielle Berechnung der Vorzündung
dung eines Schwalls von zwei Liter Wasser erreicht. x aktive Leerlaufregelung
Abgeschiedenes Wasser wird über Ablassventile in x Lastberechnung aus Kombination von Ansaug-
den Bootsinnenraum geführt. Von der Airbox gelangt unterdruck und Drosselklappenposition
die Ansaugluft über einen Verbindungsschlauch zur x integrierte Wegfahrsperre
Drosselklappe, die sich seitlich am zweischalig reib- x Startüberwachung (Vermeidung eines Startvor-
geschweißten Einlasssammler befindet. Lamellenför- ganges bei laufendem Motor)
mige Drahtgestrickgitter und gelochtes Stützblech x elektronische Drehzahlüberwachung.
dienen der Vermeidung einer Flammenausbreitung im Alle zylinderspezifischen Funktionen werden kurbel-
Ansaugsystem (Flammensperre) und begünstigen die wellensynchron abgearbeitet. Sämtliche Eingangsgrö-
Zerstäubung angesaugten Wassers. ßen werden von hochintegrierten elektronischen Bau-
steinen erfasst. Die Ansteuerung der externen Kompo-
Steuertriebraum nenten erfolgt durch integrierte Hochleistungsend-
stufen. Die Funktionalität dieser Motorsteuerung ent-
Der Steuertriebraum beinhaltet folgende Komponen-
spricht dem Automotive Standard und übertrifft diesen
ten und Funktionen:
sogar in einzelnen Bereichen. Die Überwachung des
x Nockenwellenantrieb mittels Hülsenkette Tip Over Protection Systems (TOPS) stellt dabei eine
x Ausgleichwellenantrieb über geradverzahnte spezielle Marineanforderung dar: Das Motorsteuer-
Zahnräder gerät verarbeitet die Informationen eines Bootslage-
x Antrieb der Drucköl- und Wasserpumpe von der sensors und schließt im Falle eines Überschlags das
Ausgleichswelle Roll-over-Ventil, um Ölaustritt zu verhindern.
x Starterzahnkranz mit Startergetriebe Das Motorsteuerungssystem überwacht außerdem die
x AC-Generator Funktion der elektrischen Komponenten und sorgt bei
x Geberrad für die Motorsteuerung mit Induktiv- Ausfall eines Sensorsignals mit einem Notlauf für eine
sensor sichere Weiterfahrt. Das Motorsteuergerät und der
424 8 Motoren

ger Anbauteile, wie etwa des Kunststoff-Einlass-


sammlers, wurden rechnerisch oder experimentell mit
Hilfe eines Laser-Scanning-Vibrometer optimiert,
Bild 8-143.
Mit Hilfe dieser Maßnahmen erreicht der Motor
Schallleistungen von 106 dB(A) bei 6.000/min und
110 dB(A) bei 7.300/min. Er liegt damit etwa
10 dB(A) unter den im Markt befindlichen Zwei-
Takt-Bootsmotoren im Bereich guter Vierzylinder-
Automobilmotoren.
Den Drehmoment- und Leistungsverlauf über der
Drehzahl zeigt Bild 8-144 im Vergleich zu dem
stärksten Zweitakt-Sea-Doo-Antrieb. Mit dem Motor
R-1503 ergeben sich daraus für das Sea-Doo GTX
4-Tec Boot eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h
und eine Beschleunigung von 0 bis 61 (200 ft) in
4,9 Sekunden.
Bild 8-143 Oberflächenschnelle des Kunststoff-Ein-
lasssammlers Literatur
Apfelbeck, L.: Wege zum Hochleistungs-Viertaktmotor. Stuttgart:
gesamte Motorkabelbaum werden motorfest montiert. Motorbuch Verlag, 1997
Dadurch kann der Motor lauffertig und getestet zur Hütten, H.: Motorradtechnik. Stuttgart: Motorbuch Verlag,1998
Nepromuk, B. und Janneck, U.: Das Schrauberhandbuch. Bielefeld:
Bootsmontage geliefert werden. Die Verbindung zur Delius Klasing, 2006
Bootselektrik erfolgt über einen einzigen Stecker. Stoffregen, J.: Motorradtechnik. Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2010

Motorakustik
Die akustischen Anforderungen bezüglich subjektivem
8.4 Kreiskolbenmotor/Wankelmotor
Klangeindruck und gesetzlichen Bestimmungen für 8.4.1 Historie
Boote (Vorbeifahrtest bei maximaler Geschwindigkeit
Die Geschichte des Kreiskolbenmotors ist untrennbar
beziehungsweise 70 km/h) wurden von Beginn der verbunden mit dem Namen FELIX WANKEL, daher
Motorenentwicklung an berücksichtigt. Bereits die trägt er ebenfalls die Bezeichnung Wankelmotor. Am
Wahl eines Dreizylinder-Reihenmotors unterstützt 13. August 1902 erblickte er im badischen Lahr das
durch die Ausbildung der 1,5ten Motorordnungen einen Licht der Welt, war Zeit seines Lebens von Maschi-
sportlichen Klangcharakter. Durch die Anordnung des nen fasziniert, genoss jedoch nie eine technische Aus-
Generators sowie des Nocken- und Ausgleichswellen- bildung. WANKEL war kein abstrakt denkender Wis-
antriebs auf der Abtriebsseite wirken diese Komponen- senschaftler, sondern ein Tüftler, mit einem höchst
ten als Schwungmassen und reduzieren die Dreh- distanzierten Verhältnis zur Mathematik: „Mich stö-
schwingungseinleitung in den Bootsantrieb. ren die Formeln.“ Dennoch wurde WANKEL der Vater
Besonderer Wert wurde auf die Struktursteifigkeit der des Kreiskolbenmotors.
Bauteile gelegt. So wurde durch die Integration des 1954 entsteht der erste, für ein Fahrzeug vorgesehene
Öltanks in das Kurbelgehäuseunterteil ein sehr steifer Viertaktmotor mit kreisenden Kolben. Ihr Debüt gibt
Motor geschaffen. Auch die Steifigkeiten großflächi- die Wankel-Konstruktion als Ladegebläse für einen

Drehmoment R-1503

Drehmoment 2-Taktantrieb

Leistung R-1503

Leistung 2-Taktantrieb

Bild 8-144 Drehmoment-


und Leistungsverlauf des
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000 R-1503 im Vergleich zum
Drehzahl [1/min]
Zweitaktantrieb
8.4 Kreiskolbenmotor/Wankelmotor 425

Zweitaktmotor mit 50 Kubikzentimeter Hubraum und nehmern baut allein Mazda einen nunmehr ausgereif-
nimmt 1956 an einem Weltrekord teil: Mit dem NSU- ten Kreiskolbenmotor in das Sportcoupé RX-7 ein.
Motor von NSU erreicht der „Baumm’sche Liege- Bei den Motorradherstellern bleibt die britische Firma
stuhl“, eine Stromlinien-Zigarre auf zwei Rädern, Norton für die heimischen Polizeimaschinen beim
eine Geschwindigkeit von 196 km/h. Wankel-Prinzip. Aber Wankel baut nicht nur für die
1957 läuft der erste Kreiskolben-Verbrennungsmotor Auto- und Motorradindustrie.
im Labor und wird von der Fachwelt als revolutionäre 1976 treibt ein 220 kW/299 PS starker Kreiskolben-
Entwicklung gefeiert. Der Versuchsmotor DKM 54, motor das Motorboot ,,Zisch“ mit über 100 km/h über
den WANKEL gemeinsam mit NSU entwickelt, läuft den Bodensee.
im Februar 1957 gleichmäßig und minutenlang. Nach 1978 gelingt Wankel die Abdichtung des neuartigen
konstruktiven Änderungen bis Ende 1957 leistet der Zweitakt-Drehkolben-Motors DKM 78, der im Ver-
250 Kubikzentimeter große Motor 29 PS bei gleich zum herkömmlichen Viertakt-Kreiskolbenmo-
17.000 U/min, kurzzeitig werden sogar 22.000 U/min tor (KKM) bei kleinerem Bauvolumen bedeutend
registriert. Vier dieser Motoren werden gebaut, einer mehr leistet und weniger verbraucht.
steht heute im Deutschen Museum. Zusammen mit Am 9. Oktober 1988 stirbt der Ehrendoktor der TH
dem Geschäftsmann Ernst Hutzenlaub gründet Wan- München Dr. h.c. FELIX WANKEL nach langer Krank-
kel die Patentverwaltungsgesellschaft Wankel GmbH. heit in Heidelberg. Die Mazda Motor Corporation
Damit ist Wankel einer der wenigen Erfinder, der von versichert, weiterhin Motoren ohne Ventile und Pleuel
Beteiligungen an den Lizenzeinnahmen bis zu seinem nach dem Wankel-Prinzip zu bauen. Das Versprechen
Tode sorgenfrei leben kann. haben die Japaner gehalten. Seit 1961 hat Mazda
1958 steigt der amerikanische Hersteller von Flugzeug- mehr als zwei Millionen Kreiskolbenmotoren ge-
triebwerken CURTIS WRIGHT bei Wankel ein und baut baut – die meisten für den Sportwagen RX-7. Der
in Lizenz Kreiskolben-Flugzeugmotoren. Die ersten moderne Renesis-Motor treibt den Mazda RX-8 an.
Autos mit Kreiskolbenmotoren erscheinen 1960 als
„Versuchs-Prinzen“ von NSU auf deutschen Straßen.
8.4.2 Generelle Funktionsweise
1963 feiert das erste Wankel-Serien-Auto, ein NSU eines Kreiskolbenmotors
Spider, auf der Internationalen Automobil-Ausstel-
lung in Frankfurt seine Premiere. Sein Kreiskolben- Der Kreiskolbenmotor unterscheidet sich in seiner
motor schöpft aus einem Kammervolumen von Funktionsweise grundlegend von allen konventionel-
500 Kubikzentimeter 37 kW/50 PS. Ein Jahr später len Verbrennungsmotoren. Bei herkömmlichen Hub-
geht der Motor in die Serienproduktion. kolbenmotoren wird eine translatorische Bewegung
1967 erscheint mit dem Mazda Cosmo das erste in eine Drehbewegung an der Kurbelwelle umgesetzt.
Wankel-Auto mit Zweischeiben-Motor. An dem einen Ende befindet sich der Brennraum, am
1968 baut NSU den Ro 80 mit Zweischeiben-Motor, anderen die Kurbelwelle. Die Auf- und Abbewegun-
1,0 Liter Kammervolumen und 81 kW/110 PS. Die gen sowie die Drehungen der Kurbelwelle erzeugen
180 km/h schnelle frontgetriebene Limousine ist zwar starke Schwingungen, die durch ein Massenschwung-
ungewöhnlich laufruhig, aber recht reparaturanfällig. rad ausgeglichen werden müssen. Ein weiterer Nach-
Anfang der 1970er Jahre stehen die Lizenzinteressen- teil sind die vielen beweglichen Teile des Hubkol-
ten bei Wankel Schlange. Wankel schließt Verträge benmotors, die stark beansprucht werden und hohen
mit Daimler Benz und VW, Rolls Royce und Porsche, Abnutzungen ausgesetzt sind.
General Motors und Ford, Nissan, Mazda und Yama- Diese Nachteile weist der Kreiskolbenmotor nicht auf.
ha, Toyota, American Motors, Krupp und allen grö- Der Kolben, oder auch Rotor genannt, ist beim Wan-
ßeren Motorradproduzenten. Die Lizenzgewinne sind kelmotor dreieckförmig, wobei seine drei gleich lan-
beträchtlich. gen Seiten konvex gewölbt sind. An seinen drei Schei-
1974 kommen die Schwierigkeiten. Zwar werden die telpunkten und an den Flanken, also an allen Berüh-
Probleme mit „Rattermarken“ auf den Gehäuse- rungsflächen, ist der Rotor so gegen das Gehäuse
Innenflächen und mit den Dichtleisten gelöst, doch abgedichtet, dass kein Gas von einer Arbeitskammer
die Erwartung, der Kreiskolbenmotor lasse sich preis- in die nächste überströmen kann. In die drei Eckkan-
günstiger produzieren als der Hubkolbenmotor, erfüllt ten sowie die Seitenflächen des Kolbens sind Dicht-
sich nicht. Steigende Kraftstoffpreise während der elemente eingelassen. Die Abdichtung eines Wankel-
ersten Energiekrise und verschärfte Abgasvorschrif- motors stellte lange Zeit ein gravierendes Problem dar.
ten in Amerika stoppen die Weiterentwicklung des Eine Reihe von Maßnahmen hat die Undichtigkeiten
Wankelmotors. General Motors und Daimler-Benz aber beseitigt. Dichtbolzen in Form von kurzen, zy-
geben weit gediehene Wankel-Projekte auf. Peugeot lindrischen Teilen, die mit kleinen Tellerfedern unter-
stoppt 1975 die gerade erst 1974 angelaufene Birotor- legt sind laufen an den Enden der Dichtleisten mit den
Produktion der Konzerntochter Citroën. Audi beendet seitlichen Dichtstreifen zusammen.
zwei Jahre später die Produktion des von NSU über- Der Kreiskolbenmotor ist ein innenachsiges System
nommenen Ro 80. Von allen ursprünglichen Lizenz- mit einer parallelachsigen Lage der Drehachsen
426 8 Motoren

zweier rotierender Drehkörper. Der Kolben rotiert im Zweischeiben-Wankelmotor ergibt sich durch die um
Stator, einem ovalen, in der Mitte leicht eingeschnür- 180 Grad versetzten Exzenter eine bessere Laufruhe
ten Gehäuse. Bei der Drehung des Kolbens liegen die als bei der Ausführung mit nur einem Kolben. Ein
drei Ecken ständig an der Gehäusewand an, wodurch Dreischeiben-Kreiskolbenmotor ist in der Laufruhe
der Mittelpunkt des Kolbens während der Rotation vergleichbar mit einem Achtzylinder-Hubkolbenmotor.
einen geschlossenen Kreis beschreibt. Durch dieses Aneinanderreihen mehrerer Motorzellen
Die Epitrochoide, die dem Kreiskolbenmotor zugrun- lassen sich mit geringem Bauaufwand bei kleinen
de liegt, kann auf verschiedene Arten erzeugt werden. Motorabmessungen große Leistungen verwirklichen.
Sie entsteht beispielsweise beim Abrollen eines Während ein normaler Viertakter für ein Arbeitsspiel
Kreises auf einem anderen Kreis mit doppeltem zwei Auf- und Abbewegungen des Kolbens braucht,
Radius. Dafür wird ein innerhalb des Abrollkreises schafft der Kreiskolbenmotor alle vier Takte bei einer
gewählter Punkt fortlaufend markiert. Der Radius des einzigen Umdrehung des Rotationskolbens. Un-
Grundkreises entspricht dem Abstand vom Mittel- wuchtkräfte treten fast nicht auf, da sich der Schwer-
punkt des Rotationskolbens zu einer seiner Ecken punkt des Kolbens in geringem Abstand um die
(erzeugender Radius = R). Der Abstand des gewähl- Drehachse bewegt und der Kolben somit dynamisch
ten Punktes (kurvenerzeugender Punkt) vom Mittel- ausgeglichen ist.
punkt des Abrollkreises entspricht der Exzentrizität.
Rollt der Abrollkreis innerhalb des Grundkreises ab, 8.4.3 Das Viertaktprinzip
entsteht eine Hypotrochoide. Liegt der Punkt auf dem Die Arbeitsweise des Kreiskolbenmotors entspricht
Umfang des Abrollkreises, entstehen entsprechend dem Viertakt-Ottomotor-Prinzip. Dadurch, dass die
Epi- oder Hypozykloiden. Der Abrollkreis kann auch drei Ecken des Rotors stets Kontakt zu den Sta-
über dem Grundkreis hängen, etwa wie ein innenver- torwänden haben, entstehen Hohlräume. Beim Um-
zahntes Hohlrad über einem außenverzahnten kleine- lauf des Kolbens bilden dessen drei Kanten mit der
ren Rad und ist somit dem innenachsigen Prinzip Gehäusewand drei Kammern (A, B, C) mit variablem
einer Rotationskolbenmaschine vergleichbar. Volumen, in denen jeweils während einer Kolbendre-
Die tatsächlich im Motor entstehende Trochoide hung ein vollständiger Viertaktprozess wie beim
entspricht jedoch nicht der mathematisch erzeugten Ottomotor mit Ansaugen, Verdichten, Zünden und
Kurve. Sie wird um ein kleines Maß nach außen Ausstoßen abläuft. Die Einlass- und Auslassöffnun-
verlegt, damit die Dichtleisten verschleißgünstiger gen in Form von Schlitzen werden während der
der Trochoidenkontur folgen können. Das Maß für Rotation vom Kolben selbst geöffnet und geschlos-
die Aequidistante entspricht dabei dem Radius der sen. Infolge der überlagerten Kreis- und Drehbewe-
abgerundeten Leistenkuppe. gungen des Kolbens ändern die sichelförmigen
Der Rotor bewegt sich im Gehäuse exzentrisch, und Kammern ihre Volumina. Es spielen sich somit in
zwar so, dass die drei Ecken des Rotors bei jeder den drei Kammern immer drei von vier Arbeitstakten
Drehung stets der Wand des Gehäuses folgen. Im gleichzeitig ab, und nach jeder vollen Kolbendrehung
Rotor selbst befindet sich ein Hohlrad mit Innenver- hat der Motor dreimal den kompletten Viertakt-
zahnung, das sich auf einem am seitlichen Motorge- Ottoprozess durchlaufen.
häuse befestigten Zahnrad abwälzt. Diese Verzahnung
ist nötig, damit sich der Rotor während der Drehung 1. Takt (Ansaugen)
ständig über seine Innenverzahnung auf dem fest Sobald eine Rotorecke beim Vorbeistreichen den
stehenden Zahnrad abstützen kann und dabei gleichzei- Einlassschlitz freigibt, strömt das Benzin-Luft-Ge-
tig eine Drehbewegung auf die Exzenterwelle ausübt. misch in die nachfolgende Kammer, das Kammer-
Zwischen den drei Flanken des Rotors und der Innen- volumen vergrößert sich durch die Bewegung des
fläche des Gehäuses entstehen somit drei Arbeitsräu- Rotors.
me, deren Rauminhalt sich während einer Rotorum- 2. Takt (Verdichten)
drehung ständig ändert. Diese Funktionsweise macht Bei der weiteren Drehung des Rotors verringert sich
Kurbelwelle und Ventile überflüssig; die einzigen be- das Volumen der Kammer, in der sich das Gemisch
wegten Teile sind der Drehkolben und die Exzenter- befindet, wodurch das Kraftstoff-Luft-Gemisch in ihr
welle. Diese Merkmale führen zu einem geringen Ge- komprimiert wird.
wicht und der geringen Einbaugröße des Wankel-
motors. 3. Takt (Zünden)
Der Läufer ist das krafterzeugende, die Exzenterwelle Das verdichtete Gemisch wird gezündet. Durch die
das kraftabgebende Teil bei einem Kreiskolbenmotor. Verbrennung dehnt sich das Kraftstoff-Luft-Gemisch
Die Exzenterwelle ist vergleichbar mit der Kurbel- aus und dreht den Kolben, der wiederum die Exzen-
welle des Ottomotors. Kolbenhohlrad und fest ste- terwelle antreibt.
hendes Ritzel haben ein Verhältnis der Zähne von 4. Takt (Ausstoßen)
3 : 2, der Kolben dreht sich also mit zwei Drittel der Die erste Dichtleiste des Läufers streicht am Auslass-
Winkelgeschwindigkeit der Exzenterwelle. Bei einem schlitz vorbei und gibt ihn frei. Dieses Arbeitsspiel
8.4 Kreiskolbenmotor/Wankelmotor 427

Der Renesis ist eine weiterentwickelte Version des


Kreiskolbenmotors MSP-RE (Multi-Side-Port Rotary
Engine), den Mazda in dem Konzept-Sportwagen
RX-01 erstmals auf der Tokio Motor Show 1995 der
Öffentlichkeit vorstellte. Der Renesis unterscheidet
sich in wesentlichen Konstruktionsmerkmalen grund-
legend von herkömmlichen Kreiskolbenmotoren. Die
Auslasskanäle, die bei konventionellen Kreiskolben-
motoren üblicherweise auf dem Trochoidgehäuse an-
gebracht waren, befinden sich in der Seitenwand des
Stators, Bild 8-146. Diese Anordnung vermeidet die
Bild 8-145a Schnittmodell des Mazda Renesis. Im unerwünschte Überlappung der Öffnung von Aus- und
Gegensatz zu herkömmlichen Kreiskolbenmotoren Einlasskanälen und erhöht dadurch den Wirkungsgrad
verfügt der Renesis über seitliche Ein- und Auslässe erheblich. Außerdem sind die Einlassöffnungen um
30 % größer und werden deutlich früher geöffnet als
in bisherigen Konstruktionen, Bild 8-147. Im Gegen-
vollzieht sich in allen drei Kammern gleichzeitig. Bei zug werden die fast doppelt so großen Auslass-
jeder vollen Umdrehung des Kolbens erfolgen somit öffnungen mit geringerem Strömungswiderstand spä-
drei Zündungen. Damit ist der Drehmomentverlauf ter freigegeben, was zu einem längeren Auslasstakt
eines Kreiskolbenmotors wesentlich gleichförmiger führt und eine deutlich verbesserte Wärmebilanz zur
als bei einem Einzylinder-Ottomotor, bei dem ledig- Folge hat.
lich eine Zündung pro zwei Kurbelwellenumdrehun-
gen stattfindet.

8.4.4 Der Kreiskolbenmotor


des Pkws Renesis
Trotz seiner bekannten Vorteile hat im Automobil-
bereich nur der japanische Hersteller Mazda am
Prinzip des Kreiskolbenmotors festgehalten. Das
moderne Triebwerk kommt im Sportwagen RX-8
zum Einsatz und trägt die Bezeichnung „Renesis“,
Bild 8-145a + b. Dieser Name setzt sich zusammen
aus der Abkürzung für Rotary Engine RE und der
Schöpfungsgeschichte „Genesis“ und soll exempla-
risch erhellen, dass Mazda die bekannten Konstrukti-
onsformen des Kreiskolbenmotors neu konzipiert und
revolutioniert hat. Bild 8-146 Anordnung der Auslasskanäle

Motor Renesis im RX-8


Variante STD-Power High-Power
Typ Rotationskolben, 2 Rotoren
Hubraum 654 cm3 pro Rotor
Gemischaufbereitung Elektromagnetische Pumpe
Verdichtungsverhältnis 10 : 1
Zündung Vollelektronisch
Maximale Leistung 141 kW bei 7.000 min–1 170 kW bei 8.200 min–1
–1
Maximales Drehmoment 220 kW bei 5.000 min 211 kW bei 5.500 min–1
Kraftstoff Bleifrei 95 RON
Abgas-Norm Euro 4 Bild 8-145 b Daten
der Renesis-Motoren
Kühlung Wassergekühlt im Mazda RX-8
428 8 Motoren

dass sie ein Motorenleben lang an Ort und Stelle


Increased Intake Port Area
30 % increase problemlos festsitzen. Das ist Mazda jetzt gelungen.
Die Lauffläche des Stators besteht aus einer Chrom-
Molybdän-Legierung. Molybdän ist eines der weni-
gen Materialien, bei denen keine Rattermarken auf-
treten. Besonders in den Anfangsjahren waren diese
riffelartigen Verschleißerscheinungen auf der Lauf-
fläche durch Reibschwingungen der Scheitelleisten
eine symptomatische Schwäche des Kreiskolbenmo-
tors. Der Mantel selbst ist aus Aluminium gegossen.
Die Wand hinter der Lauffläche ist dickwandig zu
den Kühlwasser führenden Aussparungen hin ge-
staltet. Zusammen mit der massiven Verrippung führt
Bild 8-147 Einlassöffnungen das zu einer guten Steifigkeit in Längsrichtung. Die
Lauffläche wird von nur vier kleinen Löchern durch-
brochen: zwei für die Zündkerzen und zwei für die
8.4.4.1 Der Seitenauslass Ölzufuhr zu den Dichtleisten. Der Ölversorgung
Mazda setzt seitlich im Gehäuse platzierte Auslässe kommen gleich zwei Funktionen zu. Sie ist unver-
ein. zichtbar für die Schmierung und sichert gleichzeitig
Weder Einlass- noch Auslasskanal werden beim die Dichtigkeit. Das Öl zur Schmierung der Eck-
Renesis-Motor durch den Mantel, also vom Umfang kantendichtungen des Kolbens wird direkt auf die
her, geführt. Der Vorteil des Umfangseinlasses, die Innenwände des Verbrennungsraums aufgebracht.
hohe Leistung, wird durch seine Nachteile, die große Durch die Wahl von kurzen Ölwegen und geeigneten
Überschneidung und das Schieberuckeln, kompen- Düsen verbraucht der Renesis nur etwa halb so viel
siert. Dem stehen die Vorteile des Seitenauslasses, Öl wie herkömmliche Kreiskolbenmotoren. Die obere
keine Überschneidung von Ein- und Auslass, kein Zündkerze zündet durch einen Schusskanal, Bild
Schieberuckeln, bessere Gemischaufbereitung und die 8-148. Die untere Kerze sitzt im Druckausgleichs-
einfachere Ölabdichtung des Läufers gegenüber. Der punkt mit nahezu gleichem Druck zwischen den
Nachteil des geringeren Füllungsgrades lässt sich einzelnen Kammern und benötigt deshalb keinen
durch eine exakte Auslegung der Ansaugwege und Schusskanal.
Schlitzparameter kompensieren. Auf die Vorteile der
Seitenauslass-Technologie wies Hanns-Dieter Pasch- 8.4.4.2 Variable Ansaugsteuerung
ke, Ingenieur bei NSU, bereits Ende der 1950er Jahre und elektronische Drosselklappe
hin. Die Serieneinführung der Seitenauslasstechnik
wurde aber erst jetzt durch die Verwendung von Üblicherweise verfügen Kreiskolbenmotoren über je
Keramikportlinern möglich. Portliner sind keramische einen Auslasskanal außen auf dem Trochoidgehäuse.
Einsätze, die in der Gießerei in der Form positioniert Der Renesis jedoch ist mit zwei seitlichen Auslässen
und mit flüssigem Aluminium umgossen werden.
Grundstoff ist Aluminiumtitanat, die stöchiometrische
Mischphase von Aluminiumoxid und Titandioxid.
Wesentliche Eigenschaften des Materials sind die
niedrige Wärmeleitfähigkeit, sehr niedrige Wärme-
ausdehnungskoeffizienten und eine damit verbundene
sehr hohe Temperaturbeständigkeit sowie offene
Porosität. Für den Einsatz im Motorenbau von wesent-
licher Bedeutung ist seine Porosität. Sie resultiert aus
einer Besonderheit bei der Abkühlung, bei der kriti-
sche innere Spannungen entstehen, die zur Bildung
von mikroskopisch kleinen Rissen führen. Beim
Aufheizen heilen die Risse des Materials teilweise
wieder aus. Portliner werden beim Renesis-Motor zur
Auskleidung der seitlichen Auslasskanäle eingesetzt.
Weil Keramik Wärme schlecht leitet, wird nur ein
Bruchteil der Abgaswärme an die Seitenteile abgege-
ben. Sie wird vielmehr größtenteils in den außen
liegenden Auslasskanal mitgenommen. Die Idee klingt
simpel, aber bis dato war es nicht gelungen, hitzebe-
lastete Keramikteile in Eisenguss so zu verarbeiten, Bild 8-148 Schnitt durch den Motorblock
8.4 Kreiskolbenmotor/Wankelmotor 429

Current Peripheral Exhaust Side Exhaust

Rotor Rotor
Exhaust Exhaust
Port Port

Trochoid Trochoid

Unburned Gas Unburned Gas

Bild 8-149 Vorteil des Seitenauslass

pro Rotor ausgestattet, die jeweils einen doppelt so


großen Querschnitt wie herkömmliche Auslässe auf-
weisen. Diese Konfiguration verbessert nicht nur den
Fluss der Abgase, sondern erlaubt die verzögerte Öff-
nung des Auslasskanals. Die Einlassöffnungen wer-
Shutter Valve
den früher als bisher, die Auslassöffnungen dagegen
später freigegeben: Das Ergebnis sind ein verlänger-
ter Zündtakt und ein höherer thermischer Wirkungs- Bild 8-150 6PI-Geometrie (Six Port Induction)
grad – beides kommt der Verbrauchsminderung
zugute. peraturen hoch und verkürzt auf diese Weise die
Die Brennraummulde wurde im Vergleich zum Vor- Kaltlaufphase des zweistufigen Katalysators.
gänger vertieft, wodurch der Brennraum wesentlich Das neue flache Nass-Sumpf-Schmiersystem verfügt
kompakter ist. Außerdem wird durch den Seitenaus- über eine nur 40 mm tiefe Ölwanne. Das ist nur halb
lass im Renesis der Austritt unverbrannter Kohlen- so viel wie bei einem bisher üblichen Kreiskolbenmo-
wasserstoffe aus dem Brennraum in die Auslassöff- tor. Einer der großen Vorteile des Kreiskolbenmotors
nungen verhindert. Die Restgase werden vielmehr in ist die Tatsache, dass die Exzenterwelle höher liegt
den nächsten Verbrennungszyklus mit hinübergenom- als die Kurbelwelle eines Hubkolbenmotors – näm-
men und verbrannt, was die Emissionen drastisch lich oberhalb des Sumpfes und daher frei von Rei-
verringert, Bild 8-149. Das neuartige Kraftstoff-Öl- bungsverlusten. Außerdem sind die Pumpverluste ge-
Dichtungssystem enthält Abscheideventile und wurde ringer als bei einer Trockensumpfschmierung. Zu-
speziell auf die Seitenauslasskonfiguration hin entwi- sätzlich kontrolliert das System über eine speziell
ckelt. Die nahezu hermetische Abdichtung verbessert geformte Prallkammer den Ölfluss und sorgt dafür,
wesentlich Leistung, Verbrauch und Emissionen. dass sich das Öl bei extremer Querbeschleunigung
Der Renesis arbeitet mit einem variablen 6PI-An- nicht an einer Seite sammelt. Versuche mit Trocken-
saugsystem (Six Port Induction) mit drei Einlasskanä- sumpf-Konstruktionen hat Mazda nach Kosten-, Ge-
len für jeden der beiden Rotoren, Bild 8-150. Ein wichts- und Zuverlässigkeitsvergleichen zugunsten der
Elektromotor betätigt die Drehschieberventile an den gewählten Lösung aufgegeben. Daher kann der ge-
Einlasskanälen jedes Rotors, die so die Dynamik der samte Antriebsstrang – und damit der Fahrzeug-
einströmenden Luft zur Aufladung nutzen und den schwerpunkt – niedriger gelegt werden, was das Träg-
Füllungsgrad erhöhen. Darüber hinaus besitzt der Re- heitsmoment in Kurven um bis zu 15 % verringert.
nesis eine elektronische Drosselklappe, die die Befeh- Die Technologie des seitlichen Auslasses überzeugt
le des Motorsteuergeräts umsetzt. Dies ermöglicht auch akustisch. Anders als Kreiskolbenmotoren mit
eine höchst akkurate und direkte Steuerung der Venti- peripheren Auslasskanälen erzeugt der Renesis klare
le. Schließlich ist das neu entwickelte Ansaugrohr aus und transparente Geräusche in hohen Frequenzlagen
Kunststoff leichter und auf optimale Strömungseigen- sowie einen sonoren Sound bei tieferen Frequenzen.
schaften hin konstruiert, um Luftwiderstand und Der Renesis verfügt daher nicht nur über eine unge-
Ansaugverluste auf ein Minimum zu reduzieren. mein gleichmäßige Kraftentfaltung, er klingt auch
Der Renesis besitzt neuartige Einspritzdüsen, die den noch genau so, wie man es von einem Sportwagen-
Kraftstoff ultrafein zerstäuben. Kleine Hochleistungs- triebwerk erwartet. Auch die Implementierung eines
zündkerzen sorgen für die bessere Zündung des Ge- Turboladers ist möglich.
mischs. Diese Verbindung von ultrafeiner Zerstäubung Bedingt eignet sich das Rotationskolbenprinzip auch
und kraftvoller Zündung führt zu einer nahezu voll- für einen Dieselmotor. Die höchste mögliche Kom-
ständigen Verbrennung – und damit direkt zu einem pression von etwa 1 : 12 reicht zwar für einen Selbst-
höheren Wirkungsgrad und niedrigen Emissionen. Der zünder nicht aus, aber mit Aufladung und Hilfszün-
doppelwandige Auspuffkrümmer hält die Abgastem- dung ist der Dieselbetrieb möglich.
430 8 Motoren

8.4.5 Der Wasserstoff-Kreiskolbenmotor den Wasserstoff direkt einspritzen, um auf das für die
Verbrennung optimale Wasserstoff-Volumen zu
Das Thema Wasserstoff als Antriebsenergie für den kommen und eine optimale Verbrennung zu erzielen.
Kreiskolbenmotor befindet sich in der praktischen Bei einem normalen Hubkolbenmotor wäre dies
Erprobungsphase. Erste positive Versuche wurden alleine aus Platzgründen kaum möglich, da Ein- und
bereits bei NSU Anfang der 1970er Jahre durchge- Auslass-Ventile, Einspritzdüsen und Zündkerzen sich
führt. 1991 erschien das erste Aggregat in der Reihe den Platz teilen müssen. Außerdem kann es nicht wie
der HRX-Motoren. Heute läuft der bivalente Kreis- beim Hubkolbenmotor zu spontanen Verbrennungen
kolbenmotor Renesis Hydrogen mit Wasserstoff- von Wasserstoffgas an noch heißen Teilen kommen:
Direkteinspritzung im Mazda RX-8 Hydrogen RE, Verdichtungs- und der Verbrennungsvorgang laufen
Bild 8-151. räumlich getrennt in unterschiedlichen Kammern ab,
Speziell beim Betrieb mit Wasserstoff bietet der und durch die direkte Einspritzung kann der Wasser-
Kreiskolbenmotor zusätzliche Vorteile. Anders als stoff gefahrlos in die relativ „kühle“ Ansaugkammer
der konventionelle Hubkolbenmotor verfügt der eingeführt werden.
Kreiskolbenmotor über getrennte Kammern für den Die Exzenterwelle des Kreiskolbenmotors dreht sich
Einlass- und den Verbrennungstakt. Dies verleiht ihm pro Arbeitstakt um 270 Grad, die Kurbelwelle eines
einen inhärenten strukturellen Vorteil beim Einsatz konventionellen Hubkolbenmotors nur um 180 Grad.
von Wasserstoff. Auch die getrennte Anordnung von Dies fördert eine gründliche Durchmischung von
Zündkerzen und Einspritzdüsen bietet Vorteile: Da Wasserstoff und Luft bei gleichzeitiger hoher Strö-
Wasserstoffgas eine sehr geringe Dichte hat, arbeitet mungsintensität der Mischung. Bei Benzinbetrieb
der Wasserstoff-Kreiskolbenmotor mit zwei Ein- arbeitet der Motor mit dem konventionellen System
spritzdüsen pro Rotor, die während des Einlasstaktes mit den seitlichen Einspritzdüsen.

Elektronisch gesteuerte
Wasserstoff-Direkteinspritzung
Wasserstoff

Seitendichtung

Scheitel-
Luft leiste

Abgase

Eckkantendichtung Zündkerzen Rotoren

Elektronisch gesteuerte
Wasserstoff-Direkteinspritzung
Hochdruck-
Wasserstofftank
Benzineinspritzung

Hydridmotor

Benzintank
Magermix-Nox- Dreiwege-
Katalysator Katalysator
Turbolader
mit E-Motor
Unterstützung
Wechselrichter
144 Volt-Batterie Bild 8-151 Mazda RX-8
Hydrogen RE
8.5 Kleinvolumige Motoren für handgeführte Arbeitsgeräte 431

8.5 Kleinvolumige Motoren für Verluste resultieren aus dem offenen Spülvorgang,
bei dem Überströmer und Auslass gleichzeitig geöff-
handgeführte Arbeitsgeräte net sind. Dadurch kann Frischgemisch auf direktem
Minimales Gewicht bei höchster Leistungsdichte ist Wege durch den Auslass entweichen, ohne an der
traditionell eines der wichtigsten Kriterien für Klein- Verbrennung teilzunehmen. Diese Verluste betragen
motoren in Motorsägen und Motorgeräten wie He- im Nennlastpunkt etwa 15 bis 25 % des eingebrach-
ckenscheren, Freischneidern, Blasgeräten oder Trenn- ten Kraftstoffs.
schleifern, da der Anwender permanent das Gewicht Seit einigen Jahren werden vermehrt Viertakt-Otto-
des Gerätes tragen muss. Bei den meisten Anwen- motoren eingesetzt, die bezüglich HC-Emissionen
dungen kommt außerdem die wichtige Anforderung Vorteile bieten. Hierbei sind jedoch Abstriche bei der
an einen lageunabhängigen Betrieb des Geräts hinzu. Maximaldrehzahl und bei der Alllagentauglichkeit in
Kauf zu nehmen und somit ist er nicht für alle An-
wendungen geeignet.
Als Kraftstoff kommt neben konventionellen Otto-
kraftstoffen sogenanntes Gerätebenzin (Alkylat-
kraftstoff) zum Einsatz. Durch diesen Kraftstoff
können vor allem die gesundheitsschädlichen Stoffe
im Abgas, wie z. B. Benzol und andere Aromaten,
deutlich reduziert werden. Da bei den Zweitaktmoto-
ren das Kurbelgehäuse vom Frischgemisch durch-
strömt wird, ist eine Verlustschmierung umgesetzt.
Grundsätzlich kann diese als Getrennt- oder Ge-
mischschmierung umgesetzt werden, bei handgeführ-
ten Arbeitsgeräten wird in der Regel jedoch dem
Kraftstoff Öl beigemischt. Dadurch sind die Trieb-
werke sehr wartungsarm und hinsichtlich Gewicht
und Bauraum stellt die Ausführung das Optimum dar,
Bild 8-152 Typische Anwendung eines handgehalte- da auf einen zusätzlichen Öltank und eine Ölpumpe
nen Arbeitsgerätes verzichtet werden kann. Folgende Anforderungen
 werden an die Zweitaktöle gestellt:

Verbrennungsmotoren als Antrieb für handgehaltene x gute Schmierfähigkeit und dadurch hoher Ver-
Arbeitsgeräte sind üblicherweise luftgekühlte Ein- schleißschutz
zylinder-Ottomotoren. Zur Gemischbildung werden x Mischbarkeit mit Kraftstoff
Membranvergaser eingesetzt, die gegenüber Schwim- x Raucharmut, saubere Verbrennung
mervergasern in allen Lagen betrieben werden kön- x Schutz vor Ablagerungen im Brennraum, auf dem
nen. Der Hubraum bewegt sich in einem Bereich Kolben und im Auslass
zwischen 20 und 125 cm3 bei Leistungen zwischen x geringe Glühzündneigung
0,6 kW und 6,0 kW. Dabei werden im Betrieb je nach x Vermeidung von Zündkerzenverschleiß und -
Anwendung maximale Drehzahlen von 6.000 bis ablagerungen
15.000 1/min erreicht. Weitere wesentliche Anforde- x Katalysatorverträglichkeit
rungen an die Motoren sind hohe Leistung, Kom- x Korrosionsschutz.
paktheit, Zuverlässigkeit, Wartungsarmut, geringe
Technisch ist ein Mischungsverhältnis Öl zu Kraft-
Kosten, hohe Lebensdauer und gutes Handling.
stoff von 1:50 möglich, manche Geräte fordern je-
Grundsätzlich werden in handgehaltenen Arbeitsgerä-
doch nach wie vor ein Verhältnis von 1:25. Durch
ten Zwei- und Viertakt-Ottomotoren eingesetzt. Der
gezielte Abstimmung von Triebwerk und Öl ist in
Zweitakt-Ottomotor ist aufgrund seiner hohen Leis-
Zukunft eine weitere Reduzierung des Ölanteils
tungsdichte jedoch das bevorzugte Antriebsaggregat.
denkbar.
Die hohe Zuverlässigkeit, der einfache mechanische
Aufbau und das daraus resultierende gute Preis-
Leistungsverhältnis sprechen für das Konzept. Zwei- 8.5.1 Abgasgesetzgebung
takt-Ottomotoren für handgeführte Arbeitsgeräte sind
in den meisten Fällen mit Schlitzsteuerung und Um- 1997 traten in den USA durch die Environmental
kehrspülung ausgestattet. Aufgrund seiner Bauart tre- Protection Agency (EPA) und die California Air
ten bei konventionellen Zweitakt-Ottomotoren Emis- Resources Board (CARB) Abgasgrenzwerte für
sionen von unverbrannten Kohlenwasserstoffen auf, handgeführte Arbeitsgeräte in Kraft. Im Jahr 2000
die durch unvollständige Verbrennung und vor allem beschloss die EU die Anpassung der Emissions-
durch Spülverluste hervorgerufen werden. Diese grenzwerte von handgeführten Arbeitsgeräten an die
432 8 Motoren

Grenzwerte der EPA in zwei Stufen bis 2010 [1, 2, gesamte Produktpalette mit Kreditwesen und Option
3]. Reglementiert werden die spezifischen Emissio- zum Emissionshandel. Neben den Vorreitern USA
nen Kohlenmonoxid (CO) und die Summe der Stick- und Europa haben weitere Länder eine Emissionsge-
oxid- (NOx) und Kohlenwasserstoffemissionen (HC). setzgebung für handgeführte Arbeitsgeräte geplant
Die Grenzwerte für handgehaltene Arbeitsgeräte sind oder bereits eingeführt.
in drei Hubraumklassen unterteilt. Bild 8-153 zeigt
die aktuell gültigen Grenzwerte in Europa.
8.5.2 Maßnahmen zur Reduzierung
der Abgasemissionen
8.5.2.1 Viertaktmotor im Vergleich zum
Zweitaktmotor
Durch den Einsatz von Viertaktmotoren können ge-
ringere Emissionen im Vergleich zum konventionel-
len Zweitaktmotor erreicht werden. Da diese Motoren
einen Ölsumpf zur Schmierung benötigen, kann der
Bild 8-153 Aktuelle Grenzwerte in Europa
bei vielen handgeführten Arbeitsgeräten notwendige
lageunabhängige Betrieb nur bedingt sichergestellt
Die limitierten Emissionen setzen sich aus einem werden. Bild 8-155 zeigt den Aufbau eines Viertakt-
Leerlaufanteil und einem Volllastanteil bei maxima- motors wie er bei handgehaltenen Arbeitsgeräten ein-
ler Leistung im Verhältnis 15 zu 85 % zusammen. gesetzt wird. Den Vorteilen hinsichtlich Abgasemis-
Die Grenzwerte für die CO-Emissionen sind mit sion und auch Kraftstoffverbrauch stehen allerdings
konventionellen Zweitakt-Ottomotoren erfüllbar. Da auch einige Nachteile gegenüber. So sind durch die
diese Motoren mit sehr fettem Gemisch betrieben Ventilsteuerung bedingt mehr Bauteile notwendig.
werden und einen hohen Restgasgehalt aufweisen, Diese zusätzlichen Teile erfordern neben den höheren
entstehen kaum Stickoxide, so dass vor allem das Herstellkosten zudem einen höheren Wartungsauf-
Einhalten der HC-Grenzwerte die eigentliche Ent- wand. Des Weiteren sind die bei manchen Anwen-
wicklungsaufgabe darstellt. Das in Europa gültige dungen, wie bei einer Motorsäge, notwendigen Ma-
Limit für NOX-Emissionen von 10 g/kWh ist vor ximaldrehzahlen in Höhe von 15.000 1/min wirt-
allem bei Viertakt-Ottomotoren eine Herausforde- schaftlich nicht darstellbar.
rung. Bild 8-154 zeigt die Entwicklung des Summen- Durch Anwendung einer Gemischschmierung kann
grenzwerts für HC und NOx für Motoren mit einem auch der Viertakt-Ottomotor uneingeschränkt lage-
Hubraum kleiner 50 cm3. unabhängig betrieben werden [5, 6, 7]. So kann zum
Da die Grenzwerte in Europa für alle Produkte sehr Beispiel über einen Bypass-Kanal im Zylinderkopf
ambitioniert sind, wirkt sich die Verschärfung dort eine Teilmenge an Benzin-Öl-Gemisch im Motor
besonders stark aus. Im Gegensatz dazu erlaubt die über den Ventiltrieb in das Kurbelgehäuse gefördert
Gesetzgebung in Kalifornien und den USA bei glei- werden und somit die Schmierung sichergestellt
chen Grenzwerten eine Mittelwertbildung über die werden.

Bild 8-154 Zeitliche Ent-


wicklung der Abgas-
grenzwerte von HC+NOX
für handgehaltene Klein-
motoren
8.5 Kleinvolumige Motoren für handgeführte Arbeitsgeräte 433

motors erfordern neben den höheren Herstellkosten


zudem einen höheren Wartungsaufwand wie zum
Beispiel die Ventilspielkontrolle.
Für Anwendungsgebiete, bei denen eine Höchstdreh-
zahl von 10.000 1/min ausreichend ist, stellt der
Viertaktmotor und im Speziellen der mit Gemisch
geschmierte Viertaktmotor eine sehr gute Alternative
dar.

8.5.2.2 Katalysatoren
Durch Abgasnachbehandlung können die HC-Emis-
sionen von Zweitakt-Ottomotoren außermotorisch
verringert werden [8, 9]. Obwohl die Motoren meist
mit fettem Gemisch betrieben werden, befindet sich
im Abgas aufgrund der Spülverluste beim Ladungs-
wechsel Sauerstoff. Dieser kann mit Hilfe eines
Katalysators zur Oxidation der Kohlenwasserstoffe
verwendet werden. Die Reaktion hat jedoch eine
starke Wärmefreisetzung im Katalysator zur Folge,
die in der Größenordnung der abgegebenen Motor-
leistung liegt. Dadurch wird vor allem bei handgehal-
tenen Arbeitsgeräten eine sehr aufwändige Isolierung
des Schalldämpfers notwendig. Weiterhin sind die
Außentemperaturen dieser Geräte in manchen Staaten
aus Sicherheitsgründen beschränkt. Der Katalysator
sorgt außerdem für einen höheren Abgasgegendruck
Bild 8-155 Kleiner Viertaktmotor [4] bei gleicher Baugröße des Schalldämpfers, wodurch
 die Belastung des Triebwerks steigt. Dieses Problem
kann verringert werden, wenn die Konvertierungsrate
Eine weitere Möglichkeit ist, das gesamte Frischge- des Katalysators reduziert wird oder nur ein Teil des
misch wie beim Zweitaktmotor in das Kurbelgehäuse Abgases durch den Katalysator geleitet wird (siehe
anzusaugen und über den Ventiltrieb geleitet in den Bild 8-157).
Brennraum zu fördern. Eine Ölstands-Kontrolle
entfällt bei beiden Varianten dadurch ebenso wie ein
8.5.2.3 Resonanzaufladung
Ölwechsel. Zudem kann so auf die Bauteile Ölwanne,
Ölpumpe und Ölfilter verzichtet werden. Das führt Bei handgehaltenen Arbeitsgeräten mit Zweitakt-
dazu, dass der Motor nur unwesentlich mehr wiegt als Ottomotor kommt aus Platzgründen bisher nur eine
ein vergleichbarer Zweitaktmotor. Bild 8-156 zeigt besondere Form des Resonanzauspuffes zum Einsatz
den Aufbau dieses Motors mit Bypass-Kanal im [10]. Im Gegensatz zu herkömmlichen Varianten des
Zylinderkopf. Die zusätzlichen Teile des Viertakt- Resonanzauspuffes besteht er nur aus einem Rohr.

Bild 8-156 Viertakt-


Ottomotor mit Gemisch-
Schmierung
434 8 Motoren

inhomogene Verteilung des Kraftstoffes im Brenn-


raum während der Zündphase bezeichnet, kennzeich-
net sie bei Zweitaktmotoren den Zustand während des
Ladungswechsels. Die Idee besteht darin, dem eintre-
tenden Frischgemisch ein kraftstoffarmes oder -freies
Medium vorzulagern, um die Spülverluste an un-
verbrannten Kohlenwasserstoffen zu minimieren.
Grundsätzlich kann dabei zwischen räumlicher und
zeitlicher Schichtung unterschieden werden [11]. Mit
Hilfe einer Benzindirekteinspritzung in den Über-
strömer, die Zylinderwand oder direkt in den Brenn-
raum ist eine Ladungsschichtung während dem La-
dungswechsel ebenso möglich. Um eine ausreichend
gute Gemischaufbereitung sicher zu stellen, sind sehr
kurze Einspritzzeiten und relativ hohe Einspritzdrü-
Bild 8-157 Blasgerät mit Katalysator cke notwendig. Aus Gewichts- und Bauraumgründen
ist das heute bei handgehaltenen Motorgeräten nicht
In Bild 8-158 erkennt man den inneren Aufbau des umsetzbar [12].
Schalldämpfers mit dem zusätzlichen Resonanzrohr.
Der Gasübertritt vom Rohr zum Schalldämpfer er- Compression Wave Injection (CWI)
folgt über eine Drossel. Die Druckwellen laufen Eine Methode zum Einblasen eines fetten Gemischs
durch das Rohr, werden am Ende reflektiert und in den Brennraum stellt das CWI-Verfahren (Com-
drücken bei der Abstimmungsdrehzahl das zum Ende pression Wave Injection) dar [13]. Bild 8-159 zeigt
der Spülung austretende Frischgemisch in den Zylin- das System schematisch. Bewegt sich der Kolben in
der zurück. Durch das Fehlen des Gegenkonus tritt Richtung oberer Totpunkt, wird sehr mageres Ge-
die optimale Wirkung nur in einem extrem engen misch zur Schmierung in das Kurbelgehäuse ange-
Drehzahlbereich auf. Bei diesen Ausführungen gilt saugt. Gleichzeitig wird in den Einspritzkanal (CWI
die Drehzahlabhängigkeit noch viel stärker als bei Schlauch) sehr fettes Gemisch angesaugt. Die Ab-
herkömmlichen Resonanzschalldämpfern, wie sie aus wärtsbewegung des Kolbens komprimiert das magere
dem Zweiradbereich bekannt sind. Des Weiteren ist Gemisch im Kurbelgehäuse und das fette Gemisch im
der erforderliche Bauraum erheblich. Somit ist dieses Einspritzkanal. Durch die Anbringung eines Rück-
Verfahren für die Verwendung an weniger bauraum- schlagventils wird das Zurückströmen des fetten Ge-
sensiblen Motorgeräten mit eingeschränktem Be- mischs in den Vergaser verhindert. Der Kolben gibt,
triebsbereich geeignet. kurz bevor der Auslass geöffnet wird, das Einspritz-
fenster frei. Durch den Überdruck im Brennraum
dringt eine Druckwelle in den Einspritzkanal ein und
wird am unteren Ende des Einspritzkanals am Kol-
benhemd reflektiert. Im Brennraum findet die Spü-
lung durch das magere Gemisch im Kurbelgehäuse
statt. Mit der im Einspritzkanal in Richtung Brenn-
raum rücklaufenden Druckwelle wird das fette Ge-
misch transportiert. Dieser Vorgang sollte stattfinden,
nachdem der Auslass geschlossen ist. Durch die
Nutzung einer Druckwelle zur Einspritzung ist er-
sichtlich, dass dieses System zur Ladungsschichtung
nur in einem kleinen Drehzahlbereich einwandfrei
funktioniert und dieser Bereich im Wesentlichen von
der Steuerzeit des Einspritzfensters und der Länge
des Einspritzkanals abhängt. Weiterhin ist ein sehr
Bild 8-158 Ausführung eines Systems zur Resonanz-
komplexer zweiflutiger Vergaser erforderlich, der nur
aufladung)
eine eingeschränkte Anpassung des Luftverhältnisses
zulässt.
8.5.2.4 Ladungsschichtung
Spülvorlage
Großes Potenzial zur Reduzierung der Kohlenwasser-
stoffemissionen bei Zweitakt-Ottomotoren verspricht Eine Möglichkeit zur zeitlichen Ladungsschichtung
die Ladungsschichtung. Während Ladungsschichtung stellt die sogenannte Spülvorlage dar. Erste Versuche
bei Viertakt-Ottomotoren mit Direkteinspritzung die mit diesem Verfahren fanden schon zu Beginn des
8.5 Kleinvolumige Motoren für handgeführte Arbeitsgeräte 435

Bild 8-159 Zweitaktmotor


mit Compression-Wave-
Injection [14]

Bild 8-160 Prinzip der


Spülvorlage [14]

20. Jahrhunderts statt [15]. Die Überströmer werden


dazu beim Ansaugen der Frischladung mit Luft oder
Abgas gefüllt. Zu Beginn des Spülvorgangs des
Brennraums tritt diese Komponente vor dem im Kur-
belgehäuse befindlichen Kraftstoff-Luft-Gemisch in
den Brennraum ein und reduziert somit die Spülver-
luste von unverbranntem Kraftstoff und dadurch den
Kraftstoffverbrauch. Bild 8-160 zeigt den prinzipiel-
len Aufbau eines Motors mit Spülvorlage.
Das Kurbelgehäuse wird bei diesem Verfahren kon-
ventionell durch den Einlass mit fettem Gemisch
gefüllt. Währenddessen wird die Füllung der Über-
strömer durch einen zweiten Einlass mit reiner Luft
[14, 16] beziehungsweise Abgas [17] vorgenommen.
Die Steuerung dieses zweiten Pfades kann durch
Membranventile [18] oder durch Schlitze [19] vorge-
nommen werden (siehe Bild 8-161). Deshalb spricht
man auch von der membrangesteuerten beziehungs- Bild 8-161 Möglichkeiten zur Steuerung der Spül-
weise schlitzgesteuerten Spülvorlage. vorlage [14]
436 8 Motoren

8.5.3 Gemischbildung und das Schwungrad wird dem Steuergerät Energie zur
Motormanagement Verfügung gestellt. Auf eine Batterie kann verzichtet
werden.
Zur Gemischaufbereitung kommt bei handgeführten Durch Auswertung des durch das Schwungrad gege-
Arbeitsgeräten in der Regel ein Vergaser zum Ein- benen Drehzahlsignals wird auf Betriebszustände ge-
satz. Um den Betrieb in allen Lagen zur ermöglichen,
schlossen. Der Einsatz weiterer Sensorik ist nicht not-
werden Membranvergaser eingesetzt, die entweder
wendig. Die Kraftstoffdosierung erfolgt über eine
als Walzenvergaser oder Klappenvergaser ausgeführt
sind. Über Jahrzehnte optimiert hat sich der Vergaser drehzahlbasierte Kennlinie. Eine Lasterfassung wird
bewährt und stellt ein aus Funktions- und Fertigungs- nicht vorgenommen, diese Aufgabe übernimmt der
sicht hochoptimiertes System dar. Verschiedene Um- Vergaser. Zur Ermittlung des Kraftstoff-Luft-Gemi-
gebungseinflüsse und Kraftstoffe müssen bei diesem sches bei Volllast wird über das Magnetventil eine
System teilweise manuell durch den Kunden korri- gezielte Lambda-Störung eingebracht. Die Kraftstoff-
giert werden, um Laufprobleme und Triebwerksschä- zufuhr wird über wenige Umdrehungen unterbrochen
den zu vermeiden. und die resultierende Änderung des Motorbetriebs-
Elektronische Motorsteuerungssysteme versprechen zustandes ermittelt. Aus der Art der Änderung kann
hier Abhilfe. Aktuelle in der Automobil- und indirekt auf das momentane Lambda geschlossen und
Motorradindustrie eingesetzte Systeme sind aufgrund bei Bedarf angepasst werden. Der Motor reagiert bei
der hohen Komplexität, des notwendigen Bauraums, einer Lambda-Störung zum Beispiel bei einem mo-
des hohen Gewichts und der hohen Kosten nicht auf mentan zu fetten Kraftstoff-Luft-Gemisch aufgrund
Motorgeräte übertragbar. Aus diesem Grund wurden des kurzzeitigen Leistungsanstieges mit einem Dreh-
spezielle Systeme für diesen Einsatz entwickelt. zahlanstieg. Durch den Einsatz eines elektronischen
Bild 8-162 zeigt ein System exemplarisch. Kern- Vergasersystems können zahlreiche Funktionen rea-
komponenten sind das Steuergerät und ein kleines lisiert werden, die das Betriebsverhalten weiter ver-
Magnetventil, welches im Vergaser integriert ist. Über bessern und den Kraftstoffverbrauch absenken.

Bild 8-162 Elektronisches


Vergasersystem [20]

Bild 8-163 Elektronisch gesteuertes Einspritzsystem


8.5 Kleinvolumige Motoren für handgeführte Arbeitsgeräte 437

Bild 8-164 Kerntriebwerk mit den Einspritzkomponenten

Unter anderem sind das: mung im Kurbelgehäuse, die durch die rotierende
x einfacheres Starten Kurbelwelle in Kombination mit den Ein- und Aus-
x bessere Beschleunigung strömvorgängen entsteht. Die Einspritzung erfolgt
x Adaption auf verschiedene Kraftstoffe zyklussynchron einmal pro Umdrehung. Die Ein-
x Anpassung an geänderte Umgebungsbedingungen spritzpumpe ist als Membranpumpe ausgeführt und
x Leerlaufregelung. wird durch den schwankenden Kurbelgehäusedruck
angetrieben.
Eine Weiterentwicklung eines elektronischen Motor-
Als Weiterentwicklung zu den elektronischen Verga-
steuerungssystem stellt ein elektronisch gesteuertes,
batterieloses Einspritzsystem dar [21]. Bild 8-163 sersystemen erfolgt die Grundabstimmung der Stö-
zeigt eine Systemübersicht. chiometrie über Kennfelder. Durch die Information
Das Steuergerät stellt die zentrale Komponente des über den Lastzustand können für jeden stationären
Systems dar und steuert die Einspritzung und Zün- Betriebspunkt die optimalen Betriebsparameter wie
dung. Die Energie wird durch einen Generator an der Einspritzmenge, Einspritzwinkel und Zündzeitpunkt
Kurbelwelle gewonnen. Der Induktionsspannungsver- gewählt werden.
lauf des Generatorsignals wird zur Ermittlung der
Kurbelwellenposition genutzt. Literatur
Ein zusätzlicher Kurbelwinkel- beziehungsweise OT- [1] EPA (2002): Control of Emission from non-road spark-ignition
Sensor ist nicht erforderlich. Beim Starten steht schon engines (EPA Phase II regulation), Revised as of July 1, 2002
nach weniger als einer Kurbelwellenumdrehung die [2] EG (1997): Richtlinie 97/68/EG des europäischen Parlaments
und des Rates vom 16. Dezember 1997
Energie für das Steuergerät, die Einspritzung und die [3] EG (2002): Richtlinie 2002/88/EG des europäischen Parlaments
Erkennung der Kurbelwellenposition zur Verfügung. und des Rates vom 9. Dezember 2002
Über einen Druck-Temperatur-Sensor am Kurbel- [4] http://engines.honda.com
[5] Dobler, H.: Leichter Viertaktmotor mit Gemischschmierung. In:
gehäuse des Zweitaktmotors erfolgt die Lasterfas-
MTZ 9/2004
sung. Eine auf das Triebwerk abgestimmte Mess- und [6] Knaus, K.; Häberlein, J.; Becker, G.; Roßkamp, H.: A New
Auswertealgorithmik berechnet aus den Daten die im High-Performance Four-Stroke Engine for All-Position Use in
Betriebspunkt durchgesetzte Luftmasse. Das am Kur- Hand-Held Power Tools. SAE Technical Paper 2004-32-0075,
2004
belgehäuse adaptierte Einspritzventil ist als reines [7] Rodenbeck, J.; Auler, B.; Lügger, J.; Gorenflo, E.: Development
Dosierventil ausgeführt und arbeitet mit einem Ein- of a Valve Controlled Four-stroke Chainsaw to Meet Future
spritzdruck von lediglich 100 mbar. Deswegen findet Emission Regulations. SAE Paper 2006-32-0090
im Gegensatz zu herkömmlichen Einspritzsystemen [8] Schlossarczyk, J.; Maier, G.; Roitsch, T.: Conceptual Design
Study for a catalytic chainsaw Application to Fulfill Emis-
auch kaum eine Primärzerstäubung am Ventil statt. sion Standards and Thermal Demands. SETC 2004-32-0060,
Die Zerstäubung übernimmt die turbulente Luftströ- 2004
438 8 Motoren

[9] Auler, B.: Innovative Solutions for the Use of Catalytic Conver- [15] Trapp, T.: Druckmittel – Bekamo-Einbaumotor mit Ladepumpe.
ters in Hand-Held Engine-Powered Equipment under Severe In: Oldtimer-Markt 10/99, 1999
Conditions. SAE Technical Paper 2006-32-0087, 2006 [16] Cunningham, G.; Kee, R. J.; Kenny R. G.; Skelton, W. J.: Deve-
[10] Gustafsson, R.: A Practical Application to Reduce Exhausts lopment of a Stratified Scavenging System for Small Capacity
Emissions on a Two-Stroke Engine with a Tuned Exhaust Pipe. Two-Stroke Engines. SAE Technical Paper 1999-02-3270, 1999
SAE Technical Paper 2006-320054, 2006 [17] Morrison, K.: Maruyama Recirculator System Snuffs 2-Stroke
[11] Zahn, W.; Vonderau, W.; Roßkamp, H.; Geyer, K.; Schloss- Emissions, Power Equipment Trade, Vol. 12, 2000
arczyk, J.: Entwicklung von emissionsreduzierten Zweitaktmoto- [18] Sawada, T.; Wada, M.; Noguchi, M.; Kobayashi, B.: Develop-
ren für handgehaltene Arbeitsgeräte. In: MTZ 63, 2002 ment a Low Emission Two-Stroke Cycle Engine. SAE Technical
[12] Trattner, A.; Schmidt, S.; Kirchberger, R.; Eichlseder, H.; Köl- Paper 980761, 1998
mel, A.; Raffenberg, M.; Gegg, T.: Future Engine Technology in [19] Bergmann, M.; Gustafson, R. U. K.; Jonsson, B. I. R.: Emission
Hand-Held Power Tools. SAE Technical Paper 2012-32-0111, and Performance Evaluation of a 25cc Stratified Scavenging En-
2012 gine. SAE Technical Paper 2003-32-0047, 2003
[13] Cobb, B.: CWI – Low Cost Fuel Injection for Two-Stroke [20] Hehnke, M.; Leufen, H.; Naegele, A.; Geyer, K.; Möser, C.;
Engines. 4. Internationale Jahrestagung für die Entwicklung von Maier, G.; Schmidt, K.: Elektronische Motorsteuerung für kleine
Kleinmotoren 2001, FH Offenburg, 2001 handgehaltene Verbrennungsmotoren. Stuttgarter Symposium
[14] Jäger, A.: Untersuchungen zur Entwicklung eines Zweitaktmo- 2010
tors mit hoher Leistungsdichte und niedrigen Kohlenwasserstoff- [21] Zahn, W.; Däschner, H.; Layher, W.; Kinnen, A.: Elektronisches
emissionen. Dissertation, Universität Karlsruhe (TH), 2006. Einspritzsystem für handgehaltene Arbeitsgeräte. In: MTZ 73,
Berlin: Logos Verlag, ISBN 3-8325-1197-0 2012
9.1 Reibung 439

9 Tribologie

9.1 Reibung 9.1.2 Reibungszustände


9.1.1 Kenngrößen In Abhängigkeit von den Schmierzuständen an den
jeweiligen Reibstellen des Motors treten verschiedene
Die Nutzleistung an der Abtriebswelle des Verbren- Reibungszustände auf. Die wichtigsten sind:
nungsmotors (effektive Leistung Pe) ist niedriger als
x Festkörperreibung (Coulombsche Reibung)
die innere Leistung an den Kolben (indizierte Leis-
Reibung zwischen festen Reibkörpern ohne einen
tung Pi). Die Differenz wird bezeichnet als die Reib-
fluiden Zwischenstoff
leistung Pr .
x Haftschichtenreibung
Pr Pi  Pe (91) Reibung zwischen festen Reibkörpern mit einer
aufgetragenen Festschmierstoffschicht ohne einen
Die Reibleistung setzt sich aus den Verlusten der fluiden Zwischenstoff
einzelnen Motorkomponenten wie Triebwerk (Kur- x Mischreibung
belwelle, Pleuel, Kolben mit Kolbenringen), Ventil- Flüssigkeitsreibung und Festkörper beziehungs-
trieb einschließlich Steuertrieb sowie den erforderli- weise Haftschichtenreibung liegen gleichzeitig
chen Nebenantrieben zusammen. Die Innenleistung nebeneinander vor; die Schmierschicht trennt die
berücksichtigt auch die Verluste durch Ladungswech- beiden Reibkörper nicht vollständig voneinander;
sel. Dabei werden die Betriebszustände und demzu- es treten Berührungen auf
folge die Antriebsleistung der Nebenaggregate in den x Flüssigkeitsreibung (hydrodynamische Reibung)
verschiedenen Normungen unterschiedlich definiert Ein flüssiger (oder gasförmiger) Stoff ist zwischen
[1]. Die Reibleistung vermindert die an der Abtriebs- den Reibkörpern und diese sind vollständig von-
welle zur Verfügung stehende Motorleistung und einander getrennt. Im Verbrennungsmotor entsteht
beeinflusst dementsprechend auch den Kraftstoff- durch die Bewegung der Reibkörper gegeneinan-
verbrauch des Motors. der die hydrodynamische Tragwirkung des Zwi-
Zum Vergleich verschiedener Motoren mit unter- schenstoffes.
schiedlichen Hubvolumina verwendet man, analog zu
effektivem und indiziertem Mitteldruck, den Reib- Das Auftreten der verschiedenen Reibungszustände
mitteldruck pmr . soll im Folgenden anhand eines Beispiels erläutert
werden. In einem hydrodynamischen Gleitlager werden
§ Pi  Pe · § Pr · beim Durchfahren des Drehzahlbandes die verschiede-
pmr pmi  pme ¨ ¸ ¨ ¸ (92)
© i ˜ n ˜ VH ¹ © i ˜ n ˜ VH ¹ nen Reibungszustände durchlaufen. Die in Bild 9-1
dargestellte Stribeck-Kurve stellt die Abhängigkeit der
Die Reibung eines Gesamtmotors setzt sich aus den Reibungszahl P von der Wellendrehzahl n bezie-
Reib- beziehungsweise Antriebsleistungen der ein- hungsweise von der Gleitgeschwindigkeit v bei kons-
zelnen Komponenten zusammen: tanter Temperatur (beziehungsweise konstanter Visko-
sität K) dar.
x Triebwerk bestehend aus:
Die Gesamtreibung setzt sich aus den zwei Anteilen
– Kurbelwellenhauptlager mit Radialwellendicht- Festkörperreibung (beziehungsweise Haftschichtenrei-
ringen bung) und Flüssigkeitsreibung zusammen. Bei Still-
– Pleuellager und Kolbengruppe (Kolben, Kol- stand wirkt die Haftreibung. Bei niedriger Drehzahl
benringe und Kolbenbolzen) tritt zunächst die Festkörper- beziehungsweise Haft-
– eventuell vorhandenem Massenausgleich schichtreibung auf, dann beginnt der Bereich der
x Ventil- und Steuertrieb Mischreibung, in dem mit steigender Drehzahl und da-
x Nebenaggregate wie zum Beispiel: durch zunehmendem Aufbau eines hydrodynamischen
– Ölpumpe mit eventuell vorhandenem Ölpum- Tragfilmes die Reibung abnimmt. Der Ausklinkpunkt
penantrieb stellt in dieser Modellvorstellung den Zustand dar, in
– Kühlmittelpumpe dem der hydrodynamische Tragfilm die Oberflächen-
– Generator rauigkeiten der beiden Gleitpartner gerade vollständig
– Einspritzpumpe voneinander trennen kann. Die Drehzahl, bei der dieser
– Kühlerventilator Zustand erreicht ist, wird auch als Übergangsdrehzahl
– Vakuumpumpe bezeichnet, in der das Reibungsminimum auftritt. Bei
– Klimakompressor Drehzahlen oberhalb der Übergangsdrehzahl liegt Flüs-
– Lenkhilfepumpe sigkeitsreibung vor und die Reibung steigt auf Grund
– Luftkompressor. der zunehmenden Schergeschwindigkeiten wieder an.
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_9
440 9 Tribologie

Steigende Belastung der Gleitpaarung oder sinkende kann auf die Reibungsleistung geschlossen wer-
Viskosität der Flüssigkeit verschiebt die Übergangs- den.
drehzahl nach oben und vergrößert den Bereich der x Die Willans-Linien: Der Kraftstoffverbrauch eines
Mischreibung. Betriebszustände auf dem linken Ast Motors wird für verschiedene Drehzahlen über
der Stribeck-Kurve sind instabil, da eine kurzzeitige dem effektiven Mitteldruck pme auf der Ordinate
Störung wie Drehzahlreduzierung oder Belastungser- aufgetragen. Durch lineare Extrapolation der Wer-
höhung zu einem deutlichen Anstieg der Reibungs- te bis zum Kraftstoffverbrauch Null werden die
zahl führen und damit eine Selbstverstärkung der Schnittpunkte mit der negativen pme-Achse ermit-
Störung auftritt. Aus diesem Grund muss im Dauer- telt, die näherungsweise als Reibungsmitteldrücke
betrieb der Betriebspunkt einer Gleitpaarung mit bei der jeweiligen Motordrehzahl angesehen wer-
ausreichendem Abstand von dem Ausklinkpunkt auf den können.
dem rechten Ast der Stribeck-Kurve liegen. x Das Schleppen: Der Motor wird auf einem Prüf-
stand fremdangetrieben. Die dabei aufzubringende
Schleppleistung wird als Reibleistung angesehen.
Dazu kann der Motor entweder betriebswarm ge-
y = const. fahren und unmittelbar nach abstellen der Kraft-
stoffzufuhr vermessen werden oder über externe
Reibung der Ruhe (Startreibung) Thermostatisierungseinrichtungen konditioniert
werden.
x Die Stripmethode: Bei den Stripmessungen han-
Grenzreibung
Reibungszahl μ

delt es sich um eine spezielle Vorgehensweise des


Schleppens, die zur Messung der Reibungsverlus-
Mischreibung
te der unterschiedlichen Motorkomponenten, wie
Flüssigkeitsreibung
zum Beispiel der Reibung des Triebwerks, des
Ausklinkpunkt Ventiltriebes und der Nebenantriebe angewandt
wird. Die Bezeichnung leitet sich vom Vorgehen
p = const ab, da der Motor auf einem Schleppprüfstand
obere
Betriebsgrenze
Schritt für Schritt demontiert (gestrippt) wird. Die
untere
Betriebsgrenze Reibungsverluste der einzelnen Komponenten
werden bestimmt aus der Differenz der Messwerte
Gleitgeschwindigkeit n mit und ohne diese Komponente. Die Gesamtrei-
Flüssigkeitsreibung
bung des Motors ergibt sich aus der Addition der
Festkörperreibung
Einzelkomponenten.
x Die Indiziermethode: Mit ihr kann die Reibung
eines Motors im gefeuerten Betrieb bestimmt
Bild 9-1 Stribeck-Kurve [2] werden. Die Integration des gemessenen Zylin-
derdruckes über ein Arbeitsspiel liefert die indi-
9.1.3 Verfahren zur Reibungsmessung zierte Arbeit Wi, welche, bezogen auf das Hub-
volumen, den indizierten Mitteldruck pmi ergibt.
Die genaue Ermittlung der Reibungsverluste ist mit
Wird von diesem der effektive Mitteldruck pme,
erheblichem Aufwand verbunden. Es gibt verschie-
subtrahiert, der aus dem an der Antriebswelle ge-
dene Möglichkeiten der Reibungsbestimmung, wobei
messenen Drehmoment berechnet werden kann, so
allerdings die meisten beträchtliche Ungenauigkeiten
erhält man den Reibmitteldruck pmr.
aufweisen. Gebräuchlich sind die folgenden Verfah-
x Sondermessverfahren: Über die beschriebenen
ren zur Ermittlung der Reibung [3, 5]:
Reibungsmessverfahren hinaus gibt es eine Viel-
x Der Auslaufversuch: Dabei wird der Motor nach zahl weitere Verfahren, um zum Beispiel die Rei-
der Stabilisierung in einem Betriebspunkt abge- bung einzelner Komponenten im Betrieb zu ermit-
stellt und die Änderung der Drehzahl als Funktion teln. Für über Wellen angetriebene Komponenten
der Zeit gemessen. Daraus wird mit Hilfe der können dazu Drehmomentmessflansche eingesetzt
Massenträgheitsmomente der bewegten Massen werden [2, 5]. Für die Kolbengruppe gibt es ver-
das Reibungsmoment beziehungsweise der Reib- schiedene Einrichtungen zur Kolbenreibkraft-
mitteldruck berechnet. messung [9].
x Der Abschaltversuch: Bei Mehrzylindermotoren
wird durch die Abschaltung der Kraftstoffzufuhr Wesentlich für die Genauigkeit und Reproduzierbar-
zu einem Zylinder dieser von den restlichen wei- keit der einzelnen Verfahren und damit die Ver-
terhin gefeuert arbeitenden Zylindern mitge- gleichbarkeit verschiedener Messungen ist die exakte
schleppt. Aus der Änderung der effektiven Motor- Einhaltung der Randbedingungen. So ist es bei allen
leistung vor und nach der Kraftstoffabschaltung Messverfahren erforderlich, die Schmieröl- und
9.1 Reibung 441

Kühlmitteltemperaturen des Motors auf weniger als der Drucksensoren den pmi-Wert deutlich verändern
r 1 K einzustellen. Dies ist in der Regel nur mit hoch- sowie Fehler in der Drehmomentmessung den pme-
genauen externen Thermostatisierungseinrichtungen Wert. An die Genauigkeit der Indizierung und der
möglich. Drehmomentmessung müssen daher höchste Anfor-
Von den aufgezählten Möglichkeiten zur pmr-Be- derungen gestellt werden, da das Ergebnis der Sub-
stimmung sind die ersten drei schon vom Prinzip des traktion (der Reibmitteldruck) um mehr als eine
Verfahrens her mit erheblichen Ungenauigkeiten be- Zehnerpotenz kleiner ist als die Ausgangsgrößen, so
haftet und eignen sich nur für „Trend“-Aussagen. dass sich die prozentualen Fehler verzehnfachen. So
Bei der Schleppmethode liegt die Problematik darin, beeinflussen schon geringfügige Abweichungen in
dass das Schleppmoment eines komplett aufgebauten der Bestimmung des oberen Totpunktes (OT) des
Motors neben der mechanischen Motorreibung und Kolbens die Berechnung des inneren Mitteldruckes
der Antriebsleistung der Nebenantriebe auch die und damit auch des Reibmitteldruckes. Grundsatzun-
Gaswechselverluste umfasst und das ohne zusätzliche tersuchungen zeigen, dass ein Fehler der OT-Lage um
Indizierung nicht zwischen den Reibungs- und Gas- nur 0,1 °KW, je nach Motorlast, den ermittelten
wechselverlusten unterschieden werden kann. Da Reibmitteldruck um mehr als 10 % beeinflussen
aber die Gaswechselverluste sehr empfindlich auf kann.
geänderte Umgebungsbedingungen im Prüfstand oder Ein direkter Vergleich der verschiedenen Messver-
auf geringfügige Unterschiede im Ansaug- und Ab- fahren ist nicht möglich, da die unterschiedlichen
gassystem reagieren, ist der Vergleich unterschiedli- Randbedingungen die Messergebnisse beeinflussen.
cher Motoren nur eingeschränkt möglich. Dies wird exemplarisch an einem Dieselmotor mit
Bei der Strip-Methode können die Randbedingungen Direkteinspritzung in Bild 9-2 dargestellt. Die Fluid-
über externe Systeme sehr genau vorgegeben werden, temperaturen sind in allen Versuchsreihen gleich
so dass eine gute Reproduzierbarkeit und Vergleich- gehalten: 90 °C Öltemperatur in der Hauptgalerie und
barkeit erreicht werden kann. Charakteristisch für die 90 °C Kühlmittelaustrittstemperatur. Zwischen den
Strip-Methode ist, dass der Antrieb stets über die Ergebnissen aus den Stripmessungen und den
Motorabtriebswelle erfolgt. Dies hat gegenüber Schleppmessungen (Gaswechselverluste mittels Indi-
anderen Messverfahren den Vorteil, dass die Randbe- zierung ermittelt und abgezogen) ergibt sich eine gute
dingungen für die betrachtete Komponente denen am Übereinstimmung im gesamten Drehzahlbereich. Die
Komplettmotor bestmöglich entsprechen und eine unterschiedlichen Reibwerte welche am gefeuerten
gute Übertragbarkeit der Ergebnisse gewährleistet ist. Motor gefundenen wurden, sind auf die folgenden
Gleichzeitig resultiert hieraus die Einschränkung, die Einflüsse zurückzuführen:
für die Anwendung der Strip-Methode bei der Be- x Die Schmierfilmtemperaturen im Motor sind trotz
stimmung der Reibungsverluste von beliebigen Tei- gleicher Temperatur in der Hauptölgalerie höher.
len des drehenden Motors gilt: Ein funktionsfähiger x Die Verbrennung führt zu erhöhten Temperaturen
(im Sinne eines geschleppten Betriebs) Aufbau des an Kolbengruppe und Zylinderlaufbahn.
Motors muss mit und ohne Mitbewegung der zu x Die Kolbenseitenkräfte ändern sich auf Grund des
betrachtenden Teile möglich sein. Daraus folgt auch, Gasdruckes.
dass die für eine Komponente gemessenen Reibwerte x Der Lastzustand der Einspritzpumpe ändert sich.
stets auch die Reibungsanteile des Antriebs umfassen,
die bei Demontage der Komponente ebenfalls wegfal-
len. Beispielsweise werden bei der Ermittlung der
Drehzahlvariation Öl-/Külmitteltemperatur
Ventiltriebsreibung auch die Reibungsanteile, die im
3,0
Steuerriemen oder der Steuerkette entstehen, erfasst. Komplettmotor:
Dies ist auch deshalb sinnvoll, da die Antriebsverlus- Triebwerk, Ventiltrieb,
2,5 Ölpumpe, Wasserpumpe,
te dem jeweiligen Aggregat zuzurechnen sind und die
Reibmitteldruck pmr [bar]

Generator, Einspritzpumpe,
Belastung und eine eventuell auftretende Dynamik 2,0
Lenkhilfepumpe, Vakuumpumpe
die Höhe der Antriebsverluste beeinflussen.
Die Indiziermethode erfordert einen hohen messtech- 1,5
nischen Aufwand, um zu verlässlichen Ergebnissen
zu kommen. Von großem Einfluss ist, dass bei Mehr- 1,0 gefeuert, Volllast
zylindermotoren die einzelnen Zylinder zum Teil gefeuert, Nulllast
0,5 geschleppt
merkliche Unterschiede in ihrem Mitteldruck aufwei- gestrippt
sen können. Daher ist eine Druckmessung an sämtli- 0,0
chen Zylindern gleichzeitig erforderlich, was in der 0 1000 2000 3000 4000 5000
Praxis einen erheblichen Messaufwand darstellt. [min–1]
Last pmr [bar]
Motordrehzahl
Weiterhin wird der Aufwand dadurch erhöht, dass
geringe Fehler in der OT-Zuordnung und Abwei- Bild 9-2 Vergleich verschiedener Messverfahren an
chungen der Druckmessung von der Kalibrierkurve einem Pkw-Dieselmotor mit Direkteinspritzung
442 9 Tribologie

9.1.4 Einfluss des Betriebszustandes


und der Randbedingungen Variation der Ölviskositätsklassen bei 2000 min–1
Erheblichen Einfluss auf das Reibungsverhalten 0,4 Ölviskositätsklassen
haben der Betriebszustand und die Randbedingungen, Ventiltrieb SAE 15W40
0,3

pmr [bar]
SAE 5W40
unter denen der Motor betrieben wird. Die wesentli- 0,2 SAE 0W30
chen Einflussgrößen sind im Folgenden dargestellt. 0,1
0,0
9.1.4.1 Einlaufzustand des Verbrennungsmotors 35/35°C 90/90°C 120°C/110°C
Öl-/Kühlmitteltemperatur
In den ersten Laufstunden tritt an den einzelnen 2,0
Triebwerk
Gleitstellen eine Anpassung der Gleitpartner und 1,5

pmr [bar]
damit verbunden eine Glättung der Oberflächenune- 1,0
benheiten auf. Dieser Vorgang ist verbunden mit 0,5
einem gewissen Verschleiß und erhöht die Reibleis- 0,0
tung des Motors. Dieser Einlaufvorgang läuft für die 35/35°C 90/90°C 120°C/110°C
verschiedenen Gleitpaarungen unterschiedlich schnell Öl-/Kühlmitteltemperatur
ab und ist bei modernen Pkw-Motoren nach circa
20 bis 30 Betriebsstunden, in Einzelfällen aber auch
erst nach mehr als 100 Betriebsstunden abgeschlos- Bild 9-3 Einfluss der Ölviskosität auf die Reibung
sen, so dass der Motor ein konstantes Reibungsniveau
erreicht. Dieses bleibt dann so lange nahezu konstant, 9.1.4.3 Temperatureinfluss
bis Motorkomponenten ihre Lebensdauergrenzen
Die Betriebstemperatur des Verbrennungsmotors, das
erreichen, wodurch es dann wieder zu einem Anstieg
heißt die Temperaturen der Bauteile sowie von Öl
der Reibung kommt.
und Kühlmittel beeinflussen die Reibung. Grund
dafür ist zum einen die Viskositätsänderung des
9.1.4.2 Ölviskosität Schmiermittels und zum anderen die Änderung der
Die Viskosität des Schmiermittels hat über die Ände- Spiele in den verschiedenen Gleitpaarungen. Die
rung der Scherkräfte erheblichen Einfluss auf die Auswirkungen der Veränderung der Fluidtemperatu-
Verhältnisse an der Schmierstelle. Der Betrieb des ren im Temperaturbereich zwischen 0 °C und 120 °C
Verbrennungsmotors mit Schmierölen unterschied- sind in Bild 9-4 gezeigt. Bereits bei Fluidtemperatu-
licher Viskosität führt daher, bei sonst unveränderten ren von circa 20 °C kommt es zu einer Verdoppelung
Randbedingungen, zu einer Veränderung im Reibungs- der Reibungsverluste gegenüber dem betriebswarmen
zustand. Eine niedrigere Viskosität des Schmieröles Motor (90 °C). Dies ist einer der Gründe für das
bedeutet eine geringere Tragfähigkeit des Schmier- Ansteigen des Kraftstoffverbrauches nach dem Kalt-
spaltes und damit eine Verringerung der Schmier- start und im Kurzstreckenbetrieb mit nicht betriebs-
filmdicke. Damit verbunden ist im Mischreibungs- warmem Motor.
gebiet auch ein Anstieg der Festkörperkontakte. In
Abhängigkeit von den Randbedingungen erhält man
dann, falls der hydrodynamische Reibanteil über-
wiegt, eine Reibungssenkung oder, falls die Festkör-
perkontakte stark ansteigen, einen Reibungsanstieg.
5
Das Verhalten verschiedener Öle mit unterschied-
lichen Viskositäten ist in Bild 9-3 für einen Pkw- 4
Reibmitteldruck [bar]

Ottomotor bei 2.000 min–1 dargestellt. Im Triebwerk


ist bei den hier vorliegenden Randbedingungen eine 3
Verringerung der Reibung mit sinkender Ölviskosität
ermittelt worden. Im Ventiltrieb zeigt sich diese 2
4000
Reibungsverringerung nur bei niedrigen Temperatu- 1
ren. Dagegen tritt bei hohen Temperaturen auf Grund 2500
in]
/m

der Mischreibungszustände im Ventiltrieb eine Rei- 0


[1
hl

bungserhöhung auf Grund der niedrigeren Ölviskosi- 0 1000


za

20 40 60
eh

täten auf. Weiterhin hat die Veränderung auch Aus- 80 100


dr

Öl-/Kühlmitt 120
or

eltemperatu
wirkungen auf das Schmiersystem und die Ölpum- r [°C]
ot
M

penantriebsleistung, da Öldrücke und Ölvolumen-


ströme im Schmiersystem durch die verschiedenen
Komponenten sowie die Reibung der Ölpumpe beein- Bild 9-4 Einfluss der Fluidtemperaturen auf die Rei-
flusst werden. bung [4]
9.1 Reibung 443

9.1.4.4 Motorbetriebspunkt steigt bei den niedrigen Gleitgeschwindigkeiten auf


Grund der größeren Kolbenseitenkräfte an. Bei hohen
Der Motorbetriebspunkt beeinflusst die Reibung
Drehzahlen sinkt die Reibung mit steigender Last.
sowohl über die Parameter Drehzahl als auch der
Gründe dafür sind die bei hoher Motorleistung, trotz
Last. Der Einfluss der Drehzahl ist zurückzuführen
gleicher Hauptöltemperatur, höheren Öltemperaturen
auf den Anstieg der Gleitgeschwindigkeiten an den
am Zylinderrohr und die teilweise Kompensation der
Reibstellen der einzelnen Motorkomponenten. Stei-
Massenkräfte im Triebwerk durch Gaskräfte.
gende Motorlast hat folgende Auswirkungen:
x höhere Gasdrücke und dadurch höhere Kolbensei-
tenkräfte, Anpresskräfte der Kolbenringe, Lager-
9.1.5 Einfluss der Reibung
belastungen und Kräfte zur Öffnung der Auslass- auf den Kraftstoffverbrauch
ventile Der mechanische Wirkungsgrad Km eines Verbren-
x lokal höhere Bauteiltemperaturen und damit mög- nungsmotors ist definiert als Verhältnis aus effekti-
licherweise ein Ansteigen von Deformationen vem Mitteldruck pme und indiziertem Mitteldruck pmi.
x lokal höhere Schmiermitteltemperaturen und da-
mit Änderung des Reibzustandes in den zugehöri- § pme · § pmi  pmr ·
gen Schmierstellen
Km ¨ ¸ ¨ ¸ (9.3)
© pmi ¹ © pmi ¹
x gegebenenfalls geänderte Antriebsleistung der
Einspritzpumpe. Aus diesem Zusammenhang ist ersichtlich, dass bei
Die Auswirkung der Einflüsse Motorlast und Dreh- niedrigen Motorlasten, das heißt niedrigem effektiven
zahl auf das Reibverhalten eines Pkw-Ottomotors ist und indizierten Mitteldruck der mechanische Wir-
in Bild 9-5 dargestellt. Den am gefeuerten Motor kungsgrad sinkt. Die Streubänder des Reibmitteldru-
durchgeführten Messungen mit Lasten zwischen 0 bar ckes moderner Otto und Diesel-Pkw-Motoren sind in
(Nulllast) und Volllast sind auch Ergebnisse aus Bild 9-6 gezeigt. Bei einer Drehzahl von 2.000 min–1
Schleppmessungen (pme entspricht dem Schleppmo- mit Werten 0,53 bis 1,1 bar für Ottomotoren und 1,02
ment) gegenübergestellt. Eine gute Übereinstimmung bis 1,4 bar für Dieselmotoren einschließlich Ein-
mit den Messwerten der Schleppmessung bei 0 bar spritzpumpe betragen die Reibungsverluste an der
zeigen die Messungen im gefeuerten Betrieb bei Volllast bis zu 10 % der indizierten Leistung. Im
Nulllast. Teillastbetrieb sinkt der mechanische Wirkungsgrad
Die Haupteinflussgröße ist die Motordrehzahl: Die und damit steigt der Einfluss der Reibung auf den
Reibung des Motors steigt zu höheren Drehzahlen hin Kraftstoffverbrauch weiter an. Damit bietet eine
an. Die Motorlast hat bei mittleren Drehzahlen nur Verringerung der Reibung ernst zu nehmendes Kraft-
einen sehr geringen Einfluss auf die Reibung, das heißt stoffeinsparpotenzial und stellt ein lohnendes Ent-
die dargestellten Einflüsse sind in diesem Drehzahl- wicklungsziel dar. Die Spanne, die jeweils zwischen
bereich gering oder kompensieren sich gegenseitig. dem Motor mit der höchsten und dem mit der ge-
Bei einer Drehzahl von 1.000 min–1 nimmt die Reibung ringsten Reibung liegt, bedeutet nicht nur einen
mit steigender Last zu. Die Reibung des Kolbens Kraftstoffmehrverbrauch, sondern reduziert auch die
Maximalleistung.
1000 1/min
Öl-/Kühlmitteltemperatur = 90 °C 2000 1/min Komplettmotor
3000 1/min Gefeuert, Volllast
gefeuert, Lastvariation 4000 1/min Triebwerk, Ventiltrieb,
gefeuert, Nulllast 5000 1/min belastete Ölpumpe, Öl: 15W40
geschleppt 6000 1/min belastete Wasserpumpe, Öl-/Kühlmitteltemperatur: 90 °C
3,0
unbelasteter Generator
3,0
2,5 Otto
Reibmitteldruck pmr [bar]

2,5 Diesel (Direkteinspritzer)


Reibmitteldruck pmr [bar]

2,0
2,0
1,5
1,5

1,0 1,0

0,5 0,5

0,0 0,0
–4 –2 0 2 4 6 8 10 0 2000 4000 6000 8000
Last pmr [bar ] Motordrehzahl [–1]

Bild 9-5 Abhängigkeit der Reibung von Motorlast Bild 9-6 Streuband der Reibung im gefeuerten Mo-
und Drehzahl torbetrieb (Pkw-Motoren) [5]
444 9 Tribologie

ermöglicht eine Verbrauchseinsparung von circa


1,2 21 % für den Ottomotor und von circa 26 % für den
Dieselmotor. Mit heute konventionellen Maßnahmen
Reibmitteldruck [ bar ] bei 2000 1/min

1,0
(Komponentenoptimierung, Rollenventiltrieb, ange-
passte Pumpen, Thermomanagement, …) dürften
circa 30 % dieses Potenzials nutzbar sein.
0,8

FEV 2009
9.1.6 Reibungsverhalten ausgeführter
0,6
Verbrennungsmotoren

0,4 9.1.6.1 Reibungsaufteilung


1998 2000 2002 2004 2006 2008
Modelljahr Bei der Betrachtung der Reibungsverluste eines
Motors ist nicht nur der Summenwert, sondern auch
die Aufteilung der Reibung auf die verschiedenen
Bild 9-7 Entwicklung der Reibung von Vierzylinder-
Komponenten von entscheidender Bedeutung. Eine
Ottomotoren (1,6 l bis 2,2 l Hubraum)
gebräuchliche Vorgehensweise ist die Strip-Methode,
die im Folgenden detailliert beschrieben wird.
Die Entwicklung der Reibung über der Zeit soll im Vor den eigentlichen Stripmessungen wird der kom-
Folgenden am Beispiel von Vierzylinder-Ottomo- plette Motor mit Ansaugstrecke und Abgasstrecke
toren betrachtet werden. Bild 9-7 zeigt die Entwick- geschleppt („Komplettmotor“). Das dabei gemessene
lung des Reibmitteldruckes pmr auf Basis von Unter- Antriebsmoment umfasst zusätzlich zur mechani-
suchungen im Schleppbetrieb bei 2.000 min–1. Zu- schen Motorreibung auch die Gaswechselverluste.
nächst fällt auf, dass die Streuung der Werte einer Während dieser Messung werden die Öldrücke am
recht großen Bandbreite unterliegt: ein nach unten Ölpumpenaustritt, in der Motorgalerie sowie, soweit
weisender Trend ist aber erkennbar, der durch die möglich, im Zylinderkopf und die Ölvolumenströme
Regressionsgrade noch verdeutlich wird. Vor allem in durch den Motor für jeden Betriebspunkt aufgezeich-
den letzten Jahren hat sich das Reibungsverhalten des net. Das Kühlsystem wird mit Fremddruck für kons-
Ottomotors stark verbessert. Rein statistisch betrach- tanten Druck am Eintritt in die Kühlmittelpumpe
tet hat ein 2-l-4-Zylinder-Ottomotor in den letzten beaufschlagt. Die Aufnahme dieser Randbedingungen
circa zehn Jahren eine Reibungsreduzierung von circa dient später in den einzelnen Strip-Schritten dazu, die
20 % erfahren. Die Extrapolation der Regressionsge- Randbedingungen am Komplettmotor wieder exakt
raden würde aber eine unrealistische Absenkung der einstellen zu können.
Reibung für die Zukunft ergeben. Im Anschluss an die Aufnahme der Randbedingungen
Die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs als Funk- am Komplettmotor wird das Messprogramm zur Er-
tion des Reibmitteldruckes bei betriebswarmen Motor mittlung der Reibung der einzelnen Komponenten
und einer Drehzahl von 2.000 min–1 zeigt Bild 9-8. durchgeführt. Die dabei durchzuführenden Demonta-
Der hypothetische Fall des reibungslosen Motors geschritte sind im Folgenden beschrieben:

a) Zur Ermittlung der Triebwerksreibung wird der


Zylinderkopf entfernt. Zur Einhaltung der Ver-
spannungsbedingungen des Motorblocks im
30%
Reduktion des Kraftstoffverbrauchs

Schraubenbereich wird der Zylinderkopf durch ei-


Dieselmotor ne Platte mit gerundeten Zylinderöffnungen er-
20%
setzt. Der Gasraum ist somit in dieser Messreihe
offen; Gaskräfte auf die Kolben treten nicht auf.
Ottomotor
Alle Nebenantriebe werden ebenfalls entfernt. Mit
10%
einer externen Öldruckversorgung wird der Öl-
druck motorbetriebsabhängig – nach Vorgabe aus
den Messungen am Komplettmotor oder anderer
0%
Quellen – in der Hauptgalerie eingestellt.
0% 20% 40% 60% 80% 100% b) Ausbau der Kolben und Pleuel zur Bestimmung
Reibungsreduzierung der Kurbelwellenlagerreibung. Der Einfluss der
rotierenden Massen wird durch Anbringung von
„Meistergewichten“ auf den Pleuellagerzapfen
Bild 9-8 Einfluss der Reibungsreduzierung auf den kompensiert. Die Einstellung des Öldruckes in der
Kraftstoffverbrauch (Reibung betrachtet bei n = Motorgalerie erfolgt auch hierbei – wie unter a) –
2.000 min–1) [7] über die externe Druckölversorgung.
9.1 Reibung 445

c) Messung der Reibungsverluste von Kurbelwelle Dieser beschreibt die rein mechanischen Reibungs-
(inklusive „Meistergewichten“) mit Ventiltrieb. verluste des Motors ohne die Gaswechselverluste.
Die Einstellung des Öldruckes in der Motorgalerie Eine weitere Detaillierung des Messprogramms,
erfolgt wiederum – wie unter a) – über die externe beispielsweise die Bestimmung der Reibung von
Druckölversorgung. einzelnen oder allen Kolbenringen oder die Auftei-
d) Messung der Reibungsverluste von Kurbelwelle lung der Ventiltriebsreibung auf Nockenwellenlager-
(inklusive „Meistergewichten“) mit Ölpumpe. Die reibung und Ventilbetätigung ist möglich, indem
Einstellung des Öldruckes in der Motorgalerie er- zusätzliche Demontageschritte eingeschoben werden.
folgt auch hier – wie unter a) – über die externe Auch ist andererseits nicht unbedingt eine Vermes-
Druckölversorgung. Die motoreigene Ölpumpe sung aller Komponenten notwendig, wenn nur ein-
fördert in einem separaten Schlauchkreislauf über zelne Aggregate betrachtet werden sollen.
eine den Ölpumpendruck regelnde variable Dros- Das Ergebnis einer Strip-Messung für einen moder-
sel direkt zurück in die Ölwanne. Auch der Öl- nen Pkw-Ottomotor ist in Bild 9-9 dargestellt. Die
pumpendruck wird gemäß vorher ermittelter Drü- prozentuale Aufteilung der Reibungsanteile ist in
cke betriebspunktabhängig eingestellt. Bild 9-10 gezeigt. Dabei wurde bei der Definition der
e) Messung der Reibungsverluste von Kurbelwelle Bezugsgröße Gesamtreibung, die für den Motorbe-
(inklusive „Meistergewichten“) mit Kühlmittel- trieb notwendigen Nebenaggregate – belastete Öl-
pumpe, Generator, Servolenkungspumpe und und Kühlmittelpumpe sowie unbelasteter Generator,
Klimakompressor einschließlich Spann- und Um- nicht jedoch reine Komfortantriebe wie Lenkhilfe-
lenkrolle(n). Die Einstellung des Öldruckes in der pumpe oder Klimakompressor, berücksichtigt.
Motorgalerie erfolgt – wie unter a) – über die ex- Aus den Messergebnissen der einzelnen Komponen-
terne Druckölversorgung. ten lassen sich wiederum komponentenspezifische
Streubänder erstellen. Durch den Vergleich der Mess-
Aus den Differenzen zwischen den Ergebnissen der ergebnisse einzelner Komponenten mit den zugehöri-
einzelnen Messreihen werden die Reibungsverluste gen Streubändern und damit mit dem Stand der Tech-
von Kolben/Pleuellager, Ventiltrieb, Ölpumpe und nik ist es möglich, Potenziale für eine Reduzierung
Nebenaggregaten bestimmt. Des Weiteren ergibt sich der Reibleistung aufzudecken und gezielt durch
aus der Summe der ermittelten Werte für die einzel- Optimierungsarbeiten auszuschöpfen.
nen Komponenten ein Reibungswert für den gesam- In Bild 9-11 ist der Reibmitteldruck des gestrippten
ten Motor, genannt „gestrippter Komplettmotor“. Komplettmotors über dem Hubvolumen bei der

2,0
Wasserpumpe
Reibmitteldruck pmr [bar]

und Generator
1,5 Ölpumpe
Ventiltrieb
1,0 Kolben und Pleuel

0,5
Kurbelwelle
0,0 Öl: SAE 15W40 Bild 9-9 Reibungsauftei-
0 2000 4000 6000 Öl-/Kühlmittel- lung eines modernen Pkw-
Motordrehzahl [min–1] temperatur: 90 °C
Ottomotors [7]

Lenkhilfepumpe
120 Klimakompressor unbelastet
Kraftstoffpumpe
100 Wasserpumpe und Generator
Reibmitteldruck pmr [%]

Ölpumpe
80 Ventiltrieb
Kolben und Pleuel
60

40

20
Kurbelwelle Bild 9-10 Prozentuale
0 Öl: SAE 15W50 Aufteilung der Reibung
0 2000 4000 6000 Öl-/Kühlmittel-
Motordrehzahl [min–1] temperatur: 90 °C eines modernen Pkw-
Ottomotors [7]
446 9 Tribologie

Bild 9-11 Reibung von


Pkw-Ottomotoren in
Abhängigkeit von Hubraum

Motordrehzahl 2.000 min–1 und der Öl-/Kühlmittel- 9.1.6.2.1 Kurbelwelle


temperatur von 90/90 °C dargestellt. Die Streube-
Die Reibung der Kurbelwelle wird mit Meister-
reiche in diesen Bildern zeigen auf, dass das Hubvo-
gewichten und einschließlich der Radialwellendicht-
lumen oberhalb von 1,5 Litern kaum einen Einfluss
ringe bestimmt. Trägt man den Reibmitteldruck der
auf das Niveau des Reibmitteldrucks eines gestripp-
Kurbelwelle über der Drehzahl auf und extrapoliert
ten Komplettmotors ausübt. Dies ist dadurch zu
man die Werte bis zu einer theoretischen Drehzahl
erklären, dass der Leistungsbedarf verschiedener
von 0 min–1, so lässt sich der hierdurch erhaltene Y-
Aggregate von der Fahrzeuggröße abhängt und nicht
Abschnitt grob als der (von der Drehzahl relativ
weiter reduziert wird aber auch dadurch, dass bei
unabhängige) Reibungsbeitrag der Radialwellendicht-
circa 1,5 l Hubraum die obere Hubraumgrenze der
ringe interpretieren. Der gefundene Wert korreliert
kleinen Pkw-Motorenfamilien liegt. Auf Grund der
mit den Messwerten aus der Separierung der Radial-
Gleichteile in den Motorfamilien sind die Motoren
wellendichtringe durch Demontage.
auf diese größte Variante hin ausgelegt, so dass die
Aus den Reibwerten der Kurbelwelle lässt sich das in
kleineren Motoren der Familie gewisse Reibungs-
Bild 9-12 für eine Drehzahl von 2.000 min–1 gezeigte
nachteile haben.
Reibmoment eines einzelnen Hauptlagers bezogen
9.1.6.2 Triebwerk auf seinen Durchmesser berechnen. Dargestellt sind
die Messwerte für eine Vielzahl von Motoren sowie
Das Triebwerk eines Verbrennungsmotors besteht aus die Regressionsgeraden unterschiedlicher Motor-
der Kurbelwelle inklusive der Radialwellendichtringe konzepte. Die Streuung der Messwerte um die jewei-
sowie aus der Kolbengruppe und den Pleueln. Mit ligen Regressionsgeraden zeigt, dass neben dem
Hilfe der Strip-Methode lässt sich das Triebwerk Hauptlagerdurchmesser noch weitere Parameter die
weiter aufteilen in die Reibung der Kurbelwelle und Reibung beeinflussen. Dazu zählen unter anderem die
die Reibung von Kolbengruppe und Pleuel. Lagergeometrie, Lagerspiele, Deformationen oder

Hauptlagerdurchmesser [mm]
30 40 45 50 55 60 65 70
1,00
Reibmoment/Hauptlager [Nm]

2000 1/min
0,75 Öl: SAE 15W50
Öl-/Kühlmittel-
temperatur: 90 °C

0,50 Regressionsgerade
Otto V-Motoren
Regressionsgerade
Dieselmotoren
0,25 Regressionsgerade
Otto R-Motoren

0,00
Bild 9-12 Reibung pro Kur-
0 100 200 300 400
belwellenhauptlager über
Hauptlagerdurchmesser3 [cm3]
Hauptlagerdurchmesser3 [5]
9.1 Reibung 447

Fluchtungsabweichungen der Lagergasse sowie die


Unterschiede in der Reibung der Radialwellendicht- Kolbenringvarianten: 1, 2, 3, 4
ringe. Randbedingungen: Geschleppt, Volllast
Temperatur: 90 °C
0,3
9.1.6.2.2 Pleuellager und Kolbengruppe
Durch Subtraktion der Reibwerte der Kurbelwelle V2 V1
von den Reibwerten des Triebwerks kann die Rei- V3

Reibmitteldruck [bar]
0,2
bung der Kolbengruppe inklusive der Pleuellager
bestimmt werden. Eine weitere Aufteilung ist mit der V4
Strip-Methode nur schwer zu erreichen, da Pleuel und
Kolbengruppe nicht einzeln voneinander betrieben V3
0,1
werden können. Mit Hilfe einer nahezu reibungsfrei-
en, aerostatischen Kolbenführung [8] lässt sich die 1000 1/min
Reibung der Pleuellager bestimmen; der dafür erfor- 2000 1/min
derliche Aufwand ist jedoch sehr hoch. Die Auf-
0,0
teilung von Kolben und Kolbenringen oder die Sepa- 0 1 2 3
rierung einzelner Kolbenringe ist möglich, jedoch p0 [N/mm2]
muss beachtet werden, dass das Entfernen von Kol- Summe Kolbenringflächenpressung
benringen die Schmierverhältnisse des Kolbens und
der anderen Ringe deutlich verändert.
Bild 9-14 Kolbenringreibung als Funktion der Vor-
Wie oben gezeigt wurde, hat die Reibung der Kol-
spannung [9]
bengruppe einen sehr hohen Anteil an der Gesamtrei-
bung eines Verbrennungsmotors. Deshalb kommt
ihrer Optimierung ein hoher Stellenwert zu, um das
beim Auftreten von Kraftspitzen auch auf möglichen
Ziel eines reibungsarmen Motors zu erreichen. Aus
Verschleiß hindeutet. Der Einfluss verschiedener
diesem Grund wurde eine Vielzahl von Messsyste-
Parameter, wie zum Beispiel Kolbenschliffbild, Kol-
men entwickelt, um das Reibungsverhalten der Kol-
benspiel und Kolbenringvorspannung kann im ge-
bengruppe [9] zu messen oder um die reibungsbeein-
schleppten und gefeuerten Betrieb untersucht werden.
flussenden Parameter, wie zum Beispiel die Zylin-
Eine Variation der Kolbenringflächenpressung (Kol-
derdeformation im gefeuerten Betrieb, erfassen zu
benringtangentialspannung bezogen auf die tragende
können [10].
Kolbenringfläche) ist in Bild 9-14 gezeigt. Man er-
Die direkte Messung der Kolbenreibkraft im gefeuer-
kennt den deutlichen Einfluss des Summenwertes auf
ten Betrieb liefert, wie in Bild 9-13 gezeigt, den
die gemessene Reibung. Ein Vergleich eines 2-Ring-
Verlauf der Reibkraft über dem Kurbelwinkel, was
Kolbens mit dem konventionellen 3-Ring-Kolben
detaillierte Rückschlüsse auf die Reibvorgänge zwi-
zeigte bei ähnlicher Kolbengeometrie und -masse
schen Kolben und Zylinderwand ermöglicht sowie
sowie gleichem Summenwert der Flächenpressung,
das heißt höherer Flächenpressung der einzelnen
Ringe beim 2-Ring-Kolben, keine wesentlichen Un-
Dynamisches Reibkraft-Messsystem – PIFFO
terschiede im Reibmitteldruck.
Kolbenreibkraft
Kolbenringpaket: gefeuert, Volllast
Version B: Basisausführung 2000 1/min
Version C: optimierte Vorspannung Öl-/Kühlmittel- 9.1.6.2.3 Massenausgleich
und Ringhöhe temperatur: 90 °C
Als Massenausgleich bezeichnet man Maßnahmen
100 Version C zum teilweisen oder vollständigen Ausgleich der
Massenkräfte und -momente an Kurbeltrieben. Zur
Dyn. Reibkraft [N]

Verbesserung des Komfortverhaltens wird bei Pkw-


0
Motoren in vielen Fällen ein zusätzlicher Massenaus-
gleich eingesetzt. Die Reibungsverluste des Massen-
–200 ausgleichsgetriebes werden beeinflusst durch:
Version B
x die Ordnung der auszugleichenden Massenkräfte
–100 oder -momente und damit die Anzahl und Dreh-
0 180 360 540 720 zahl der Ausgleichswellen
Kurbelwinkel [Grad] x Anzahl, Ausführung und Durchmesser der Lager-
stellen
Bild 9-13 Reibkraftverlauf der Kolbengruppe im ge- x Verluste im Antrieb der Massenausgleichsele-
feuerten Betrieb [7] mente.
448 9 Tribologie

Bild 9-15 Vergleich verschie-


dener Ventiltriebskonzepte

Der Ausgleich der freien Massenkräfte 2. Ordnung werden, dass die Steuertriebsdynamik beeinflusst
bei Vierzylindermotoren erfordert zwei Ausgleichs- wird und sich damit das Reibungsverhalten ändert.
wellen, die mit doppelter Kurbelwellendrehzahl In modernen Pkw-Motoren kommen verschiedene
rotieren und damit ungünstige Randbedingungen Ventiltriebskonzepte zum Einsatz. Dass diese Konzep-
hinsichtlich des Reibungsverhaltens aufweisen. Aus- te auch erheblichen Einfluss auf das Reibverhalten der
geführte Massenausgleichsgetriebe für Vierzylin- Ventiltriebe haben, zeigt Bild 9-15 am Beispiel von
dermotoren weisen Reibwerte von 0,05 bis 0,16 bar Mehrventilmotoren. Bei Ventiltrieben mit Gleitabgriff
bei 2.000 min–1 auf, was einen Anteil von bis zu erhöht der hydraulische Ventilspielausgleich über die
18 % an der Gesamtreibung des Motors darstellen zusätzliche Reibung durch das Anpressen des Hydro-
kann. elementes im Bereich des Nockengrundkreises und die
höheren bewegten Massen die Reibung. Ventiltriebe
9.1.6.3 Ventilsteuerung (Ventil- und Steuertrieb) mit Rollenabgriff zeigen im Allgemeinen ein sehr
günstiges Reibungsverhalten. Die mit einem Rollen-
Die Reibung des Ventiltriebs kann mit Hilfe der abgriff verbundene ungünstige Systemdynamik des
Strip-Methode aus der Differenz der Messung von Steuertriebs erfordert jedoch vielfach hohe Vorspan-
Kurbelwelle und Ventiltrieb einschließlich Steuer- nungen im Steuertrieb. Vor allem bei Kettentrieben
trieb und der Kurbelwellenmessung ermittelt werden. kann dies zu erhöhter Reibung führen [11].
Eine weitere Separierung, zum Beispiel der Reibung Die Aufteilung der Reibung innerhalb des Ventiltrie-
in der Ventilbetätigung oder der Nockenwellen, ist bes ist für die Umsetzung wirksamer Optimierungs-
möglich; bei der Analyse muss jedoch berücksichtigt maßnahmen notwendig. Bild 9-16 zeigt diese Auf-

0,4 Tasse Nockenwellenlager


Ventilführung
Tassenführung
EHD-Kontakt
Leichtbau
0,3
Reibmitteldruck [bar]

Rollenlager
0,2

0,1

0,0
2000 4000 6000
Bild 9-16 Aufteilung der
Motordrehzahl [min–1]
Reibung im Ventiltrieb [11]
9.1 Reibung 449

teilung für verschiedene Ventiltriebskonzepte. Gleit- trächtlichen Steigerung des Energiebedarfs durch
abgriffe weisen im Kontaktbereich Nocken-Stößel zusätzliche oder leistungsstärkere Verbraucher zu
den größten Anteil auf. Dies ist bedingt durch die rechnen ist.
hohen Kontaktkräfte und hohen Relativgeschwindig- Im Folgenden wird ein Überblick über die Nebenag-
keiten zwischen Nocken und Stößel. Eine Reibungs- gregate eines modernen Verbrennungsmotors gege-
reduzierung ist über eine Verringerung der Kontakt- ben. Auf Grund der Vielzahl der Aggregate können
kräfte durch Absenken der Ventilfederkräfte möglich. an dieser Stelle nur die zum Motorbetrieb erforderli-
Bei unveränderter Maximaldrehzahl ist dann aber die chen und die Aggregate mit den höchsten Antriebs-
Reduzierung der bewegten Massen im Ventiltrieb leistungen behandelt werden. Auch auf die Vielzahl
Voraussetzung. Die andere Möglichkeit ist die Ver- der nicht direkt vom Verbrennungsmotor sondern
ringerung der Relativgeschwindigkeiten durch Ver- elektrisch angetriebenen Komponenten wird dabei
wendung einer Rolle zwischen der Nocke und dem nur am Rande eingegangen. Die Versorgung dieser
Abtriebsglied. Komponenten darf bei der Betrachtung der Genera-
torantriebsleistung nicht vernachlässigt werden.
9.1.6.4 Nebenaggregate In heutigen Motoren werden die Nebenaggregate
Zusätzlich zu dem Triebwerk und der Ventilsteuerung nahezu ausschließlich mit konstanter Übersetzung zur
ist in einem modernen Verbrennungsmotor eine Kurbelwelle angetrieben, was bedeutet, dass die
Vielzahl von Nebenaggregaten vorhanden. Diese sind Drehzahl der einzelnen Aggregate proportional zur
für den einwandfreien Betrieb des Verbrennungsmo- Kurbelwellendrehzahl ist. Die Drehzahlspreizung der
tors erforderlich und auch um zusätzliche Funktionen Aggregate (Verhältnis der maximalen zur minimalen
wie zum Beispiel Sicherheits- und Abgasreinigungs- Aggregatedrehzahl) ist auf Grund der festen Überset-
funktionen oder aber auch die immer stärker anstei- zungsverhältnisse durch die Drehzahlspreizung des
genden Komfortansprüche der Fahrzeugbetreiber zu Verbrennungsmotors vorgegeben. Eine schon im
erfüllen. Beispiele für Aufgaben der Nebenaggregate Bereich der Leerlaufdrehzahl ausreichende Abgabe-
sind: leistung der einzelnen Nebenaggregate legt das Über-
setzungsverhältnis fest. Andererseits steigt die von
x Sicherstellung einer einwandfreien mechanischen der Kurbelwelle durch Riementrieb oder Kette aufzu-
Funktion des Motors in allen Betriebszuständen bringende Leistung mit der Motordrehzahl an, auch
des Automobils: Schmierölpumpe, Kühlmittel- wenn die vom Nebenaggregat zur Verfügung gestellte
pumpe, Kraftstofffördersystem, Kühlerventilator, Leistung sekundärseitig nicht benötigt wird. Die
mechanisches Aufladeaggregat individuelle Bedarfsleistung der Nebenaggregate ist
x Sicherstellung einer einwandfreien elektrischen jedoch nicht zwangsläufig von der Motordrehzahl
Energieversorgung des Motors und des Automo- abhängig. Der Direktantrieb stellt somit einen Kom-
bils in allen Betriebszuständen mit Hilfe eines promiss zwischen Nutzen und Kosten dar.
Generators Im Rahmen der folgenden Betrachtungen wird zwi-
x Realisierung einer zusätzlichen Abgasreinigungs- schen folgenden Leistungsdefinitionen unterschieden:
möglichkeit: Sekundärluftpumpe, Katalysatorvor-
heizung x Nebenaggregateleistung: zum Antrieb des Neben-
x Bereitstellung von Hilfsenergien zur Abdeckung aggregats benötigte Motorleistung
erhöhter Komfort- und Sicherheitsansprüche der x Abgabeleistung: vom Nebenaggregat abgegebene
Insassen: Lenkhilfepumpe, Klimakompressor, Leistung (zum Beispiel elektrische Energie oder
Vakuumpumpe, Anlasser, Antiblockiersystem, Strömungsenergie)
Antischlupfregelung, Niveauregulierung. x Bedarfsleistung: erforderliche Abgabeleistung des
Nebenaggregats zur Bedarfsabdeckung des Mo-
In der heutigen serienmäßigen Anwendung ver- tors oder des Automobils.
braucht der Antrieb dieser Nebenaggregate je nach
Fahrzustand einen großen Anteil der vom Verbren- Bild 9-17 zeigt den Reibmitteldruck der zum Motorbe-
nungsmotor zur Verfügung gestellten mechanischen trieb notwendigen Nebenaggregate: Öl- und Kühlmit-
Energie. Damit stellt die Antriebsleistung der Neben- telpumpe fördern entsprechend des Motorbetriebs-
aggregate einen mechanischen Verlust dar und kann punktes, der Generator wird betrieben, gibt jedoch
der Reibleistung zugeordnet werden. Verschiedene keine elektrische Leistung ab. Die Summe der güns-
Definitionen berücksichtigen die Nebenaggregate in tigsten Einzelwerte verschiedener Motoren zeigt, dass
unterschiedlicher Weise. An dieser Stelle soll jedoch weiteres Optimierungspotenzial vorhanden ist.
nicht auf die Definitionen, sondern auf die grundsätz-
9.1.6.4.1 Ölpumpe
lichen Zusammenhänge hinsichtlich der Reibung der
Nebenaggregate eingegangen werden. Da diese einen Heutige Viertaktmotoren werden durch ein Druckum-
entscheidenden Anteil am Kraftstoffverbrauch des laufölsystem geschmiert. Dabei werden im Wesentli-
Fahrzeuges hat, gewinnt dieser Aspekt umso mehr an chen die folgenden Aggregate von der Ölpumpe mit
Bedeutung, da für die Zukunft noch mit einer be- Schmieröl versorgt:
450 9 Tribologie

Bild 9-17 Reibung der


Nebenantriebe

Bild 9-18 Reibung verschie-


dener Ölpumpen (belastet)

x Kurbelwellenhaupt- und Pleuellager Sichel- oder Trochoidenpumpen sowie über einen


x Kolbenspritzdüsen Hilfsantrieb untersetzt angetriebene, außenverzahnte
x Ventiltrieb und Antrieb (Nockenwelle, Stößel, Zahnradpumpen oder Trochoidenpumpen verwendet.
Rädertrieb etc.) Die Antriebsleistung der Pumpen unterscheidet sich
x Turbolader deutlich je nach Antriebssystem und Pumpenbauart.
x weitere Schmierstellen je nach Motorbauform. Durch verschiedene in [12–14] beschriebene Optimie-
Die Aufgabe des Motorölkreislaufs ist es dabei, rungsschritte können die Pumpen individuell verbessert
und an den Motorbedarf angepasst werden. Allen Bau-
x an allen Gleitflächen unter allen Betriebszustän- arten gemeinsam ist, wie der Streubereich von Ölpum-
den einen tragenden Ölfilm sicherzustellen, um pen-Reibmitteldrücken in Bild 9-18 zeigt, der Anstieg
Mischreibung und damit verbundenen Verschleiß der Antriebsleistung bei hohen Drehzahlen. Die allge-
weitestgehend zu vermeiden mein übliche, aber energetisch ungünstige Bypass-
x durch ausreichende Wärmeabfuhr lokale Bauteil- Regelung führt in den überwiegenden Betriebsberei-
überhitzungen und dadurch hervorgerufene Schä- chen der Ölpumpe zu geringen Wirkungsgraden.
den zu verhindern Bei allen Betriebsbedingungen des Motors muss eine
x Partikel (Ruß- und Verschleißpartikel) aufzuneh- ausreichende Schmierung, also ein bestimmter Min-
men und in Schwebe zu halten destöldruck vorhanden sein, da es sonst innerhalb
x Ablagerungen zu verhindern beziehungsweise zu kürzester Zeit zu Motorschäden kommen kann. Die
lösen sowie Ölpumpe wird deshalb für den ungünstigsten Fall, das
x vor Korrosion zu schützen. heißt hohe Öltemperatur und einen Motor mit hoher
Als Ölpumpen in Kraftfahrzeugmotoren werden üb- Laufleistung und damit großen Spielen ausgelegt.
licherweise direkt von der Kurbelwelle angetriebene Weitere Auslegungspunkte sind niedrige Drehzahl
9.1 Reibung 451

tordrehzahlen und hoher Motorlast (zum Beispiel


Pleuellager
6 Bergfahrt mit Anhänger) als auch bei Nennleistung
einen zur Wärmeabfuhr ausreichenden Kühlmittel-
Öldruck [bar]

Ölpumpe
4 Hauptgalerie durchsatz zu liefern. Mit einer von der Temperatur
Zyl.-Kopf der Bauteile oder des Kühlmittels abhängigen Dreh-
2
zahlregelung, zum Beispiel über einen elektrischen
0
Antrieb, könnte bei Teillast das Temperaturniveau
60 (1) Druckventile (Zyl.-Kopf)
der brennraumumgebenden Wände und damit der
(2) Überdruckventil (Pumpe) Wirkungsgrad des Motors angehoben, die Aufheizzeit
Ölvolumenstrom [L/min]

50 (3) Hydr. Ventilspielausgleicher (1)


(4) Abgasturbolader (2) des Motors verkürzt und die Antriebsleistung der
40 (5) Vakuumpumpe (3) Kühlmittelpumpe auch bei hohen Drehzahlen abge-
(6) Nockenwellenlager
(4)
30
(7) Kolbenkühldüsen
(5)
senkt werden.
(8) Pleuellager
(9) Hauptlager (6) Durch den zur Motordrehzahl proportionalen Antrieb
20 (7)
(8)
ergeben sich bei hohen Drehzahlen große Förder-
10 (9) ströme, die bei ungünstig gestaltetem Kühlmittel-
0 kreislauf zu hohem Druckverlust und damit zu hoher
0 1000 2000 3000 4000 5000
Antriebsleistung führen [17]. Daraus ergibt sich ein
Motordrehzahl [1/min] Optimierungspotenzial bei der Gestaltung des Kreis-
laufs mit entsprechend angepasster Kühlmittelpumpe
Bild 9-19 Öldruck und Ölvolumenstrom im Schmier- [18].
kreislauf
9.1.6.4.3 Generator
zur Sicherstellung der Ölversorgung von hydrauli-
schen Ventilspielausgleichselementen (Heißleerlauf), Zur Bereitstellung von elektrischer Energie in Perso-
und öldruckgesteuerte Aktuatoren (beispielsweise nenkraftwagen werden zurzeit fast ausschließlich
Nockenwellenversteller) sowie hohe Drehzahl für leistungsfähige und wartungsarme Drehstrom-Klauen-
eine ausreichende Ölversorgung der dynamisch polgeneratoren mit einer Nennspannung von 14 V
hochbelasteten Pleuellager [15, 16]. Bild 9-19 zeigt eingesetzt. Die Wirkungsgrade der Generatoren
Ölvolumenströme und Öldrücke in einem Schmier- liegen zurzeit bei maximal 60 bis 70 % und werden
system. Dabei ist es notwendig, dass im Betrieb des bei niedriger Drehzahl und hoher Belastung des
Motors in allen Betriebspunkten der erforderliche Generators erreicht. Häufig jedoch werden Generato-
Mindestöldruckzur Sicherstellung einer bedarfsge- ren bei hohen Drehzahlen und geringer Belastung und
rechten Schmiermittelversorgung zum Beispiel ohne somit niedrigen Wirkungsgraden zwischen 20 und
Stößelklappern und Kavitationsgefahr in den Pleuel- 40 % betrieben.
lagern erreicht oder überschritten wird. Die im Automobil installierte elektrische Verbrau-
Das Ölschluckverhalten des Motors steigt mit zu- cherleistung ist in den letzten 40 Jahren drastisch von
nehmender Drehzahl weniger stark als der Förder- etwa 0,2 kW auf 2,5 kW gestiegen und wird sich in
strom der Ölpumpe, der näherungsweise drehzahl- den nächsten 20 Jahren auf zirka 4 kW erhöhen. Die
proportional ansteigt. Deshalb wird ein Teil des Prognosen unter Einbeziehung der Prometheus-
Förderstroms bei mittleren und hohen Drehzahlen Projekte gehen noch darüber hinaus. Hier werden bis
durch ein Bypassventil meist zur Saugseite der Pum- zum Jahre 2010 etwa 8 kW an elektrischer Leistung
pe zurückgeführt. zur Verfügung gestellt werden müssen, wobei dann
Neben der bedarfsgerechten Anpassung des Schmier- die Leistungsgrenze üblicher 14-V-Drehstromgene-
systems und der Detailoptimierung der Ölpumpe an ratoren von zirka 3 bis 5,5 kW überschritten werden
die Motorerfordernisse haben regelbare Ölpumpen wird [19]. Bild 9-20 zeigt die Reibung verschiedener
ein großes Potenzial, die Antriebsleistung der Öl- Generatoren ohne elektrische Leistungsabgabe. Für
pumpe abzusenken. Möglichkeiten zur Förderstrom- zukünftige Fahrzeuge werden Start-Generator-Sys-
anpassung von Ölpumpen an den notwendigen Bedarf teme mit höheren elektrischen Abgabeleistungen und
sind Konzepte mit veränderlichem Förderkammervo- 42 Volt Abgabespannung erwartet. Für den Übergang
lumen, die jedoch meistens aufwändig und teuer auf den elektrischen Antrieb verschiedener Kompo-
ausgeführt sind, sowie die Drehzahlregelung durch nenten (zum Beispiel elektrische Ölpumpe, Kühl-
Entkoppelung von der Motordrehzahl. mittelpumpe, elektromechanischer Ventiltrieb) sind
erheblich höhere elektrische Leistungen Voraus-
setzung.
9.1.6.4.2 Kühlmittelpumpe
Der Strombedarf der Verbraucher zur Aufrechterhal-
Als Kühlmittelpumpen kommen in Verbrennungsmo- tung der Motorfunktion ist näherungsweise unabhän-
toren vorwiegend Kreiselpumpen zum Einsatz, die gig vom Fahrbetrieb. Der elektrische Bedarf für alle
darauf ausgelegt werden, sowohl bei niedrigen Mo- anderen Verbraucher, insbesondere für Komfortfunk-
452 9 Tribologie

Bild 9-20 Reibung von


Pkw-Generatoren (unbelastet)

tionen, hängt dagegen stark von den Einsatzbedin- 9.1.6.4.4 Einspritzpumpe


gungen (Sommer, Winter, Tag oder Nacht) ab. Insge-
Die Einspritzpumpe dient dazu, den Kraftstoff gegen
samt ergibt sich eine nach Einsatzbedingung und
Ende der Verdichtung durch eine Einspritzdüse direkt
Einschalthäufigkeit streuende Gesamtbedarfsleistung
in den Brennraum einzuspritzen. Je nach Auslegung
von zirka 300 W bis 1.200 W für ein Mittelklasse-
der Einspritzmenge und Motorbetriebspunkt beträgt
fahrzeug.
der Einspritzdruck 50 bis 200 bar bei Ottomotoren
Auf Grund physikalischer Zusammenhänge lassen
mit Direkteinspritzung und bis über 2.000 bar bei
sich bei konstantem Generatorgewicht die Abgabe-
Dieselmotoren.
leistung bei Motorleerlauf und die Maximalleistung
In Bild 9-21 ist die Reibung einer Verteilereinspritz-
nicht unabhängig voneinander festlegen [20]. Dieses
pumpe eines Dieselmotors mit Direkteinspritzung
ungünstige Szenario wird noch verstärkt durch den
dargestellt. Zwischen dem Nulllast und der Maximal-
zunehmenden elektrischen Leistungsbedarf bei Leer-
stellung des Mengenstellers kommt es zu einer Ver-
laufdrehzahl und das Bestreben, die Leerlaufdrehzahl
vierfachung der Reibwerte. Die bei Volllast auftre-
aus Kraftstoffverbrauchsgründen weiter abzusenken.
tenden Reibwerte haben erheblichen Anteil an der Ge-
Als Konsequenz daraus muss über das Generatorkon-
samtreibung eines Dieselmotors und sind eine der we-
zept und das Antriebsmanagement des Generators
sentlichen Ursachen für den Anstieg der Motorreibung
nachgedacht werden. Eine charakteristische Größe
zwischen Nulllast und Volllast bei Dieselmotoren.
bei der Generatorauslegung ist die 2/3-Drehzahl, bei
der der Generator 2/3 seiner maximalen Leistung
9.1.6.4.5 Klimakompressor
abgeben kann. Üblicherweise wird die Übersetzung
zwischen Generator und Motor so gewählt, dass der Die Entwicklung der Fahrzeugklimatisierung begann
Generator bei Motorleerlauf mit der 2/3-Drehzahl in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts in
läuft und dadurch die Stromversorgung des Motors
und des Automobils sichergestellt ist.
Öl-/Kühlmitteltemperatur: 90 °C
Optimierungsziele des Generators sind ein in jedem
0,4
Betriebsbereich guter Wirkungsgrad, eine niedrige
Einschaltdrehzahl und gleichzeitig eine hohe Strom-
Reibmitteldruck pmr [bar]

abgabe. Der Strom sollte daher oberhalb der Ein- 0,3


schaltdrehzahl (1.000 bis 1.500 1/min) steil ansteigen,
damit auch im unteren Drehzahlbereich eine hohe Volllast Einstellung
0,2
Leistung an die eingeschalteten Verbraucher abgege- Leerlauf Einstellung
ben werden kann. Den größten Anteil der Generator-
verluste bei Volllastbetrieb machen vor allem die 0,1
Eisen- und Kupferverluste im Ständer sowie die
Reibungs- und Lüfterverluste aus, während die Dio- 0,0
den- und Erregerverluste relativ gering sind [21]. Da 0 2000 4000 6000
die Abgabeleistung oberhalb einer Generatordrehzahl Motordrehzahl [min–1]
von 5.000 1/min nur noch geringfügig ansteigt, emp-
fiehlt sich ein Betrieb bei Generatordrehzahlen zwi- Bild 9-21 Reibung Einspritzpumpe (Vergleich Voll-
schen 2.000 1/min und 5.000 1/min. last – Nulllast)
9.1 Reibung 453

den USA. Während 1965 nur 20 % der Automobile Früher wurde der Lüfter drehzahlproportional vom
auf dem nordamerikanischen Markt mit einer Klima- Motor direkt angetrieben. Bei modernen Konstruk-
anlage ausgerüstet waren, waren es 1980 bereits tionen verwendet man temperaturgesteuerte Antriebs-
80 %. Der Wunsch der japanischen Automobilher- systeme mit Kupplungen (elektrische oder hydro-
steller, den nordamerikanischen Markt zu erobern, statische Antriebe). Diese verringern die Antriebsleis-
führte dazu, dass die Japaner die Klimaanlage auch tung im Vergleich zum starren Antrieb um 25 bis
für sich selbst entdeckten und bereits 1985 im eige- 50 %.
nen Land den Ausrüstungsstand der USA überstie- Elektrisch angetriebene Kühlerventilatoren werden
gen. Ein ähnlicher zeitversetzter Ansatz ist seit Ende bedarfsgerecht in Abhängigkeit von der Kühlwasser-
der Achtzigerjahre auch in Europa festzustellen, ohne temperatur eingeschaltet. Durch eine Schalthysterese
das die Marktdurchdringung der USA bis jetzt er- von etwa 10 Grad wird ständiges Ein- und Ausschal-
reicht wurde. ten verhindert. Ein Elektrolüfter ist im Stadtverkehr
Der Kälteleistungsbedarf zur Fahrzeugklimatisierung zirka 30 bis 40 % der Betriebszeit eingeschaltet. Bei
ist von der Sonneneinstrahlung und der Außentempe- höheren Geschwindigkeiten (Landstraße, Autobahn)
ratur abhängig. Die durchschnittliche Einschaltdauer reicht normalerweise die Durchströmung des Kühlers
der Klimaanlagen beträgt in Europa etwa 23 % (USA auch ohne Ventilator zur Wärmeabfuhr aus.
zirka 42 %) und die mittlere erforderliche Kälteleis- Visko-Lüfter benötigen bei niedrigen Drehzahlen
tung 1 bis 2 kW (USA 4 bis 5 kW) [22]. Von allen eine geringere Antriebsleistung als Elektrolüfter. Dies
Nebenaggregaten hat der Klimakompressor die größ- liegt am besseren Antriebswirkungsgrad des Visko-
te Leistungsaufnahme, die je nach Kompressorbau- Lüfters bei niedrigen Drehzahlen im Vergleich zum
weise und Betriebszustand bei hohen Drehzahlen bis Elektrolüfter, bei dem zusätzlich noch der Genera-
zu 11 kW betragen kann. Die durchschnittlichen torwirkungsgrad berücksichtigt werden muss. Wäh-
Antriebsleistungen liegen in Abhängigkeit von der rend der Warmlaufphase oder Teillast des Motors
Einschaltdauer zwischen 180 W und 2.000 W. sowie bei höheren Drehzahlen und Fahrgeschwindig-
Klimakompressoren werden üblicherweise durch keiten hat der Elektrolüfter im Vergleich zum Visko-
einen Riemen drehzahlproportional vom Motor ange- Lüfter den Vorteil, dass er bei ausreichender Durch-
trieben, wodurch sich eine Abhängigkeit der Kälte- strömung des Kühlers abgeschaltet werden kann.
leistung von der Motordrehzahl ergibt, während der Beide Antriebssysteme haben aber noch ein deutli-
Bedarf jedoch nahezu drehzahlunabhängig ist. Die ches Potenzial zur Verringerung der Übertragungs-
Auslegung der Klimakompressoren erfolgt nach der verluste.
maximal erforderlichen Kälteleistung, die bereits bei
niedriger Motordrehzahl (während Stadtfahrten mit 9.1.6.4.7 Servolenkungspumpe
hohem Leerlaufanteil) zur Verfügung stehen muss. Servounterstützte Lenksysteme, die noch vor einigen
Bei höheren Drehzahlen sind die Kompressoren Jahren Automobilen der gehobenen Klasse vorbehal-
folglich überdimensioniert und müssen abgeregelt ten waren, werden heute selbst bei Kleinwagen ange-
werden. In vielen Fällen wird dies durch eine elektro- boten. Der Trend zu breiten Reifen und damit erhöh-
magnetische Kupplung erreicht, mit der der Kom- ter Lenkarbeit, die direktere Übersetzung einer Servo-
pressor ein- und ausgeschaltet wird. lenkung und die dadurch erzielte verbesserte Hand-
Aktuelle Entwicklungen gehen vom druckgeregelten habung des Fahrzeugs führten in den letzten Jahren
Kompressor zunehmend in Richtung volumenstrom- zu einem erheblichen Anstieg des Marktanteils der
geregelter Kompressor, der den Leistungsüberschuss Automobile mit Servolenkung.
durch eine Hubverstellung reduziert. Energetisch ist Die Lenkkraftunterstützung erfolgt mit Öldruck, der
jedoch keine nennenswerte Verbesserung zu erwar- durch die Lenkhilfepumpe zur Verfügung gestellt
ten, da der geregelte Verdichter länger eingeschaltet wird und am Lenkgetriebe entsprechend der momen-
bleibt und auch bei geringer Kälteleistung die mecha- tan benötigten Hilfskraft geregelt wird. Als Lenkhil-
nischen Verluste, vornehmlich bei hohen Drehzahlen, fepumpen kommen in der Serie aus Kostengründen
erheblich sind [23]. vorwiegend Flügelzellenpumpen mit Bypass-Rege-
Für den Einsatz in kompakten Kleinfahrzeugen, vor lung zum Einsatz.
allem in Japan, wurden in den letzten Jahren ebenfalls Fahrgeschwindigkeit und Einschlagwinkel der Räder
kompaktere und leichtere Kompressoren (beispiels- bestimmen den Druckbedarf im hydraulischen Sys-
weise Flügelzellen- und Spiralkompressoren) ent- tem. In heutigen Systemen treten teilweise im Stand
wickelt. bei vollem Lenkausschlag maximale Drücke bis zu
130 bar auf. Mit steigender Fahrgeschwindigkeit
9.1.6.4.6 Kühlerventilator nimmt die benötigte Lenkkraftunterstützung jedoch
Der Kühlerventilator muss bei hoher Last und niedri- stark ab. Der Minimaldruck der Lenkhilfeanlage bei
gen Fahrzeuggeschwindigkeiten eine zur Wärme- Geradeausfahrt zur Überwindung der Strömungsver-
abfuhr ausreichende Durchströmung des Wärme- luste des Lenksystems ist fahrzeug- und lenkungsbe-
tauschers (Motorkühler) sicherstellen. dingt und liegt bei 2 bis 5 bar.
454 9 Tribologie

Der Fördervolumenstrom einer Lenkhilfepumpe muss


auch bei niedrigen Motordrehzahlen und hohen
Lenkgeschwindigkeiten ausreichend hoch sein, um
die Lenkunterstützung sicherzustellen. Daraus erge-
ben sich als Auslegungsbedingungen der Motorleer-
lauf bei stehendem Automobil und hoher Lenkge-
schwindigkeit bei trockener Straße. Diese Bedingun-
gen treten im Fahrbetrieb insbesondere beim Einpar-
ken oder Rangieren auf. Bei höheren Drehzahlen wird
ein Mehrfaches des Nutzölstromes als Verlust über
den Stromregler abgeführt.
Die Antriebsleistung der Pumpe steigt proportional
zur Motordrehzahl. Die maximal mögliche Antriebs-
leistung tritt in der Praxis normalerweise nicht auf, da
hohe Drücke im Lenksystem und hohe Drehzahlen
nicht zusammen auftreten.
Die benötigte Antriebsleistung einer Servolenkanlage
hängt stark von den durch den Fahrbetrieb vorgege-
benen Pumpendrehzahlen und Systemdrücken ab.
Typische Antriebsleistungen konventioneller Lenk-
anlagen bei Geradeausfahrt liegen im Durchschnitt Bild 9-22 Detail-Modell zur Simulation der Kolben-
zwischen 250 und 1.200 W. gruppe [24]
Durch den Einsatz von geregelten Lenkhilfepumpen,
wie zum Beispiel sauggeregelten Radialkolbenpum- hydrodynamischen (EHD) Berechnungsverfahren.
pen, kann die Antriebsleistung deutlich vermindert Diese sind in der Lage, die Wechselwirkungen zwi-
werden. Großes Potenzial haben elektrische Servo- schen dem hydrodynamischen Tragverhalten des
lenkungen, die mit ungefähr 100 bis 200 W gemittel- Schmierfilms und der lokalen Nachgiebigkeit der
ter Antriebsleistung auskommen und die in den Strukturen geschlossen zu lösen. Moderne kommer-
letzten Jahren bei kleineren und mittleren Fahrzeugen zielle Multi-Purpose-Anwendungen stellen auch den
in Serie gekommen sind. Kern für numerische Reibungsanalysen in der Moto-
renberechnung dar. So gelten hierfür MKS und FEM
9.1.6.4.8 Vakuumpumpe
im heutigen Entwicklungsprozess als unentbehrlich.
Bei Motoren mit drosselfreier Laststeuerung wird zur Der Kolben mit Ringen und Zylinderrohrkontakt
Erzeugung eines Unterdruckes (zum Beispiel für den beispielsweise stellt ein hoch komplexes Tribosystem
Bremskraftverstärker) eine Vakuumpumpe eingesetzt. dar, das den Großteil der Motorreibung ausmacht.
Die Reibung üblicher Vakuumpumpen liegt zwischen Die steigenden Leistungsanforderungen an diese
0,01 bar bei niedrigen Drehzahlen und 0,04 bar bei Baugruppe machen es immer dringlicher erforderlich,
hohen Drehzahlen. die Belastungsgrenzen mit modernen Simulations-
techniken näher auszuloten. Vor diesem Hintergrund
9.1.7 Verfahren zur Reibungsberechnung werden heute detaillierte Simulationsmodell ent-
am Beispiel der Kolbengruppe wickelt [24]. Diese Modelle bauen im Wesentlichen
auf kommerzieller Software auf, welche problemspe-
Moderne Computer-Simulationen
zifisch über anwenderprogrammierte Subroutinen er-
Die Optimierung von Motorkomponenten lässt sich weitert werden, Bild 9-22.
idealerweise rechnerisch durchführen. Vor diesem Aus physikalischer Sicht werden bekannte Ansätze
Hintergrund haben sich gemischte Berechnungsmo- verwendet: Die Reynolds’schen Differentialgleichun-
delle aus linearer FEM und Mehrkörpersimulation in gen im Bereich der Hydrodynamik. Die Ansätze nach
weiten Teilen der Dynamiksimulation durchgesetzt. Greenwood-Tripp für die Beschreibung von Mischrei-
Die Stärke dieser Modelle liegt in der Tatsache be- bung und Verschleiß, oder das Labyrinth-Modell nach
gründet, dass die Anzahl der Freiheitsgrade zur Be- Eweis für die Gasdynamik im Blow-by. Weitere Mo-
schreibung der Struktursteifigkeit drastisch reduziert delle zur Notation der Schmierfilmanteile im Gesamt-
werden können, ohne spürbar an Berechnungsgenau- system erlauben Aussagen hinsichtlich Ölhaushalt und
igkeit einzubüßen. Explizite FE-Analysen erlauben Ölverbrauch. Die Makrogeometrie wird dreidimensio-
eine unmittelbare Auswertung der Bauteilspannun- nal durch das FE-Modell abgebildet. Die Mikrogeo-
gen. Diese haben jedoch den wesentlichen Nachteil, metrie (wie zum Beispiel die Balligkeit der Kolbenrin-
dass die Berechnungszeiten um Größenordnungen ge) und die Topologie (wie zum Beispiel die Honstruk-
höher liegen. Für detaillierte Analysen der Lager- tur) werden durch die Subroutinen beschrieben. Die
Tribologie empfiehlt sich der Einsatz von Elasto- Führung der Kolbenringe (inklusive Stoß) erfolgt
9.2 Schmierung 455

ausschließlich über Kontaktformulierungen. So können [18] Haubner, F.; Klopstein, S.; Koch, F.: Cabin Heating – A
Challenge for the TDI Cooling System. SIA-Congress, Lyon,
auch mehrteilige Ölkontrollringe inklusive aller
10. – 11. 05. 2000
Kontaktflächen physikalisch modelliert werden. Aus [19] Bolenz, K.: Entwicklung und Beeinflussung des Energiever-
den Berechnungen resultieren die Hauptbewertungs- brauchs von Nebenaggregaten. 3. Aachener Kolloquium Fahr-
größen: Reibung, Verschleiß, Gasleckage und zeug- und Motorentechnik, 1991
[20] Gorille, I.: Leistungsbedarf und Antrieb von Nebenaggregaten.
Schmiermittelemission sowie sämtliche Bewegungs- 2. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 1989
größen, wie zum Beispiel die Kolbensekundärbewe- [21] Henneberger, G.: Elektrische Motorausrüstung. Wiesbaden,
gung oder die Kolbenringdynamik. Braunschweig: Vieweg Verlag, 1990
Auf Basis detaillierter Dynamikmessungen mittels [22] Schlotthauer, M.: Alternativantriebe für Nebenaggregate von
Personenkraftwagen. In: Antriebstechnik 24 (1985), Nr. 8
eigens entwickelter Spezialmesstechniken kann ab- [23] Fahl, E.; Haas, A.; Esch, T.: Tagung „Dynamisch belastete
schließend dann an verschiedenen Versuchsträgern Gleitlager im Verbrennungsmotor“. Esslingen, 1990
ein hochwertiger Grundabgleich aller Module vorge- [24] Maaßen, F. et al.: Simulation und Messung am Kurbeltrieb.
nommen werden. Somit steht ein leistungsfähiges 13. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 2004
[25] Maaßen, F.: Hybride Analyseverfahren für die moderne Mecha-
Werkzeug für die zielorientierte und effiziente nume- nikentwicklung. In: MTZ 68 (2007) 6
rische Optimierung der Einzelkomponenten bereit – [26] Deuss, T.; Ehnis, H.; Freier, R.; Künzel, R.: Reibleistungen am
eine heute übliche Methode. befeuerten Dieselmotor – Potenziale der Kolbengruppe. In: MTZ
05/2010
Literatur [27] Lückert, R.; Bargende, M.; Pischinger, S.; Grebe, U.-D.; Junker,
H. K.; Esch, H.-J.; Göschel, B.: Reibungsoptimierung – Wo hat
[1] Pischinger, S.: Vorlesungsumdruck Verbrennungskraftmaschi- sie noch Sinn? – Forum der Meinungen. In: MTZ 06/2010
nen, 26. Aufl. Selbstverlag, 2007 [28] Schmid, J.: Reibungsoptimierung von Zylinderlaufflächen aus
[2] Affenzeller, J.; Gläser, H.: Lagerung und Schmierung von Ver- Sicht der Fertigungstechnik. In: MTZ 06/2010
brennungsmotoren: Die Verbrennungskraftmaschine. Neue Fol-
ge Band 8. Springer Verlag, 1996
[3] Pischinger, R.; Kraßnig, G.; Taucar, G.; Sams, T.: Thermodyna-
mik der Verbrennungskraftmaschine: Die Verbrennungskraftma- 9.2 Schmierung
schine. Neue Folge Band 5. Springer Verlag, 1989
[4] Koch, F.; Haubner, F,; Schwaderlapp, M.: Thermomanagement
beim DI Ottomotor – Wege zur Verkürzung des Warmlaufs. 9.2.1 Tribologische Grundlagen
22. Internationales Wiener Motorensymposium, Wien, 26.–
27.04.2000 Die Motortechnik beruht auf Maschinenelementen
[5] Koch, F.; Hermsen, F.-G.; Marckwardt, H.; Haubner, F.-G.: unterschiedlicher Art, die – durch Form und Funktion
Friction Losses of Combustion Engines – Measurements, Analy- miteinander verbunden – aufeinander einwirken und
sis and Optimization Internal Combustion Engines Experiments
sich gegenseitig beeinflussen zum Beispiel durch:
and Modeling. Capri, Italien, 15. – 18. 09. 1999
[6] Schwaderlapp, M.; Koch, F.; Bollig, C.; Hermsen, F. G.; x Kinematik: Erzeugung, Übertragung und Hem-
Arndt, M.: Leichtbau und Reibungsreduzierung – Konstruktive
Potenziale zur Erfüllung von Verbrauchzielen. 21. Internationa-
mung von Bewegungen
les Wiener Motorensymposium, Wien, 04.– 05.05.2000 x Kinetik: Kraftübertragung über Kontakt-Grenz-
[8] Haas, A.: Aufteilung der Triebwerksverluste am schnellaufenden flächen
Verbrennungsmotor mittels eines neuen Messverfahrens, RWTH x Übertragung und Umwandlung von mechanischer
Aachen, Dissertation 1987
[9] Koch, F.; Geiger, U.; Hermsen, F. G.: PIFFO – Piston Friction
Energie
Force Measurement During Engine Operation. SAE-Paper x Transportvorgänge: Transport von flüssigen und
960306, 1996 gasförmigen Medien.
[10] Koch, F.; Fahl, E.; Haas, A.: A New Technique for Measuring
the Bore Disortion During Engine Operation, 21st Int. CIMAC- Eine wichtige Rolle bei diesen Vorgängen spielt die
Congress, Interlaken, 1995 Tribologie1) – nach DIN 50323 ist „Tribologie … die
[11] Speckens, F.-W.; Hermsen, F.; Buck, J.: Konstruktive Wege zum Wissenschaft und Technik von aufeinander einwir-
reibungsarmen Ventiltrieb. In: MTZ 59 (1998) 3
[12] Haas A.; Esch. T.; Fahl, E.; Kreuter, P.; Pischinger, F.: Opti- kenden Oberflächen in Relativbewegung. Sie umfasst
mized Design of the Lubrication System of Modern Combustion das Gesamtgebiet von Reibung und Verschleiß, ein-
Engines. SAE Paper 912407, 1991 schließlich Schmierung, und schließt entsprechende
[13] Haas, A.; Fahl, E.; Esch, T.: Ölpumpen für eine verlustarme Grenzflächenwechselwirkungen sowohl zwischen
Motorschmierung. Tagung „Nebenaggregate im Fahrzeug“.
Essen, 1992 Festkörpern als auch zwischen Festkörpern und Flüs-
[14] Fahl, E.; Haas, A.; Kreuter, P.: Konstruktion und Optimierung sigkeiten oder Gasen ein.“
von Ölpumpen für Verbrennungsmotoren. Aachener Fluidtechni- Hierbei ermöglicht, verbessert und sichert die
sches Kolloquium, 1992 Schmierung Funktion, Wirtschaftlichkeit und Le-
[15] Maaßen, F.: Pleuellagerbetrieb bei verschäumten Schmieröl.
RWTH Aachen, Diss. 1997 bensdauer der Bauteile, Funktionsgruppen des Motors
[16] Esch, T.: Luft im Schmieröl – Auswirkungen auf die Schmier- und der gesamten Antriebsanlage.
stoffeigenschaften und das Betriebsverhalten von Verbrennungs- Tribologische Systeme lassen sich im Bereich ihrer
motoren. Lehrstuhl für Angewandte Thermodynamik, RWTH Wechselwirkungen auf eine Grundstruktur (System-
Aachen, 1992
[17] Haas, A.; Stecklina, R.; Fahl, E.: Fuel economy improvement by
low friction engine design. Second International Seminar
1)
„Worldwide Engine Emission Standards and How to Meet tribos (griech.) reiben und -logie (griech.) Nachsilbe weiblicher
Them“, London, 1993 Hauptwörter mit der Bedeutung von Lehre, Kunde, Wissenschaft
456 9 Tribologie

elemente) reduzieren (DIN 50 320): Grundkörper, Ge- Im Motor ist Reibung insofern unerwünscht, weil ein
genkörper, Zwischenstoff (Partikel, Fluide, Gase) und Teil der mit an sich schon schlechten Wirkungs-
Umgebungsmedium (Bild 9-23). graden „erzeugten“ mechanischen Energie wieder in
Tribologische Beanspruchungen ergeben sich aus Be- thermodynamisch „geringerwertige“ Wärme umge-
wegungsablauf, wirksamen Kräften (Normalkraft), wandelt wird. Diese Wärme beeinträchtigt durch
Geschwindigkeiten, Temperaturen und der Beanspru- Viskositäts- und Tragkraftabfall des Schmiermittels
chungsdauer. die Funktion von Bauteilen. Im Extremfall kommt es
zu Schäden durch Warm- und Heißlaufen von Lage-
rungen.
Beanspruchungskollektiv
Festkörperreibung beruht auf mehreren Mechanismen:
x Adhäsion und Scheren: Bildung und Zerstören
von Adhäsionsbindungen in den Kontaktflächen
Struktur des Tribosystems
x Plastische Deformation: Deformation bei tangen-
Umgebungsmedium tialer Relativbewegung
x Furchung:
– Gleitpartner unterschiedlicher Härte, die Rau-
Gegenkörper heitsspitze des harten dringt in den weicheren
Partner ein oder/und
Zwischenstoff – ein hartes Partikel zwischen den Gleitpartnern
Grundkörper dringt in einen oder beide ein.
x Deformation: Elastische Hysterese und Dämpfung
x Energiedissipation: Reibungsenergie (mechanische
Oberflächenveränderungen Materialverlust Energie) wird in Wärme umgewandelt und geht
(Verschleißerscheinungsformen) (Verschleiß-Messgröße)
verloren.
Verschleißkenngrößen Haftreibung liegt vor, wenn ein Körper unter Einwir-
kung einer resultierenden Kraft auf seinen Gegenpart
gepresst in Ruhe verharrt. Haftreibung ist die Grund-
Bild 9-23 Schema: Tribologisches System [12]
lage der Kraftübertragung aller starr durch Schraub-,
9.2.1.1 Reibung Klemm oder Pressverbände miteinander verbundenen
Motorteile wie Kurbelgehäuse und Zylinderkopf,
Reibung ist ein vielschichtiges Phänomen, das sich
Kurbelwelle und Abtriebsflansch oder Aufnahmeboh-
nicht ohne Weiteres dem Verständnis erschließen will.
rung und Lager. Der für solche Verbindungen maß-
Sie ist zwiespältig, weil sie Bewegung gleichermaßen
gebende Haftreibwert μR hängt ab von Materialpaa-
behindert wie sie überhaupt erst ermöglicht. Ohne Rei-
rung, Oberflächenbeschaffenheit und den tribologi-
bung kein fester Halt – aber auch kein Fortkommen!
schen Bedingungen (Schmierung); er ist also keine
„Reibung ist eine Wechselwirkung zwischen sich be-
Material- sondern eine Systemeigenschaft [1].
rührenden Stoffbereichen von Körpern. Sie wirkt
Bei Gleitreibung (Reibung der Bewegung) ist in der
einer Relativbewegung entgegen. Bei äußerer Rei-
Motortechnik vor allem die Flüssigkeitsreibung be-
bung sind die sich berührenden Stoffbereiche ver-
stimmend; diese setzt ein Schmieren voraus. Die für
schiedenen, bei innerer Reibung ein und demselben
Maschinenteile relevanten Reibungszustände werden
Körper zugehörig.“ (DIN 50 323 Teil 3).
in der nach RICHARD STRIBECK (1861 bis 1950) be-
Reibung hängt sowohl vom Bewegungszustand ab –
nannten Stribeck-Kurve dargestellt als:
Haftreibung (statische Reibung, Ruhereibung) und
Bewegungsreibung (dynamische Reibung), als auch x Festkörperreibung mit unmittelbarem metallischen
von der Art der Relativbewegung der Reibpartner: Kontakt der Gleitpartner
x Gleitreibung: Gleiten, Translation in der Kontakt- x Grenzreibung, wenn die Gleitpartner mit Spuren
fläche, Relativbewegung der Gleitpartner des Schmiermittels bedeckt sind
x Rollreibung: Rollen, Rotation um eine Momentan- x Mischreibung als das Nebeneinander von Festkör-
achse in der Kontaktfläche per- und Flüssigkeitsreibung, wenn der Schmier-
x Wälzreibung: Wälzen, Rollen mit mikroskopi- film zwischen den Gleitpartnern teilweise unter-
schen oder makroskopischen Gleitanteilen. brochen ist
x Elastohydrodynamische Schmierung: Bei hohen
Reibung ist aber auch vom Aggregatzustand der be-
Pressungen zwischen den Gleitpartnern erhöht der
teiligten Stoffbereiche abhängig:
Druck im Ölfilm die Viskosität des Öls, weshalb
x Festkörperreibung sich – trotz an sich ungünstiger Bedingungen – ei-
x Flüssigkeitsreibung ne tragfähige Mindestschmierfilmdicke einstellt
x Gasreibung (Beispiel: Kontraforme Kontakte: Zahnradpaarun-
x Mischreibung. gen, Nocken/Nockenfolger etc.)
9.2 Schmierung 457

Verschleißmechanismen

Abrasiver Verschleiß Adhäsiver Verschleiß

Mikropflügen

Oberflächenzerrüttung

Mikrospanen

Tribo-
chemische
Reaktion
Bild 9-24 Verschleiß-
mechanismen

x Hydrodynamische Schmierung: Flüssigkeitsrei- Im Motorbetrieb kommt es auf die Verschleißrate an,


bung mit vollständiger Trennung der Gleitpartner das heißt die Geschwindigkeit, mit welche sich der
voneinander durch einen Schmierfilm. Verschleiß entwickelt:
Reibungsverluste werden mit dem mechanischen x Degressiv: Einlaufvorgänge, mit denen sich her-
Wirkungsgrad erfasst. Als Quotient aus der effektiven stellungsbedingte Rauheiten glätten und die Trag-
Leistung Pe und der inneren Leistung Pi beinhaltet der anteile der Gleitpartner vergrößern
mechanische Wirkungsgrad alle mechanischen Ver- x Linear: Normalbetrieb, bei dem der Verschleiß
luste vom Kolben zum Kurbelwellenflansch. Darüber zwar stetig, aber nur geringfügig zunimmt
hinaus werden damit auch hydraulische Verluste x Progressiv: Sich selbst verstärkend, beschleunigt
sich der Verschleiß, so dass es rasch zu Funkti-
(Planschverluste) sowie die Antriebsleistungen der
onsstörungen und daraus resultierend zu Schäden
zum Betrieb des Motors erforderlichen Hilfsmaschi-
kommt.
nen berücksichtigt. Der mechanische Wirkungsgrad
von Motoren liegt – bei Nennleistung – im Bereich In Motoren wird Verschleiß vorwiegend verursacht
von 75 bis 90 %, bei Teillast fällt er stark ab. durch:
x Gleitverschleiß bei trockenem Kontakt und bei
9.2.1.2 Verschleiß Grenz- und Mischreibung (unvollständige Tren-
nung von Grund- und Gegenkörper)
„Verschleiß ist der fortschreitende Materialverlust x Schwingungsverschleiß. Typisch: Passungsrost
aus der Oberfläche eines festen Körpers, hervorgeru- (Reiboxidation, Reibrost)
fen durch mechanische Ursachen, das heißt Kontakt x Flüssigkeitsreibung (vollständige Trennung von
und Relativbewegung eines festen, flüssigen oder Grund- und Gegenkörper)
gasförmigen Gegenkörpers“ (DIN 50 320). Ver- x Kavitation: Hohlraumbildung durch örtliches
schleiß wirkt funktionsstörend und lebensdauermin- Unterschreiten des Dampfdrucks in einer Flüssig-
dernd – als Teil der Abnutzung ist er jedoch unver- keit mit nachfolgender Implosion der Dampf-
meidlich bei jedem Maschinenbetrieb. blasen. Dadurch werden die begrenzenden Ober-
Verschleiß tritt auf, wenn zwei Reibkörper (Grund- flächen beschädigt; hydrodynamische Eigenschaf-
und Gegenkörper) unter Krafteinwirkung relativ zu- ten verschlechtern sich
einander bewegt werden – kontinuierlich, oszillierend Erosion: Beaufschlagung von Festkörpern mit par-
oder intermittierend. Dabei wirken sich Gefügeeigen- tikeldurchsetzten Flüssigkeiten (zum Beispiel
schaften, Festigkeitswerte, Härte, Form- und Oberflä- Schmiermittel oder Kraftstoff mit Fremdpartikel
chengeometrie auf den Verschleiß aus. Der Ver- oder Gasstrom mit Partikeln (Abgas mit Verbren-
schleißvorgang besteht aus mehreren Komponenten, nungsrückständen)); es kommt zu Abtrag an der
die einzeln oder in unterschiedlicher Kombination Werkstoffoberfläche
miteinander auftreten: Abscheren, elastische und x Verschleiß durch Tropfenschlag
plastische Deformationen sowie Grenzflächenvor- x Verschleiß durch Korrosion.
gänge. Dadurch lösen sich Partikel aus Körper und Verschleiß wirkt sich im Motor aus als Querschnitts-
Gegenkörper, welche ihrerseits den Verschleiß ver- schwächung, Oberflächenveränderung, Funktionsbe-
stärken (Bild 9-24). einträchtigung durch Spielvergrößerung, Verringe-
458 9 Tribologie

rung von Überdeckungen und Beeinträchtigung der


Geometrie und der Kinematik. Folgen können sein: z
Erhöhte Reibung, Fresser sowie Gewalt- und
Schwingbrüche. Im Motor wird Verschleiß hervorge- v + dv

rufen, meist durch:


t
x Überlastung t
x ungenügende Schmierung als Folge von v
– Schmiermittelmangel oder/und
– ungeeignete oder überalterte Öle
x ungünstige Betriebsbedingungen t = h · (dv/dz)
x

x Fehlfunktion oder Ausfall von Motorbauteilen. z


dv
Verschleiß tritt bevorzugt an folgenden Funktions-
gruppen auf:
x Triebwerk: Kolben, Kolbenringe, Zylinder, Lager
dz
und Wellen
x Rädertrieb: Zahnräder
x Steuerung: Nocken und Nockenfolger, Ventile,
Ventilsitze und Ventilführungen, Riementriebe.
x

9.2.2 Schmiersystem
Bild 9-25 Scherung und Schergefälle [13]
9.2.2.1 Schmierung
Schmierung ist das Beschichten oder Benetzen von Maschinenbetrieb wirkt sich die Flüssigkeitsreibung
Gleitpartnern mit einem Schmiermittel; hierzu dienen nachteilig aus: Sie kostet mechanische Energie und
„Flüssigkeiten, Gase, Dämpfe, das heißt fluide Stoffe, heizt das Schmiermittel auf; das mindert die Tragfä-
plastische Substanzen und feste Körper in Pulver- higkeit des Schmierfilms. Diese Reibungswärme
form“. muss abgeführt werden, was zusätzlichen konstrukti-
Aufgaben der Schmierung sind: ven und betriebsmäßigen Aufwand verlangt. Im un-
x Kraftübertragung günstigsten Fall, bei Mischreibung, führt sie zu Ver-
x Verringerung von Reibung und Verschleiß schleiß der Gleitpartner – bis hin zum Fresser. Doch
x Feinabdichtung: Auf- und ineinander gleitende ohne innere Reibung könnte eine Flüssigkeit keine
Teile können prinzipiell nur mit Hilfe eines Kräfte übertragen.
Schmierfilms dichten
x Stoß- und Schwingungsdämpfung 9.2.2.2 Bauteile und Funktion
x Verringerung von Geräusch
x Kühlung: Abfuhr von Reibungswärme Unter dem Schmiersystem versteht man die schmier-
x Reinigung: Abtransport von Partikeln aller Art stoffführenden Leitungen, Pumpen, Filter, Wärmeüber-
x Korrosionsschutz. trager und Regelorgane in ihrer Anordnung zueinander.
Zu nennen sind: Ölsammelbehälter (Ölwanne), Öl-
Das Schmiermittel ist ein Maschinenelement; es über-
pumpe(n), Ölwärmetauscher, Ölfilter, Steuerventile,
trägt in den Lagerungen die Bauteilkräfte durch
Einfüllstutzen und die Überwachung von Ölvolumen
Schmierfilme mit Schichtdicken von nur wenigen
(Ölstand) und Ölvolumenstrom (Öldruck).
Tausendstel Millimeter. Diese Fähigkeit beruht auf der
Man unterscheidet:
Viskosität, das heißt der Fähigkeit des Schmiermittels,
einer Formänderung Widerstand entgegenzusetzen. Die x Frischöl- oder Verbrauchsschmierung: Das Öl
einzelnen Flüssigkeitsteilchen reiben aneinander; an wird aus einem Ölvorratsbehälter von einer Pum-
ihren Berührungsflächen entstehen tangentiale Span- pe zu den einzelnen Verbrauchern gefördert. Es ist
nungen (Schubspannungen), deren Größe von dem zu fordern, dass stets sauberes und kühles Öl zu
Geschwindigkeitsgefälle senkrecht zur Strömungsrich- den Verbrauchern gelangt. Bei sorgfältiger Dosie-
tung dv/dz (Schergefälle) und einer Materialeigenschaft rung kann der Ölverbrauch gering gehalten wer-
der Flüssigkeit, der kinematischen Viskosität K (Zähig- den. Angewendet wird die Frischölschmierung bei
keit), abhängt (Newton’sche Schubspannungsansatz). Zweitakt-Ottomotoren mit Benzineinspritzung.
Die kinematische Zähigkeit ihrerseits hängt vom x Mischungsschmierung. Diese Schmierungsart wird
Schmierstoff, dessen Temperatur und Druck sowie heute vorwiegend bei kleinen Zweitaktmotoren
vom Schergefälle ab (Bild 9-25). angewendet. Das Schmieröl wird beim Tanken in
Die Schubspannungen verrichten in Gleitrichtung einem bestimmten Verhältnis (1 : 50 beziehungs-
Reibungsarbeit (Dissipationsarbeit); diese in Wärme weise 1 : 100) dem Ottokraftstoff zugemischt. Das
umgewandelte Bewegungsenergie ist „verloren“. Im Öl gelangt mit dem Kraftstoff beim Ansaugen in
9.2 Schmierung 459

den Zylinder und beim Überströmen in den Kur- Von der Pumpe gelangt das Öl in das Filter. Dieses
belraum. Das ausgeschiedene Öl schmiert die Lager ist zum Schutz vor Überlastung durch zu hohe Drü-
und die Zylinderwand. Mit der Spülluft gelangt cke, zum Beispiel bei Kaltstart, durch ein Umge-
auch Schmieröl in den Auspuff: Das erhöht den hungsventil abgesichert; eine Rücklaufsperre verhin-
Ölverbrauch und verschlechtert die Abgasqualität. dert das Leerlaufen bei Motorstillstand (Bild 9-26).
x Druckumlaufschmierung: Viertaktmotoren und Primäre Funktion der Ölfilter ist der Schutz der
Zweitaktdieselmotoren werden grundsätzlich so Gleitpartner vor Fremdkörper im Öl. Hierzu muss das
geschmiert. Eine Pumpe fördert das Öl aus einem Filter vor den Verbrauchern angeordnet sein, so dass
Sammelbehälter durch ein System von Leitungen der gesamte Ölstrom durch das Filter geht (Haupt-
zu den Verbrauchern, von wo aus es drucklos zu- stromschaltung). Zur Entlastung des Hauptstromfil-
rück in den Sammelbehälter fließt. ters und um dessen Schmutzbeladung zu verringern,
x Trockensumpfschmierung: Aus baulichen Grün- wird ein Teil des Öls vom Hauptstrom abgezweigt
den (Einbauraum) oder bei besonderen Betriebs- und durch ein Nebenstromfilter – eine Ölzentrifuge
bedingungen (Geländefahrzeuge, Sportwagen) oder ein Feinfilter – geschickt (Bild 9-27).
wendet man Trockensumpfschmierung an, bei der Nebenstromfilter ersparen keine Ölwechsel, denn sie
eine Absaugpumpe das Öl in einen gesonderten können weder verbrauchte Additive ersetzen noch
Sammelbehälter pumpt, von wo aus es nach Küh- Kraftstoff, Wasser und Säuren aus dem Schmiermittel
lung und Filterung durch eine Druckpumpe in des herausfiltern [2]. Bei hoher Wärmebelastung des
Ölsystem zurückgefördert wird. Oft sind Saug- Motoröls muss dieses gesondert gekühlt werden, ent-
und Druckstufe der Pumpe konstruktiv zusam- weder mit einem Wasser-Öl- oder Luft-Öl-Wärme-
mengefasst. tauscher. Meist ordnet man den Ölwärmetauscher
nach dem Filter an, um mit dem noch warmen und
Motorschmieröl-Kreislauf: Der Saugkorb der Öl- deshalb dünnflüssigen Öl den Druckverlust im Filter
pumpe ist an der tiefsten Stelle in der Ölwanne ange- niedrig zu halten. In Hinblick auf einen optimalen
ordnet, um auch bei Schräglagen des Fahrzeugs die Schutz des Motors sollte das Filter jedoch hinter dem
Ölversorgung zu gewährleisten. Eine Verdränger- Wärmetauscher – also unmittelbar vor den Ölverbrau-
pumpe – über Zahnrad, Kette, Zahnriemen angetrie- chern – sitzen.
ben oder direkt auf der Kurbelwelle sitzend – drückt Vom Filter beziehungsweise Wärmetauscher gelangt
das Motoröl durch das Filter und – je nach Ausfüh- das Öl über den Hauptölkanal zu den Ölverbrauchern.
rung des Schmierölsystems – durch einen Wärmetau- Das Triebwerk wird vom Hauptölkanal durch Boh-
scher in die Hauptölleitung. Druckseitig ist ein rungen in den Kurbelgehäusezwischenwänden und in
Druckbegrenzungsventil angeordnet, das bei Über- den Grundlagerschalen mit Öl versorgt. Dieses ge-
schreiten des eingestellten Drucks Öl absteuert. Die langt durch Bohrungen in der Kurbelwelle zu den
Abregelbohrungen sind so ausgeführt, dass Druck- Pleuellagern und von dort – je nach Ausführung –
spitzen geglättet und Druckschwingungen unterbun- durch eine Bohrung in der Pleuelstange zum Kolben-
den werden. Das abgesteuerte Öl läuft entweder frei bolzenlager (Bild 9-28).
ab oder wird auf die Saugseite der Pumpe geführt, Um das Öl in die Grundlagerzapfen zu fördern, muss
damit es sich nicht mit Luft anreichert. die Fliehkraft überwunden werden. Die Förderung

Das Umgehungsventil Die Rücklaufventile


sichert die Ölversorgung. verhindern das Leerlaufen
des Filters.

Bild 9-26 Umgehungsven-


til und Rücklaufsperre für
Ölfilter (Volkswagen)
460 9 Tribologie

Hauptstromschaltung Haupt-Nebenstromschaltung
Umgebungsventil Hauptstromfilter Umgehungsventil Hauptstromfilter

Ölkühler Ölkühler

Drossel
Nebenstrom-
filter
Pumpe Druckregel- Pumpe
ventil
M M
Schmier- Schmier-
stellen stellen

Bild 9-27 Hauptstrom- und


Ölwanne Ölwanne Haupt-Nebenstromfilterung
[14]

Kurbelraum geschmiert. Bei kritischen Bedingungen


sorgen gesonderte Sprühdüsen für eine ausreichende
Schmierung
der Steuerung Ölversorgung. Auch die Ventilführungen werden durch
Spritzöl geschmiert, wobei die Ölzufuhr in die Führun-
gen durch Ventilschaftdichtungen begrenzt bezie-
Steigkanal zum hungsweise dosiert wird. Die Tendenz geht heute zu
Zylinderkopf
weitgehend integrierten Ölleitungen und kurzen Ölwe-
gen mit geringem Druckabfall (Strömungsverlusten)
Hauptöl- (Bild 9-29).
kanal
Motoren höherer spezifischer Leistung kommen ohne
Kolben- Kolbenkühlung nicht mehr aus. Für die Kolbenküh-
kühlung
lung wird Schmieröl aus dem Hauptstrom abgezweigt
und durch Spritzdüsen gegen die Kolbenunterseiten
Schmierung
des Triebwerks
oder in Kolbenkühlkanäle gespritzt. Durch druckge-
steuerte Ventile wird verhindert, dass bei noch kaltem
Ölpumpe Ölfilter Motor – und damit kaltem Öl – dem Kolben unnötig
Wärme entzogen wird. Das Anspritzen der Kolbenun-
Saugkorb
terseiten aus Bohrungen im großen Pleuelauge ist
insofern nachteilig, als dieses Kühlöl zusätzlich durch
Bild 9-28 Schmierölkreislauf (Schema) eines Pkw- die Kurbelwelle gefördert werden muss.
Ottomotors (Volkswagen) Da die Förderung erst mit dem Startvorgang beginnt,
besteht die Gefahr, dass die Ölverbraucher während
von der Bohrung im Grundlagerzapfen in die des der ersten Umdrehungen kein oder zu wenig Öl er-
Hubzapfens beziehungsweise zum Kolbenbolzenlager halten. Deshalb werden in Steigleitungen Rück-
hingegen wird durch die Fliehkraft beziehungsweise schlagventile, in Zylinderköpfen Ölgalerien vorgese-
die oszillierende Bewegung des Pleuels unterstützt. hen, von denen aus das angesammelte Öl schnell zu
Grundsätzlich sollte ein Grundlager nur einen Hub- den Verbrauchern gelangen kann (Bild 9-30).
zapfen mit Öl versorgen. Die bei größeren und großen Dieselmotoren üblichen
Bei leistungsstarken Motoren teilt sich der Ölkreis in elektrisch angetriebenen Schmierölvorpumpen ver-
zwei Kanäle, der eine versorgt die Nockenwellensteue- bieten sich bei Kfz-Motoren wegen des konstruktiven
rung mit Öl unter hohem, der andere die Nockenwel- Aufwandes, des Mehrgewichtes und der Kosten.
lenlager und Tassenstößel unter niedrigem Druck [3]. Geringe Ölfüllungen und häufiges Umwälzen be-
Die Ölversorgung von Motorteilen wie Spannrollenla- günstigen das Verschäumen des Öls. Als Obergrenze
ger und von Motorzubehör wie Abgasturbolader, Ein- für den Gasgehalt werden 8 % angesehen. Um dem
spritzpumpen und so weiter erfolgt direkt über Ölkanä- Verschäumen zu begegnen, sieht man Zentrifugal-
le. Nicht an das Ölversorgungssystem angeschlossene abscheider und/oder tiefgezogene Ölrückläufe vor.
Bauteile wie Kipphebelwälzflächen oder die Flanken Damit lässt sich der Gasgehalt auf unter 4 % reduzie-
von Zahnrädern werden indirekt durch das Sprühöl im ren (Bild 9-31).
9.2 Schmierung 461

eignet. Die bei Verdrängerpumpen zur Druckerhö-


Zylinderabschaltung
hung nötige Volumenveränderung wird durch das
Zyl. 7 bis 9 Zyl. 10 bis 12 Kämmen der Zahnräder bewirkt. Die Fördermenge
ergibt sich aus Zahngeometrie und der Pumpendreh-
3/2-Wegeventil 3/2-Wegeventil
zahl (Bild 9-33).
Sekundärkreispumpe Beurteilungskriterien für Ölpumpen sind Fördercha-
rakteristik, Wirkungsgrad, Kavitationsempfindlich-
Hydrostößel Hydrostößel keit, Geräuschentwicklung, Einbauvolumen, Gewicht
Steuerung Steuerung und Fertigungskosten. Wichtig sind eine geringe
Nocken- Nocken- Ansaughöhe und ein rascher Druckaufbau im Ölkreis-
wellen wellen lauf. Die Transportverluste müssen aufgebracht, die
verstellung verstellung
Fliehkraft in den Grundlagerzapfen und die Durch-
3/2-Wegeventil 3/2-Wegeventil flusswiderstände der Ölverbraucher (Lager) über-
wunden werden. Die Druckverluste von der Pumpe
Öl-Wasser-
bis zum Zylinderkopf liegen bei etwa 1,5 bis 2 bar.
Wärmeaustauscher Die Strömungsgeschwindigkeit des Schmieröls in den
Triebwerk Kolben-
Kühlung Filter Leitungen soll 3 bis 4 m/s nicht übersteigen.
Angeordnet werden Ölpumpen auf der Kurbelwelle,
Thermostat und
Sicherheitsventil Öl-Luft- am Motorblock oder im Ölsumpf. Konstruktiv ein-
Wärmeaustauscher fach und preiswert (etwa 50 % billiger als bei Lage-
Registerpumpe rung im Sumpf) ist die Anordnung auf der Kurbel-
welle, doch zwingt das zu größeren Raddurchmessern
Ölwanne und einer höheren Pumpendrehzahl als benötigt
werden. Die Leistungsaufnahme ist daher – unabhän-
gig von der Pumpenbauart – deutlich höher. Außer-
Bild 9-29 Ölkreislauf eines Zwölfzylinder-V-Otto- dem muss die Taumelbewegung der Kurbel-
motors mit Zylinderabschaltung (Mercedes-Benz)

Mit Ölprallblechen (Ölhobel) wird das Öl in der


Ölwanne vom Triebwerk ferngehalten, so dass beim
Schwappen des Öls – bedingt durch die Fahrzeugbe-
wegung – die Kurbelwelle nicht in das Öl eintauchen
kann (Bild 9-32).

Ölpumpen: Für Fahrzeugmotoren werden Umlauf-


Schottwand
verdrängerpumpen – Zahnrad- und Zahnringpum-
pen – verschiedener Bauart verwendet: Außenzahn- Rotation Schwallblech
Öl Ölrücklaufkanal
radpumpen, Innenverzahnte Pumpen (Sichelpumpen)
Luft
und Zahnringpumpen (Gerotorpumpen). Diese Pum-
pen bauen kompakt, haben gute Wirkungsgrade,
zeigen ein gutes Ansaugverhalten und sind für einen Bild 9-31 Führung des Rücklauföls aus den Zylin-
weiten Viskositätsbereich der Förderflüssigkeit ge- derköpfen beim Audi V6 Biturbo

Bild 9-30 Anordnung der


Ölgalerie im Zylinderkopf
Ölgalerie
eines Pkw-Ottomotors
(Ford)
462 9 Tribologie

Bild 9-32 Ölprallblech


(Ölhobel) eines Vierzylinder-
Pkw-Motors (Opel-Ecotec)

Füllstück
Exzen-
Exzen- trizität
trizität

Verdrängerzone
Füllzone
Füllzone
Verdrängerzone
Zahnradpumpe Innenzahnradpumpe Zahnringpumpe
(Sichelpumpe) (Gerotorpumpe) Bild 9-33 Bauarten von
Motorölpumpen (Schema)

welle aufgefangen werden – bei Zahnringpumpen in Wärme umgewandelt werden. Man unterscheidet
entweder durch Lagerung des Innenläufers im Pum- dabei zwischen direkt vom Systemdruck und indirekt,
pengehäuse oder durch Zentrierung des Innenläufers das heißt vom Systemdruck und einem vorgegebenen
auf der Kurbelwelle [4]. Steuerdruck gesteuerten Regelventilen (Bild 9-34).
Wenn die Pumpe im Ölsumpf sitzt, ist die Ansaughö- Für zusätzliche Verbraucher wie zum Beispiel Abgas-
he niedriger, und die Pumpe saugt beim Start besser turbolader muss mehr Öl gefördert werden. Außer-
an. Zudem kann man niedrigere Pumpendrehzahlen dem führt ein Absenken der Leerlaufdrehzahl zur
wählen (zum Beispiel Untersetzung 1 : 1,5), was die Verringerung der Motorverluste zu erheblicher Mehr-
Antriebsleistung senkt. Von Nachteil ist der konstruk- förderung bei hohen Drehzahlen. Das Missverhältnis
tive Aufwand des Antriebs durch Ketten-, Zahnrie- zwischen bei niedriger Drehzahl zu förderndem und
men- oder Zahnrad- oder Schraubradantrieb. bei hoher Drehzahl tatsächlich benötigtem Öl ver-
Die Fördercharakteristik von Umlaufverdrängerpum- stärkt sich. Deshalb versucht man, die Pumpenkenn-
pen ist drehzahlabhängig. Mit steigendem Pumpen- linie durch Regelung der Pumpe besser an den Ölbe-
druck nimmt der volumetrische Wirkungsgrad wegen darf des Motors anzupassen, durch Registerpumpen,
der Leckverluste ab. Der Ölbedarf des Motors ist aber Veränderung der Exzentrizität bei Pumpen mit In-
weitgehend unabhängig von der Motordrehzahl, so nenverzahnung, Saugregelung bei Zahnringpumpen,
dass Fördermenge und -bedarf mit steigender Drehzahl axiales Verschieben des Sekundärrades bei Pumpen
auseinanderklaffen. Die Anforderungen der einzelnen mit Außenverzahnung oder Entkoppelung des Pum-
Ölverbraucher sind unterschiedlich: Die Lager brau- penantriebs von der Motordrehzahl durch elektri-
chen einen bestimmten Ölvolumenstrom, hydraulische schen Antrieb der Pumpe. Solche Lösungen verlan-
Stellelemente einen bestimmten Druck. So werden für gen jedoch ein sorgfältiges Abwägen von konstrukti-
die Nockenwellen-Verstellung höhere Fördermengen vem Aufwand, zusätzlicher Masse und Kosten mit
benötigt; für die Zylinderabschaltung wird eigens eine der erzielbaren Leistungseinsparung.
Sekundärpumpe vorgesehen. Die Auslegung der Pum- Bei Vier- bis Sechszylindermotoren beträgt der Öl-
pe auf einen Mindestölvolumenstrom im (Heiß-) bedarf 40 bis 100 l/min, Achtzylindermotoren brau-
Leerlauf – das heißt niedrige Drehzahl und niedrige chen rund 100 bis 120 l/min. Man rechnet für Kur-
Viskosität des Öls – zwingt dazu, mit steigender Dreh- belwellenhauptlager von Pkw-Motoren mit 3 l/min pro
zahl von einem bestimmten Gegendruck an Öl abzu- Lager, für Pleuellager mit 4 bis 5 l/min pro Lager, die
steuern, so dass etwa 50 % der hydraulischen Energie Kolbenkühlung verlangt 1,5 bis 3 l/min pro Düse,
9.2 Schmierung 463

Öl durch das Lager, aber der Druck sinkt ab und


signalisiert fälschlicherweise „Ölmangel“. Deshalb
sollte die Überwachung des Öldrucks am Ende des
Leistungsstranges, zum Beispiel hinter dem letzten
Kurbelwellenlager oder im Zylinderkopf erfolgen.
Weil der Motorbetreiber die Öldruckanzeige nicht
ständig im Auge behalten kann, bemerkt er ein Absin-
ken des Öldrucks häufig zu spät, nämlich an den meist
verhängnisvollen Folgen. Daher sollte das Abfallen
des Öldrucks auch akustisch gemeldet werden.
Weitere Kontrollgrößen sind Öltemperatur und Öl-
stand. Hierzu dienen Sensoren; der Ölstand muss
auch manuell mittels eines Ölpeilstabs mit Markie-
rungen für minimalen und maximalen Ölstand über-
prüft werden können.
Ölbelastung: Die Belastung des Motoröls hat im
Laufe der Zeit ständig zugenommen: Durch kleinere
Ölfüllmengen, steigende Leistung infolge höherer
Drehzahlen und Aufladung, durch kompaktere Moto-
ren (downsizing), insbesondere durch die V-Bauweise,
durch aufwändigere Konstruktionen, längere War-
tungs- und Ölwechselintervalle sowie stark und häufig
wechselnde Motorlast- und Drehzahl. Außerdem lassen
aerodynamisch bessere Karosserieformen die Tempera-
tur im Motorraum ansteigen. Zahlenmäßig kann man
die Ölbelastung mit verschiedenen Kennziffern
(Bild 9-35) beschreiben, zum Beispiel Ölfüllmenge/
Bild 9-34 Direkt gesteuertes Regelventil (Mercedes-
Hubvolumen oder Ölfüllmenge/Leistung. Genauere
Benz)
Aussagen erhält man mit der Ölbelastungskennzahl:
der Zylinderkopf etwa 12 l/min. Allerdings werden Ölbelastungskennzahl
von diesen Ölmengen 50 bis 60 % abgesteuert. Moto- § Motorleistung > kW @ ·
ren mit Kurbelgehäusen aus Aluminium benötigen ¨ ¸
¨ u Ölwechselintervall > km @ ¸ (9.4)
etwas mehr Öl, weil sich die Spiele wegen der stärke- © ¹
ren Wärmedehnung mit der Temperatur vergrößern. § (Ölvolumen  Nachfüllmenge ·
Der Förderdruck beträgt etwa 5 bar. Die Antriebsleis- ¨¨ ¸¸
tungen von Ölpumpen für Vier- bis Sechszylinder- © pro Ölwechselintervall) > l @ ˜ 1.000 ¹
motoren liegen im Bereich von 0,5 bis 2 kW, für
In [5] sind diesbezüglich zwei Kennwerte gegenüber-
größere Motoren bis zu 5 kW.
gestellt:
Ölkontrolle. Weil für den Motor lebenswichtig, muss Ölbelastungskennzahl kW · km/l
die Ölversorgung kontrolliert werden. In der Regel Ford Taunus 1949 11,5
dient der Pumpengegendruck als Kontrollgröße. Das Audi Quattro 1987 277,2
ist insofern problematisch, als nicht die physikalisch
relevante Größe, der Ölvolumenstrom, sondern eine Ölverbrauch: Der Ölvorrat im Ölsammelbehälter
von ihr abhängige Größe, der Pumpengegendruck, als (Ölwanne) verringert sich im Laufe der Betriebszeit
Kontrollgröße dient. Zum einen nimmt dieser im durch Ölverlust und Ölverbrauch. Ölverlust tritt auf,
Quadrat zur Strömungsgeschwindigkeit (entspre- wenn Öl an den starren und beweglichen Trennstellen
chend dem Volumenstrom) zu, zum anderen hängt er des Motors austritt. Das können sein: Verbindung von
auch vom Durchflusswiderstand ab. Mit steigender Kurbelgehäuse mit der Ölwanne und dem Zylinder-
Temperatur nimmt die Zähigkeit (Viskosität) des kopf, Zylinderkopf mit Zylinderkopfhaube, Verbin-
Schmiermittels ab, so dass – um den vorgegebenen dungsstellen von Ölfilter und Ölkühler sowie undichte
Kontrolldruck aufrecht zu erhalten, mehr Öl gefördert Ölablassschrauben und Kurbelwellenabdichtungen.
werden muss. Wenn sich die Leitung zusetzt, steigt Zum eigentlichen Ölverbrauch kommt es bei inneren
der Durchflusswiderstand an, so dass trotz geringeren Undichtigkeiten durch Verbrennen und/oder Ver-
Ölvolumenstoms der Druck nicht abnimmt. Wenn dampfen von Öl. Solche Undichtigkeiten erklären
andererseits der Widerstandsbeiwert bei Vergröße- sich aus abgenutzten Kolbenringen, eingearbeiteten
rung der Lagerspiele kleiner wird, fließt zwar mehr Kolbenringnuten, Spiegelbildung im oberen Bereich
464 9 Tribologie

Jahr 1937 1940 1951 1960 1970 1980 1990 2000


Typ Super 6 Kapitän Kapitän Kapitän Commodore Commodore Omega Omega
3
Hubvolumen [dm ] 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5 2,6 2,6
Leistung [kW] 40,4 40,4 42,6 66,2 88,2 110 110 110
Drehzahl [min–1] 3.600 3.600 3.700 4.100 5.500 5.800 5.600 5.600
Ölfüllung [l] 5 4 4 4 4,5 5,75 5,5 5,5
Ölbean- [kW/l] 8,1 10,1 10,65 16,55 19,6 19,1 20 20
spruchung
Ölfüllung/ [l/dm3] 2 1,6 1,6 1,6 1,8 2,3 2,1 2,1
Hubvolumen
Ölwechsel- [km] 2.000 2.000 3.000 7.500 10.000 15.000
intervall

Bild 9-35 Kennzahlen von 2,5 l Opel-Motoren

der Zylinderlaufbahnen, zu großem Spiel zwischen Betriebsbedingungen (Kaltstart, Heißlauf) und die
Ventilschaft und Ventilführung oder Undichtigkeiten Ölqualität. Ein Sensor erfasst die Betriebstemperatur
im Turbolader. Der Ölverbrauch kann nur überschlä- des Motors, den Ölfüllstand und die Ölqualität, wobei
gig angegeben werden, weil er von vielen, sich im die Dielektrizitätskonstante als ein Kriterium für den
Laufe der Betriebszeit des Motors ändernden Ein- Zustand des Motoröls gewertet wird [6].
flussgrößen abhängt. Als „normal“ gelten für Pkw-
Motoren 0,1 bis 0,25 (0,5) l je 1.000 km. Ein gleich Literatur
bleibender Ölstand muss nicht immer bedeuten, dass [1] Czichos, H.; Habig, K.-H.: Tribologie Handbuch 2. Aufl. bearb.
kein Öl verbraucht wird, denn der Ölverbrauch von Erich Sntner und Mathias Woydt. Wiesbaden: Vieweg, 2003
[2] Greuter, E.; Zima, S.: Motorschäden, 2. Aufl. Würzburg: Vogel
kann – vor allem bei Dieselmotoren – durch Kraft- Buchverlag
stoffeintrag „ausgeglichen“ werden. [3] Porsche 911. In: Sonderausgabe ATZ/MTZ
[4] Eisemann, S.; Härle, C.; Schreiber, B.: Vergleich verschiedener
Ölwechsel: Das Öl als Medium der Schmierung Schmierölpumpensysteme bei Verbrennungsmotoren. In: MTZ
55 (1994) 10
unterliegt durch den Motorbetrieb mannigfaltigen [5] Eberan-Ebenhorst, C. G. A. von: Motorenschmierstoffe als Part-
Veränderungen, die zu periodischem Austausch der ner der Motorenentwicklung. In: Schmierung von Verbrennungs-
Ölfüllung (Ölwechsel) zwingen. Die Ölwechselzeiten kraftmaschinen. Lehrgang TA Eßlingen 13. –15.12.2000
sind im letzten Jahrzehnt deutlich verlängert worden. [6] Warnecke, W.; Müller, D.; Kollmann, K.; Land, K.; Gürtler, T.:
Belastungsgerechte Ölwartung mit ASSYST. In: MTZ 59 (1998)
Kriterien für den Ölwechsel sind der Gehalt an flüssi- 7/8
gen und festen Fremdstoffen, die Erschöpfung der [7] Affenzeller, J.; Gläser, H.: Lagerung und Schmierung von Ver-
Additivwirksamkeit und unzulässige Veränderungen brennungskraftmaschinen. Die Verbrennungskraftmaschine –
der Viskosität. Mit dem Öl müssen auch die Filter Neue Folge. Band 8. Wien: Springer, 1996
[8] Fuller, D. D.: Theorie und Praxis der Schmierung. Stuttgart:
gewechselt werden. Die Ölwechselzeiten werden Berliner Union, 1960
abhängig von Motorart (Ottomotor, Dieselmotor), [9] Gläser, H.: Schmiersystem in: Kraftfahrzeugmotoren, 3. Aufl.
Motortyp, Laufstrecke in km, Betriebszeit in Monaten (Hrsg. Küntscher, V.), Berlin: Verlag Technik 1995
und den jeweiligen Betriebsbedingungen von den [10] Reinhardt, G. P. et al.: Schmierung von Verbrennungskraftma-
schinen. Ehningen: expert-Verlag, 1992
Motorherstellern vorgeschrieben; sie liegen in einem [11] Treutlein, W.: Schmiersysteme in: Handbuch Dieselmotoren
weiten Bereich – bei Pkw-Motoren von (5.000 km), (Hrsg. Mollenhauer, K.) Berlin: Springer, 1997
15.000 bis 20.000 km (30.000 km). Diese Vorschrif- [12] Norm DIN 50320 Verschleiß (Begriffe)
ten sind unbedingt einzuhalten! Das Altöl muss vor- [13] Zima, S.: Kurbeltriebe, 2. Aufl. Wiesbaden: Vieweg, 1999
[14] Motorenfilter, Die Bibliothek der Technik 31. Landsberg/Lech:
schriftsmäßig entsorgt werden. Verlag moderne industrie, 1989
Neuerdings geht die Entwicklung zu flexiblen, belas- [15] Maaßen, F.: Pleuellagerbetrieb bei verschäumten Schmieröl.
tungsabhängigen Ölwechselzeiten von 20.000 bis RWTH Aachen, Dissertation 1997
[16] Kahlenborn, M. et al.: Die Wälzlagerung im Verbrennungsmotor
40.000 km – entsprechend ein bis zwei Jahren. Ent-
als Maßnahme zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs. 22nd
scheidend für die Ölwechselzeit ist der Zustand des International AVL Conference „Engine & Environment“, Sep-
Öls. Dieser verschlechtert sich im Motorbetrieb durch tember 9th– 10th, 2010, Graz
Oxidation, Bildung organischer Nitrate, Abnahme der [17] Schöffmann, W. et al.: Hochleistung und Reibungsreduktion –
Herausforderung oder Widerspruch? Zukünftige Diesel- und
Additivwirksamkeit und bei Dieselmotoren zusätzlich
Ottomotoren auf Basis einheitlicher Familienarchitektur. 22nd
durch Rußeintrag. Bestimmend hierfür sind die International AVL Conference „Engine & Environment“, Sep-
Motorgröße, das heißt die Auslastung des Motors, die tember 9th– 10th, 2010, Graz
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 465

10 Ladungswechsel

Unter dem Begriff Ladungswechsel ist hier der Aus- VG beziehungsweise VGZ bezeichnen das zugeführte
tausch der Zylinderfüllung zu verstehen. Maßgebli- Gemischvolumen beziehungsweise das nach dem La-
chen Einfluss darauf hat neben den im Zylinderkopf dungswechsel im Zylinder verbleibende Gemisch-
befindlichen Steuerorganen das daran angeschlossene volumen.
Ansaug- beziehungsweise Abgassystem. Durch sie Die effektive Leistung und so auch das Drehmoment
wird die Qualität der Frischgaszuführung und der eines Motors bei konstanter Drehzahl ist von dem ef-
Abgasentfernung realisiert. fektiven Mitteldruck abhängig. Mit folgender Formel
Die Güte dieses Prozesses ist bei Verbrennungsmoto- für den effektiven Mitteldruck:
ren von entscheidender Bedeutung, da durch ihn vor pme K eZ ˜ O l ˜ H GZ (10.4)
allem die maximale Leistung und das maximale
Drehmoment, aber auch der Kraftstoffverbrauch, die ergibt sich die effektive Leistung mit der Berücksich-
Abgasqualität und das Laufverhalten wesentlich be- tigung sowohl des Spülverlusts und der Druckverluste
einflusst werden. als auch der Wärmeaufnahme beim Ansaugen wie
Auf den Ladungswechsel wirken sich mehrere Fakto- folgt:
ren aus, wie die Ventilsteuerzeiten, Ventilerhebungs- Pe i ˜ K eZ ˜ O l ˜ H GZ ˜ VH ˜ n (10.5)
kurven, Ausgestaltung des Ansaug- und Abgassys-
tems, Strömungsverluste, Wandtemperaturen in den Der effektive Wirkungsgrad KeZ und der untere Heiz-
Kanälen und im Brennraum, Umgebungstemperatur wert HGZ beziehen sich dabei auf die Zusammen-
und -druck. Die Güte des Ladungswechsels lässt sich setzung der Zylinderladung nach ES.
durch die Kennzahlen Luftaufwand Oa und Liefergrad Für das Drehmoment gilt:
Ol beschreiben: 1
M i ˜KeZ ˜ Ol ˜ H GZ ˜ VH (10.6)
2˜S
mG mK  mL
Oa (10.1) Die einzelnen Faktoren beeinflussen sich gegenseitig.
mth Vh ˜ U th
Der Liefergrad wird stark von der Drehzahl beein-
mGZ mKZ  mLZ flusst. Einerseits steigen die Drosselverluste in den
Ol (10.2) Leitungen mit der Drehzahl, andererseits spielen gas-
mth Vh ˜ U th
dynamische Vorgänge eine erhebliche Rolle. Der ef-
Hierbei treten mG als die dem Zylinder zugeführte fektive Wirkungsgrad im geschlossenen Brenn-
und mGZ als die im Zylinder nach dem Ladungswech- raum KeZ nimmt mit höherem Liefergrad zu, da Rei-
sel verbleibende Gemischmasse (Kraftstoff mKZ und bungsverluste bei konstanten Drehzahlen genau wie
Luft mLZ) auf. Sie stehen in Relation zu der den Zy- Drosselverluste konstant sind. Aus diesem Grund
linder theoretisch ausfüllenden Gemischmasse mth. hängt KeZ auch von der Drehzahl ab. Generell gilt,
Somit trifft der Luftaufwand mehr über das Ansaug- dass für maximale Leistung ein Maximum für den
system und den Ansaugprozess eine Aussage, wäh- Term KeZOln und für maximales Drehmoment ein Ma-
rend der Liefergrad die nach dem Abschluss des La- ximum für den Term KeZOl zu erzielen sind. Das heißt,
dungswechsels (das heißt nach ES) im Zylinder tat- die zwei Optima liegen entfernt, in zwei verschiede-
sächlich verbleibende Frischladungsmenge, also die nen, schmalen Drehzahlbereichen, weswegen bei ei-
Effektivität des Ladungswechsels charakterisiert. nem konventionellen Motor (weder variable Ven-
Diese zwei Ladungsmengen unterscheiden sich durch tilsteuerung noch Schaltsaugrohr) immer ein Kom-
den vom Einlass während der Ventilüberschnei- promiss zwischen Drehmoment und Leistung ge-
dungsphase in den Auslass strömenden Masse als schlossen werden muss.
entgangenen Spülverlust. Bei Ventilsteuerungen mit
geringer Ventilüberschneidung gilt näherungsweise 10.1 Gaswechseleinrichtungen
Oa | Ol, sonst ist Oa > Ol.
Beim Ladungswechsel spielen sowohl die Wärme- beim Viertaktmotor
aufnahme der Frischladung im Ansaugsystem und im Beim Viertaktverfahren sind Ausschieben und An-
Zylinder als auch Druckverluste eine wichtige Rolle. saugen die Ladungswechseltakte. Sie erfolgen nach-
Unter der Annahme von idealem Gas gilt für den Lie- einander durch die Verdrängerwirkung des Kolbens.
fergrad Ol: Ein- und Auslass des Zylinders müssen durch Steuer-
organe periodisch geöffnet und geschlossen werden.
VGZ ˜ U GZ VGZ ˜ Tth ˜ pZ
Ol (10.3) Die Steuerorgane müssen vor allem folgenden Anfor-
Vh ˜ U th Vh ˜ TZ ˜ pth derungen genügen:

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_10
466 10 Ladungswechsel

x große Öffnungsquerschnitte unterschiedlichen Ventiltriebe können eingeteilt wer-


x kleiner Zeitbedarf für die Öffnungs- und Schließ- den nach
vorgänge x Anzahl der Ventile pro Zylinder, Bild 10-2
x strömungsgünstige Ausführung x Lage der Nockenwelle.
x hohe Dichtwirkung während der Kompressions-,
Verbrennungs- und Expansionsphase Die Verdopplung der Anzahl der Ein- und Auslass-
x hohe Standfestigkeit. ventile auf jeweils zwei ist eine mittlerweile hinrei-
chend bewährte Maßnahme zur Verbesserung des vo-
Bild 10-1 zeigt zwei Bauformen von Steuerorganen lumetrischen Wirkungsgrads und der Verringerung
für Viertaktmotoren. Hubventile gewährleisten einfa- der Ladungswechselarbeit durch größere Strömungs-
che und sichere Dichtung, wobei der Zylinderdruck querschnitte. Eine Steigerung der spezifischen Leis-
die Dichtwirkung verstärkt. Die hohen Beschleuni- tung und Senkung des spezifischen Kraftstoffver-
gungen und Verzögerungen bei der Hubbewegung brauchs, verbunden mit einem günstigen Einfluss auf
ergeben erhebliche Beanspruchungen des Ventiltrie- die Verbrennung, sind die erreichten Vorteile, denen
bes durch Massenkräfte. Außerdem kann bei hohen ein aufwändiger Ventiltrieb gegenübersteht. Bei der
Drehzahlen der Kraftschluss verlorengehen. Dreh- Verfolgung dieses technischen Ansatzes ist die Frage
schieber weisen kurze Öffnungs- und Schließzeiten zu stellen, ob die heute üblichen vier Ventile pro Zy-
und keine Massenkräfte auf. Problematisch sind, we- linder einem absoluten oder relativen Optimum nahe-
gen hoher Temperaturen und thermischer Dehnung, kommen. Aoi [9] untersuchte zu diesem Zweck Vier-
Dichtung und Betriebssicherheit (Fressen, Klemmen). bis Siebenventilanordnungen. Folgende Begriffe sind
Die heute übliche Bauart ist die Steuerung mit Hub- in diesem Zusammenhang zu definieren:
ventilen (Bild 10-1, links).
x Ventilfläche: Kreisfläche der Ventilöffnungen pro
Zylinder
x Ventilöffnungsfläche: Mantelfläche bei geöffneten
Ventilen.
Gleichen Zylinderdurchmesser vorausgesetzt, weist
die Fünfventilanordnung die größte Ventilöffnungs-
fläche auf, wobei sich diese Aussage jetzt auf die hin-
sichtlich des zu erzielenden Effektes dominanten Ein-
lassventile bezieht (Bild 10-3). Bei gleichem Druck-
verhältnis stellen sich die größte Durchflussrate und
der beste volumetrische Wirkungsgrad ein. Bei glei-
cher Ventilöffnungsfläche könnte der Zylinderdurch-
messer bei fünf Ventilen etwas kleiner ausfallen als
Bild 10-1 Hubventil- und Drehschiebersteuerung [1] bei vier Ventilen. Der kompaktere Brennraum des
Fünfventilers bietet also leistungsmäßig Vorteile.
10.1.1 Bauformen des Ventiltriebs Dennoch hat sich im Bereich der Pkw-Ottomotoren
der Vierventiler auf breiter Ebene durchgesetzt. Dies
Zur Steuerung des Ladungswechsels werden bei Vier- liegt vor allem daran, dass die mit fünf an Stelle von
taktmotoren fast ausschließlich und bei Zweitaktmo- vier Ventilen erreichte Verbesserung bei den meisten
toren teilweise Tellerhubventile verwendet. Der er- Anwendungen nicht mehr in vernünftigem Verhältnis
forderliche Betätigungsmechanismus einschließlich zum Aufwand steht. Dieser beginnt bei der Ventilfüh-
der Ventile selbst wird als Ventiltrieb bezeichnet. rung im Zylinderkopf und setzt sich bei den mechani-
Allen Ventiltriebsanordnungen gemeinsam ist der schen Ventiltriebskomponenten fort. Die räumliche
Antrieb über eine Nockenwelle, die beim Viertakt- Enge im Zylinderkopf auf Grund neuerer Entwick-
motor mit halber Kurbelwellendrehzahl läuft. Die lungen wie Doppelzündung oder Benzindirektein-

Anzahl der Ventile pro Zylinder


2-Ventiler 3-Ventiler 4-Ventiler 5-Ventiler 6-Ventiler 7-Ventiler
Anzahl der 1 2 2 3 3 4
Einlassventile
Anzahl der 1 1 2 2 3 3
Auslassventile

Bild 10-2 Ventilanordnungen


10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 467

können direkt über Stößel betätigt werden, ergeben

Einlassventilfläche 2 x 1/100 [mm2]


Einlassventil Auslassventil aber einen ungünstigen Brennraum (Klopfen, Koh-
Einlassventilöffnungsfläche 1 x 1/100

lenwasserstoffemission); veraltete Ausführung.


14
Hängende Ventile (Bild 10-5, B und C) benötigen zur
(bei max. Ventilhub) [mm2]

1
Betätigung Stößel, Stoßstange und Kipphebel. Die
10 Ventile können parallel (Bild 10-5, B) oder V-förmig
12
2
9 angeordnet sein (Bild 10-5, C).
8 x Obenliegende Nockenwelle
10
Nockenwelle oberhalb der Trennlinie Kopf/Block;
0,32 0,35 0,35 0,37 wird in der Regel bei modernen, schnelllaufenden Ot-
sve/dve
8 to- und Dieselmotoren eingesetzt. Die Ventilbetäti-
4 V. 5 V. 6 V. 7 V.
gung kann über Schwinghebel beziehungsweise
Anzahl der Ventile
Schlepphebel, Kipphebel oder Stößel (Bild 10-6) er-
Bild 10-3 Einfluss der Anzahl der Ventile auf die folgen. Vorteilhaft ist, dass durch den Wegfall von
Einlassventil- und Einlassventilöffnungsfläche [9] Stoßstange und Stößel beziehungsweise Kipp- oder
Schlepphebel sich die ungleichförmig bewegte Masse
spritzung stellt zusätzlich ein nicht leicht zu lösendes und die Elastizität des Ventiltriebes verringert.
Problem dar. Bild 10-4 zeigt einen Vierventilmotor Bei den heute gebräuchlichen Ventiltrieben werden
mit radialer Anordnung der Ventile und einen Fünf- bei geöffnetem Ventil die Übertragungsglieder (Kipp-
ventilmotor mit einem Dachbrennraum. hebel, Schwinghebel, Stößel etc.) von einer Feder-
kraft (Ventilfeder) aufeinander oder auf den Nocken
Lage der Nockenwelle gepresst. Dieser Kraftschluss kann bei hohen Dreh-
zahlen verloren gehen. Dies gilt nicht für die soge-
x Untenliegende Nockenwelle
nannte Zwangssteuerung der Ventile, bei der über ei-
Die Nockenwelle liegt unterhalb der Trennlinie Kopf/ nen zweiten Nocken ein Abheben vom Steuernocken
Block (Bild 10-5). Stehende Ventile (Bild 10-5, A) vermieden wird (Bild 10-7); Ventilfedern erübrigen

Bild 10-4 Vier- und Fünf-


ventilmotor [1]

Kipphebel

Stoßstange

Bild 10-5 Ventiltriebe mit


Stößel
unten liegender Nocken-
Nockenwelle welle, A: stehende Ventile,
A B C
B und C: hängende Ventile
468 10 Ladungswechsel

Bild 10-6 Ventiltriebe mit


Schwinghebel/ Kipphebel Stößel oben liegender Nockenwelle
Schlepphebel
[6]

sich dabei. Ein Ventilspiel ist auch hier erforderlich. Gegossene NW müssen nach der Formgebung einer
Wegen des Aufwandes (Fertigung, Wartung) hat sich Wärmebehandlung unterzogen werden, um die erfor-
diese Lösung nicht durchgesetzt. derliche Festigkeit und tribologische Eignung zu er-
reichen. Beim Schalenhartguss erfolgt die Härtung
10.1.2 Bauelemente des Ventiltriebs der NW in einem Arbeitsgang durch schnelles Ab-
kühlen (abschrecken) der Gießform. Beim Schleuder-
Nockenwelle (NW) guss fließt das Metall in eine rotierende Kokille und
Die Nockenwelle überträgt das vom NW-Antrieb erstarrt unter Fliehkrafteinwirkung. Zur Gewichtsein-
eingeleitete Drehmoment über die einzelnen Nocken sparung werden die NW meistens hohl gegossen.
zu den Abgriffsgliedern. Neben den Ventiltriebsno- Bei gebauten NW werden die Nocken getrennt vom
cken kann die Nockenwelle zusätzliche Nocken für Wellenkörper gefertigt und durch späteres Fügen
die Betätigung von Einspritzpumpen (Einzelpumpen, dauerfest miteinander verbunden. Die Trennung er-
Pumpe-Düse-Elemente, Common-Rail-Pumpen) oder möglicht eine auf Funktion, Herstellung und Bean-
Motor-Bremssystemen tragen. Auf Grund ihrer ferti- spruchung angepasste Wahl der Werkstoffe. Als Trä-
gungstechnischen Merkmale kann man NW einteilen gerwelle kommen kaltgezogene Baustähle (zum Bei-
in: spiel St52K) oder legierter Stahl (zum Beispiel
x gegossen 100Cr6) zum Einsatz. Für die Nocken werden ein-
x geschmiedet satzgehärtete Stähle (zum Beispiel 16MnCr5) ver-
x gebaut. wendet. Als Fügeverfahren haben sich kraftschlüssige
Verbindungen durch Aufschrumpfen oder hydrauli-
sches Aufweiten des Rohres durch Innendruck und
ein formschlüssiges Verfahren in der Serienfertigung
durchgesetzt. Bei der formschlüssigen Verbindung
werden am Rohr im Bereich der Befestigungsstellen
Aufwerfungen durch Rollieren erzeugt. Der Nocken
ist mit einem Innen-Vielkeilprofil versehen und wird
kraftgesteuert aufgepresst (KRUPP-PRESTA-Verfah-
ren). Weiterer Vorteil der gebauten NW ist der mög-
liche geringe Nockenabstand (Mehrventiltechnik) und
eine Gewichtsreduzierung von bis zu 40 %. Auf
Grund der Verbindungstechnik sind die übertragbaren
Momente jedoch begrenzt.
Mehrteilige NW finden häufig bei Großmotoren
Verwendung. Dort werden einzelne NW-Segmente
miteinander verschraubt, um NW für Motoren unter-
schiedlicher Zylinderzahlen zu realisieren. Die Lager-
stellen für die bei NW ausnahmslos eingesetzten
Gleitlager werden bei gebauten NW direkt auf das
Rohr geschliffen. Die Bearbeitung der Nockenprofile
erfolgt ebenfalls durch Schleifen. Bei Rollenabgriff
ist für die gewünschte Ventiltriebskinematik im All-
Bild 10-7 Ventil-Zwangssteuerung [5] gemeinen ein negativer Krümmungsradius (Nocken-
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 469

konkavität) der Nockenprofile notwendig. Bei festge-


legtem minimalem Schleifscheibendurchmesser kann Ventilfederteller
der negative Krümmungsradius begrenzend für die Ventilkegelstücke

Ventiltriebskinematik sein. Durch Bandschleifen der


Nockenprofile sind kleinste negative Krümmungsra- Ventilschaftabdichtung
dien herstellbar. Die wechselnden Belastungen durch
Ventilfeder
Einspritzpumpen und Ventiltrieb bewirken Biege- und
Torsionsschwingungen der elastischen NW. Insbeson- Ventilschaftführung
dere die Torsionsschwingungen verursachen Winkel-
abweichungen und damit Abweichungen der Steuer-
und Einspritzzeiten zwischen erstem und letztem No-
Ventil
cken. Zur Minimierung der Schwingungen sollte die
NW eine hohe Steifigkeit bei vergleichsweise geringer
Trägheit (hohle Welle) aufweisen. Mit der Torsionsei- Ventilsitzring
genfrequenz der NW sind die innerhalb ihres Dreh-
zahlbandes auftretenden Drehschwingungs-Resonan-
zen bestimmbar. Besonders bei langen NW muss auf Bild 10-9 Ventil und Ventilbauteile [8]
die mit niedriger Motorordnung angeregten Resonan-
zen geachtet werden. In ungünstigen Fällen (lange Zy-
muss, erfordert der Zahnriemen in einem ölfreien
linderbänke) müssen Drehschwingungstilger am freien
Raum. Beide Antriebe müssen zum Schutz bezie-
Ende der NW angebracht werden.
hungsweise zur Vermeidung von Schmierverlusten
Nockenwellenantrieb gekapselt werden.
Zum Antrieb der Nockenwellen gibt es neben selte-
Ventil
nen Sonderausführungen (Königswelle, Schubstan-
genantrieb) drei gebräuchliche Möglichkeiten, die In Bild 10-9 ist ein Ventil mit seinen Einbauelementen
Nockenwelle von der Kurbelwelle her anzutreiben: dargestellt. Die aus warm- und verschleißfesten Legie-
x Zahnräder rungen (zum Beispiel Cr-Si- oder Cr-Mn-Stahl) herge-
x Kette mit Zahnrad stellten Ventile werden an den Sitzflächen und am
x Zahnriemen. Schaftende entweder nur gehärtet oder mit Hartmetal-
len gepanzert. Am Schaft sind die Ventile verchromt.
Zahnräder werden hauptsächlich bei unten liegender Die mit federbelasteten Elastomer-Manschetten aus-
Nockenwelle eingesetzt; bei oben liegender Nocken- gerüsteten Ventilschaftabdichtungen müssen einer-
welle erfordern Zahnräder einen großen Bauaufwand. seits eine ausreichende Schaftschmierung sicherstel-
Kette und Zahnrad sowie Zahnriemen werden heute len, andererseits aber auch einen erhöhten Schmieröl-
bei obenliegenden Nockenwellen ausschließlich ein- durchtritt verhindern. Leichtmetallzylinderköpfe wer-
gesetzt (Bild 10-8). Bei beiden Antrieben ist eine den mit eingepressten Ventilführungen und Ventil-
Spannvorrichtung erforderlich. Zahnriemen aus sitzringen (aus Sonderbronzen oder aus legiertem
Kunststoff mit Längsfasern sind leiser und billiger als Gusseisen) versehen, die aber häufig auch in Grau-
Kettentriebe. Während die Kette geschmiert werden gusszylinderköpfen verwendet werden.
Ventile sind thermisch und mechanisch hoch bean-
spruchte Bauteile, die zusätzlich noch korrosiven Ein-
Nockenwellen flüssen ausgesetzt sind. Die mechanischen Beanspru-
Gleitschiene chungen entstehen infolge Durchbiegung des Ventil-
Kettenspanner tellers unter Zünddruck und durch hartes Aufsetzen
Hilfsantriebe
beim Schließen (Stoß). Durch entsprechende Stärke
Kurbelwelle
und Formgebung des Tellers sind diese Spannungen
Kettentrieb
beeinflussbar. Die Ventile nehmen vom Verbren-
nungsraum her mit großer Oberfläche Wärme auf.
Das Auslassventil wird während des Öffnens auch
durch die ausströmenden heißen Abgase auf der
Nockenwelle Oberseite beheizt. Im Ventil fließt die Wärme vor al-
Zahnriemenspanner
Hilfsantriebe
lem zum Ventilsitz, ein kleinerer Teil über den Schaft
zur Ventilführung. Einlassventile erreichen Tempera-
Kurbelwelle
turen von 300 bis 500 °C, Auslassventile 600 bis
Zahnriementrieb 800 °C. Eine typische Temperaturverteilung zeigt
Bild 10-10. Wenn die Dichtung am Ventilsitz wäh-
Bild 10-8 Nockenwellenantriebe [1] rend der Verbrennungsphase nicht einwandfrei ist,
470 10 Ladungswechsel

Die Ventilsitzringe werden eingepresst oder einge-


schrumpft.
Um örtliche Temperaturunterschiede am Ventilteller
und ungleichen Verschleiß zu vermeiden, soll sich
das Ventil im Betrieb langsam drehen. Diese Bewe-
565
590 gung kann durch Ventildrehvorrichtungen zwischen
620 Ventilfeder und Zylinderkopf (Rotovalve, Rotocap
650 660 und Rotocoil) unterstützt werden, die die pulsierende
675
700 Federkraft in kleine Drehbewegungen umsetzen. Die
685 620 Drehbewegungen werden über die Ventilfeder und
den Federteller auf das Ventil übertragen. Der Feder-
teller wird am Ventilschaft mit Klemmkegeln befes-
tigt (Bild 10-12). Der Schaft wird dabei relativ wenig
geschwächt, da die runde Eindrehung geringe Kerb-
650

675
700

690
685
660

635

wirkung hat.

Bild 10-10 Temperaturverteilung im Auslassventil


[1]

entstehen örtliche Überhitzungen und Anschmelzun-


gen, die zum Versagen des Ventils führen.
Zur Verbesserung der Wärmeleitung durch den
Schaft wird dieser für besonders hohe Anforderungen
hohl ausgeführt und mit Natrium gefüllt (Bild 10-11,
links). Die Bewegung des bei Temperaturen über
97,5 °C flüssigen Natriums verstärkt den Wärme-
transport. So können die Ventiltemperaturen um bis Bild 10-12 Fixierung des Federtellers durch Klemm-
zu 100 °C abgesenkt werden. Zur Verminderung des kegel [5]
Verschleißes kann der Sitz durch Aufschweißen von
Stellit gepanzert sein (Bild 10-11, rechts). Ventilfeder
Der Werkstoff des Ventils muss hohe Warmfestigkeit
und Zunderbeständigkeit haben. Dafür kommen be- Als Ventilfedern kommen zylindrische oder konische
sondere Stähle, aber auch Titan in Frage. Stahlfedern und Luftfedern zum Einsatz (Bild 10-13,
Aus Verschleißgründen werden in die Zylinderköpfe Bild 10-14). Sie unterscheiden sich hauptsächlich in
Ventilsitzringe eingebaut. Bei Leichtmetallzylinder- ihrem Kraftverhalten über dem Federweg. Während
köpfen muss in jedem Fall ein Sitzring vorgesehen die zylindrische Stahlfeder meistens eine lineare
werden (legierter Schleuderguss, in Sonderfällen Kennlinie aufweist, besitzt die konische Stahlfeder
austenitisches Gusseisen mit Wärmeausdehnungsko- eine progressive und die Luftfeder sogar eine stark
effizienten etwa in der Höhe von Leichtmetall). Bei progressive Kennlinie (Bild 10-15). Durch die pro-
hoch beanspruchten Motoren werden insbesondere gressive Kennlinie kann ein günstiges Verhalten bei
für die Auslassventile Sitzringe aus legiertem Schleu- hohen Drehzahlen erreicht werden. Auf Grund des
derguss auch bei GG-Zylinderköpfen verwendet. hohen Aufwands und der notwendigen Druckluftver-
sorgung bei Luftfedern kommen sie bisher lediglich
im Motorsport zum Einsatz.
Kipp- und Schwinghebel
x Kipphebel
Kipphebel werden bei unten liegender Nockenwelle
mit Natrium
mit Stoßstangen und bei oben liegender Nockenwelle
gefüllt mit V-förmig angeordneten Ventilen verwendet.
Wegen der hohen Auflagekraft am Drehpunkt muss
Sitzpanzerung die Lagerung besonders steif ausgeführt werden. Für
das Kipphebelverhältnis i = l2 / l1 (Bild 10-25) werden
Werte von 1 bis 1,3 empfohlen als Kompromiss zwi-
schen niedriger Flächenpressung am Stößel, geringer
bewegter Masse und hoher Steifigkeit. Die Kraft
Bild 10-11 Natrium gekühltes Auslassventil [1] des Kipphebels soll möglichst axial auf das Ventil
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 471

lineare Federkennlinie (zylindrische Feder)


progressive Federkennlinie (konische Feder)
stark progressive Federkennlinie (Luftfeder)

Kraft
zylindrische Feder konische Feder Federweg

Bild 10-13 Zylindrische und konische Stahlfedern Bild 10-15 Federkennlinien

übertragen werden, damit keine Seitenkraft auf den


Ventilspieleinstellung
Ventilschaft wirkt und erhöhter Verschleiß der Ven-
tilführung vermieden wird. Bei halbem Ventilhub soll
der Drehpunkt des Kipphebels senkrecht zur Ventil-
achse in Höhe des Schaftendes liegen, um die
kleinstmögliche Verschiebung von Kipphebel und
Ventil gegeneinander zu erreichen (günstige Gleitbe-
dingung). Die übertragende Kugel- oder Walzen-
fläche soll am Kipphebel und nicht am Ventil ange-
geschmiedet / gegossen aus Blech gepresst
bracht sein. Aus Verschleißgründen ist das Kipp-
hebelende gehärtet.
Ausführungen von Kipphebeln zeigt Bild 10-16. Bild 10-16 Kipphebel [5]
Kipphebel werden meist gegossen oder geschmiedet.
Kostengünstig und leicht, jedoch weniger steif, sind
aus Blech gepresste Kipphebel. Vorteilhaft ist die
x Schwinghebel (Schlepphebel)
Ventilspieleinstellung an der ruhenden Hebellage- Der Schwinghebel ist wesentlich kleineren Kräften
rung. Bei geschmiedeten Kipphebeln sitzt die Ein- als der Kipphebel ausgesetzt. Der Einfluss von Ver-
stellschraube normalerweise am Hebelende, wodurch änderungen im Auflagerpunkt ist geringer; es ist beim
die bewegte Masse des Ventiltriebs zunimmt. Bild Schwinghebel möglich, eine automatische Ventil-
10-17 zeigt einen Ventiltrieb mit einem im Kipphebel spielnachstellung in die Hebellagerung einzubauen,
integrierten hydraulischen Ventilspielausgleich. Das ohne dass die Gesamtelastizität des Ventiltriebes sich
Ausgleichselement wird über die Kipphebelachse und wesentlich ändert. Die Ausführung zweier Schwing-
Bohrungen im Kipphebel mit Schmieröl versorgt. hebel zeigt Bild 10-18.

Ventil Ventil
geschlossen offen

Druck ca. 95 bar


Temp. ca. 300 °C
Abblasen

Luftzufuhr ca. 15 bar


mit Rückschlagventil
Überdruckventil
Bild 10-14 Luftfeder
472 10 Ladungswechsel

Bild 9-15 zeigt einen Streubereich, aus dem die Vor-


teile der Rollenschlepphebel bezüglich der Reibungs-
verluste hervorgehen. Die Reduzierung der Ventil-
triebsreibung führt jedoch andererseits dazu, dass die
von den Nockenkräften eingeleiteten Wechselmo-
mente weniger gedämpft werden und somit den An-
trieb der Nockenwellen stärker belasten. Unter Um-
ständen können die dann erforderlichen stärkeren
Ketten- oder Riemenspanneinrichtungen (Spannrol-
A E len, Gleitschienen, Dämpfungselemente) die im Be-
reich des Ventiltriebs gewonnenen Reibungsvorteile
wieder kompensieren.
Stößel
Bild 10-17 Ventiltrieb mit Kipphebeln und hydrau- Der Stößel beim Stoßstangenmotor (Bild 10-5, B)
lischem Ventilspielausgleich [10] muss die Stoßstange führen und die Querkräfte auf-
nehmen, die durch das Gleiten des Nockens entste-
hen. Bei oben liegender Nockenwelle mit Stößelan-
trieb (Bild 10-6) muss der Stößel die Querkräfte von
der Ventilführung fernhalten. Übliche Stößelausfüh-
Hydraulischer
Ventilspielausgleich rungen für Stoßstangenmotoren zeigt Bild 10-19.
(nicht bewegt) Flach- und Topfstößel sind nach oben und unten de-
montierbar. Rollenstößel werden für höchste Belas-
Rollenabgriff
tungen verwendet (höherbelastete Dieselmotoren).
mit Nadellager Bild 10-20 zeigt einen Tassenstößel, der bei oben-
liegender Nockenwelle mit Stößelantrieb fast aus-
schließlich zum Einsatz kommt.
Der Stößeldurchmesser ist durch die maximale Stö-
ßelgeschwindigkeit festgelegt. Die Nockenbreite wird
durch die Flächenpressung zwischen Nockenwelle
und Stößel bestimmt. Da Nocken und Stößel unter
großer Flächenpressung aufeinander gleiten müssen,
ist die Werkstoffpaarung wichtig. Die Paarung ge-
Rollenabgriff

Topfstößel Flachstößel Pilzstößel Rollenstößel


Gleitabgriff
Bild 10-19 Stößel für Ventiltrieb [5]
Bild 10-18 Ventiltrieb mit Schwinghebel (Schlepp-
hebel) härteter Stahl/weiß erstarrter Grauguss ist gut ge-
eignet. Oft lässt man zur Vermeidung ungleichmäßi-
Eine Möglichkeit zur Verringerung der Reibungsver- gen Verschleißes den Stößel um seine Achse drehen.
luste insbesondere bei niedrigen Drehzahlen besteht Dazu wird er seitlich gegen die Nockenmitte um 1 bis
in der Verwendung von sogenannten Rollenschlepp- 3 mm versetzt. Neben den starren Stößeln gibt es
hebeln. Hierbei wird im Berührungspunkt zwischen Stößel mit automatischer Spielnachstellung (siehe
Schlepphebel und Nockenwelle ein nadelgelagerter Bild 10-21). Hierbei wird das Spiel über die im
Rollenabnehmer verwendet. Hierdurch ist eine Ab- Hochdruckraum befindliche Ölmenge konstant ge-
senkung des Reibmomentes des Ventiltriebs auf bis halten. Ist das Ventilspiel zu groß, fließt über das Ku-
zu circa 30 % gegenüber einer Gleitschlepphebel- gelventil (1) bis (3) Öl aus dem Vorratsraum (4)
anordnung möglich (Bild 10-18). nach, ist es zu klein, tritt das überschüssige Öl über
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 473

Einstellscheibe
(Ventilspieleinstellung
über Scheibendicken-
auswahl)

Aushebenut

Tassenkörper

Bild 10-20 Tassenstößel


ohne hydraulischen Ausgleich

Ölvorratsraum (4)
Ölübertritt
Außengehäuse
Kolben
Leckspalt (5) Ventilkugel (1)
Innengehäuse Ventilfeder (2)
Ventilkape (3) Ölzufuhrnut
Rückstellfeder
Öleintrittsbohrung

Bild 10-21 Tassenstößel mit


hydraulischem Ventilspiel-
ausgleich

den Leckspalt (5) wieder aus. Neben der einfacheren


Vornocken Hauptnocken
Wartung durch Wegfall der Spieleinstellung vermin-
dert dieses System das Geräusch. Dem stehen die x
x = x (aNW)
große Masse, die geringe Steifigkeit und Probleme
beim Motorstart nach längerer Standzeit durch un-
genügende Ölversorgung als Nachteile gegenüber.
Heute werden, abgesehen von Rennmotoren, Motor- aNW
x
radmotoren und Hochleistungsdiesel, bei Stößelmoto-
Geschwindigkeit x = x ′ vNW
ren fast ausschließlich Stößel mit automatischer
Spielnachstellung eingesetzt und auch bei Motoren
mit Kipp-, Schwing- oder Schlepphebeln wird der
hydraulische Ventilspielausgleich mit Hilfe von zu- aNW
sätzlichen Einsteckelementen realisiert.

10.1.3 Kinematik und Dynamik x


des Ventiltriebs Beschleunigung x = x ′′ v2NW

Ein guter Ladungswechsel erfordert ein schnelles


Öffnen und Schließen der Ventile. Dabei sind jedoch
die Massenkräfte des Ventiltriebs bei der Auslegung aNW

zu beachten. Bild 10-22 zeigt den typischen Verlauf


des Nockenhubes, der Nockengeschwindigkeit x und nNW = konst.
der Nockenbeschleunigung x über dem Nockenwin-
kel. Diese Größen entsprechen den jeweiligen Größen
bei der Ventilbewegung. Bild 10-22 Kinematik des Nockens [1]
474 10 Ladungswechsel

Der Nockenhub oder auch die Nockenkontur setzt Schubkurbel ab. Es ist ersichtlich, dass die Entfer-
sich aus dem Vornocken und dem Hauptnocken zu- nung des Nockenberührungspunktes B von der Stö-
sammen. Im Bereich des Vornockens ist die Hubge- ßelmitte der Geschwindigkeit proportional ist. Der
schwindigkeit x klein, so dass übliche Ventilspielän- Stößeldurchmesser muss also der größten Hubge-
derungen keine starken Stoßimpulse bewirken kön- schwindigkeit angepasst sein.
nen. Der Hauptnocken bestimmt den Öffnungsquer- Wichtig ist es, dass immer ein Kraftschluss zwischen
schnitt für den Ladungswechsel. Den Abschluss bil- Nocken und Stößel beziehungsweise Kipp- oder
det ein dem Vornocken entsprechender Auslauf. Schlepphebel vorliegt. Darüber hinaus muss auch
Der Hubverlauf ist eine Funktion des Nockenwellen- Kraftschluss zwischen Ventil und Stößel beziehungs-
winkels DNW. Somit gilt für die Hubgeschwindigkeit weise Kipp- oder Schlepphebel bestehen, damit das
x : Ventil dem Nockenhub folgt. Der Ventilhub ist gege-
dx dx dD NW benenfalls entsprechend dem Kipphebel- oder dem
x ˜ x c ˜ Z NW (10.7) Schwinghebelverhältnis i = l2 / l1 umzurechnen. Zur
dt dD NW dt
Überprüfung des Kraftschlusses muss die Kraft zwi-
mit schen Nocken und Stößel ermittelt werden. Dazu sind
ZNW = Winkelgeschwindigkeit der Nockenwelle die Massen- und Federkräfte zu berücksichtigen.
Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit der Nocken- Für einen Ventiltrieb entsprechend Bild 10-24 ergibt
welle ergibt sich für die Hubbeschleunigung x : sich für die Kraft auf den Nocken FN :

d2 x d 2 x dD NW
2 l2 ª J
˜ x cc ˜ Z NW FN FF ˜  mStö  mSt  2K  mV
 l1 «¬
2
x (10.8)
dt 2 dD NW dt 2
2 l1

§l · m §l · º
2 2
In diesen Beziehungen sind xc und xs drehzahlunab-
u ¨ 2 ¸  F ˜ ¨ 2 ¸ » ˜ 
x (10.9)
hängige Funktionen, die nur von der Geometrie des © l1 ¹ 2 © l1 ¹ »
Nockens bestimmt werden. Die Nockenform ist also ¼
maßgebend für den Verlauf der Ventilbewegung. Bild mit
10-23 zeigt den Zusammenhang zwischen Hubverlauf FF Ventilfederkraft
und Nockenform in Verbindung mit einem Flachstö- mF Masse der Ventilfeder (geht nur zur Hälfte ein,
ßel. Zur Darstellung ist die Drehung des Nockens da sie sich einseitig am Zylinderkopf abstützt)
durch eine Schwenkung des Stößels im Gegensinn JK Trägheitsmoment Kipphebel
bei stehendem Nocken ersetzt worden. Die Nocken- mStö Stößelmasse
form ist die Einhüllende der Stößelgleitfläche. Man mSt Stoßstangenmasse
kann für kinematische Untersuchungen den Nocken- mred reduzierte Masse
trieb durch Schubkurbeln ersetzen, deren Gelenk mit mV Masse des Ventils
dem jeweils zum Berührungspunkt B gehörigen Fred reduzierte Federkraft
Krümmungsmittelpunkt M der Nockenkontur zu-
„Reduziert“ man alle Größen auf der Nockenseite,
sammenfällt. xc (gedrehter Vektor) und xs hängen von
dann lautet die Gleichung für die Nockenkraft:
Kurbellänge (rM ) und Stellung der gerade gültigen
FN Fred  m red ˜ 
x (10.10)
Dieser Gleichung entspricht das Ersatzsystem in Bild
10-25. Für Kraftschluss muss die Bedingung erfüllt
sein:
Fred  m red ˜ 
x!0 (10.11)
oder anders geschrieben:
x
R+

Fred
B x
 (10.12)
mred
aNW
Vom Verlauf der Stößelbeschleunigung hängt es ab,
x ′′

x′
ob Abheben auftritt oder nicht. Bild 10-25 zeigt die
rM M Beschleunigung des Nockenhubes x über dem No-
R ckenwinkel für zwei Nockenwellendrehzahlen nNW1
und nNW2. Schneidet der Verlauf von x die Kurve –
Fred/ mred, dann ist der Kraftschluss unterbrochen. Dies
kann nur in der Verzögerungsperiode des Haupt-
nockens auftreten. Es gibt immer eine Drehzahl,
Bild 10-23 Kinematik des Stößelhubes oberhalb der ein Abheben auftritt.
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 475

wird die Pumpenarbeit mit Hilfe des mittleren effek-


l1 l2
tiven Pumpendrucks dargestellt.
JK Während des Ansaugens treten Druckverluste an meh-
mF reren Stellen auf, die zu einer erhöhten Ansaugarbeit
führen: Strömungsverluste beim Ein- und Austreten
mV Fred des Mediums in/aus dem Ansaugsystem, Druckabfall
mred in den Leitungen auf Grund von Krümmungen und
FN rauen Oberflächen, Druckverlust im Luftfilter, am
mSt
x Luftstrom-Sensor, an der Drosselklappe, Verluste an
mred x den Ventilen. Der gesamte Druckverlust gegen den at-
mosphärischen Druck kann unter der Annahme von
FN quasistationärer Strömung im Ansaugsystem durch die
mStö
x Summe der einzelnen Verlustanteile der Komponenten
beschrieben werden [Heywood]:
A - Ventiltrieb B - Ersatzsystem 2
§ AK ·
'p ¦ 'p ¦ [ ˜ U ˜ v
i i
2
i U ˜ v K2 ˜ ¦ [ i ˜ ¨
¸ (10.13)
Bild 10-24 Starrer Ventiltrieb i i i © Ai ¹
wobei [i den Verlustkoeffizienten, vi die lokale Strö-
mungsgeschwindigkeit und Ai den kleinsten Strö-
Vornocken Hauptnocken mungsquerschnitt des jeweiligen Bauteils darstellt.
Somit ist klar, dass für geringe Pumpenarbeit beim
nNW2 > nNW1 Ladungswechsel größere Strömungsquerschnitte ge-
wünscht sind, und dass Druckverluste von der mittle-
ren Kolbengeschwindigkeit v K beziehungsweise der
x Drehzahl abhängen, das heißt sie nehmen mit steigen-
Beschleunigung
der Motordrehzahl zu. Eine Vergrößerung des Strö-
nNW1
mungsquerschnittes ist durch die Vergrößerung des
geometrischen Öffnungsquerschnittes (Ventilhub,
aNW
Ventilsitzringdurchmesser, Anzahl der Ventile) zu re-
alisieren.
Fred

mred
Abheben Erhöhte Ansaugarbeit entsteht vor allem durch die
Drosselregelung bei Teillastbetrieb. In Otto-Motoren
wird die im Teillastgebiet für die gewünschte Last er-
Bild 10-25 Abhebebedingung beim Ventiltrieb
forderliche Ladungsmenge durch die Verstellung der
Drosselklappe erreicht, das heißt durch Strömungs-
Die Auslegung des Ventiltriebs hat so zu erfolgen, querschnittsveränderung. Der Kolben muss entspre-
dass bei maximaler Nockenwellendrehzahl (= ½ Kur- chend dem Druckverlust an dieser Stelle gegen einen
belwellendrehzahl) noch kein Abheben einsetzt. Dies niedrigeren Druck als dem atmosphärischen ansaugen
wird durch kleine bewegte Massen (mred) und hoher (Saugrohr-Absolutdruck wird geringer). Im Leerlauf-
Federkraft erreicht. bereich kann die erhöhte Ansaugarbeit bis zu 30 %
der vom Motor verrichteten Arbeit ausmachen (Bil-
10.1.4 Auslegung der Gaswechselein- der 10-26 und 10-27).
richtungen bei Viertaktmotoren
Ladungswechselarbeitsverluste 3
p
Ladungswechselarbeitsverluste verursachen eine Ver-
minderung der indizierten Arbeit und somit der indi- 2

zierten Leistung; so steigt der spezifische Verbrauch.
4
Sie treten entweder als Expansionsarbeitsverlust beim
Anfang des Ladungswechsels (zwischen AÖ und UT)
oder als erhöhte Pumpenarbeit während des La- Es
1′ Eö
dungswechsels auf. Pumpenarbeit repräsentiert die pu 1
durch den Kolben geleistete erforderliche Arbeit, As
Frischladung während des Ansaugtaktes in den
OT UT v
Brennraum und während des Auspufftaktes die Ab-
gase aus dem Brennraum zu schaffen. Dementspre-
chend kann die Pumpenarbeit in Ansaugarbeit und Bild 10-26 Ansaugarbeitsverluste ohne Drosselung
Ausschiebearbeit unterteilt werden. In Berechnungen bei Volllast [1]
476 10 Ladungswechsel

Aö 6
p Teillast
n = 2000 1/min 5
pme = 1 bar
bar 4

p [bar]
3

1 2

Es 1

0,45 0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
As
V/Vc
0 6000 min–1, 9,4 bar, Vollast, AÖ 54 v. UT, AS 6 n. OT
OT UT

Bild 10-28 Ausschiebearbeit


Bild 10-27 Ansaugarbeitsverluste mit Drosselung bei
Teillast [1]
6

5
Die Ladungswechselarbeitsverluste sind jeweils
durch die schraffierte Fläche (ohne Drosselung) be- 4
p [bar]
ziehungsweise die schraffierten und gepunkteten Flä- 3
chen (mit Drosselung) dargestellt. Vom Zeitpunkt
2
AÖ bis UT ergibt sich ein Verlust von Expansionsar-
beit. Das Ausschieben des Abgases ergibt Verluste 1
durch Ausschiebearbeit. Beim Ansaugen der Frisch- 0
ladung bei Unterdruck ist Ansaugarbeit aufzubringen. 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Bei Drosselung ist zusätzlich zu den Expansions- und V/Vc
Strömungsverlusten an den Steuerorganen der Verlust 6000 min–1, 9,4 bar, Vollast, AÖ 54 v. UT, AS 6 n. OT
durch die Drosselung aufzubringen. Bestenfalls sind
dabei die im Bild 10-27 links der Kompressionslinie Bild 10-29 Expansionsarbeitsverlust
abgebildeten Verluste (schraffierte Fläche) durch ge-
steuertes Ansaugen ohne Drosselung vermeidbar, pansionsarbeit verloren, und die thermische Belas-
zum Beispiel durch voll variablen Ventiltrieb – VVS. tung des Auslassventils nimmt zu (Bild 10-29).
Hier wird die zugeführte Ladungsmenge durch die
Verstellung der Ventilsteuerzeiten (hier ist ES von Ansaugsysteme
größter Bedeutung) oder – abhängig von der Variabi- Sowohl im Ansaugsystem als auch im Abgassystem
lität des Systems – durch variablen Hub des Einlass- treten gasdynamische Vorgänge auf Grund der perio-
ventils geregelt. dischen Anregung des Kolbens und Eigenfrequenz
Erhöhte Pumpenarbeit ergibt sich nicht nur durch das des Systems auf. Sie können zur Verbesserung des
Ansaugen von Frischluft bei Unterdruck, sondern auch Ladungswechselprozesses ausgenutzt werden. Diese
während des Ausschiebens des Abgases. Obwohl die gasdynamischen Effekte im Ansaugsystem unter-
Verbrennungsgase einen höheren Druck als den atmo- scheiden sich grundsätzlich in Schwingrohr- und Re-
sphärischen haben, können sie den Zylinder durch den sonanzeffekte. Eine schematische Darstellung beider
Auslass und das Abgassystem ohne Arbeitseinsatz des Sauganlagen zeigt Bild 10-30.
Kolbens nicht rechtzeitig verlassen (das heißt vor dem
Ende des Ausschiebetaktes), wobei der Abgasge- Schwingrohraufladung
gendruck bestimmend ist (Bild 10-28). Der Schwingrohreffekt beruht auf der durch den
Aus der Sicht des Ladungswechsels ist hierbei der abwärts gehenden Kolben ausgelösten Unterdruck-
Zeitpunkt AÖ von großer Bedeutung. Dieser Zeit- welle, die im Ansaugrohr entgegen der Strömungs-
punkt stellt immer einen Kompromiss dar. Durch spä- richtung zum Sammelbehälter läuft und dort am offe-
tes AÖ wird mehr Expansionsarbeit gewonnen und nen Rohrende reflektiert wird. Die auf diese Weise
damit sogar der Verbrauch gesenkt. Bei höheren entstehende Überdruckwelle erhöht die Zylinderfül-
Drehzahlen ist aber eine erhöhte Ausschiebeleistung lung durch Anhebung des Druckgefälles über dem
nötig, damit das Abgas innerhalb der kürzeren Zeit Einlassventil. Kurz vor dem Schließen der Einlass-
den Zylinder verlässt. Das führt zur Verbrauchsstei- ventile bei aufwärts gehendem Kolben ist dieser Ef-
gerung. Durch frühes AÖ ist weniger Ausschiebear- fekt besonders wirkungsvoll. Hier wird bei vorlie-
beit erforderlich, weil der Zylinder leichter und gender Druckwelle das Ausschieben von Frischla-
schneller ausgespült werden kann. Es geht aber Ex- dung vom Brennraum in das Saugrohr verhindert
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 477

Saugrohrlänge variiert wurde [11]. Bild 10-31 zeigt


Schwingrohraufladung Resonanzaufladung
den Einfluss der Saugrohrlänge auf den maximalen
L1
Motor Mitteldruck. Ein kürzeres Saugrohr verschiebt die
D1
L2 Drehmomentspitze in Richtung höherer Drehzahlen
1 1 und umgekehrt.
2 2
V
D2

3 L1 = 220 mm
DK L1 = 420 mm D1 = 40 mm, VA = 1,2 dm3,
L1 = 750 mm L2 = 420 mm, D2 = 70 mm
L1 Schwingrohrlänge LR Resonanzrohrlänge (2) L1 = 1150 mm
D1 Schwingrohrdurchmesser DR Resonanzrohrdurchmesser (2)
L2 Luftzuführrohrlänge VR Resonanzvolumen, 12
D2 Luftzuführrohrdurchmesser Resonanzbehälter (1)

eff. Mitteldruck pms [bar]


V Luftverteiler (Index = Bauart) VA Ausgleichsvolumen,
11
Sammelbehälter (3)
DK Drosselklappe
10
Bild 10-30 Schema der Schwingrohr- und der Reso- 9
nanzaufladung
8
beziehungsweise ein Aufladeeffekt erzeugt. Entspre-
7
chend der akustischen Modellvorstellung benötigt die 1000 2000 3000 4000 5000 6000
Druckwelle mit der Geschwindigkeit a zum Hin- und Drehzahl n [min–1]
Herlauf im Schwingrohr folgende Zeit:
2 ˜ LSaug Bild 10-31 Einfluss der Saugrohrlänge L1 auf den
t (10.14) maximalen effektiven Mitteldruck über der Drehzahl
a
Die Einlassdauer (von EÖ bis ES) soll durchschnitt-
Im realen Motorbetrieb ist jedoch der Einfluss der
lich ein Drittel der bei einer bestimmten Drehzahl zu
Saugrohrlänge vielschichtiger und wird teilweise
einer Motorumdrehung benötigten Zeit betragen:
durch Einflüsse anderer saugseitiger Parameter über-
1 lagert. So ist neben dem Druckverlauf vor dem
t| (10.15)
3˜ n schließenden Einlassventil die Ausbildung einer frei-
Dadurch kann die optimale Länge des Ansaugrohres en Schwingung im Saugrohr in der Zeit zwischen ES
bei einer bestimmten Drehzahl n bestimmt werden: und EÖ in Korrelation zur Ansaugschwingung, die
a sich in der Zeit zwischen EÖ und ES bildet, von ent-
LSaug | (10.16) scheidender Bedeutung für den Ladungswechsel.
6˜n
Eine festgelegte Saugrohrlänge wirkt sich also nur in
Somit ist die Saugrohrlänge die den Schwingrohref- einem bestimmten Drehzahlbereich vorteilhaft aus.
fekt bestimmende Größe. Entsprechend der akusti- Bei hohen Drehzahlen ist eine kurze Saugrohrlänge
schen Modellvorstellung gibt es für jede Saugrohr- erwünscht, bei niedrigen Drehzahlen ein langes Rohr.
länge eine bevorzugte Drehzahl, bei der der Luftauf- Daher werden Motoren mit Schaltsaugrohren ausge-
wand maximal ist. Dies zeigt sich auch grundsätzlich führt, das heißt die Saugrohrlänge wird der Motor-
im Motorenversuch, bei dem ausschließlich die drehzahl angepasst (Bild 10-32).

300

270
Motordrehmoment [Nm]

240

210

180

150

120
Klappen geschlossen,
langes Saugrohr
0
Bild 10-32 Ansaugsystem
0 2000 4000 3000 8000
Klappen geöffnet, mit zweistufigem Schalt-
kurzes Saugrohr Motordrehzahl [min–1]
saugrohr; Prinzip (Audi V6)
478 10 Ladungswechsel

Klappe zwei

Klappe eins

unter 3360/min: beide 3360 bis 5200 /min: über 5200/min:


Klappen geschlossen Klappe eins geöffnet Klappe zwei geöffnet

Bild 10-33 Ansaugsystem mit dreistufigem Schaltsaugrohr

Bei geöffneter Schaltklappe wird die vom Zylinder Primärkanal


kommende Saugwelle bereits an dieser Stelle reflek-
Sekundärkanal
tiert (hohe Drehzahl ab 4.000 min–1). Bei Drehzahlen
bis 4.000 min–1 ist die Schaltklappe geschlossen (lan-
ges Saugrohr). Bild 10-33 zeigt ein weiterentwi-
ckeltes dreistufiges Schaltsaugrohr. Neuerdings wer- Abschaltklappe
Einspritzventil
den auch stufenlos variable Saugrohre eingesetzt.
Während die Laufzeit der Wellen von der Saugrohr-
länge abhängt, wird die Amplitude der Welle vom
Saugrohrquerschnitt beeinflusst. Die Strömungsge-
schwindigkeit im Saugrohr steigt mit zunehmender
Drehzahl an, sodass auch die Amplitude entsprechend
ansteigt, Bild 10-34. Ausreichend hohe Amplituden Bild 10-35 Ansaugsysteme mit Kanalabschaltung [1]
für einen entsprechenden Nachladeeffekt bei niedri-
gen Drehzahlen lassen sich durch kleine Saugrohr- Einströmung eine gezielte Ladungsbewegung (Drall)
querschnitte erzeugen. Bei hohen Drehzahlen jedoch erzeugt werden, wodurch die Gemischaufbereitung
sinkt bei kleinem Strömungsquerschnitt die Zylinder- verbessert werden kann. Dies bewirkt eine Erhöhung
füllung. Eine gute Zylinderfüllung bei hohen Dreh- des Wirkungsgrades bei Teillastbetrieb, insbesondere
zahlen erfordert daher große Saugrohrquerschnitte. dann, wenn der Motor mit magerem Gemisch betrie-
ben wird (Magermotor).
D1 < D 2 < D3
Klappe geöffnet
1,0 Klappe geschlossen
Luftaufwand

Luftaufwand

0,9

0,8

Drehzahl
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000
Drehzahl [min–1]
Bild 10-34 Luftaufwand als Funktion des Rohr-
durchmessers [7]
Bild 10-36 Einfluss der Kanalabschaltung auf den
Bei mehreren Einlassventilen wie zum Beispiel 4-Ven- Luftaufwand [1]
til-Motoren kann der Saugrohrquerschnitt last- und
drehzahlabhängig durch Kanalabschaltung angepasst Resonanzsystem
werden (Bild 10-35). Bei niedriger Drehzahl und
niedriger Last ist nur der Primärkanal wirksam. Mit Bei der Resonanzaufladung wird der Aufladeeffekt
zunehmender Drehzahl und Last wird der Sekundär- durch ein schwingungsfähiges Behälter-Rohr-System
kanal zugeschaltet. erzeugt. Dabei erregen die periodischen Saugzyklen
Im unteren Drehzahlbereich ergibt sich eine verbes- der einzelnen Zylinder über kurz ausgeführte Saug-
serte Zylinderfüllung bei geschlossener Abschalt- rohre im Behälter eine Druckschwingung, die jeweils
klappe (Bild 10-36). Darüber hinaus kann durch die am Anfang und am Ende der Einlassphase zu einer
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 479

Erhöhung des Druckgefälles zwischen Einlasskanal


Hauptsammler
und Brennraum führt. Schwing-
Diese Druckschwingung, die eine erhebliche Steige- rohr
rung des Luftaufwandes verursacht, besitzt ein aus- Resonanzrohr
geprägtes Maximum, wenn die Anregung durch die
Magnet-
Zylinder mit der Eigenkreisfrequenz des Behälter- ventil
Rohr-Systems übereinstimmt. Optimale Vorausset- U-Druck-
zung zur Schwingungsanregung bietet ein Versatz der Dose
einzelnen Saugphasen von 240 °KW, das heißt von
DKS
jeweils drei Zylindern pro Resonanzbehälter.
HFM
Bei geöffnetem Einlassventil schwingt das System
ähnlich wie ein Helmholtz-Resonator. Hier treten
LLS
Schwingungen auf, wenn die Luftsäule im Einlass-
kanal sich gegen die „steife“, im Zylinder befindliche
Luft bewegt und sich das ganze System wie ein Fe-
der-Masse-System verhält. So könnte die im Zylinder Resonanzsteuerklappe

befindliche Luft als Feder, die Luftsäule als Masse Resonanzsammler


betrachtet werden. Die Eigenfrequenz eines Helm-
holtz-Resonators lässt sich folgendermaßen be-
stimmen: Turbulenzsammler

ASaug Turbulenzbohrungen Ø : 6 mm
a
f (10.17)
2 ˜ S LSaug ˜ VBE Bild 10-37 Darstellung des Saugsystems eines Rei-
wobei ASaug als Querschnittsfläche des Saugrohres und hen-Sechszylindermotors [7]
VBE als Behältervolumen auftreten.
gung im Behälter ausgenutzt, während kurze Saug-
Engelman [12] setzte bei der Übertragung von der
rohre bei höheren Drehzahlen als Schwingrohrsystem
Helmholtz-Gleichung (10.17) auf den Verbren-
zur Luftaufwandsteigerung beitragen. Bild 10-37
nungsmotor für das Volumen VBE den Kompressions-
zeigt die schematische Darstellung einer Kombinati-
raum plus das halbe Hubvolumen eines Zylinders ein
on von Schwingrohr- und Resonanzaufladung bei ei-
und stellte für ein System Zylinder mit Saugrohr fol-
nem Sechszylindermotor.
gende einfache Beziehung für die Resonanzdrehzahl
Die Anpassung wird durch Öffnen oder Schließen der
nres auf:
Resonanzsteuerklappe realisiert. In der Drehmoment-
15 ˜ a ASaug stellung ist die Resonanzsteuerklappe geschlossen, so
n res (10.18)
S LSaug ˜ Vc  0,5Vh dass zwei „Dreizylinder“-Sauganlagen mit großen
Rohrlängen wirksam sind. In der Leistungsstellung ist
Somit lassen sich die Eigenfrequenzen des Helm- die Resonanzsteuerklappe geöffnet und das Ansaug-
holtz-Resonator Effekts auf einen Zylinder mit Saug- modul arbeitet für alle sechs Zylinder als Schwing-
rohr sehr genau beschreiben. Bei mehreren Zylindern rohranlage, die dann aus dem kompletten oberen
treten Einflüsse von Überlagerungen der Wellen auf, Sammlerbereich mit kurzen Schwingrohren gespeist
wodurch die Beschreibung des Phänomens auf grö- wird. Die Querschnitte und Längen können im Vor-
ßere Hindernisse stößt. feld auf diese Effekte hin mit eindimensionalen Be-
Dieses Schwingungsverhalten ist auch bei ge- rechnungsverfahren abgestimmt und optimiert wer-
schlossenen Einlassventilen bemerkbar. Dann wirkt den. Die Luftmassenregelung wird mit der zentralen
als Resonanzvolumen das Sammlervolumen. Durch Drosselklappe realisiert. Den Gewinn an Drehmo-
dessen Gestaltung (Volumen) kann also die Eigen- ment bei einem solchen System zeigt Bild 10-38.
frequenz des Systems so variiert werden, dass sie –
indem eine Überdruckwelle im Ansaugkanal noch Abgassysteme
kurz vor ES am Einlassventil ankommt – bei be- Die Abgasanlage erfüllt drei Aufgaben. Sie beein-
stimmten Drehzahlen zu einer Luftaufwandssteige- flusst die Leistungscharakteristik des Motors, sie re-
rung führt. duziert das Auspuffgeräusch und vermindert zu-
Besondere Bedeutung besitzt die Resonanzaufladung sammen mit einem eingebauten Katalysator die
beispielsweise in Kombination mit Turboaufladung Schadstoffe im Abgas. Diese Aufgaben können nicht
zum Ausgleich der Drehmomentschwäche im unteren vollständig voneinander getrennt werden. Die Ge-
Drehzahlbereich. Des Weiteren bietet sich eine Kom- räuschdämpfung beeinflusst immer, meist in uner-
bination von Schwingrohr- und Resonanzaufladung wünschter Weise, die Leistungscharakteristik; umge-
bei Sechs- und Zwölfzylindermotoren an. Dabei kehrt sind leistungsoptimale Auspuffanlagen oft
wird bei niedrigen Drehzahlen die Resonanzschwin- zu laut. Der Schalldruck am Auslassventil liegt zwi-
480 10 Ladungswechsel

Bauformen
110 Gewinn durch Resonanzsystem
Es gibt zwei Grundbauarten von Schalldämpfern, den
100 Reflexionsdämpfer und den Absorptionsdämpfer. Häu-
Drehmoment [%]

fig werden Kombinationen aus beiden Typen ver-


90
wendet (Bild 10-40) und dadurch eine Dämpfung im
80 relevanten Bereich von 50 bis 8.000 Hz erreicht. Je
Schaltklappe geöffnet nach Motorkonzept (Hubraum, Leistung, Aufladung,
70
Schaltklappe geschlossen Ventil- und Zylinderanzahl etc.) ist ein gewisses Min-
60 destvolumen für den Reflexions- beziehungsweise
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 Absorptionsbereich (oder es sind mehrere Schalldämp-
Drehzahl [min–1] fer: Vor-, Mittel-, und Nachschalldämpfer) notwendig.
Beim Absorptionsschalldämpfer wird die Gasströ-
Bild 10-38 Drehmomentverlauf eines Reihen-Sechs- mung durch den Schalldämpfer hindurchgeführt, wo-
zylinder-Ottomotor mit Resonanzsystem [7] bei das gasführende Rohr perforiert ist. Der Raum
zwischen der Ummantelung und dem perforierten
schen circa 60 und 150 dB(A). Diesen gilt es auf den Rohr ist mit Absorptionsmaterial gefüllt. Der pulsie-
gesetzlich vorgeschriebenen Wert abzubauen (Bild rende Gasstrom kann sich durch die Perforation in
10-39). den mit Absorptionsmaterial gefüllten Bereich aus-
dehnen. Dabei wird durch Reibung ein Großteil der
Schwingungsenergie abgebaut und in Wärme umge-
Motorabgase wandelt. Die Gasströmung, die den Schalldämpfer
verlässt, ist dadurch weitgehend pulsationsfrei. Der
Absorptionsschalldämpfer zeichnet sich insbesondere
durch eine gute Dämpfung im Frequenzbereich über
500 Hz und seinen geringen Abgasgegendruck aus.
Im Reflexionsschalldämpfer (auch Interferenzschall-
dämpfer genannt) erfolgt die Dämpfung durch Umlei-
tung, Querschnittsveränderungen und Teilungen im
Pu 1 bar Pü Gasschwingungen Innern des Schalldämpfers. Die entsprechenden Kam-
As mern und Querschnittveränderungen müssen genau
Aö aufeinander abgestimmt werden. Interferenz tritt dann
auf, wenn die Schallwellen nach zwei verschieden
langen Wegen sich gegenseitig auslöschen (180° Pha-
Pü = Überdruck Unterdruck senversatz). Dieses Prinzip wirkt besonders im Be-
Pu = Unterdruck reich unter 500 Hz.
Druckspitzen extrem lauter Schwingungen werden in
Bild 10-39 Abbau der Gasschwingungen im Schall- Resonatoren (links im Bild 10-40), welche äußerst
dämpfer [2] geringe Strömungsverluste aufweisen, abgebaut. Die
Frequenz, in der ein Resonator wirksam ist, hängt in
erster Linie von den Abmessungen (Länge l, Durch-
Ähnlich den Vorgängen auf der Frischgasseite eines
messer d und Querschnittsfläche A) des in das Reso-
Hubkolbenmotors findet man auch in der Abgasanla-
natorvolumen V hineinragenden Rohres ab. Die Re-
ge ein instationäres Strömungsverhalten vor. Beim
sonanzfrequenz f0 lässt sich nach der folgenden Glei-
Öffnen des Auslassventils wird, bedingt durch den im
chung berechnen:
Zylinder bestehenden Überdruck und später durch
den sich aufwärtsbewegenden Kolben, eine Über- c0 /2 ˜ S
f0 (10.19)
druckwelle induziert, welche sich nun in Richtung A /(l  0,7 ˜ d ) ˜ V
des Auspuffendes fortpflanzt. Druck und Geschwin-
digkeitswellen werden an den offenen Rohrenden re-
Reflexion Interferenz
flektiert und als Sogwelle zurückgeworfen was bei
richtiger Abstimmung der Rohrlängen in der Abgas-
anlage den Ladungswechsel unterstützt, indem der
Abgasgegendruck abgesenkt wird. Umgekehrt kann
aber auch eine rücklaufende Überdrückwelle ein Aus-
strömen von bereits in den Zylindern befindlichem
Frischgas verhindern. Dieser Mechanismus findet vor Resonator Drossel Absorption
allem beim Betrieb von Zweitaktmotoren seine An-
wendung [3]. Bild 10-40 Kombinierte Schalldämpferanlage [2]
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 481

Ein problematischer Nebeneffekt von Reflexions- wiederum starken Einfluss auf die Verbrennungsei-
schalldämpfern ist die Schwingungsanregung, welche genschaften ausübt. Über die sich mit dem Restgas-
die Wandstruktur des Schalldämpfers durch den pul- gehalt ändernden Zündbedingungen wird über ange-
sierenden Abgasstrom erfährt. Der resultierende Kör- passte Zündzeitpunkte der innere Wirkungsgrad und
perschall kann die vom Schalldämpfer ausgehende somit das Drehmomentverhalten signifikant beein-
Geräuschemission erhöhen. Dem kann entgegenge- flusst.
wirkt werden durch die Wahl genügend dicker Wand-
stärken für die Zwischenbleche im Dämpfer, durch Auslegungskriterien
genügend steife Konstruktion der gesamten Schall- Neben den Anforderungen der Geräuschdämpfung
dämpferstruktur und eine Außenhaut aus Doppel- und Abgasnachbehandlung ergeben sich hinsichtlich
blech mit oder ohne absorbierender Zwischenschicht. des Ladungswechselkonzeptes bestimmte Ausle-
gungskriterien für die Abgasanlage.
Gesamtsystem
Bild 10-41 zeigt den grundsätzlichen Aufbau einer Gleichverteilung
Abgasanlage für einen Vierzylindermotor. Bei Ver-
wendung eines einzigen Katalysators ist es notwen- Die Abgasrohre, die man im Bereich des Abgas-
dig, die Abgasrohre der einzelnen Zylinder zusam- krümmers den einzelnen Zylindern zuordnen kann,
menzuführen. Die Abgase aller Zylinder durchlaufen müssen gleiche Rohrlängen und Rohrquerschnitte
das Sammelrohr, das eine zentrale Lambda-Sonde zur aufweisen. Im Rahmen der Möglichkeiten im Fahr-
Messung des integralen Luft-Kraftstoff-Verhältnisses zeugraum sollten die Rohrbögen des Abgaskrümmers
aufnimmt. und die Rohrleitungszusammenführung ähnlich aus-
Zur Minderung der Mündungsgeräusche haben sich geführt werden. Diese Anforderungen gelten ebenso
kombinierte Reflexions-/Absorptionsschalldämpfer für das Hosenrohr.
beziehungsweise kombinierte Reflexions-/Abzweige-
resonatorschalldämpfer durchgesetzt. Auf Grund der Abgasgegendruckniveau
instationären Strömungsvorgänge kann die Abgasan- Zur Realisierung eines niedrigen Abgasgegendruck-
lage bei geeigneter Auslegung den Ladungswechsel niveaus sollten möglichst gute Strömungseigen-
ähnlich wie das Saugsystem deutlich verbessern [4]. schaften der Zylinderkopfausgänge und der Abgasan-
lage angestrebt werden. Das Abgasgegendruckniveau
ist auf Grund der Strömungswiderstände des Kataly-
l 1, d 1 l 2, d 2 l 3, d 3
sators und der Grundfunktion der Schalldämpfung
Mittelschall- Endschall- nicht unbegrenzt absenkbar, da die Schalldämpfung
Katalysator dämpfer dämpfer
stets mit irreversibler Energieumsetzung einhergeht,
die sich im Abgasgegendruckverhalten niederschlägt.

Sammel-
Gasdynamische Effekte
Abgas- Hosen- rohr
krümmer rohr Die Abgasanlage sollte hinsichtlich der Rohrlängen,
1. Zwischenrohr
Querschnitte und Rohrverzweigungen den Ladungs-
2. Zwischenrohr
Vorderrohr
wechsel in definierten Drehzahlbereichen unter-
Endrohr
stützen.
Bild 10-41 Schematischer Aufbau einer Auspuffan- Gasdynamische Vorgänge
lage [4]
Die unter hohem Druck stehenden Abgase im Brenn-
raum bewirken beim Öffnen der Auslassventile einen
Die Ladungswechseleigenschaften werden in hohem
Druckstoß, der eine Abgasschwingung mit hoher
Maße von der Abgasanlage im Wesentlichen über
Amplitude verursacht. Die Druckamplitude bewegt
drei Einflussfaktoren, welche sich untereinander be-
sich entsprechend der akustischen Theorie mit
einflussen, geprägt:
Schallgeschwindigkeit durch die Abgasleitung und
x gasdynamische Effekte wird am offenen Rohrende als negative Druckampli-
x Ausschiebearbeit tude reflektiert. Die negative Druckamplitude kann,
x Restgasanteil. wenn sie zum geeigneten Zeitpunkt am Auslassventil
Die Ausschiebearbeit wird von den Strömungseigen- anliegt, den Ladungswechsel dadurch vorteilhaft un-
schaften der Abgasanlage bestimmt. Die Strömungs- terstützen, dass Restgas aus dem Brennraum abge-
eigenschaften und die gasdynamischen Effekte in der saugt wird.
Abgasanlage beeinflussen in hohem Maße den Rest- Bei einer real ausgeführten Abgasanlage ergeben sich
gasgehalt der Zylinderladung im Volllastbetrieb, was auf Grund der einzelnen Rohrverzweigungen unter-
482 10 Ladungswechsel

schiedliche Reflexionsstellen in der Abgasleitung reflektierten Unterdruckverlaufes, ist von der Ausle-
vom Zylinderkopf bis zum Eintritt in das Katalysa- gung der Abgasanlage abhängig. Aus dem Kurbel-
torgehäuse. winkel aC, der sich von A2 bis A4 erstreckt, lässt sich
In Bild 10-42 ist der Druckimpuls schematisch für mit der Drehzahl und der Schallgeschwindigkeit die
Zylinder 1 in einer Abgasanlage nach Bild 10-41 dar- charakteristische Länge lC bestimmen, die für die je-
gestellt. Nach Durchlaufen der Abgasstrecke l1 trifft weilige Abgasanlage unabhängig vom Betriebspunkt
der positive Druckverlauf auf die erste Reflexions- konstant ist. Der Druckverlauf von A4 bis A5 ist ge-
stelle, wo sich der Druckimpuls in Abhängigkeit der prägt von den Überlagerungen der Wellenbewegun-
Gestaltung der Rohrverzweigung und der Rohr- gen in der Abgasanlage. Der grundsätzliche Verlauf
querschnitte von Abgaskrümmer und Hosenrohr auf- ist für die jeweilige Abgasanlage, nahezu unabhängig
teilt. Bei entsprechend spitzem Verzweigungswinkel vom Betriebspunkt, ähnlich. Bei A5 beginnt der
durchläuft ein kleinerer Teil des Druckimpulses mit Druckanstieg des Zylinders 4, der nach Durcheilen
vorwiegend positiver Amplitude die Abgasleitung l1 von l1 des Zylinders 4 und l1 des Zylinders 1 bis zum
von Zylinder 4 und wird am geschlossenen Auslass- Messaufnehmer entsprechend nach AÖ des Zylin-
ventil als vorwiegend positiver Druckimpuls re- ders 4 am Messaufnehmer anliegt [4].
flektiert. Ein weiterer Teil des Druckimpulses wird an Für die Motoreigenschaften ist die Lage und die Aus-
der Rohrverzweigung als Unterdruckimpuls reflek- bildung des Druckverlaufes von A3 bis A5 bezie-
tiert und läuft entgegen der Hauptströmungsrichtung hungsweise die charakteristische Länge lC von ent-
zu Zylinder 1 zurück. Der größte Teil des ursprüngli- scheidender Bedeutung. Grundsätzlich ist ein mini-
chen Druckverlaufs durchläuft die Abgasstrecke l2 males Druckniveau während der Ventilüberschnei-
des Hosenrohrs bis zur Rohrverzweigung zum Sam- dung vorteilhaft.
melrohr, wo eine ähnliche Aufteilung des positiven Die charakteristische Länge lC ist im Wesentlichen
Druckimpulses wie beim Übergang vom Abgas- von den Abgasrohrlängen l1 und l2, dem Verhältnis
krümmer zum Hosenrohr stattfindet. Der zuletzt ver- von Hosenrohr- zu Abgaskrümmerdurchmesser d2/ d1
bleibende Anteil des ursprünglichen Druckimpulses, sowie der Gestaltung des Überganges vom Abgas-
der die Abgasstrecke l3 durchläuft, wird beim Über- krümmer zum Hosenrohr abhängig. Mit zunehmender
gang zum Katalysatorgehäuse als Unterdruck re- Summe von l1 + l2 und mit Verkleinerung des Durch-
flektiert. messerverhältnisses d2/ d1 vergrößert sich die charak-
Der Anstieg des positiven Druckverlaufes, ausgelöst teristische Länge lC, da hiermit die Hauptreflexions-
durch das Öffnen der Auslassventile, beginnt bei A1. stelle weiter vom Einlasskanal entfernt wird. Dies
Der Druckverlauf bis zum Maximalwert A2 ist vor al- zeigen auch die folgenden experimentell ermittelten
lem eine Funktion der Ventilerhebung. Der weitere Druckverläufe dreier unterschiedlicher Abgasanla-
Druckverlauf von A2 zu A4, dem Maximalwert des genvarianten (Bild 10-43).

2,0
Katalysatorgehäuse
n = 3000 min–1
A2

1,5
l3 Sammelrohr
Druck [bar]

lC = C · Δt
A1 A3
Hosenrohr 1,0 Δt = aC(n · 360°)
A5
l2
C = Schallgeschw.
aC A4
Zyl. 2 und 3
0,5
UT OT AÖ UT
Abgaskrümmer AÖ EÖ AB Zyl 4
l1

Zyl. 4

Zylinderkopf
Zyl. 1

voreilender Druckimpuls mit


vorwiegend positiver Amplitude
zurückeilender Druckimpuls mit
Bild 10-42 links: schematische Darstellung der Re-
vorwiegend negativer Amplitude flexionsstellen, rechts: Druckverlauf im Abgaskrüm-
mer (100 mm nach Auslassventil) [4]
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 483

d2 = konst. l1 = konst. lges = l1 + l2 + l3

Variante A: l2 = 0,4 l1 d2/d1 = 1,25 lges = 2,3 l1

Variante B: l2 = 0,8 l1 d2/d1 = 1,25 lges = 2,3 l1

Variante C: l2 = 0,4 l1 d2/d1 = 1,0 lges = 2,3 l1

1,5
Druck [bar]

1,0

aCA
aCB n=
6000 min–1
aCC
0,5
AÖ UT EÖ OT AS UT

2,5

Variante A
Variante B
Variante C
2,0
Druck [bar]

1,5

1,0
aCA

aCB

aCC n=
0,5 Bild 10-43 Druckverlauf
2000 min–1
im Abgaskrümmer (Druck-
AÖ UT EÖ OT AS UT
aufnehmer 100 mm nach
Auslassventil) [4]

Ventilsteuerzeiten x Auslass Öffnet (AÖ)


Ventilsteuerzeiten sind immer ein Kompromiss, Auslass Öffnet passiert in Otto-Motoren üblicherwei-
da der Motor in breiten Drehzahl- und Lastbereichen se bei 50 bis 30 °KW v. UT, kurz vor dem Ende des
betrieben wird. Auf Grund der im Kapitel 10.6.1 Expansionstaktes. Diese Steuerzeit stellt einen Kom-
beschriebenen Gegebenheiten ist eine gleichzeitige promiss zwischen Gewinn an Expansionsarbeit und
Optimierung des Ladungswechsels für maximales höherer Ausschiebearbeit dar.
Drehmoment und maximale Nennleistung ohne wei- Wird AÖ in Richtung „spät“ verschoben (das heißt
tere Maßnahmen wie Nockenwellenverstellsystem, AÖ passiert näher zu UT), kann das Arbeitsgas länger
Schaltnockensystem oder Schaltsaugrohr nicht mög- expandieren, wobei es Arbeit am Kolben leistet, der
lich. Hier werden die Aspekte der Verlegung von thermische Wirkungsgrad steigt und der Verbrauch
Ventilsteuerzeiten zusammengefasst, wobei die Be- sinkt. Eine längere Expansion führt weiterhin zu einer
zeichnung „früh“ beziehungsweise „spät“ eine relati- niedrigeren Kohlenwasserstoff-Emission und zu einer
ve Lage zu den Basissteuerzeiten bedeutet, die in niedrigeren Abgastemperatur. Bei höheren Drehzah-
Grad Kurbelwinkel (°KW) relativ zu dem näheren len und Lasten erhöht sich aber die Ausschiebearbeit
Totpunkt angegeben sind. am Anfang des Ausschiebetaktes erheblich. Somit
484 10 Ladungswechsel

wird der Verbrauch erhöht. Spätes AÖ hat vor allem Bei Volllast kann der Zylinder durch ein spätes AS
bei Teillast eine größere Bedeutung, die Einflüsse bei gründlicher ausgespült werden, wodurch ein größerer
Volllast sind gering, Bild 10-44. Füllungsgrad erreicht wird. Das wird zum Beispiel
Bei einer Verschiebung von AÖ in Richtung „früh“ bei Sportmotoren für eine höhere Nennleistung aus-
passiert entsprechend das Gegenteil: Expansionsar- genutzt. Ein immer größerer Teil der Frischladung
beit geht verloren, der thermische Wirkungsgrad sinkt strömt aber durch den Zylinder, ohne an der Verbren-
und der Kraftstoffverbrauch wird erhöht. Die Kohlen- nung teilzunehmen (Spülverlust durch Kurzschluss-
wasserstoff-Emission und die Abgastemperatur stei- strömung), wodurch der Verbrauch und die Kohlen-
gen. Es wird aber weniger Ausschiebearbeit benötigt, wasserstoff-Emission erhöht werden.
da der Zylinderdruck auf einem immer höheren Ni- Bei Teillast wird durch die Saugwirkung des Kolbens
veau liegt und das Abgas den Zylinder schneller ver- ein immer größerer Anteil des Abgases zurückge-
lässt. Wichtig ist, dass der Verbrauch bei Teillast er- saugt (interne Abgasrückführung), wodurch erhebli-
höht wird. Ein weiterer Aspekt ist, dass die thermi- che Verbrauchs- und Emissionsvorteile erreicht wer-
sche Belastung des Auslassventils bei frühem AÖ zu- den können. Der letzte „Teil“ des Abgases ist immer
nimmt und so eine höhere Anforderung an den Werk- relativ reich an unverbrannten Kohlenwasserstoffen,
stoff stellt. da die Verbrennung in den wandnahen Zonen der Zy-
Der Druckverlust während des Ausschiebens ist wei- linderladung unvollständig ist. Dieser Anteil wird re-
terhin abhängig von der Charakteristik der Ventiler- lativ spät ausgeschoben. Wird dieser Anteil im Abgas
hebungskurve des Auslassventils. Bei einem intensi- „wieder verbrannt“, kommt es zur Verbrauchsredu-
ven Anstieg des Ventilhubes beim Öffnen gelangen zierung und zu einer niedrigen Kohlenwasserstoff-
die Abgase am leichtesten aus dem Zylinder. Aus Emission. Auf Grund der verdünnten Ladung wird
diesem Grund sind die zu akzeptierenden Kompro- die Verbrennungstemperatur gesenkt, wodurch die
misse bei zwei Auslassventilen weniger kritisch als Stickstoffemission reduziert wird. Ein weiterer As-
nur bei einem Auslassventil: Bei zwei Auslassventi- pekt ist, dass das Frischgemisch wegen der heißen
len steigt die effektive, zum Ausschieben verfügbare Restgase homogenisiert wird und so eine bessere
Öffnungsfläche steiler an. Das Abgas kann deswe- Gemischaufbereitung erfolgt. Bei spätem AS wird
gen – da es über einen höheren Druck verfügt – am weiterhin die Ansaugarbeit gesenkt. Dies geschieht
Anfang des Ausschiebetaktes den Zylinder schneller aus zwei Gründen: Erstens, weil der zurückgesaugte
verlassen. So ergibt sich eine geringere Ausschie- Abgasanteil sich im Zylinder ausdehnt und die Ex-
bearbeit für den Kolben. pansion unterstützt. Zweitens, weil bei einem höheren
Restgasanteil der Zylinderladung weniger Drosselung
x Auslass Schließt (AS) zur Lastregelung erforderlich ist, um diese Menge un-
Eine übliche Auslegung von AS ist 8 bis 20 °KW ter Beibehaltung der Last zu kompensieren. Dies
n. OT, was das Ende der Ventilüberschneidungsphase führt zu weiterer Verbrauchsreduzierung. Eine Be-
bedeutet. Neben EÖ ist AS die Steuerzeit, durch wel- grenzung der internen Abgasrückführung ist durch
che die Dauer der Überschneidung geregelt werden die Restgasverträglichkeit der Verbrennung be-
kann. Bei niedrigeren Drehzahlen und Lastpunkten stimmt.
reguliert AS die vom Abgassystem zurückgezogene Bei frühem AS können die Verbrennungsgase den
Abgasmenge, bei höheren Lastpunkten und Drehzah- Zylinder nicht rechtzeitig verlassen (exhaust lock-up),
len die ausschiebbare Restgasmenge. wodurch der Restgasanteil im Zylinder ansteigt. Der
Füllungsgrad und die Nennleistung werden so ge-
senkt. Die Spülverluste sind geringer, wodurch der
6 Verbrauch leicht gesenkt wird. In diesem Fall erfolgt
5 ebenfalls eine „Wiederverbrennung“ des letzten An-
teils des Abgases, wodurch bei Teillast Verbrauchs-
4
und Emissionsvorteile erreicht werden können (die
p [bar]

3 Stickoxidemission wird auf Grund der niedrigeren


2 Verbrennungsspitzentemperatur vermindert). Das im
Zylinder verbliebene Abgas strömt weiterhin – teil-
1
weise auch vom Kolben geführt – sehr intensiv in das
0 Ansaugrohr, wodurch eine bessere Gemischaufberei-
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
tung stattfindet. Da bei einer bestimmten Kolbenposi-
V /Vc
tion eine immer kleinere Fläche zum Ausschieben des
2000 min–1, 10.37 bar, Vollast, AÖ 56° v. UT, AS 10° n. OT
Abgases zur Verfügung steht, wird die Ausschiebear-
2000 min–1, 10.63 bar, Vollast, AÖ 42° v. UT, AS 10° n. OT
beit erhöht. Am Ende des Ausschiebetaktes kann
durch frühes AS sogar eine Kompression des Restga-
Bild 10-44 Expansionsarbeitsgewinn durch Ver- ses stattfinden, wodurch der Verbrauch gering erhöht
schiebung von AÖ Richtung „spät“ wird. Begrenzung für frühen AS ist die erhöhte Aus-
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 485

schiebearbeit, durch Abgas verdünnte Frischladung bessere Gemischaufbereitung stattfindet. Untersu-


und ein inhomogenes Gemisch durch starke Abgas- chungen haben gezeigt [Göbel, MTZ], dass diese Me-
strömung ins Ansaugrohr. thode trotz des reaktionshemmenden höheren Rest-
Soweit dynamische Effekte im Abgassystem opti- gasanteils die Gemischaufbereitung positiv beeinflus-
miert werden, kann die Effizienz des Ausschiebens sen kann, wodurch die Reaktionsbereitschaft des
verbessert werden, wenn eine Unterdruckwelle kurz Gemisches letztendlich erhöht wird.
vor AS den statischen Druck im Auslasskanal ver-
mindert und dadurch Abgas aus dem Zylinder saugt. x Einlass Schließt (ES)
x Einlass Öffnet (EÖ) Die für den Verlauf der Drehmoment- und Leistungs-
Die Steuerzeit EÖ wird bei Otto-Motoren üblicher- charakteristik hauptverantwortliche Ventilsteuerzeit
weise zwischen 20 bis 5 °KW vor OT gelegt. Als der ist ES. Sie liegt üblicherweise zwischen 40 – 60 °KW
Beginn der Ventilüberschneidungsphase ist sie eben- nach UT und beeinflusst die Füllung eines Motors
falls wie AS wichtig für die Regulierung der in der viel stärker als die übrigen Steuerzeiten. Hauptsäch-
Frischladung befindlichen Restgasmenge bei Teillast lich durch die Festlegung von ES werden die charak-
und für das Ausspülen der Restgase bei Volllast. Als teristischen Größen wie Drehmoment und Leistung
solches, hat sie einen großen Einfluss auf die Leer- bestimmt.
laufqualität. Eine Verschiebung von ES vom auf maximales Dreh-
Durch spätes EÖ wird die Dauer der Ventilüber- moment optimierten Zeitpunkt in Richtung spät ergibt
schneidungsphase verkürzt. Dadurch ergibt sich bei einen höheren Luftaufwand und Füllungsgrad bei hö-
Teillast eine mit Abgas weniger verdünnte Ladung heren Drehzahlen. Dementsprechend wird dort mit
und somit eine schnelle Verbrennung. Unter solchen spätem ES eine höhere Nennleistung erreicht. Es
Bedingungen kann die Drehzahl beim Leerlauf ge- spielen bei höheren Drehzahlen die gasdynamischen
senkt werden, was zur Verbrauchsreduzierung führt. Effekte (insbesondere der Nachladeeffekt) die ent-
Durch den kleineren Restgasanteil und die schnelle scheidende Rolle, wodurch bei der Verlegung von ES
Verbrennung erhöht sich die Verbrennungstemperatur die wichtigste Aufgabe deren Ausnutzung ist, indem
und die Stickoxidemission nimmt zu. Die Kohlen- die Überdruckwelle im Zylinder eingefangen wird.
wasserstoff-Emission kann gesenkt werden, wobei Bei niedrigeren Drehzahlen und Volllast hat eine ver-
folgende Aspekte berücksichtigt werden müssen. Da längerte Öffnungsdauer einen negativen Einfluss auf
das Einlassventil später öffnet, hat die Strömung in den Drehmomentverlauf. Da das Einlassventil später
den Zylinder bei einer bestimmten Kolbenposition ei- geschlossen wird, wird mehr Ladung durch den Kol-
ne höhere Geschwindigkeit, wodurch eine intensivere ben in das Ansaugrohr zurückgeschoben. Dann steht
Zylinderinnenströmung stattfindet. Dies führt zur ei- durch niedrige Gasgeschwindigkeiten ein geringer
ner besseren Gemischaufbereitung und vollständige- Impuls entgegen; folglich sinkt der Liefergrad. Den
ren Verbrennung, wobei sowohl der Brenn- bezie- Einfluss der Steuerzeit ES auf den Luftaufwand bei
hungsweise Zündverzug als auch die Brenndauer ver- Volllast zeigt Bild 10-45. Durch Verstellen der Ein-
kürzt werden. Beim späten EÖ ergibt sich außerdem lassnockenwelle um 20 °KW nach spät ergibt sich im
eine höhere Ansaugarbeit, da in der ersten Phase des unteren Drehzahlbereich eine deutliche Reduzierung
Ansaugens im Zylinder Unterdruck erzeugt wird. des Luftaufwands. Bei Nenndrehzahl dagegen ist eine
Dies führt zur Erhöhung des Verbrauchs. Bei Volllast Steigerung des Luftaufwands um circa 8 % fest-
wird weiterhin ein geringerer effektiver Mitteldruck zustellen. Bei diesem Motor handelt es sich um einen
erreicht, da der Luftaufwand gesenkt wird. Achtzylinder-Ottomotor mit vier Ventilen pro Zy-
Bei frühem EÖ wird die Ventilüberschneidungsphase linder.
verlängert und somit bei Teillast besonders viel Ab- Bei Teillast wird durch spätes ES die Ansaugarbeit ge-
gas in das Ansaugrohr zurückgeschoben. Das wirkt senkt, da die Ladung mit weniger Drosselung ange-
sich negativ auf die Verbrennung aus, da das Ge- saugt wird. Dies führt zu niedrigerem Verbrauch. Der
misch inhomogen wird und langsamer verbrennt. Al- thermische Wirkungsgrad des Prozesses wird geringer,
lerdings kann dieser Effekt bei Saugrohreinspritzung da eine immer niedrigere effektive Kompression statt-
mit drosselfreier Lastregelung (variable Ventilsteue- findet. Die Verbrennungstemperatur wird durch den
rung) auch positiv ausgenutzt werden. Auf Grund des niedrigen Spitzendruck gesenkt, was weiterhin zu einer
fehlenden Saugrohrunterdrucks bei drosselfreier Last- geringeren Stickoxidemission führt.
regelung findet oft keine ausreichende Gemischauf- Bei variablen Ventilsteuerungen und spätem ES kann
bereitung statt, wodurch die Verbrennung langsamer der Motor drosselfrei betrieben werden. Das Ziel ist
und unvollständig wird. Kraftstoffablagerungen kön- entweder eine höhere Nennleistung oder Verbrauchs-
nen sich im ventilnahen Bereich bilden. Diese Abla- reduzierung bei Teillast. Die überschüssige Ladungs-
gerungen können durch das zurückgeschobene heiße menge wird bei Teillast vom Kolben in das Ansaug-
Abgas verdampft und dann zurückgesaugt werden, rohr während des Kompressionstaktes zurückgescho-
wobei die Saugrohrwände erwärmt werden und eine ben. Durch die drosselfreie Lastregelung wird eine
486 10 Ladungswechsel

nennenswerte Ladungsbewegung mehr statt, wodurch

Quelle: Mercedes-Benz
die Verbrennung nach einem längeren Brennverzug
1,0 langsamer und unvollständig werden kann. Dies kann
zu einer höheren Kohlenwasserstoff-Emission und
Luftaufwand

trotz der niedrigeren Ladungswechselarbeit sogar


0,8 zum erhöhten Verbrauch führen. Weiterhin besteht
die Gefahr der Kondensation des Kraftstoffes im Zy-
Verstellung der Einlassnockenwelle nach „früh“
linder durch die Abkühlung der Ladung wegen des
0,6 erzeugten Unterdrucks. Wie schon im Abschnitt
Verstellung der Einlassnockenwelle nach „spät“
„Einlass öffnet“ erwähnt, findet im Ansaugkanal we-
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 gen des fehlenden Unterdrucks keine ausreichende
Motordrehzahl Gemischaufbereitung statt, wodurch das angesaugte
Verstellwinkel: 20° KW
Gemisch inhomogen wird. Es können sich Kraftstoff-
ablagerungen im ventilnahen Bereich bilden.
Bild 10-45 Luftaufwand bei variablem ES
Strömungsquerschnitte
geringere Ansaugarbeit benötigt. Ähnlich wie früher
beschrieben, sinken so der Verbrauch, der thermische Um einen hohen Liefergrad zu erzielen sowie geringe
Wirkungsgrad, die Verbrennungstemperatur und die Arbeitsverluste beim Ladungswechsel zu erhalten,
Stickoxidemission. Die Begrenzung für spätes ES be- sind große geometrische Öffnungsquerschnitte an den
steht in dem sinkenden thermischen Wirkungsgrad Steuerventilen erforderlich. Der Verlauf der Öff-
und in der schlechteren Gemisch-Aufbereitung im nungsquerschnitte von Ein- und Auslassventil ent-
Ansaugkanal wegen des fehlenden Unterdrucks spricht den Ventilerhebungskurven (Bild 10-46).
(Gasgeschwindigkeiten sinken). Der Ventilhub und der Öffnungsquerschnitt für das
Bei frühem ES und konventioneller Ventilsteuerung Einlassventil sind größer als für das Auslassventil.
wird die Ansaugphase verkürzt, wodurch der Luft- Beim Öffnungsquerschnitt wird der Unterschied
aufwand verringert wird. Bei Volllast und höheren durch das größere Einlassventil gegenüber dem Aus-
Drehzahlen ergibt sich ein geringerer Füllungsgrad lassventil zusätzlich erhöht (Einlassventildurchmes-
und es wird eine niedrigere Nennleistung erreicht. Da ser > Auslassventildurchmesser).
bei niedrigeren Drehzahlen aber weniger Ladung in Wichtig für den Ladungswechsel ist der Strömungs-
das Ansaugrohr zurückgeschoben wird, erhöht sich querschnitt am Ventil. Dieser ist kleiner als der geo-
der Liefergrad und das Drehmoment steigt. Bei Teil- metrische Querschnitt, was durch hydrodynamische
last kann die erforderliche Last auf Grund der kürze- Vorgänge hervorgerufen wird (Bild 10-47).
ren Ansaugphase mit weniger Drosselung erreicht Sowohl der geometrische Öffnungsquerschnitt als
werden, wodurch die Ansaugarbeit vermindert wird. auch der Strömungsquerschnitt sind Ringflächen, die
Dies wirkt sich positiv auf den Verbrauch aus. entsprechend dem Ventilsitzwinkel D um die Ventil-
Bei variabler Ventilsteuerung und frühem ES muss achse angeordnet sind. Der Ventilhub ist der senk-
die Lastregelung nicht mehr durch Drosselung erfol-
gen, sondern durch die Wahl der Ventilsteuerzeit ES.
Das Ziel kann entweder Drehmoment-Steigerung bei
h
Volllast oder Verbrauchsreduzierung bei Teillast sein.
Sobald sich die für die gewünschte Last erforderliche
Ladungsmenge im Zylinder befindet, wird das Ein-
lassventil geschlossen. Der Kolben bewegt sich in Auslass Einlass
dieser Phase immer noch in Richtung UT, und es
wird im Zylinder Unterdruck erzeugt. Da die Lastre- UT OT UT
gelung drosselfrei abläuft, ist das Niveau der Ansaug-
arbeit viel niedriger als bei Lastregelung durch Dros-
selung, wodurch der Verbrauch gesenkt wird. Die
Druckdifferenz zwischen Ansaug- und Abgassystem
ist niedrig, es wird also wenig Abgas vom Auslass
zurückgesaugt. Angenommen, dass die Steuerzeit EÖ
Auslass Einlass
eine übliche Lage hat und die Überschneidungsphase
Aö Eö As Es
nicht verlängert wird, führt früher ES zu einer stabi-
len Verbrennung bei niedrigen Lasten und Drehzah- UT OT UT °KW

len. Begrenzungen für frühes ES bestehen in der Ge-


mischbildung: Da das Ansaugen früher als UT been- Bild 10-46 Ventilerhebungskurven und Ventilquer-
det wird, findet im Zylinder beim Zünden oft keine schnitte [1]
10.1 Gaswechseleinrichtungen beim Viertaktmotor 487

Einlaßkanal Auslaßkanal

Einlaufbord
geometrischer Ventilhubverstellung
Querschnitt A
Kanal p1T1
p1
T1
Ventil
p1T1
Δp p2
h Cs Zylinder
zur Luftdurch- gemessener
a d Hubventil satzmessung Luftdurchsatz
Strömungsguerschnitt jA Saugbetrieb Druckbetrieb Druckbetrieb

Bild 10-47 Strömungsquerschnitte und Ventilhub [1] Bild 10-48 Messanordnung für Durchflussbestim-
mung [1]
rechte Abstand des Ventiltellers zum Ventilsitz. Un-
ter der Voraussetzung isentroper Strömung am Ven-
tilsitz ergibt sich im Strömungsquerschnitt AS die the- und
oretische Geschwindigkeit cis. Wegen Reibungsein- 1

flüssen ist die wirkliche Geschwindigkeit cs kleiner § p2 · N


UiS U1 ˜ ¨ ¸ (10.24)
als cis. Für den Massenstrom am Ventil gilt: © p1 ¹
m V ˜ U AS ˜ cS ˜ U \ ˜ A ˜ M ˜ ciS ˜ U (10.20) N = 1,4 für Luft
mit Näherungsweise ist AiS unabhängig vom im stationä-
U = Dichte im Strömungsquerschnitt ren Durchströmversuch eingestellten Druckverhältnis
\ = Strahlkontraktion (Einschnürungsziffer) p2/ p1. Außerdem lässt sich AiS auf den realen Motor
M = Reibungsbeiwert übertragen, obwohl dieser im Betrieb instationär
durchströmt wird, da bei in Strömungsrichtung kur-
Für den isentropen Strömungsquerschnitt Ais gilt:
zen Drosselstellen eine quasistationäre Rechnung zu-
U lässig ist.
AiS \ ˜ M ˜ ˜A (10.21)
U iS Zur Beurteilung der Güte von Steuerorganen dient die
Durchflusszahl des Ventils DV:
mit
Uis = Dichte bei isentroper Strömung im Strömungs- DV
AiS
(10.25)
querschnitt AV
Damit erhält man für den Massenstrom: mit
m AiS ˜ ciS ˜ U iS (10.22) AV = Ventilfläche entsprechend innerem Ventilsitz-
durchmesser
Die Ermittlung des isentropen Strömungsquerschnit-
tes AiS eines Ventils in Abhängigkeit vom Ventilhub Über die Güte des Ladungswechsels sagt DV nichts
erfolgt in einem stationären Strömungsversuch. Dabei aus. Ein Maß für die Durchlässigkeit des Ventils bei
wird der Zylinderkopf oder ein entsprechendes Mo- gegebenem Motor und damit für den Ladungswechsel
dell durchströmt und folgende Messgrößen bei unter- ist die Durchströmzahl DK
schiedlichen Ventilhüben aufgenommen, Bild 10-48: AiS
DK (10.26)
T1, p1 = thermischer Zustand vor der Messanordnung, AK
zum Beispiel in einem Sammelbehälter mit
p2 = Druck im Zylinder
 AK = Kolbenfläche
m = Massenstrom, zum Beispiel mittels Blenden-
messung Bild 10-49 zeigt die Durchflusszahlen als Streuband
Die Messung kann sowohl im Saugbetrieb als auch heutiger Motoren über der Intensität einer Tumble-
im Druckbetrieb (Pressluft) erfolgen. Mit den aufge- Strömung. Als geschlossener Punkt sowie als offenes
nommenen Messwerten lässt sich der isentrope Strö- Quadrat sind die Werte für den VW-FSI (1,4 Liter
mungsquerschnitt AiS berechnen. Dabei gilt: mit Benzin-Direkteinspritzung) mit offener und ge-
schlossener Ladungsbewegungsklappe (LBK) im Ein-
ª N 1
º lasskanal dargestellt.
2 ˜N « § p2 · N » DK eignet sich gut bei Vergleichsbetrachtungen ähnli-
ciS ˜ RL ˜ T1 ˜ 1  ¨ ¸ (10.23)
N 1 « © p1 ¹ » cher Motoren mit gleicher mittlerer Kolbengeschwin-
¬« ¼» digkeit. Anhaltswerte für die einlassseitige Durch-
488 10 Ladungswechsel

Beschreibung der Vorgänge liefert, beschränkt sich


0,25
die dreidimensionale CFD-Berechnung auf Grund der
LBK geschlossen
LBK offen
Rechnerkapazität auf die räumliche (dreidimensiona-
0,20 le) und zeitliche Behandlung der Vorgänge in Teil-
systemen des Motors.
Durchfluss aK

konventionelle
Systeme Tumble-
0,15 Systeme
Die Füll- und Entleermethode

0,10
Der einfachste Weg zur Beschreibung des Ladungs-
wechsels am realen Motor ist die Füll- und Entleer-
methode. Da räumliche Gradienten der Zustandsgrö-
0,05 ßen hierbei nicht berücksichtigt werden, zählt die
0 2 4 6 8
Füll- und Entleermethode zu den nulldimensionalen
Tumble-Intensität
Berechnungsmethoden. Trotz dieser Vereinfachung
ist sie dennoch in den meisten Fällen für Vergleichs-
Bild 10-49 Durchfluss in Abhängigkeit der Tumble- betrachtungen und eine erste Beurteilung des La-
Intensität dungswechsels ausreichend.
Bei der Füll- und Entleermethode, werden die
strömzahl des Motors bei maximalem Ventilhub Saugleitung, die Abgasleitung und der Zylinder als
hV, max sind: Behälter angesehen, deren Inhalt durch Druck, Tem-
peratur und stoffliche Zusammensetzung gekenn-
Ottomotor 2-Ventil: DK = 0,09 bis 0,13 zeichnet ist (Bild 10-50).
4-Ventil: DK = 0,13 bis 0,17 Die Füll- und Entleermethode beruht auf dem
Dieselmotor 2-Ventil: DK = 0,075 bis 0,09 1. Hauptsatz der Thermodynamik:
4-Ventil: DK = 0,09 bis 0,13
d mz ˜ u dV dQ dm dm
 pz ˜  ¦ w  ¦ e ˜ he  ¦ a ˜ ha
dD dD dD dD dD
10.2 Ladungswechselrechnung (10.27)
Die Simulation des Motorprozesses, insbesondere zu- Um die Massenströme im Einlass und Auslass
sammen mit der eindimensionalen Simulation der Gas- bestimmen zu können, sind Aussagen über den Zu-
dynamik im Saug- und Auspuffsystem, ist heute ein stand an den Ein- und Austritten des Zylinders not-
allgemein akzeptiertes Werkzeug für die Vorhersage wendig. Physikalisch treten hier im Bereich der Ven-
der Leistungsdaten von Motoren in der Konzeptphase tile stark ausgeprägte dreidimensionale Strömungen
oder während der Konstruktion. Sie dient aber auch der mit Strahlablösung und Wirbelzonen auf. Vereinfa-
Analyse des Ladungswechsels und des thermodynami- chend wird bei den null- und eindimensionalen Mo-
schen Prozesses bereits auf dem Prüfstand laufender dellen angenommen, dass die Strömung durch diese
Motoren. Vor allem in der letztgenannten Anwendung
kann sie, richtig eingesetzt, Zugang zu Daten verschaf-
fen, die nicht oder mit nahezu unvertretbarem Aufwand
experimentell erfasst werden können. pFg TFg pAg TAg
EV AV
Auf Grund der Komplexität des Ladungswechselpro- sFg sAg
zesses ist der Aufwand bei der theoretischen Betrach-
tung erheblich. Entsprechend der jeweiligen Frage-
stellung können und müssen hier Vereinfachungen sZ
getroffen werden. Aus diesem Grund haben sich un- pZ TZ mZ VZ
terschiedliche numerische Verfahren für spezielle
Anwendungen im Bereich der Analyse und Simulati-
on entwickelt. Es wird zwischen rein thermodynami-
schen nulldimensionalen Modellen, eindimensionalen
Modellen, die die nulldimensionale Betrachtung mit
der Gasdynamik in der Saug- und Abgasanlage kop-
peln, und dreidimensionalen, räumlich auflösenden
Modellen (CFD) unterschieden. Während die eindi-
mensionale Betrachtung heute die Möglichkeit bietet,
den Gesamtmotor vom Luftfilter bis einschließlich
der Abgasanlage abzubilden und damit eine zeitliche
und entlang der Rohre räumliche (eindimensionale) Bild 10-50 Modell der Füll- und Entleermethode
10.2 Ladungswechselrechnung 489

Drosselstellen quasistationär sei. Quasistationär be- wobei:


deutet hier, dass der Zustandsvektor auf der Ein- und
dv2i ˜ S
Austrittsfläche der Drosselstelle (Bild 10-51) sich in- Aeff D˜ (10.29)
nerhalb eines Zeitschrittes der Berechnung nicht än- 4
dert und dass sich der zeitliche Verlauf des Vektors und die Durchflussfunktion \ im Unterschallbereich:
durch Aneinanderreihung unterschiedlicher statio- F1
närer Zustände ergibt. Da somit die endliche Er- ª 2
º
F § p ·F § p · F
streckung der Drosselstelle vernachlässigt wird, ist \ ˜ «¨ 2 ¸  ¨ 2 ¸ » (10.30)
F  1 « © p01 ¹ © p01 ¹ »
diese Betrachtung umso eher zulässig, je geringer die ¬« ¼»
Ausdehnung der Drosselstelle in Strömungsrichtung
gegenüber den angeschlossenen Rohren ist (Bild und im schallnahen Bereich:
10-51). 1
§ 2 · F 1 F
\ \ max ¨ ¸ ˜ (10.31)
© F 1¹ F 1
ist.
Der Durchflussbeiwert D verändert sich mit dem
Ventilhub und wird experimentell mit Hilfe von stati-
onären Strömungsversuchen ermittelt.
(P,T,u)E (P,T,u)A
Prinzip der Berechnung
Ziel der Rechnung ist es, die Verläufe von Druck,
Temperatur, Masse, Zusammensetzung der Zylinder-
ladung, sowie den Verlauf der Massenänderung be-
Bild 10-51 Zustandsgrößen an einer Drosselstelle dingt durch die Ventile über dem Verlauf des Kur-
belwinkels während der Ladungswechselphase zu
ermitteln.
Durch die Einführung dieser Modellannahme können Diese Größen sind messtechnisch nicht oder nur auf-
die Grundgleichungen der eindimensionalen stationä- wändig zu erhalten. Lediglich der Druck kann durch
ren Strömung zur Berechnung der Zustandsvektoren einen Quarzsensor indiziert werden. Die Verläufe der
(p, T, u)E und (p, T, u)A an den Rohrrändern verwen- Größen werden deshalb durch numerische Integration
det werden. Mit Hilfe der Kontinuitäts- und Energie- von einem Startpunkt aus errechnet.
gleichung der eindimensionalen stationären Strömung Man bestimmt die Anfangswerte bei „Auslass öffnet“
erhalten wir die theoretische Durchflussgleichung von Druck, Temperatur, Masse und Zusammensetzung
nach St. Venant, die gelten würde, wenn sich eine durch Messung oder Schätzung und errechnet ihre dif-
isentrope, verlustfreie Zustandsänderung in einem ferenziellen Änderungen bei diesem Anfangspunkt aus
Strömungsquerschnitt nach den Ein- und Austrittsflä- thermodynamischen Grundgleichungen. Davon ausge-
chen der quasistationär durchströmten Drosselstelle hend wird nun Schritt für Schritt ein geeignetes Integ-
einstellen würde. Da aber die Zustandsänderung nicht rationsverfahren angewendet, bis alle Werte bis zum
isentrop verläuft und ein Impulsverlust auftritt, muss Zeitpunkt „Einlass schließt“ bekannt sind.
dieser Ansatz korrigiert werden. Hierzu ist eine sta-
tionäre Messung, die die thermodynamische Aus- Eindimensionale Gasdynamik
wirkung der Strömungsphänomene quantifiziert, die Bei der Füll- und Entleermethode handelt es sich um
den Impulsverlust verursachen, notwendig. Dieser ein quasistationäres Einzonenmodell. Quasistationär
Impulsverlust spiegelt sich thermodynamisch in einer bedeutet hier, dass instationäre Vorgänge für kleine
irreversiblen Erhöhung der Entropie des Fluides wi- Zeitintervalle als stationär angesehen werden, das
der. Dadurch ist der bei der irreversiblen Strömung heißt die einzelnen Größen (Druck, Temperatur) sind
durch die Drosselstelle tretende Massenstrom kleiner nur von der Zeit, nicht aber vom Ort abhängig. Da-
als derjenige, der sich bei einer verlustfreien Strö- durch können dynamische Einflüsse wie Druckpulse,
mung ergeben würde. Dieser Verlust wird mit Hilfe die beispielsweise bei der Schwingrohr- und Reso-
des Durchflussbeiwertes D erfasst, der als Verhältnis nanzaufladung entstehen, natürlich nicht berücksich-
des tatsächlichen Massenstromes zum theoretischen tigt werden. Amplituden und Phasenlagen dieser
(isentropen) Massenstrom definiert ist. Somit werden Schwingungen können den Ladungswechsel bei be-
die Massenströme im Einlass und Auslass wie folgt stimmten Drehzahlen unterstützen und bei anderen
berechnet: Drehzahlen behindern. Dadurch wird der Verlauf des
2 Liefergrades über der Drehzahl und damit die Mo-

m Aeff ˜ p01 ˜ ˜\ , (10.28) mentencharakteristik des Motors im Wesentlichen
R ˜ T01 festgelegt.
490 10 Ladungswechsel

SB1 1 R1 2 R2
110000
108000 3
R6 6 R5 5 R4 4 R3
106000 I1
Saugrohrdruck [Pa]

7 R9 R13 R17 26 R21 R25


104000 R7 38
C4
102000 10 14 18 22 I2 30 34
8 J1 42 R29 44
R8 R10 R14 R18 27 R22 R26
100000 39
C3 45 J3
9 11 15 19 23 I3 31 35
98000
R11 R15 R19 28 R23 R27 40 J2 43 R30
96000 C2
12 16 20 24 I4 32 36 41
46
94000 R12 R16 R20 29 R24 R28
C1
92000 13 17 21 25 33 37 R31
90000 47
0 60 120 180 240 300 360 420 480 540 600 660 720 Cat1
SB2 51 50 49 R32 48
AÖ EÖ AS ES P13 P12
Kurbelwinkel [°KW]
Bild 10-54 Schematische Darstellung eines Vierzy-
Bild 10-52 Druckverlauf im Saugrohr bei linder-Ottomotors
3.000 U/min
wird berücksichtigt. Dies bedeutet, dass die Vorgänge
Diese Schwingungsvorgänge werden durch Druck- in einem Rohrelement, wie zum Beispiel die Um-
wellen angeregt, die beim Öffnen und Schließen der wandlung von Druckenergie in Bewegungsenergie,
Ventile sowie durch die Kolbenbewegung entstehen. nur auf Grund der berücksichtigten Wandreibung ir-
Die folgende Abbildung zeigt den mit Hilfe einer reversibel sind. Somit lässt sich, ausgehend von den
Niederdruckindizierung erfassten Druckverlauf im Erhaltungsgleichungen für Masse, Impuls und Ener-
Saugrohr eines geschleppten Einzylinder-Viertaktmo- gie, ein nichtlineares inhomogenes Differenzialglei-
tors bei 3.000 U/min. Zu Beginn des Ansaugvorganges chungssystem für eine eindimensionale instationäre
wird durch die Abwärtsbewegung des Kolbens eine Rohrströmung in der Strömungsebene (x,t-Ebene)
Unterdruckwelle am Einlassventil erzeugt. Diese Un- aufstellen.
terdruckwelle läuft auf den Luftfilter zu, der wie ein
wU w ( U ˜ u) 1 dA
offenes Rohrende wirkt. Somit wird sie als Überdruck-   U ˜u˜ ˜ (10.32)
welle reflektiert, läuft auf das Einlassventil zurück und wt wx A dx
erreicht dieses zum Einlassschluss (Bild 10-52).
w( U ˜ u) w( U ˜ u2  p) 1 wA F
Bei der eindimensionalen Simulation der Motor-   U ˜ u2 ˜ ˜  R (10.33)
innenströmung wird das Gesamtsystem „Motor“ in wt wx A wx V
einzelne abstrahierende, das heißt auf Vereinfachun- wE w[u ˜ ( E  p)] 1 dA q
gen beruhende Elemente wie Zylinder (C1), Luftfilter   u ˜ (E  p) ˜ ˜  w , (10.34)
(Pl1), Blenden (SB1, R1, SB2) und Rohre (1-4) un- wt wx A dx V
terteilt (Bild 10-53 und 10-54). wobei FR die Wandreibungskraft, V das Volumen, qw
Dies geschieht unter der Annahme, dass die Strö- den Wärmestrom und E die Gesamtenergie darstellt.
mung im Gesamtsystem durch eine eindimensionale Um dieses Anfangs- und Randwertproblem lösen zu
instationäre Rohrströmung in den Rohrelementen und können, sind Aussagen über den Zustand an den
durch eine eindimensionale quasistationäre Drossel- Rohrrändern notwendig. Dieser Zustandsvektor wird
strömung in den Bauteilen, die die Rohrelemente ver- von der Strömung in den Bauteilen bestimmt, die die
binden, beschrieben werden kann. Rohrenden miteinander verbinden. Vereinfachend
Die eindimensionale instationäre Betrachtungsweise wird wie bei der Füll- und Entleermethode hierbei
in einem Rohrelement geht davon aus, dass die Zu- angenommen, dass die Strömung durch diese Dros-
standsgrößen wie Druck p, Dichte U und Geschwin- selstellen quasistationär sei.
digkeit u durch Mittelwerte in den einzelnen Rohr-
querschnitten ausreichend festgelegt werden können. Literatur
Weiterhin wird vorausgesetzt, dass kein Impulsver- [1] Spicher, U.: Verbrennungsmotoren A und B, Vorlesungsum-
lust auf Grund innerer Reibung in der Strömung auf- druck Universtät Karlsruhe (TH)
[2] Schwelk et al.: Fachkunde Fahrzeugtechnik. Stuttgart: Holland +
tritt. Nur die Reibung der Strömung an der Rohrwand Jansen Verlag, 1989
[3] Stoffregen, J.: Motorradtechnik, 7. Aufl. Wiesbaden: Vieweg+
Teubner, 2010
SB1 R1 Pl1 C1 SB2 [4] Marquard, R.: Konzeption von Ladungswechselsystemen für
1 2 3 4 Pkw-Vierventilmotoren unter Fahrzeugrandbedingungen, Disser-
tation. TH Aachen 1992
[5] Pischinger, S.: Verbrennungsmotoren I und II, Vorlesungsum-
druck. FH Aachen
Bild 10-53 Schematische Darstellung eines Gesamt- [6] Jungbluth, G. et al.: Bau und Berechnung von Verbrennungs-
systems „Motor“ motoren. Berlin: Springer, 1983
10.3 Gaswechsel bei Zweitaktmotoren 491

[7] Shell Lexikon Verbrenungsmotoren. Supplement der ATZ und hungsweise der Luftaufwand (siehe hierzu auch [1]
MTZ
[8] Köhler, E.; Flierl, R.: Verbrennungsmotoren, 5. Aufl. Wies-
und [2]) herangezogen.
baden: Vieweg+Teubner, 2008 Bild 10-56 zeigt eine Übersicht über die wichtigsten
[9] Aoi, K.; Nomura, K.; Matsuzaka, H.: Optimization of Multi- Zweitaktspülverfahren mit prinzipbedingten Vor- und
Valve, Four Cycle Engine Design: The Benefit of Five-Valve Nachteilen.
Technology. SAE Technical Paper 860032
[10] Brüggemann, H.; Schäfer, M.; Gobien, E.: Die neuen Mercedes-
Benz 2,6 und 3,0-Liter-Sechszylinder-Ottomotoren für die neue Umkehrspülung: Bei der Umkehrspülung (nach
Baureihe W 124. In: MTZ 46 (1985) Schnürle) tritt das Frischgas über im Allgemeinen zwei
[11] Duelli, H.: Berechnungen und Versuche zur Optimierung von
Ansaugsystemen für Mehrzylindermotoren und Einzylinder-
bis sechs spiegelsymmetrisch zur Mittelachse des Aus-
Einspritzung. VDI-Fortschrittberichte, Reihe 12, Nr. 85, 1987 lasskanals angeordnete und der Richtung des abströ-
menden Abgases entgegengerichtete Spülkanäle (Über-
strömkanäle) in den Zylinder ein. Die Spülströme rich-
10.3 Gaswechsel bei Zweitaktmotoren ten sich aneinander auf und bilden an der dem Auslass-
schlitz entgegengesetzten Seite des Zylinders einen
10.3.1 Spülverfahren aufsteigenden Frischgasstrom, der im Bereich des Zy-
Das charakteristische Merkmal unterschiedlicher linderkopfes seine Richtung umkehrt und das Abgas
Bauarten von Zweitaktmotoren betrifft das jeweilige aus dem Zylinder drängt. Dieses insbesondere bei
Prinzip der Zylinderspülung und die hieran gekoppel- Kleinmotoren verbreitete Spülverfahren ist für hohe
te Art der Spülluftversorgung. Die Wahl des Spül- Drehzahlen geeignet, ergibt eine einfache Bauart sowie
konzepts hat einen wesentlichen Einfluss auf den kompakte Motorabmessungen und bietet bei DI-Diesel-
Bauaufwand, die Bauteilbelastung, das Betriebsver- motoren die Option, die Brennraummulde gut gekühlt
halten, die Gemischbildungsbedingungen, den Ver- im Zylinderkopf anzuordnen. Als nachteilig erweisen
brauch und die Emissionen des Motors. sich eine asymmetrische thermische Belastung des
Bei der Spülung des Zylinders wird das verbrannte Kolbens, eine Gefährdung der Kolbenringe durch Spül-
Gemisch durch das Frischgas, im idealen Grenzfall und Auslassschlitze und die Tatsache, dass beim Ein-
der reinen Verdrängungsspülung, ohne eine gegensei- satz einer Druckumlaufschmierung der Ölverbrauch
tige Vermischung aus dem Zylinder gedrängt. Davon nur schwer zu kontrollieren ist. Außerdem machen die
abweichend findet bei der Spülung des Zylinders im Erzeugung eines für DI-Dieselmotoren üblichen La-
realen Motor, je nach Güte des gewählten Spülverfah- dungsdralls und die Verwirklichung eines asymmetri-
rens, neben der Verdrängung des Abgases auch eine schen Steuerdiagramms zusätzliche technische Maß-
Vermischung von Frisch- und Abgas statt. Hierdurch nahmen erforderlich.
wird, wie in Bild 10-55 schematisch dargestellt, ins-
besondere bei großen Spülluftmengen – zum Beispiel Gleichstromspülung: Bei der Gleichstromspülung
in Kennfeldpunkten hoher Last – ein Teil des Spülga- tritt das Frischgas durch über den Umfang des Zylin-
ses mit dem Abgas vermischt aus dem Zylinder ge- ders angeordnete Einlassschlitze in den Zylinder ein
spült (Frischgasverlust). Zur Beurteilung des Ergeb- und schiebt das Abgas über zumeist mehrere im Zy-
nisses beziehungsweise der Effizienz des Spülvor- linderkopf angeordnete, mit Kurbelwellendreh-
gangs bei Zweitaktmotoren werden als Kennzahlen frequenz angesteuerte Auslassventile aus. Durch eine
neben dem Liefergrad vor allem der Fanggrad bezie- tangentiale Anordnung der Spülkanäle lässt sich

Hubraum x Dichte Zylindervolumen x


der Umgebungsluft Dichte der Umgebungsluft

im Zylinder
eingeschlossene
Ladung

Luftüberschuss
im Zylinder
zurückgehaltenes Verbrennungs-
Frischgas produkte

dem Zylinder
zugeführtes Abgas
Frischgas
Bild 10-55 Massenbilanz
Restgas Frischgasverlust Restprodukte des Zweitaktspülprozesses
gemäß [3]
492 10 Ladungswechsel

Spülkonzept Vorteile Nachteile

1. Umkehrspülung x Kompakte Bauabmessungen x Asymmetrisches Steuerdiagramm nur


x Hohe Drehzahlen möglich durch Zusatzeinrichtungen (Schieber)
möglich
x Brennraummulde kann gut gekühlt im
Zylinderkopf angeordnet werden x Asymmetrische thermische Belastung
des Kolbens
x Bei Verzicht auf Schieber einfache
Bauart x Kolbenringe durch Spül- und Auslass-
schlitze besonders gefährdet
x Ladungsdrall vergleichsweise schwie-
rig zu erzeugen

2. Gleichstromspülung x Gute Spülwirkungsgrade/niedriger Luft- x Im Vergleich zu 1 größere Bauhöhe


mit Auslassventilen aufwand x Aufwändiger/optimierter Ventiltrieb
x Einfache Generierung und Beeinflus- erforderlich um große Zylindernutz-
sung des Brennraumdralls möglich hübe und niedrige Verbräuche zu
x Brennverfahren weitgehend von Vier- realisieren
taktmotoren übernehmbar
x Asymmetrisches Steuerdiagramm ohne
Zusatzeinrichtungen möglich

3. Gleichstromspülung x Minimierung der in der Hochdruckpha- x Großer Bauaufwand


mit Gegenkolben se aufgeheizten Brennraumoberflächen x Große Bauhöhe (Baubreite)
x Asymmetrisches Steuerdiagramm allein x Extreme thermische Belastung des die
durch Kolbenkantensteuerung möglich Auslassschlitze steuernden Kolbens
x Gute Spülwirkungsgrade/niedriger Luft- x Wegen Anordnung von Düsenhalter/
aufwand Zündkerze kein konventionelles
Brennverfahren einsetzbar

4. Kopfumkehrspülung x Triebwerksaufbau sehr ähnlich dem der x Niedrige Spülwirkungsgrade/großer


Viertaktmotoren Luftaufwand
x Keine Gefährdung der Kolbenringe x Wegen begrenzten Öffnungszeitquer-
durch Spül- und Auspuffschlitze schnitten gravierender Anstieg der
Ladungswechselarbeit und der
Verbräuche bei höheren Drehzahlen

Bild 10-56 Vergleich verschiedener Spülkonzepte

verhältnismäßig einfach eine die Gemischbildung un- weise einfacher freidrehend anordnen, was der Le-
terstützende Drallströmung generieren beziehungs- bensdauer zugute kommt. Bei Berücksichtigung der
weise beeinflussen. Dieser Drall bleibt im Allgemei- Bauhöhe eines mit Ventilen versehenen Zylinderkop-
nen über den gesamten Arbeitszyklus in abklingender fes ergeben sich insbesondere bei überquadratischen
Form erhalten und muss beim folgenden Spülvorgang Hub-Bohrungs-Verhältnissen gegenüber vergleich-
nicht vollständig neu generiert werden. Die Vorteile baren Viertaktmotoren größere Motorbauhöhen, da
der Gleichstromspülung liegen in verhältnismäßig gu- die Spülschlitze durch den Kolbenschaft abgedeckt
ten Spülwirkungsgraden (niedriger Luftaufwand), der und eine Kollision des Pleuels mit dem Kolbenschaft
Option zur Realisierung eines asymmetrischen Steu- konstruktiv ausgeschlossen werden muss.
erdiagramms ohne zusätzlichen Bauaufwand und der Außerdem werden an den Auslassventiltrieb wegen
Möglichkeit, bewährte DI-Dieselbrennverfahren von der doppelten Ventilbetätigungsfrequenz und der be-
Viertaktmotoren weitgehend unverändert auf Zwei- grenzten Ventilöffnungs(kurbel)winkel bei gleich-
taktmotoren zu übertragen. Im Gegensatz zur Um- zeitiger Forderung nach großen Öffnungszeitquer-
kehrspülung lassen sich bei entsprechender Gestal- schnitten erhebliche konstruktive Anforderungen ge-
tung der Spülschlitze die Kolbenringe vergleichs- stellt.
10.3 Gaswechsel bei Zweitaktmotoren 493

Gegenkolbengleichstromspülung: Bei der Gegen- wirkungsgrade) durchaus als erfolgversprechendes


kolbengleichstromspülung bewegen sich zwei Kolben Konzept angesehen werden.
gegenläufig in einem Zylinder, die in ihrer inneren Auf weitere Spülverfahren wie Querspülung, Kreuz-
Endlage (OT-Stellung) den Brennraum einschließen. spülung, Fontänenspülung, Umkehrspülung nach
In ihrer äußeren Endlage (UT-Stellung) gibt einer der MAN und die verschiedenen Doppelkolbenspül-
Kolben die Einlass- der andere Kolben die Auslass- konzepte (siehe hierzu auch [5] und [6]) wird hier
schlitze frei, so dass das einströmende Frischgas mit wegen begrenzten Spülwirkungsgraden, hohem Bau-
einer Hauptströmungsrichtung in der Zylinderachse aufwand oder sonstigen Nachteilen nicht einge-
das Abgas aus dem Zylinder drängt. Als Vorteile gangen.
können hohe Spülwirkungsgrade, eine Minimierung
der in der Hochdruckphase aufgeheizten Brennraum- 10.3.2 Gaswechselorgane
oberfläche und eine einfache Realisierbarkeit eines
asymmetrischen Steuerdiagramms gewertet werden. Wie bereits dargelegt, werden bei der Gleichstrom-
Gravierende Nachteile dieses Prinzips ergeben sich spülung der Frischgasstrom in den Zylinder und bei
vor allem durch den hohen Bauaufwand, die sperri- der Umkehrspülung sowohl der Frischgasstrom in
gen Motorabmessungen, die extreme thermische Be- den Zylinder als auch der Abgasstrom aus dem Zy-
lastung des auslassseitigen Kolbens (siehe hierzu linder durch Schlitze in der Zylinderwandung und
auch [4]) und die beschränkte Übertragbarkeit von den auf- und abgehenden Kolben gesteuert. Kennzei-
Brennverfahren moderner Viertaktmotoren. chen dieser Schlitzsteuerung ist es, dass verglichen
mit üblichen Ventilsteuerungen im Zylinderkopf in
Kopfumkehrspülung: Bei der Kopfumkehrspülung verhältnismäßig kleinen Kurbelwinkelbereichen gro-
strömt das Frischgas zumeist über zwei bis drei mit ße Strömungsquerschnitte geöffnet und geschlossen
Kurbelwellendrehzahl betätigte Ventile im Bereich werden können. Mit schlitzgesteuerten Zweitakt-
um den UT in den Zylinder und drängt, unterstützt motoren können daher hohe Nenndrehzahlen erreicht
durch eine Richtungsumkehr im Bereich des Kolben- werden. Als charakteristische Größe für die Ausle-
bodens, das Abgas durch die gleichzeitig geöffneten gung und die Bestimmung des Gasdurchsatzes durch
Auslassventile aus dem Zylinder. Vorteil dieses einen Schlitz dient der (Öffnungs-) Zeitquerschnitt
Spülverfahrens ist ein Aufbau des Triebwerks, der (siehe hierzu auch [6] und [7]). Er bezeichnet das
weitgehend dem vergleichbarer Viertaktmotoren ent- Zeitintegral über die jeweilige Schlitzquerschnittsflä-
spricht. Weiterhin verringert der Wegfall von Spül- che vom Öffnen bis zum Schließen des jeweiligen
und Auslassschlitzen die Gefährdung der Kolbenrin- Schlitzes. Ohne weitere Maßnahmen ergeben sich für
ge. Diesen Vorteilen steht der gravierende Nachteil schlitzgesteuerte Zweitaktmotoren zu den Totpunkten
gegenüber, dass auf der begrenzten Brennraumober- der Kurbelwelle symmetrische Steuerdiagramme. Mit
fläche des Zylinderkopfes sowohl Einlass- als auch der Zielsetzung, durch ein asymmetrisches Einlass-
Auslassventile angeordnet werden müssen. Gegen- steuerdiagramm eine bessere Füllung der Kurbel-
über einem vergleichbaren Zweitaktmotor mit Längs- kammer zu ermöglichen, wurden in der Vergangen-
spülung und zum Beispiel vier Auslassventilen heit eine Reihe von Zweitakt-Ottomotoren zunächst
kommt es daher in erster Näherung zu einer Hal- mit Rohr- und Walzendrehschiebern, später auch mit
bierung der verfügbaren Öffnungszeitquerschnitte. Scheibendrehschiebern ausgerüstet. Beim unsymmet-
Gleichzeitig muss zur Einbringung der gleichen rischen Steuerdiagramm des Drehschiebers liegt der
Frischgasmenge in den Zylinder wegen der geringe- Einlassbeginn wesentlich früher als bei der Schlitz-
ren Spülwirkungsgrade (Vermischung von Frischgas steuerung. Da der Unterdruck in der Kurbelkammer
und Abgas wegen Verwirbelung und großflächiger zu diesem Zeitpunkt noch verhältnismäßig gering ist,
Berührung der Gasströme) bei der Kopfumkehrspü- wird die Luftsäule im Ansaugtrakt bei niedrigen und
lung die erforderliche Spülluftmenge wesentlich er- mittleren Drehzahlen vergleichsweise weniger zu
höht werden. Aus diesem Grunde bleibt die Höhe der Gasschwingungen angeregt. Hierdurch ergeben sich
erforderlichen Ladungswechselarbeit und die hieraus eine stetigere Drehmomentkennlinie und günstige
resultierenden spezifischen Kraftstoffverbräuche le- Voraussetzungen für die Bildung eines Kraftstoff-
diglich bei niedrigen Motordrehzahlen in einem ak- Luftgemisches mit möglichst konstantem Luftver-
zeptablen Bereich. Diese Einschränkungen in der hältnis im Vergaser. An Stelle von Drehschiebern
Höhe der Nenndrehzahlen beziehungsweise in den werden bei modernen Zweitakt-Ottomotoren in den
Verbräuchen stehen im Widerspruch zu den Anforde- letzten Jahren häufig Lamellenventile (Reedvalves)
rungen an zukünftige Pkw-Antriebskonzepte. Davon eingesetzt (siehe hierzu auch [7] und [8]). Diese wir-
abgesehen können beispielsweise kurzhubig ausge- ken als Rückschlagventile und öffnen sich automa-
legte, kopfumkehrgespülte Zweitakt-Dieselmotoren tisch bei einem Druckgefälle in Richtung der Kurbel-
und gegebenenfalls auch Zweitakt-Ottomotoren als kammer, während sie sich selbsttätig bei umgekehr-
Flugantrieb mit geringeren Nenndrehzahlen (Verzicht tem Druckgefälle schließen. Bild 10-57 zeigt den
auf Untersetzungsgetriebe, Nutzung guter Propeller- Aufbau eines Lamellenventils für Zweitaktmotoren.
494 10 Ladungswechsel

Der zur Verringerung der Durchströmwiderstände in an denen sich die Lamellen beim Öffnen im Sinne ei-
der Form eines Satteldachs ausgebildete Grundkörper ner abrollenden Bewegung anlegen. Die Eigenfre-
(aus Aluminiumdruckguss oder Kunststoff) ist im quenz der Lamellen sollte mindestens das 1,3-fache
Auflagebereich der Lamellen zur Verringerung der der Öffnungsfrequenz (Ansaugfrequenz des Motors)
mechanischen Belastungen sowie zur Verbesserung betragen. Lamellenventile werden entweder direkt an
der Dichtwirkung und der Akustik im Allgemeinen der Kurbelkammer angeordnet, oder wie in Bild 10-
mit einer dünnen Elastomerschicht umspritzt. Die 58 dargestellt, als Kombination mit der Kolbenein-
einseitig am Grundkörper fixierten Lamellen (mech. lasssteuerung eingesetzt.
Ersatzmodell: Kragträger mit Flächenlast) werden Mit der Zielsetzung, die Nachteile des symmetrischen
entweder aus 0,15 bis 0,2 mm starkem Cr - Ni-Stahl- Steuerdiagramms der schlitzgesteuerten Umkehrspü-
blech oder neuerdings aus 0,4 bis 0,6 mm starken lung zu kompensieren, werden bei modernen Hoch-
glasfaserverstärkten Epoxidharzplatten gefertigt. Bei leistungsottomotoren teilweise im Bereich des Aus-
gleichen Längen-Breitenverhältnissen ergeben sich lassschlitzes Flachschieber, Schwenkschieber oder
wegen eines vergleichbaren Quotienten aus E-Modul Drehschieber eingesetzt. Hierdurch lassen sich die
und Dichte in etwa gleiche Eigenfrequenzen von Frischgasfüllung, die Drehmoment- und Leisungscha-
Stahl- und Epoxidharzlamellen. rakteristik oder wie beim Honda AR-combustion-
Da die Lamellen mit steigender Druckdifferenz stär- Verfahren (Activated Radical) die Entflammung des
ker öffnen, ergibt sich bei stationärer Durchströmung Luft-Kraftstoff-Gemisches verbessern. Bild 10-59
in erster Näherung eine lineare Abhängigkeit zwi- zeigt eine Teilschnittansicht durch den betreffenden
schen Druckdifferenz und Massenstrom. Um eine un- Zylinder.
definierte Bewegung der Lamelle (zu weites Öff-
nen, mit anschließendem frühzeitigen Zuschlagen der
Lamelle, Schwingung in der zweiten Eigenform und
so weiter) zu verhindern, werden Lamellenventile mit
bogenförmigen Anschlägen aus Stahlblech versehen,

Bild 10-57 Darstellung des Aufbaus eines Lamellen-


ventils zum Einsatz im Ansaugsystem von Zweitakt-
Motoren

Bild 10-59 Teilschnittansicht eines umkehrgespülten


Zylinders mit Auslasskanal-Schwenkschieber gemäß
[9]

10.3.3 Spülluftversorgung
Während bei Viertaktmotoren das Druckgefälle für
den Ladungswechsel durch den Ausschiebe- und An-
saugvorgang des Triebwerks selbst entsteht, muss
beim Zweitaktmotor das erforderliche Spüldruckge-
fälle durch ein separates Spülgebläse (Verdichter)
aufgebracht werden. Eine Spülung des Zylinders
kann nur dann erfolgen, wenn Einlass- und Auslass-
organ gleichzeitig geöffnet sind. Die Strömung durch
das Ein- und das Auslassorgan lässt sich vereinfa-
chend als eine Strömung durch zwei in Reihe ge-
Bild 10-58 Einlasssystem mit kombinierter Kolben- schaltete Drosseln (siehe hierzu auch [10] und [11])
kanten-/Lamellenventilsteuerung auffassen, die ihrerseits durch einen äquivalenten
10.3 Gaswechsel bei Zweitaktmotoren 495

Querschnitt ersetzt werden können. Da es, abgesehen Kurbelgehäuse. Bei der anschließenden Abwärtsbe-
von Einflüssen wie Druckpulsation, Gastemperaturen wegung des Kolbens wird das Frischgas verdichtet
und Abgasgegendruck gleichgültig ist, ob die Schlitze und strömt über Überströmkanäle und vom Kolben-
beziehungsweise Ventile in einer Zeiteinheit wenige boden freigegebene Spülschlitze in den Zylinder.
Male langsam oder viele Male schnell geöffnet und ge- Durch die Verwendung von Reedvalves, Drehschie-
schlossen werden, ist der Luftmengendurchsatz durch bern, oder durch den Übergang auf eine Kreuzkopfla-
den Zweitaktmotor für ein jeweiliges Spüldruckgefälle depumpe lässt sich die Spülluftmenge in den durch
im Grundsatz unabhängig von der Motordrehzahl. das Hub-Bohrungs-Verhältnis und dem Schadraum
Demgegenüber besteht zwischen dem Spüldruckgefälle vorgegebenen Grenzen steigern. Insbesondere vor
und der Spülluftmasse in erster Näherung eine quadra- dem Hintergrund begrenzter Spülwirkungsgrade von
tische Abhängigkeit. Hierdurch steigt bei höheren Mo- Zweitaktmotorenspülungen und der Tatsache, dass
tordrehzahlen der erforderliche Spüldruck zur Erzie- auch bei modernen Dieselbrennverfahren wegen der
lung des gleichen Spülergebnisses wesentlich an. Rauchgrenze üblicherweise ein Volllastbetrieb bei
Grundsätzlich lässt sich – eine entsprechende Flexibili- wesentlichem Luftüberschuss notwendig ist, erweist
tät des Spülgebläses vorausgesetzt – je nach Erforder- sich – wenn man von der komplizierten Stufenkol-
nissen bezüglich Motortemperatur, Abgastemperatur, benbauart absieht – der geringe Liefergrad der Kur-
Emission, Verbrauch und Motorleistung (Aufladung) belgehäusespülpumpe als gravierender Nachteil. Un-
für einen jeweiligen Kennfeldpunkt die Spülluftmenge ter der Voraussetzung, dass es nicht gelingt, einen
in weiten Bereichen variieren. Für die Spülung bezie- hochgradig effektiven, druckverlustarmen und strö-
hungsweise gegebenenfalls Aufladung von Zweitakt- mungsgünstigen Ölabscheider für die Spülluft zum
motoren kommen im Grundsatz sowohl Verdichter der Einsatz zu bringen, schließt die Forderung nach einer
Verdrängerbauart (Hub- und Drehkolbenverdichter) als Minimierung der Schmierölbeladung der Spülluft
auch der Strömungsbauart in Frage (siehe hierzu auch (Problem: HC-, Partikelemission, Kolbenringverko-
[10, 12 und 13]). Bild 10-60 zeigt eine Übersicht über kung, „Durchgehen“ des Motors) zudem die Verwen-
verschiedene Gebläse beziehungsweise Laderbauarten. dung der bewährten, akustisch günstigen, preiswerten
und zuverlässigen Triebwerkslagerung mittels Gleit-
Hubkolbenverdichter: Die einfachste Form des lagern und die Kolbenspritzkühlung weitgehend aus.
Hubkolbenverdichters bei Zweitaktmotoren nutzt als Ein weiterer wesentlicher Nachteil der Kurbelgehäu-
Arbeitsvolumen das Kurbelgehäuse und die Untersei- sespülpumpe besteht darin, dass die Kurbelkammern
te des Kolbens. Bei dieser insbesondere bei kleinen bei Mehrzylindermotoren zueinander gedichtet wer-
Zweitakt-Ottomotoren verbreiteten Bauart (Vorteil: den müssen. Ein separater mechanisch angetriebener
kompakte Bauart, geringe Zusatzkosten, steile Ver- Hubkolbenverdichter vermeidet einen Teil der ge-
dichterkennline, geringe Zusatzantriebsleistung) nannten Nachteile, erfordert jedoch, abgesehen von
strömt das Arbeitsgas bei der Aufwärtsbewegung des einer begrenzten Flexibilität bei der Anpassung der
Kolbens im Allgemeinen durch Ausnehmungen in der Fördermenge, einen großen zusätzlichen Bauraum
Zylinderwand beziehungsweise dem Kolbenschaft ins und gravierende Zusatzkosten.

a) b) c)

Bild 10-60 Übersicht über


verschiedene Gebläse- bezie-
hungsweise Laderbauarten:
a) Flügelzellenlader
b) Rootslader
d) e) f) c) Ro-Lader
d) Schraubenverdichtet
e) Spirallader (G-Lader)
f) Turbolader
496 10 Ladungswechsel

Rotationsverdichter: Unter dem Oberbegriff Rotati- dung liegt in der Nutzung der in der Turbine umge-
onsverdichter (Drehkolbenverdichter) lassen sich eine setzten Abgasenergie, die anderenfalls weitgehend
Reihe von Verdichtern einordnen, deren Förderung ungenutzt bleiben würde. Voraussetzung für den Ein-
beziehungsweise Verdichtung durch die Verdrän- satz von frei laufenden Turboladern bei Zweitaktfahr-
gungswirkung rotierender Elemente beziehungsweise zeugmotoren ist allerdings nach Schieferdecker [15],
Kolben erzeugt wird. Zur Spülung beziehungsweise dass die Gruppenwirkungsgrade von Turbine und
Aufladung von Verbrennungsmotoren ist die An- Verdichter mindestens 60 % betragen, was bei mo-
triebswelle mechanisch mit der Kurbelwelle des Mo- dernen Turboladern für dem Pkw- und Lkw-Einsatz
tors gekoppelt. Zur Gruppe dieser Lader zählen in etwa erreicht wird. Zur weitgehenden Nutzung der
Rootslader, Flügelzellenlader (Kapselgebläse), Ro- Abgasenergie in der Turbine ist es außerdem von
Lader, Spirallader (G-Lader) und Schraubenverdichter. gravierender Bedeutung, dass die Abgasleitungen
Ähnlich wie bei Hubkolbenverdichtern ist der geför- vom jeweiligen Zylinder bis zum Spiralgehäuse des
derte Massenstrom in etwa proportional zur Antriebs- Laders nicht nur strömungsgünstig, sondern auch in
drehzahl und fällt bei höheren Druckverhältnissen Hinblick auf minimale Wärmeverluste, optimiert
wegen ansteigenden Leckageverlusten leicht ab, wo- sind. Neben einer kurzen gedrungenen Gestaltung der
bei im Allgemeinen mittlere Verdichterwirkungsgra- Kanäle ist auch die Luftspaltisolierung, gegebenen-
de erreicht werden. Bezogen auf ein gleiches Förder- falls sogar der Einsatz von Portlinern, in Erwägung
volumen liegen die Bauabmessungen zwischen denen zu ziehen. Um über einen möglichst großen Kenn-
von Hubkolben- und Radialverdichtern. feldbereich ein positives Spüldruckgefälle zu gewähr-
leisten, ist es naheliegend, Lader mit variabler Turbi-
Lader der Strömungsbauart: Als Lader der Strö-
nengeometrie (Verstellbeschaufelung, Schiebelader,
mungsbauart (Turboverdichter) kommen für Fahr-
Doppelspirallader (Twin skroll, Fa. Aisin)) (siehe
zeugmotoren in erster Linie Radialverdichter in Fra-
hierzu auch [14]) einzusetzen. Ein vorteilhafter Ne-
ge. Bei Radialverdichtern ist der Förderstrom in etwa
beneffekt der Turboaufladung und der Aufladung mit-
linear, der Druck in etwa quadratisch von der An-
tels Ladern mit verstellbarer Turbinengeometrie im
triebsdrehzahl abhängig. Mit modernen Radialladern
Speziellen ist es, dass durch den Rückstau der Abgase
lassen sich hohe Verdichterwirkungsgrade erzielen.
vor der Turbine auch bei Spülkonzepten mit symmet-
Da der Zweitaktmotor, abweichend von den Verhält-
rischem Steuerdiagramm (zum Beispiel Umkehrspü-
nissen am Viertaktmotor, nur eine von der Motor-
lung) prinzipiell hohe Aufladegrade möglich sind. Ein
drehzahl annähernd unabhängige Massendurchsatz-
derartiges Prinzip wurde – allerdings in extremer
kennlinie hat, die sich als Öffnung (Drossel) konstan-
Form – beim Turbocompound-Flugmotor „Napier
ten Querschnitts auffassen lässt, ist ein mechanisch an
Normad“ (siehe hierzu auch [16]) verwirklicht. Um
den Motor gekoppeltes Radialgebläse grundsätzlich
bei Beschleunigungsvorgängen aus niedriger Last und
als Spülgebläse geeignet. Entsprechend der Zielset-
Drehzahl und beim Motorstart ein positives Spül-
zung, die Bauabmessungen des Radialladers zu be-
druckgefälle zu erzeugen, ist die Reihenschaltung ei-
grenzen, ist es zweckmäßig, den Lader mit einer
nes zusätzlichen mechanisch oder elektrisch angetrie-
Übersetzung ins Schnelle anzutreiben. Um den vom
benen Laders oder ein mechanischer Hilfsantrieb des
Lader geförderten Luftmassenstrom weitgehend unab-
Turboladers erforderlich. Eine interessante Alternative
hängig von der Kurbelwellendrehzahl für jeden Kenn-
hierzu stellen Turbolader mit elektrischer Unterstüt-
feldpunkt optimal an die gewünschte Spül- bezie-
zung dar. Bei diesen Ladern wird bedarfsabhängig ein
hungsweise Ladegrade des Zweitaktmotors anzupas-
Teil der Antriebsleistung für den Verdichter zum Bei-
sen, wäre es, wie auch bei den zuvor behandelten
spiel durch einen im Lader integrierten Asynchron-
Verdrängerladern, wünschenswert, den Lader mit ei-
Elektromotor geliefert (siehe hierzu auch [17]).
nem variablen Übersetzungsverhältnis anzutreiben.
Es sei angemerkt, dass bezüglich der thermodynami-
Eine derartige Lösung wurde beispielsweise beim
schen Verhältnisse bei der Koppelung mit Zweitakt-
„ZF-Turmat“ (siehe hierzu auch [14]) verwirklicht.
motoren für den Druckwellenlader (Comprexlader),
Abgesehen von hohen Baukosten, Schwingungs- und
sinngemäße Aussagen wie für den Turbolader gelten.
Lebensdauerproblemen bei variablen Antriebsüberset-
Prinzipiell nachteilig sind allerdings eine Erwärmung
zungen ist es ein genereller Nachteil mechanisch ange-
des Frischgases durch einen kurzzeitigen direkten
triebener Lader, dass ein wesentlicher Anteil der Nutz-
Kontakt von Frischgas und Abgas, und dass bei die-
leistung an der Kurbelwelle zum Antrieb des Laders
sem Laderprinzip eine mechanische oder elektrische
abgezweigt werden muss, wodurch sich die spezifi-
Unterstützung der Verdichterleistung entsprechend
schen Kraftstoffverbräuche entsprechend erhöhen.
dem Wirkprinzip des Laders nicht möglich ist.
Abgasturbolader: Der Abgasturbolader, der bei
Viertaktmotoren seit Jahrzehnten mit Erfolg einge-
Literatur
[1] Küntscher, V. (Hrsg.): Kraftfahrzeugmotoren – Auslegung und
setzt wird, kommt im Grundsatz auch bei Pkw- und Konstruktion, 3. Aufl. Berlin: Verlag Technik, 1995
Lkw-Zweitaktmotoren als Spül- beziehungsweise [2] List, H.: Der Ladungswechsel der Verbrennungskraftmaschine,
Aufladegebläse in Frage. Der Vorteil der Turboaufla- Teil II, Der Zweitakt. Wien: Springer, 1950
10.4 Variable Ventilsteuerungen 497

[3] Schweitzer, P. H.: Scavenging of Two-Stroke Cycle Engines. welle zur Steuerung verwenden, wird zwischen der
New York, NY: Macmilian, 1949
Verwendung von konventionellen und speziellen No-
[4] Gerecke, W.: Entwicklung und Betriebsverhalten des Feuerrings
als Dichtelement hoch beanspruchter Kolben. In: MTZ 14 (1953) ckenwellen unterschieden. Hierbei werden Nocken-
6, S. 182 – 186 wellen als konventionell bezeichnet, die eine übliche
[5] Venediger, H. J.: Zweitaktspülung insbesondere Umkehrspü- Nockengeometrie aufweisen und die sich mit ge-
lung. Stuttgart: Franckh’sche Verlagshandlung, 1947 bräuchlichen Werkstoffen und mit bekannten Ferti-
[6] Bönsch, H. W.: Der schnelllaufende Zweitaktmotor, 2. Aufl.
Stuttgart: Motorbuch Verlag, 1983 gungsverfahren herstellen lassen. Die zweite Unter-
[7] Kuhnt, H.-W.; Budihartono, H.; Schneider, M.: Auslegungsricht- teilungsebene wird durch den Wirkort der Variabilität
linien für Hochleistungs-2-Takt-Motoren. Vortrag bei der 4. In- gekennzeichnet. Mit der dritten Unterteilungsebene,
ternationalen Jahrestagung für die Entwicklung von Kleinmo- die das Wirk- und Funktionsprinzip variabler Ven-
toren, Offenburg: 16. und 17. März 2001
[8] Blair, G. P.: Design and Simulation of Two-Stroke Engines.
tilsteuerungen beschreibt, kommt man zur Untertei-
Warrendale, Pa: SAE-Verlag, 1996, ISBN 1-56091-685-0 lung in 17 Gruppen. An dieser Stelle wird nur auf
[9] Bartsch, Ch.: Ein neuer Weg für den einfachen Zweitakter, einzelne Systeme eingegangen. Die in Serie befindli-
Honda EXP-2 als Versuchsobjekt. In: Automobil Revue, Nr. 5/1 chen Systeme sind dabei von besonderem Interesse.
Feb. 1996
[10] Zinner, K.: Aufladung von Verbrennungsmotoren, Grundlagen –
In der Gliederung in Bild 10-61 sind die Gruppen aus
Berechnung – Ausführung. 3. Aufl. Berlin, Heidelberg, New York, denen die Serienlösungen stammen grau unterlegt.
Tokyo: Springer, 1985 Die Vielzahl der variablen Ventilsteuerungen macht
[11] Wanscheid, W. A.: Theorie der Dieselmotoren, 2. Aufl. Berlin: es dem Entwickler schwer, eine für seine Anwendung
VEB Verlag Technik, 1968
geeignete Steuerung auszuwählen. Die verschiedens-
[12] Küntscher, V. (Hrsg.): Kraftfahrzeugmotoren – Auslegung und
Konstruktion, 3. Aufl. Berlin: Verlag Technik, 1995 ten Systeme greifen in das Zylinderkopfkonzept der-
[13] Zeman, J.: Zweitaktdieselmaschinen. Wien: Springer, 1935 art ein, dass mit dem Einsatz variabler Ventilsteue-
[14] Hack/Langkabel: Turbo- und Kompressormotoren; Entwicklung, rungen erhebliche Bauteilanpassungen zu treffen
Technik, Typen. Stuttgart: Motorbuchverlag, 1999
sind. Für den Einsatz an Serienmotoren hat dieses in
[15] N. N.: Fahrzeugmotoren im Vergleich: Tagung Dresden 3. –
4. Juni 1993, VDI Gesellschaft Fahrzeugtechnik, VDI Berichte der Regel zur Folge, dass mit variablen Ventilsteue-
1066, Düsseldorf: VDI-Verlag, 1993 rungen an Serienmotoren gleichzeitig eine neue Zy-
[16] N. N.: Der Napier-Diesel-Flugmotor „Normad“. In: MTZ 15 linderkopfgeneration entwickelt werden muss. In der
(1954) 8, S. 236 – 239 Regel ist mit dem Einsatz variabler Steuerzeiten ein
[17] Huber, G.: Elektrisch unterstützte ATL-Aufladung (euATL) –
Schaffung eines neuen Freiheitsgrades bei der motorischen Ver- Mehraufwand gegenüber dem konventionellen Motor
brennung. 6. Aufladetechnische Konferenz, Dresden, 1997 verbunden, der sich in Mehrkosten ausdrückt. Dieses
Umfeld stellt sich für den Motorenentwickler beson-
ders spannend dar.
10.4 Variable Ventilsteuerungen Zukünftig wird die Möglichkeit, mit variablen Ven-
tilsteuerungen die Laststeuerung der Motoren zu
Mit dem Einsatz variabler Ventilsteuerungen (VVS) übernehmen, mehr an Bedeutung gewinnen. Durch
lassen sich an Verbrennungsmotoren die motorischen die Variation der Ventilerhebungskurvenform sollen
Zielgrößen wie der spezifische Verbrauch, das Ab- als wesentliches Ziel, die Ladungswechselverluste bei
gasverhalten, das Drehmoment sowie die maximale Teillast gesenkt werden und damit der Kraftstoff-
Leistung positiv beeinflussen. Variable Ventilsteue- verbrauch vermindert werden. Ziel vieler Entwick-
rungen werden ihrem physikalischen Wirkprinzip lungstätigkeiten ist der Entfall der Drosselklappe bei
nach in mechanisch, hydraulisch, elektrisch und Ottomotoren, um die Laststeuerung allein über die
pneumatisch betätigte Systeme unterteilt. Sowohl zu Variation der Ventilerhebung zu bewerkstelligen. Im
einfachen Systemen, bei denen die Steuerzeiten in Vergleich zur reinen Drosselregelung (DR) mit der
zwei Stellungen variiert werden können, als auch zu konventionellen Drosselklappe sind in Bild 10-62
den komplexeren Systemen, bei denen sogar die Last- vier mögliche Laststeuerungsverfahren durch Varia-
steuerung der Motoren durch variable Steuerzeiten tion der Einlassventilerhebung dargestellt.
realisiert werden kann, sind zahlreiche Systeme be- Das Laststeuerungsverfahren „früher Einlass-
kannt und liegen umfangreiche Forschungsergebnisse Schluss“ (FES) begrenzt die Frischgasmenge durch
vor. In Bild 10-61 ist eine detailliertere Gliederung frühzeitiges Schließen des Einlassventils, sobald die
der variablen Ventilsteuerungen vorgenommen wor- Füllung durch die einzustellende Last erreicht ist. Bei
den. Bei dieser feineren Gliederung ist von dem Bau- Leerlauf beträgt die Einlassventilöffnungsdauer circa
teil der Nockenwelle ausgegangen worden. Von drei 60 °KW. Durch die Steuerung „später Einlass-
gewählten Gliederungsebenen stellt das Nockenwel- Schluss“ (SES) wird aufgrund einer langen Öff-
lenkriterium die erste dar. Systeme, die ihre Energie nungszeit des Ventils der Teil der Füllung während
zur Ventilbetätigung ohne Nockenwelle bereitstellen, des Aufwärtshubs des Kolbens aus dem Zylinder ge-
werden direkt nach Art des physikalischen Wirkprin- fördert, der für die einzustellende Leistung nicht be-
zips unterteilt. Entsprechend handelt es sich hier um nötigt wird. Diese Ladungsmenge passiert mit den
elektrisch, pneumatisch, hydraulisch und mechanisch entsprechenden Verlusten zweimal die Drosselstelle
betätigte Systeme. Bei Systemen, die eine Nocken- des Ventils. Bei der Laststeuerung mittels des Verfah-
498 10 Ladungswechsel

Art der Ventilbetätigung Wirkort der Variabilität Wirk- und


Funktionsprinzip

Systeme ohne elektrische Systeme


Nockenwelle
pneumat. Systeme

hydraulische Systeme

mechanische Systeme

Systeme mech- und hydr.


mit Nockenwelle NM-Verstellung
Variabilität am
Nockenwellenantrieb mech. NW-Antrieb mit
ungleichföriger
Bewegung

mechanisch

Variabilität am geschlossenes
Verwendung von hydraulisches System
Übertragungsglied
konventionellen
zwischen Nocken
Nockenwellen hydraulisch mit
und Ventil
konstantem Abfluss

hydraulisch mit
Variabilität durch getaktetem Abfluss
zusätzliche NW
mech. Modulation
Variabilität an der zweier NW
Ventilfeder
elektromagnetisch
Variabilität am
Ventilsitz mechanisch

Variabilität am mech. Verschieben


Nocken von Nockenteilen
Verwendung von
Variabilität durch axial mech. Variabilität
speziellen
verschiebbare NW durch Raumnocken
Nockenwellen
Variation zwischen mech. frei
Nocken und Ventil schließendes Ventil Bild 10-61 Gliederung
Sonstige Systeme
der variablen Ventil-
steuerungen [1]

rens „spätes Einlass-Öffnen“ (SEÖ) wird das Einlass-


DR
ventil erst dann geöffnet, wenn die restliche Öffnungs-
zeit der erforderlichen einströmenden Gemischmenge
entspricht. Zu Einlassbeginn herrscht im Zylinder ein
FES hoher Unterdruck, der durch Turbulenz die Gemisch-
aufbereitung begünstigt. Die Beeinflussung der Zylin-
derfüllung durch die Steuerung „Variabler-Maximaler-
SES Einlassventilhub“ (VME) erfolgt durch die Reduktion
Ventilhub [mm]

des Ventilhubes bei gleichen Öffnungswinkeln. Anstel-


le der Drosselklappe wirkt das Ventil als Drosselstelle,
SEÖ wodurch keine Reduktion der Ladungswechselarbeit
erfolgt. Die Ventilreibung kann jedoch gesenkt werden,
da die Ventilfedern nur noch einen Teil zusammenge-
VME
drückt werden.
Die Auswirkungen der Einflussparameter zur Verän-
Kurbelwinkel [°KW] derung der Ventilerhebungskurve sind bekannt. Ein
idealer Ventiltrieb wäre der, der große Gestaltungs-
möglichkeiten der Ventilerhebungskurven zulässt.
Bild 10-62 Verstellmöglichkeiten der Ventilerhe- Auch wäre die Kombination einiger Laststeuerungs-
bungskurven bei variablen Ventilsteuerungen verfahren sinnvoll. Systembedingt lassen sich jedoch
10.4 Variable Ventilsteuerungen 499

durch die verschiedenen variablen Ventilsteuerungen Der Erfinder dieses Patentes, Samuel Haltenberger,
nur eingeschränkte Freiheitsgrade realisieren. Außer- sah den Versteller für eine Flugzeugmotor zur Leis-
dem ist der Aufwand an Systemtechnik für den Ein- tungsanpassung an verschiedene Flughöhen vor. Die
satz variabler Ventilsteuerungen erheblich, die der schrägverzahnte Hülse (2) wird in axialer Richtung
angestrebten Vollvariabilität nahekommen. Schon mit durch Luftdruck mittels eines Verstellergestänges (4)
der Verwendung von Systemen, die die Nockenwel- verschoben. Dabei verändert sich die relative Winkel-
len relativ zur Kurbelwellenlage verdrehen, sind die lage der Nockenwelle (1) gegenüber des antreibenden
erzielbaren motorischen Verbesserungen groß. Diese Kegelrades (3), das mit der Kurbelwelle gekoppelt
Systeme sind an Serienmotoren in großer Breite ver- ist. Auf Basis des gleichen Funktionsprinzip der ge-
treten, sodass in dem nachfolgenden Kapitel auf diese rad- und schrägverzahnten Hülse hat die Fa. Alfa
Systeme besonders eingegangen wird. Romeo 1983 an einen Nockenwellenversteller an ei-
An dieser Stelle sei erlaubt, eine Abschätzung zu tref- nem Zweiventilmotor mit zwei Nockenwellen in Se-
fen, inwieweit durch Verwendung von variablen Ven- rie gebracht (Bild 10-64). Der Versteller sitzt auf der
tilsteuerungen Verbrauchs- oder Emmissionsverbes- Einlassnockenwelle und ermöglicht die Verstellung
serungen erzielt werden. Sichtet man die Ergebnisse der Steuerzeiten für zwei Stellungen. Im Leerlauf
der Literatur, wie zum Beispiel in [1], ist festzustellen, wird die späte Steuerzeitenstellung durch eine Rück-
dass Verbrauchsverbesserungen im Mittel zwischen 5 stellfeder (10) gehalten und je nach anliegendem Öl-
und 15 % in einigen Kennfeldbereichen des Motors zu druck und Drehzahl wird die Verstellung zur frühen
erzielen sind. Oftmals sind jedoch an den in der Litera- Steuerzeit durchgeführt. Dabei wird der Motoröl-
tur aufgezeigten Motoren neben dem Einsatz variabler druck durch einen Hubmagnet (6), der das Steue-
Ventilsteuerungen andere Motoroptimierungsmaßnah- rungsventil (5) betätigt, auf den schrägverzahnten
men getroffen worden, so dass der Anteil, der auf die Kolben (9) gebracht. Das Verstellelement ist der
Verwendung variabler Ventilsteuerungen zurückzufüh- schrägverzahnte Kolben (9), der durch Öldruck gegen
ren ist, nicht direkt ersichtlich ist. die Federkraft bewegt wird. Durch die verwendete
Im Vergleich zu Ottomotoren ist das zu verbessernde Schrägverzahnung (3) an Kolben und Nockenwelle
Potenzial durch den Einsatz variabler Ventilsteuerun- wird bei axialer Verschiebung des Kolbens die No-
gen bei Dieselmotoren begrenzt. Hierzu existieren re- ckenwelle relativ zum Kettenantriebsrad (4) und da-
lativ wenige Untersuchungen. Die Zukunft wird zei- mit zur Kurbelwelle verdreht.
gen, inwieweit auch hier mit Systemen an Serienmo- Bei den in den Bildern 10-63 und 10-64 erwähnten
toren zu rechnen ist. Systemen handelt es sich um Konstruktionen, bei de-
nen ein mechanisches Wirkprinzip angewandt ist.
10.4.1 Nockenwellenversteller Hiermit ist gemeint, dass der Kraftfluss zum Betäti-
gen der Ventile nur über Komponenten erfolgt, bei
10.4.1.1 Überblick zu Funktionsprinzipien
denen Reib- oder Formschluss vorliegt. Die Bewe-
von Nockenwellenverstellern
gung und das Halten der Verstellelemente wie zum
Schon am 29. September 1918 wurde zur Verdrehung Beispiel der Kolben bei dem Alfa Romeo Versteller
einer Ottomotoren-Nockenwelle ein Patent erteilt [1]. in Bild 10-64 können jedoch über Öldruck erfolgen.
Durch eine innen und außen sowohl gerad- als auch Bei einem Nockenwellenversteller mit einem hydrau-
schrägverzahnte Hülse, die sich axial beweglich zwi- lischen Wirkprinzip wäre im Kraftfluss zur Ventilbe-
schen der Nockenwelle und dem Antriebsrad befin- tätigung eine hydraulische Komponente vorhanden.
det, wird die gewünschte Variation während des Mo- Dieses erfolgt dann über ein Ölvolumen, dass ein ent-
torbetriebs erreicht (Bild 10-63). Damit werden die sprechend hohes Druckniveau aufweisen muss, um
Nocken beziehungsweise die Nockenwelle in ihrer re- stabile Stellungen der Verstellelemente zu gewähr-
lativen Winkellage zur Kurbelwelle verdreht. leisten.

1 2 3
4

Bild 10-63 Patent eines


Nockenwellenverstellers aus
dem Jahr 1918 [2]
500 10 Ladungswechsel

1: Nockenwelle
2: Ölzufuhrrille
8 9 10
3: Schrägverzahnung 7
4: Kettenrad
5: Steuerungsventil

1
2
6: Hubmagnet
7: Zahnradnabe
3 8: Geradverzahnung
9: Verstellkolben Bild 10-64 Nockenwellen-
6 10: Rückstellfeder
4 versteller der Fa. Alfa Romeo
5
aus dem Jahr 1983 [3]

Die Position des Nockenwellenverstellers sollte sich Die bekannten Versteller lassen sich in verschiedene
sinnvollerweise direkt im Bereich des Antriebs der Funktions- und Wirkprinzipien unterteilen. In Bild
Nockenwelle befinden. Der Kraftfluss zum Antrieb 10-66 sind diese Prinzipien dargestellt. Im Wesentli-
der Nockenwelle kann hier am einfachsten unterbro- chen handelt es sich bei den Verstellern um Systeme,
chen werden, und durch die Wahl geeigneter Ver- die entweder ein mechanisches oder hydraulisches
stellelemente kann die Variation der Nockenwellen- Wirkprinzip verwenden. Am häufigsten werden Lö-
verdrehung einfach ermöglicht werden. sungen angewandt, bei denen ähnlich wie beim Alfa-
Recherchiert man in der Literatur und in den bekann- Romeo-Versteller durch axiale Verschiebung eines
ten Patentanmeldungen, so lässt sich eine Vielzahl Kolbens die Winkelverdrehung durch die Verwen-
verschiedener Funktionsprinzipien für Nockenwel- dung einer Schrägverzahnung erzielt wird. An Se-
lenversteller finden. Aufgrund einer durchgeführten rienmotoren sind im Wesentlichen nur drei Prinzipien
Patentrecherche sind den Autoren circa 3.000 ver- zu finden – in Bild 10-66 grau unterlegt. Zu der ers-
schiedene Anmeldungen bekannt. Trägt man diese ten Gruppe gehören Systeme, die ähnlich des Alfa-
Anmeldungen zum Beispiel über den Zeitraum der Romeo-Prinzips eine Schrägverzahnung einsetzen
letzten 25 Jahre nach ihrem Anmeldedatum auf, lässt und ein mechanisches Wirkprinzip aufweisen. Als
sich ein starker Anstieg an Aktivitäten auf diesem zweite Lösung sind es hydraulisch betätigte Ketten-
Gebiet erkennen. Nach der Serieneinführung des Al- versteller, wobei durch Verschiebung des Ket-
fa-Romeo-Verstellers steigt die Anzahl der Patent- tentrums die gewünschte Nockenwellenverdrehung
anmeldungen drastisch an. In Bild 10-65, in dem der erfolgt. Zu der aktuelleren Gruppe zählen die Syste-
Stand von September 2004 dargestellt ist, sind die me mit hydraulisch betätigten Schwenkmotoren am
Anmeldeaktivitäten der Jahre 1980 bis 2003 aus einer Nockenwellenantrieb. Auf die einzelnen Systembe-
erstellten Datenbank zahlenmäßig erfasst. Für die schreibungen wird im Kapitel 10.4.1.3 genauer ein-
Jahre 2002 und 2003 können nicht alle Anmeldungen gegangen.
erfasst werden, da zwischen Anmeldedatum und Of- Alle Nockenwellenversteller an Serienmotoren befin-
fenlegungstag 18 Monate liegen. den sich am Nockenwellenantrieb. In den Ventilhub

350

301
300
Anzahl der Patentanmeldungen

267
zu Nockenwellenverstellern

259
248
250
214
200 187 188
170
150
150
118 113 128
100 101
100
79

50 41 Bild 10-65 Anzahl der er-


29 26 25
8 16 24 21 fassten Patentanmeldungen
3
0 und Offenlegungsschriften
1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003

Jahr von Nockenwellenverstellern


Jahr 1980 bis 2004
10.4 Variable Ventilsteuerungen 501

Nockenwellenversteller

Ventilhub [mm]
mechanische hydraulische
Wirkprinzipien Wirkprinzipien
Auslass- Einlass-
ventilhub ventilhub
axiale Verschiebung eines UT OT UT
Kolbens oder Ritzels in oder
an der Nockenwelle Riemen- oder Kettenverstellung Kurbelwinkel [°KW]
am Nockenwellenantrieb
Planetengetriebe am Bild 10-67 Veränderliche Nockenkonturen bei Ver-
Nockenwellenantrieb Schwenkmotor-Verstellung
an der Nockenwelle wendung von stufenlos wirkenden Verstellern an der
Differentialgetriebe Ein- und Auslassnockenwelle
an der Nockenwelle

Riemen- oder Kettenverstellung gen begrenzt. Jedoch lässt sich das zu erreichende
am Nockenwellenantrieb
Verbesserungspotenzial an Motoren einfacher während
Fliehkraftverstellung an der Entwicklung abschätzen als zum Beispiel bei voll-
der Nockenwelle variablen Ventilsteuerungen. Zur Potenzialabschätzung
werden Ladungswechselrechnungen mit numerischen
Bild 10-66 Gliederung der Nockenwellenversteller Programmen durchgeführt. Der gesamte Ladungs-
ihrem Funktionsprinzip nach wechsel des Motor kann bezüglich Drehmoment- und
Leistungsverhalten sowie des Restgasanteils abge-
schätzt werden. Hierzu werden alle am Ladungs-
oder die Ventilöffnungsdauer greifen die Versteller wechsel beteiligten Komponenten wie zum Beispiel
nicht ein. Hierzu sind ebenfalls eine Vielzahl anderer Saugrohr oder Abgasanlage parametrisiert und im
Systeme bekannt. Die Wirkorte der Verstellung von Berechnungsmodel abgebildet [1]. Die Ventilerhe-
Ventilhub und -öffnungsdauer befinden sich in der bungskurven werden ausgelegt und ebenfalls mit den
Regel zwischen Nocken und Ventil. Damit können möglichen Steuerzeiten in den Ladungswechsel-
Nockenwellenversteller mit diesen Systemen kombi- rechnungen berücksichtigt. Damit lassen sich die
niert werden. Leistungs- und Drehmonentcharakteristik des Motors
Als Beispiel eines Systems zur Veränderung der Ven- zuverlässig vorherbestimmen. Die zur Verstellung der
tilhub- beziehungsweise -öffnungsdauer sei das soge- Nockenwellen benötigten Parameter werden grob
nannte „VTEC“-System der Fa. Honda erwähnt [4]. ermittelt und in Versuchen feiner abgestimmt.
Dieses System erlaubt durch die Veränderung der Zunächst kann durch die Verwendung eines No-
Übertragungsgeometrie zwischen Nocken und Ventil ckenwellenverstellers auf der Einlassventilseite je
verschiedene Ventilhübe und -öffnungsdauern. An nach Nockenkonturauslegung das maximale Drehmo-
vielen verschiedenen Motoren sind diese Systeme im ment oder die Höchstleistung positiv beeinflusst
Einsatz (siehe auch Kapitel 10.4.2). werden. Ein Motor mit festen Steuerzeiten bezie-
hungsweise Nockenkonturlagen kann nur bezüglich
10.4.1.2 Motorische Auswirkungen Leistung und Drehmoment eine Kompromisaus-
durch Nockenwellenversteller legung erhalten. Für die maximale Leistung des
Die Zielsetzung für den Einsatz von Nockenwellen- Motors ist die Lage des Einlasschlusses der Ein-
verstellern kann sehr unterschiedlich sein. Durch die lassventilerhebungskurve bestimmend. Zu höheren
relative Winkelveränderung der Lage der Nocken- Drehzahlen hin wird der Einlassschluss zu späteren
zur Kurbelwelle kann beim Pkw-Ottomotor sowohl Steuerzeiten verschoben. Der Zeitpunkt ist so zu
die maximale Leistung, der Drehmomentverlauf über wählen, dass die Zylinderfüllung möglichst optimal
der Drehzahl als auch das Abgasverhalten positiv be- ist und damit große Liefergrade erzielt werden. Ein
einflusst werden. Nockenwellenversteller sind sowohl Rückströmen der Ladung aus dem Zylinder in den
für zwei Winkelstellungen als auch für variable Ver- Saugkanal kann durch die drehzahlmäßige Anpas-
änderung der Winkellage in Serie. In Bild 10-67 sind sung des Einlassschlusses vermieden werden.
die Verstellmöglichkeiten von Ventilerhebungskur- Mit Nockenwellenverstellern kann die Ventilüber-
ven bei Verwendung von zwei stufenlos wirkenden schneidung derart variiert werden, dass der Restgas-
Nockenwellenverstellern prinzipiell dargestellt. Die anteil des Motors gesteuert werden kann. Üblicher-
strichlinierten Kurven sollen die möglichen Endlagen weise wird dem Zylinder das Restgas über eine
der Steuerzeitenlagen darstellen. externe Abgasrückführeinrichtung zur Verfügung ge-
Da durch Nockenwellenversteller nur die Lage der stellt. Durch das Verbleiben von Restgas im Zylinder
Steuerzeiten, nicht aber die Ventilerhebungskurven wird das Temperaturniveau der Verbrennung be-
verändert werden, sind die motorischen Auswirkun- grenzt. Hiermit werden die NOx-Emissionen positiv
502 10 Ladungswechsel

beeinflusst. Mit stufenlos wirkenden Nockenwellen- niveaus bei mittleren Drehzahlen ein langer Saug-
verstellern kann durch die Veränderung der Ventil- rohrkanal nötig. Die Einlasssteuerzeit wird für diesen
überschneidung eine interne Abgasrückführung erfol- Fall mit steigender Drehzahl drehzahlabhängig von
gen. Dabei wird ein Überströmen des Abgases vom „früh“ nach „spät“ geschaltet. Bei höheren Dreh-
Auslass- in den Einlasskanal während der Über- zahlen wird ein kurzer Saugrohrkanal geschaltet und
schneidungsphase im Gaswechsel-Totpunkt ermög- die Verstellung der Einlassnockenwelle zur Erzielung
licht. Der Vorteil der internen Rückführung wird der Maximalleistung in Richtung „spät“ verstellt.
durch eine kurze Totzeit des Systems und durch eine In Bild 10-69 sind exemplarisch die Steuerzeiten der
bessere Gleichverteilung der rückgeführten Abgas- Ventilerhebungskurven für die einzelnen Nocken-
menge erreicht. Bei der Auslegung der Ventilüber- wellen- und Saugrohrstellungen eines Sechszylinder-
schneidung sind stets Kompromisse zu machen. So ist motors dargestellt.
zum Beispiel die maximal mögliche Ventilüber- Galt es beim Einsatz der ersten in Serie eingesetzten
schneidung durch die Lage der Ventile begrenzt, die Nockenwellenversteller, die nur zwei Steuerzeiten-
bei zu großer Überschneidung mit dem Kolben stellungen realisieren, zunächst primär die Leistung
kollidieren. beziehungsweise das Drehmomnetverhalten zu ver-
Als Beispiel sei an dieser Stelle die Regelstrategie bessern, wird heute auch auf die Steuerung der
einer Doppelnockenwellenverstellung eines Motors inneren Abgasrückführung durch Verwendung von
der Fa. VW (Bild 10-68) dargestellt [5, 6]. Für einen stufenloswirkenden Verstellern Wert gelegt [5]. Die
Saugmotor mit Schaltsaugrohr und Verstellung der Verstellung der Einlassnockenwelle wird zur Dreh-
Ein- und Auslassnockenwellen sind vier prinzipielle momentsteigerung speziell im unteren Drehzahl-
Stellungen mit der entsprechenden kurzen oder lan- bereich und zur internen Abgasrückführung genutzt,
gen Saugrohrstellung dargestellt. wobei aus der Leistungsstellung „Einlass öffnet“ in
Bei dieser Darstellung ist auch der Einfluss verschie- Richtung „früh“ mit einem Winkelbereich von ma-
dener Saugrohrlängen in Kombination mit Nocken- ximal 52° Kurbelwinkel verstellt wird. Die Verstellung
wellenverstellern auf der Ein- und Auslassventilseite der Auslasswelle kann einerseits für optimale Leerlauf-
dargestellt. Bei den so möglichen Freiheitsgraden gilt qualität aus der Leistungsstellung „Auslass schließt“ in
es, eine entsprechend sinnvolle Verstellstrategie zu Richtung „früh“ oder zur Erreichung maximaler
erarbeiten und festzulegen. Je nach Motorauslegung Abgasrückführraten in Richtung „spät“ erfolgen,
kann diese Strategie unterschiedlich sein. So ist zum wobei jeweils ein Winkelbereich von maximal
Beispiel zur Erreichung eines hohen Drehmoment- 22° Kurbelwinkel ausreichen. Im Vergleich zu einem

2
1
Vollast Saugrohr- Einlass- Auslass-
2 stellung NW NW
Nutzmitteldruck

2 lang früh spät


3 1
1 lang spät spät
2 kurz früh spät
1 kurz spät spät

4 3 Teillast früh spät


4 Leerlauf spät früh Bild 10-68 Regelstrategie
der Doppelnockenwellen-
Drehzahl verstellung eines VW-V6-
Motors [6]

Frühstellung Spätstellung
Einlass öffnet 26° v.OT 26° n.OT
Einlass schließt (langer Kanal) 179° n.OT 231° n.OT
Einlass schließt (kurzer Kanal) 184° n.OT 236° n.OT
Auslass öffnet (kurzer Kanal) 236° v.OT 214° v.OT
Auslass öffnet (langer Kanal) 231° v.OT 209° v.OT
Auslass schließt 26° v.OT 4° v.OT

Bild 10-69 Steuerzeiten für Doppelnockenwellenverstellung eines VW-V-6-Ottomotors bei 1 mm Ventilhub [6]
10.4 Variable Ventilsteuerungen 503

konventionellen Zweiventilmotor ohne Nockenwel- tes hydraulisches 4/2-Wegeventil. Bei der hier darge-
lenverstellung zu dem unter [5] beschriebenen Vier- stellten Verstellerlösung handelt es sich um eine hyd-
ventilmotor mit Nockenwellenverstellung lassen sich raulische variable Ventilsteuerung, da das Halten der
Verbrauchseinsparungen im Leerlauf um 15,5 % im Endstellungen rein über Öldruck erfolgt (Bild 10-71).
Teillastbereich bei 2.000 1/min und 2 bar um 5,5 % Die Konstruktion ist der Art ausgebildet, dass auch
erzielen. Bei Verwendung von Ein- und Auslassven- unter widrigen Bedingungen die Verstellung mit dem
tilseitenverstellung liegt die spezifische Verbrauchs- vorhandenen Motoröldruck erfolgt. Auf eine kosten-
reduzierung bei circa 10 %. treibende Zusatzölpumpe kann verzichtet werden.
Dieses Verstellprinzip ist an verschiedenen Motoren
der Firmen Audi, Porsche und im restlichen Volks-
10.4.1.3 Nockenwellenversteller an Serienmotoren wagenkonzern in Serie [9 – 11].
Nach der Serieneinführung des Alfa Romeo Nocken- Über das Halten von zwei Nockenwellenstellungen
wellenverstellers folgten weitere Serieneinsätze wie hinaus sind auch Entwicklungen mit der stufenlosen
die zum Beispiel der Firmen Mercedes Benz [7], Nis- Verstellung der Einlassnockenwellen erfolgreich
san oder auch anderer Firmen [8]. Die meisten dieser durchgeführt worden. Diese Lösung wurde an Se-
Systeme setzen ähnlich der Lösung der Firma Alfa rienmotoren nicht realisiert.
Romeo als Wirkprinzip auf die Verwendung von ei- Die Fa. BMW hat als Erste auch die stufenlose Ver-
ner Gerad/Schrägverzahnung. drehung der Nockenwelle in Großserie realisiert
Ein System, dass die Verstellung der Steuerzeiten (Bild 10-72). Zunächst wurde dieses nur an der Ein-
durch eine Kettentrumveränderung vornimmt, ist der lassnockenwelle vorgenommen; später folgte die stu-
Nockenwellen-Kettenversteller der Fa. Hydraulik- fenlose Verdrehung der Ein- und Auslassnocken-
Ring [9]. Hierbei befindet sich das Verstellelement welle [12].
zwischen den beiden Nockenwellenantriebsrädern,
wobei die Einlassnockenwelle (ENW) von der Aus-
lassnockenwelle (ANW) angetrieben wird. Das Sys-
tem des Verstellers ist die Kombination eines Ketten-
spanners, der üblicherweise für einen solchen kurzen
Trieb benötigt wird, mit einem Hydraulikzylinder zur
Kettentrumveränderung. Je nach gewünschter Steuer-
zeitenstellung wird der beidseitig mittels Öldruck be-
aufschlagte Hydraulikzylinder bewegt. Auf diese
Weise wird bei Verstellung die eine Kettenseite ver-
längert und die andere gleichzeitig verkürzt. Mit dem
Versteller werden zwei Steuerzeitenstellungen an der
Einlassnockenwelle realisiert (Bild 10-70).
Auch während der Verstellung bleibt der Kettentrieb
zwischen den beiden Antriebsrädern der Nockenwel-
len durch den im System integrierten Kettenspanner
gespannt. Die Ansteuerung des Verstellzylinders des Bild 10-71 Nockenwellenversteller als Kettenverstel-
Verstellers erfolgt durch ein elektronisch angesteuer- ler für den Porsche Boxter [11]

Stellung „spät“ Stellung „früh“

Hydraulikzylinder

ANW ENW

Bild 10-70 Funktionsprinzip


Kettenspanner Winkelverstellung des Nockenwellen-Ketten-
verstellers [10]
504 10 Ladungswechsel

Gerad/Schrägverzahnung

Bild 10-72 Stufenlos wir-


kende Nockenwellenverstel-
Verstellkolben Kettenspanner lung an einem BMW-Sechs-
zylindermotor [12]

Nockenwellen-
gesteuertes 4/2-Wege-Proportionalventil beidseitig
sensor mit Öldruck versorgt. Je nach Öldruckveränderung an
beiden Rotorseiten wird die relative Winkellage der
Nockenwelle verändert. Die über einen Sensor ge-
messene Nockenwellenwinkelstellung wird mit der
von der Motorelektronik vorgegebenen verglichen.
Über die Ansteuerung des Proportionalventils wird
die gewünschte Stellung der Nockenwelle permanent
Nockenwelle
nachgeregelt, so dass stabile Zwischenstellungen des
Rotors und damit der Nockenwelle gehalten werden.
CPU Schwenkmotor- Die Ölversorgung erfolgt ohne Zusatzpumpe allein
versteller
durch Motoröl. Die Regelung des Systems geschieht
Kurbelwellensensor
4/2-Wege in Abhängigkeit von Drehzahl, Last und Motortempe-
Proportional- ratur. Im Vergleich zu den herkömmlichen verzahn-
ventil
ten stufenlos wirkenden Nockenwellenverstellern
Motoröl-
Temperatursensor pumpe
stellen diese Systeme eine deutlich kostengünstigere
Lösung dar, so dass mit einem Einsatz vermehrt an
Drosselklappe
Serien-Ottomotoren zu rechnen ist. Der Aufwand an
Bauteilen kann ebenfalls gering gehalten werden,
wenn Teile der Komponenten gesintert werden und
die Abdichtung des Ölraums konstruktiv einfach ges-
Bild 10-73 Funktionsprinzip und Regelkreis eines taltet wird. Versteller dieses Typs können selbst im
stufenlos wirkenden Nockenwellenverstellers nach Vergleich zu verzahnten Zweipunkt-Verstellern eine
dem Schwenkmotor-Prinzip [13] kostengünstigere Lösung darstellen. Eine genauere
Beschreibung dieses Systems erfolgt in [14].
Eine neue Generation von Nockenwellenverstellern Die konstruktive Ausführung von zwei Nockenwel-
wird durch die Systeme dargestellt, die nach dem lenverstellern nach dem Schwenkmotor-Prinzip der
Schwenkmotor-Prinzip aufgebaut sind [13] (Bild Fa. Hydraulik-Ring für einen Sechszylindermotor ist
10-73). in Bild 10-74 dargestellt [5].
Sowohl an der Einlass- als auch an der Auslass-
In Bild 10-75 ist die Anordnung von zwei Nocken-
nockenwelle kann das System einfach an vorhandene
Zylinderköpfe adaptiert werden. Im Inneren des Ver- wellenverstellern nach dem Schwenkmotor-Prinzip
stellers befindet sich ein schwenkbarer Rotor, der mit an dem 3,0-l-Audi-V6-Motor für die linke Zylinder-
der Nockenwelle fest verbunden ist. Das Außenteil bank dargestellt. An diesem Motor wird auf der Aus-
wird entweder über eine Kette oder einen Zahnriemen lassventilseite ein Zweipunktversteller und auf der
angetrieben. Die Verbindung zwischen Außen- und Einlassventilseite ein stufenlos wirkender Versteller
Innenteil stellt der Ölraum dar, der durch Motor- eingesetzt. Bei dieser konstruktiven Ausführung für
öldruck versorgt den schwenkbaren Rotor beinhaltet. einen Zahnriemenantrieb der Nockenwellen muss das
Die Flügel des Rotors werden über ein elektronisch Verstellergehäuse öldicht gekapselt sein.
10.4 Variable Ventilsteuerungen 505

Bild 10-74 Nockenwellen-


verstelleranordnung an einem
Sechszylindermotor nach dem
Schwenkmotor-Prinzip [6]

lungen halten und damit nur zwei verschiedene Steu-


erzeiten realisieren können, sind mit 4/2-Wege-
Schaltventilen ausgerüstet. Für stufenlos verstellbare
Systeme werden heute hauptsächlich 4/3-Wege-Pro-
portionalventile eingesetzt (Bild 10-76). Das eigentli-
che Know-how der hydraulischen Ventile liegt nicht
in der Herstellung einzelner Ventile für kleine Serien,
sondern in der Umsetzung der technischen Anforde-
rungen für eine kostengünstige Großserie. Dabei gilt
es die harten Randbedingungen der Serie, wie zum
Beispiel verschmutztes Öl, Motorschwingungsverhal-
ten, hohe Temperaturschwankungen oder Schwan-
kungen der Bordspannungsversorgung, zu erfüllen.
Für die Anpassung der Ventile an die einzelnen Mo-
toren ergibt sich in der Regel immer ein spezielles
Ventil. Hierzu ist ein ausgeklügeltes Baukastensys-
tem sinnvoll, um die Hauptanforderung der kosten-
günstigen Großserienproduktion zu ermöglichen. Die
enge Zusammenarbeit mit den Systementwicklern der
variablen Ventilsteuerungen und den Entwicklern der
Motorapplikation ist für die erfolgreiche Serienum-
Rotorstellung „spät“ setzung zwingend.

10.4.1.4 Perspektiven von


Nockenwellenverstellern
Bild 10-75 Doppelnockenwellenverstellung am
3,0-l-V6-Ottomotor der Fa. Audi [15] Die Übersicht über die Patentanmeldungen von No-
ckenwellenverstellern und auch die Zahl der ver-
Neben den in Serie befindlichen Systemen der Firma schiedenen Systeme an Serienmotoren stellt deutlich
Hydraulik-Ring bei Audi und VW, sind ähnliche Sys- heraus, dass zukünftig wohl alle modernen Ottomoto-
teme nach dem Schwenkmotor-Prinzip bei den Fir- ren-Hersteller Nockenwellenversteller einsetzen wer-
men Renault, Toyota und Volvo in Einsatz [7]. den. An Serienmotoren mit nur einer Nockenwelle ist
Zur hydraulischen Ansteuerung der Nockenwellen- den Autoren kein System in Serie bekannt, bei dem
versteller kommen die unterschiedlichsten Hydrau- die Ein- und Auslassnocken gegeneinander verdreht
likventile zum Einsatz [14]. In der Regel werden We- werden können. Vielleicht macht es hierbei jedoch
geventile zur Ölflusssteuerung verwendet. Diese las- Sinn, wenn auch nur in engeren Verstellwinkeln, über
sen sich in Proportional- und Schaltventile untertei- einen Nockenwellenversteller die ganze Nockenwelle
len. Nockenwellenversteller, die nur zwei Endstel- zu verdrehen ist.
506 10 Ladungswechsel

Q in l/min
3 Ölfluss von Ölfluss von
P nach B P nach A
B 2
P
A 1 Bild 10-76 Schnittdarstel-
0 lung, Q-I Kennlinie, tech-
0 100 200 300 400 500 600 700 800 nische Daten und Hydraulik-
I in mA symbol eines 4/3 Wege-Pro-
T
portionalventils

Viele Gründe sprechen für den Einsatz von Verstel- Verstellers durch Sintern hergestellt werden. Zur Ver-
lern, die eine stufenlose Verdrehung der Nockenwel- riegelung der Versteller in seinen frühen Endlagen
len ermöglichen. Es empfiehlt sich die weitere werden sie mit Verriegelungsbolzen und entspre-
Verbreitung dieser Systeme an Mehrventilmotoren chender hydraulischen Ansteuerung versehen. An
mit zwei Nockenwellen, an denen dann auch jeweils diesem Motor wird durch die Verwendung von zwei
ein System auf einer Nockenwelle befestigt ist. Insbe- Nockenwellenverstellern ein Gesamtgewicht von
sondere die Regelung der internen Abgasrückführung 1,3 kg je Motor eingespart, da ein Versteller ohne
kann mit stufenlos wirkenden Systemen eine positive Ventil statt circa 1.000 g nur noch 450 g wiegt. Zum
Beeinflussung der Abgasrohemissionen realisieren. Ausgleich der ungleichen Drehmomente an den No-
Bei den Funktionsprinzipien kristallisieren sich zu- ckenwellen und zur schnelleren Verstellung der Ver-
künftig Versteller heraus, die nach dem Schwenkmo- steller in Richtung der frühen Nockenwellenstellung
tor-Prinzip aufgebaut sind. Bei diesen Elementen wird eine Spiralfeder verwendet. Der Siliziumanteil
liegt das Hauptaugenmerk der Entwicklung auf der der Aluminiumlegierung beträgt aus Festigkeits- und
Verwendung von Leichtbauteilen und damit der Ge- Verschleißgründen circa 15 %; ein Kriterium, das
wichtsreduzierung. insbesondere durch Sintern zu erreichen ist. Erstmalig
So findet der Werkstoff Aluminium vermehrt den ist mit dieser innovativen Konstruktion ein Nocken-
Einzug auch bei Nockenwellenverstellern in der Se- wellenkettenrad aus Aluminium an einem Serienmo-
rie. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Versteller tor im Einsatz. Das Know-how dieses Verstellers
aus Sinteraluminium der Fa. Hilite International/ liegt in der Beherrschung der engen Spalte zwischen
Hydraulik Ring an einem Sechszylindermotor der Fa. Rotor und Statorgehäuse sowie einer ausgeklügelten
BMW, Bild 10-77. Auch dieser Versteller ist nach Montage der einzelnen Komponenten.
dem Schwenkmotor-Prinzip aufgebaut und verfügt Mit einer weiteren Gewichts- und Einzelteileredukti-
über vier Rotorflügeln, die einteilig mit der Nabe des on ist zu rechnen, wenn die Nockenwellenversteller
aus Kunststoff hergestellt werden können. Erste Ver-
suche an Motoren zeigen das Potenzial hierfür auf
(Bild 10-78). Hier ist ein Versteller der Fa. Hilite/Hy-
draulik-Ring aus einem Douroplast-Werkstoff darge-
stellt, der durch eine spezielle Konstruktion und
Spritztechnik zwei Bauteile gegenüber einer Sinter-
konstruktion vermeidet.
Die Steuerung der Schwenkmotoren kann kostengüns-
tig und einfach über hydraulische Mehrwegeventile er-
folgen. Die Abstimmung der Ventile auf die Versteller
ist einer der wesentlichen Know-how-Faktoren wäh-
rend der Entwicklung. Auch hier gilt es, das weitere
Potenzial der Kostensenkung anzugehen. Gegenüber
den restlich bekannten Systemen zur Veränderung der
Steuerzeiten im Betrieb sind Nockenwellenversteller
einfach aufgebaut und entsprechend kostengünstig. Mit
diesen Systemen sollte während der Neuentwicklung
Bild 10-77 Nockenwellenversteller aus Aluminium eines Zylinderkopfes eine frühe Integration in das Zy-
für einen Sechszylindermotor linderkopfkonzept erfolgen.
10.4 Variable Ventilsteuerungen 507

tilhub- oder in die -öffnungsdauer eingreifen [4]. Das


Prinzip basiert auf einer Schwinghebellösung, bei der
durch Verschieben kleiner hydraulisch betätigter
Kolben im Innern der Schwinghebel verschiedene
Koppelzustände eingenommen werden und damit
zwischen unterschiedlichen Nockenkonturen hin und
her geschaltet wird. In Bild 10-79 ist das System von
der Anwendung an einem Vierventilmotor mit zwei
Nockenwellen prinzipiell dargestellt. Im rechten Teil
des Bildes wird eine isometrische Darstellung der
Ventil- und Nockenwellenanordnung gezeigt. Die
Nockenwelle besitzt je Zylinder einen zentralen No-
cken mit größerer Ventilhub- und Öffnungsdauerge-
ometrie. Jeweils seitlich davon befindet sich ein No-
ckenprofil mit geringeren Nockenkonturen. Im
Innern der Schwinghebelbaugruppe wird mittels Öl-
druck ein zweiteiliger Kolben achsparallel zur No-
Bild 10-78 Nockenwellenversteller aus Kunststoff ckenwellenlage verschoben. Dies erfolgt je nach Mo-
[16] torkennfeldpunkt in Abhängigkeit der Motordrehzahl,
des Saugrohrdrucks, der Fahrzeuggeschwindigkeit
Weitere Kosteneinsparpotenziale würden sich ergeben, oder der Kühlmitteltemperatur. Die Ölversorgung für
wenn Nockenwellenversteller das für die Verstellung die Nockenkonturumschaltung erfolgt über Öffnun-
benötigte Proportionalventil und die Nockenwelle als gen und Kanäle in der Lagerachse, auf der die
eine Systemeinheit gesehen werden könnten. Der Ver- Schwinghebelbaugruppe schwingend gelagert ist. Bei
steller und das Ventil könnten mit der Nockenwelle Betrieb im unteren Drehzahlbereich wirken die ge-
fest verbunden als eine Einheit an die OEMs geliefert ringeren Nockenkonturen auf die Gleitabnehmer der
werden, so dass weitere Kostensenkungen sich ermög- Schwinghebel. Die Trennung der Schwinghebel er-
lichen. Der für die Regelung der Systeme benötigte Öl- folgt durch eine fertigungsgenaue Abstimmung der
haushalt kann dann einfacher mit den hydraulischen Geometrie des zweiteiligen Verstellkolbens mit der
Wegeventilen abgestimmt werden. Schwinghebelbreite. Zwischen dem zentralen
Aufgrund des zu erzielenden Verbesserungspotenzials, Schwinghebel und den seitlich angeordneten Einzel-
wird an modernen Motoren verstärkt mit dem Einsatz schwinghebeln wird in diesem Fall ein Relativhub
stufenlos wirkender Versteller zu rechnen sein. Die hergestellt. Dabei stützt sich der zentrale Schwinghe-
Steuerung der inneren Abgasrückführung bedingt Zy- bel auf einem Federelement ab. Der Platz hierfür
linderkopfkonzepte mit mindestens zwei Nockenwel- muss im Zylinderkopf geschaffen werden. Bei Zylin-
len. Bei direkteinspritzenden Ottomotoren wirken die derkopfkonzepten mit mehr als vier Ventilen ist die-
stufenlos wirkenden Nockenwellenversteller ähnlich. ses eine besondere Herausforderung an die Entwick-
Auch hier lässt sich die interne Abgasrückführung ler. Im gekoppeltem Zustand – wie in Bild 10-79 dar-
durch den Einsatz dieser Systeme steuern. Damit wird gestellt – wirkt der zentrale Nocken auf die Schwing-
auch bei diesen noch neuen Brennverfahren die hebelbaugruppe und alle Komponenten werden
Nockenwellenverstellung eingesetzt bleiben. gleichzeitig ohne Relativhub bewegt. Die Rückstel-
Nockenwellenversteller können mit variablen Ven- lung des zweiteiligen Verstellkolbens übernimmt eine
tilsteuerungen kombiniert werden, die eine Ventil- kleine Feder. Der Verstellöldruck wird ohne Zusatz-
hub- oder -öffnungsdauervariation ermöglichen. Die ölpumpe aus den Motorölkreislauf aufgebaut. Das
Fa. Porsche hat dieses unter anderem an einem „VTEC-System“ ist auf der Einlass- und Auslassven-
Sechszylindermotor in Serie realisiert [17, 18]. Damit tilseite realisiert.
sind vielfältige Einsatzgebiete für die Applikation der Für diese und ähnliche Lösungen hat die Fa. Honda
Nockenwellenversteller möglich, wodurch sich ein eine Vielzahl von Patentanmeldungen getätigt. Allein
weiteres Optimierungspotenzial von Verbrennungs- die Anzahl der verschiedenen Erfinder dieser Patent-
motoren darstellt. Vollvariable Ventilsteuerungen anmeldungen lassen den enormen Entwicklungsauf-
müssen sich an dem mit diesen Maßnahmen erreich- wand erahnen. An Serienmotoren sind Vierventillö-
baren Verbesserungspotenzial orientieren. sungen mit einer oder zwei Nockenwellen realisiert.
Sowohl Schwinghebel als auch Kipphebel mit Rol-
10.4.2 Systeme mit stufenweiser Ventil- lenabnehmern kommen dabei zum Einsatz [7]. Das
hub- oder -öffnungsdauervariation derzeitige Honda-Programm weist fast in jedem
Die Fa. Honda hat mit ihrem sogenannten „VTEC- Fahrzeug unterschiedliche Motoren mit dem „VTEC-
System“ erstmals variable Ventilsteuerungen in System“ auf. Bis zu drei unterschiedlich wirkende
Großserie an Ottomotoren realisiert, die in den Ven- Nockenkonturen werden dabei realisiert.
508 10 Ladungswechsel

geringe
zentraler Nockenkonturen
Nocken

zentraler
Schlepphebel

Einzel-
schlepphebel

Ölpumpe zweiteiliger Kolben


Federelement
Bild 10-79 Honda VTEC-
System [4]

Auch die Fa. Mitsubishi hat ein vom Wirkprinzip her


ähnliches System an Vier- und Sechszylindermotoren
in Serie realisiert [7]. Bei dieser Lösung kommen drei Rolle
unterschiedliche Nockenkonturen zum Einsatz, wobei Lost-Motion-
eine Nockenkontur aus einem reinen Grundkreis be- Element
Gleitabnehmer
steht und damit die Ventilstillegung erreicht wird. Bei
beiden Motoren werden für diesen Fall zwei bezie-
hungsweise drei Zylinder über die Ventilbetätigung
abgeschaltet. Für diesem Aufwand benötigt die Fa.
Mitsubishi eine kleine im Zylinderkopf untergebrach-
te Ölpumpe. Verstellkolben
Die Fa. Daimler hat eine variable Ventilsteuerung zur
Bild 10-81 Toyota Ventilsteuerung VVTL-i für ver-
Zylinderabschaltung an ihren V8- und V12-Motoren
schiedene Ventilhübe [17]
in Serie eingesetzt. Die verwendete Lösung basiert
auf einer Kipphebelbaugruppe, die bei einem Drei- hydraulisch gegen eine Federkraft bewegt. Je nach
ventilkonzept mit einer zentralen Nockenwelle einge- Koppelzustand werden über unterschiedliche No-
setzt wird. In Bild 10-80 ist die Kipphebelbaugruppe ckenkonturen zwischen den Ventilhüben hin und her
dieses Systems ohne Nockenwelle dargestellt. Das geschaltet, nur dass ein Ventilhub ein Nullhub ist und
Funktionsprinzip ist gleich zu der beschriebenen somit die Ventile für die Zylinderabschaltung stillge-
Honda-Lösung. Innerhalb der Rollenkipphebelbau- legt werden. Bei dem hier verwendeten System ist
gruppe wird ein zweiteiliger Verstellkolben elektro- das primäre Ziel, den Kraftstoffverbrauch im Teil-
lastbetrieb durch die Zylinderabschaltung zu reduzie-
ren. Dieses wirkt besonders bei hubraumstarken Mo-
zweiteiliger toren mit einer hohen Zylinderzahl. Die Laufruhe des
Kolben
Motors erfährt bei diesen Motoren kaum Einbußen.
Verbrauchseinsparungen von circa 15 % sind mit die-
sen Maßnahmen gegenüber den konventionellen Mo-
toren zu erreichen.
Ähnlich wie Mitsubishi und Honda hat auch die Fa.
hydraulischer Toyota Lösungen mit Ventilkonturumschaltung für
Spielausgleich die Einlass- und Auslassventilseite in Serie realisiert.
Hierbei wird ebenfalls innerhalb einer Schwinghebel-
baugruppe ein Verstellkolben elektrohydraulisch ge-
gen eine Federkraft verschoben (Bild 10-81).
Lost-Motion- Interessant hierbei ist die Lösung, dass eine Schwing-
Element hebelbaugruppe verwendet wird, bei der zum Nocken
hin bei niedrigen Drehzahlen eine Rolle als Abnehmer
Rollenabnehmer und bei hohen Drehzahlen ein Gleitabnehmer verwen-
det wird. Bei hohen Drehzahlen wird über den Gleit-
abnehmer die Schwinghebelbaugruppe geschwenkt,
Bild 10-80 Rollenkipphebelbaugruppe zur Ventil- wobei eine Raste sich unterhalb des „Lost-Motion“
abschaltung der Fa. Daimler [7] Elementes für die Kopplung sorgt. Die Raste wird mit
10.4 Variable Ventilsteuerungen 509

Öldruck gehalten und durch Federkraft bei niedrigen Innenstößel


Drehzahlen zur Lagerachse der Schwinghebelbaugrup-
Außenstößel Drehlagen-
pe hin bewegt. Bei hohen Drehzahlen senkt sich der fixierung
Gleitabnehmer mit dem Lost-Motion Element in der Verstellkolben
Schlepphebelbaugruppe ab. Die Federkraft des Lost-
Motion Elementes kann gering sein, da auch die be-
wegten Massen des Elementes gering sind. Die
Fa. Toyota setzt zu dieser Lösung zusätzlich einen stu-
fenlos wirkenden Nockenwellenversteller auf der Ein-
lassventilseite ein. Durch diese Kombination ist die Va-
riationsmöglichkeit der Ventilerhebungskurven gegen-
über einem Motor mit festen Steuerzeiten groß.
Die Fa. Porsche hat traditionell Tassenstößellösungen
an ihren Vierventilmotoren eingesetzt. An dem in
2000 vorgestellten Porsche Turbomotor wird erstmals
eine variable Ventilsteuerung mit verschiedenen Ven-
tilhüben an einem Schalttassenstößel dargestellt [18].
Ferner wird zusätzlich ein Nockenwellenversteller
auf der Einlassventilseite für zwei Steuerzeitenstel- Bild 10-82 Schalttassenstößel der Fa. Porsche [18]
lungen realisiert. Damit wird wie bei Toyota die
Kombination zweier unabhängig voneinander funkti-
onierender Systeme variabler Ventilsteuerungen ein-
gesetzt. Der Schalttassenstößel kann zwei Ventilhübe
realisieren und besteht aus einem Innen- und Außen-
stößel Bild 10-82. Er ist durch eine spezielle Führung
im Zylinderkopf drehlagenorientiert. Damit kann die
Oberfläche ballig ausgeführt werden, um entspre-
chend hohe Maximalhübe zu realisieren. Im Innern
des Stößels sind kleine hydraulisch betätigte Kolben
vorhanden, die je nach Lage den inneren oder den äu-
ßeren Stößel für die Ventilbetätigung aktivieren. Auch
hier kann von einer mechanischen variablen Ventilbe-
tätigung gesprochen werden, da lediglich die Ansteue-
rung der Verstellkolben elektrohydraulisch vorgenom-
men wird und die Ventilbetätigung über mechanischen Bild 10-83 Ventilabschaltmechanismus der Fa.
Formschluss der Bauteile erfolgt. Daimler für einen Pushrod V8-Motor
Eine weitere Lösung zur Ventilabschaltung ist an ei-
nem V8-Motor mit Stoßstangenantrieb der Fa. Daim- her konventionell, das heißt sie haben keine Unstetig-
ler zu finden, Bild 10-83. Hierbei befindet sich ein keiten und können auf normalen Nockenfertigungsan-
hydraulisch angesteuertes und mechanisch verriegel- lagen hergestellt werden. Der Gliederung entspre-
bares Element zwischen der unten liegenden No- chend Kapitel 10.4 sind diese Lösungen Systeme mit
ckenwelle und der Stoßstange, die zum Zylinderkopf Variabilität am Übertragungsglied zwischen Nocken
führt. Das Abschaltelement wird mittels Öldruck be- und Ventil. Das Wirk- und Funktionsprinzip ist me-
tätigt, wodurch sich ein kleiner Verriegelungskolben chanisch, da im Kraftfluss zur Ventilbetätigung rein
bewegt, der die Ver- beziehungsweise Entriegelung mechanisch wirkende Kontaktelemente verwendet
des Schaltelementes übernimmt. Vorteil bei dieser werden. Die Ansteuerung der Verstellkolben erfolgt
Lösung ist, dass der Basismotor im Bereich des Zy- hydraulisch über ein elektrisch betätigtes Wegeventil.
linderkopfes nicht geändert werden muss und die Bei der Vielzahl an Patentanmeldungen auf diesem
konstruktiven Anpassungen am Zylinderblock eher Gebiet ist es für den Entwickler schwierig, die Patent-
gering ausfallen. Die Zylinderabschaltung an einem lage zu überschauen. Vermutlich werden diese oder
V8-Motor hat vor allem die Zielsetzung der Senkung ähnliche Systeme eine weitere Verbreitung an Se-
des Verbrauchs, der im Testzyklus bei hubraumstar- rienmotoren erfahren.
ken Motoren bis zu 15 % betragen kann, und dieses Alle an Serienmotoren zu findenden Um- oder Ab-
wurde schon in den USA in 1980 an einem Acht- schaltsysteme für verschiedene Ventilhubkonturen
zylinder der Fa. Cadillac in Serie realisiert [7]. basieren nicht auf Rollenschlepphebelkonstruktionen.
In der Regel kommen mit dem Einsatz dieser Ven- Rollenschlepphebel haben sich jedoch an modernen
tilsteuerungen neue Zylinderkopfgenerationen zum Otto- und Dieselmotoren in den letzten Jahren auf-
Einsatz. Die Nockenkonturen sind von der Geometrie grund ihres geringen Reibungsverhaltens mehr und
510 10 Ladungswechsel

D
B
E Wirkort der Variabilität:
C A Am Nocken
B Am hydraulischen Abstützelement
An der Rollenlagerung
Bild 10-84 Mögliche Wirk-
C
D Am Hebelkörper orte der Ventilkonturum-
E Über dem Ventil schaltung an Rollenschlepp-
hebeln

mehr durchgesetzt. In Bild 10-84 ist für eine Rollen- anmeldung DE 19510106 der Fa. BMW mit einem
schlepphebelkonstruktion ein schematisches Bild mit sogenannten „Knickhebel“ aus dem Jahr 1995.
möglichen Wirkorten für die Unterbringung der Ven- Das mit Ventilkonturumschaltung erzielbare Poten-
tilkonturum- oder -abschaltung dargestellt. zial an Motoren ist begrenzt. Zur Steigerung von
Aus aktuellen Veröffentlichungen oder Patentanmel- Drehmoment und Leistung über einen größeren
dungen ist zu erkennen, dass hierzu einige Aktivitäten Drehzahlbereich des Motors eignen sich die Systeme
in Entwicklung sind. Es existieren nur wenige Ideen gut. Zur Senkung des Verbrauchs sind keine nen-
zur Unterbringung eines Mechanismus zum Wir- nenswerte Vorteile zu erzielen. Allein mit der gleich-
kort A direkt am Nocken. Durch ein Absenken des zeitigen Verwendung von stufenlos wirkenden No-
hydraulischen Spielausgleichelementes (Wirkort B) ckenwellenverstellungen sind durch die gleichzeitig
ist nur eine reine Ventilabschaltung zu realisieren. steuerbaren Restgasgehalte geringe Verbrauchsver-
Häufiger wird an Lösungen gearbeitet, die am Hebel besserungen zu erzielen. Eine positivere Beeinflus-
selbst einen Um- oder Abschaltmechanismus vorse- sung des Verbrauchs wird erst durch die Laststeue-
hen (Wirkort D). Hierzu sind in der Patentliteratur rung des Motors mit vollvariablen Ventilsteuerungen
viele Systeme bekannt, wie zum Beispiel die Patent- ermöglicht. In diesem Zusammenhang stehen Ventil-
konturumschaltsysteme im direkten Wettbewerb zu
vollvariablen mechanisch betätigten Ventilsteuerun-
gen. Diese sind zwar aufwändiger zu entwickeln und
an Motoren zu applizieren, bieten jedoch ein erheb-
8,8
lich größeres Potenzial hinsichtlich der Senkung des
Kraftstoffverbrauchs.
16 2b
10 7 2a
13
5
10.4.3 Vollvariable Ventilsteuerungen
15 Im Folgenden wird auf Systeme eingegangen, die ei-
4 ne vollvariable Ventilerhebungskurve ermöglichen.
11′ Es handelt sich hierbei um Systeme mit mechani-
schem, hydraulischem und elektromechanischem
6
Wirkprinzip, die eine Nockenwelle verwenden oder
11 um nockenwellenlose Systeme.
10.4.3.1 Rückblick auf die Entwicklung
vollvariabler mechanischer
Ventilsteuerungen
14
12 3 Die Versuche, eine vollvariable Ventilsteuerung mit
mechanischem Wirkprinzip zu realisieren sind so alt
wie der Motorenbau selbst. Erste Ideen sind seit
LOUIS RENAULT aus dem Jahr 1902 bekannt; Bild
Bild 10-85 Patentanmeldung DE 19510106 zur Ven- 10-86. Schon er sah in seiner deutschen Patentan-
tilabschaltung am Rollenschlepphebel meldung DE 145662 zwei aufeinander abwälzende
10.4 Variable Ventilsteuerungen 511

Schwinghebel vor, deren Lage mit einer Exzen-


tersteuerung verlagert werden konnte, so dass bei
Drehung der Exzenterwelle, auf der die Schwinghe-
bel gelagert sind, der Ventilhub variabel wird.
Ein nockenwellenloses System mit Verwendung einer
Kurbelwelle zum Ventilantrieb wird von Torazza
vorgeschlagen, Bild 10-87. An dem Kurbeltrieb be-
findet sich ein Drehhebel, dessen Arbeitskurve eine
oszillierende Bewegung vollzieht und der durch
Übertragung der Bewegung über einen Schwinghebel
auf das Ventil den Ventilhub bewirkt. Durch die La-
geänderung des Schwinghebels werden der Ventilhub
und die Öffnungsdauer variiert. Das System konnte
sich aufgrund des hohen Bauaufwands, der höheren
Reibung und des großen Platzbedarfes an einem Se-
rienmotor nicht durchsetzen.
Titolo [20] verwendete zur Hubvariation ein System
mit axial verschiebbaren konischen Nocken, Bild
10-88. Nach der Gliederung aus Kapitel 10.4 handelt
es sich hierbei um ein System, das die Variabilität
durch das Verschieben von Raumnocken realisiert.
Dieses Prinzip ist von alten Umsteuerungseinrichtun-
gen von Schiffsmotoren her bekannt, die zum Rever-
sieren axial verschiebbare Raumnocken verwendet ha-
ben. Aufgrund der benötigten Breite des steilen No-
ckens und des damit benötigten Platzbedarfs ist ein
Einsatz an einem Vierventilmotor eher unwahrschein-
lich. Außerdem kann mit diesem System nur der Ven-
tilhub verändert werden, die Ventilöffnungszeit bleibt
Bild 10-86 Variable Ventilsteuerung nach Louis
Renault, 1902

Bild 10-87 Variable Ventilsteuerung nach Torazza, Bild 10-88 Variable Ventilsteuerung nach Titolo
[19] [20]
512 10 Ladungswechsel

konstant. Die Variation der Öffnungsdauer bei koni-


schen Raumnocken führt zu Nockengeometrien, die Nocken
fertigungstechnisch wirtschaftlich nicht mehr herzustel- Zwischenglied
len sind und bei denen zwischen Nocken und Abneh- Steuerabschnitt
mer eine Punktberührung entsteht. Damit ist eine derar- Gehäuse
tige Lösung für hohe Ventilbeschleunigungen und des-
Rastabschnitt
halb für die Großserie nicht anwendbar. Gehäuse
An der Universität Wien wurde von Wichart ein Sys-
tem entwickelt, bei dem die Nockenwelle einen
Kipphebel betätigt [21]. Dieser Kipphebel wird nicht
über eine Achse gelagert, sondern stützt sich über ei- Abtriebsglied

ne Kurbel ab. Auf eine nadelgelagerte Rolle, die sich Ventil


an dieser Kipphebelkurbel befindet, wirkt während
des Ventilhubs eine mit der Nockenwellendrehzahl Bild 10-90 Variable Ventilsteuerung nach Kuhn und
rotierende Steuerwelle, deren Profil einen Kreisbogen Schön [22]
und eine Abregelkurve aufweist. Wird die Steuerwel-
le gegenüber der Nockenwelle verdreht, wirkt nicht
schenglied hat an der Seite, an der es sich am Gehäu-
nur der Kreisbogen, sondern auch die Abregelkurve
se abstützt, als Arbeitskurve den Rast- und Steuerab-
auf die Rolle und das Ventil schließt früher. Die Lö-
schnitt. Zu einem Ventilhub kommt es nur dann,
sung konnte sich ebenfalls an Serienmotoren nicht
wenn sich das Zwischenglied während der Bewegung
durchsetzen, da das Einlassventil beim Abregelvor-
mit dem Steuerabschnitt am Gehäuse abstützt. So-
gang sehr hart in den Ventilsitz einschlägt. Zur Ab-
lange der Rastabschnitt der Arbeitskurve Kontakt
hilfe wäre eine hydraulisch wirkende Ventilbremse
zum Gehäuse hat, bleibt das Ventil geschlossen. Der
nötig, die die Ventilaufsetzgeschwindigkeiten deut-
Hauptnachteil dieser Lösung ist die hohe Reibung, da
lich reduziert.
das Zwischenglied sowohl am Nocken als auch am
In der von Kuhn und Schön beschriebenen „Delta“-
Abtriebsglied gleitet.
Steuerung wird zwischen Nocken und Tassenstößel
ein Zwischenglied mit einer Arbeitskurve als vollva- 10.4.3.2 Mechanische Systeme in Serie
riable Ventilhubsteuerung verwendet. Dieses Zwi-
Die Fa. BMW hat mit dem sogenannten System
„Valvetronic“ eine stufenlos wirkende variable Ven-
tilsteuerung auf der Einlassventilseite in Serie reali-
siert. Hierbei kann die Laststeuerung des Motors al-
lein durch die veränderliche Ventilerhebung vorge-
L nommen werden. Das System besitzt einen speziellen
B K
Übertragungsmechanismus mit einem Zwischenhebel
F C
Öl-Zufuhr
J
H
Stellmotor
I Verstellwelle
A G Übertragungs-
E mechanismus

Nockenwelle

B Hubnockenwelle H Hydraulikdämpfer
A Steuernockenwelle I Ölabflussbohrungen
C Kipphebel J Ölzuflussbohrung
D Ventil K Ölabflussspalt
E Ventilfeder L Kipphebelfeder
F Kurbel
G Nadelrollen ge-
lagerte Rolle

Bild 10-89 Variable Ventilsteuerung nach Wichart Bild 10-91 System „Valvetronic“ der Fa. BMW als
[21] Baugruppe mit den Ventiltriebskomponenten [23]
10.4 Variable Ventilsteuerungen 513

zwischen Nocken und Ventil und wird entsprechend position des Zwischenhebels zu finden und diese ent-
der Gliederung in Kapitel 10.4 als mechanische vari- lang der Verstellbahn zu führen. Bei dem System Val-
able Ventilsteuerung eingestuft. In Bild 10-91 ist das vetronic wird die Lagerpunktlage des Zwischenhebels
Valvetronic-System mit der Einlassnockenwelle und und damit die Anpassung der gewünschten Steuerzei-
der Einlassventilbaugruppe dargestellt. Im Kraftfluss ten über eine Exzenterwelle vorgenommen. Eine Feder
zwischen Nockenwelle und Ventil befindet sich der unterstützt die spielfreie Anlage des Zwischenhebels an
Übertragungsmechanismus, der die Rollenschlepphe- seinen Kontaktstellen.
bel zur Ventilbetätigung schwenkt. Eine über einen In Bild 10-93 ist die Einbausituation dieser variablen
elektrischen DC-Stellmotor angetriebene Verstellwel- Ventilsteuerung im Zylinderkopfschnitt für einen
le, die als Exzenterwelle ausgebildet ist, verändert die Vierzylindermotor dargestellt. Die Auslassventilseite
Hebelgeometrie des Übertragungsmechanismus. Es bleibt konventionell über Rollenschlepphebel betä-
können Ventilhübe zwischen 0,3 und 9,7 mm [23] tigt. Der Platzbedarf der Ventilsteuerung hält sich in
beziehungsweise 0,18 und 9,9 mm bei der zweiten Grenzen. Im Fahrzeug muss lediglich der Raum für
Generation des Systems eingestellt werden [24]. Der den Stellmotor vorhanden sein. Die Exzenterwelle,
gesamte Verstellvorgang über den kompletten Hub- der Übertragungsmechanismus, die Nockenwelle und
bereich erfolgt innerhalb von 0,3 Sekunden. Dadurch der Stellmotor werden in einem separatem Gussträger
kann die konventionelle Drosselklappe entfallen. vormontiert und als Modul auf den Zylinderkopf be-
Durch die veränderlichen Ventilhübe im Fahrzeug- festigt.
betrieb konnten die Reibungsverluste des Ventiltriebs Die Gesamtoptimierung von Zylinderkopf und Ven-
gegenüber dem konventionellen Ventiltrieb reduziert tiltrieb ist ein iterativer Prozess, in dem CAD-
werden, da bei geringen Ventilhüben die Ventilfedern Modelle, Finite Element-Modelle für die Struktur-
weniger zusammengedrückt werden.
Das Grundprinzip des Systems lässt sich am besten
Verstellwelle
mit einer Skizze erläutern, Bild 10-92. Zwischen No- Stellmotor
cken und Rollenschlepphebel wird ein Zwischenhebel Übertragungs-
mechanismus
mit einer Arbeitskurve verwendet, der in seiner obe-
ren Anlenkung in seiner Lage mit einer Exzenterwel- Nockenwelle

le verändert wird. Bei einer fixen Lagerung des Zwi-


schenhebels (Bild 10-92 links) ergibt sich durch die
Nockendrehung über die Arbeitskurve ein konstanter
Ventilhub mit einer konstanten Ventilöffnungsdauer.
Je nach Anlenkung des Zwischenhebels ergeben sich
unterschiedliche Ventilhubverläufe. Bei Veränderung
der Lagerpunktlage des Zwischenhebels entlang einer
Verstellbahn, ändern sich die Übertragungsverhält-
nisse und damit auch Ventilhub mit gleichzeitiger
Veränderung der Öffnungsdauer. Für die vollvariable
Ventilhubbewegung gilt es, eine konstruktiv beherr- Bild 10-93 Anordnung des Systems „Valvetronic“ in
schbare Lösung für die Verschiebung der Lagerpunkt- einem Zylinderkopf [23]

fester Drehpunkt gleich variabler Drehpunkt gleich Exzenterwelle variiert


feste Steuerzeit variabler Nockenhub Drehpunkt und den Ventilfluss
Drehpunkt Exzenterwelle
Verstellbahn
als Lösung

Arbeitskurve

Bild 10-92 Prinzipdarstellung


des Systems Valvetronic
514 10 Ladungswechsel

Kraftelemente Einzelventiltriebsmodell
B
A Lager 2D mit Spiel, Steifigkeit und Dämpfung A
A

A
A

E
B
B Kontakt 2D Kreis mit
Arbeitskurve (Nocken, Exzenter ...) C
B
Reibung
A
Steifigkeit D
Dämpfung

C Kontakt 2D Kreis mit Kreis


HVA-Modell mit
Nachstell- und
Absinkverhalten

Federmodell diskretisiert
D Kontakt 2D Kreis mit Ebene in ca. 20 Teilbalken mit
Windungskontakt

F Schrägverzahnung mit
Spiel, Steifigkeit, Dämpfung

Einzelventiltriebsmodell
– Biege und torsionselatische Wellen
– Schneckentrieb
– Berücksichtigung von
Lagerfluchtungsfehlern
– Berücksichtigung unterschiedlicher Bild 10-94 Einzel- und Ge-
Lagersteifigkeiten entlang der samtventiltriebsmodell für die
Motorachse
dynamische Auslegung [23]

festigkeitsauslegung und Mehrkörpersimulations-Mo- lassventilhubverlaufs durch einen Nockenwellen-


delle für die Auslegung des dynamischen Verhaltens versteller auf der Einlassnockenwelle wird die last-
heutzutage effektiv genutzt werden können. und drehzahlabhängige Ventilhubvariation erzielt,
Bild 10-94 zeigt als Beispiel hierfür das aufwändige Bild 10-95. Das hierbei verwendete Laststeuerungs-
Modell für die Mehrkörpersimulation des Ventil- verfahren wird als „frühes Einlass-Schließen“ be-
triebs. Hiermit kann sehr gut die kinematische zeichnet, (FES). Mit dem System wird das Ziel ver-
Grundauslegung der Ventiltriebseinzelkomponenten folgt, die Ladungswechselverluste in einem weiten
überprüft werden. Die sich ergebenden dynamischen Motorlastbereich zu reduzieren. Dazu wird in die
Lasten an den Kontaktstellen sind wichtige Ausle- Prozessführung derart eingegriffen, dass die nach wie
gungsgrößen für die Dimensionierung von Lagerstel- vor vorhandene Drosselklappe beim Ansaugen voll
len oder Einzelkomponenten des Ventiltriebs. In der geöffnet bleibt. Die Einlassventile werden genau zu
Validierung der Simulationsergebnisse liegt das spe- dem Zeitpunkt geschlossen, wenn sich die gewünsch-
zielle Know-how der Entwicklung derartiger Systeme te Gemischmasse im Zylinder befindet. Der La-
wie das der Valvetronic. dungswechselvorteil nimmt zur Volllast hin ab. Da-
Mit der Variation des Übertragungsmechanismus und her wirkt bei kleinen Lasten das System besonders
der gleichzeitigen Änderung der Spreizung des Ein- verbrauchsreduzierend. Mit kleinen Lasten und ent-
10.4 Variable Ventilsteuerungen 515

werden kurzfristig Ventilhübe bis zu 4 mm erreicht.


Gedrosselter Motor VALVETRONIC-Motor
Die Erfüllung der EU4-Abgasnorm wird mit den
p p
Valvetronic-Motoren erzielt, ohne dass es schwefel-
Expansion
freien Kraftstoff bedarf. Die Motoren können bei
Verwendung konventioneller Ottokraftstoffe deshalb
weltweit eingesetzt werden.
Verdichtung
Das Grundprinzip der Exzenterverstellung erfolgt
EÖ AÖ EÖ AÖ
mittels eines DC-Stellmotors über ein Schraubradge-
AS ES triebe. Um vom Minimal- auf den Maximalhub in
AS ES V weniger als 0,3 Sekunden zu verstellen, wurde die
V
Regelstruktur neu ausgelegt, Bild 10-96. Erst die In-
tegration aller mechanischen, elektrischen und steue-
rungstechnischen Elemente des Valvetronic-Systems
Hub

und die Nutzung der funktionellen Möglichkeiten


durch eine neue Verbrennungsregelung erschließen
das Potenzial dieser vollvariablen Ventilsteuerung.
Die konstruktive Ausführung des Systems für den
AÖ EÖ AS ES (180°) Sechszylindermotor ist in Bild 10-97 dargestellt.
(540°)
Kurbelwellenverstellung Die Hauptunterschiede dieser Variante gegenüber den
EÖ Einlass öffnet AÖ Auslass öffnet Vier, Acht- und Zwölfzylindermotoren liegen in einer
ES Einlass schließt AS Auslass schließt geänderten Grundkinematik. Hierbei wird ein fester
Drehpol vorgesehen, um den der Zwischenhebel pro
Bild 10-95 Prinzip des frühen Einlassschließens Arbeitsspiel eine reine Drehbewegung ausführt. Die
(FES) sogenannte Arbeitskurve am Zwischenhebel wirkt auf
den am hydraulischen Spielausgleichselement sich
sprechend kleinen Ventilhüben wirkt der Ventilsitz- abstützenden Rollenschlepphebel. Für eine kinema-
bereich als Drosselstelle und die Einströmgeschwin- tisch einwandfreie Funktion des Ventiltriebs sind klar
digkeiten steigen von etwa 50 auf 300 m/s an. Dieser definierte Rampenfunktionen nötig. Die Öffnungs-
Effekt fördert im besonderen Maße die Gemischauf- und Schließrampen sind in die Arbeitskurve des Zwi-
bereitung für die Verbrennung. BMW gibt bei niedri- schenhebels integriert. Im Bewegungsablauf wird die
gen Lasten Verbrauchseinsparungen bei einigen Abbildung der Rampenfunktionen dadurch realisiert,
Lastpunkten von circa 20 % an, die sich bei einem dass der Zwischenhebel deutlich sich vor dem Rol-
stöchiometrischen Luftverhältnis von O = 1 im Mittel lenschlepphebel bewegt, beziehungsweise deutlich
auf circa 10 % darstellen [24]. Im europäischen Test- nach diesem abbremst. Die Abstützung des Zwi-
zyklus wird bei dem neuen Sechszylinder mit der schenhebels nach oben erfolgt über eine zylindrische
zweiten Generation des Systems mit Ventilhüben von
weniger als 1,5 mm gefahren, lediglich außerstädtisch

Rückstellfeder
Vanos
KW-Signal
............

Kulisse

Valvetronic-Funktionen Drehpol
Verbrennungsregelung Exzenterwelle

Zwischen-
hebel

Arbeitskurve mit
Rampenfunktion

HVA

Brennverfahren

Bild 10-96 System Valvetronic mit Verstellantrieb Bild 10-97 Ausführung der zweiten Generation der
[24] Valvetronic [24]
516 10 Ladungswechsel

Die erzeugbare Schar der Einlassventilhubverläufe


wird in Bild 10-99 dargestellt. Die Auslegung der re-
duzierten Ventilbeschleunigungen konnte bis auf das
3-reihiges Rollenlager
Niveau des Vorgängertassenstößel-Motors mit
80 mm/rad2 erfolgen. Für mittlere und kleine Ventil-
Gehäuse im
hübe werden mit der neuen Valvetronic-Auslegung
MIM-Fertigungsverfahren kurze Ventilöffnungszeiten erreicht, Bild 10-99.
Bei der zweiten Generation des Systems der Valve-
tronic werden benachbarte Einlassventile zur Steige-
rung der Ladungsbewegung unterschiedlich spät ge-
öffnet, was als „Phasing“ bezeichnet wird. Umgesetzt
wird dieses bis zu Ventilhüben bis zu 5 mm, darüber
Arbeitskurve gefräst, klassiert, findet eine parallele Öffnung statt. Konstruktiv unter-
Genauigkeit im μm-Bereich
scheiden sich dabei die Exzenterkonturen der be-
nachbarten Ventile. Ergänzend zu dem Phasing wird
eine Maskierung des Ventilsitzes (Masking) am hö-
Bild 10-98 Aufbau des Zwischenhebels herhubigen Ventil verwendet. Damit lässt sich für das
einströmende Gemisch ein höherer Drall erzielen,
Bild 10-100.
Kulisse, die zylinderkopffest angebracht ist. Die Ku- Zusammenfassend wird das Gesamtsystem der Val-
lisse weist eine Kreisbahn um den Drehpunkt des vetronic der zweiten Generation mit den zusätzlich
Rollenschlepphebels auf. Die Fertigung und Montage verwendeten Nockenwellenverstellern am Sechs-
der Einzelkomponenten des Ventiltriebs erfordert be- zylindermotor inklusive der Einbausituation im Zy-
sonders Augenmerk auf die Bauteiltoleranzen. Die linderkopf im Schnitt in Bild 10-101 dargestellt. An
seitliche Fixierung des Zwischenhebels wird einer- das Zylinderkopfunterteil ist die gesamte Lagerung
seits durch die Nocken- und andererseits durch die der Einlassnockenwelle mit seitlicher Fixierung so-
Exzenterwelle übernommen. Alle Kontaktstellen wie die benötigte Gehäuseumfänge der Ventiltriebs-
konnten als Rollenkontakte ausgeführt werden; Bild komponenten einteilig angegossen, eine steife und
10-98. äußerst innovative Lösung.

10
Volllast 9,9 mm Hubkennfeld kinematisch
9

6
Hub [mm]

5 Teilhub 1 mm
2 bar 2000 1/min
4

3 Frühes
Leerlauf 0,2 mm „Einlass schließt“
2

1
Bild 10-99 Erzeugbare
0
Schar der Einlassventilhub-
90 135 180 225 Grad [°NW) 270
verläufe

Phasing (ungleicher Ventilhub pro Zylinder) Masking

Bereich:
Ventilhub

untere Teillast,
Kat-heizen 5 mm Hub

E1
Hubdifferenz
E2 Bild 10-100 Phasing und
Leerlauf Volllast
Masking bei der zweiten
Valvetronic Generation
10.4 Variable Ventilsteuerungen 517

Bild 10-101 Einbausituation


der Valvetronic der zweiten
Generation im Zylinderkopf

Am V12-Motor wurde die Valvetronic mit der Di- Zunächst wird das System „VARIOVALVE“ der
rekteinspritzung kombiniert. Die Fa. BMW zeigt da- Fa. IAV beschrieben (Bild 10-102). Hierbei handelt
mit den Weg auf, dass neben der Vollvariabilität des es sich auch um eine auf Basis eines Rollenschlepp-
Ventiltriebs auch das spezielle Potenzial der Direkt- hebeltriebs vollvariablen Lösung, die bis zum Null-
einspritzung an Serienmotoren in dieser Kombination hub den Ventilhub und gleichzeitig damit die Ventil-
genutzt wird [25]. öffnungsdauer verändern kann. Das System verwen-
det ein zusätzlich bewegtes Getriebeglied mit einer
10.4.3.3 Mechanische Systeme in Entwicklung Rückstellfeder zwischen Nocken und Rollenschlepp-
Im Folgenden wird auf zwei weitere vollvariable hebel. Alle Kontaktstellen sind mit Rollenkontakten
Ventilsteuerungen mit mechanischem Wirkprinzip darstellbar. Die Steuerkurve ist ruhend an einer Ver-
eingegangen. Diese Systeme werden neben einer stellwelle angebracht. Durch Drehung der Steuerwel-
Vielzahl auf dem Markt angebotenen Systeme nach le und der damit veränderten Übertragungsgeometrie
der Markteinführung des Systems Valvetronic für ei- rollt das Getriebeglied an der Steuerkurve unter-
ne Applikation in der Großserie entwickelt [26]. schiedlich ab, sodass sich hierdurch die gewünschte

Bild 10-102 System


VARIOVALVE der Fa. IAV
518 10 Ladungswechsel

Bild 10-103 Verstellgetriebe


und Ventiltriebskomponenten
des Systems VARIOVALVE

Ventilhubänderung ergibt. Das System kann die volle


Laststeuerung des Motors übernehmen, sodass auch Nockenwelle
Gabelhebel
hierbei die konventionelle Drosselklappe entfallen
kann. Mit dem kompakten Getriebeglied ist eine hohe Exzenterwelle
Kulisse
Systemsteifigkeit darstellbar. Die erzielbare Hubkur- Arbeitskurve
venschar ist standardmäßig bezüglich der Maxima Gabelhebel
symmetrisch. Bei Verwendung eines Nockenwellen- im Detail
verstellers lässt sich über die Ventilöffnungszeitver- Rollenschlepphebel

schiebung auch die interne Restgassteuerung realisie-


ren. Ventile mit unter-
Das zur Verdrehung der Steuerwelle benötigte Ge- schiedlichen Hüben
triebe sowie die Ventiltriebsteile einer möglichen Zy-
linderkopfeinbausituation sind in Bild 10-103 dar-
gestellt.
Als zweite sehr interessant aufzuzeigende Entwick-
lung wird auf das System „UniValve“ der Firmen Hi- Bild 10-104 Aufbau des Systems UniValve [27]
lite International/Hydraulik-Ring und enTec CON-
SULTING eingegangen. Hierbei handelt es sich eben- einem Radius bestimmt, der durch den Rollendurch-
falls um eine vollvariable mechanische Ventilsteue- messer der Rolle des Kipphebels definiert ist. Zur
rung, die zudem die Ventilhübe einzelner benachbarter Einstellung eines Ventilhubes wird der Drehpunkt des
Ventile eines Zylinders unterschiedlich öffnen kann Zwischenhebels zur Nockenwelle hin mit einer Ex-
(Phasing). In Bild 10-104 sind die Hauptventilkompo- zenterwelle verschoben. Der Verstellweg beträgt cir-
nenten eines Zylinders dargestellt. Ein zwischen No- ca 3,5 mm um den Ventilhub von 0 auf 10 mm zu
cken und Rollenschlepphebel befindlicher Gabelhebel verstellen. Der Nockenhub ist mit circa 5 mm ausge-
besteht aus zwei Zwischenhebeln, die mit einer mitti- legt, sodass sich eine sehr kompakte Anordnung er-
gen Rolle auf einer Achse angeordnet sind. Diese gibt. Die Rückstellfeder stützt sich in gleitgelagerten
Zwischen- beziehungsweise Kipphebel werden durch Rollen auf der Verbindungsachse der Kipphebel ab.
die Nocken einer Nockenwelle angetrieben und bewe- Als Ergänzung zu der Ventilhubvariation wird auf der
gen den Gabelhebel mit der Mittelrolle in einer orts- Einlassnockenwelle ein stufenlos wirkender Nocken-
festen Kulisse. Der Gabelhebel des Systems führt eine wellenversteller eingesetzt, mit dem eine optimale
reine Kippbewegung um eine Achse aus. In den Zwi- Wahl des Einlassschlusses erfolgt. Die Massen-
schenhebeln ist die Arbeitskurve integriert, die auf der verteilung des Kipphebels ist bezüglich seiner Dre-
Rolle eines Rollenschlepphebels abläuft und damit hung um die Exzenterwelle ausgeglichen, so dass die
den Ventilhub erzeugt. Höhe der Kontaktkraft zur Exzenterwelle mit der
Die Kulissenkurve ist durch eine Kreisbahn mit dem Drehzahl nicht zunimmt. Der Ventiltrieb wurde bis
Mittelpunkt der Rolle des Rollenschlepphebels und zu einer Drehzahl von 8.000 l/min getestet. Die Ver-
10.4 Variable Ventilsteuerungen 519

verstellers und führt nicht zu einer Erhöhung der pa-


ckage-relevanten Motorhöhe. Der Einbau des Sys-
tems inklusive Verstellaktuator in einem Vierzylin-
der-Prototypmotor in Bild 10-105 dargestellt.
Je nach Zylinderkopfkonzeption kann das System al-
ternativ inklusive Nockenwellen, Ventiltriebskompo-
nenten und Nockenwellenversteller als Modul mit ei-
nem Nockenwellenträger auf das Zylinderkopfunter-
teil montiert werden (Bild 10-106). Dieser Umfang
kann als Komplettsystem vom Systemlieferanten an-
geboten werden.
Der UniValve-Gabelhebel wurde bereits mehrmals
überarbeitet. Der Hebel wurde deutlich verkleinert
und die Rolle zur Abstützung an der Exzenterwelle
durch eine ebene Kontaktfläche ersetzt (siehe Bild
10-107). Durch diese ebene Kontaktfläche zur Ex-
zenterwelle werden die Toleranzen reduziert, ins-
Bild 10-105 Einbau des Systems UniValve in einen besondere entfällt das Toleranzspiel der Rolle, der
Vierzylinderkopf Rollenbohrung und der Rollenachse. Die Kontaktflä-
che wird in einer Aufspannung mit der Arbeitskurve
stellung von Nullhub zu Vollhub erfolgt innerhalb von geschliffen. Damit und durch die Verwendung nur ei-
120 Grad durch Verdrehung der Exzenterwelle. Das nes zusätzlichen Getriebegliedes bietet das System
Halte- und Verstellmoment an der Exzenterwelle für die besten Voraussetzungen, die Leerlaufhubtoleranz
zwei Ventile je Zylinder liegt im Bereich von circa der Einlassventile von r5 % eines mehrzylindrigen
4 Nm (Bild 10-107). Im UniValve-Ventiltrieb wird im Motors ohne Einstellung in einer Großserie zu er-
Vergleich zu einem Rollenschlepphebel-Ventiltrieb reichen. Die Gleitreibung in der Kontaktfläche wird
die Nockenwellenmitte um 5 bis 10 mm höher und um infolge der Gleitbewegung leicht erhöht (Bild
10 bis 15 mm zur Sauganlage oder je nach Zylinder- 10-107).
kopfgeometrie zur Mitte des Zylinderkopfes hin ver- Die Exzenterwelle wird als Steckachse direkt im Zy-
schoben. Die zusätzliche Rückstellfeder, die in rei- linderkopf gelagert, der Außendurchmesser kann
bungsarmen Rollen auf der Achse des Gabelhebels ge- nach dem Härten zenterless geschliffen werden, wo-
führt wird, liegt im Schatten des Nockenwellen- durch eine sehr kostengünstige und sehr steife

Bild 10-106 Nockenwellen-


träger mit Ventiltriebskom-
ponenten in Modulbauweise
520 10 Ladungswechsel

1
Rollenkontakt
Ebenengleitkontakt

0
Haltemoment / Zylinder [Nm]

Gleitfläche
–1

–2

–3
Ventilhöhe
Rollenkontakt: 8,457 mm Ebenen-
Ebenengleitkontakt: 8,559 mm Rollenkontakt gleitkontakt
–4
0 60 120 180 240 300 360
Nockenwinkel [°NW]
Bild 10-107 Verstellmo-
mente an der Exzenterwelle

Lösung entsteht. Die hohe Steifigkeit der Exzenter- Kompromiss der Steuerzeiten im Leerlaufbereich
welle und der ortsfesten Kulisse, die bevorzugt in oder aber im oberen Drehzahlbereich eingegangen
Stahl ausgeführt wird, sind Voraussetzung für hohe werden. Eine Öffnungszeit mit 320° oder 340 °KW
Beschleunigung und hohe Drehzahlen. Die Exzenter bei Maximalhub, wie bei einer rennsportlichen Aus-
von zwei Einlassventilen können zueinander verdreht legung, führt zu keinem unrunden Motorlauf im unte-
werden, wodurch sich das sogenannte Phasing der ren Drehzahlbereich beziehungsweise zu keinem Ver-
Ventile ergibt (siehe auch Bild 10-104). lust der Leerlaufqualität. Damit ergibt sich ein Zu-
Die Exzenterwelle zeigt für zwei Stellungen ein sehr sammenhang zwischen der Öffnungszeit und dem
kleines Haltemoment. In diesen beiden Stellungen Ventilhub, letztendlich des Öffnungsquerschnittes,
geht der Kontaktkraftvektor vom Zwischenhebel di- der in Bild 10-108 dargestellt ist.
rekt durch den Drehpunkt des Exzenters. Damit eig- Damit eine möglichst optimale Füllung des Motors
net sich eine derartige Exzenterverstellung für eine erreicht wird, ist es vorteilhaft, wenn die Beschleuni-
zweistufige Ventilkonturumschaltung als erste Ent- gung des Einlassventils in allen Drehzahlbereichen
wicklungsstufe eines neuen Zylinderkopfes. Ohne und damit auch bei allen Teilhüben möglichst hoch
große Änderungen der Zylinderkopfgeometrie wäre ist. Aktuelle variable Ventiltriebssysteme haben heute
eine stufenweise Entwicklung über eine zweistufige eine maximale bezogene Ventilbeschleunigung von
Umschaltung bis hin zum vollvariablen Hubsystem circa 55 bis 80 mm/rad2. In den Teilhüben nimmt da-
möglich. Für ein Umschaltsystem zwischen zwei Er- bei die bezogene Beschleunigung stark ab und damit
hebungskurven ist es von besonderer Bedeutung, dass auch die Füllung an der Volllast. Vorteilhaft für die
der Energieaufwand zur Festhaltung der Position Volllast sowie die Drosselverluste im Teillastbereich
möglichst gering ist. Damit eignet sich das System wäre eine bezogene Ventilbeschleunigung bei Teil-
auch für einen stufenweisen Ausbau mit hoher Zu- hüben, die höher als bei Vollhub ist. Hohe bezogene
kunftssicherheit. Man kann damit ohne eine große und absolute Beschleunigungen lassen sich nur reali-
Zylinderkopfänderung über ein relativ kostengüns- sieren, wenn die Beschleunigungsrampen bei allen
tiges Zweistufensystem durch die Erweiterung mit ei- Hüben klar definiert sind, das heißt hohe Beschleuni-
nem Sensor und einem angepassten Aktuatorsystem gungen und hohe Motordrehzahlen lassen sich nur re-
eine vollvariable, drosselfreie Laststeuerung dar- alisieren, wenn bei allen Ventilhüben die Beschleuni-
stellen. gungsrampe und insbesondere die Schließrampe nicht
Bei einer drosselfreien Laststeuerung wird die Voll- den Spielen oder Kontaktsteifigkeiten überlassen
last nicht mit Vollhub im gesamten Drehzahlbereich wird. Tassenstößelventiltriebe und Rollenschlepphe-
erreicht. Da die Volllast im unteren Drehzahlbereich belventiltriebe werden heute mit einer maximal bezo-
mit Teilhüben erreicht wird, bringt es Vorteile, wenn genen Ventilbeschleunigung von circa 85 mm/rad2
der Einlassschluss mit dem Ventilhub variiert wird. ausgelegt. Da die effektive Ventilbeschleunigung mit
Damit kann das Drehmoment an der Volllast im unte- dem Quadrat der Motordrehzahl wächst, kann die
ren Drehzahlbereich ohne Nockenwellenverstellung, Teilbeschleunigung eventuell höher ausgelegt wer-
das heißt ohne zusätzliche Regelung der Stellung der den. Damit würde sich an der Volllast im unteren
Nockenwelle zur Kurbelwelle deutlich angehoben Drehzahlbereich ein Vorteil einstellen und auch der
werden. Mit einer derartigen Steuerung muss kein Verbrauch im Teillastbereich aufgrund der geringen
10.4 Variable Ventilsteuerungen 521

10
Zielkurve
9
Auslegung
8
Messung
7
Ventilhub [mm]

0
0 20 40 60 80 100 120 140 150 180 200 220 240 260 280 300 320 340 360
Öffnungszeit [°NW] Bild 10-108 Öffnungs-
charakteristik der Ventile

dieser oberen Rolle läuft der Zwischenhebel gleich-


zeitig in einer ortsfesten Kulisse ab. In den Zwi-
Kulisse schenhebel ist die Arbeitskurve integriert, die auf der
Rolle eines Rollenschlepphebels abläuft. Die Kurve
Zwischenhebel der Kulisse ist durch eine Kreisbahn mit dem Mittel-
punkt der Rolle des Rollenschlepphebels und einem
Rollenschlepphebel
Radius, der durch den Rollendurchmesser der Rolle
des Zwischenhebels definiert ist, bestimmt. Zur Ein-
stellung eines Ventilhubes wird der Drehpunkt des
Zwischenhebels zur Nockenwelle hin mit einer Ex-
Ventil
zenterwelle verschoben. Der Verstellweg beträgt cir-
ca 3,5 mm, um den Ventilhub von 0 auf 10 mm zu
verstellen. Damit besteht der Vorteil, dass bei dieser
Art der Motoren das Zylinderkurbelgehäuse unverän-
dert weiter verwendet werden kann und nur Modifi-
kationen am Zylinderkopf nötig sind.

10.4.3.4 Hydraulisch betätigte Systeme


Nockenwelle In den 1980er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
sind zahlreiche Forschungsarbeiten auf dem Gebiet
der hydraulischen variablen Ventilbetätigung durch-
geführt worden. Die frei gestaltbare Betätigung der
Bild 10-109 System UniValve für Motoren mit unten Ventile über das Medium Öl und die Feststellung des
liegender Nockenwelle damit verbundenen Verbesserungspotenzials an Mo-
toren war das Entwicklungsziel. Dabei wird nach wie
vor an Lösungen mit und ohne Nockenwelle gearbei-
Drosselverluste tendenziell verbessern. Ziel für den tet.
variablen Ventiltrieb sollte eine maximale Beschleu- Bei den Systemen mit Nockenwelle dient die No-
nigung bei Vollhub von circa 85 mm/rad2 bei einer ckenwelle zum Druckaufbau für einen Stößel, der
Drehzahl von 8.500 l/min sein. über das Medium Öl die Hubbewegung auf das Ventil
Das System UniValve ist auch an Motoren mit unten überträgt. Damit ist der Öffnungsbeginn der Ventile
liegender Nockenwelle einsetzbar (Bild 10-109). Von stets konstant. Je nach Unterbrechung des Öldruck-
der unten liegenden Nockenwelle wird über einen aufbaus im Hydraulikstößel kann nun die Schließzeit
Rollenstößel und eine Stoßstange ein Kipphebel an- der Ventile verändert werden. Als Laststeuerungsver-
getrieben, der seine Bewegung über eine Rolle auf fahren kommt dabei hauptsächlich das „frühe Einlass-
die obere Rolle des Zwischenhebels überträgt. Mit Schließen“ zum Einsatz. Je nach Art der Unterbre-
522 10 Ladungswechsel

Erläuterungen:
1 Einlassventil
2 Bremskolben
3 Nocken
1 4 Stößel
5 Stößelkammer
6 Magnetventil
7 Druckbehälter

Bild 10-110 Hydraulische variable Ventilsteuerung


der Fa. Fiat [28]

chung des Druckaufbaus durch Verwendung einer Bild 10-111 Hydraulische Ventilsteuerung UNIAIR
Steuerkante oder durch Verwendung eines elektro- der Fa. INA an einem Versuchsmotor
magnetischen Ventils wird nach der Gliederung in
Kapitel 10.4 unterschieden. Zur Steuerung des Rest-
gasgehaltes wird eine Nockenwellenverstellung emp- Nebentrieb des Motors integriert wird und den benötig-
fohlen. Eine Konstruktion zur Veränderung der Steu- ten Druck zum Betätigen der Ventile zur Verfügung
erzeiten auf Basis eines hydraulischen Wirkprinzips stellt. Die Pumpe erhält von der normalen Motoröl-
mit Verwendung einer elektromagnetischen Abfluss- pumpe aus dem Motorölkreislauf konventionelles auf
steuerung stellt exemplarisch das System der Fa. Fiat Vordruck gefördertes Motoröl. Über Leitungen wird
in Bild 10-110 dar. Entwicklungen zu ähnlichen Lö- ein Rail gespeist, von dem die einzelnen Aktuatoren im
sungen wurden bei vielen Firmen durchgeführt. Zylinderkopf versorgt werden (Bild 10-112).
Das Einlassventil wird über die Nockenwelle und ei- Der Hochdruck für die Aktuatoren liegt in einem Be-
nen hydraulischen Übertragungsmechanismus be- reich zwischen 50 und 200 bar. Der Zylinderkopf
tätigt. Dabei baut sich durch die Bewegung des Stö- ist in zwei Ebenen modular aufgebaut [29]. Der untere
ßels im Stößelraum ein Druck auf, der den über dem Teil enthält die zum Ladungswechsel und Brennraum
Ventil angeordneten Kolben und somit das Ventil gehörenden Funktionen (Thermodynamik-Modul), der
bewegt. Der Öldruck im Stößelraum kann durch ein obere Teil die Ventilbetätigungselemente (Hydraulik-
Magnetventil unterbrochen werden. Damit wird der Modul). Der Aktuator stellt sich im Wesentlichen als
Ventilhub begrenzt und die Laststeuerung des Motors ein beidseitig mit Hochdrucköl betätigtes Kolbenmo-
kann somit ohne Drosselklappe erfolgen. Über einen dul dar, wobei je nach Bedarf und Ventilerhebungs-
kleinen Druckbehälter kann Öl in den Stößelraum wunsch über Schaltventile das Kolbenmodul ange-
nachgefördert werden. Das Magnetventil muss ex- steuert wird. Die freie Art der Ansteuerung und der
trem schnellschaltend ausgelegt sein. Problematisch damit verbundenen Betätigung der Ventile ist der gro-
bei dieser Art der Ventilbetätigung ist das Betriebs- ße Vorteil dieser Art der Ventilsteuerung.
verhalten bei niedrigen Temperaturen sowie die damit Auf dem Gebiet der hydraulischen variablen Ven-
stark differierenden Ölviskositäten. Ebenfalls ist die tilsteuerungen sind zurzeit eher wenige Aktivitäten zu
Reproduzierbarkeit der Ventilerhebungskurve schwer beobachten. Den Autoren sind die Entwicklungen der
zu erreichen. Für das gezielte Verzögern des Ventils Firmen Fiat, Bosch beziehungsweise AVL, Lotus,
beim Schließen im Ventilsitz muss eine funktionie- INA und einiger anderer Firmen bekannt, an denen
rende Ventilbremse vorhanden sein. Ein aktuelles intensiver gearbeitet wird. Ob diese Systeme eine
Anwendungsbeispiel dieses Prinzips ist in Bild Chance für die Realisierung an Serienmotoren haben,
10-111 an einem Versuchsmotor der Fa. INA darge- ist schwierig zu beurteilen und bleibt spannend zu
stellt. Stößel, Stößelkammer und Bremskolben aus beobachten.
der Prinzipskizze aus Bild 10-110 sind in Verlänge-
10.4.3.5 Elektromechanische Systeme
rung der Ventilachse übereinander angeordnet.
Die Firmen Bosch und AVL arbeiten an einer no- Die Idee, Gaswechselventile mit elektrischer Energie
ckenwellenlosen Lösung zur Realisierung des vollva- zu betätigen und frei von jeglichen Zwängen eines
riablen Ventilhubs. Zur Bereitstellung der hydrauli- Nockentriebs die Ventilhubbewegung zu gestalten, ist
schen Energie wird eine Ölpumpe benötigt, die im sicherlich der Traum eines jeden Motoreningenieurs.
10.4 Variable Ventilsteuerungen 523

Druck- und Temperatursensor EHVS-Steller


Überdruckventil

Ölfilter
(Zulauf vom
Signale für: Motorkreislauf)
Drehzahl
Fahrpedalposition
Temperaturen
KW-Position
Hochdruck
Motordruck
Viskositätssensor
Rücklauf Bild 10-112 Hydraulische
Hochdruckpumpe Leckage
Ventilsteuerung der Firmen
Bosch beziehungsweise AVL

An Ansätzen, dieses mit rein elektrischer Betätigung


4
wie zum Beispiel durch Piezoaktuatoren zu bewerk-
stelligen, hat es nicht gefehlt. Sehr häufig kommt als 1
Konstruktionselement zur Reduzierung der Antriebs- 2
energie für die Ventilbetätigung eine Feder als Ener- 3
giespeicher oder ventilschließendes Element zum
4
Einsatz. So ist vor mehr als 20 Jahren mit ersten Ent- Erläuterungen:
wicklungen zu elektromechanischen nockenwellenlo- 1 Schließer-Magnet
sen Ventilsteuerungen begonnen worden. Mit diesem 2 Anker
3 Öffner-Magnet
System besteht das größte Potenzial zur Variation der 4 Ventilfedern
Ventilerhebungskurve. Als meist vorzufindende Kon- Neutrallage Ventil Ventil
struktion werden Aktuatoren verwendet, die je Gas- geschlossen geöffnet
wechselventil verwendet werden. Damit lassen sich
für jedes Ventil individuelle Steuerzeiten einstellen. Bild 10-113 Prinzipielle Darstellung eines elektro-
Als größter Vorteil dieser Systeme wird neben der magnetischen variablen Ventiltriebs [30]
über Last und Drehzahl frei wählbaren Ventilerhe-
bungsstrategien die Möglichkeit einer zusätzlichen
Zylinderabschaltung gesehen. stillstand ist ein entsprechender Freigang im Kolben
Ein zwischen zwei wechselseitig mit Strom beauf- vorzusehen.
schlagten Spulen befindlicher Anker ist mit dem Gas- Der Aktuator ist mit einem Sensor zur Erfassung des
wechselventil über die Ankerführung verbunden. Zu- momentanen Betriebszustandes versehen [31, 32].
sätzlich werden Federn verwendet, die den Anker be- Die Ansteuerung des Aktuators erfolgt mit einer spe-
ziehungsweise das Ventil betätigen. Der Anker wird je ziellen elektronischen Ventilsteuerung, in der die er-
nach Stromanlage in der unteren oder oberen Spule forderlichen Stromverläufe für die Stelleinheiten ge-
zum Schwingen angeregt. Dadurch kann der Ventil- formt werden. Der Energiebedarf wird durch einen
hub von 0 mm bis zum Maximalhub eingestellt wer- 42-Volt Generator aufgebracht. Hierzu wird auf einen
den und durch eine breite Variation der Ventilerhe- Kurbelwellen-Start-Generator zurückgegriffen, der an
bung die Laststeuerung des Motors vorgenommen der Kupplungsseite des Motors integriert ist, Bild
werden. In Bild 10-113 ist der prinzipielle Aufbau die- 10-114.
ser Steuerungsart dargestellt. Für das Öffnen des Ven- Die Anforderungen an Aktuatorik und Sensorik der
tils wird der Öffner-Magnet, für das Schließen der elektromechanischen Ventilsteuerung sind im We-
Schließer-Magnet mit Strom erregt. Bei Nichtbeauf- sentlichen:
schlagung der Spulen mit Strom verbleibt der Anker
und damit das Ventil in der Mittelstellung zwischen x eine möglichst geringe Leistungsaufnahme
den Spulen. Diese Stellung wird durch die Federn x eine hohe Dauerhaltbarkeit vergleichbar zu kon-
gehalten. Für den Systemausfall oder den Motor- ventionellen Ventiltrieben
524 10 Ladungswechsel

und thermischen Belastungen. Die primäre Funktion


der Ventilsteuerung besteht darin, die Spulen der Ak-
tuatoren mit Spannung zu versorgen, dass ein geziel-
ter Stromverlauf generiert wird. Weiterhin muss auch
die Temperaturstabilität sowie eine hohe elektrome-
chanische Verträglichkeit gesichert sein. Der Leis-
tungsbedarf der Aktuatoren ist nur mit einer erhöhten
Bordspannung zu realisieren, sonst wären die elektri-
schen Verluste und die je Aktuator benötigten Volu-
mina zu hoch. Ein hoher Generatorwirkungsgrad von
circa 75 % ist mitverantwortlich für erzielbaren
Verbrauchsvorteil.
Der typische Bewegungsablauf bei einem Öffnungs-
vorgang beginnt zu einem bestimmten Zeitpunkt mit
dem Befehl der Motorsteuerung, das entsprechende
Ventil zu öffnen. In der Elektronik wird dieser Befehl
umgesetzt in die Ansteuerung der beiden Elektro-
magneten:
Bild 10-114 Vierzylinder-Versuchsmotor der Fa. x die Haltespannung an der oberen Spule wird abge-
BMW mit elektromechanischer Ventilsteuerung schaltet.
x die gespannte Feder beschleunigt den Anker.
x die Realisierung einer möglichst kurzen Schaltzeit x das Ventil öffnet sich.
für flexible Steuerzeitenstrategien Bei der Annäherung des Ankers an die maximal ge-
x die Einhaltung von reproduzierbar genauen Steu- öffnete Position wird durch Bestromung der unteren
erzeiten. Spule der Anker eingefangen und das Ventil mit ihm
Die elektromechanische Ventilsteuerung ist direkt am zusammen im geöffneten Zustand gehalten. Bei Ende
Motor angeordnet und unterliegt hohen mechanischen der gewünschten Steuerzeit wird der Schließbefehl
ausgelöst und das Ventil in seinen Sitz zurückgeführt.
Das sanfte Aufsetzen des Ventils in seinen Sitz hat
aus Gründen der Akustik und des Verschleißes mit
Anschluss einer Ventilaufsetzgeschwindigkeit unter 0,05 m/s zu
Steuergerät
erfolgen. Dieses Aufsetzverhalten wird als „Soft
Landing“ bezeichnet. Zur Reduktion der Kräfte und
Aufsetzgeschwindigkeiten muss die Stromstärke be-
Ankerplatte reits während der Flugphase des Ankers und des Ven-
tils deutlich verringert werden. Das Einhalten dieses
Vorgangs und die Reproduzierbarkeit des Ventil-
schließzeitpunktes von weniger als einem Grad Kur-
belwinkel stellt an die Regelung dieses komplexen
mechatronischen Systems hohe Anforderungen. Die
Elektromagnet
Fa. BMW stellt hierfür ein Regelungskonzept vor,
das auf drei Säulen aufbaut [31]:
x einem Sollwertgenerator, der die Vorgabe der
Ventilfeder
Zeitabläufe für Weg, Geschwindigkeit und Be-
schleunigung insbesondere für den Endlagenbe-
reich des Ankers übernimmt,
Ventil x einem Beobachter, der Schätzwerte für die drei
Zeitverläufe berücksichtigt und
x dem Regler, der aus Abweichung zwischen Soll-
und Schätzwert die erforderliche Spulenspannung
berechnet und regelt.
Elektromechanische Ventilsteuerungen dieser Art mit
Einzelaktuatoren weisen die höchste Variabilität der
Gestaltung von Ventilhubkurven auf. Alle denkbaren
Bild 10-115 Einzelaktuator des elektromechanischen Prozessabläufe sowie Laststeuerungsverfahren wie
Ventiltriebs zum Beispiel „frühes Einlass-Schließen“ lassen sich
10.4 Variable Ventilsteuerungen 525

realisieren. Von einem Zyklus zum anderen kann auf durch frühzeitiges Öffnen des Auslassventils. Die er-
eine geänderte Ventilhubfunktion gewechselt werden. reichbaren Kraftstoffverbrauchsverbesserungen im
Darüber hinaus ist es möglich, nur so viele Ventile zu weiterhin gedrosselten Betrieb liegen im Bereich von
betätigen wie benötigt werden. Bei einem Vierven- circa 4 % bei einer Nockenwellenverstellung auf der
tilmotor ist das Öffnen beider Ventile nur bei Volllast Ein- und Auslassnockenwelle mit einem Verstellwin-
und hohen Drehzahlen nötig. Im Teillastbetrieb kön- kel von 60 °KW.
nen einzelne Ventile bis hin zur unterschiedlichen Eine weitere Kraftstoffverbrauchsverbesserung von
Ansteuerung benachbarter Zylinder wie die Abschal- 6 bis 8 % wurde durch die Einführung der drossel-
tung einzelner Zylinder stillgelegt werden. freien Laststeuerung des Ottomotors mit lastabhängi-
Durch die große Variabilität der Ventilerhebungskur- ger Regelung der Höhe des Ventilöffnungsquer-
ven kann die Steuerung des Restgasanteils durch den schnittes und des Schließpunktzeitpunktes der Ein-
Überschneidungsbereich zwischen Auslass- und Ein- lassventile erreicht. Die lastabhängige Regelung des
lassventilerhebung einfach erfolgen. Öffnungsquerschnittes erfolgt bei elektromechani-
Die Serieneinführung der elektromechanischen Ven- schen und servohydraulischen Ventiltrieben durch ei-
tilsteuerungen führt zu erheblichen Mehrkosten, zu ne variable Öffnungszeit, das heißt das Einlassventil
einer größeren Motorbauhöhe und zu höheren Motor- wird immer voll geöffnet und die Länge der Öff-
gewichten. Deshalb wird auch an Entwicklungen ge- nungszeit der Last angepasst. Bei vollvariablen me-
arbeitet, bei denen nur auf der Einlassventilseite der- chanischen Ventiltrieben wird dagegen der Öff-
artige Steuerungen vorgesehen werden. Im Span- nungsquerschnitt durch die Höhe des Ventilhubes und
nungsfeld dieser Kriterien und Fakten wird die Zu- bei einigen Systemen durch die Höhe des Ventilhubes
kunft zeigen, in wie weit diese Art der variablen Ven- und der Länge der Öffnungszeit geregelt. Die Re-
tilsteuerungen dann die bisher rein mechanisch wir- duzierung des Ventilhubes führt zu höheren Gas-
kenden an Serienmotoren ablösen. Auch die vollvari- geschwindigkeiten im Ventilspalt, bei kleinsten Ven-
ablen mechanischen Ventilsteuerungen werden ihr tilhüben wird am Ventilsitz Überschallgeschwindig-
Potenzial an Serienmotoren weiter ausschöpfen. Das keit erreicht und dadurch die Kraftstofftropfen feinst-
damit noch vorhandene thermodynamische zusätzli- verteilt. Die damit verbesserte Gemischaufbereitung
che Verbesserungspotenzial für elektromechanische reduziert den Kraftstoffverbrauch und die Rohemis-
Ventilsteuerungen ist begrenzt. sionen.
Alternativ dazu wurde die drosselfreie Laststeuerung
10.4.4 Perspektiven des variablen mit Direkteinspritzung zur Serienreife entwickelt. Die
Direkteinspritzung eröffnet durch den mageren
Ventiltriebs Schichtbetrieb des Ottomotors zusätzlich erhebliche
Seit den 1980er Jahren werden wesentliche Entwick- Verbrauchsvorteile. Allerdings wird die Abgasnach-
lungen zur Verbrauchsverbesserung, Drehmomenter- behandlung deutlich aufwändiger und teurer. Bei der
höhung bei niedrigen und höheren Drehzahlen und zu Verwendung von NOx-Speicherkatalysatoren muss
Reduzierung der Rohemissionen von Ottomotoren im ein Teil der Verbrauchsverbesserungen wieder aufge-
Ventiltrieb durchgeführt. Erste Ventilkonturumschalt- geben werden und es kann nur schwefelarmer Kraft-
systeme wurden bereits 1983 an einem Motorrad und stoff verwendet werden. Dies schränkt die Marktbe-
später an Automobilmotoren eingeführt, um höhere reiche ein. Die Entwicklungsingenieure stehen einer-
Leistungen zu realisieren. Dabei wurde zwischen ei- seits vor der Situation aus mehreren Systemen aus-
ner Ventilhubkurve mit kurzer Steuerzeit und einem wählen zu können, um die CO2-Zusagen für 2008 zu
Ventilhub von circa 4 mm auf eine Ventilhubkurve erfüllen, andererseits müssen sie sich für eine Tech-
mit sehr langer Steuerzeit und einem Ventilhub von nologie entscheiden, die ein möglichst großes Zu-
10 mm umgeschaltet und somit der Konflikt zwi- kunftspotenzial in den kundenrelevanten Motorfunk-
schen Leerlaufqualität, Anfahrbeschleunigung und tionen aufweist.
hoher Leistung gelöst. Wesentliche Verbrauchsver- Entscheidungsrelevant werden die Funktionsvorteile,
besserungen konnten erst erzielt werden, als es mit die Gesamtkosten inklusive der Kosten für die Ab-
der Einführung von Nockenwellenverstellern auf der gasanlagen, Sensoren und Steuergeräte, sowie die In-
Einlassnockenwelle gelang, eine effektive Restgas- vestitionskosten, Packageanforderungen und Ge-
steuerung durch die Steuerung der Überschneidungs- wichtsanhäufungen sein. Heutige elektromechanische
fläche in der Teillast von Ottomotoren darzustellen. Ventiltriebe sind in ihrer Variabilität nicht zu über-
An der Volllast konnte durch die damit mögliche treffen, allerdings ist die Motordrehzahl begrenzt auf
drehzahlabhängige Regelung des Schließzeitpunktes circa 6.000 l/min, der Energieverbrauch bei niedrigen
des Einlassventils deutliche Verbesserungen des Drehzahlen relativ hoch, die Erhöhung der Motorab-
Drehmomentes bei niedrigen und hohen Drehzahlen messungen und die Gewichtszunahme nicht zu ver-
erreicht werden. Eine Nockenwellenverstellung auf nachlässigen. Die Abschaltung einzelner Ventile,
der Auslassnockenwelle ermöglicht eine gezielte Takte oder Zylinder weisen dagegen das höchste Zu-
Aufheizung der Katalysatoranlage im Warmlauf kunftspotenzial auf.
526 10 Ladungswechsel

1990 36 / 3 / 24

1991 58 / 5 / 25

1992 118 / 5 / 28

1993 97 / 4 / 4

1994 94 / 0 / 3
1995 82 / 3 / 1 Ventilkonturumschaltung /
Anmeldejahr

vollvariable Systeme /
1996 91 / 1 / 3
andere Systeme
1997 64 / 1 / 5

1998 42 / 26 / 20
1999 45 / 24 / 9

2000 27 / 49 / 7

2001 63 / 91 / 18
2002 41 / 62 / 26

2003 30 / 29 / 10 Bild 10-116 Patentanmel-


0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 dungen von Systemen mit
Patentenmeldungen zu mechanischen variablen Ventilsteuerungen Ventilkonturumschaltung und
Vollvariabilität

Bei den mechanischen vollvariablen Ventiltrieben mutlich durch die Kostenentwicklung beantwortet
werden eine Vielzahl von Lösungen angeboten, Bild werden. Wenn der vollmechanische Ventiltrieb sich
10-116, die sich in wichtigen Funktionen unterschei- durch Drehmomentvorteile, durch Emissionsverbes-
den und es dem Motorentwickler schwer machen, ein serungen im Starten und im Warmlauf, durch verbes-
System mit hohem Zukunftspotenzial auszuwählen. serte Gasannahme und erhöhte Leerlaufqualität und
In Bild 10-116 sind für mechanische variable Ven- durch Verbrauchsverbesserungen im O = 1-Betrieb
tilsteuerungen die Patentanmeldungen der Systeme „rechnet“, wird die Zukunft aus der Kombination der
aufgelistet, die ein Übertragungsglied zwischen No- Direkteinspritzung und dem vollvariablen Ventiltrieb
cken und Ventil einsetzen. Die Systeme dieser Grup- bestehen.
pe werden durch Ventilkonturum- oder -abschalt-
systeme sowie vollvariable Systeme beschrieben.
Insbesondere nach der Serieneinführung des Systems
der Valvetronic sind die Aktivitäten auf dem Gebiet
der vollvariablen Systeme stark angestiegen.
Neue Entwicklungen ermöglichen es, einzelne Venti-
le oder Zylindergruppen abzuschalten oder die Ven- Geschwindigkeit
[m/s]
tilhubhöhe und Ventilöffnungszeit unterschiedlich
einzustellen. Mit dem Phasing des Ventilhubs wird 978,71
eine Zylinderinnenströmung mit einem ausgeprägten
87,74
Drall erzeugt (Bild 10-117). Die Strömungsge-
schwindigkeiten im Drall können durch den Ventil- 76,77
hub und durch den Unterschied im Ventilhub der bei-
65,80
den Einlassventile an die Motordrehzahl und Last an-
gepasst werden. Damit werden in Verbindung mit 54,84
Maßnahmen des Masking zusätzliche Verbrauchsvor- 43,67
teile eröffnet [24]. Die Verbrauchsvorteile dürfen
aber nicht durch Energieverluste beim Einstellen und 32,90

Halten des Ventilhubes wieder reduziert werden. 21,94


Selbst wenn alle Verbrauchspotenziale der variablen
10,97
Ventiltriebe genutzt werden, wird man die Ver-
brauchspotenziale der Direkteinspritzung mit strahl- 0,00
geführten Brennverfahren beim Ottomotor aus heuti-
ger Sicht wohl nicht erreichen. Ist deshalb der voll-
variable Ventiltrieb nur ein Zwischenschritt auf dem Bild 10-117 Simulation des Dralls mit unterschied-
Weg zur Direkteinspritzung? Diese Frage wird ver- lichen Ventilhüben von 1 und 10 mm
10.5 Impulsaufladung mit steuerbaren Ansaugluft-Ventilen 527

Eine variable Drallstärke durch Phasing des Ventil- [23] Unger, H.: Valvetronic, Der Beitrag des Ventiltriebs zur Redu-
zierung der CO2-Emission des Ottomotors, Band 263. Landsberg
hubs und eine Restgassteuerung durch ein zweites va-
am Lech: Verlag moderne industrie, 2004
riables Öffnen der Einlassventile bei gleichzeitig of- [24] Klaus, B.: Die Valvetronic der 2. Generation im neuen BMW-
fenen Auslassventilen führt zu verstärkten Diskussio- Reihen-Sechszylindermotor. VDI-Tagung in Stuttgart, 15. und
nen über den Einsatz von vollvariablen Ventiltrieben 16. September 2004
beim Dieselmotor. [25] Jägerbauer, E.; Fröhlich, K.; Fischer, H.: Der neue 6,0 l-Zwölf-
zylindermotor von BMW. In: MTZ 64 (2003) 7/8
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technik 1999
Symposium, 1999
[6] Ebel, B.; Metzner, F.-T.: Die neuen V-Motoren von Volkswagen
mit Doppelnockenwellenverstellung. In: MTZ 61 (2000) 12 [31] Cosfeld, R.; Klüting, M.; Grudno, A.: Technologische Ansätze
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variablen Ventilsteuerungen. Vortrag Haus der Technik, März chener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 1999
2000 [32] Langen, P.; Cosfeld, R.; Grudno, A.; Reif, K.: Der elektromag-
[8] Ulrich, J.; Fiedler, O.: Der Motor des neuen Porsche 968. In: netische Ventiltrieb als Basis zukünftiger Ottomotorenkonzepte.
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[9] Knirsch, S.; Mann, M.; Dillig, H.; Reichert, H.-J.; Barthol- [33] Kirsten K.: Variabler Ventiltrieb im Spannungsfeld von Down-
meß, T.: Der neue Sechszylinder-V-Motor von Audi mit Fünf- sizing und Hybridantrieb 32. Internationales Wiener Motoren-
ventiltechnik. In: MTZ 57 (1996) symposium 5. und 6. Mai 2011
[10] Metzner, F.-T.; Keiser, P.: Der neue V6-4V-Motor von Volks-
wagen. 20. Internationales Wiener Motorensymposium, 1999
[11] Batzill, M.; Kirchner, W.; Körkemeier, H.; Ulrich, H. J.: Der
Antrieb für den neuen Porsche Boxter. Sonderausgabe der ATZ
und MTZ, 1997 10.5 Impulsaufladung mit steuerbaren
[12] Braun, H. S.; Flierl, R.; Kramer; Marder, R.; Schlerf, G.;
Schopp, J.: Die neuen BMW Sechszylindermotoren. In: Ansaugluft-Ventilen
Sonderausgabe ATZ und MTZ, 1998
[13] Knecht, A.: Nockenwellenverstellsystem „Double-V-Cam“: Ein
neues System für variable Steuerzeiten. Sonderdruck aus
10.5.1 Einleitung
Systems Partners 98, Vieweg Verlagsgesellschaft mbH
Wiesbaden, 1998 Bei der Impulsaufladung wird eine höhere Verdich-
[14] Wenzel, C.; Stephan, W.; Hannibal, W.: Hydraulische Kom- tung des zur Verbrennung benötigten Frischgasge-
ponenten für variable Ventilsteuerungen. Vortrag Haus der misches erreicht, indem die einströmende Luftmasse
Technik Essen, 2000
[15] Endres, H.; Erdmann, H.-D.; Eiser, A.; Leitner, P.; Kaulen, W.; stromaufwärts der Einlassventile mit Hilfe von
Böhme, J.: Der neue Audi A4; Der neue 3,0-l-V6-Ottomotor. schnell schaltenden elektromagnetischen Ventilen ge-
Sonderausgabe der ATZ und MTZ, 2000 zielt gesteuert wird. Diese frei steuerbaren Impuls-
[16] Hannibal, W; Knecht, A.; Stephan, W.: Nockenwellenversteller
lader-Ventile werden in das Ansaugrohr zwischen
für Ottomotoren, Band 247. Landsberg am Lech: Verlag mo-
derne industrie, 2002 dem Einlassventil und dem Luftsammler angeordnet
[17] N. N.: Die variable Ventilsteuerung VVTL-i der Fa. Toyota. (Bild 10-118).
Presseinformation der Fa. Toyota Köln, Januar 2001 Zu Beginn des Ansaugtaktes, wenn der Kolben sich
[18] Schwarzenthal, D.; Hofstetter, M.; Deeg, H.-P.; Kerkau, M.;
Lanz, H.-W.: VarioCam Plus, die innovative Ventilsteuerung des
nach unten bewegt, wird das Impulslader-Ventil ge-
neue 911 Turbo. Vortrag, 9. Aachener Kolloquium 04. – 06. Ok- schlossen gehalten. Im Brennraum entsteht ein Un-
tober 2000 terduck. Erst mit Öffnen des Impulslader-Ventils vor
[19] Torazza, G.: A Variable Lift and Event Control Device for dem unteren Umkehrpunkt des Kolbens wird die
Piston Engine Valve Operation. 14. FISITA Kongress, London,
1972
Luft schlagartig freigegeben und strömt durch das er-
[20] Titolo, A.: Die variable Ventilsteuerung von Fiat. In: MTZ 47 zeugte Druckgefälle in den Zylinder. Gleichzeitig
(1986) 5 entsteht eine impulsartige Druckwelle, die nach
[21] Wichart, K.: Möglichkeiten und Maßnahmen zur Verminderung Rückreflexion am Sammler mit Schallgeschwindig-
der Ladungswechselverluste beim Ottomotor. VDI-Fortschritts-
berichte Reihe 12, Nr. 91, 1987
keit in den Brennraum gelangt. Das Impulslader-Ven-
[22] Schön, H.: Untersuchungen an einem viergliedrigen Kurvenrast- til schließt, bevor die Überdruckwelle wieder ent-
getriebe zur variablen Betätigung der Ladungswechselventile in weicht, woraus die erhöhte Zylinderfüllung resultiert.
Hubkolbenmotoren, Dissertation. TH Karlsruhe, 1992
528 10 Ladungswechsel

Vollastbetrieb zumindest kompensiert werden. Es


Drosselklappe Injektor
konnten mit der hier beschriebenen Art und Ausge-
staltung der Impulsaufladung bereits Steigerungen
des Luftaufwands und des indizierten Mitteldrucks
von bis zu 40 % bei niedrigen Drehzahlen gemessen
werden [1].
Sammler Ebenfalls messbare Steigerungen in Luftaufwand und
Impulslader
Ventil Drehmoment konnten mittels Impulsaufladung, mit
anders ausgestalteten Ventilen dargestellt werden [2].
Den Vorteil von Druckwellenaufladung auf die ge-
wünschte Steigerung des Luftaufwands am Ende des
Ansaugvorgangs mit möglichst kleiner Ansaugarbeit
wurden veröffentlicht [4]. Darin wird auch auf die
Bild 10-118 Position von Sammler, Injektor und Im- Problematik der Klopfbegrenzung und hohem Zylin-
pulsladerventil im Saugmodul derdruck eingegangen.
Mit Hilfe der schnell schaltenden und sehr dichten Im-
Dieser Aufladeeffekt steht ohne Verzögerung inner- pulslader-Ventile wird nach Schließen der mechani-
halb eines Arbeitstaktes zur Verfügung. schen Einlassventile ein höherer Gasdruck gespeichert.
Für jeden Zylinder wird ein Ventil benötigt. Die An- Dieser Nebeneffekt im Ansaugweg führt zu einer ver-
steuerung der Ventile übernimmt eine Elektronik, die besserten Restgasausspülung während der Ventil-
phasengenaue Signale des Kurbelwellensensors und überschneidungsphase und somit wird eine Reduktion
des Nockenwellensensors benötigt. Eine standardi- der Brennkammertemperatur realisiert, welche sich
sierte Schnittstelle zu Motorsteuerung überträgt unter vorteilhaft auf das Klopfverhalten des Motors auswirkt.
anderem die Information, wann die Impulsaufladung Die verbesserte Restgasausspülung wird dadurch er-
aktiviert werden soll. möglicht, dass der während der Impulslaufladung ent-
Durch die Impulsaufladung steigen der Luftauf- standene Überdruck im kurzen Ansaugweg zwischen
wand Oa und der indizierte Mitteldruck pmi im unteren Einlassventil und Impulsladerventil zwischenge-
Drehzahlbereich um bis zu 40 %. Ohne Impulsaufla- speichert, und während der Überschneidungsphase von
dung ist, besonders bei niedrigen Drehzahlen, die Zy- Einlass- und Auslassventil zum Ausspülen des im
linderfüllung im Vollastbereich sehr unbefriedigend. Brennraum verbliebenen Restgases genutzt wird. Rest-
Auch Abgasturbolader liefern erst nach einer Verzö- gasanteile bis zu 2,5 % können so realisiert werden.
gerungszeit und Mindestdrehzahl eine verbesserte Ein weiterer positiver Nebeneffekt entsteht durch die
Füllung. Die Impulsaufladung reagiert in diesen Situ- höhere Gas-Einströmgeschwindigkeit in den Zylin-
ationen spontan und liefert schon im nächsten Ar- der, was die Gemischbildung positiv beeinflusst. Die
beitstakt den erwünschten Drehmomentschub. intensivere Strömungsbewegung wirkt sich speziell in
Dem Entwicklungstrend zum Downsizing Rechnung der Kaltstartphase positiv aus. Die daraus resultieren-
tragend, kann der sich ohne weitere motorische Maß- de stabilere Verbrennung kann genutzt werden, um
nahmen zwangsläufig ergebende Verlust an Dreh- die Kohlenwasserstoff-Emission während dieser Kalt-
moment im unteren Drehzahlbereich bedingt durch laufphase spürbar zu senken, wenn der Katalysator
den kleineren Hubraum, mit Impulsaufladung im noch nicht wirksam ist.

4 Impulsader-Ventile Impulsader-Steuergerät

CAN Ventilansteuerung
– Diagnose
– Status Information

Batterie 12 V Kurbelwellen- Bild 10-119 Impulslader-


Sensor Motor-Steuergerät
(Drehzahl/Phase) Impulsade Adressierung Ansteuerung, elektrische
– Phase
– Dauer geöffnete Position
Systemeinbindung und
Schnittstellen
10.5 Impulsaufladung mit steuerbaren Ansaugluft-Ventilen 529

Die durch die verbesserte Zylinderfüllung erreichte ristik mittels zweier integrierter Federn und einer ange-
Anhebung des Motordrehmoments kann durch länge- passten elektronischen Steuerung als Feder-Masse-
re Getriebeübersetzungen direkt zur Verbrauchsre- Resonator erreicht wird. Die Patentschrift [6] be-
duktion genutzt werden. Das Potenzial bei der Ver- schreibt Ausgestaltungen derartiger Ventile für den
brauchseinsparung durch Impulsaufladung und Zy- Einsatz in der Impulsaufladung. Zwei Spulen kommen
linderabschaltung wird bei Ottomotoren auf 7 % bis im stationären Teil des Ventils zum Einsatz. Die eine
10 % beziffert [3]. Spule wird zum Halten des beweglichen Teils des Ven-
Eine Kombination einfacher Abgasturbolader und tils in geschlossener Position bestromt, die andere in
Impulsaufladung mit den Vorteilen der Spontanität der offenen Position des Ventils. Der bewegliche Teil
bei positiven Lastwechseländerungen bis herunter zur ist wie ein Strömungskörper ausgeformt. Der so ge-
Leerlaufdrehzahl bietet optimale Ansätze [10]. Die formte „Ventilteller“ ist gleichzeitig Bestandteil des Ei-
Auslegung des Abgasturboladers wird dabei auf den senkreises des Ventils. Durch den Verzicht auf einen
oberen Drehzahlbereich, die des Impulsladers auf den separaten beweglichen Eisenkreis des Ventils konnte
unteren Drehzahlbereich fokussiert. die translatorisch zu beschleunigende Masse und die
Die Verwendung der Impulsaufladung ist für Ottomo- beim Schließen zu verzögernde Masse klein gehalten
toren mit Kanal- und Direkteinspritzung aber auch für werden. Die damit erst mögliche moderate Federstei-
Dieselmotoren geeignet. figkeit, die zum Erreichen der Resonanzzeitkonstan-
te T/2 (welche proportional zur Wurzel aus dem Quo-
10.5.2 Anforderungen an die Kompo- tient von Masse und Federkonstante ist) von kleiner
nenten für den Serieneinsatz 3 ms (T100) benötigt wird, erlaubt einen akzeptablen
Die Nutzung von Systemen mit elektrischer Impuls- Energieaufwand beim Halten des Ventils.
aufladung für Hubkolbenmotoren darf im Serienein- Die Vorteile dieser Ventilform sind neben der auch in
satz natürlich nicht zu Einschränkungen in der Sys- der transienten Flugphase des Ventils stets strö-
temlebensdauer und der Verfügbarkeit führen. Heuti- mungsgünstigen Eigenschaften die hervorragende
ge Anforderungen an die Lebensdauer des Antriebs- Dichtheit im geschlossenen Zustand. Diese ist auch
strangs von 5.000 h bedeuten mehr als 108 Auf-Zu- maßgeblich für die Umsetzung der Restgasausspü-
Schaltvorgänge für die Impulslader-Ventile. Dabei lung. Die Dichtheit des Linearventils ist ein wesentli-
wurde vorausgesetzt, dass die Impulsaufladung, cher Vorteil gegenüber Klappensystemen für Impuls-
durch einen Auf-Zu-Schaltvorgang pro Motorzyklus aufladung, wie sie in [2, 9] beschrieben werden.
zur Vollastverbesserung bei Drehzahlen bis zu Entscheidend für einen hinreichenden Impulsladeef-
4.000 l/min, zur Restgasausspülung sowie zur zykli- fekt sind Schaltzeiten zum Öffnen des Ventils unter
schen Zylinderabschaltung im Teillastbetrieb genutzt 3 ms bei gleichzeitig geringen Auftreffgeschwindig-
wird. In den sonstigen Betriebszuständen werden die keiten. Hierbei kommen intelligente Steueralgorith-
Ventile elektrisch in der Offenstellung gehalten, wo- men zum sogenannten Softlanding zum Einsatz. Das
durch sie den effektiven Strömungswiderstand der Softlanding trägt auch wesentlich zur Erfüllung der
Saugstrecke nur minimal beeinträchtigen. Lebensdaueranforderungen bei. Zudem können die
Das gesamte Saugmodul ist so auszulegen, dass ein Geräuschemissionen im Betrieb deutlich reduziert
Einsatz für Umgebungstemperaturen von –40 °C bis werden. Langjährige Erfahrung in der Systement-
über +125 °C möglich ist. wicklung von elektromagnetischen Ventilsteuerun-
In früheren Prototypen rein elektrischer Ventiltriebe gen [5] erlaubte, Schaltzeiten unter 3 ms bei geringen
(EVT) wurde das Geräuschverhalten, hervorgerufen Auftreffgeschwindigkeiten weit unterhalb 1 m/s zu
durch das harte Aufsetzen der Ventile auf den Ventil- realisieren. Die Patentschrift [7] beschreibt Steueral-
sitz, als sehr komfortmindernd dargestellt. Diese Er- gorithmen zur Softlanding.
kenntnisse wurden bei der mechatronischen Integ-
Ausführung des Ventils
ration der Impulsladerventile durch gezielte Absorp-
tion von Körperschall und insbesondere durch spe- Bild 10-120 zeigt ein Ventil, wie es im integrierten
zielle elektrische Ansteuerungsalgorithmen berück- Saugmodul zum Einsatz kommt. Die elektromagne-
sichtigt. tische Auslegung des Ventils erfolgte mit Hilfe mo-
Für die Applikation der Impulsaufladung ist Kompa- derner FEM-Berechnungsprogramme. Dabei wurden
tibilität zur heutigen Systemarchitektur des Fahrzeu- die im Betrieb auftretenden Kräfte und deren Kom-
ges Voraussetzung. Designstudien haben gezeigt, pensation durch die Elektromagneten des Ventils ana-
dass die für eine effiziente Impulsaufladung notwen- lysiert. Sättigungseffekte in der Haltephase (Ventil
digen Saugstrecken durch ein entsprechendes Saug- offen oder geschlossen) konnten im Hinblick auf den
modul im verfügbaren Bauraum darstellbar sind. moderaten Stromverbrauch vermieden werden.
Bild 10-121 stellt die über einen Motorzyklus gemit-
a) Ventil-Konzept telten Leistungsaufnahme eines Impulslader-Ventils
Es werden schnell schaltende elektrisch betätigte Line- in Anhängigkeit der Motordrehzahl dar, wenn ständig
arventile verwendet, deren hochdynamische Charakte- mit aktiven Impulsladerbetrieb gefahren wird.
530 10 Ladungswechsel

Hardware
Das leistungselektronische Steuergerät verfügt über
Power-MOSFETs mit sehr niedrigen RDS, on. Die Ver-
luste im Impulsladerbetrieb konnten bei maximaler
Motordrehzahl auf 30 W begrenzt werden.
Weiterhin wurden die Ohmschen Widerstände im
Steuergerät durch eine sorgfältige Auslegung von
Leiterbahnen und Kontaktstellen zur Steckerleiste
klein gehalten. Das Impulslader-Subsystem bestehend
aus dem Steuergerät und den Ventilen kompatibel zur
Bordnetzspannung von 14 V. Dies stellt eine wesent-
liche Vereinfachung gegenüber den Konzepten mit
42 V Architektur dar, die bislang im Zusammenhang
mit elektromagnetischen Ventiltrieben beschrieben
wurden [5, 9].
Bild 10-120 Impulslader-Ventil
Ansteuerung
Leistungsaufnahme vs. Motordrehzahl Die elektrische Steuerung der Impulslader-Ventile er-
Energy Consumption per EIC Valve folgt ohne Positionssensoren. Die Position des Ventil-
During Impulse Charging Mode tellers wird über die Messung des Spulenstroms und
Energyconsumption / W

30
25 eine modellbasierte Berechnung der Ventil-Ge-
20 schwindigkeit ermittelt.
15 Die dem vorliegenden System zugrunde liegende Re-
10 gelstrategie ist in [8] näher beschrieben. Durch eine
5
zeitliche Unterteilung der Steuerung in vier Phasen mit
0
0 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 angepassten Algorithmen zur Bestimmung der den
Engine Speed / rpm Spulen aufzuschaltenden Spannungen wird eine ro-
buste und energieoptimierte Lösung realisierbar. Die
Bild 10-121 Gemittelte Leistungsaufnahme für Im- Phasen der Steuerung setzen sich zusammen aus:
pulsladerventil im Vollastbetrieb x einer Ablösephase, in der sich das Ventil von der
einen, stromlos geschalteten Spule wegbewegt
Damit benötigt das Impulslader-Subsystem bestehend x einer Annäherungsphase, in der die fangende Spu-
aus vier Ventilen und einem Steuergerät weniger als le bestromt wird
130 W inklusive der Verlustleistung der Steuerelekt- x einer Landephase, in der die Annäherungsge-
ronik für einen Vierzylindermotor während des Im- schwindigkeit durch eine einfache Beziehung aus
pulslader-Betriebes. Der Ventilaufbau erlaubt zudem, bekannten Größen wie dem gemessenen Strom,
Leckluftraten von unter 0,3 kg/h bei einer Druckdiffe- der zeitlichen Ableitung des Stroms und einer Ma-
renz von 600 hPa zu erreichen. Dies ist selbst mit schinenkonstante berechnet werden kann
hochgenau ausgeführten Klappen nicht prozesssicher x einer Haltephase, in der ein Wiederablösen des
zu erreichen. Ventils vermieden und das Ventil mit möglichst
Die fluido-dynamische Optimierung des Impulslader- geringem Energieaufwand gehalten werden soll.
Ventils in geöffnetem Zustand ergab gemittelte Druck- Aufbauend auf dieser Reglerstruktur konnte das so-
verluste von lediglich 10 hPa im Nennleistungspunkt genannte Softlanding realisiert werden. Dabei lassen
bei maximalem Luftdurchsatz eines Referenzmotors. sich Ventilauftreffgeschwindigkeiten theoretisch bis
Damit sind die Leistungsverluste des Verbrennungs- hinunter zu 0,1 m/s erzielen. Die Patentschrift [7] be-
motors bei hohen Drehzahlen, hervorgerufen durch den schreibt die Reglerstruktur. Mit Hilfe des Softlan-
Einbau des Impulsladers, sehr gering. dings konnte einerseits das Geräusch beim Betrieb
der Impulslader-Ventile derart abgesenkt werden,
b) Steuerelektronik dass kein metallisch klingendes Geräuschbild mehr
Das Impulslader-Steuergerät wurde im Hinblick auf vernehmbar ist. Andererseits führen geringe Auftreff-
niedrige Schaltverluste und gute thermische Wärme- geschwindigkeiten zu leicht beherrschbaren Stoß-
abfuhr konzipiert. Die verwendeten Technologien spannungen an der Dichtfläche des Impulslader-
entsprechen denen von Standard-Motorsteuergeräten Ventiltellers. Damit konnte die Dauerfestigkeit si-
für den motornahen Anbau. chergestellt werden.
10.5 Impulsaufladung mit steuerbaren Ansaugluft-Ventilen 531

10.5.3 Elektrische Systemintegration wurde mittels CFD-Berechnungen unter sämtlichen


Betriebsbedingungen simuliert. Die konstruktive
Das Bild 10-119 zeigt die Systemeinbindung, hier Ausgestaltung der Ansaugkanäle wurde entsprechend
beispielhaft für einen Vierzylindermotor. Die Schnitt- der Berechnungsergebnisse ausgeführt.
stelle der Impulslader-Steuereinheit zur bestehenden
Systemarchitektur des Motormanagementsystems er-
folgt über den CAN-Bus zum Motorsteuergerät, über 10.5.5 Integriertes Impulslader-
bestehende Signalleitungen zu den Motorsensoren Saugmodul
(Kurbelwellensignal, gegebenenfalls auch Nocken- Bild 10-123 zeigt ein hochintegriertes Ansaugmodul
wellensignal) sowie zur Bordnetzversorgung. für einen Ottomotor, welches den Ventilträger mit
Die Motorsteuereinheit übergibt die Information über den Impulslader-Ventilen, das Kunststoffansaugrohr,
die einzustellenden Öffnungs- und Schließzeitpunkte den Luftfilter mit eingepasster Impulslader-Steuer-
für die Impulslader-Ventile an die Impulslader-Steu- einheit, die Kraftstoffleiste mit den Injektoren sowie
ereinheit. Damit ist sichergestellt, dass auch weiterhin das Drosselklappen-Stellglied und Sensorik neuester
die komplette Motormomentenstruktur ausschließlich Generation beinhaltet.
in der Motorsteuerung verbleibt und nur diese die
vorhandenen Saugrohrmodelle zur Berechnung der
Impulslader-Ventilsteuerzeiten aus den Momentan-
forderungen anwendet. Das Impulslader-Steuergerät
arbeitet folglich in einer Master-Slave Architektur als
untergeordnetes Steuerglied, das die korrekte Umset-
zung der vorgegebenen Steuerzeitpunkte sicherstellt.
Des Weiteren können Diagnose-Informationen über
den Status der Impulslader-Ventile und über die kor-
rekte Abarbeitung der gestellten Aufgaben an die
Motorsteuerung via CAN übermittelt werden.
Dieses Konzept hat darüber hinaus den Vorteil, dass
keinerlei Applikationsbedarf für das Impulslader-
Steuergerät besteht. Sämtliche Abstimmungsparame-
ter finden sich, wie bislang bei Konzepten ohne Im-
pulsaufladung, in der Motorsteuerung wieder.

10.5.4 Mechanische Systemintegration


Auf Grund der thermodynamischen Anforderungen Bild 10-123 Integriertes Saugmodul
ist eine Anordnung der Impulslader-Ventile in einem
definierten Abstand zur Brennkammer in nahezu un- Die gewählte Konstruktion ermöglicht sowohl den Ein-
mittelbarer Nähe zu den Einlassventilen erforderlich. satz bei aufgeladenen sowie nicht aufgeladenen Moto-
Die Anbindung der Ventile an den Verbrennungsmo- ren. Beim Einsatz an einem Dieselmotor wird das
tor wurde quasi starr gewählt. Die Ventile werden in Drosselklappen-Stellglied durch eine Kombination aus
einem Ventilträger (dargestellt in Aluminium) vor- Abgasklappensteller und Diesel-Vordrossel ersetzt; die
montiert und elektrisch kontaktiert (Bild 10-122). Vormontage des Einspritzsystems entfällt.
Der Anbau der Impulslader-Steuereinheit erfolgt im
dargestellten Beispiel am Luftfilterkasten. Durch den
vom Motor angesaugten Frischluftstrom erfolgt eine
Ventilträger Kühlung der Elektronik.

Impulslader-
Ventil
10.5.6 Ausblick
Saugrohre Weitere Arbeiten beschäftigen sich mit der Möglich-
keit zur drosselfreien Laststeuerung mittels frühem
Sammler
Einlass-Schließen durch die Verwendung der frei
steuerbaren Impulslader-Ventile, wobei im Teillast-
betrieb für weitere Kraftstoffeinsparung bei Ottomo-
Bild 10-122 Impulsladerventile mit Ansaugrohren toren gesorgt wird.
und Ventilträger Bei Dieselmotoren werden neben der Drehmoment-
erhöhung weitere Potenziale der Impulsaufladung zur
Die Führung der Ansaugluft um den als Strömungs- weiteren Emissions- und Kraftstoffreduzierung unter-
körper ausgestalteten inneren Bereich des Ventils sucht.
532 10 Ladungswechsel

Literatur [6] META Motoren Und Energietechnik GmbH: In einem Ein-


lasskanal einer Kolbenbrennkraftmaschine angeordnete Zusatz-
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2003 World Congress, Detroit, MI, USA, März 2003
durch ein Lufttaktventil. In: MTZ 62 (2001) 12
[9] Findeisen, H.; Linhart, J.; Wild, S.: Development of an Actuator
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M.; Wedowski, S.: Untersuchungen zum Saugrohreinfluss auf die ner Motorensymposium, Aachen, 2002
Klopfbegrenzung eines Ottomotors. 10. Aachener Kolloquium [11] Franz, A.; Wild, S.; Katsivelos, H.: Der Wettbewerb von Strö-
Fahrzeug- und Motorentechnik, Aachen, 2001 mungsmaschine und Impulslader für ein optimales transientes
[5] Koch, A.; Kramer, W.; Warnecke, V.: Die Systemkomponenten Verhalten und geringste Abgasemissionen des Verbrennungsmo-
eines elektromagnetischen Ventiltriebs. 20. Internationales Wie- tors. 25. Internationales Wiener Motorensymposium 2004,
ner Motorensymposium, Wien, 1999 Band 2. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 12, Nr. 566
11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

In den vorausgegangenen Kapiteln wurden die wich- p2


tigen Ziele bei der Entwicklung von Verbrennungs- U2 (11.3)
R ˜ T2
motoren, nämlich guter Wirkungsgrad, das heißt
niedriger Kraftstoffverbrauch und niedrige Emissio- U2 = Dichte nach Lader
nen, ausführlich dargestellt. Ein weiterer wichtiger p2 = Ladedruck
Punkt ist die Erhöhung der Leistungskonzentration R = Gaskonstante
eines Verbrennungsmotors. Es geht also darum, aus T2 = Temperatur nach Verdichter
einem definierten Bauvolumen oder/und aus einem Mit der Erhöhung der Luftdichte wird also die effek-
vorgegebenen Motorgewicht möglichst viel Leistung tive Leistung des Motors erheblich gesteigert. Heute
zu gewinnen. Die Erhöhung der Leistungskonzentra- werden vor allem bei Großmotoren bis zu 31 bar
tion ist unter Umständen zusätzlich mit einer Wir- Mitteldruck erreicht, bei Pkw-Motoren sind es bereits
kungsgradverbesserung verbunden. 23 bar (Otto) beziehungsweise 29 bar (Diesel).
Die Leistung eines Verbrennungsmotors ist propor- Zusätzlich zur Erhöhung der Leistungsdichte ist die
tional dem effektiven Mitteldruck pme, der Drehzahl n Aufladung von existenzieller Bedeutung bei der
und dem gesamten Hubvolumen VH . Minimierung der motorischen Abgasemission und
1 mittlerweile integraler Bestandteil von entsprechen-
Pe pm e ˜ n ˜ VH ˜ (11.0) den Konzepten.
Z
Hu
pm e U 2 ˜ O L ˜K e ˜ (11.1) 11.1 Mechanische Aufladung
O ˜ Lmin
Bei der mechanischen Aufladung wird der Verdichter
Z=2 4-Takt, Z=1 2-Takt mechanisch von der Kurbelwelle angetrieben (siehe
Bild 11-1). Die Verdichterarbeit muss dazu vom
Pe = effektive Leistung Motor aufgebracht werden, wobei ein Teil über den
pme = effektiver Mitteldruck Kolben während des Ansaughubes zurückgespeist
n = Drehzahl wird.
VH = Hubvolumen Der Prozess läuft jetzt bei höherem Druckniveau ab.
U2 = Dichte nach Lader Dies führt zu einer entsprechenden Mitteldrucksteige-
OL = Liefergrad rung, vorausgesetzt, das Luft-Kraftstoff-Verhältnis
Ke = effektiver Wirkungsgrad bleibt konstant. Die mechanische Aufladung bringt
Hu = unterer Heizwert zunächst bei der Leistungssteigerung eine Ver-
O = Luftverhältnis schlechterung des Wirkungsgrades mit sich. Der
Lmin = Mindestluftverhältnis mechanisch aufgeladene Motor wird jedoch, wenn
man ihn mit einem leistungsgleichen Saugmotor ver-
Eine Erhöhung des Hubraumes bringt neben der Leis-
gleicht, im Wirkungsgrad wegen geringerer mechani-
tungssteigerung auch eine wesentliche Vergrößerung
scher und thermischer Verluste besser abschneiden.
der Motormasse und des erforderlichen Bauraumes
Als Verdichter werden selten Radialverdichter (mit
sowie eine Wirkungsgradverschlechterung auf Grund
Übersetzungsgetriebe), meist Rootsgebläse (Bild 11-2,
erhöhter Reibleistung mit sich. Die Reibungsverluste
steigen überproportional bei der Drehzahlerhöhung,
mit der ebenfalls eine Leistungssteigerung erreicht
werden kann.
Heizwert Hu und Mindestluftbedarf Lmin sind Kraft-
stoffkennwerte und werden als gegeben vorausge-
setzt.
1
pme ~ U2 ˜ Ke ˜ O L (11.2)
O
Damit ist der effektive Mitteldruck proportional der
Dichte der Luft, dem effektiven Wirkungsgrad und
dem Liefergrad sowie umgekehrt proportional dem
Luftverhältnis. Die Dichte der Luft hängt vom Lade- Bild 11-1 Schematische Darstellung der mechani-
druck und von der Ladelufttemperatur ab. schen Aufladung

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_11
534 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Bild 11-2 Rootslader [6]

Bild 11-2a), Schraubenverdichter (Bild 11-3) oder


Spirallader (Bild 11-4) verwendet. Die mechanische
Aufladung wird heute hauptsächlich bei Pkw-
Ottomotoren angewendet. Dort hat sie den Vorteil,
dass beim Kaltstart dem Abgasstrom keine Wärme
entnommen wird, welche für das Anspringen des
Katalysators in der Aufwärmphase von großer Bedeu-
tung ist.

Bild 11-4 Spirallader [8]

11.2 Abgasturboaufladung
Bei der Abgasturboaufladung sind Motor und Turbo-
lader (siehe Bild 11-5) nicht mechanisch, sondern
thermodynamisch gekoppelt. Der Verdichter wird
durch die Turbine angetrieben. Die Turbine wird vom
Motor her mit dem Abgasstrom beaufschlagt und
deckt damit den Leistungsbedarf des Verdichters.

Bild 11-2a Verdichterkennfeld Rootslader [6]

Bild 11-5 Schematische Darstellung der Abgasturbo-


aufladung

Stauaufladung
Bei der Stauaufladung ist zwischen Turbine und
Verdichter ein großes Abgasleitungsvolumen ge-
schaltet, mit dem Ziel, die Druckstöße der einzelnen
Bild 11-3 Schraubenlader [7] Zylinder abzubauen und die Turbine möglichst konti-
11.3 Ladeluftkühlung 535

nuierlich, das heißt mit einem konstanten Zustand p3,


T3 zu beaufschlagen.
Unterstellt man in erster Näherung, dass der Druck p3
gleich dem Druck p2 ist, dann wird der Motor bei
höherem Druckniveau betrieben, ohne dass es zu
einer Änderung des thermischen Wirkungsgrades
kommt. Bei genauerer Betrachtung kann man jedoch
feststellen, dass in der Turbine ein größeres Volumen
entspannt wird, sodass ein leichter Gewinn möglich
ist. Wenn p2 > p3 ist, wird ein Teil der Turboladerar-
beit wieder über die positive Ladungswechselschleife
an die Kurbelwelle abgegeben.
Stoß- oder Impuls-Aufladung
Bei der Stoß- oder Impulsaufladung wird zusätzlich
Bild 11-7 Abgasturbolader [9]
die kinetische Energie des Abgases in Form von
Druckwellen genutzt. Bild 11-6 zeigt den Druckver-
lauf vor einer Turbine. Gegenüber dem Staubetrieb
bedeutet dies einen Gewinn, da an Stelle der irrever-
siblen Drosselung vom Zylinderdruck auf den Ab-
gasgegendruck p3 eine isentrope Expansion auf den
Umgebungszustand durchgeführt wird. Tatsächlich
lässt sich dieser Gewinn jedoch nicht in vollem Um-
fang nutzen, da es ohnehin zu einer Drosselung an
den Auslassventilen kommt, und zum anderen die
Turbinenwirkungsgrade bei pulsierender Beaufschla-
gung niedriger sind als bei einer optimierten Stauauf-
ladung. Die Stoßaufladung hat gegenüber dem Stau-
betrieb vor allen Dingen in der Teillast und besonders Bild 11-8 Turboladerlaufzeug [9]
im Beschleunigungsverhalten Vorteile.
Durch geeignete Zusammenfassung der Zylinder wird
bei gegebener Zündfolge vermieden, dass während Das Verhalten des Verdichters wird in einem Ver-
der Ventilüberschneidung Abgas in einen Zylinder dichterkennfeld Bild 11-9 abgebildet.
gedrückt wird, was zu einer Erhöhung des Restgasge- Über dem Volumenstrom V1 (reduziert) und Druck-
haltes führt. Bei aufgeladenen Ottomotoren führt der verhältnis p2/p1 (Totaldruck) sind Verdichterdrehzahl
erhöhte Restgasgehalt zu einer erhöhten Klopfneigung, und isentroper Verdichterwirkungsgrad aufgetragen.
was zu einem späteren Zündwinkel und damit zu Geht man entlang einer konstanten Umfangsge-
Drehmomenteinbußen und Verbrauchserhöhung schwindigkeit (Drehzahl) nach links, das heißt man
führt. drosselt den Verdichter auf der Druckseite immer
Der Abgasturbolader besteht aus einem Verdichter stärker, so erreicht man die Pumpgrenze. Diese darf
und einer Turbine Bild 11-7. Das Laufzeug ist in im Betrieb wegen Zerstörung des Verdichters nicht
Bild 11-8 dargestellt. angefahren werden.
Für die Darstellung des Turbinenverhaltens trägt man
den isentropen Turbinenwirkungsgrad und den
Durchsatzkennwert über dem Turbinendruckverhält-
nis p3/p4 (total/statisch) (Bild 11-10) auf mit der
Umfangsgeschwindigkeit (Turbinendrehzahl) als
Parameter. Wird das Verhalten der Turbinen auf
einem Heißgasprüfstand ermittelt, ist im Turbinen-
wirkungsgrad der mechanische Wirkungsgrad des
Abgasturboladers enthalten.

11.3 Ladeluftkühlung
Betrachtet man einen isentropen Verdichtungsvor-
gang von 1 auf 2s (Bild 11-11), so ergibt sich eine
Bild 11-6 Druckwellen bei Stoß- oder Impulsaufladung Temperaturerhöhung. Auf Grund einer isentropen
536 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Bild 11-9 Verdichterkennfeld


Radialverdichter – ermittelt
auf Heißgasprüfstand

Bild 11-10 Turbinenkennfeld


Radialturbine – ermittelt auf
Heißgasprüfstand

Verdichtung nach der Gleichung (11.4) T1= Temperatur vor Verdichter


T2= Temperatur nach Verdichter
N 1
p1= Druck vor Verdichter
T2 § p2 · N
¨ ¸  (11.4) p2= Ladedruck
T1 © p1 ¹ N = Isentropenexponent
11.4 Zusammenwirken von Motor und Verdichter 537

ª kg º
Motor U « 3 » Mitteldruck
¬m ¼
Saugmotor 1,19 100 %
aufgeladener Motor 2,23 187 %
aufgeladener Motor
2,78 234 %
mit Ladeluftkühlung
Bild 11-12 Dichte und Mitteldruck von Motoren

wird gleiches Luft-Kraftstoff-Verhältnis angenom-


men. Damit ergibt sich ein direkter Zusammenhang
zwischen der Dichte und der Leistung. Für den
Bild 11-11 Isentrope und polytrope Verdichtung
Saugmotor wird als Umgebungszustand 1 bar bezie-
hungsweise 20 °C angenommen. Damit ergibt sich im
Da jedoch die Verdichtung nicht isentrop, sondern Vergleich zum Saugmotor mit dem aufgeladenen
polytrop durchgeführt wird, kommt es zu einer weite- Motor und einem Verdichter-Druck-Verhältnis von
ren Temperaturerhöhung (11.5) 2,5 eine Mitteldrucksteigerung auf 187 %, und mit
T2  T1 s dem aufgeladenen Motor und Ladeluftkühlung auf
T2  T1 (11.5) 40 °C eine Mitteldrucksteigerung auf 234 %.
KsV ˜W K
T1 = Temperatur vor Verdichter
T2 = Temperatur nach Verdichter
11.4 Zusammenwirken von Motor und
KsV = isentroper Verdichtungswirkungsgrad Verdichter
WK = Kühlziffer des Verdichters
11.4.1 Viertaktmotor
Der isentrope Verdichtungswirkungsgrad K sV wird im Verdichterkennfeld
berechnet mit:
In Bild 11-13 sind die Schlucklinien eines 4-Takt-
h2 s  h1 c p ˜ (T2 s  T1 ) Verbrennungsmotors aufgetragen. Hält man die
KsV | (11.6)
h2  h1 c p ˜ (T2  T1 ) Motordrehzahl n konstant, so steigt der Volumen-
strom V1 mit zunehmendem Druckverhältnis p2/p1
h1 = Enthalpie vor Verdichter linear nur schwach an. Der Motor arbeitet als Volu-
h2 = Enthalpie nach Verdichter menverdrängermaschine und sein Durchsatz steigt
h2s = Enthalpie nach Verdichter, isentrop entsprechend stark bei Drehzahlerhöhung.
cp = spezifische Wärmekapazität für p = const. Mit zunehmender Ventilüberschneidung steigt bei
konstanter Drehzahl der Volumenstrom V1 mit wach-
Die in der Gleichung (11.5) genannte Kühlziffer WK
sendem Druckverhältnis p2/p1 weniger stark an.
berücksichtigt bei Turboladern die Wärmeabgabe des
Verdichtergehäuses (vor allem bei großen Verdich- Verdrängerlader:
tern) an die Umgebung und liegt im Bereich zwischen Verdrängerlader sind zum Beispiel Kolbenverdichter,
1,04 und 1,1. Die mit der Erhöhung des Druckes Hub- und Rotationskolben, Rootsgebläse, Schrauben-
einhergehende Temperaturerhöhung bringt also eine verdichter.
Reduzierung der Dichte nach der Gleichung (11.3). In Bild 11-14 ist erkennbar, dass mit zunehmender
Mit Hilfe eines Ladeluftkühlers lässt sich entspre- Verdichterdrehzahl der Durchsatz steigt und mit
chend der Gleichung (11.2) die Ladungsdichte und zunehmendem Gegendruck der Durchsatz leicht
damit auch die Leistung steigern. abnimmt. Bei konstanter Drehzahl ergeben sich je
nach Gegendruck die Betriebspunkte 1, 2 oder 3.
Beispiel:
p1 = 1 bar; T1 = 293 °K (20 °C) Radialverdichter:
Verdichter: SV = p2/p1 = 2,5 Der Radialverdichter arbeitet nach dem Zentrifugal-
KsV = 0,85 prinzip. Die Druckerhöhung wird auf Grund des
T2 = 313 K (40 °C) Unterschiedes in der Umfangsgeschwindigkeit zwi-
schen Eintritt und Austritt am Laufrad bewirkt. Die
Bild 11-12 zeigt einen Vergleich zwischen Saug- so zugeführte kinetische Energie wird im Diffusor in
motor, aufgeladenem Motor und aufgeladenem Motor Druck umgesetzt. Das im Bild 11-15 eingezeichnete
mit Ladeluftkühlung auf 40 °C. Für alle drei Fälle Verdichterkennfeld wird durch die Pumpgrenze
538 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

n1 < n2 < n3

P2
P1

ohne Ventilüber-
schneidung

mit Ventilüber-
schneidung

V (m3/s)
Bild 11-13 Schlucklinien
Schlucklinien 4-Takt-Verbrennungsmotor ( = Kolbenmaschine)
Viertaktmotor

hin fallen sie stärker ab. Je nach Gegendruck ergeben


n1 < n2 < n3
sich bei konstanter Verdichterdrehzahl die Punkte 1,
2 oder 3.
pL 1

11.4.2 Mechanische Aufladung


2
Verdrängerlader – mechanisch gekoppelt
mit Viertaktmotor (Bild 11-16)
3 Bei einem gegebenen Übersetzungsverhältnis ergibt
sich die gezeigte Betriebslinie 1 – 2 – 3 – 4. Durch
Änderung des Übersetzungsverhältnisses lässt sich
V1 die Betriebslinie 1c – 2c – 3c – 4c erzeugen, die zu
einer Erhöhung des mittleren Arbeitsdruckes führt.
Bild 11-14 Schlucklinien Verdrängerlader
Radialverdichter – mechanisch gekoppelt
mit Viertaktmotor
begrenzt. Links von der Pumpgrenze ist ein stabiler
Wie im Bild 11-17 dargestellt, steigen Luftdurchsatz
Verdichterbetrieb nicht möglich. In diesem Bereich
und Ladedruck etwa quadratisch mit der Drehzahl.
kommt es durch das Ablösen der Strömung, die auf
Dies führt zu dem in Bild 11-18 dargestellten Mittel-
der Schaufelinnenseite des Verdichters beginnt, zu
druckverlauf über der Drehzahl.
starken Druckschwankungen, was unter Umständen
den Verdichter zerstört. Rechts von der Pumpgrenze
fallen die Drehzahllinien leicht ab; zur Schluckgrenze 11.4.3 Abgasturboaufladung
Bei der Abgasturboaufladung sind Motor und Abgas-
turbolader thermodynamisch gekoppelt. Die jeweilige
Turboladerdrehzahl stellt sich je nach Leistungs-
Pumpgrenze
gleichgewicht zwischen Verdichter und Turbine ein.
pL
Betrachtet man die Leistungsbilanz an der Turbo-
laderwelle, so ergibt sich für die Änderung der Win-
n3 kelgeschwindigkeit:
dZTL
˜ JTL ˜ ZTL PV  PT (11.7)
1 n2 dt
2

3
dZTL
= Änderung der Winkelgeschwindigkeit ATL
n1 dt
JTL = pol. Massenträgheitsmoment Turbolader
V1 ZTL = Winkelgeschwindigkeit ATL
PV = Verdichterleistung
Bild 11-15 Verdichterkennfeld Radialverdichter PT = Turbinenleistung
11.4 Zusammenwirken von Motor und Verdichter 539

1/4 nm 1/2 nm 3/4 nm nm


1/4 nL 1/2 nL

3/4 nL
pL nL

1′ 2′ 3′ 4′

1 2 3 4

Bild 11-16 Mechanische


Kopplung von Verdränger-
V1
lader und Viertaktmotor
e

pL e
ni
nz

sli
re

eb nL
pg

ri
et
m
Pu

3/4 nL

1/2 nL
1/4 nL
Bild 11-17 Mechanische
V1
Kopplung von Radialver-
dichter und Viertaktmotor

1
Volllast-Linie mech. aufgeladen PV  V ˜ 'hsV ˜
m (11.10)
mit Radialverdichter KsV ˜KmV
pme
'hsV = isentropes Enthalpiegefälle Verdichter
Saugmotor KsV = isentroper Verdichterwirkungsgrad
KmV = mechanischer Verdichterwirkungsgrad

nM
PT m T ˜ ' h sT ˜ K sT ˜ K m T (11.11)

Bild 11-18 Mitteldruckverlauf über Drehzahl 'hsT = isentropes Enthalpiegefälle Turbine


KmT = mechanischer Turbinenwirkungsgrad
Für den stationären Fall ist die linke Seite der Glei-
chung 0: ª N 1
º
N1 § p2 · N1
PV  PT 0, (11.8) 'hsV R1 ˜ T1 ˜ ˜ ¨ ¸  1»
« (11.12)
N 1  1 «© p1 ¹ »
«¬ ¼»
m V  m B m T (11.9)
 T = Turbinenmassenstrom
m R1 = Gaskonstante, vor Verdichter
 V = Verdichtermassenstrom
m T1 = Temperatur vor Verdichter
 B = Brennstoffmassenstrom
m N1 = Isentropenexponent vor Verdichter
und der Betriebspunkt liegt auf der Motorschluck- p1 = Druck vor Verdichter
linie. Damit lässt sich die Leistungsbilanz weiter p2 = Ladedruck
entwickeln.
540 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

ª N 3 1
º Betrachtet man die Turbine als Drosselstelle (mit p3
N3 « § p4 · N 3 » vor und p4 nach der Drosselstelle), so ergibt sich
'hsT R3 ˜ T3 ˜ ˜ 1 ¨ ¸ (11.13)
N 3  1 « © p3 ¹ » folgender Zusammenhang:
¬« ¼»
nM ˜ VH ˜ U2
2
'hsT = isentropes Enthalpiegefälle Turbine U3 m T2 U3
p3  p4 ˜ v32 ~ ˜ ~ (11.20)
R3 = Gaskonstante, vor Turbine 2 U32 AT2 red U3
T3 = Temperatur vor Turbine
N3 = Isentropenexponent Abgas U2 = Dichte nach Lader
p3 = Abgasgegendruck U3 = Dichte vor Turbine
p4 = Druck nach Turbine v3 = Strömungsgeschwindigkeit, Turbine
Der Gruppenwirkungsgrad KTL ist definiert als der AT red = Turbinenersatzquerschnitt
Gesamtwirkungsgrad der Aufladegruppe: nM = Motordrehzahl
VH = Hubvolumen
K TL K m V ˜ K sV ˜ K m T ˜ K sT (11.14)
Der Massendurchsatz m T durch die Turbine hängt in
KsT = isentroper Turbinenwirkungsgrad erster Näherung ab vom Gaszustand an den Einlass-
Mit Hilfe der Gleichungen (11.9 bis 11.13) ergibt sich organen (p2, T2), von der Motordrehzahl nM (Schluck-
aus der Leistungsbilanz, aufgelöst nach SV mit linie) und von der Dichte U3. Die reduzierte Turbi-
nenquerschnittsfläche AT red ist in dieser Betrachtung
SV p2 / p1 (11.15) konstant angenommen worden. Damit gilt folgende
SV = Verdichterdruckverhältnis Abhängigkeit:

und mit
N L = 1,4 folgt die Turboladerhauptgleichung:
p3
p4
p3
p4
p2 , T2 , nM , T3 , AT red (11.21)

N 3 1 3,5
ª º T2 = Temperatur nach Verdichter
«1  m T ˜ c p 3 ˜ T3 ˜K ˜ § 1  p4 · 3 »
N
SV
« m V c p1 T1 TL ¨ ¸ (11.16)
© p3 ¹ »
«¬ »¼ Während bei einem Motor mit mechanisch angetrie-
benem Lader und konstantem Übersetzungsverhältnis
cp1 = spezifische Wärmekapazität vor Verdichter der Ladedruck und damit das maximale Drehmoment
cp3 = spezifische Wärmekapazität vor Turbine nur eine Frage der Motordrehzahl ist, besteht, wie die
KTL = Gruppenwirkungsgrad Gleichung (11.20) zeigt, die Möglichkeit, durch Ver-
m kleinerung des reduzierten Turbinenquerschnitts AT red
nimmt man für T # 1,03  1,07 an, so ist das Ver- den Abgasgegendruck p3 anzuheben. So steigt das
m V
Enthalpiegefälle an der Turbine. Damit wird die Tur-
dichterdruckverhältnis eine Funktion von folgenden boladerleistung und -drehzahl angehoben und infolge
Größen:
dessen auch der Ladedruck.
§T p · Grundsätzlich ergibt sich bei unterschiedlichen Be-
SV SV ¨ 3 ; KTL ; 4 ¸ (11.17) triebspunkten und gleichem AT red ein unterschiedli-
© 1
T p3 ¹
ches Enthalpiegefälle an der Turbine und damit auch
Der Ladedruck p2 steigt also mit zunehmender Ab- ein unterschiedlicher Ladedruck. Dieses thermodyna-
gastemperatur T3 und steigendem Druck vor der mische Zusammenwirken von Motor und Abgastur-
Turbine p3 (dabei ist die Änderung des Gruppenwir- bolader sollen nun anhand von drei Grenzfällen
kungsgrades in Abhängigkeit von T3 und p3 noch diskutiert werden.
vernachlässigt).
Der Druck p3 stellt sich bei gegebener Turbine je
nach Massendurchsatz und Gaszustand ein und lässt 1. Generatorbetrieb
sich für den Staubetrieb berechnen aus: Beim sogenannten Generatorbetrieb muss auf Grund
m T AT red ˜\ T 2 ˜ p3 ˜ U 3 (11.18) der hohen Anforderungen an die konstante Drehfre-
quenz des Generators die Drehzahl nM möglichst
2 N 3 1 konstant gehalten werden (Bild 11-19).
N3 § p ·N 3 § p · N 3 Beim Motor mit mechanischem Lader bleibt man in
mit \ T ˜ ¨ 4 ¸ ¨ 4 ¸ (11.19) einem Betriebspunkt, da nM = konst. (Bild 11-20).
N 3  1 © p3 ¹ © p3 ¹
Beim abgasturboaufgeladenen Motor ergibt sich
AT red = Turbinenersatzquerschnitt durch die Laständerung ein unterschiedliches p3 und
\T = Durchflussfunktion T3 und damit eine unterschiedliche Turbinenleistung
N3 = Isentropenexponent Abgas und damit ein unterschiedlicher Ladedruck. Die Be-
11.4 Zusammenwirken von Motor und Verdichter 541

2. Drehzahldrückung pme = konstant,


nm = konstant nM = variabel
pme = variabel
Wie im Bild 11-22 dargestellt, bewegt sich der Mit-
pme teldruck auf einer Horizontalen bei unterschiedlichen
Motordrehzahlen. Damit ergibt sich im Verdichter-
Volllast-Linie kennfeld (Bild 11-23) eine flachere Betriebslinie (a),
das heißt mit abnehmender Drehzahl wandert der
Betriebspunkt in Richtung Pumpgrenze (Gefahr).
Generator-Betrieb Dieser Betrieb der Drehzahldrückung tritt auch in
etwa im Fahrzeugbetrieb entlang der Volllastlinie auf
und stellt die höchsten Anforderungen an die Abgas-
turboaufladung.
nm

Bild 11-19 Generatorbetrieb

pme Volllast-Linie

pL nL nM pme = const.
Propellerlinie

Arbeitspunkt bei
Generator-Betrieb

Bild 11-22 Drehzahldrückung

V1 Pumpgrenze
a konstanter
Mitteldruck
Bild 11-20 Arbeitspunkt bei Generatorbetrieb pL
b Propeller-
betrieb

Triebspunkte 1, 2 und 3 liegen alle auf der Motor- c Generator-


schlucklinie, die zu der Generatordrehzahl gehört a
betrieb
(Bild 11-21). nTL = const.
Bei Steigerung der Last (Erhöhung der Einspritzmen- b c
ge) erhöht sich p3 und T3 und damit die Turbinenleis-
tung. Die Turboladerdrehzahl steigt, ebenso Lade- V1
druck p2 und Massendurchsatz.
Bild 11-23 Betriebslinie zwischen Generatorbetrieb
und Drehzahldrückung
3
pL Betriebslinie bei 3. Propellerbetrieb nM = variabel, pme ~ n2M
Generatorbetrieb
Bei Schiffsantrieben mit Festpropeller ist das aufge-
2
nommene Propellermoment abhängig vom Quadrat
der Propellerdrehzahl.
Im Verdichterkennfeld, Bild 11-23, liegt die Betriebs-
nTL = const. linie zwischen dem Generatorbetrieb und der Dreh-
1
zahldrückung.
Im Bild 11-24 ist eine Überlagerung aller Linien
konstanter Last und konstanter Drehzahl dargestellt.
V1 Im Fahrzeugbetrieb wird damit der gesamte Bereich
abgedeckt. Dies erfordert breitere Verdichterkennfel-
Bild 11-21 Motorschlucklinie und Generatorbetrieb der. Im Bild 11-25 ist der Mitteldruckverlauf für die
542 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Pumpgrenze
nL = konst.

pL
ηL = konst.
konst. Last

konst. Drehzahl

Bild 11-26 Schematische Darstellung der Abgastur-


V1
boaufladung mit Waste Gate

Bild 11-24 Überlagerung von Kennlinien überschüssige Abgasenthalpiestrom an der Turbine


vorbeigeführt wird (Waste Gate) und damit ungenutzt
in den Auspuff strömt (Bild 11-26), was für den
Motor einen Verlust darstellt. Der Verlauf des Lade-
drucks entlang der Volllastlinie und der effektive
Volllast Abgasturbo-
pme aufladung Mitteldruck sind im Bild 11-27 für einen Audi-
(ungeregelt) Motor, 2,7 l Biturbo, dargestellt.
mech.
Mit Hilfe der verstellbaren Turbinengeometrie (siehe
aufgeladen Bild 11-28) ist es möglich, bereits bei niedrigen Dreh-
zahlen den reduzierten Turbinenquerschnitt sehr klein
Saugmotor zu stellen. Damit wird ein hoher Abgasgegendruck
erzeugt und ein entsprechend hoher Ladedruck er-
reicht.
n Mit höherer Drehzahl und damit steigendem Massen-
durchsatz werden die Schaufeln in Richtung maxima-
Bild 11-25 Volllastlinien verschiedener Motorvari- ler Anströmquerschnitt gedreht (Schaufelstellung dar-
anten gestellt in Bild 11-28).
Bild 11-29 zeigt die Aufladegruppe mit zwei Abgas-
turboladern für einen Sechszylinder-Ottomotor. In
Volllastlinien von Saugmotor, mechanisch aufgela- Bild 11-30 ist ein aufgeladener mittelschnelllaufender
denem Motor und abgasturboaufgeladenem Motor Schiffsdieselmotor dargestellt, dazu ein entsprechen-
dargestellt. Letztere Linie zeigt ein sehr ungünstiges der Abgasturbolader mit axialer Turbine in Bild 11-31.
Verhalten, da mit Abnehmen der Drehzahl auch das Bei der zweistufigen Aufladung, Bild 11-32, sind
Drehmoment sinkt. Für ein gutes Beschleunigungs- zwei Abgasturbolader hintereinander geschaltet, wo-
verhalten im Fahrzeugbetrieb ist jedoch mit ab-
nehmender Drehzahl ein Anstieg der Mitteldruckkur-
ve erforderlich. Dies lässt sich durch externe Re-
22,0 4,0
geleingriffe in den Turbolader erreichen.
20,0
3,5
18,0
Optimale Drehmomentkurve durch Anpassung
Ladedruck [bar]
Mitteldruck [bar]

3,0
des Ladedrucks 16,0
14,0 2,5
Um einen hohen Ladedruck bereits bei niedrigen Dreh-
zahlen (Pkw < 1.750 U/min, Nkw Diesel < 1.000 12,0
2,0
U/min) zu erreichen, wählt man einen kleinen Turbi- 10,0
nenhalsquerschnitt AT red; dadurch wird der Druck vor 1,5
8,0
der Turbine höher. Mit zunehmender Drehzahl steigt 6,0 1,0
jedoch der Ladedruck auf Grund des steigenden 0 1000 2000 3000 4000 5000 1/min 7000
Abgasenthalpiestroms; damit steigt auch der maxi- Drehzahl
male Druck im Zylinder. Um die damit verbundene
Bauteilbelastung zu begrenzen, wird der Ladedruck Bild 11-27 Mitteldruck- und Ladedruckverlauf
auf einen konstanten Wert dadurch geregelt, dass der AUDI V6 2,7 l Biturbo [4]
11.4 Zusammenwirken von Motor und Verdichter 543

Bild 11-28 Variable Turbinengeometrie, Schaufel-


stellung offen [9]

Bild 11-31 MAN-Abgasturbolader mit Axialturbine


[10]

Bild 11-29 Bi-Turbo Aufladegruppe [3]

Bild 11-30 Dieselelektrische Anlage der Queen Eli-


zabeth 2, 9 u 9 L 58/64, 95.5 MW [10]
Bild 11-32 Schematische Darstellung der zweistufi-
gen Aufladung
die verdichtete Luft bei Großmotoren nach dem
ersten Verdichter zwischengekühlt wird und nach
dem Hochdruckverdichter nochmals gekühlt wird. wendungen) wird das Konzept durch den Einsatz
Bei dieser zweistufigen Verdichtung mit Zwischen- eines (nur Hochdruck, Nkw) beziehungsweise zweier
kühlung wird ein guter Verdichtungswirkungsgrad Waste Gates (Pkw) zur geregelten zweistufigen
erreicht und bei einem Verdichterdruckverhältnis >5 Aufladung erweitert.
auch ein entsprechend hoher Mitteldruck von bis zu Der hohe Integrationsgrad der Aufladegruppe mit
30 bar. Bei Anwendungen mit hohen Ansprüchen an mehreren Abgasturboladern ist in Bild 11-33 einge-
Dynamik und Durchsatzspanne (automobilen An- rahmter Ausschnitt) und Bild 11-33a erkennbar.
544 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Bild 11-33 20V 4000 M93,


3.900 kW @ 2.100 1/min [11]

Bild 11-33a Zweistufige


Aufladegruppe Pkw [5]

11.5 Dynamisches Verhalten dZ M


= Änderung Winkelgeschwindigkeit Kurbel-
dt welle
Der Verbrennungsmotor ist Teil eines Antriebssys-
tems, von dem ein schnelles Ansprechverhalten ge- MMe = effektives Motormoment
fordert wird. Dies gilt für alle Anwendungen. Not- Mv = Verbrauchermoment
stromaggregate müssen aus dem Stillstand innerhalb
kürzester Zeit (<15 s) die volle Leistung übernehmen. Im Bild 11-34 ist ein Elastizitätstest für ein Fahrzeug
Im Fahrzeugbetrieb muss der Verbrennungsmotor mit aufgeladenem Ottomotor von 60 auf 100 km/h im
auch unter extremen Lastbedingungen (wie zum 5. Gang auf dem hochdynamischen Prüfstand aufge-
Beispiel Pkw mit Anhänger beim Anfahren im Ge- zeichnet.
birge) spontan (<2 s) sein maximales Drehmoment Es dauert fast 3,5 s, bis der Saugrohrdruck und damit
entwickeln. Saugmotoren steuern das Drehmoment der Mitteldruck seinen stationären Wert erreicht hat.
nahezu direkt mit dem Drosselklappenwinkel (Otto) In Bild 11-35 sind weitere dynamische Ottomotor-
beziehungsweise mit der Einspritzmenge (Diesel- Messungen eines Lastsprungs bei konstanter Dreh-
motor). zahl von n = 2.000 1/min = const. auf dem hochdyna-
Stellt man den Drallsatz für ein angenähert drehstei- mischen Motorenprüfstand aufgetragen. Dabei ist der
fes Antriebssystem auf (Gleichung 11.22), so sieht Mitteldruck auf den stationären Maximalwert nor-
man, dass bei vorgegebenem Verbrauchermoment miert. Das gemessene Lastsignal steigt rechteckför-
MV (= Last) das effektive Motormoment MMe und das mig bei 1 s auf 100 % an. Der Saugmotor zeigt nach
polare Trägheitsmoment des gesamten Antriebssys- einer Totzeit einen ebenso spontanen Anstieg. Der
tems Jges A = JM + JA den Gradienten der Kurbelwel- abgasturboaufgeladene Ottomotor steigt mit gleicher
lenwinkelgeschwindigkeit entscheidend beeinflussen. Spontaneität bis etwa 55 % des stationär erreichbaren
Mitteldrucks an. Der anschließende langsame Anstieg
dZ
J M  J A ˜ M M Me  MV (11.22) von 13 %-Punkten/s ist auf die Beschleunigung des
dt Turboladerlaufzeugs zurückzuführen. Nach etwa 3 s
JM = polares Massenträgheitsmoment Motor hat der Motor seinen maximalen Mitteldruck erreicht.
JA = polares Massenträgheitsmoment Antrieb Bevor wir Maßnahmen zur Verbesserung des Dreh-
11.5 Dynamisches Verhalten 545

105
100
Geschwindigkeit [km/h]

95
90
85
80
75
70
65
60
55
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Zeit [s]

1.8
1.6
Saugrohrdruck [bar]

1.4
1.2
1
0.8
0.6
0.4
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Zeit [s]

18
16
Mitteldruck [bar]

14
12
10
8
6
4 Bild 11-34 Elastizitätstest
2 (60 – 100 km/h 5. Gang),
0 hochdynamischer Prüfstand,
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Ottomotor mit Abgasturbo-
Zeit [s]
aufladung

110 110
100 100
90 90
80 80
Drehmoment [%]
Istlastsignal [%]

70 70
60 60
Istlastsignal
50 50
40 Turbomotor 40
30 30
Saugmotor
20 20
10 10 Bild 11-35 Vergleich Saug-
0 0 motor – aufgeladener Otto-
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 motor, Lastsprung bei
Zeit [s]
n = 2.000 1/min = konst.

momentaufbaus beim abgasturboaufgeladenen Ver- Verbesserungsmaßnahmen:


brennungsmotor diskutieren, sehen wir im Bild 11-36 Durch Verstelleinrichtungen wie Abgasturbolader mit
das Beschleunigungsverhalten eines mechanisch auf- Waste Gate oder verstellbare Turbinengeometrie
geladenen Motors, der gegenüber dem Abgasturbola- kann in einer Beschleunigungsphase der Ladedruck
der ein deutlich schnelleren Mitteldruckaufbau er- deutlich schneller aufgebaut werden. Zusätzlich kann
reicht. der dynamische Ladedruckaufbau bei instationären
546 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

18
16
14
Mitteldruck [bar)

12
10
Turbolader
8
6
mechanische Aufladung
4 Bild 11-36 Vergleich me-
2 chanische Aufladung – Ab-
0 gasturboaufladung, Fahr-
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 zeugbeschleunigungsvorgang
Zeit [s]
(Elastizitätstest), Ottomotor

Vorgängen dadurch verbessert werden, dass kleinere Kurzzeitige Zusatzlufteinblasung in den Verdichter
Laufräder für Verdichter und Turbine gewählt wer- bewirkt zum einen, dass der Verbrennungsmotor
den. Der Einfluss des polaren Massenträgheitsmo- unmittelbar nach einer Lastanforderung ausreichend
ments JTL des Laufzeugs ist aus dem Drallsatz (Glei- mit Luft versorgt wird und die entsprechend dem
chung (11.23)) für die Abgasturboladerwelle er- Grenzluftverhältnis erhöhte Einspritzmenge für einen
kennbar. schnellen Drehmomentanstieg sorgt. Zum anderen
Bei V-Motoren zum Beispiel kann man das dynami- wird das angeblasene Verdichterrad beschleunigt, so
sche Verhalten dadurch verbessern, dass man abgas- dass der Verdichter mit steigender Drehzahl entspre-
seitig jeweils eine Bank zusammenfasst und zwei chend mehr Luft fördert. Die Einblasung wird dann
kleinere Turbinen beaufschlagt; luftseitig werden die beendet, wenn die Turbine die Verdichterleistung und
beiden Verdichter auf ein Sammelrohr zusammen- zusätzlich erforderliche Beschleunigungsleistung
geführt. übernimmt.
dZT L 1
˜ PT  PQ (11.23) Elektrische Unterstützung der Abgasturboaufla-
dM ZT L ˜ JT L
dung: Da der Verbrennungsmotor bei einer Dreh-
dZT L momentanforderung spontan nicht genügend Be-
= Änderung Winkelgeschwindigkeit ATL schleunigungsleistung für das Turboladerlaufzeug zur
dM
Verfügung stellt, bietet es sich an, gespeicherte elekt-
ZTL = Winkelgeschwindigkeit ATL rische Energie zu benutzen, um mit einem zwischen
JTL = polares Massenträgheitsmoment Turbolader Verdichter und Turbine geschalteten Elektromotor
PT = Turbinenleistung („euATL“, [2]) (Bild 11-37) das Turboladerlaufzeug
PV = Verdichterleistung zu beschleunigen [2]. Der Elektromotor muss auch im
Aktive Restgasausspülung: Das abgegebene Dreh- abgeschalteten Betrieb die hohen Turboladerdrehzah-
moment eines Verbrennungsmotors ist im Wesentli- len ertragen und für die Beschleunigung des Lauf-
chen proportional zur Füllung des Zylinders mit zeugs (Verdichter- und Turbinenrad) über genügend
Frischladung. Ein geringerer Restgasanteil führt dem- Drehmoment verfügen.
zufolge bei abgasturboaufgeladenen Motoren nicht
nur unmittelbar zu einem höheren Motormoment,
sondern trägt auch mittelbar über einen höheren Ab-
gasenthalpiestrom zu einem schnelleren Hochlauf des
Abgasturboladers bei. Voraussetzung für eine aktive
Restgasausspülung ist ein ausreichend hohes Spül-
gefälle über dem Zylinder während der Ventilüber-
schneidung. Um störende abgasseitige Rückwirkun-
gen durch den Vorauslass anderer Zylinder zu ver-
meiden, werden Zylinder mit ausreichend hohem
Zündabstand in einem gemeinsamen Abgaskanal zu-
sammengefasst. Die entsprechenden Gruppen werden
entweder eigenen Turbinen (zum Beispiel Bi-Turbo
am Sechszylinder) oder unterschiedlichen Kanälen
einer gemeinsamen Turbine (zum Beispiel Zwillings- Bild 11-37 Schematische Darstellung des elektrisch
strom am Vierzylinder) zugeordnet. unterstützten Abgasturboladers
11.6 Zusatzmaßnahmen bei aufgeladenen Verbrennungsmotoren 547

rausgesetzt, ausreichend elektrische Energie steht zur


Verfügung.

Mechanischer Zusatzverdichter: Die Kombination


von mechanischem Antrieb und Verdrängerlader
(Bild 11-38a) unterscheidet sich gegenüber einem
elektrisch angetriebenen Radialverdichter in zwei
grundlegenden Punkten. Zum einen ist mit der me-
chanischen Kopplung zur Kurbellwelle die Bereitstel-
lung der erforderlichen Verdichterleistung relativ un-
kritisch und zeitlich unbegrenzt verfügbar, zum an-
deren weist der Verdrängerlader eine deutlich güns-
tigere Fördercharakteristik auf. Die Möglichkeit eines
zeitlich unbegrenzten Antriebes gestattet darüber hi-
naus eine Optimierung des Abgasturboladers, insbe-
sondere der Turbine, auf den oberen Drehzahl-/Leis-
tungsbereich ohne Verlust an Dynamik im Dreh-
momentaufbau.
Bild 11-38 Schematische Darstellung des eBooster-
Aufladesystems
11.6 Zusatzmaßnahmen bei aufge-
Schaltet man einen elektrisch angetriebenen Verdich- ladenen Verbrennungsmotoren
ter („eBooster“, [2]) in Serie (Bild 11-38) der kurz-
zeitig die Luftversorgung des Verbrennungsmotors 11.6.1 Ottomotoren
übernimmt, so muss der Elektromotor nur das Ver-
Bei aufgeladenen Ottomotoren wird durch den höhe-
dichterrad beschleunigen, dessen polares Massen-
ren Ladedruck eine höhere Kompressionsendtempera-
trägheitsmoment nur 1/3 des Turbinenrads beträgt.
tur erreicht. Damit steigt die Gefahr der Selbstzün-
Bei entsprechender Auslegung des eBooster-Ver-
dung beziehungsweise des Klopfens. Deshalb kann es
dichters liegt die maximale Drehzahl niedriger als
notwendig werden, das Verdichtungsverhältnis abzu-
beim euATL, was Vorteile bei der Auslegung des
senken. In jedem Fall muss man zur Vermeidung von
eBoosters mit sich bringt. Das breitere Verdichter-
unzulässig hohen Zünddrücken beziehungsweise
kennfeld dieser zweistufig geregelten Aufladung bie-
klopfender Verbrennung den Zündbeginn beim Otto-
tet zusätzlich die Möglichkeit, den Ladedruck und
motor in Richtung „spät“ verschieben (Bild 11-39).
damit das Drehmoment des Verbrennungsmotors im
Durch einen hohen Restgasanteil verschärft sich die
unteren Drehzahlbereich entsprechend anzuheben, vo-
Klopfgefahr, vor allem wenn eine ungünstige Abgas-
leitungsgestaltung bis zum Turbineneintritt vorliegt.

70

60

50
Druck [bar]

40

30

20

10

0
–90 –45 0 45 90 135
Kurbelwinkel [°kW]

Bild 11-38a Schematische Darstellung eines Auf- Bild 11-39 Druckverlauf aufgeladener Ottomotor mit
ladesystems mit mechanischem Zusatzverdichter spätem Zündwinkel
548 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

In der Teillast wird bei mechanisch aufgeladenen [5] Leweux, J.; Schommers, J.; Betz, T.; Huter, J.; Jutz, B.;
Knauel, P.; Renner, G.; Sass, H.: Der neue 4-Zylinder Pkw-
Ottomotoren durch die geöffnete Umluftklappe ein
Dieselmotor von Mercedes-Benz für weltweiten Einsatz.
Bypass um den Verdichter gelegt, so dass der Massen- 17. Aachener Kolloquium „Fahrzeug- und Motorentechnik“
strom, der vom Motor nicht gebraucht wird (Teillast!), 2008
wieder vor den Verdichter geführt wird. Damit baut [6] EATON Corporation, USA
[7] IHI Corporation, Japan
sich kein Druck hinter dem Verdichter auf. Bei abgas- [8] SIG Schweiz-Industrie-Gesellschaft
turboaufgeladenen Motoren wir zur Vermeidung von [9] BorgWarner Turbo Systems GmbH, Kirchheimbolanden
Verdichterpumpen beim schnellen Schließen der [10] MAN Diesel SE, Augsburg
Drosselklappe das Schubumluftventil geöffnet. [11] MTU Friedrichshafen GmbH
Heute standardmäßig verwendete hochwarmfeste Tur-
binenwerkstoffe (NiCr-Stähle) ermöglichen eine Ab- 11.7 Leistungsexplosion durch Register-
gastemperatur T3 von bis zu 950 °C. Inzwischen wer-
und zweistufige Aufladung
den auch Turbinenwerkstoffe eingesetzt, die eine
Temperatur bis zu 1.050 °C ertragen. Oberhalb der bei Personenkraftwagen
zulässigen Temperatur nimmt jedoch die Festigkeit der (Hochaufladung)
eingesetzten Materialien stark ab. Da beim aufgelade-
In den letzten zwei Jahrzehnten der Automobilent-
nen Ottomotor an der Volllast die Abgastemperatur die
wicklung stieg der Anspruch an die Bereitstellung
angeführten Grenzwerte überschreiten kann, ist eine
von genügend Leistung der Verbrennungsmotoren
aktive Begrenzung erforderlich. Dies erfolgt mittels immer mehr an. Zurückzuführen ist das auf die stän-
Anreicherung der Frischladung über das Motorsteuer- dig größer werdenden Komfortansprüche, wodurch
gerät. die Fahrzeuge ständig schwerer werden. Der damit
einhergehende Verlust an Fahrdynamik, also „Fahr-
11.6.2 Dieselmotoren spaß“ wurde jedoch nicht akzeptiert. Ganz im Gegen-
teil, die Fahrdynamik durfte nicht nur auf gleichem
Bei Dieselmotoren werden ebenfalls durch den hohen Niveau gehalten, sondern sie musste sogar verbessert
Ladedruck sehr hohe Kompressionsenddrücke bei werden. Ein Baustein, der massiven Anteil an dieser
Verdichtungsverhältnissen H > 14 erreicht. Je nach Entwicklung im Bereich der Personenkraftwagen
mechanischer Festigkeit muss deshalb bei Dieselmo- hatte und immer noch hat, ist die Aufladung. Wäh-
toren der Einspritzbeginn sehr spät gewählt werden, rend Dieselmotoren ohne Aufladung fast gar nicht
so dass unter Umständen der Kompressionsdruck mehr angeboten werden, erfährt die Aufladung bei
größer oder gleich dem Zünddruck ist. ottomotorischen Motorkonzepten eine immer weitere
Bei mittelschnelllaufenden Dieselmotoren werden Verbreitung. Die spezifische Leistung der Dieselmo-
hohe Ladedrücke im Zusammenhang mit großen toren hat sich innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte
Ventilüberschneidungen (bis zu 120° Kurbelwinkel) durch den verstärkten Einsatz der Aufladung nahezu
auch dazu benutzt, die thermische Belastung des verdreifacht. Bei den Ottomotoren ist eine knappe
Motors abzusenken. Der mittelschnelllaufende Motor Verdopplung festzustellen (Bild 11-40).
wird bei hohen Luftverhältnissen (O # 2) betrieben. Da einstufige Aufladekonzepte trotz ihrer hohen
Die externe Abgasrückführung erfordert bei aufgela- Entwicklungsgüte sowohl bei Diesel- wie Ottomoto-
denen Dieselmotoren zusätzlichen Aufwand in Form ren an ihre Grenzen stoßen, erfährt die Registeraufla-
eines getakteten Steuerventils und Software zu Rege- dung beziehungsweise zweistufige Aufladung eine
lung des Ladedrucks und der Abgasrückführrate. In zunehmende Aufmerksamkeit im Bereich der Pkw-
jedem Fall ist dafür zu sorgen, dass immer ein negati- Antriebe. Grundsätzlich ist diese Idee nicht neu,
ves Spülgefälle (Hochdruck: p2 – p3 < 0; Niederdruck eingesetzt wurde sie bisher aber vorzugsweise bei
p0 – p4 < 0) vorliegt. Stationärmotoren, Marine-Anwendungen und Nutz-
fahrzeugantrieben.
Literatur
11.7.1 Historie und Evolution der
[1] Zinner, K.: Aufladung von Verbrennungsmotoren. Berlin; zweistufigen Aufladeverfahren
Heidelberg; New York: Springer-Verlag, 1980
[2] Hoecker, P.; Jaisle, J. W.; Münz, S.: Der eBooster – Schlüs- (Stufenaufladung)
selkomponente eines neuen Aufladesystems von BorgWarner
Turbo Systems für Personenkraftwagen. 22. Internationales
Die Entwicklung der Aufladung von Verbrennungs-
Wiener Motorensymposium 26. – 27. April 2001 motoren zeichnet sich durch eine bewegte Vergan-
[3] Welter, A.; Unger, H.; Hoyer, U.; Brüner, T.; Kiefer, W.: Der genheit aus. Erste Anwendungen fanden mechanische
neue aufgeladene BMW Reihensechszylinder Ottomotor. Aufladesysteme zur Leistungssteigerung (30 %) von
15. Aachener Kolloquium „Fahrzeug- und Motorentechnik“
2006
Schiffsdieseln durch M.A.N. Augsburg. Die Abgas-
[4] Eiser, A.; Grabow, J.; Königstedt, J.; Werner, A.: Moderne turboaufladung nach einem Patent von Alfred Büchi
Aufladekonzepte der Turbomotoren von AUDI. 6. Aufladetech- (1905) wurde aufgrund der fertigungstechnischen
nische Konferenz 1997 Toleranzen zunächst bei Großmotoren eingesetzt. Es
11.7 Leistungsexplosion durch Register- und zweistufige Aufladung bei Personenkraftwagen 549

120
Jahr Brenn- Einsatz spez.
verfahren Leistung
110
1973 Otto Erster PKW mit ATL (BMW 2002 Turbo) 63 kW/I
1985 Otto Mech. Zusatzaufladung (Lancia Delta S4) 104 kW/I
100
1989 Diesel Erster Turbo-Diesel (Audi 100 2.5TDI) 36 kW/I en
tor
90 1994 Wankel Wankel mit Registeraufladung (Mazda RX-7) *1 omo
urb
2003 Diesel Zweistufige Aufladung (Opel OPC) 82 kW/I t o-T
Ot
spezifische Motorleistung in KW/I

80
2004 Diesel Zweistufige Aufladung (BMW 535d) 67 kW/I
*1 206 kW/Kammervolumen 2*654 ccm
70

60

50
toren
augmo
40 Otto-S otore
n
bom
e l-Tur
30 Dies
motoren
Diesel-Saug
20

10

0
1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 Jahr 2010

Bild 11-40 Evolution der spezifischen Leistung von Otto- und Dieselmotoren

BMW gelang 1973 die erste Serieneinführung (BMW


2002 Turbo) und das erste Aufladekonzept mit Regis-
teraufladung bei Ottomotoren.
Die Studie 917 CanAm (1971/1972), die in der
Fachwelt mit bis dahin nicht bekannten Leistungs-
werten (5.4 l, 1200 PS) überraschte, legte den Grund-
stein zu zweistufigen Aufladesystemen bei Ottomoto-
ren mit einer explosionsartigen Entwicklung der
Leistungsdichte (Bild 11-41). Auf Basis des Sechs-
zylinder-Boxer des 911 entwickelte Porsche für den
959 eine Registeraufladung. Gutes Instationärverhal-
ten und Anfahrdrehmoment führten zur Favorisierung
der Registeraufladung. Die Ausführung von zwei
Ladern blieb bis 1994 in dieser Ausführung einmalig
und wurde dann auf das Bi-Turbokonzept umgestellt.
Bild 11-41 Porsche 917 CanAm-Motor, 1.200 PS,
Die Registeraufladung wurde dann 1994 im soge-
n = 7.800 min–1 [3]
nannten „Mazda Sequential Twin Turbo System“ bei
Mazdas Wankelmotor-Sportwagen RX-7 mit voll-
dauerte bis zum Jahr 1938, ehe Abgasturbolader kom- elektronisch geregeltem Abgasturbolader eingesetzt.
pakt genug gebaut werden konnten, um sie in Serien- Weitere Varianten anderer Hersteller wie Fiat mit
lastwagen einsetzen zu können. Nach dem Zwei- dem Experimentalsystem „ECV“ oder der Subaru
ten Weltkrieg setzte die mechanische Aufladung ihren Impreza 2.0-l-Boxer mit 206 kW griffen das Prinzip
Siegeszug im Motorsport fort und konnte sich in Rand- der Registeraufladung bei Ottomotoren immer wieder
sportbereichen (Drag-Racing) und wenigen Serien- auf. Aber auch die Kombination mit mechanischer
anwendungen am Markt etablieren. Die Entwicklung Aufladung zum Beispiel im Lancia Delta S4 von
der Abgasturboaufladung hatte anfangs noch mit 1985 fand im Rennsportbereich Anwendung
schlechtem Ansprechverhalten und hoher Störanfällig- (Bild 11-42). Erstmals im Lkw-Bereich kommt seit
keit zu kämpfen. Im Dieselbereich dauerte es noch bis 1996 bei Volvo ein Kompressor-Turbomotor (5.5 l,
zum Jahr 1978, ehe Mercedes-Benz bei Nutzfahrzeu- 184 kW) zum Einsatz.
gen vom Abgasturbolader Gebrauch machte. Durch In jüngster Zeit wird das zweistufige Aufladeverfah-
den verstärkten Entwicklungsaufwand von Porsche und ren auch für Pkw-Dieselmotoren angewendet. So
550 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Verdichtungswirkungsgrad der zweistufigen


Aufladung
Wird die zweistufige Verdichtung aus rein thermody-
namischer Sicht betrachtet, so wird folgendes ersicht-
lich. Sollen die gleichen Ladedrücke erzielt werden,
und vergleicht man die einstufige mit der zweistufi-
gen Aufladung inklusive Zwischenkühlung, so ist die
letztgenannte die effektivere Art der Verdichtung, da
der isentrope Verdichterwirkungsgrad höher ist (Bild
11-44). Daraus lässt sich die Modellvorstellung ab-
leiten, dass im Falle der Zusammenschaltung von
unendlich vielen Aufladestufen mit entsprechenden
Zwischenkühlungen eine theoretisch isotherme Ver-
Bild 11-42 Lancia Delta S4, Roots/ATL [3] dichtung stattfindet.
T2, s  T1
K s Verdichter, einstufig  K s Verdichter, zweistufig
T2, einstufig  T1
T2, s  T1
T2, zweistufig  T1
Dieses Verhalten ist unabhängig davon, ob die nach-
einander folgenden polytropen Verdichtungen mit
einem Strömungslader oder einem mechanischen
Aufladeaggregat, zum Beispiel einem Rootsgebläse
erfolgen. Insofern sind alle Kombinationen unter-
schiedlicher, zweistufiger Aufladesysteme bei Ver-
wendung der Zwischenkühlung aus der Sicht der
isentropen Verdichterwirkungsgrade gegenüber ein-
stufigen Systemen im Vorteil. Wird auf die Zwi-
Bild 11-43 BMW, zweistufige Aufladung 535d schenkühlung verzichtet, so verschlechtert sich der
[BMW AG] isentrope Verdichtergesamtwirkungsgrad im Falle der
sequentiellen Verdichtung gegenüber der einstufigen
Aufladung. Doch weiterhin bleibt der Vorteil der
stellte OPEL 2003 das zweistufige Konzept „Vectra hohen erzielbaren Druckverhältnisse und ausgepräg-
OPC“ vor, dass mit dem 1.9 l-TDCI und 156 kW eine ten Verbreiterung des Betriebsbereichs bestehen.
Literleistung von 82 kW/l erreicht. Bei BMW ist ab Der bei stationärem Betriebsverhalten vorstehend
Ende 2004 sogar die erste Serienanwendung im 535d beschriebene Vorteil der zweistufigen/mehrstufigen
umgesetzt (Bild 11-43). Der 6-Zylinder mit 3.0 l Aufladeverfahren kehrt sich bei Betrachtung des
Hubvolumen leistet 200 kW dank des „Variable- Instationärverhaltens einer zweistufigen Abgasturbo-
Twin-Turbo“ Systems. Das entspricht einer Literleis- aufladung um. Wird hierbei die Abgasseite betrachtet,
tung von 67 kW/l. so wird ersichtlich, dass der klassischen zweistufigen
Das Dieseltriebwerk bietet eine ideale Grundlage für Aufladung infolge der Aufteilung des Abgasenthal-
die hohen Aufladegrade der zweistufigen Aufladesys- piestroms auf die beiden ständig angetriebenen Tur-
teme, aber auch Ottomotoren mit ihrem größeren binen ein langsamerer Hochlauf beziehungsweise
nutzbaren Drehzahlbereich können von den Eigen-
schaften der Registeraufladung enorm profitieren. Einstufige Aufladung Zweistufige Aufladung
p2 p2
T T
pzwischen
11.7.2 Thermodynamik 2ein
2zwei 2ein
der zweistufigen Aufladung 2s
p1
2s
p1
Die grundsätzliche Idee der zweistufigen Aufladesys- 1z,s
teme ist die Erhöhung des Ladedruckangebotes infol-
ge der sequentiellen Verdichtung. Durch die Multi- 1 s s
plikation der Einzeldruckverhältnisse bei zwei- oder
mehrstufigen Verdichtungen können erheblich grö-
ßere Druckverhältnisse über einen breiteren Betriebs- Bild 11-44 Einstufige vs. zweistufige (mit Zwischen-
bereich als bei einstufiger Aufladung erzielt werden. kühlung) Verdichtung im T-s-Diagramm
11.7 Leistungsexplosion durch Register- und zweistufige Aufladung bei Personenkraftwagen 551

Ladedruckaufbau typisch ist. Durch eine spezielle turbolader sukzessive dazugeschaltet werden. Grund-
Kombination und/oder Verschaltung der einzelnen sätzlich werden ein- und mehrstufige Registerauf-
Stufen kann das Instationärverhalten jedoch deutlich ladungen unterschieden. Die mehrstufige Register-
verbessert werden. aufladung unterscheidet sich von der einstufigen
Registeraufladung durch die Anzahl der zusam-
11.7.3 Registeraufladung und zweistufige mengeschalteten Abgasturbolader innerhalb einer
Aufladekonzepte/-systeme Gruppe.
Im Folgenden werden die Kombinationsmöglichkei- Vorteile:
ten einstufiger Aufladeaggregate, welche sich im x deutliche Verbesserung des Ansprechverhaltens
Verlauf der Entwicklung der Aufladung etabliert als bei Bi-Turbomotoren (Zweibankkonzepte)
haben beziehungsweise vielversprechend hinsichtlich x Packageanforderungen sind beherrschbar.
der Darstellung hoher spezifischer Leistungen bei
guten Wirkungsgraden scheinen, näher dargestellt. Nachteile:
x Anstieg des Kraftstoffverbrauchs im Fall des
11.7.3.1 Registeraufladung Betriebs beider Stufen
Unter der Registeraufladung ist eine Kombination x Erhöhung der Nennleistung bei einstufiger Regis-
von zwei Abgasturboladern zu verstehen, von denen teraufladung nur eingeschränkt möglich.
im unteren Drehzahlbereich ein Turbolader komplett Die Registeraufladung stellt für alle Bi-Turbomotoren,
abgeschaltet wird. In diesem Fall wird der gesamte also Verbrennungsmotoren auf Basis von Zweibank-
Abgasenthalpiestrom über den zweiten Abgasturbo- konzepten, eine effektive Möglichkeit zur Verbesse-
lader geleitet. Hierdurch werden höhere darstellbare rung des Ansprechverhaltens dar (Bild 11-45). Eine
Mitteldrücke sowie ein verbessertes Ansprechverhal- starke Ausweitung des Kennfeldbereichs zu sehr hohen
ten bei geringen Durchsätzen gewährleistet. Mit Nennleistungen ist damit nicht erzielbar. Die realistisch
steigendem Ladedruckbedarf kann der zweite Abgas- darstellbaren Ladedrücke liegen bei über 3 bar.

360
480 kW
340
PS
440 320

300
400 Nm
Leistung kW/PS)

280
Drehmoment

500
360 260

320 240 400

220
280
200 300

240 180

160 200
200
140
160
120

120 100

80
80
60
40 40

20

0
1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000
Motordrehzahl (U/min)

Leistung und Drehmoment mit Porsche-Registeraufladung


Leistung und Drehmoment mit herkömmlicher Doppeaufladung im Parallelbetrieb
Leistung und Drehmoment mit Einlader-Betrieb Bild 11-45 Registeraufladung
Zuwachs an Leistung und Drehmoment mit Porsche-Registeraufladung
zur herkömmlichen Doppelaufladung im Parallelbetrieb versus Zweibankaufladung am
Porsche 959 [3]
552 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

11.7.3.2 Zweistufige Aufladung Mechanischer Lader/Abgasturbolader


Um die Erweiterung des Kennfeldbereiches zu größe- Die Kombination eines mechanischen Aufladeaggre-
ren Luftdurchsätzen zu erreichen, kann die Kombina- gates mit einem Abgasturbolader trägt zu einer erheb-
tion aus zwei Ladern mit unterschiedlichen Durch- lichen Verbreiterung des verdichterseitigen Betriebs-
satzbereichen genutzt werden. Die gängigsten Ver- bereichs dar. Darstellbare Ladedruckwerte liegen hier
fahren lassen sich in Kombinationen aus elektrischen, auch im Bereich von über 3,0 bar, je nach Wahl des
mechanischen und rein abgasturbogetriebenen Aufla- mechanischen Aufladeaggregates. Durch die direkte
deaggregaten unterteilen. Anbindung des mechanischen Aufladeaggregates an
Elektrischer Verdichter/Abgasturbolader den Motor, welche durch eine entsprechende Über-
setzung für kleine Drehzahlen ausgelegt ist, wird das
Die Kombination eines elektrischen Verdichters mit
Instationärverhalten gegenüber einem abgasturboge-
einem Verbrennungsmotor ist so alt wie die Ge-
triebenen Konzept deutlich verbessert. Allerdings
schichte der Aufladung selbst. Die ersten Strömungs-
erhöht das mechanische Aufladeaggregat während
verdichter in Schiffsantrieben und Stationärmotoren
seines Betriebs die Reibleistung des Verbrennungs-
wurden von leistungsstarken elektrischen Maschinen
motors erheblich. Soll ein Verbrauchskonzept darge-
angetrieben. Diese Idee wurde aufgegriffen und mit
stellt werden, darf das mechanische Aufladeaggregat
heute technisch machbaren Komponenten für Pkw-
nur in Beschleunigungsphasen eingesetzt werden.
Anwendungen in zwei Varianten ausgeführt.
Der elektrisch angetriebene Strömungsverdichter als Vorteile:
Zusatzaufladung, welcher unabhängig vom Abgastur- x hohes Ladedruckpotenzial bei geringen Dreh-
bolader im Luftpfad des Verbrennungsmotors ange- zahlen
ordnet ist, stellt die vielversprechendste Variante der x sehr gutes Ansprechverhalten bei niedrigen Dreh-
elektrischen Aufladesysteme dar [4]. Für schnellen zahlen
Ladedruckaufbau wird meist eine Position des elekt- x Steigerung des maximalen Druckverhältnisses
rischen Verdichters nah an der Ansaugseite favori- durch Reihenschaltung der Verdichter
siert. Durch die Kombination mit einem Abgasturbo- x Erweiterung des Kennfeldbereiches zu großen
lader muss der elektrische Zusatzverdichter nur für Durchsätzen (Nennleistung).
den Betrieb bei kleinen Durchsätzen optimiert sein.
Mit der ergänzenden Auslegung des Abgasturbola- Nachteile:
ders auf hohe Durchsatzwerte sind deutliche Nenn- x Geräuschpotenzial sehr hoch
leistungssteigerungen erzielbar, wobei das Ansprech- x sehr große Antriebsleistungen notwendig, wenn
verhalten gegenüber der Ausgangsvariante nicht relative Ladedrücke größer 1 bar mit mechani-
schlechter wird. schem Lader dargestellt werden müssen
x hohe Reibleistungen ergeben hohen Kraftstoff-
Vorteile: verbrauch bei Betrieb des mechanischen Laders
x Erweiterung des Kennfeldbereichs durch zusätzli- x Kosten gegenüber einstufigen Systemen deutlich
chen Strömungsverdichter höher.
x gutes Ansprechverhalten gegenüber einstufigen
Aufladesystemen Durch eine entsprechende Auslegung lässt sich eine
x beliebige Positionierung im Luftpfad möglich deutliche Verbesserung des Instationärverhaltens,
(einfaches Package). ähnlich dem von Saugmotoren darstellen. Die über
den gesamten Betriebsbereich darstellbaren Lade-
Nachteile: drucksteigerungen hängen von der Auslegung ab.
x Bypass notwendig, da nur kleiner Durchsatzbe- Zwei nennenswerte Nachteile sind der Schaltruck des
reich des elektrischen Verdichters abgedeckt wird Einkuppelns der Magnetkupplung bei Anforderung
x hohe elektrische Leistungen sind für den elektri- des mechanischen Laders und das nur aufwändig zu
schen Verdichter erforderlich (Bordnetzbelastung) reduzierende Geräusch der mechanischen Aufladung.
x keine Rekuperation möglich
x Kosten durch elektrische Zusatzkomponenten Zweistufige Abgasturboaufladung
hoch. Mit einem zweistufig geregelten Aufladeverfahren
Ein elektrischer Zusatzverdichter stellt hohe Anforde- können die großen Nachteile einfacher zweistufiger
rungen an das Bordnetz in Bezug auf die elektrische Abgasturboaufladeverfahren erheblich und der Regis-
Leistungsbereitstellung (Anlaufströme bis circa teraufladeverfahren teilweise verbessert werden.
200 Ampere, je nach Spannung des Bordnetzes). Die Hierzu werden zwei Abgasturbolader so zusammen-
elektrische Leistungsbilanz ist abhängig vom Fahr- geschaltet, dass entweder eine der beiden Stufen
profil, so dass die Energiespeicher für eine zuverläs- alleine, oder beide zusammen arbeiten können. Ein
sige Funktion ausgelegt sein müssen. Aus diesem Stellorgan verteilt den Abgasmassenstrom auf die
Grund konnten sich die elektrischen Systeme, trotz beiden Turbinen (Bild 11-46). Die Auslegung der
intensiver Entwicklung, bisher nicht durchsetzen. einzelnen Abgasturbolader erfolgt für unterschiedli-
11.7 Leistungsexplosion durch Register- und zweistufige Aufladung bei Personenkraftwagen 553

x im Fall der Zwischenkühlung sehr großer Bau-


AGR-Ventil raumbedarf
x Kosten gegenüber einstufigen Systemen sind höher.

11.7.4 Einsatzgebiete
Motor
LLK
Eine weitere Steigerung der Nennleistung oder Aus-
weitung des aktiven Kennfeldbereichs sowie Verbes-
Umschalt- Bypass serung des Ansprechverhaltens kann bei modernen
klappe
Pkw-Antrieben durch Aufladung nur noch unter
kleiner Verwendung der zweistufigen Aufladesysteme er-
ZK ATL reicht werden.
großer
ATL
2-stufige Zweistufige Aufladesysteme ermöglichen bei den
Aufladung
Dieselmotoren einen Vorstoß in völlig neue Nennleis-
tungsbereiche unter Beibehaltung des dieseltypischen
Ansprechverhaltens oder wahlweise einer weiteren
Verbesserung des Ansprechverhaltens unter Beibehal-
Bild 11-46 Prinzipschaltbild der zweistufig geregel- tung der heute mit variablen Turbinen erzielbaren
ten Abgasturboaufladung Nennleistungen. Spezifische Leistungen von circa
100 kW/l erscheinen bei Dieselmotoren genauso mög-
che Durchsatzbereiche. Die Verdichter sind in Reihe lich wie spezifische Drehmomente von 200 bis
angeordnet und der Hochdrucklader ist mit einem 250 Nm/l. Entsprechende Werte von circa 25 bis 30 bar
Bypass versehen. Je nach Einsatzfall kann der nutzba- des effektiven Mitteldrucks sind in absehbarer Zeit
re Kennfeldbereich an die Anforderungen angepasst darstellbar.
werden [5]. Zwischen hohem Anfahrdrehmoment und Bei den Ottomotoren eröffnet die zweistufige Aufla-
konsequenter Nennleistungssteigerung sind alle dung weiteren Spielraum zur Darstellung von Down-
Varianten möglich. Zusätzlich sind auch Emissions- sizingkonzepten zur Verbrauchsreduzierung oder aber
konzepte mit spezieller Auslegung für hohe Abgas- Leistungskonzepten. Mit zweistufigen Systemen
rückführraten bei Dieselmotoren möglich. Auch mit scheint es möglich, das aufgrund der großen Spreizung
diesem Verfahren sind abhängig von der Auslegung des Luftdurchsatzes des Ottomotors problematische
der beiden Stufen Ladedruckwerte von über 3 bar Ansprechverhalten erheblich zu verbessern und damit
darstellbar [6]. Den zurzeit besten Kompromiss aus die Akzeptanz dieser Konzepte zu erhöhen. Sollte dies
Kraftstoffverbrauchseinsparungspotenzial und maxi- gelingen, sind Kraftstoffverbrauchseinsparungen von
mal darstellbarem Ladedruck stellt die zweistufige circa 15 bis 20 % von Downsizingkonzepten gegen-
Abgasturboaufladung dar [7]. über dem leistungsgleichen Saugmotor durch den
Eine Besonderheit von Motoren mit zweistufiger Einsatz zweistufiger Aufladesysteme ein realistisches
Abgasturboaufladung ist der Verlauf des spezifischen Ziel. Weiteres Potenzial zur Verringerung des Kraft-
Kraftstoffverbrauchs, welcher sich über den gesamten stoffverbrauchs über Downsizing mit zweistufigen
Volllastbetriebsbereich mit zwei lokalen Minima Aufladekonzepten lässt sich über die Kombination mit
auszeichnet. Dies resultiert aus den jeweiligen Wir- variabler Verdichtung beim Ottomotor realisieren [8].
kungsgradmaxima der beiden allein zu betreibenden
Abgasturbolader. In dem Bereich, in dem beide Lader Literatur
gemeinsam beaufschlagt werden, steigt der Kraft-
[1] Zinner, K.: Aufladung von Verbrennungsmotoren, 3. Aufl.
stoffverbrauch leicht an, was unter anderem auf die
Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 1985
strömungsdynamischen Verluste in der Aufteilung [2] Hiereth, H.; Prenninger, P.: Aufladung der Verbrennungs-
vor den beiden Turbinen zurückzuführen ist. kraftmaschine, 1. Aufl. Wien, New York: Springer, 2003
[3] Hack, G.; Langkabel: Turbo- und Kompressormotoren; Entwick-
Vorteile: lung und Technik, 3. Aufl. Motorbuch Verlag 2003
x Erweiterung des Kennfeldbereiches hin zu großen [4] Sens, M.; Offer, T.; Bals, R.; Kahrstedt, J.: Auslegung der Auf-
Durchsätzen (Nennleistung) ladegruppe eines hochaufgeladenen Ottomotors durch den Ein-
x Verschiebung der Pumpgrenze hin zu kleinen satz der Motorprozesssimulation; 6. Tagung Motorische Ver-
brennung. München: Haus der Technik e.V., 2003
Durchsätzen [5] Tomm, U.; Schmitt, F.: Optimierung von Hoch- und Nieder-
x Steigerung des maximalen Druckverhältnisses druckverdichter für die 2-stufig geregelte Aufladung (R2STM).
durch Reihenschaltung 9. Aufladetechnische Konferenz 23./24. September 2004, Dres-
x Verringerung der Trägheit bei Betrieb mit kleiner den. TU Dresden, Lehrstuhl Verbrennungsmotoren (Veranst.)
[6] Schorn, N. et al.: Die Aufladung zukünftiger Pkw-Dieselmoto-
Turboladerstufe. ren. Welche Systeme ergänzen die VNT Technologie? 9. Aufla-
detechnische Konferenz 23./24. September 2004, Dresden.
Nachteile: TU Dresden, Lehrstuhl Verbrennungsmotoren (Veranst.)
x zusätzlicher Bauraumbedarf [7] Sens, M.; Sauerstein, R.; Dingel, O.; Kahrstedt, J.: Möglichkei-
x komplexes Routing der Abgas- und Luftführung ten und Besonderheiten bei der Darstellung eines Downsizing-
554 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Konzeptes Benzindirekteinspritzung. 9. Aufladetechnische Kon- Überblick über die Messmethodik an einem Turbola-
ferenz 23./24. September 2004, Dresden. TU Dresden, Lehrstuhl
derprüfstand wird in der SAE J1826 beschrieben.
Verbrennungsmotoren (Veranst.)
[8] Drangel, H.; Bergsten, L.: Der neue SAAB SVC Motor – Ein Hinweise zu möglichen Einflussfaktoren sind in [1, 2]
Zusammenspiel zur Verbrauchsreduzierung von variabler Ver- dargestellt. Darüber hinaus wurden im Rahmen des
dichtung, Hochaufladung und Downsizing. 9. Aachener Kollo- VFI-Projekts „TC-Mapping“ detailliertere Empfeh-
quium Fahrzeug- und Motorentechnik, Aachen 2000
[9] Lehmann, H.-G. et al.: Potenzialbetrachtung zum Instationärver-
lungen erarbeitet, wie zum Beispiel zur optimalen
halten von hochaufgeladenen Ottomotoren. 9. Aufladetechnische Messstellenposition, zu den zu verwendenden Mess-
Konferenz 23./24. September 2004, Dresden. TU Dresden, Leh- geräten, zur Messstellenausführung, zum Prüfaufbau
rstuhl Verbrennungsmotoren (Veranst.) und -betrieb und zu den zu einem Kennfeld mitgelie-
[10] Müller, W. et al.: High sophisticated boost-pressure control: the
th
MAHLE electrical waste gate actuator. 11 Stuttgart Interna-
ferten Informationen.
tional Symposium, Automotive and Engine Technology, 22 and Die Aufgaben eines Turboladerprüfstands können
23 February 2011 sehr vielfältig sein, bestehen aber prinzipiell darin,
[11] Sauerstein, R. et al.: Die geregelte zweistufige Abgasturboauf- einen Turbolader unabhängig vom Motor in einem
ladung am Ottomotor – Auslegung, Regelung und Betriebsver-
halten. 31. Internationales Wiener Motorensymposium, 29.–
möglichst weiten Kennfeldbereich betreiben zu kön-
30. April 2010 nen. Üblicherweise wird der Turbolader dann statio-
[12] Sauerstein, R. et al.: Downsizing und Hochaufladung: Heraus- när betrieben, einige Anwendungsfälle erfordern
forderungen und Lösungen. TAE, 9. Symposium Ottomotoren- jedoch auch einen transienten Betrieb. Sowohl für
technik, 2. und 3. Dezember 2010
[13] Schernus, C. et al.: Aufladekonzepte für kleine Ottomotoren. TAE,
den stationären als auch für den transienten Betrieb
9. Symposium Ottomotorentechnik, 2. und 3. Dezember 2010 muss die Motorumgebung nachgebildet werden. Dazu
[14] Schmitt, S. et al.: Vergleich von Direkteinspritzung und Saug- muss
rohreinspritzung am Otto-Turbo-Motor mit mechanisch vollva-
riablem Ventiltrieb. TAE, 9. Symposium Ottomotorentechnik,
x Heißgas erzeugt und der Turbine zugeführt wer-
2. und 3. Dezember 2010 den
[15] Schmuck-Soldan et al.: S. 2-stufige Aufladung von Ottomotoren x Der dem Verdichter nachgeschaltete Verbraucher,
32. Internationales Wiener Motorensymposium 5. und 6. Mai 2011 also ein Motor mit seinen Einlasssteuerorganen, in
[16] Steinparzer F. et al.: Der neue BMW 3,0 l 4-Zylinder Ottomotor
mit Twin Power Turbo Technologie 32. Internationales Wiener
Form einer verstellbaren Drossel nachgebildet
Motorensymposium 5. und 6. Mai 2011 werden
x Die Ölversorgung für die hydrodynamische Gleit-
lagerung bereitgestellt werden
11.8 Ermittlung von Turboladerkenn- x Bei wassergekühlten Turboladern gegebenenfalls
feldern an Turboladerprüfständen die Kühlwasserversorgung bereitgestellt werden.
Turboladerprüfstände wurden lange Zeit überwiegend
nur von Turboladerherstellern und von wenigen 11.8.1 Prinzipieller Aufbau eines
Hochschulen als Entwicklungs- und Forschungs- Turboladerprüfstands
werkzeug eingesetzt. Mehrere Umstände führten Ein Turboladerprüfstand besteht aus den Hauptkompo-
dazu, dass Turboladerprüfstände nunmehr auch bei nenten: Heißgaserzeuger, Drossel nach Verdichter,
Motorenentwicklern eingesetzt werden. Zu den trei- Ölversorgung, gegebenenfalls Kühlwasserversorgung,
benden Faktoren des zunehmenden Einsatzes von Steuer- und Regelungselektronik und der Messtechnik.
Turboladerprüfständen zählen: Die Anordnung der einzelnen Komponenten ist in
1. Der zunehmende Einsatz von Abgasturboaufla- Bild 11-47 dargestellt und wird hier kurz erläutert.
dung als Technologie zur Reduzierung des Kraft-
stoffverbrauchs Heißgaserzeuger
2. Die zunehmende Verschiebung der Entwicklungs- Der Heißgaserzeuger hat die Aufgabe die Temperatur
arbeiten am gesamten Aufladesystem vom Turbo- des Gases, welches der Turbine zugeführt wird, auf
laderhersteller hin zum Motorenentwickler einen konstanten Wert zu erhöhen, welcher zwischen
3. Der zunehmende Einsatz von Simulation und 150 und üblicherweise 1.000 °C liegt, je nach Aus-
modellbasierter Regelung und damit einhergehend führung auch variieren kann. Die Temperaturerhö-
der erhöhte Bedarf an vergleichbaren und in weiten hung erfolgt überwiegend durch Verbrennen von
Bereichen vermessenen Turboladerkennfeldern. Kraftstoff, wie zum Beispiel Erdgas, Dieselkraftstoff
Die an einem Turboladerprüfstand stationär ermittel- oder Kerosin. Derartige Heißgaserzeuger werden
ten Kennfelder von Verdichter und Turbine geben Brennkammern genannt und finden weit verbreitet
Auskunft über das Betriebsverhalten eines Abgastur- Anwendung [3, 4]. Für den unteren Temperaturbe-
boladers und werden häufig als Eingangsparameter reich, das heißt <400 °C, wird aufgrund des in diesem
für die Motorprozesssimulation oder auch für das Temperaturbereich instabilen Verhaltens von Brenn-
sogenannte „Matching“ von Abgasturbolader und kammern häufig eine elektrische Heizung eingesetzt.
Motor verwendet. Zur Ermittlung der Kennfelder Die erforderliche Luft wird von einem elektrisch
muss ein Abgasturbolader am Turboladerprüfstand angetriebenen Kompressor bereitgestellt und zur
aufgebaut und vermessen werden. Einen allgemeinen Temperaturerhöhung durch die Brennkammer gelei-
11.8 Ermittlung von Turboladerkennfeldern an Turboladerprüfständen 555

Turboladerturbine
Brennkammer Kraftstoff

4
Drossel
3
2

Turboladerverdichter 1
Elektrisch angetriebener
Ölversorgung Verdichter

Brennkammerluft
Bild 11-47 Schematischer
Aufbau eines Turbolader-
prüfstands

Schluckverhalten bei unterschiedlichen Ventilstellungen 11.8.2 Verdichter- und


PV Turbinenkennfelder
Ein wesentliches Einsatzgebiet eines Turboladerprüf-
Schließen des Drosselventils stands ist die Vermessung von Verdichter- und Tur-
binenkennfeldern. Grundsätzlich werden bei der Be-
nTL stimmung der kennfeldrelevanten Größen folgende
Öffnen des Drosselventils
PV=PT=konst. Annahmen getroffen:
. 1. Verdichter und Turbine sind adiabate Maschinen
m VN
2. Der Verdichter- beziehungsweise der Turbinen-
Bild 11-48 Schematische Darstellung eines Verdich- wirkungsgrad erreichen bei einem isentropen Ver-
terkennfelds mit Verbraucherschlucklinien und einer dichtungs- beziehungsweise Entspannungsprozess
Linie konstanter Verdichterleistung den Wert 1.

Verdichterkennfeld
tet. Die der Turbine bereitgestellte Abgasleistung Prinzipiell wird in einem Verdichterkennfeld für
kann durch folgende Gleichung ausgedrückt werden: konstante Turboladerdrehzahlen die Druckerhöhung
über dem Durchsatz aufgetragen. Diese sogenannte
PA m A ˜ hA m A ˜ c pA ˜ TA  T0 (11.24) Drehzahlkennlinie, im Folgenden Kennlinie genannt,
ist zu hohen Durchsätzen hin begrenzt durch den
Drossel nach Verdichter
Rohrleitungswiderstand des dem Verdichter nachge-
Die Abgasleistung wird mit einem vom Betriebspunkt schalteten Leitungssystems und zu niedrigen Durch-
der Turbine abhängigen Wirkungsgrad in Antriebs- sätzen hin durch die sogenannte Pumpgrenze. Das
leistung für den Verdichter umgesetzt. Abhängig von Pumpen des Verdichters ist ein Effekt, der sich insbe-
dem Verdichter nachgeschalteten Verbraucher- sondere bei relativ hohen Druckverhältnissen und
schluckverhalten stellt sich unter stationären Bedin- gleichzeitig geringen Massenströmen ausbildet. Wäh-
gungen eine konstante Turboladerdrehzahl ein. Der rend eines Pumpzyklus löst sich zunächst die Strö-
dem Verdichter nachgeschaltete Verbraucher ist übli- mung von den Schaufeln immer mehr ab, wodurch
cherweise ein elektrisch verstellbares Ventil. Abhängig der Massenstrom immer weiter abnimmt, bis Rück-
von der Ventilstellung kann der Durchsatz durch den strömen durch den Verdichter eintritt. Durch das
Verdichter und damit einhergehend auch die Turbola- Rückströmen sinkt der Druck unmittelbar nach dem
derdrehzahl eingestellt werden (siehe Bild 11-48). Verdichter soweit ab, dass sich die Strömung wieder
an die Schaufeln anlegen kann und wieder die nor-
Ölversorgung male Förderung aufgenommen wird. Ist die Mengen-
Zur Lagerung des Turboladerlaufzeugs werden aus anforderung des Verbrauchers unverändert niedrig
Kostengründen bis heute überwiegend hydrodyna- geblieben, steigt der Druck nach dem Verdichter
misch geschmierte Gleitlager eingesetzt. Zur Schmie- schnell wieder an und der Pumpzyklus wiederholt
rung der Gleitlager wird Schmieröl verwendet. Ein sich [5]. Die Lage der Pumpgrenze ist zum einen
dafür aufgebauter Ölkreislauf besteht mindestens aus abhängig vom Verhalten des Turboladerverdichters,
einem Ölfilter, einer Ölpumpe, einer Ölkonditionie- zum anderen von der Geometrie der zu- und abfüh-
rung und dem Turboladerlagergehäuse. Die Ölkondi- renden Leitungen [7, 8].
tionierung kann das Öl bei Bedarf kühlen oder auch Zu niedrigen Drehzahlen hin wird das Verdichter-
heizen. kennfeld unter anderem begrenzt durch den Brenn-
556 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

kammerbetriebsbereich, zu hohen Drehzahlen hin ist Auch bei den in einem Verdichterkennfeld eingetra-
das Verdichterkennfeld begrenzt durch die maximal genen Turboladerdrehzahlwerten handelt es sich um
zulässige Festigkeit des Laufzeugs und damit einher- normierte Werte. Dabei bedient man sich einer Ähn-
gehend durch die maximal zulässige Turboladerdreh- lichkeitskennzahl aus der Strömungsmechanik, der
zahl. Übliche Umfangsgeschwindigkeits-Grenzwerte Machzahl:
am Verdichteraustritt für in Herstellerkennfeldern u uN
dargestellte Kennlinien sind Ma1 Ma N Ÿ 1
a1 aN
u2 max 520 m/s u1 uN
Ÿ
und N RT1 N RTN
u2 min 150 m/s (| 0, 28 ˜ u2 max ) u1 uN
Ÿ
Als Größe für die Druckerhöhung im Verdichter wird T1 TN
häufig das Totaldruckverhältnis verwendet.
TN
p2 t Ÿ uN u1 (11.29)
3V (11.25) T1
p1t
und mit
Dabei kann der Totaldruck eine Mess- oder eine
u
Rechengröße sein. Bei Letzterem bedient man sich n (11.30)
der Bernoulli-Gleichung, um aus dem gemessenen 2S ˜ r
Verdichtermassenstrom, der Luftdichte und dem Strö-
TN
mungsquerschnitt an der statischen Druckmessstelle nN n1 (11.31)
den dynamischen Anteil des Drucks zu berechnen: T1
1 2 Die Turboladerdrehzahl wird in der Regel mit einem
pt ps  pd Uc
ps  (11.26) Sensor ermittelt, dessen Arbeitsweise auf dem Wir-
2
belstrommessprinzip basiert. Der Sensor wird dabei
Der Durchsatz eines Verdichters kann als Volumen- so angeordnet, dass alle Schaufeln des Laufrads am
strom oder als Massenstrom angegeben werden, in Sensor vorbeiziehen.
beiden Fällen wird eine normierte Darstellung ge- Bei der Berechnung des Verdichterwirkungsgrads wird
wählt. Zur Normierung gibt es für Druck und Tempe- das Verhältnis gebildet zwischen der Enthalpiediffe-
ratur unter anderem folgende Wertepaarvarianten: renz 'hsV für eine isentrope Verdichtung und der
TN pN Anwendung bei Enthalpiedifferenz 'hV für eine reale Verdichtung
(siehe Bild 11-49). Damit erfolgt die Berechnung des
in K in mbar – Verdichterwirkungsgrads gemäß der folgenden Glei-
273,15 1.013,25 DIN 1342, Sulzer chung:
298 1.000 SAE J 1826, SAE J922, T2 s  T1
BorgWarner Turbosystems K sV (11.32)
T2  T1
293 981 BorgWarner Turbosystems
mit
Die Gleichungen zur Normierung der gemessenen N L 1
NL
Größen lauten wie folgt: T2 s T1 ˜ 3 v (11.33)
T p
Normierter Massenstrom m VN m V 1t ˜ N (11.27) und
TN p1t 'h c p 'T (11.34)
T1t
Normierter Volumenstrom VVN VV (11.28) Maximale Verdichterwirkungsgradwerte liegen im
TN Bereich 70 bis 80 %.

p2t
2t
Pumpgrenze 1 2
PV h c2 p2
1 2 2 Bild 11-49 Verdichterkenn-
c2
2 2 feld mit Isolinien für Verdich-
DhV
DhsV 2s terwirkungsgrad, Pumpgrenze
Widerstandskennlinie p1t und Widerstandskennlinie
1t (links), isentrope und reale
1 2
hsV c1 p1
nTL 2 Verdichtung der Luft, darge-
1
. stellt im h-s-Diagramm
m VN s
(rechts)
11.8 Ermittlung von Turboladerkennfeldern an Turboladerprüfständen 557

p3t
. p3
mTred
h 3t
1 2
3 c3
2
nTL
DhT
Bild 11-50 Turbinenkennfeld
hsT ◊ hm DhsT
p4
mit Drehzahl- und Wirkungs-
4 gradlinien (links), isentrope
4s und reale Entspannung des
Abgases, dargestellt im
PT s h-s-Diagramm (rechts)

Turbinenkennfeld Maximale Turbinenwirkungsgradwerte liegen im


In einem Turbinenkennfeld wird für jeweils konstante Bereich 60 bis 70 %.
Turboladerdrehzahlen der Durchsatz über den Druck- Der Turbinenwirkungsgrad wird für konstante Turbo-
abfall aufgetragen, dargestellt in Bild 11-50. Eine üb- laderdrehzahlen über dem Turbinendruckverhält-
liche Größe für den Durchsatz ist der reduzierte Tur- nis 3T (Gleichung (11.36)) oder der sogenannten
binenmassenstrom. Unter Einbeziehung der Bedin- Schnelllaufzahl aufgetragen. Die Schnelllaufzahl ist
gungen vor Turbine berechnet sich der reduzierte das Verhältnis aus Umfangsgeschwindigkeit u3 am
Turbinenmassenstrom zu: Turbineneintritt und der Strömungsgeschwindig-
keit c0. Die theoretisch erzielbare Strömungsge-
m T ˜ T3 schwindigkeit c0 wird erreicht, wenn das verfügbare
m T red (11.35)
p3 t isentrope Enthalpiegefälle 'hsT verlustfrei in kineti-
Für den Druckabfall wird das Turbinendruckverhält- sche Energie umgewandelt wird, das heißt:
nis herangezogen, hier der Quotient aus Totaldruck 1 2
c0 'hsT (11.40)
vor Turbine und statischem Druck nach Turbine: 2
p3t
3T (11.36) Ÿ c0 2 ˜ 'hsT (11.41)
p4 s
Der Totaldruck vor Turbine kann gemäß Gleichung Damit lässt sich die Schnelllaufzahl berechnen zu:
(11.26) berechnet werden. Die Temperatur vor Turbi- u3 u3 1
ne wird abhängig vom Einsatzbereich des Turbola- c0 2 ˜ 'hsT 2 ˜ 'hsT
ders auf einen konstanten Wert von zum Beispiel
600 °C für Dieselmotoren- und zum Beispiel 950 °C u32
für Ottomotorenturbolader eingestellt, eine einheitli- 1
che Regelung gibt es dafür jedoch noch nicht. N A 1
(11.42)
§ p N A ·¸
Insbesondere Temperaturschichtungen im Messrohr 2 ˜ c pA ˜ T3 ˜ ¨ 1  4 s
nach der Turbine lassen die Anwendung des auf der ¨ p3t ¸
Verdichterseite üblichen Verfahrens zur Berechnung © ¹
des isentropen Wirkungsgrads gemäß Gleichung u32

(11.32) nicht zu. Der Turbinenwirkungsgrad wird Das nächste Kapitel beschreibt die Besonderheiten,
daher aus dem Turboladerwirkungsgrad bestimmt, die bei der Verwendung von Turboladerkennfeldern
wobei die mechanischen Verluste des gesamten in der Motorprozesssimulation zu berücksichtigen
Turboladers der Turbine zugeschrieben werden. sind.
KTL KsV ˜KsT ˜Km (11.37)
11.8.3 Besonderheiten bei der
KTL Verwendung von Turbolader-
Ÿ K sT ˜Km (11.38)
KsV kennfeldern in der Motor-
prozesssimulation
m V ˜ 'hsV
KsT ˜Km Der Verdichter beziehungsweise die Turbine werden
m T ˜ 'hsT ˜KsV als Stellen im Leitungssystem eines Motors model-
N 1
c pL ˜ T1 ˜ §¨ 3 V N L  1·¸ ˜ m V
L
liert, an denen eine Druckerhöhung beziehungsweise
© ¹ (11.39)
eine Druckabsenkung erfolgt. Des Weiteren haben
§ N A 1
· Verdichter und Turbine in der Motorprozesssimulation
p NA ¸
c pA ˜ T3 ˜ ¨ 1  4 s ˜ m T ˜ KsV üblicherweise keine räumliche Ausdehnung, daher
¨ p3t ¸ können weder gasdynamische Effekte noch Wärme-
© ¹
übergänge, die zum Beispiel in einem Beschleuni-
558 11 Aufladung von Verbrennungsmotoren

gungsvorgang in einem Turbolader auftreten könnten, men. Problematisch ist eine derartige Krümmung für
berücksichtigt werden. Das Betriebsverhalten eines die Motorprozesssimulation insofern, dass es für eine
Turboladers wird also allein durch die stationär am Turboladerdrehzahl und bei einem Druckverhält-
Prüfstand vermessenen Kennfelder und der dabei nis 3V1 zwei verschiedene Durchsatzwerte gibt
aufgetretenen Wärmeübergänge repräsentiert. (Bild 11-51). Noch vor einigen Jahren war es daher
üblich, die Kennlinien so abzuändern, dass ihre
Kennfeldbereich kleiner Turboladerdrehzahlen Steigung im gesamten Bereich negativ ist. Mittler-
In Abschnitt 11.8.2 wurde der in Herstellerkennfel- weile können die gängigen Motorprozesssimulations-
dern dargestellte Betriebsbereich beschrieben. Insbe- programme auch Kennlinien mit Krümmungen, die
sondere bei kleinen Turboladerdrehzahlen Werte größer null aufweisen, verarbeiten [11].
(<0, 3 ˜ nTL max ) hat sich jedoch gezeigt, dass Wärme- Für den Bereich unterhalb der Widerstandskennlinie
übergangseffekte auf den Turboladerwirkungsgrad ist anzunehmen, dass die Verluste, die im Verdichter
relativ großen Einfluss nehmen können und dass die auftreten, weiter zunehmen. Möchte man für eine
in Abschnitt 11.8.2 getroffene Annahme, der Ver- Kennlinie den Punkt auf der Abszissenachse ermit-
dichter und die Turbine seien adiabate Maschinen, teln, so sollte der Widerstand nach Verdichter mini-
mit sinkender Turboladerdrehzahl immer weniger miert werden, idealerweise auf Null. Dazu wird die
zutrifft [6, 9]. Indikatoren dafür sind zum Beispiel Verdichterluft nicht wie in Bild 11-47 dargestellt
Turbinenwirkungsgrade, die Werte größer als eins einer Drossel zugeführt, sondern in die Umgebung
annehmen. In [10] wird ein spezieller Prüfstand geblasen. Der sich dabei einstellende Messwert für
beschrieben, der es ermöglicht, Turbinenwirkungs- den Verdichtermassenstrom ist dann der gesuchte
grade bei kleinen Turboladerdrehzahlen zu bestim- Punkt auf der Abszissenachse.
men. Dabei wird die Turbinenleistung nicht wie
bisher üblich mit Hilfe der aufgebrachten Verdichter- IV. Quadrant
leistung bestimmt, sondern es wird das Drehmoment In Beschleunigungsvorgängen von aufgeladenen
an der Welle der elektrisch gebremsten Turbine Motoren können sich am Verdichter inverse Druck-
gemessen. Des Weiteren kann die sogenannte Durch- verhältnisse einstellen. Zur messtechnischen Erfas-
brenndrehzahl ermittelt werden, ein für die Extrapola- sung dieses Betriebsbereichs kann der Verdichterein-
tion hilfreicher Wert auf der Abszissenachse im tritt mit Druckluft beaufschlagt werden. Bei einer
Turbinenwirkungsgradkennfeld (u/c0-Darstellung). entsprechenden Luftmenge und bei konstanter Turbo-
Numerische Methoden können darin unterstützen, laderdrehzahl wird sich dabei am Verdichtereintritt
vermessene Kennfelder sinnvoll in den Bereich klei- ein höherer Druck einstellen als dahinter.
ner Turboladerdrehzahlen zu extrapolieren. Hinweise
dazu gibt es unter anderem in [6, 7]. Pulsierende Turbinenbeaufschlagung
Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Betrieb
Pumpgrenze und Widerstandskennlinie eines Turboladers an einem Turboladerprüfstand und
Wie in 11.8.2 bereits erläutert, wird eine Kennlinie dem Einsatz an einem Motor ist die am Motor vor-
eines Verdichters begrenzt durch die Pumpgrenze und liegende pulsierende Beaufschlagung der Turbine mit
durch die Widerstandskennlinie (Bild 11-51). Die Abgas infolge des Ladungswechsels. Für die Berech-
Steigung einer Kennlinie ist ausgehend von der Wi- nung der Abgaspulsationen in der Motorprozesssimu-
derstandskennlinie hin zu niedrigen Durchsätzen ne- lation wird diese instationäre Ausströmung als eine
gativ und kann zur Pumpgrenze hin auch den Wert trägheitsfreie Aneinanderreihung kurzzeitiger statio-
Null beziehungsweise auch Werte über Null anneh- närer Betriebzustände betrachtet, das heißt bei jedem

PV
Pumpgrenze

PV1 Reibungsverluste

Vermessener
Kennlinienbereich Stoßverluste,
Strömungsablösung,
Rezirkulation
Widerstandskennlinie Bild 11-51 Theoretischer und
. . . effektiver Verlauf der Kenn-
0 m V1 mV 2 mV
linie eines Radialverdichters
11.8 Ermittlung von Turboladerkennfeldern an Turboladerprüfständen 559

Berechnungsschritt werden die instationär herrschen- [8] Schorn, N.; Kindl, H.; Späder, U.; Casey, M. V.: Der Turbola-
derverdichter als Randbedingung in der Ladungswechselrech-
den Zustandsgrößen an der Turbine übernommen, um
nung. MTZ-Konferenz „Ladungswechsel im Verbrennungs-
die stationär gemessenen Kennfelddaten auszulesen. motor“, 7. – 8. November 2007, Stuttgart
Diese Modellierungsart ist für einige Anwendungs- [9] Shaaban, S.; Seume, J.; Berndt, R.; Pucher, H.; Linnhoff, H. J.:
fälle unzureichend und kann zu relativ großen Ab- Part-load Performance Predicion of Turbocharged Engines.
th
8 IMechE Conference, 2006, London
weichungen von experimentell ermittelten Ergebnis- [10] Schorn, N.; Smiljanowski, V.; Späder, U.; Stalman, R.; Kindl,
sen führen. H.: Turbocharger Turbines in Engine Cycle Simulation. 13. Auf-
Daher wurde die Pulsbeaufschlagung der Turbine am ladetechnische Konferenz, 2008, Dresden
Turboladerprüfstand in den letzten 20 Jahren unter- [11] Linnhoff, H.-J.: Berechnung instationärer Ladungswechselvor-
gänge aufgeladener Otto- und Dieselmotoren. Abschlussbericht
sucht [12–14]. In [15] wurde zusätzlich zum Stan- über Vorhaben Nr. 366, Forschungsvereingung Verbrennungs-
dardaufbau, wie er in Bild 11-47 schematisch darge- kraftmaschinen, Frankfurt am Main, 1989
stellt ist, zwischen der Brennkammer und der Turbine [12] Dale, A.; Watson, N.: Vaneless diffuser turbocharger turbine
ein Zylinderkopf derart angeordnet, dass die eigent- performance. 3rd International Conference on Turbocharging
and Turbochargers. IMechE Conference Publications, C110/86,
lich dem Brennraum eines Motors zugewandte Seite 1986, S. 65 – 76.
des Zylinderkopfes von der Brennkammer mit Abgas [13] Capobianco, M.; Gambarotta, A.: Unsteady flow performance of
versorgt wurde. Die Nockenwelle der Auslassventile th
turbocharger radial turbines. 4 International Conference on
wurde von einem drehzahlgeregelten Elektromotor Turbocharging and turbochargers. IMechE Conference Publi-
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angetrieben, sodass die Pulsfrequenz frei eingestellt [14] Westin, F.: Accuracy of turbocharged SI-engine simulations.
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Druckpulse bei motorähnlichen Temperaturen nach- holm, 2002, Stockholm
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motoren, Dissertation. TU Berlin, 2008, Berlin 09/2010
560 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Die Verbrennung, chemisch betrachtet eine Oxidation werden gemischt, bevor sie in den Zylinder des
der Kraftstoffmoleküle, setzt voraus, dass eine hinrei- Motors gelangen. Damit kann ein mehr oder weniger
chende Zugänglichkeit des Oxidators Sauerstoff an homogenes Gemisch aus Luft und Kraftstoffdampf
das Kraftstoffmolekül vorliegt. Daher ist es notwen- erzeugt werden. Ausgeprägt war dies bei Motoren,
dig, Kraftstoff aufzubereiten, das heißt in eine gas- die als Gemischbildner einen Vergaser oder eine
förmige Phase zu überführen und mit Luft zu ver- Zentraleinspritzung besaßen. Es stand genügend Zeit
mischen. Das geschieht üblicherweise mit Gemisch- zur Verfügung, um Luft und Kraftstoff zu mischen
bildungssystemen. Man unterscheidet beim motori- und dieses Gemisch vor das Einlassventil zu transpor-
schen Betrieb dabei zwischen der inneren und äuße- tieren. Die Gefahr bei diesen Gemischbildnern war
ren Gemischbildung. jedoch das Auskondensieren des bereits in Dampf-
phase vorliegenden Kraftstoffs an kalten Saugrohr-
wänden und die ungleichmäßige Gemischverteilung
12.1 Innere Gemischbildung auf die einzelnen Zylinder. Die heute verwendete
Die innere Gemischbildung findet im Zylinder des Saugrohreinspritzung, bei der Kraftstoff unmittelbar
Verbrennungsmotors statt. Die Luft wird durch den vor das Einlassventil und teilweise auf das offene
Kolben angesaugt und verdichtet; in die verdichtete Einlassventil und in den Zylinder eingespritzt wird,
Luft wird zum geeigneten Zeitpunkt Kraftstoff einge- beseitigen diese Nachteile. Auch hier steht genügend
spritzt. Das Luft-Kraftstoff-Gemisch erreicht dabei in Zeit zur Verfügung, um über die Ansaug- und Ver-
bestimmten Bereichen eine zündfähige Zusammen- dichtungsphase das Gemisch zu homogenisieren.
setzung, was bei entsprechender Temperatur zur
Gemischentzündung führt. Diese Art der Gemischbil- 12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren
dung führt zu sehr starken Inhomogenitäten, wobei (Vergaser/Benzineinspritzung)
örtlich Luft-Kraftstoff-Verhältnisse von O = 0 (reiner
Kraftstoff) bis O = f (reine Luft) auftreten. Die Ver- Die Gemischbildung mittels Vergaser ist bis auf
brennung verläuft mittels einer Diffusionsflamme. Der wenige Sonderfälle bei modernen Pkw-Motoren nicht
eingesetzte Kraftstoff muss bestimmten Kriterien mehr Stand der Technik. Lediglich für bestimmte
bezüglich der Zündwilligkeit genügen. Die Reaktion Ländervarianten und bei Zweiradantrieben werden
erfolgt an bereits aufbereiteten, das heißt von einem Vergaser noch in größerer Stückzahl eingesetzt.
zündfähigen Gemisch umgebenen Tröpfchen. Typische Daher wird dieser Abschnitt nur auf zentrale Zusam-
Vertreter für eine innere Gemischbildung waren bisher menhänge der Gemischbildung mit Vergasern ein-
Dieselmotoren. In letzter Zeit wurden vermehrt Otto- gehen.
motoren entwickelt, die ebenfalls eine innere Gemisch- Aufgabe eines Vergasers ist, der angesaugten Luft,
bildung vorweisen, sogenannte Ottomotoren mit Di- abhängig vom Betriebszustand des Motors, den für
rekteinspritzung. Der grundsätzliche Unterschied zum das jeweils gewünschte Mischungsverhältnis benötig-
Dieselmotor besteht in der Verwendung eines Otto- ten Kraftstoff bereitzustellen. Integriert im Vergaser
kraftstoffes sowie einer externen Zündquelle. Zukünf- ist die den Luft- beziehungsweise Gemischstrom re-
tig ist damit zu rechnen, dass Ottomotoren mit innerer gelnde Drosselklappe.
Gemischbildung einen hohen Anteil an der Gesamt- Die für das Dosieren des Kraftstoffs und seine Förde-
produktion haben werden, da insbesondere das Poten- rung innerhalb des Vergasers benötigte Energie wird
zial zur Verbrauchsreduktion noch größer scheint, als dem Luftstrom entnommen.
beim Dieselmotor mit Direkteinspritzung. Vergaser und das sich anschließende Saugrohr, mit
Während der konventionell betriebene Dieselmotor seinen Verzweigungen auf die einzelnen Zylinder,
mit innerer Gemischbildung arbeitet, die eine inho- welches das vom Vergaser erzeugte Gemisch verteilt,
mogene Verteilung von Luft und Kraftstoff im Zylin- sind als Funktionseinheit anzusehen. Das Betriebsver-
der zur Folge hat, scheint in Zukunft die homogene halten des Motors hängt entscheidend davon ab, wie
Dieselverbrennung ein Weg, um weitere Vorteile exakt das Saugrohr auf gleichmäßige Gemischvertei-
bezüglich Minderung von Emissionen und Kraft- lung unter allen Betriebszuständen entwickelt ist.
stoffverbrauch zu erzielen.
12.3.1 Arbeitsweise des Vergasers
Das Prinzip des Vergasers beruht darauf, dass durch
12.2 Äußere Gemischbildung die Verringerung eines Querschnittes in einem luft-
Die äußere Gemischbildung ist kennzeichnend für leitenden Kanal auf Grund der höheren Strömungs-
den konventionellen Ottomotor. Luft und Kraftstoff geschwindigkeit im engsten Querschnitt, ein gerin-
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_12
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) 561

Einlauf
Luftfilterseite Kraftstoffzulauf
Kraftstoffdüse Belüftung
(Hauptdüse)
Druckdifferenz Luft
Schwimmer

Einengung
(Lufttrichter)

Schwimmerkammer
Mischkammer
Druckdifferenz Kraftstoffniveau
Drosselklappe Kraftstoff
Bild 12-1 Prinzip des
Saugrohrseite
Vergasers

gerer Druck gegenüber dem erweiterten Querschnitt Beschleunigerpumpe. Zum Ausgleichen des Einflus-
beziehungsweise gegenüber der Atmosphäre erzeugt ses der unterschiedlichen Reynoldszahlen bei der
wird. Diese Druckdifferenz wird benutzt, um über Kraftstoff- und Luftströmung mischt man dem Kraft-
geeignete Querschnitte der Luft Kraftstoff zuzuführen stoff Korrekturluft zu.
(Bild 12-1).
Die Erzeugung eines Differenzdrucksignals aus Veränderlicher Lufttrichterquerschnitt: Die Ver-
einem Luftstrom und seine unmittelbare Umsetzung änderung des Ansaugluftkanalquerschnittes wird übli-
in einen Kraftstoffstrom ist für Vergaser charakteris- cherweise mit einem beweglichen Element ausge-
tisch. Luftseite und Kraftstoffseite sind im Prinzip führt. Gebräuchlich sind: eine Luftklappe, ein den
identisch aufgebaut und lassen sich mit der Bernoulli- Kanal durchdringender Kolben und eine den Kanal
Gleichung der Strömungsmechanik beschreiben. einengende Schwinge.
Unter der vereinfachten Annahme einer inkompres- Damit ist es möglich, mit einem sich nur wenig
siblen Strömung ergibt sich für den Luftmassenstrom: ändernden Differenzdruck, eine große Spanne von
m L AL ˜D L ˜ H ˜ 2 ˜ 'pL ˜ U L (12.1) Luftströmen zu beherrschen. Aus Symmetriegründen
ist für die Dosierung des Kraftstoffs ein beweglichen
Darin bedeuten AL = Querschnitt des Lufttrichters, Element mit einer Düsennadel verbunden, die in eine
DL = Durchflusszahl, H = Faktor für Luftkompressibi- Düse eintaucht.
lität, 'pL = Druckdifferenz Lufttrichter gegenüber Wenn das bewegliche Element auch im Leerlauf
Umgebung, UL = Luftdichte im Lufttrichter. arbeitet, kann man für den stationären Betrieb des
Für den Kraftstoffmassenstrom gilt: betriebswarmen Motors den Kraftstoff für den ge-
samten Bereich der Luftströme mit der Nadeldüse
m Kr AKr ˜DKr ˜ 2 ˜ 'pKr ˜ UKr (12.2) dosieren. Man spricht dann von einem Gleichdruck-
vergaser.
Darin bedeuten AKr = Querschnitt Kraftstoffdüse,
Wenn das bewegliche Element im Leerlauf des Mo-
DKr = Durchflusszahl der Düse, 'pKr = Druckdifferenz tors nicht arbeitet, sondern an einem Anschlag an-
an der Düse, UKr = Kraftstoffdichte.
liegt, spricht man von einer Gleichdruckstufe.
Ein Vergaser hat einen Kraftstoffspeicher (Schwim-
Gleichdruckstufen finden sich oft auch als zweite
merkammer) mit einer freien Kraftstoffoberfläche,
Stufe in Registervergasern.
deren Niveau konstant gehalten ist. Man unterscheidet:

Konstanter Lufttrichterquerschnitt (Festlufttrich- 12.3.2 Bauarten


tervergaser) (Bild 12-1): Vergaser sind überwiegend
nach diesem Prinzip aufgebaut. Im Ansaugluftkanal Bei den Bauarten kann man unterteilen nach der
befindet sich ein venturiartig geformter Lufttrichter Anzahl der Ansaugluftkanäle und ihrer Lage im
mit festem Querschnitt. Ihm ist mindestens eine Raum.
Hauptdüse zugeordnet. In kleinen Luftströmen bleibt
die mit dem Lufttrichter erzeugte Druckdifferenz 12.3.2.1 Anzahl der Ansaugluftkanäle
klein. Man muss daher die zwischen dem Einlauf und
dem Saugrohr herrschende Druckdifferenz zum Do- Einfachvergaser: Dieser hat einen Ansaugluftkanal
sieren des Kraftstoffs mit heranziehen. mit einer Drosselklappe und stellt die häufigste Bau-
Vergaser mit konstantem Lufttrichterquerschnitt be- art dar. Bild 12-2 zeigt als Ausführungsbeispiel einen
nötigen für eine angemessene Kraftstoffversorgung Fallstromvergaser, auf dem mehrere Größen und
im Motorkennfeld mehrere Düsensysteme und eine Ausbaustufen des Vergasers für den Motor des VW-
562 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Korrekturluftdüse mit MIschrohr


Schwimmerkammerbelüftungsrohr Vordrossel
Einfachpulldown
Leerlaufluftdüse

Stufen- Bimetallfeder
Einspritz-
Schwimmernadelventil rohr scheibe
Drosselklappen-
Kraftstoffzulauf anschlagschraube

Lufttrichter
Anschlussrohr
für Zündver-
stellung

Druckventil
Saugventil Austrittsarm

Drosselklappe
Pumpenhebel Stiftschraube

Leerlauf- Pumpenübertragungshebel
gemisch/
Pumpenfeder Regulier- Übergangsbohrungen
schraube
Leerlaufkanal
Hauptdüsenträger
mit Hauptdüse

Bild 12-2 Fallstromvergaser als Festlufttrichtervergaser

Käfers aufbauen. Es handelt sich um einen Festluft- jedoch nur eine Schwimmerkammer und eine Be-
trichtervergaser. schleunigungspumpe vorhanden. Notwendige Steuer-
Das System besteht aus Schwimmerkammer mit organe für zum Beispiel die Starteinrichtung sind nur
Schwimmer und Schwimmernadelventil sowie einfach vorgesehen.
Schwimmerkammer-Innenbelüftung in den Einlauf. Der Doppelvergaser besitzt zwei parallele Ansaug-
Er besitzt ein Hauptsystem mit Lufttrichter, Austritts- luftkanäle in einem gemeinsamen Vergasergehäuse
arm, Korrekturluftdüse mit Mischrohr und einer mit je einer Drosselklappe, die zwei voneinander ge-
Hauptdüse sowie ein abhängiges Leerlaufsystem mit trennte Saugrohre versorgen. Die Drosselklappen
Leerlaufdüse, Leerlaufluftdüse, Leerlaufgemisch-Re- werden synchron betätigt und können sowohl auf
gulierschraube und Übergangsbohrungen. einer gemeinsamen als auch auf zwei zueinander
Eine Drosselklappenanschlagschraube dient der Ein- parallelen Wellen angeordnet sein. Gleiches gilt für
stellung der Öffnung der Drosselklappe und damit der die Vordrosseln.
Regelung von Luft- beziehungsweise Gemischstrom
für den Leerlauf. Als Weiterentwicklung ist ein Dreifachvergaser: Er ist eine Zusammenfassung von
Leerlauf-Kraftstoff-Abschaltventil hinzugefügt. Die drei Festlufttrichtern und besitzt drei in einer Reihe
Beschleunigungspumpe mit Membran sowie ein angeordnete parallele Ansaugluftkanäle mit je einer
Saug- und Druckventil werden über ein Gestänge Drosselklappe in einem gemeinsamen Vergaserge-
zusammen mit der Drosselklappe betätigt. Die Aus- häuse. Klassisches Anwendungsgebiet war der Ein-
trittsöffnung des Einspritzrohres ist kalibriert. Eine satz von zwei Dreifachvergasern auf einem Sechs-
Druckentnahmebohrung für die Zündungsfrühverstel- zylinder-Boxermotor.
lung mündet im engsten Querschnitt des Lufttrichters.
Der Einfachvergaser kann mit einer Startautomatik Registervergaser: Bei einer großen Spanne des
ausgestattet werden. Luftstroms teilt man den möglichen Luftstrom auf
zwei Stufen auf, von denen die erste Stufe für die
Doppelvergaser: Ein Doppelvergaser ist die Zu- kleineren Luftdurchsätze einschließlich Leerlauf und
sammenfassung von zwei Einfachvergasern in einem Teillast benutzt und die oftmals im Querschnitt grö-
Gehäuse. Jedem der Ansaugluftkanäle ist ein gleicher ßere zweiten Stufe nur zum Erreichen der Höchstleis-
Satz von Systemen zugeordnet. In der Regel sind tung geöffnet wird. Der Registervergaser enthält zwei
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) 563

parallele Ansaugluftkanäle in einem gemeinsamen a) Beschleunigungsanreicherung. Die Aufbereitung


Gehäuse, die beide mit einem Saugrohr verbunden des Gemisches, die bereits im Vergaser beginnt,
sind. Die beiden Drosselklappen im Vergaser werden erfolgt primär im Saugrohr. Die Siedelage des Kraft-
nacheinander geöffnet. stoffs und die Beheizung der Ansaugluft und des
Die erste Stufe eines Registervergasers ist mit allen Saugrohres müssen so aufeinander abgestimmt sein,
weiteren notwendigen Systemen aufgebaut. Be- dass ein möglichst homogenes Gemisch bei betrieb-
schleunigungspumpe und Starteinrichtung sind dage- warmem Motor erreicht wird. Aber selbst bei be-
gen nur für die erste Stufe nötig. Diese wird im All- triebwarmem Motor finden sich hochsiedende Anteile
gemeinen mit dem Gaspedal direkt geöffnet; die des Kraftstoffes noch flüssig im Saugrohr, und zwar
zweite Stufe ist in Abhängigkeit der Öffnung der als Wandfilm, der von der Luft mitgenommen wird.
ersten Stufe im Vergaser gekoppelt. Ähnlich wie Die Luft gelangt schneller in die Zylinder als der
beim Einfachvergaser kann auch ein Registervergaser Kraftstoff. Das führt beim Öffnen der Drosselklappe
zu einem Doppelregistervergaser zusammengefasst zu einem „Ausmagern“ des Gemisches, so dass eine
werden. Meist werden Doppelregistervergaser durch vorübergehende Anreicherung notwendig wird.
eine Schwimmerkammer versorgt. Anwendung fan- Das erreicht man mit der Beschleunigungsanreiche-
den solche Vergaser bei großvolumigen Sechs- und rung mittels Beschleunigerpumpe.
Achtzylindermotoren. Beschleunigerpumpen sind Volumen verdrängende
Pumpen mit Saug- und Druckventil. Im Saughub
12.3.2.2 Lage der Ansaugluftkanäle strömt Kraftstoff aus der Schwimmerkammer durch
Bezüglich Lage der Luftkanäle unterscheidet man das Saugventil in den Pumpenraum. Beim Förderhub
zwischen: gelangt Kraftstoff durch das Druckventil meistens zu
einer Einspritzvorrichtung. Diese ist kalibriert und
Fallstromvergaser: Hier ist der Ansaugluftkanal mündet in den Ansaugluftkanal. Der Förderhub wird
senkrecht angeordnet; die Drosselklappe befindet sich durch eine Pumpenfeder realisiert, die auf verschie-
im unteren Teil des Vergasers. Die Luft strömt von dene Weisen gespannt wird. Man unterscheidet
oben nach unten. zwischen:
Flachstromvergaser: In einem Flachstrom- oder x mechanisch betätigter Kolbenpumpe (Bild 12-3)
Horizontalvergaser liegt der Ansaugluftkanal hori- x mechanisch betätigter Membranpumpe
zontal. x pneumatisch betätigter Beschleunigerpumpe.
Schrägstromvergaser: Dabei liegt der Ansaugluft-
b) Betätigung und Aufbau einer zweiten Verga-
kanal schräg im Raum; der Luftstrom kann nach oben
serstufe. Bei Registervergasern sind mehrere Syste-
oder nach unten gerichtet sein.
me für die Betätigung der zweiten Stufen realisiert,
Steigstromvergaser: Hier steigt der Luftstrom von die sich auch in deren Aufbau wiederspiegeln. Wich-
unten nach oben auf. Die Drosselklappe befindet sich tig ist, die zweite Stufe stets sicher mit der ersten
im oberen Bereich des Vergasers. Stufe zu schließen.
Man unterscheidet zwischen mechanisch und pneu-
12.3.2.3 Bauarten für Sonderanwendungen matisch betätigten Systemen.
Druckvergaser: Ein Druckvergaser ist für die Ver- Mechanisch betätigte zweite Stufe: Bei mechanisch
wendung auf der Druckseite des Laders eines aufge- betätigten Systemen erfolgt die Betätigung der zwei-
ladenen Motors druckfest nach außen abgedichtet. ten Vergaserstufe überwiegend durch ein Schleppge-
Vergaser für Zweitaktmotoren. Mit Rücksicht auf stänge, wobei oft eine Öffnungsdämpfung eingesetzt
die eingeschränkte Saugfähigkeit der meistens ver- wird, die eine temporäre Gemischausmagerung ver-
wendeten Kurbelkastenspülung und die starken Pul- meidet.
sationen im Ansaugluftkanal ist der Querschnitt für Die zweite Stufe beginnt erst zu öffnen, wenn die
die Luftströmung größer ausgelegt als bei Vergasern erste Stufe bereits halb geöffnet ist und ein Mitneh-
für Viertaktmotoren. mer des Drosselklappenhebels entsprechend positio-
niert ist. Beide Klappen erreichen die volle Öffnung
gleichzeitig. Der Aufbau der zweiten Stufe entspricht
12.3.3 Wichtige Systeme an Vergasern
weitgehend dem der ersten Stufe: Es gibt ein Haupt-
Zusatzsysteme zum Grundvergaser ermöglichen erst system und ein dem Leerlaufsystem in der ersten
den Einsatz im gesamten Betriebsbereich des Motors Stufe ähnliches Übergangssystem mit großer Kraft-
unter der Forderung Emissions- und Verbrauchsmi- stoffreserve. Letztere soll bei einem schnellen Öffnen
nimierung sowie Fahrverhalten. Im Folgenden ist der zweiten Stufe bei niedrigen Drehzahlen und
eine Auswahl der wichtigsten Systeme kurz beschrie- entsprechend hohem Druck im Saugrohr ein ruck-
ben. Sie stellen eine Auswahl dar und erheben keinen freies Ansteigen des Drehmoments gewährleisten.
Anspruch auf Vollständigkeit.
564 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Zusatzluftdüse Vorzerstäuber
Korrekturluftdüse Vordrossel Einspritzdüse
Grundleerlaufdüse Pumpenhebel
Schwimmernadel
Pumpenstössel
Kraftstoffzulauf

Beschleunigungs-
Schwimmernadelventil pumpe

Schwimmerkammer
Kraftstoffniveau
Pumpenkolben
Schwimmer
Grundleerlaufdüse
Mischrohr
Leerlaufkanal Pumpenraum
Hauptdüse

Zusatzgemisch-
Regulierschraube Saugventil

Drossel-
klappe Druckventil

Lufttrichter
Grundleerlaufgemisch- Übergangsbohrungen
Regulierschraube
Leerlaufgemisch-Abschaltventil

Bild 12-3 Vergaser mit mechanisch betätigter Beschleunigerpumpe

Bei Vergasern mit einer zweiten Stufe als Gleich- Kalibrierstrecke


druckstufe werden die auf einer gemeinsamen Welle
befindlichen Drosselklappen der zweiten Stufe mit
einem Schleppgestänge betätigt.

Pneumatisch betätigte zweite Stufe: Bei dieser


Bauart sind beide Stufen wie Festlufttrichtervergaser
aufgebaut. Eine Membrandose betätigt mit der am Bild 12-4 Düse mit
Drosselklappenhebel der zweiten Stufe angelenkten Kalibrierstrecke
Verbindungsstange die Stufe. Durch eine entspre-
chende Ausführung wird erreicht, dass die zweite Es gibt Vergaserbauarten, die keine Niveauregelung
Stufe nur öffnen kann, wenn die erste fast vollständig mittels einer Schwimmerkammer enthalten. Das
offen ist und dass die zweite mit der ersten Stufe Niveau im Kraftstoffspeicher wird dann über den
geschlossen wird. Druck im Kraftstoffspeicher geregelt (Membranver-
c) Düsen. Sie dienen der Bemessung von Kraftstoff, gaser).
Korrekturluft und Vorgemisch. Zur optimalen Strö- Zur Funktionserfüllung sind Schwimmerkammern
mungsausbildung und zum Schutz des eigentlichen belüftet. Man unterscheidet zwischen einer Außen-
kalibrierenden Abschnitts haben sie einen Einlaufko- und Innenbelüftung. Bei der Außenbelüftung ist der
nus und gegebenenfalls einen Auslaufkonus. Das Gasraum der Schwimmerkammer direkt mit der
Bild 12-4 zeigt eine typische Hauptdüse. Sie kann für Umgebung des Vergasers verbunden. So vermeidet
beide Strömungsrichtungen eingesetzt werden. man im Heißbetrieb Störungen, die durch Ausgasen
des in der Schwimmerkammer befindlichen Kraft-
d) Schwimmerkammer. Sie dient der Regelung des stoffs entstehen können.
Kraftstoffniveaus im Vergaser sowie als Kraftstoff Bei der Innenbelüftung mündet ein Rohr im Einlauf
speicher und enthält einen geführten Schwimmer, der beziehungsweise auf der Reinluftseite des Luftfilters.
in den Kraftstoff eintaucht. Der Schwimmer betätigt
eine Nadel, den Schließkörper des Schwimmernadel- e) Starteinrichtungen. Der Steuerung des Motors
ventils, die beim Erreichen des eingestellten Niveaus vom Kaltstart über den Warmlauf bis zum „warmen“
den Zustrom von Kraftstoff sperrt. Motor muss bei Vergasermotoren besondere Auf-
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) 565

merksamkeit geschenkt werden. Insbesondere die Bimetallfeder, gegen die eine Vordrossel vom
gesetzlichen Begrenzungen der Abgasemissionen, die Luftstrom aufgezogen werden kann. Der funktio-
Problematik der Gemischverteilung, die Wandanlage- nale Zusammenhang zwischen der Stellung Vor-
rung des Kraftstoffs, Kosten, Bedienungs- und Fahr- drossel und der Stellung Drosselklappe erfolgt
komfort sind Anforderungen, denen Rechnung ge- mittels einer Stufenscheibe. Im Gegensatz zur
tragen werden muss. Startvollautomatik muss der Funktionsablauf vor
Die Anforderungen, insbesondere in Bezug auf eine dem Start durch ein einmaliges Durchtreten des
Anreicherung des Gemisches, ergeben sich aus: Gaspedals ausgelöst werden. Die Temperatur der
Bimetallfeder wird durch Beheizen an die Tempe-
x erhöhter Reibung auf Grund noch nicht erreichter
ratur des Motors angeglichen. Mit steigender Tem-
Betriebstemperatur
peratur der Bimetallfeder öffnet die Vordrossel und
x unzureichender Gemischaufbereitung
die Gemischanreicherung wird zurückgenommen.
x erhöhter Leistungsbedarf für Nebenaggregate.
x Startvollautomatik. Dieses System muss vor dem
Für eine stöchiometrische Mischung von Luft und Start nicht ausgelöst werden. Die Steuerung des
handelsüblichem Kraftstoff (Siedeverlauf), liegt der Gemischmengenstroms für den Leerlauf des kal-
Taupunkt bei Umgebungsdruck bei etwa 35 °C. Eine ten Motors einerseits und der Anreicherung des
Homogenisierung des Gemisches kann im Allgemei- Gemisches abhängig vom angesaugten Luftstrom
nen erst im Zylinder erfolgen, wenn während des andererseits erfolgen getrennt voneinander.
Verdichtungshubes die Taupunkttemperatur des
Es gibt an Vergasern eine ganze Reihe von weiteren
Gemisches im Zylinder überschritten wird. Infolge-
Einrichtungen und Zusatzfunktionen, die sein Be-
dessen ist bei kaltem Motor im Saugtrakt stets ein
triebsverhalten verbessern wie zum Beispiel Dros-
hoher Anteil von flüssigen Bestandteilen des Kraft-
selklappenansteller, Druckentnahmebohrungen, Kor-
stoffs. Dies erfordert sogar im stationären Motorbe-
rekturluft-, Leerlauf-, Übergangs-, Zusatzgemisch-
trieb, zum Ausgleich von Mängeln bezüglich der
und Umluftsysteme, um nur einige zu nennen, auf
Homogenisierung, eine Anreicherung des Gemisches
deren Darstellung verzichtet wird.
gegenüber dem betriebwarmen Zustand. Darüber
hinaus ist eine Anreicherung im Fall der Beschleuni-
gung notwendig. Diese muss umso größer sein, je 12.3.4 Elektronisch geregelter Vergaser
tiefer die Temperatur von Luft und Saugrohrwand ist.
Hauptführungsgröße für die Anreicherung ist die Elektronisch geregelte Vergaser wurden entwickelt,
Temperatur des Saugrohrs. um eine verbesserte Gemischanpassung an alle Mo-
Die Anpassung der Gemischbildung muss sich auf torbetriebsbereiche zu erzielen und damit den Forde-
folgende Phasen beziehen: rungen nach Minimierung der Rohemissionen und
Senkung des Kraftstoffverbrauchs gerecht zu werden.
x Start mit Nachstartphase: Der Motor springt an, Später wurde an das System eine Lambda-Regelung
sobald ein zündfähiges Gemisch entsteht. Dieser adaptiert. Der elektronisch geregelte Vergaser ist in
Vorgang läuft bei hohen Temperaturen schneller seinem mechanischen Aufbau im Wesentlichen
ab als bei tiefen Temperaturen. Benötigt wird da- identisch mit dem konventionellen Vergaser. Hinzu
rüber hinaus unter anderen eine stationäre, von der kommen eine im leerlaufnahen Bereich wirkende
Anfangstemperatur und der Zeit nach dem Start Betätigung der Drosselklappe, ein Eingriff in die
abhängige, Anreicherung des Gemisches. Gemischanreicherung, Sensoren und ein elektroni-
x Hochlauf auf stabile Leerlaufdrehzahl: Eine erste, sches Steuergerät, Bild 12-5.
sehr starke Anreicherung muss zurückgenommen Der elektronisch geregelte Vergaser ist prinzipiell ein
werden, damit das Gemisch brennfähig bleibt. Festlufttrichtervergaser in Registerbauweise mit
x Warmlauf auf Betriebstemperatur: Entsprechend pneumatisch betätigter zweiter Stufe. Die Betätigung
der Motorerwärmung kann der Gemischstrom und der Drosselklappe der ersten Stufe erfolgt im leer-
die Anreicherung abhängig von der Temperatur laufnahen Bereich mit einem stufenlos stellungsgere-
des Saugrohrs abgesteuert werden. gelten Drosselklappenansteller.
Die stufenlose Gemischanreicherung im gesamten
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen drei Bereich erfolgt über die Vordrossel in der ersten
Systemen für die Starteinrichtung: Stufe, die zur Anreicherung in Richtung Schließen
x Handstarteinrichtung, auf die hier nicht eingegan- betätigt wird.
gen wird, da veraltet. An der Drosselklappenwelle der ersten Stufe befindet
x Startautomatik. Der Gemischstrom für den Start sich ein Drosselklappenpotentiometer, mit dem die
und den Leerlauf des kalten Motors wird durch Drosselklappenstellung beziehungsweise die Ände-
Öffnen der Drosselklappe sichergestellt; die An- rung der Drosselklappenstellung ermittelt wird. Sig-
reicherung des Gemisches erfolgt mittels Vor- nale der Sensoren aus Temperaturfühler für Kühl-
drossel. Temperaturabhängiges Steuerorgan ist eine mittel- und Saugrohr, Leerlaufschalter am Drossel-
566 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Vordrosselsteller
Vordrosselklappe (VD)
Drosselklappen-
ansteller (DKA)

Vergaser

Drosselklappe (DK)
Drosselklappen-
potentiometer

Temperaturfühler

Elektronisches Steuergerät

Start- und Warmlauf- Temperatur


steuerung
Endstufe
Drossel- Leerlaufdrehzahl- DK-WInkel
regelung
Aufbereitung

klappe
Beschleunigungs- DKA-Stellung
anreicherung

Lambda-Regelung Lambda-Signal
Endstufe
Kennfeldkorrektur
Vordrossel
Schubabschaltung Drehzahl
Motorstopp
Bild 12-5 Prinzipbild des
elektronisch geregelten
Ausgabe Verarbeitung Eingabe
Vergasers

klappenansteller sowie ein Drehzahlabgriff sind Ein- 12.3.5 Gleichdruckvergaser


gangsgrößen für die elektronische Steuerung, welche
die Verstellung der Drosselklappe der ersten Stufe Das Prinzip des Gleichdruckvergasers ist am Beispiel
sowie der Vordrossel bewirken. Folgende Funktionen eines Zenith-Stromberg CD-Vergaser dargestellt,
sind unter anderen damit darzustellen: Bild 12-6. Das System arbeitet mit einem als Flach-
stromvergaser ausgebildeten veränderlichen Luft-
x Steuerung von Start und Warmlauf des Motors querschnitt. Die Querschnittsveränderung im Ansaug-
x Beschleunigungsanreicherung luftkanal wird durch einen von oben eintauchenden
x Lambda-Regelung Kolben bewirkt. Eine Feder drückt ihn neben seiner
x Beeinflussung des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses Schwerkraft gegen eine den unteren Abschnitt des
im Kennfeld Ansaugluftkanals ausfüllende Brücke. Oberhalb des
x Leerlaufdrehzahlregelung Kolbens ist mit einer Membran ein Raum abgeschlos-
x Schubabschaltung sen, der mit der Kolbenunterseite verbunden ist und
x Katalysatorschutzfunktion durch Kraftstoffab- so einen Druckausgleich herbeiführt. Die Unterseite
schaltung. der Membran ist zum Einlauf hin belüftet. Die Feder
Der Start erfolgt bei einem elektronischen Vergaser bewirkt, dass eine linear ansteigende Druckdifferenz
mit angestellter Drosselklappe der ersten Stufe und notwendig ist, um den Kolben anzuheben.
vollständig geschlossener Vordrossel. Während des Durch diese Druckdifferenz wird die angesaugte Luft
Hochlaufs übernimmt die Leerlaufdrehzahlregelung zwischen Einlauf und der engsten Stelle zwischen
mit einem von der Kühlmitteltemperatur des Motors Kolben und Brücke beschleunigt. Die Position des
abhängigen Sollwert die Führung der Drosselklappe. Kolbens ist somit ein Maß für den angesaugten Luft-
Die Anreicherung des Gemisches erfolgt mit der strom.
Vordrossel, wobei schon stationär im Kennfeld des Unterhalb der Brücke befindet sich die Schwimmer-
Motors eine von der Temperatur des Saugrohrs ab- kammer. Zentral am Kolben ist eine Düsennadel be-
hängige Grundanreicherung vorgegeben ist. Diese festigt, die in eine Nadeldüse eintaucht und den
ergänzt bei Lasterhöhung des Motors eine Beschleu- Kraftstoff abhängig vom Hub des Kolbens dosiert.
nigungsanreicherung.
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) 567

Docht Leerlaufgemisch-
Vergaserdeckel
Abschaltventil
Dämpferöl
Dämpferkolben
Kolbenfeder Anschl. f. Zündungs-
frühverstellung
Membran
Leerlauf-
Vergasereinlauf gemisch-
Einstell-
Kraftstoffzulauf
schraube
Kraftstoff- Nadeldüse
rücklauf
Drosselklappe
Saugrohr

Mischkammer

Kraftstoff-
rücklauf-
ventil Bimetallfedern
Schlauch d. Gemischumführung
Düsennadel
Schwimmer Schwimmerkammer Bild 12-6 Gleichdruck-
Kraftstoffniveau
vergaser

Mit der Nadeldüse lässt sich der Kraftstoff zunächst Höhenkorrektur: Die Anreicherung des Gemisches
auf einer Kennlinie abhängig vom Luftstrom bemes- erfolgt bei Vergasern in erster Näherung proportional
sen. Man adaptiert Gleichdruckvergaser so, dass bei mit der Wurzel des Umgebungsdruckes. Beispiels-
Volllast und etwa halber Höchstdrehzahl der Kolben weise beträgt die Anreicherung bei 1.600 m Höhe
ganz geöffnet ist. Bei größeren Luftströmen arbeitet bezogen auf Meereshöhe circa 10 %. Es gibt folgende
der Gleichdruckvergaser dann wie ein Festlufttrich- Möglichkeiten der Korrektur:
tervergaser. Unter Ausnutzen der Druckschwingun- x Beeinflussung des Drucks in der Schwimmer-
gen im Ansaugsystem, kann man das Mischungsver- kammer
hältnis von Luft und Kraftstoff im ganzen Motorbe- x Beeinflussung des Differenzdrucksignals zur
triebsbereich festlegen. Mengendosierung
x Beeinflussung der Luftkorrektur und des Dosier-
12.3.6 Betriebsverhalten querschnittes für Kraftstoff.
Heißbetrieb: Während des Motorbetriebes wird der
Vergaser durch die angesaugte Luft und die begin- Vereisung: Durch die Verdunstungswärme des
nende Verdampfung des Kraftstoffs gekühlt. Hohe Kraftstoffs wird der angesaugten Luft und den Bau-
Umgebungstemperaturen und Nachhitze (Ausdamp- teilen des Vergasers Wärmeenergie entzogen; sie
fen des Kraftstoffs) nach Abstellen des Motors kann kühlen aus. Das kann zum Ausfrieren des in der Luft
jedoch zu Betriebsstörungen führen. enthaltenen Wasserdampfes und damit zu Betriebs-
Hohe Bauteiltemperaturen des Vergasers, die zum störungen führen. Die Neigung zur Eisbildung ist am
Ausdampfen von Kraftstoff führen, Motoren mit größten bei Lufttemperaturen um 5 °C und hoher
Zylinderköpfen in Gleichstromanordnung, bei denen Luftfeuchtigkeit, besonders bei Nebel.
Saugrohr und Abgaskrümmer übereinander angeord- Sehr wirksam lässt sich der Vereisung kraftstoffseitig
net sind und das Siedeverhalten des Kraftstoffs sind durch Additive (zum Beispiel Alkohole) im Kraftstoff
Hauptursache für die Probleme. begegnen, die den Gefrierpunkt herabsetzen.
Verbesserungen bezüglich Heißbetrieb sind möglich Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine Ansaug-
mit: luftvorwärmung einzusetzen um damit die Lufttem-
peratur anzuheben.
x Heißleerlaufventil zur Öffnung eines Bypasses für
Man unterscheidet zwischen:
Luft zur Umgehung des Vergasers. Es wirkt vor
allem im Leerlauf des heißen Motors einer Anrei- Leerlaufvereisung: Sie kann auftreten, wenn sich bei
cherung des Gemisches entgegen. geringer Belastung des Motors aus dem sich abküh-
x Kraftstoffrücklauf. Ein parallel zum Schwimmer- lenden Gemisch Eis am Rande der Drosselklappe
nadelventil geschaltetes Ventil führt nicht benötig- absetzt. Hinzu kommt, dass sich an den Bohrungen,
ten Kraftstoff in den Tank zurück. Damit wird durch die das Vorgemisch für den Leerlauf austritt,
Wärme aus dem Vergaser abgeführt. sowie an den Übergangsbohrungen Eis absetzen kann
x Vermindern der Aufheizung zum Beispiel durch und das Differenzdrucksignal verfälscht. Abhilfe
Abschirmbleche und Isolierflansche. bietet zum Beispiel neben einem Wechsel auf additi-
568 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

vierten Kraftstoff ein Verstärken der Ansaugluftvor- Literatur zu Kapitel 12.1–12.3.7


wärmung. Mit zunehmender Erwärmung verschwin-
det die Leerlaufvereisung. [1] Pierburg, A.: Vergaser für Kraftfahrzeugmotoren. Düsseldorf:
Vertrieb VDI-Verlag, 1970
Volllastvereisung: Volllastvereisung oder Lufttrich- [2] Löhner, K.; Müller, H.: Gemischbildung und Verbrennung im
Ottomotor, Band 6 in H. List: Die Verbrennungskraftmaschine.
ter-Vereisung kommt bei älteren Vergasern vor, bei Wien, New York: Springer, 1967
denen das Mischrohr des Hauptsystems zentral im [3] Lenz, H. P.: Gemischbildung bei Ottomotoren, Band 6. In:
Lufttrichter untergebracht ist und das Vorgemisch auf H. List, A. Pischinger: Die Verbrennungskraftmaschine, Neue
kurzem Wege in die Luft übertritt. Folge. Wien, New York: Springer, 1990
[4] Behr, A.: Elektronisches Vergasersystem der Zukunft. In:
Abhilfe ist durch verstärkte Ansaugluftvorwärmung MTZ 44 (1998) 9, S. 344
oder durch einen additivierten Kraftstoff möglich. Bei [5] Großmann, D.: Lexikon Verbrennungsmotor: Vergaser. In: Sup-
Vergasern, bei denen der Mischrohrschacht sich nicht plement MTZ/ATZ, 2002
zentral im Lufttrichter befindet, tritt Vergaserverei-
sung äußerst selten auf.
12.3.8 Gemischbildung
Leerlaufdrehzahlregelung: Eine Regelung der Leer-
laufdrehzahl ist indirekt mit mechanischen Mitteln
mittels Benzineinspritzung
durch eine Saugrohrdruckregelung möglich. Beim 12.3.8.1 Saugrohreinspritzsysteme
elektronisch geregelten Vergaser ist ein separater
Leerlaufregler integriert. Der Aufbau moderner Saugrohreinspritzsysteme, bei
denen der Kraftstoff über zylinderindividuelle, elekt-
Nachlaufen des Motors: Um ein „Nachlaufen“ des ronisch gesteuerte Einspritzventile in die Saugarme
Motors nach dem Abstellen infolge Selbstzündung des Ottomotors eingespritzt wird, ist vor allem durch
des Gemisches an heißen Stellen im Brennraum zu die Forderungen nach niedrigen Fahrzeugemissionen
vermeiden, schaltet man mit der Zündung die Zufuhr und geringen Kraftstoffverbräuchen geprägt. Eine
des Kraftstoffs ab. typische Konfiguration zur Erfüllung niedrigster
Schubbetrieb: Der Übergang vom Last- in den Emissionsvorschriften zeigt das Bild 12-7.
Schubbetrieb muss unter Umständen in zweierlei Die über die Grundfunktionen des Motorsteuerungs-
Hinsicht unterstützt werden. Durch Gemischzugabe systems – Einspritzung und Zündung – hinausgehen-
im Schub wird ein unerwünschtes Ausmagern des den Maßnahmen zur Emissionsreduzierung richten
Gemisches vermieden. Das erfolgt mit einem Zusatz- sich vor allem nach den einzuhaltenen Emissions-
gemischsystem. Die andere Möglichkeit ist die Kraft- vorschriften, den Rohemissionen des Verbrennungs-
stoffabschaltung im Schub, die üblicherweise dreh- motors und nach der Fahrzeuggewichtsklasse im
zahlgesteuert ist und zusätzlich der Senkung des Abgastest. So können gerade bei der Abgasnachbe-
Kraftstoffverbrauchs dient. handlung Maßnahmen wie zum Beispiel Sekundär-
Der Übergang in den Schubbetrieb geschieht mit lufteinblasung in Kombination mit Zündungsspätver-
einem Drosselklappenschließdämpfer oder Schub- stellung zur schnellen Aufheizung des Katalysators
luftventil um Lastwechselreaktionen zu minimieren. notwendig sein. Diese Maßnahmen, als auch deren
Diagnose, bewirken zusätzlichen Aufwand im Mo-
torsteuerungssystem in Form von Sensoren, Aktoren,
12.3.7 Lambda-Regelung Verkabelung und Rechnerleistung.
Für das Umsetzen einer Lambda-Regelung sind zwei Typische funktionale Merkmale eines modernen Mo-
Lösungen aufgeführt: torsteuerungssystems sind:
x Beim Festlufttrichtervergaser ist für die Lambda- x momentenbasierte Lastregelung mit elektronisch
Regelung zum Beispiel eine zusätzliche Ein- geregelter Drosselklappe (ETC = Electronic
griffsmöglichkeit geschaffen in Form von Venti- Throttle Control)
len, die ins Hauptsystem und/oder Leerlaufsystem x modellbasierte Funktionen, wie zum Beispiel eine
eingebracht werden und das Luft-Kraftstoff- modellbasierte Saugrohrfüllung mit einer Last-
Verhältnis beeinflussen. Alternativ dazu verwen- erfassung über einen Heißfilmluftmassenmesser
det man eine Anordnung in der Art einer Teillast- oder über einen Saugrohrdrucksensor
steuerung, bei der ein Kanal zum Saugrohr mit ei- x Regelung der Position einer kontinuierlich ver-
nem Magnetventil geöffnet beziehungsweise ge- stellbaren Nockenwelle auf der Einlass- und/oder
schlossen wird. auf der Auslassseite
x Beim elektronischen Vergaser ist die Lambda- x Ansteuerung diverser Relais zum Ein- bezie-
Regelung Teil des Funktionsumfangs eines elekt- hungsweise Ausschalten von Komponenten
ronischen Steuergeräts. Der Eingriff in Bezug auf (Hauptrelais, Kraftstoffpumpenrelais, Lüfterrelais,
das Mischungsverhältnis Luft-Kraftstoff erfolgt Starterrelais, Klimakompressorrelais, …)
über eine Vordrossel.
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) 569

Phasenvariable Einlassnockenwelle
Sprayverbessertes Einspritzventil
Motorsteuerung Gerät
Nockenwellenpositionssensor Stabzündspulen
Saugrohrdrucksensor

Kühlwassertemperatursensor
Linearer Lambda-Sensor Vor-Kat

Klopfsensor 2. Lambda-Sensor-Sprungsonde-Nach-Kat

Elekronisch gesteuerte Drosselklappe

Tankentlüftungsventil

Schalldämpfer
Kurbelwellenpositionssensor Dreiwegekatalysator motornah

Bild 12-7 Saugrohreinspritzsystem

x aktiver Nockenwellenpositionssensor zur schnel- rohrdruck beaufschlagt, so dass sich ein konstanter
len Erfassung der Nockenwellenposition und da- Differenzdruck zwischen dem Kraftstoff in der Ver-
mit zur schnellen Synchronisation der Motorsteue- teilerleiste und dem Saugrohr einstellt. Dadurch ist
rung beim Motorstart bei konstanter Ansteuerzeit der Einspritzventile die
x zylinderselektive Klopfregelung auf Basis eines Einspritzmenge unabhängig vom Saugrohrdruck.
Kurbelgehäuse-Schwingungssensors zur leistungs- Vorteile des Kraftstoffsystems mit Rücklauf sind:
und verbrauchsoptimalen Regelung des Zündzeit- x eine gute Dynamik der Kraftstoffdruckregelung
punktes x ein gutes Heißstartverhalten durch das Spülen der
x Regelung des Tankentlüftungsventils zur Regene- Kraftstoffverteilerleiste mit kühlem Kraftstoff aus
rierung des Aktivkohlebehälters während des Mo- dem Tank
torlaufs x eine Einspritzmenge, die unabhängig vom Saug-
x spezielle Katalysatorheizfunktion mit Sekundär- rohrdruck ist.
luftsystem, Zündungsspätverstellung und Getrie-
beschaltpunktsteuerung Ein wesentlicher Nachteil ist die Aufheizung des
x präzise Regelung der Gemischzusammensetzung Kraftstoffs im Tank (bis zu 10 K gegenüber rücklauf-
über einen Sauerstoffsensor („Lambda-Sensor“) freien Systemen). Das erhöht die Kraftstoffverdamp-
vor Katalysator und sogenannte „Trim“-Regelung fung im Tank und führt zu einer höheren Beladung
über einen zweiten Sauerstoffsensor nach Kataly- des Aktivkohlebehälters.
sator Aus diesem Grund und auch zur Reduzierung von
x „Onboard“-Diagnose (OBD) aller abgasrelevanten Systemkosten wurden rücklauffreie Kraftstoffsysteme
Komponenten und Funktionen. entwickelt, Bild 12-9. Ihr Kennzeichen ist eine Inte-
gration von Kraftstoffpumpe und Druckregelventil in
Bei der Auslegung des Kraftstoffsystems ist insbe-
den Tank oder in der Nähe des Tanks.
sondere auf eine geringe Aufheizung des Kraftstoffs
Vorteil dieses Aufbaus ist, dass der überschüssige
in der Kraftstoffverteilerleiste zu achten. Durch die
Kraftstoff nicht erst in den Motorraum gepumpt
Aufheizung des Kraftstoffs in der Phase nach Abstel-
werden muss und dort über den Druckregler zurück in
len (sogenannt „hot soak“) können Dampfblasen im
den Tank fließt. Die Einspritzzeiten werden in der
Kraftstoffrail auftreten, die beim nachfolgenden
Motorsteuerung auf Grund des konstanten Kraft
Heißstart zu Startproblemen führen können.
stoffdrucks von circa 350 kPa (3,5 bar r 0,5 bar)
Man unterscheidet grundsätzlich zwei Aufbauformen
entsprechend korrigiert.
des Kraftstoffsystems:
Zur Vermeidung von großen Druckschwankungen in
1. Kraftstoffsystem mit Rücklauf, Bild 12-8: Merk- der Kraftstoffverteilerleiste, die zu Einspritzmengen-
mal dieses Kraftstoffsystems ist, dass der Druckregler schwankungen führen können, kommen bei rücklauf-
direkt an der Kraftstoffverteilerleiste angeordnet ist. freien Kraftstoffsystemen Druckschwingungsdämpfer
Die Druckmembran wird einseitig durch den Saug- zum Einsatz.
570 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Unterdruck Saugrohr

Kraftstoffverteilerleiste

Druckregelventil

Motorraum

Einspritzventile
Rückschlagventil

Kraftstoffpumpe Kraftstoffrücklaufleitung

Kraftstofftank

Bild 12-8 Aufbau eines


Kraftstoffverteilersystems mit
Rücklauf

Kraftstoffverteilerleiste Dämpferelement

Motorraum

Einsspritzventile
Rückschlagventil Druckregelventil

Kraftstofftank

Bild 12-9 Aufbau eines


rücklauffreien Kraftstoff-
Kraftstoffpumpe Kraftstoffrücklaufleitung
verteilersystems

12.3.8.2 Systeme für Direkteinspritzung Durch Schichtung von Kraftstoff und Luft durch
Einspritzung während der Kompressionsphase wird
Neben der beschriebenen Möglichkeit den Kraftstoff dabei ein relativ mageres Gemisch eingestellt mit
flüssig in das Saugrohr des Ottomotors einzuspritzen, einer relativ fetten Gemischwolke in der Nähe der
wurden in den letzten Jahren Systeme für Direktein- Zündkerze, die einer sicheren Entflammung dient.
spritzung entwickelt. Dabei wird der Kraftstoff aus Durch den Luftüberschuss in dieser Betriebsart sinkt
einer unter hohem Druck stehenden zentralen Kraft- zum einen die Ladungswechselarbeit und zum ande-
stoffverteilerleiste über elektronisch gesteuerte Ein- ren der Wandwärmeverlust in der Hochdruckphase
spritzventile direkt in den Brennraum eingespritzt der Verbrennung, was in Summe zu erheblich niedri-
(„Common-Rail“-Prinzip). geren spezifischen Kraftstoffverbräuchen führt.
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) 571

reflection/ swirl
deflection tumble

wall guided charge motion guided spray guided


Bild 12-10 Brennverfahren

Darüber hinaus bewirkt die Direkteinspritzung durch vermieden. Dieses Brennverfahren stellt einen ho-
die Verdampfung des Kraftstoffs eine Innenkühlung hen Anspruch an die Strahlaufbereitung des Ein-
des Zylinders, was die Klopfneigung an der Volllast spritzventils. Für eine sichere Entflammung und
reduziert. Es besteht dadurch die Möglichkeit, die geringe Verrußung der Zündkerze muss ein fein
Verdichtung um circa eine Einheit anzuheben. Das zerstäubter Kraftstoff im Bereich der Zündkerze
bewirkt zusätzlich einen niedrigeren spezifischen vorliegen, wobei sich das Strahlbild auch bei sich
Kraftstoffverbrauch. Der geschichtete Betrieb ist nur änderndem Brennraumdruck nicht wesentlich ver-
in einem eingeschränkten Betriebsbereich in der ändern darf.
Teillast des Ottomotors sinnvoll. In den anderen
Daneben gibt es die luftunterstützte Direkteinsprit-
Bereichen wird der Motor homogen mager, stöchio-
zung (OCPTM)2), bei der sich die zentrale Injektorposi-
metrisch oder an der Volllast fett betrieben.
tion in der Nähe der Zündkerze als besonders vorteil-
Je nach Einbauort und Lage des Einspritzventils und
haft herausgestellt hat.
je nach Design der Lufteinströmung in die Zylinder
Das in Summe magere Gemisch während der Ver-
unterscheidet man zwischen dem wandgeführten,
brennung im geschichteten Betrieb stellt die Abgas-
dem luftgeführten und dem strahlgeführten Brennver-
nachbehandlung vor das Problem, dass konventionel-
fahren, Bild 12-10:
le Dreiwegekatalysatoren die NOx-Emissionen nicht
x HPDI1) mit wandgeführtem Brennverfahren (Bild reduzieren können. Trotz einer abgesenkten NOx-
12-10 links): Rohemission durch Abgasrückführraten bis zu 30 %
Das Einspritzventil ist seitlich angeordnet und der ist zur Erfüllung der Abgasgrenzwerte eine spezielle
Kraftstoff wird auf den Kolbenboden gespritzt. Nachbehandlung der NOx-Emissionen notwendig.
Durch die Form der Kolbenmulde und die Art der Neben den selektiven NOx-Reduktionskatalysatoren,
Luftströmung wird der eingespritzte Kraftstoff zur deren thermische Stabilität noch gering ist, werden
Zündkerze hin geleitet. Man unterscheidet je nach heute sogenannte NOx-Speicherkatalysatoren verwen-
Geometrie der Ansaugkanäle bei der Lufteinströ- det. Die Speicherkatalysatoren nehmen die NOx-
mung zwischen sogenannten Reverse-Tumble- Emission im mageren Betrieb auf und konvertieren
(„Umkehr-Rolle“) und Drallverfahren mit Kanal- sie im unterstöchiometrischen Betrieb in N2 und CO2.
abschaltung. Eine aufwändige Funktion im Motormanagement
x HPDI mit luftgeführtem Brennverfahren (Bild steuert diesen Prozess. Speicherkatalysatoren neigen
12-10 Mitte): zur „Schwefelvergiftung“ und sind daher auf Kraft-
x Das Einspritzventil ist ebenfalls seitlich angeord- stoff mit geringem Schwefelgehalt angewiesen.
net, aber der Kraftstoff wird im Gegensatz zum Durch die Maßnahmen zur Abgasnachbehandlung
wandgeführtem Brennverfahren in das Zentrum sinkt die effektive Kraftstoffverbrauchseinsparung
des Brennraums in die Luft gespritzt. Dazu ist eine durch Direkteinspritzung.
hohe Luftbewegung notwendig, die durch einen
variablen Tumble erzeugt wird. HPDI mit strahl- Luftunterstützte Direkteinspritzung
geführtem Brennverfahren (Bild 12-10 rechts): Neben den Flüssigkeits-Hochdruck-Direkteinspritz-
Dieses Brennverfahren hat das höchste Potenzial verfahren existieren luftunterstützte Direkteinspritz-
für einen mageren Motorbetrieb und damit das verfahren wie zum Beispiel das OCPTM. Mit dem
höchste Verbrauchseinsparungspotenzial von mehr luftunterstützten Direkteinspritzverfahren ist auf
als 30 % bei niederer Teillast. Das Einspritzventil Grund der besonderen Gemischaufbereitungsqualität
ist zentral im Brennraum angeordnet und die ein stabiles Brennverfahren mit guter Schichtungs-
Zündkerze steht dazu in kurzem Abstand seitlich fähigkeit und einer Verträglichkeit hoher Abgasrück-
geneigt. Dadurch wird ein Kontakt von Kraftstoff führmengen darstellbar.
mit dem Kolben oder den Brennraumwänden
2)
OCPTM heißt: „Orbital Combustions System“ und ist ein eingetra-
1)
HPDI heißt: High Pressure Direct Injection. genes Handelszeichen von Orbital Corporation.
572 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

fuel injector air injector

Bild 12-11 Luft-und Kraft-


stoffverteilerleiste mit Ein-
spritz- und Lufteinblasventil

Die Hauptkomponente der luftunterstützten Direkt- zung. Der Kraftstoff wird in eine Mischkammer im
einspritzung ist eine Anordnung von elektromagneti- Lufteinblaseventil eingespritzt. Mittels des Luftin-
schem Einspritzventil und elektromagnetisch betätig- jektors wird eine fein zerstäubte Gemischwolke in
tem Lufteinblaseventil (Bild 12-11), mit welchem den Brennraum eingebracht, welche unmittelbar ge-
fein zerstäubter Kraftstoff in den Brennraum einge- zündet werden kann. Im Schichtladebetrieb ist damit
spritzt wird. ein strahlgeführtes Brennverfahren mit geringen Roh-
Bild 12-12 zeigt einen Überblick über das luftunter- emissionen möglich. Durch die zeitliche Abstimmung
stützte Direkteinspritzsystem. Das Einspritzsystem der Phasenlage von Einspritzung (= Betätigung des
gliedert sich in zwei Subsysteme, den Druckluftpfad Luftinjektors) und Zündung kann ein optimales Luft-
und den Kraftstoffpfad. Ein über Getriebe oder Rie- Kraftstoff-Verhältnis des Gemisches im Bereich der
men angetriebener Kompressor erzeugt die erfor- Zündkerze zur Erzielung einer stabilen Verbrennung
derliche Druckluft. Das Druckniveau wird durch unter allen Betriebsbedingungen eingehalten werden.
einen mechanischen Druckregler auf den Sollwert Wie das Bild 12-12 zeigt, besteht das System aus
eingestellt und der Kraftstoff wird von einer elekt- dem Luftfilter, einem Luftmassenmesser mit inte-
rischen Kraftstoffpumpe gefördert. Der Kraftstoff- griertem Lufttemperaturfühler, einem elektrischen
druck wird auf einen konstanten Differenzdruck zur Drosselklappensteller und dem Ansaugrohr. Das ex-
Druckluft (circa 0,7 bis 1,5 bar) geregelt. tern rückgeführte Abgas kann in den Sammler des
Die Zumessung des Kraftstoffes erfolgt mit einem Saugrohres oder über eine Leitung im Zylinderkopf
konventionellen Einspritzventil für Saugrohreinsprit- in die einzelnen Ansaugrohre eingeleitet werden.

Kraftstoff- Kraftstoff- Kraftstoff-


Differenz- filter pumpe tank
druck-
Pedalwert- regler
geber
Luftdruck-
sensor
ECU
Luftmassen-
elektrischer messer
DK-Steller Aktiv-
Zündung
kohle-
behälter
Lineare
Lambdasonde

TWC
NOx-
Speicher- Canister
katalysator Purge
EGR-
Ventil Ventil

Druckluft-
regler Kompressor
Binäre Abgas- Bild 12-12 Systemüberblick
Lambda- Temperatur- des luftunterstützten Direkt-
sonde
einspritzsystems
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) 573

In jedem Fall ist für eine exakte Zumessung ein Der benötigte Luftmassenstrom für den OCPTM-Luft-
lagegeregeltes EGR-Ventil erforderlich. Optional injektor bezogen auf die gesamte vom Motor ange-
kann auch eine interne Abgasrückführung durch Ver- saugte Luftmenge variiert von 15 % bei homogenem
stellen der Phasenlage von Ein- und Auslassnocken- Leerlaufbetrieb bis zu 1,5 % bei Volllastbetrieb. Als
welle eingesetzt werden, womit zusätzlich die Dreh- Absolutmenge ergibt dies für einen 1,5-Liter-Vier-
momentcharakteristik und Leistung des Motors ver- zylindermotor etwa 5 bis 9 mg Luft pro Einspritz-
bessert werden können. impuls. Der Druck im Luftrail wird vorzugsweise auf
Das Subsystem zur Abgasnachbehandlung besteht 6,5 bar absolut eingestellt. Druckluft wird mittels
aus einem motornahen Dreiwegekatalysator und ei- eines wassergekühlten Kolbenkompressors erzeugt,
nem NOx-Speicher-Reduktionskatalysator in Unterbo- der über ein Getriebe oder einen Riemen vom Motor
denanordnung. Eine Breitband-Sauerstoffsonde er- angetrieben wird.
möglicht die Luftzahlregelung im Magerbetrieb ein- Auf Grund des hohen Turbulenzniveaus und der ho-
schließlich der Regenerationsphasen sowie im stö- hen Schichtungsfähigkeit des luftunterstützten OCPTM-
chiometrischen Betrieb. Der Abgastemperatursensor Direkteinspritzsystems sind üblicherweise keine zu-
dient zur optimalen Steuerung des NOx-Speicherkata- sätzlichen Maßnahmen zur Ladungsbewegung wie bei-
lysators sowie zur Einleitung von Katalysatorschutz- spielsweise Drallklappen erforderlich. Durch die ge-
maßnahmen. Eine binäre Lambda-Sonde stromab- ringe Sensitivität gegenüber der Zylinderinnenströ-
wärts des NOx-Speicherkatalysators ist zur bedarfsge- mung ist dieses Einspritzsystem besonders geeignet
rechten Steuerung der Regenerationsphasen erforder- für Motoren mit unterschiedlichen Ventilkonfigura-
lich. Alternativ kann dazu auch ein NOx-Sensor ver- tionen ohne aktive oder passive Ladungsbewegungs-
wendet werden. maßnahmen.
Der im System vorhandene Kompressor ermöglicht
eine neue und interessante Lösung zur Spülung des Hochdruckeinspritzung
Aktivkohlebehälters. Die vom Kompressor ange- Eine weitere Möglichkeit der direkten Kraftstoffein-
saugte Luftmenge wird über den Aktivkohlebehälter spritzung in die Zylinder ist die Flüssigkraftstoffein-
geführt. Damit lässt sich auch der Schichtladebetrieb spritzung nach dem Common-Rail-Prinzip, (Kraft-
zur Erzielung einer ausreichenden Spülrate ohne stoffeinspritzung aus gemeinsamer Druckleitung).
Nachteile bei den Rohemissionen nutzen. Das Bild 12-14 zeigt die Systemübersicht für die
Der Prozess der Kraftstoffaufbereitung beim OCPTM Hochdruck-Benzineinspritzung unterteilt in Motor-
Injektor unterscheidet sich im Vergleich zum Hoch- steuerungs- und Kraftstoffsystem.
druckdirekteinspritzventil folgendermaßen: Bei ei- Der Ottomotor mit Direkteinspritzung erfordert den
nem Hochdruckinjektor erfolgt der Strahlzerfall Einsatz einer elektronisch gesteuerten Drosselklappe
hauptsächlich infolge von Turbulenzen und Träg- für die verschiedenen Betriebsweisen unter homoge-
heitskräften im Flüssigkeitsstrahl selbst. Bis zur ner Ladung und Schichtladung. Die Gemischregelung
Beendigung des Zerfallsprozesses ist eine Distanz für die mageren Gemische mit Schichtladung benötigt
von etwa dem 10 - bis 50-fachen des Mündungs- einen linearen O-Sensor, der diese Funktion auch für
durchmessers erforderlich. Im Fall eines luftunter- den homogenen Betrieb mit O = 1 sicherstellen kann.
stützten Injektors erfolgt der Strahlzerfall, wenn die Die Hochdruckpumpe wird aus dem Niederdruck-
aerodynamischen Kräfte die Oberflächenspannung in system gespeist, welches einen Systemdruck von
der Flüssigkeit übersteigen. Das Druckniveau im 1 bis 4 bar aufweist. In der mechanisch angetriebenen
Luftinjektor ist so gewählt, dass während eines Ein- Hochdruckpumpe wird der Kraftstoffdruck auf bis zu
spritzvorganges an der Ventilmündung das kritische 120 bar gesteigert. Die Hochdruckregelung erfolgt
Druckverhältnis überschritten wird. Die daraus resul- über ein elektrisch angesteuertes Druckregelventil.
tierende Schallgeschwindigkeit der Luftströmung Der Rücklauf aus der Hochdruckleitung mündet direkt
führt zu hohen aerodynamischen Kräften am Kraft- aus dem Druckregelventil in den Zulauf der Hoch-
stoffstrahl. Der wesentliche Teil des Zerstäubungs- druckpumpe. Zur Druckerfassung dient ein Drucksen-
prozesses ist bereits unmittelbar am Ventilaustritt sor. Aus Sicherheitsgründen ist in den Hochdruck-
abgeschlossen. Andere thermodynamische Effekte kreislauf ein Überdruckventil integriert, welches den
wie beispielsweise die Verdampfung spielen insbe- maximalen Kraftstoffdruck begrenzt. Wird der Kraft-
sondere bei Einspritzung von Kraftstoff in ein Medi- stoffdruck in der Verteilerleiste über den gesamten
um mit erhöhter Temperatur eine besondere Rolle. Drehzahl- und Lastbereich konstant gehalten, kann
Diese Interaktion des Kraftstoffsprays mit der Zylin- der elektrische Druckregler prinzipiell durch einen
derfüllung stellt die Schnittstelle zwischen Kraft- mechanischen Druckregler ersetzt werden.
stoffsystem und Verbrennungssystem dar. Die Zer- Das Einspritzventil befindet sich direkt im Zylinder-
stäubungsqualität wird im Bild 12-13 ersichtlich. Der kopf. Auf Grund des hohen Kraftstoffdrucks müssen
mittlere Sauterdurchmesser (SMD) beträgt 10,3 μm; die magnetischen Kräfte zum Öffnen der Ventilnadel
nur ein unwesentlicher Volumenanteil von Tröpfchen sehr viel höher sein als bei Niederdruck-Einspritz-
besitzt einen Durchmesser über 40 μm. ventilen.
574 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

SMD = 10.3 μm D50 = 13 μm Kraftstoffdruck: 720 kPa


D10 = 6 μm D90 = 34 μm Luftdruck: 650 kPa
8.0 40
Volumenanteil [%]

SMD [μm]
4.0 20

0.0 0
0 40 80 120 0 5 10 15 20
Partikeldurchmesser [μm] Zeit [msec]

Bild 12-13 Volumenmäßige und zeitliche Tropfengrößenverteilung bei luftunterstützter Direkteinspritzung

Hochdruck-
Benzinpumpe Druckregler Kraftstoffver-
teilerleiste
Drucksensor

Benzin-
Einspritz-
filter
Niederdruck- ventilend-
kraftstoff- stufe Einspritzventile
Benzin- system
tank elektronische
Sen- Drosselklappe
soren
Motorsteuerung Linearer λ
elektronisches System Aktuatoren Sensor
Speicher-
Kraftstoffsystem katalysator

Bild 12-14 Benzindirekteinspritzung – Systemübersicht

100
Sauter Durchmesser [μm]

80 Saugrohr-Einspritzung

60

40
luftumfasstes Direkteinspritzung
Einspritzventil
20
Bild 12-15 Vergleich der
0 Zerstäubungsqualität von
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Hochdruckeinspritzventilen
Einspritzdruck [bar]
und Saugrohreinspritzventilen

Zusätzlich ist aus Gründen der Ladungsschichtung flusskalibrierung und dem Strahlkegelwinkel ab.
und Dosierung ein extrem schnelles Öffnen und Bild 12-15 zeigt die Zerstäubungsqualität eines
Schließen der Ventilnadel erforderlich. Hochdruck-Einspritzventiles im Vergleich mit einem
Die Kraftstoffzerstäubungsqualität hängt sehr stark Niederdruck-Einspritzventil und einem luftunterstütz-
vom Kraftstoffdruck, dem Gegendruck, der Durch- ten Einspritzventil. Unterschiedliche Brennverfahren
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) 575

und Brennräume erfordern unterschiedliche Durch- Für die Hochdruckdirekteinspritzung gibt es eine
flusskalibrierungen und Strahlformen. Vielzahl neuer Anforderungen an das Motorsteue-
Die Hochdruckpumpe stellt den Druck (50 bis 120 rungssystem:
bar) in der Kraftstoffverteilerleiste zur Verfügung.
x Der Druck im Hochdruck-Kraftstoffsystem muss
Neuerdings entwickeln sich die Einspritzdrücke in
geregelt werden.
Richtung 200 bar und beim strahlgeführten Verfahren
x Der Magerbetrieb bei Motoren mit Direkteinsprit-
ist darüber hinaus eine Obergrenze noch nicht in
zung erfordert eine lineare Lambda-Sonde, die den
Sicht. In Verbindung mit einer Mehrlochdüse erreicht
Magerbereich und den Betriebsbereich O = 1 ab-
man dadurch einen stabilen Strahlwinkel und eine
deckt
gute Verdampfung beziehungsweise Gemischaufbe-
x Die Hochdruckeinspritzventile erfordern eine An-
reitung. Die Hochdruckpumpe wird direkt von der
steuerung, die an die besonderen Anforderungen
Nockenwelle des Motors angetrieben und ist daher
dieser Technologie angepasst ist. Der hohe Kraft-
am Motor angebaut. Man unterscheidet zwischen ra-
stoffdruck und die höheren Anforderungen an Li-
dialen und axialen Hochdruckpumpen.
nearität und Reproduzierbarkeit von Einspritzung
Bild 12-16 zeigt eine axiale Kolbenpumpe. Eine
zu Einspritzung erfordern eine geänderte Ansteue-
Taumelscheibe wird von einer mechanisch ange-
rung der Einspritzventile. Für schnelles Öffnen
triebenen Welle gedreht und verursacht hierdurch die
der Einspritzventile ist eine Spannungs- und
Stromüberhöhung auf 80 V/10 A erforderlich. Bei
der Integration der Endstufen in das Steuergerät
ist die höhere Verlustleistung der Endstufen zu be-
rücksichtigen.
x Für Magermotoren ist der Einsatz einer elektri-
schen Drosselklappe unumgänglich. Die Steue-
rung dieser motorbetriebenen Drosselklappe ge-
währleistet eine völlige Unabhängigkeit zwischen
Pedal- und Drosselklappenstellung.
x Bei ungedrosseltem Motorbetrieb steht keine
Druckdifferenz für die Spülung des Aktivkohle-
filterbehälters zur Verfügung. Um die nötigen Spül-
raten zu erreichen, ist bei Motorkonzepten mit ho-
hem Schichtladungsanteil eine Pumpe für die Spü-
lung des Aktivkohlebehälters erforderlich.
Im Gegensatz zum herkömmlichen Motor mit Saug-
rohreinspritzung, der in fast allen Betriebszuständen
mit homogenem stöchiometrischem Gemisch betrie-
ben wird (das heißt, das Gemisch wird nur bei beson-
deren Motorzuständen wie Kaltstart, Warmlauf und
Volllast angefettet), wird der Ottomotor mit Direkt-
einspritzung mit unterschiedlichen Einspritz- und
Verbrennungsstrategien betrieben.
Die Strategien zur Kraftstoffaufbereitung, die zu den
verschiedenen homogenen Betriebszuständen und zur
Schichtladung führen, werden nachstehend erläutert,
Bild 12-17.
Das Ziel der Schichtladung ist die Konzentration von
Bild 12-16 Hochdruckkraftstoffpumpe gut aufbereitetem Kraftstoff-Luftgemisch im Bereich
der Zündkerze, so dass dort ein lokal begrenztes,
alternierende Hubbewegung der drei Kolben. Kraft- zündfähiges Gemisch entsteht (O | 1), das trotz des
stoff tritt über eine Nut in der Taumelscheibe in den insgesamt sehr mageren Gemisches gute Bedingun-
Zylinder ein und wird über Rückschlagventile im gen für die Verbrennung ermöglicht. Auf Grund der
Auslass ausgestoßen. Lager- und Pumpkammer sind lokalen Konzentration des Gemisches im Zentrum
durch einen Wellendichtring getrennt. Die Material- des Brennraums erlaubt der Schichtladungsbetrieb
paarungen und Beschichtungen sind sowohl den auch hohe Abgasrückführungsraten. Die Schichtung
Verschleiß- als auch den schmierungstechnischen des Gemisches um die Zündkerze wird durch eine
Anforderungen des Benzinbetriebes angepasst. Die späte Einspritzung während des Verdichtungstaktes
außerordentlich feinen Toleranzen erfordern eine erreicht. Die Drosselklappe ist für maximalen Luft-
Feinfilterung des Kraftstoffs. einlass in die Zylinder ganz geöffnet.
576 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

homogen geschichtet

• gedrosselter Betrieb • ungedrosselter Betrieb


• frühe Einspritzung • späte Einspritzung im
während Ansaugtakt Verdichtungstakt Bild 12-17 Motorbetrieb mit
• homogene • Ladungsschichtung an homogener und geschichteter
Gemischverteilung der Zündkerze
Ladung

Die Strahlrichtung, die Strahlform, die Strahlein- masse durch Schließen der Drosselklappe reduziert
dringtiefe und die Luftströmung im Zylinder sind werden; und gleichzeitig muss die eingespritzte Kraft-
die entscheidenden Parameter für eine erfolgreiche stoffmenge in den Zylinder erhöht werden, um die
Schichtung der eingespritzten Kraftstoffmenge im höheren Drosselverluste zu kompensieren. Für ein
Bereich der Zündkerze. homogenes Gemisch im Brennraum wird der Kraftstoff
Die Strahlrichtung kann während des Motorbetriebes während des Einlasstaktes zu dem Zeitpunkt einge-
nicht verändert werden. Die Eindringtiefe hängt von spritzt, bei dem die Luftgeschwindigkeit maximal ist.
der Differenz zwischen der Kraftstoffstrahlgeschwin- Probleme mit der Gemischaufbereitung, der Fahrbar-
digkeit und der Luftströmungsgeschwindigkeit im keit und vor allem der Abgasemissionen beeinträchti-
Zylinder ab. Die Strahlgeschwindigkeit kann durch gen eine umfassende Anwendung der Schichtladung
den Einspritzdruck beeinflusst werden. Um eine ziel- im gesamten Betriebsbereich des Motors.
gerichtete Bewegung der Luftströmung im Brenn- Die Anwendung der verschiedenen Betriebszustände
raum mit Turbulenz im Bereich der Zündkerze (für über den Arbeitsbereich des Motors sind in Bild
eine gute Gemischaufbereitung) zu erreichen, muss 12-18 dargestellt. Das Beispiel berücksichtigt auch
die Auslegung des Einlasskanals und der Verbren- die Kühlwassertemperatur, um den Einfluss verschie-
nungskammer (eine Schlüsselkompetenz des Moto- dener Umgebungzustände zu verdeutlichen.
renherstellers) angepasst und optimiert werden. Die Es existieren die folgenden Verbrennungszustände:
gegenwärtigen Einlasssysteme sind als Tumble- oder
Drallkonzepte ausgeführt. x homogen fett
Wenn der Betriebszustand des Motors bei gleicher x homogen O = 1 mit/ohne Abgasrückführung
Motorleistung von Schichtladung zu homogener La- x homogen mager mit Abgasrückführung
dung geändert werden soll, muss die angesaugte Luft- x Schichtladung mit hoher Abgasrückführrate.

warm homogen, l < 1

homogen, l = 1, AGR
homogen, mager, AGR
Motorkühlwassertemperatur

geschichtet, AGR

kalt

homogen, l < 1 geschichtet,


gedrosselt, AGR
Last

homogen, l = 1, AGR

homogen,
λ =1,05

Bild 12-18 Betriebsstrategien


Drehzahl
im Motorkennfeld
12.3 Gemischbildung bei Ottomotoren (Vergaser/Benzineinspritzung) 577

Der homogene Magerbetrieb wird durch die Abgas-


temperatur begrenzt. Bei Temperaturen über 500 °C
ist der Speicherkatalysator nicht mehr in der Lage,
die Stickoxide zu speichern, weshalb der Motor mit
stöchiometrischem Gemisch und hohen AGR-Raten
betrieben wird, um die NOx-Emissionen und den
Kraftstoffverbrauch zu verringern.
Der Betrieb bei Volllast erlaubt keine Abgasrückfüh-
rung. Der Motor wird in der gleichen Weise gesteuert
wie Motoren mit Saugrohreinspritzung, das heißt mit
einem Gemisch für maximale Leistung und optima-
lem Katalysatorschutz.
Zusätzlich zum Wechsel des Betriebszustands wäh-
rend der Übergänge zwischen verschiedenen Last-
zuständen (zum Beispiel der Übergang von Schicht-
ladung bei Teillast zu homogenem angereichertem
Gemisch bei Volllast während einer Beschleunigung)
kann aus Gründen der Abgasnachbehandlung ein
Wechsel zwischen zwei Betriebszuständen auch bei
gleich bleibendem Lastzustand erforderlich sein. Die
Hauptanforderung liegt in einem Übergang ohne
Drehmomentänderungen, da diese vom Fahrer wahr-
genommen würden.
Für die Katalysatorregenerierung während des mage-
ren Motorbetriebs ist mit einem Kraftstoffmehr-
verbrauch von bis zu 3 % zu rechnen.

Bild 12-19 Einspritzventil Einspritzmengenzumessung


Die Zumessung des einzuspritzenden Kraftstoffs
Bei niedrigen und mittleren Last- und Drehzahlbe- erfolgt über elektronisch gesteuerte Einspritzventile,
dingungen wird der Motor mit Schichtladung und Bild 12-19. Dazu wird der Kraftstoff am Ringspalt
hoher Abgasrückführrate betrieben. Dadurch wird ein zwischen Ventilnadel und Nadelsitz durch die Öff-
niedriger Kraftstoffverbrauch erzielt. Die Abgastem- nungsdauer der Nadel zugemessen. Prinzipiell ist der
peratur bestimmt den Betriebsbereich zu niedrigen Aufbau der Einspritzventile für Saugrohr- und Di-
Lasten, bei dem der Motor ungedrosselt betrieben rekteinspritzung gleich. Unterschiede bestehen in der
werden kann. Damit der Katalysator die Schadstoffe Auslegung des Magnetkreises und im maximalen
konvertiert, darf die Katalysatortemperatur nicht Durchfluss.
unter 250 °C fallen. Ein vollständig ungedrosselter Das Anheben der Nadel erfolgt durch das Bestromen
Betrieb im Leerlauf ist daher nicht möglich. Auch der Magnetspule dann, wenn die Magnetkraft auf die
beim Kaltstart und während des Warmlaufs läuft der Nadel größer wird als die durch den Kraftstoffdruck,
Motor mit homogenem leicht magerem Gemisch, um die Feder und die Reibung aufgebrachten Kräfte.
ein schnelles Anspringen des Katalysators zu errei- Sobald der Stromfluss in der Spule unterbrochen
chen. Der warme Motor kann mit einer gedrosselten wird, beginnt das Magnetfeld sich abzubauen und die
Schichtladung arbeiten. Nadel schließt den Ringspalt unterstützt durch die
Bei niedriger Teillast und hohen Drehzahlen ist eine Federkraft und den Kraftstoffdruck.
gute Gemischaufbereitung mit einer Schichtladung Nach dem Austritt des Kraftstoffs aus dem Einspritz-
auf Grund der kurzen Zeitspanne für die Gemisch- ventil bildet sich eine Strahlgeometrie, die von der
aufbereitung und der Gefahr von Rußbildung nur
Geometrie des Einspritzventils nach dem Zumess-
schwer zu erreichen. Daher ist ein homogenes Ge-
ringspalt (vor allem Nadelsitz- und Lochplattengeo-
misch mit AGR vorzuziehen.
metrie) abhängt. Man unterscheidet zwischen:
Die NOx-Emission und die Gefahr von Rußbildung
stellt die Grenze für eine Schichtladung im oberen x Schnurstrahlventil („Pencil Stream“): Der Ein-
Teillastbereich dar. In diesem Bereich hat der Betrieb spritzstrahl hat einen kleinen Strahlwinkel von
mit homogener Ladung und AGR im Vergleich zur maximal 8°. Diese Art von Injektor wird vor allem
Schichtladung mit AGR nur einen geringen negativen bei Applikationen benutzt, bei denen das Ein-
Effekt auf den Kraftstoffverbrauch, jedoch geringere spritzventil relativ weit entfernt vom Einlassventil
NOx-Emissionen und keine Gefahr von Rußbildung. eingebaut ist.
578 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

x Kegelstrahlventil („Cone Spray“): Der Einspritz- 12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren


strahl hat einen größeren Strahlwinkel von 10° bis
30°. Dieses Einspritzventil wird vor allem dann Dieselmotoren arbeiten mit innerer Gemischbildung,
benutzt, wenn der Abstand zum Einlassventil rela- vergleiche Abschnitt 12.1. Am Ende des Verdich-
tiv gering ist. Die Tropfengrößen sind geringer als tungstaktes wird im Bereich des Zünd-OT flüssiger
beim Schnurstrahlventil. Kraftstoff in die hochverdichtete Luft eingespritzt.
x Zweistrahlventil („Split Stream“): Die Einspritz- Unmittelbar nach Eindringen der Kraftstofftröpfchen,
menge ist auf zwei Einspritzstrahlen aufgeteilt. deren mittlerer Sauterdurchmesser etwa zwischen
Der Winkel zwischen beiden Strahlachsen beträgt 1 und 10 μm beträgt [17], beginnt die physikalische
üblicherweise 15° bis 35°. Dieses Einspritzventil und chemische Aufbereitung eines zündfähigen Luft-
wird meistens bei Mehrventilmotoren mit zwei Kraftstoff-Gemisches. Die Vorgänge der Kraftstoff-
Einlassventilen eingesetzt. verdampfung, der Vermischung mit der Luft und der
anschließenden Entzündung und nachfolgenden Ver-
Neben der Strahlgeometrie gibt es eine Reihe anderer brennung laufen parallel ab. Das Ziel der Gemisch-
Größen, die für eine Applikation der Einspritzventile bildung ist einerseits eine möglichst rasche Entzün-
an einen Motor festgelegt werden müssen: dung des Luft-Kraftstoff-Gemischs und andererseits
x Statischer Durchfluss: Er bezeichnet die maxima- eine möglichst komplette Verbrennung der gesamten
le Durchflussmenge durch ein Einspritzventil bei eingespritzten Kraftstoffmenge unter Vermeidung
voll bestromter Spule. Er hängt von dem Kraft- hoher Verbrennungsspitzentemperaturen. Wenn diese
stoffdruck und dem Durchmesser der Löcher in beiden Grundbedingungen erfüllt sind, ist die Ver-
der Lochplatte am Einspritzventilaustritt und dem brennung weitgehend schadstoffarm, bei gleichzeiti-
Nadelhub ab. ger Vermeidung extremer Druckspitzen und damit
x Dynamischer Durchfluss: Gibt den Durchfluss bei eines hohen Verbrennungsgeräusches und einer ho-
einer Ansteuerzeit der Spule von 2,5 ms an. hen mechanischen und thermischen Belastung, ver-
Linearer Durchflussbereich: „Linear Flow Range“ gleiche auch Abschnitt 14.3 und 15.1.
(LFR) ist das Verhältnis von maximalem und mi- Das Luft-Kraftstoff-Gemisch im Brennraum ist ört-
nimalem Durchfluss bei maximal 5 % Abwei- lich und zeitlich stark unterschiedlich, das heißt inho-
chung von der Linearitätsgeraden (Gerade durch mogen. Das sogenannte lokale Luftverhältnis im
die Kennlinie von Einspritzmenge über Ansteuer- Brennraum reicht von 0 (im Kraftstofftropfen) bis zu
zeit der Spule). unendlich (Zonen reiner Luft). Das globale Luftver-
hältnis, also das Verhältnis der tatsächlich im Brenn-
x Tropfengröße: Sie charakterisiert die Zerstäu-
raum befindlichen Luftmasse bezogen auf die für die
bungsgüte des Einspritzventils. Die Tropfengröße
vollständige Verbrennung der eingespritzten Kraft-
eines Tropenschwarms wird meist mit Hilfe des
stoffmenge erforderliche Luftmasse bewegt sich bei
Sauterdurchmessers angegeben, der das Verhältnis
praktisch ausgeführten Dieselmotoren zwischen etwa
von mittlerem Tropfenvolumen zur mittleren
1,1 und 7.
Tropfenoberfläche in einem abgegrenzten Mess-
Für die Gemischbildung steht beim Dieselmotor nur
volumen angibt. Neben der mittleren Tropfengrö-
eine extrem kurze Zeit zur Verfügung. Geht man von
ße hat jedoch auch die Tropfengrößenverteilung
einer Kraftstoffeinspritzdauer von circa 36° Kurbel-
im Einspritzstrahl einen großen Einfluss auf das
winkel aus, so steht bei einer Drehzahl von zum
Emissionsverhalten des Verbrennungsmotors. Da-
Beispiel 4.000 min–1 lediglich eine Zeit von 1,5 ms
neben ist die Tropfengeschwindigkeit wichtig, da
zur Verfügung. Im Vergleich dazu beträgt für einen
sie zum einen die Eindringtiefe des Kraftstoff-
konventionellen Ottomotor mit Saugrohreinspritzung
strahls bei Einspritzen in Luft und zum anderen
bei vergleichbarer Drehzahl die Gemischbildungszeit
den sekundären Strahlzerfall beim Auftreffen der
circa 15 ms. Die Zeit vom Einspritzbeginn bis zur
Tropfen auf eine Oberfläche charakterisiert.
ersten Zündung eines Luft-Kraftstoff-Gemisches ist
x Dichtigkeit („Leak Rate“): Auf Grund der gelten- nochmals erheblich kürzer. Diese als Zündverzug
den Gesetzgebung bezüglich Verdunstungsemis- bezeichnete Zeit beträgt bis zu 2 ms. Sie ist stark
sionen gelten hohe Anforderungen. Da es schwie- abhängig von den Temperatur- und Druckbedingungen
rig ist, die Dichtigkeit mit flüssigen Medien zu im Brennraum und der Zerstäubungsgüte des Kraftstof-
bestimmen, wird sie mit Stickstoff ermittelt. Die fes. Nach der ersten Entflammung wird die weitere
Leckmenge darf 1,5 cm3/min nicht überschreiten. Gemischbildung der noch unverbrannten Kohlenwas-
serstoffe mit dem vorhandenen Luftsauerstoff durch
Literatur die beginnende Verbrennung und die damit einherge-
[1] Schöppe D. et al.: Anforderungen an zukünftige Otto DI hende Temperaturerhöhung sowie die entstehenden
Einspritzsysteme und entsprechende Plattformlösungen. 32. In- Turbulenzen beschleunigt. Die für die Gemischbildung
ternationales Wiener Motorensymposium 5. und 6. Mai 2011 erforderliche Energie kommt entweder aus dem Ein-
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 579

spritzsystem oder aus der Luftbewegung und aus der


beginnenden Verbrennung selbst. 2500
Bei den Motoren mit unterteiltem Brennraum (Vor-
kammer- oder Wirbelkammermotoren) steuert vor
2000
allem die in der Nebenkammer beginnende fette Ver-

Maximaler Einspritzdruck
brennung die Hauptenergie für die Gemischbildung
im Hauptbrennraum bei. An das Einspritzsystem wer- 1500
den hierbei geringe Anforderungen gestellt; abhängig
vom Nebenkammerverfahren ist die Luftbewegung HD-Motoren
unterschiedlich stark beteiligt. Bei den heute einge- 1000
setzten Direkteinspritzverfahren ohne unterteilten
Brennraum liefert das Einspritzsystem den Haupt- PKW-DI-Motoren
energiebeitrag. Bei Motoren mit großer Drehzahl- 500

Spreizung oder Einspritzsystemen mit vergleichswei- PKW-Kammermotoren (IDI)


se niedrigem Einspritzdruck wird die Luftführung so 0
gesteuert, dass im Brennraum ein Drall entsteht, der 1960 1980 Jahr 2000 2020
die Gemischbildung unterstützt. Je höher der Anteil
der Luftbewegung an der Gemischbildung ist, desto Bild 12-20 Entwicklung des maximalen Einspritz-
geringer kann der Einspritzdruck sein. Dabei ist je- druckes in den letzten Jahrzehnten
doch zu beachten, dass die Luftdrallerzeugung mit
erhöhten Verlusten beim Ladungswechsel verbunden
ist. Die Kraftstoffeinspritzung in den Brennraum ist 45
deshalb für die Gemischbildung beim Dieselmotor 5 x 0,165 mm
von zentraler Bedeutung. Dabei spielt neben anderen 40
Funktionen insbesondere die Höhe des Einspritz- 35
druckes die wesentliche Rolle.
30
Eindringtiefe [mm]

Während für Nebenkammermotoren, deren Entwick-


lung in den 1990er Jahren eingestellt wurde, das Ein- 25
spritzdruckniveau in etwa bei 300 bis 400 bar kons- 300 bar
tant geblieben ist, sind für Motoren mit Direktein- 20 500 bar
spritzung die Einspritzdrücke in den letzten 20 Jahren 800 bar
15
1350 bar
kontinuierlich angestiegen, Bild 12-20. Dies hängt im
10 1800 bar
Wesentlichen auch mit der Entwicklung von schnell-
laufenden Dieselmotoren mit Direkteinspritzung für 5 Gemisch
Personenkraftwagen zusammen. Da dort, bedingt Flüssig
0
durch die hohen Drehzahlen, die verfügbare Zeit sehr 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600
kurz ist, ist eine entsprechend hohe Gemischbildungs- Zeit nach ASB [μs]
energie über einen hohen Einspritzdruck zur Verfü-
gung zu stellen. In Verbindung mit effizienten Abgas-
Bild 12-21 Eindringtiefe des flüssigen und dampf-
nachbehandlungssystemen und der Nutzung der
förmigen Kraftstoffes, gemessen in einer Einspritz-
Mehrfacheinspritzung scheint ein maximaler Ein-
kammer, in Abhängigkeit vom Einspritzdruck [1]
spritzdruck von etwa 2.500 bar ausreichend, um die
Anforderungen der nächsten Jahre zu erfüllen. Trotz-
dem werden 3.000-bar-Systeme entwickelt. Verbrennung entziehen, anschließend verdampfen und
Bei der Einspritzung des flüssigen Kraftstoffes in den als unverbrannte Kohlenwasserstoffe in den Auspuff
Brennraum ist es wichtig, dass der Kraftstoff sich in gelangen.
viele, sehr kleine Tröpfchen verteilt und damit eine Bild 12-21 zeigt die Eindringtiefe des flüssigen und
große Oberfläche für die Verdampfung zur Verfü- dampfförmigen Kraftstoffes über der Zeit nach dem
gung stellt und möglichst die gesamte Luft im Brenn- Einspritzbeginn in Abhängigkeit vom Einspritz-
raum erreicht, um starke Rußbildung durch örtlichen druck [1]. Dabei ist deutlich zu sehen, dass die Ein-
Sauerstoffmangel zu vermeiden. Dies gelingt durch dringtiefe des flüssigen Strahles unabhängig vom
eine sorgfältige Abstimmung des Einspritzdruckes, der Druck ist. Die Geschwindigkeit der Strahlspitze ist
Düsenlochgeometrie der Brennraummulde und der jedoch beim höchsten Einspritzdruck deutlich größer.
Luftbewegung sowie des richtigen Einspritzzeitpunk- Der höhere Impuls sorgt für ein stärkeres Air-
tes. Es ist zu vermeiden, dass Kraftstofftröpfchen über Entrainment im Einspritzstrahl und damit für eine
die Brennraummulde hinaus an die Zylinderwand schnellere Verdampfung. Bei gleichem Einspritz-
gelangen und sich im Feuerstegbereich zwischen Kol- druck lässt sich mit einem größeren Düsenloch ein
ben und Zylinder ansammeln. Sie würden sich der tieferes Eindringen des flüssigen Kraftstoffes errei-
580 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

chen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass mit zuneh- Zeiteinheit eingespritzte Kraftstoffmasse (Einspritzrate
mender Tröpfchengröße bei steigendem Düsenloch- und ihr Verlauf: dm/dt = f(t)) ist von entscheidender
durchmesser der aerodynamische Widerstand (nimmt Bedeutung für Abgasemission, Laufruhe und Ver-
quadratisch mit dem Tröpfchendurchmesser und der brauch. Prinzipiell kann die Einspritzrate durch Verän-
Geschwindigkeit zu) so stark steigen kann, dass die derung des Spritzloch-Querschnittes an der Düse und
Eindringtiefe bei größeren Löchern wieder sinkt. Hier durch Veränderung des Einspritzdruckes beeinflusst
ist also eine Optimierung zwischen Düsenaustritts- werden. Trotz erheblicher Anstrengungen ist es bis
querschnitt und Einspritzdruck sowie Luftbewegung heute noch nicht gelungen, eine betriebssichere Düse
erforderlich, siehe auch [17, 18]. mit veränderlichem Spritzloch-Querschnitt darzu-
Neben dieser klassischen inneren Gemischbildung stellen, so dass nur die Druckmodulation übrig bleibt.
beim Dieselmotor mit flüssigen Kraftstoffen gibt es Vergleichsweise einfach, jedoch mit geringem Variati-
verschiedene Sonderformen der dieselmotorischen onsgrad, lässt sich dies bei nockengesteuerten Syste-
Gemischbildung, wie zum Beispiel bei Diesel-Gas- men über die Nockenform und damit über die Nocken-
Motoren und der teilhomogenen und der nach wie vor beziehungsweise Kolbengeschwindigkeit in der Hoch-
im Forschungsstadium befindlichen homogenen Die- druckeinspritzpumpe umsetzen. Eine Druckmodulation
selverbrennung, vergleiche Abschnitt 15.1.2.4. Ei- während der Einspritzung bei Speichereinspritzsyste-
ne detaillierte Beschreibung der Gemischbildung in men (entweder über direkte Druckänderung im Injek-
Verbindung mit der dieselmotorischen Verbrennung tor oder über nadelhubabhängigen Druckverlust) ist
erfolgt in Kapitel 15.1.1. eine aufwändige aber interessante Lösungsmöglichkeit.
Aber auch durch Druckstufen im Düsenhalter lassen
12.4.1 Einspritzsysteme – Überblick sich in gewissem Umfang Einspritzraten verändern.
Bild 12-22 zeigt veränderte Einspritzraten während der
Aufgaben Spritzdauer für eine Haupteinspritzung [3, 4].
Das Einspritzsystem ist maßgeblich dafür verantwort- Generell gilt, dass eine hohe Einspritzrate und damit
lich, dass Dieselmotoren eine hohe Abgasqualität, zusammenhängend eine große Einspritzmenge am
geringen Kraftstoffverbrauch, schnelles Ansprech- Beginn der Einspritzung zu einem starken Verbren-
verhalten und komfortable Laufruhe bei geringem nungsstoß mit hoher örtlicher Temperatur und damit
Geräusch erreichen. Je nach Einsatzgebiet des Die- hoher NOx-Bildung sowie hohen Zylinderdruckgra-
selmotors können diese genannten Zielsetzungen un- dienten führt.
terschiedliche Gewichte haben. Entsprechend ist das
Einspritzsystem zusammen mit dem Dieselmotor Mehrfacheinspritzungen. Die Formung der Ein-
anzupassen. Die Hauptaufgaben des Einspritzsystems spritzrate während einer Einspritzung reicht häufig
sind [2, 6, 14]: nicht aus, um die gestellten Anforderungen zu erfül-
len. Deshalb werden Mehrfacheinspritzungen mit
Exakte Zumessung der Kraftstoffmasse pro Ar-
unterschiedlichem Mengenniveau und abhängig vom
beitsspiel. Infolge der Lastregelung des Dieselmotors
Betriebspunkt im Kennfeld benötigt. Bild 12-23 zeigt
durch die Zumessung und Einspritzung einer variab-
eine Auswahl von Einspritzmustern. Heute werden
len Kraftstoffmasse (Qualitätsregelung) muss diese
unter Einschluss später Nacheinspritzungen für die
für das Errreichen einer russfreien Vollast möglichst
Partikelfilterregeneration bis zu acht Einspritzungen
exakt sein. Je präziser und langzeitstabiler die Kraft-
appliziert.
stoffzumessung an der Volllastkurve ist, desto gerin-
In Bild 12-24 sind beispielhaft die betriebspunktop-
ger kann der Sicherheitsabstand zur Rauchgrenze
timalen Mehrfacheinspritzungen für einen Motor mit
sein, das heißt der Motor kann in seinem Leistungs-
Dieselpartikelfilter im Kennfeld dargestellt.
vermögen ausgereizt werden. Die Kraftstoffmengen-
Eine kleine abgesetzte Voreinspritzung verkürzt die
toleranzen sollten bei Volllast so klein wie möglich
Zündverzugszeit für die nachfolgende Haupteinsprit-
sein und etwa r2,5 % nicht überschreiten. Im Leer-
zung erheblich und kann somit den Verbrennungsver-
lauf und im Teillastbereich, insbesondere bei statio-
lauf weich gestalten, was zu einem niedrigen Ver-
närer Betriebsweise, das heißt wenn keine bewussten
brennungsgeräusch führt. Die Nacheinspritzung un-
Regeleingriffe eingeleitet werden, sind hohe Anforde-
mittelbar nach der Haupteinspritzung ermöglicht den
rungen an die Stabilität der Kraftstoffzumessung von
während der vorhergehenden Verbrennung erzeugten
Zylinder zu Zylinder sowie von Einspritzung zu Ein-
Ruß zu oxidieren oder bei entsprechenden Abgas-
spritzung zu stellen. Die Abweichungen sollten klei-
nachbehandlungskonzepten die Abgastemperatur,
ner 1 mg/Einspritzung betragen. Gegebenenfalls ist
zum Beispiel zur Regeneration der Partikelfilter, zu
eine zylinderindividuelle Anpassung der Einspritz-
erhöhen. Die Bereitstellung unverbrannter Kohlen-
menge erforderlich, um eine gewünschte Laufruhe zu
wasserstoffe deren Oxidation im Katalysator zur
erreichen.
Erzeugung einer ausreichenden Temperatur für die
Anpassung der Einspritzrate an die Betriebsbedin- anschließende Abgasnachbehandlung erfolgt, kann
gungen. Die während des Einspritzvorganges pro mit einer „späten“ Nacheinspritzung erfolgen.
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 581

6 1-Zyl.-Aggregat, V h ≈ 1,0 l
mm3
°KW 5 n = 1.400 min–1
Volllast
4
Einspritzrate

3 rechteckig
dreieckig
2 „boot“-förmig

0
–20 –10 0 10 20 30 40 50
[v. OT] Kurbelwinkel φ [n. OT]

Motordrehzahl: 2.000 min–1 Motordrehzahl: 4.200 min–1


mm3 mm3
Radialk olbenpumpe
°KW °KW
Pumpe-Düse
Common Rail
Einspritzrate

Einspritzrate

Bild 12-22 Verschiedene


Einspritzverläufe (Einspritz-
0 10 20 30 40 0 10 20 30 40 rate = f (t)) für die Hauptein-
Spritzdauer Δφ [°KW] Spritzdauer Δφ [°KW]
spritzung, oben [3], unten [4]

mit Voreinspritzung mit zwei Voreinspritzungen Vor- und Nacheinspritzung

Bild 12-23 Qualitative


Düsennadelhubverläufe bei
mit Vor- und zwei Split-Einspritzung fünfach-Einspritzung Mehrfacheinspritzungen
Nacheinspritzungen
(Auswahl)

Kleinstmengenfähigkeit. In Verbindung mit Mehr- nicht mehr ausreichend. Auch Systeme ohne Ein-
facheinspritzungen, insbesondere wenn es sich um spritzleitung oder mit elektronisch gesteuerten Injek-
Vor- und Nacheinspritzung im Mengenbereich von toren benötigen einen frei einstellbaren Spritzbeginn
circa 1 bis 5 mg pro Einspritzung bei zum Beispiel von früh, zum Beispiel im Falle des Kaltstarts, bis
Pkw-Motoren handelt, werden die Anforderungen an spät in bestimmten Bereichen des Kennfeldes zur
die präzise Zumessung dieser Kleinstmengen drama- Stickoxidreduzierung. In anderen Betriebsbereichen
tisch erhöht. Die Einspritzmengentoleranzen sollten ist eine verbrauchsoptimale Einstellung gewünscht.
dabei kleiner 0,5 mg pro Einspritzung sein. Da sich Außerdem sind bei Mehrfacheinspritzungen individu-
die Einspritzventilnadeln für diese Kleinstmengen elle Spritzbeginnabstände zwischen diesen einzelnen
immer im sogenannten ballistischen Bereich bewe- Einspritzungen zu realisieren. Die Genauigkeit, mit
gen, das heißt sie erreichen nicht einen mechanischen der der Spritzbeginn zu realisieren ist, sollte < r1°
Festanschlag, wirken sich sämtliche fertigungsbe- Kurbelwinkel sein.
dingten Toleranzen stark auf die Mengenqualität aus.
Die Folge sind deutlich gestiegene Anforderungen an Flexible Anpassung an Betriebs- und Umgebungs-
die Bauteilqualität und Langzeitstabilität des Ein- bedingungen. Neben den bisher genannten Haupt-
spritzventils insbesondere was die Düsennadel, den aufgaben sollte ein modernes Einspritzsystem voll
Nadelsitz und das Spritzloch betrifft. flexibel und luftmassenabhängig auf dynamische
Vorgänge reagieren. So darf im Falle der Volllastbe-
Anpassung des Einspritzzeitpunkts. Die rein dreh- schleunigung zur Vermeidung einer unerwünschten
zahlbedingte Anpassung des Förderbeginns bei Sys- Rauchemission die Menge nur entsprechend der
temen mit langen Einspritzleitungen ist, wie bekannt, dynamisch erfassten Luftmasse angepasst werden.
582 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Bild 12-24 Beispiel für


optimale, betriebspunkt-
abhängige Mehrfachein-
spritzungen (inklusive DPF-
Regeneration) im
Motorkennfeld [5]

Bei Erreichen der Motornenndrehzahl ist entspre- Aufbau und Einteilung


chend dem Einsatzgebiet des Motors die Menge so
In einem modernen Dieseleinspritzsystem wirken
zurückzunehmen, dass der Dieselmotor vor Über-
Mechanik, Hydraulik, Elektrik und Elektronik zu-
drehzahl geschützt wird (Endabregelung). Im unteren
sammen. Das Gesamtsystem kann in fünf Teilsyste-
Betriebsbereich ist der Motor bei möglichst niedriger
me zerlegt werden, Bild 12-25.
Drehzahl stabil und nahezu lastunabhängig zu betrei-
ben. Der jeweilige Mengenbedarf ist außerdem ab- Niederdrucksystem. Das Niederdrucksystem sorgt
hängig von der Umgebungs- und Kraftstofftempera- dafür, dass der Kraftstoff vom Tank zur eigentlichen
tur so anzupassen, dass eine schnelle Motorerwär- Hochdruckeinspritzung gefördert wird. Die erforder-
mung erreicht wird. Abhängig von der geodätischen liche Pumpe kann entweder als Tankmodul den
Höhe ist die Kraftstoffmenge anzupassen. So ist bei Kraftstoff vom Tank zum Motor fördern oder als
großer Höhe über dem Meeresspiegel infolge der integrierte Pumpe in der Hochdruckpumpe den Kraft-
geringeren Luftdichte die Volllastmenge zurückzu- stoff aus dem Tank ansaugen und innerhalb der
nehmen, damit die zulässige Rauchgrenze nicht Hochdruckpumpe auf den erforderlichen Versor-
überschritten wird. Bei Schiebebetrieb ist mit fallen- gungsdruck für die Hochdruckeinheiten bringen. Die-
der Drehzahl bei Unterschreitung der Leerlaufdreh- ser Versorgungsdruck kann zwischen 1 und 15 bar, je
zahl ein rampenartiger Anstieg der Einspritzmenge nach Einspritzsystem und Drehzahl, betragen. Bei
zum „Auffangen“ des Motors im Leerlauf erforder- Common-Rail-Systemen bietet sich zur Reduzierung
lich. Abhängig von Ladedruck und Abgasrückfüh- der Leistungsaufnahme der Hochdruckpumpe eine
rung sind die Einspritzmassen an die jeweiligen Be- raildruckabhängige, niederdruckseitige Regelung an.
triebsbedingungen anzupassen. Bei der Auslegung der Niederdruckpumpen ist zu be-
Diese vielseitigen und zum Teil von einander abhän- achten, dass in vielen Fällen ein erheblicher Kraft-
gigen Aufgaben und Anforderungen an ein Einspritz- stoffvolumenstrom für Spülmengen zur Kühlung der
system können nur noch von elektronisch gesteuerten Einspritzkomponenten wie auch zur Kompensation
beziehungsweise geregelten Systemen übernommen von Leckagen erforderlich sein kann. Die eingesetz-
werden. Mechanisch geregelte Systeme mit kantenge- ten Filter sind sowohl großporige Vorfilter als auch
steuerter Mengenzumessung können die Forderungen Feinfilter; letztere sollten einen Abscheidegrad von
entweder überhaupt nicht oder nur bei Akzeptanz mindestens 85 % für Partikel von 3 bis 5 μm aufwei-
grober Kompromisse erfüllen. In Anwendungsberei- sen. Der Filter hat außerdem die Aufgabe, das mögli-
chen, wo die vorgenannten erhöhten Forderungen, cherweise im Kraftstoff vorhandene Wasser abzu-
insbesondere an das dynamische Verhalten, nicht im scheiden, um Korrosion an den Einspritzkomponen-
Vordergrund stehen, werden diese mechanischen, ten zu vermeiden. Um den Betrieb auch bei extrem
robusten Systeme jedoch weiterhin zufriedenstellend niedrigen Temperaturen sicherzustellen, wird häufig
arbeiten können. Bei Fahrzeugmotoren, die eine der Filter durch eine elektrische Kraftstoffheizung
strenge Abgasgesetzgebung erfüllen müssen und ergänzt beziehungsweise wird durch Rückführung
gleichzeitig möglichst wenig Kraftstoff bei dynami- des erwärmten Kraftstoffes aus dem Hochdruckbe-
schem Verhalten verbrauchen dürfen, sind die me- reich der Kraftstoff vor dem Filter erwärmt, so dass
chanisch geregelten und kantengesteuerten Systeme eine Blockierung des Filters durch Paraffinausschei-
bereits abgelöst worden. dung aus dem Kraftstoff verhindert wird.
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 583

• Pumpe
• Kantengesteuert
• Zeitgesteuert
• Einspritzverlauf

Regelung/Steuerung

• Sensorik • Ruckeln
• Pumpe • Menge • Diagnose, OBD • Düsenhalter
• Filter • Spritzbeginn • Fahrgeschwindigkeit • Injektor
• Druckregelung • AGR • ABS Solenoid/Piezo
• Volumenregelung • Ladedruck • ASR • Einspritzverlauf
• Leerlauf • ESP • Lochgeometrie
• Drehzahl • Getriebe
• Abgasnach-
behandlung

• SV-Vorrichtung
• Aktuator Bild 12-25 Das Dieselein-
• Winkel-Zeit-Erfassung
spritzsystem als Summe
verschiedener Teilsysteme

Das Hochdrucksystem ist im Wesentlichen durch kann durch Veränderung des Schaltzeitpunktes der
die eigentliche Hochdruckpumpe charakterisiert. Der Ventile oder durch Kombination des Schaltzeitpunk-
erforderliche Hochdruck und damit die Einspritz- tes mit der Phasenverstellung die erforderliche Ein-
leistung wird ausschließlich durch Kolbenpumpen spritzzeitpunktanpassung erfolgen.
erzeugt. Es kommen dabei innen- oder außenabge-
stützte Radialkolbenpumpen und einzylindrige Axial- Einspritzventil (Einspritzdüse). Der von der Hoch-
kolbenpumpen zum Einsatz. Nur diese Pumpen sind druckpumpe geförderte Kraftstoff wird über das Ein-
in der Lage, Drücke von mehr als 1.000 bar langzeit- spritzventil dem Brennraum des Motors zugeführt.
stabil zu erzeugen und gegebenenfalls auch die erfor- Dabei ist neben dem Zeitpunkt und der genauen Men-
derlichen Mengen zu dosieren. genzumessung auch die Strahlaufbereitung für die
Bei konventionellen Systemen, den sogenannten kan- anschließende Gemischbildung und Verbrennung
tengesteuerten Systemen, hat das eigentliche Pum- Hauptaufgabe dieses Ventils. Das Einspritzventil kann
penelement neben der Aufgabe der Volumenförde- entweder direkt druckgesteuert, entsprechend der
rung und Druckerhöhung auch die Funktion der Druckerzeugung durch die Hochdruckpumpe, sein
exakten Mengenzumessung. Bei modernen Systemen oder, wie zum Beispiel bei Standard-Common-Rail-
mit elektronisch gesteuerten Ventilen dient die Hoch- Systemen, hydraulisch durch ein elektronisch ansteuer-
druckpumpe ausschließlich dazu, den Einspritzdruck bares Ventil. Inzwischen werden auch CR-Injektoren
zu erzeugen und die Kraftstoffmenge zu fördern. Die eingesetzt, die die Längenänderung des Piezoaktua-
exakte Mengenzumessung übernimmt das elektro- tors direkt in eine Nadelbewegung umsetzen, ohne den
nisch ansteuerbare Ventil (üblicherweise Magnetven- Umweg über die Hydraulik, siehe Kapitel 12.4.3.
til oder Piezoaktuator). Die Verbindung zwischen Hochdrucksystem und Ein-
spritzventil erfolgt bei den sogenannten Leitungssys-
Spritzverstellersystem. Um den Kraftstoff zum temen mit Hilfe von Hochdruckleitungen. Dies sind
richtigen Zeitpunkt dem Motor zuzuführen, ist ein Stahlleitungen mit Innendurchmessern von etwa 1,5
sogenanntes Spritzverstellersystem erforderlich. Ge- bis 2,5 mm.
nerell sind zwei Grundsysteme zu unterscheiden. Bei Zur Erhöhung der Dauerfestigkeit ist es wichtig, dass
konventionellen Systemen wird durch mechanische die Rohre innen möglichst glatt ohne Rauhtiefen,
oder hydraulische Kräfte eine Phasenverschiebung Überlappungen und Fehlstellen ausgeführt werden.
zwischen der Pumpenantriebswelle und damit der Hierzu sind besondere Verfahren, zum Beispiel die
Nockenwelle oder Verteilerwelle der Hochdruck- sogenannte Autofrettage, das heißt eine unter extrem
pumpe und der Kurbelwelle des Verbrennungsmotors hohem Druck stattfindende plastische Glättung und
bewirkt. Bei Systemen, bei denen die Zumessung Eigenspannungserzeugung an der Innenseite der
durch elektronisch ansteuerbare Ventile geschieht, Rohre, erforderlich.
584 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Regelung/Steuerung. Die vorgenannten vier Teilsys- Volumenförderung und Druckerzeugung, das heißt
teme werden durch ein Regelungs- und Steuerungs- während der Pumpenkolbenbewegung erfolgen.
system koordiniert. Während bei konventionellen Sys- Generell können die Einspritzsysteme in drei Katego-
temen der Eingriff überwiegend mechanisch/hydrau- rien eingeteilt werden: in sogenannte nockenkanten-
lisch erfolgt, sind bei modernen Einspritzsystemen gesteuerte, nockenzeitgesteuerte und speicherzeitge-
elektronische Informationserfassung und -verarbei- steuerte Systeme, Bild 12-27.
tungssysteme und elektrisch betätigte Aktuatoren im Bei den nockenkantengesteuerten Systemen ist die
Einsatz. Dabei können die elektrischen Aktuatoren Stellgröße der Förderwinkel der Nockenwelle bezie-
direkt wirken oder nur zur Steuerung hydraulischer hungsweise der Förderhub des Kolbens. Auf Grund der
oder pneumatischer Verstelleinrichtungen. mit steigender Drehzahl steigenden Kolbengeschwin-
Das elektronische Steuerungs- und Regelsystem ist digkeit und dem damit ebenfalls steigenden Druck (und
eingebunden in das gesamte Motor- und Fahrzeug- im Falle der Kantensteuerung zusätzlich durch Vor-
management und damit mit allen Subsystemen ver- und Nachfördereffekte) und geringerer Leckage ist der
bunden, aus denen ein Eingriff auf das Motordreh- Förderwinkel bei hohen Drehzahlen unter der Annah-
moment beziehungsweise die Motordrehzahl erfolgen me einer konstanten Menge kleiner als bei niedrigen
Drehzahlen.
muss.
Bei den nockenzeitgesteuerten Systemen ist die Stell-
Bild 12-26 zeigt schematisch die in den letzten
größe die Ansteuerdauer. Auch hier ist auf Grund des
30 Jahren eingesetzten, durch die Pumpen charakteri-
drehzahlabhängigen Druckes und der geringeren Le-
sierten Einspritzsysteme. In der oberen Reihe die
ckage die Ansteuerdauer bei höherer Drehzahl gerin-
kantengesteuerten Systeme. Dabei kann der Regel-
ger als bei niedriger Drehzahl. Im Falle der speicher-
und Steuerungseingriff sowohl mechanisch als auch
zeitgesteuerten Systeme ist der Druck über der Dreh-
elektrisch sein. zahl konstant einstellbar und damit auch die Ansteu-
In der mittleren und unteren Reihe sind die Systeme erdauer. Der Förderwinkel verdoppelt sich deshalb
dargestellt, bei denen die Zumessung über elektrisch bei Verdopplung der Drehzahl. Für Neuapplikationen
betätigte Steuerventile erfolgt. Mit Ausnahme der und für Anwendungen mit strengen Abgasvorschrif-
Speichereinspritzsysteme (CRS) kann der Einspritz- ten werden praktisch nur noch zeitgesteuerte Systeme
vorgang bei den anderen Systemen nur während der eingesetzt.

Reihenpumpe Hubschieberpumpe Steckpumpe Axialkolben-Verteilerpumpe


mech./elektr. elektr. mech./elektr. mech./elektr.

Pumpen-NW Pumpen-NW Motor-NW


Axialkolben-Verteilerpumpe Radialkolbenpumpe
Magnetventil mech./Magnetventil

Pumpe-Düse-EInheit Pumpe-Leitung-Düse Common-Rail


Magnetventil/Piezo Magnetventil Magnetventil/Piezo

Motor-NW
Bild 12-26 Dieseleinspritz-
systeme, oben: kantengesteu-
erte Systeme, Mitte: magnet-
ventilgesteuerte Kompakt-
systeme (d6 Zylinder),
unten: Einzelzylinder-Sys-
Motor-NW teme, magnetventil- oder
piezogesteuert
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 585

φ
mE = konst.; t ~
nM

p = f(n) p = f(n) p = konst.


Förder-/Ansteuer-Dauer t

φ t
t
Förderwinkel φ

t
φ
φ

Bild 12-27 Einteilung der


2.000 4.000 min –1 2.000 4.000 min –1 2.000 4.000 min –1 Dieseleinspritzsysteme be-
Drehzahl nM
züglich der Druckerzeugung
Nockenkantengesteuert Nockenzeitgesteuert Speicherzeitgesteuert und Zumessstellgröße

12.4.2 Systeme mit einspritzsynchroner


Druckerzeugung
Einspritzsysteme mit einspritzsynchroner Druckerzeu-
gung sind dadurch gekennzeichnet, dass die Druck-
erzeugung und die Förderung beziehungsweise Ein-
spritzung des Kraftstoffes individuell für jeden Motor- 1
zylinder zeitgerecht abläuft, das heißt die Druckerzeu- 2
gung erfolgt im gleichen zeitlichen Rhythmus der 3
Zündfolge des Motors. Einzelpumpensysteme, Rei-
heneinspritzpumpen, Verteilereinspritzpumpen und
4
leitungslose Pumpe-Düse-Systeme arbeiten nach die-
sem Prinzip. Die Zumessung kann dabei durch reine 5
Kantensteuerung (mechanisch oder elektronisch ge-
steuert) oder über elektrisch betätigte Steuerventile
erfolgen, vergleiche auch Abschnitt 12.4.1.
6
12.4.2.1 Einzelpumpensysteme mit Leitung
Das in Bild 12-28 dargestellte Einzeleinspritzpum- 7
pensystem mit mechanischer Regelung gehört neben
der Reiheneinspritzpumpe zu den ältesten Dieselein-
spritzsystemen. Kennzeichnend für dieses System ist,
dass der Antrieb für die Pumpenkolben durch speziel-
le Nocken, die auf der Nockenwelle für die Ventil-
steuerung des Motors angeordnet sind, erfolgt. Diese Bild 12-28 Mechanisch geregelte Einzeleinspritz-
konstruktive Bauart erlaubt die Anwendung dieses pumpe für Großmotoren [6] Bauart Bosch, 1 Druck-
Einzeleinspritzpumpensystems (auch häufig als ventil; 2 Entlüftungsschraube; 3 Pumpenzylinder;
„Steckpumpe“ bezeichnet) nur für Motoren mit unten 4 Pumpenkolben; 5 Regelstange; 6 Regelhülse;
liegender Nockenwelle. Damit ist der Einsatz dieses 7 Führungsbuchse
Systems für moderne, schnelllaufende Pkw-Diesel-
Motoren, deren Ventilsteuerung ausschließlich mit
oben liegenden Nockenwellen realisiert wird, nicht hohe Lebensdauer und Zuverlässigkeit führt zu einer
geeignet. Hauptanwendungsgebiete der mechanisch sehr robusten Konstruktion mit einseitig geschlossenen
geregelten Einzelpumpensysteme sind deshalb Klein- Pumpenzylindern, sogenannten Sacklochelementen.
motoren, Motoren für Baumaschinen und Stationär- Die freie Anpassung des Förder- und damit Spritzbe-
motoren sowie Großmotoren für Diesellokomotiven ginnes ist nur mit großem Aufwand realisierbar.
oder für Schiffsmotoren. Deshalb führte die Weiterentwicklung zum magnet-
Die erzielbaren Einspritzdrücke liegen für Großmoto- ventilgesteuerten Einzelpumpensystem, dem soge-
ren bei circa 2.000 bar. Für die Anwendung in nannten Pumpe-Leitung-Düse-System (PLD), auch
Schiffsmotoren sind Sonderbauarten für Schwerölbe- Unit-Pump-System (UPS) beziehungsweise Electro-
trieb verfügbar. Die in diesen Einsatzfällen geforderte nic-Unit-Pump (EUP) genannt. Als Folge einer kur-
586 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

zen Einspritzleitung zwischen der Einzelpumpe und steigt auch bei Großmotoren der Bedarf an einem frei
der Düsenhalterkombination ist der Bedarf der För- verstellbaren Spritzbeginn [12, 15, 16].
derbeginnverstellung gering und kann durch den Unit-Pump-Systeme für Nutzfahrzeuge erreichen
Ansteuerbeginn für das Magnetventil auf dem För- heute maximale Einspritzdrücke von circa 2.000 bar.
dernocken flexibel eingestellt werden. Dadurch wur- Das Unit-Pump-System ist die Weiterentwicklung der
den diese Systeme auch für schnelllaufende Nutz- kantengesteuerten Steckpumpe zum nockenzeitge-
fahrzeugmotoren interessant, Bild 12-29. Allerdings steuerten elektronischen Einzelpumpensystem.

1 2 3

4 14

15
5 16
6 17
7 18
Bild 12-29 Pumpe-Leitung-
Düse (PLD) oder Unit-Pump-
19 System (UPS) für Nutzfahr-
8
20 zeugmotoren [6] Bauart
9
Bosch, 1 Einspritzdüsenhalter;
10
2 Druckstutzen; 3 Hochdruck-
21 leitung; 4 Anschluss; 5 Hub-
anschlag; 6 Magnetventil-
nadel; 7 Platte; 8 Pumpen-
22
gehäuse; 9 Hochdruckraum
11 (Elementraum); 10 Pumpen-
23
kolben; 11 Motorblock;
12 Rollenstößelbolzen;
24
13 Nocken; 14 Federteller;
15 Magnetventilfeder;
25 16 Ventilgehäuse mit Spule
und Magnetkern; 17 Anker-
26 platte; 18 Zwischenplatte;
12 19 Dichtung; 20 Kraftstoff-
27 zulauf (Niederdruck);
21 Kraftstoffrücklauf;
22 Pumpenkolben-Rückhalte-
13 einrichtung; 23 Stößelfeder;
24 Stößelkörper;
25 Federteller; 26 Rollen-
stößel; 27 Stößelrolle

12.4.2.2 Reiheneinspritzpumpe rädertrieb des Motors angetrieben wird. Die Mengen-


zumessung erfolgt ausschließlich über Kantensteue-
In der Reiheneinspritzpumpe sind die Pumpenele- rung durch Verdrehung der Pumpenkolben. Jeder
mente, bestehend aus Pumpenzylinder und Pumpen- Pumpenkolben trägt eine schräge Steuerkante, so dass
kolben, entsprechend der Anzahl der vorhandenen in Verbindung mit der zylinderseitigen, ortsfesten
Motorzylinder in einem eigenen Gehäuse, für schnell- Steuerbohrung, abhängig von der Winkelposition des
laufende Motoren aus Aluminium, zusammengefasst. Pumpenkolbens, ein unterschiedlicher Förderhub und
Die Pumpenkolben werden durch eine pumpeneigene damit eine unterschiedliche Einspritzmenge gefördert
Nockenwelle bewegt, die ihrerseits durch den Steuer- beziehungsweise eingestellt werden kann. Der Ge-
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 587

samtkolbenhub ist dabei jeweils konstant und ent- drossel integriert, die dafür sorgt, dass es zu keinem
spricht der Nockenerhebung. Die Verdrehung des unerwünschten Nacheinspritzer mit nur geringem
Kolbens erfolgt über eine sogenannte Regulierhülse, Einspritzdruck kommt.
die mit einer längsbeweglichen Regelstange form- Ähnlich wie bei den mechanisch geregelten Einzel-
schlüssig verbunden ist. Die Regelstange selbst wird einspritzpumpen ist es auch bei der Reihenein-
durch den mit der Einspritzpumpe verbundenen spritzpumpe nur mit vergleichsweise großem Auf-
Regler bewegt. Der Regler kann entweder ein mecha- wand möglich, den Förderbeginn frei anzupassen. Die
nischer Fliehkraftregler sein, der in erster Linie die drehzahlabhängige Förderbeginnsteuerung kann
Regelstange drehzahlabhängig verschiebt und damit durch einen sogenannten Vorbau-Spritzversteller
insbesondere eine Endabregelung realisiert oder ein erreicht werden. Dieser arbeitet mit Hilfe von Flieh-
elektronischer Regler, der über ein elektromagneti- gewichten und einer geeigneten Kinematik in der
sches Stellwerk auf die Regelstange wirkt. Zur An- Weise, dass es zu einer Phasenverschiebung zwischen
passung der Einspritzmenge an die unterschiedlichs- der Pumpennockenwelle und der Motorkurbelwelle
ten Betriebsbedingungen sind bei mechanisch ge- kommt. Eine einfache lastabhängige Förderbe-
regelten Pumpen sogenannte Aufschaltgeräte erfor- ginnsteuerung wird gelegentlich durch eine oben
derlich, zum Beispiel ein ladedruckabhängiger Voll- liegende Steuerkante am Pumpenkolben ermöglicht.
lastanschlag und eine temperatur- und höhenabhängi- Diese fehlende freie Einstellung des Förderbeginns
ge Verstellung der Einspritzmenge. führte zur Konstruktion der Hubschieberpumpe.
Zur sicheren Versorgung der Pumpenelemente mit Das Bild 12-30 zeigt ein aufgeschnittenes Pumpen-
Kraftstoff ist in der Regel eine Niederdruckförder- element einer Hubschieber-Reiheneinspritzpumpe. Es
pumpe an der Reiheneinspritzpumpe angebaut, die ist dadurch gekennzeichnet, dass im Bereich der
durch einen speziellen Nocken auf der pumpeneige- Kolbensteuerkanten der Pumpenzylinder verschieb-
nen Nockenwelle betätigt wird. Diese Förderpumpe bar ist (Hubschieber). Damit kann der Vorhub, das
versorgt den Saugraum der Reiheneinspritzpumpe mit heißt der Kolbenweg bis zum Verschließen der Zu-
Kraftstoff unter einem Druck bis zu circa 3 bar. Am laufbohrung für den Kraftstoff verstellt werden. Ein
Hochdruckausgang der Reiheneinspritzpumpe trennt kleiner Vorhub entspricht einem frühen Förderbe-
ein Druckventil den Hochdruckbereich in der Pumpe ginn, ein großer Vorhub einem späten Förderbeginn.
von der Einspritzleitung und dem Düsenhalter, so Die Hubschieber der einzelnen Pumpenelemente wer-
dass nach der Einspritzung im System Leitung-Düse den über eine gemeinsame Stellwelle in ihrer Höhen-
der dort befindliche Kraftstoff vorgespannt bleibt, das lage verändert. Die Stellwelle, wie auch die für die
heißt ein gewisser Standdruck vorhanden ist. Außer- Mengenzumessung erforderliche Regelstange werden
dem ist in dieses Druckventil häufig eine Rückström- durch zwei getrennte, elektromagnetische Stellwerke

Schieber Steuerbohrung
im Schieber 6

Kolbensteuer-
Δh1,2 kante 1
7
Förderbeginn Förderende
2 8
Nocken-Kolbenhub

3
Gesamtnocken-/Kolbenhub

Nutzhub Δh2 4
h2
obere Schieberlage 5 9
10

Nutzhub Δh1
h1 11

Nockenwinkel

Bild 12-30 Hubschieber-Reiheneinspritzpumpe [2, 6] Bauart Bosch, links: Funktionsprinzip der Förderbeginn-
verstellung, rechts: Pumpe mit elektromagnetischen Stellwerken: 1 Pumpenzylinder; 2 Hubschieber; 3 Regel-
stange; 4 Pumpenkolben; 5 Nockenwelle; 6 Förderbeginn-Stellmagnet; 7 Hubschieber-Verstellwelle; 8 Regel-
weg-Stellmagnet; 9 induktiver Regelstangenweggeber; 10 Steckanschluss; 11 Scheibe für Förderbeginnblockie-
rung und Teil der Ölrückförderpumpe
588 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

aktiviert. Die Mengenzumessung bei der Hubschie- möglich, weil die Frequenz der Hubbewegung des
berpumpe erfolgt analog der konventionellen Reihen- Pumpenkolbens der Zündfrequenz des Verbren-
einspritzpumpe beziehungsweise den konventionellen nungsmotors entspricht und nicht der eines einzelnen
Einzelpumpensystemen. Die Förderbeginnverstellung Motorzylinders. Gleichzeitig dreht sich der Pumpen-
durch Veränderung des Vorhubes erfordert im Ver- kolben mit Nockenwellendrehzahl. Durch die Hub-
gleich zur Standard-Reiheneinspritzpumpe einen hö- bewegung des Kolbens wird die Kraftstoffmenge den
heren Nocken. Diese Pumpenbauart wird deshalb und Motorzylindern zugeführt. Durch die Drehbewegung
wegen der notwendigen beiden Stellwerke nur für wird der Kraftstoff entsprechend der Zündfolge auf
Nutzfahrzeugmotoren eingesetzt. die Motorzylinder verteilt. Diese Doppelfunktion des
Auf Grund steigenden Forderungen nach geringeren Kolbens erlaubt den Einsatz der Verteilereinspritz-
Abgasemissionen und geringem Verbrauch und der pumpe für Motoren mit bis zu sechs Zylindern. Der
damit verbundenen erhöhten Anforderung an das Einsatzbereich dieser Pumpe sind insbesondere
Einspritzsystem bezüglich maximalem Einspritz- schnelllaufende Dieselmotoren für Pkw und leichte
druck, Mehrfacheinspritzungen und freier Wahl des Nutzfahrzeuge. In Einzelfällen können auch Motoren
Spritzbeginnes wird das Reiheneinspritzpumpensys- der Medium-Duty-Klasse bedient werden. Die düsen-
tem zunehmend durch magnetventilgesteuerte Ein- seitigen Einspritzdrücke erreichen Werte von 1.200
spritzsysteme abgelöst. bis 1.300 bar.
Ein besonderer Vorteil der Verteilereinspritzpumpe
12.4.2.3 Verteilereinspritzpumpe ist die Integration einer magnetventilgesteuerten För-
Neben der Reiheneinspritzpumpe ist die Verteilerein- derbeginnverstelleinrichtung. Dadurch ist sie beson-
spritzpumpe die zweite Kompaktpumpenbauart. Sie ders für Motoren mit einer großen Drehzahlspanne
besteht aus Niederdruckförderpumpe, Hochdruckför- geeignet.
derpumpe, Spritzverstellereinheit, Drehzahl-/Mengen- Eine weiterentwickelte Stufe der Axialkolbenvertei-
Regler und verschiedenen mechanisch/elektrischen lerpumpe zeigt Bild 12-32. Es handelt sich dabei um
Funktionsgruppen. Die Hochdruckpumpe kann ent- eine nockenzeitgesteuerte Pumpe, in deren Hoch-
weder als Axialkolben- oder als Radialkolbenpumpe druckbereich ein Magnetventil angeordnet ist, über
ausgeführt sein. das sowohl die Füllung des Pumpenelementes als
Bild 12-31 zeigt eine Axialkolbenpumpe mit kanten- auch der Förderbeginn und das Förderende und somit
gesteuerter Mengenzumessung und elektromagneti- die Fördermenge gesteuert werden kann. Auf Grund
schem Stellwerk. An Stelle des elektromagnetischen des geringeren Schadvolumens im Hochdruckbereich
Stellwerkes übernahm bei der älteren, konventionel- der Pumpe lassen sich Einspritzdrücke von circa
len Ausführung eine fliehkraftunterstützte mechani- 1.600 bar mit dieser Variante erreichen. Auf dem
sche Regelung die Verstellung des Regelschiebers Pumpengehäuse ist ein elektronisches Steuergerät
und damit die Mengenzumessung. Die Pumpe ist angeordnet, das die Pumpensteuerfunktionen, insbe-
dadurch gekennzeichnet, dass – im Gegensatz zur sondere die Aktivierung des Mengenmagnetventiles
Reihenpumpe – nur ein Pumpenelement für alle und des Magnetventiles für die Förderbeginnverstel-
Motorzylinder erforderlich ist. Dies wird dadurch lung übernimmt.

7 8 9 10

Bild 12-31 Axialkolben-Ver-


teilereinspritzpumpe, kanten-
gesteuert mit elektro-magne-
tischem Stellwerk [6], Bauart
Bosch, 1 Verteilerkolben;
2 Magnetventil für Spritzver-
stellung; 3 Regelschieber;
4 Hubscheibe; 5 Spritzver-
steller; 6 Förderpumpe;
7 elektrisches Mengenstell-
werk mit Rückmeldesensor;
8 Stellwelle; 9 elektrische
Abstellvorrichtung; 10 Druck-
6 11 5 4 3 2 1
ventilhalter; 11 Rollenring
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 589

5
1

6
7
2
8
Bild 12-32 Axialkolbenver-
teilerpumpe, nocken-zeit-
3 gesteuert mit Magnetventil
[6], Bauart Bosch, 1 Drehwin-
kelsensor; 2 Antriebswelle;
4 3 Stützring; 4 Rollenring;
9 5 Steuergerät; 6 Hubscheibe;
7 Pumpenkolben; 8 Hoch-
druckmagnetventil; 9 Druck-
ventilhalter

Die Informationen hierfür kommen aus dem pumpen- Verteilerwelle wird über einen induktiven Wegsensor
internen, inkrementalen Pumpenwinkel-Zeit-Signal erfasst und stellt ein Maß für den Förderhub bezie-
(IWZ-Signal). Dieses wird vom Drehzahl- bezie- hungsweise die Fördermenge dar. Auch diese Pumpe
hungsweise Drehwinkel-Sensor am Geberrad der wurde ähnlich wie die Axialkolbenverteilerpumpe
Antriebswelle erzeugt. Die Position des Sensors wird überwiegend im Pkw-Bereich eingesetzt.
zusammen mit der für die Förderbeginnverstellung Zur Erreichung hoher Einspritzdrücke wurde eine
notwendigen Rollenringverstellung verändert. Mittels Radialkolbenpumpe mit hoher Förderrate und Mag-
der Hubscheibendrehzahl (Nockenwellendrehzahl) netventilsteuerung entwickelt, Bild 12-34.
und über die Zuordnung des Förderhubes zum OT- Mit dieser Pumpe lassen sich Einspritzdrücke von
Signal des Kurbelwellendrehzahl-Sensors lässt sich nahezu 2.000 bar erreichen. Ein Nockenring trägt
somit eine exakte Förderbeginnverstellung erreichen, innenliegende radiale Nocken, deren Hub sich über
ohne dass ein in der Düsenhalterkombination ange- Rollen und Gleitschuhe auf die radial angeordneten
ordneter Nadelbewegungsfühler die Information des Förderkolben überträgt, die die Kraftstoffförderung
Spritzbeginns liefern muss. Gleichzeitig kann durch übernehmen und dadurch den Hochdruck erzeugen.
die IWZ-Signale die exakte Ansteuerdauer des Men- Die Zahl der Förderkolben und der Durchmesser der
genmagnetventils und damit die Mengenzumessung Förderkolben bestimmen die Förderrate. Durch den
eingestellt werden. Das Pumpensteuergerät ist mit kurzen, direkten Kraftfluss innerhalb des Nockentrie-
dem zweiten Steuergerät, dem Motorsteuergerät, bes ergeben sich geringe Nachgiebigkeiten und da-
verknüpft oder kann dessen Funktionen beinhalten, so durch ein sehr steifes System, welches die hohen
dass nur noch ein Steuergerät erforderlich ist. Der Einspritzdrücke ermöglicht.
Antrieb und die Förderbeginnverstelleinrichtungen Die Verteilung des Kraftstoffes auf die Motorzylinder
sind ähnlich wie bei der kantengesteuerten Axialkol- erfolgt über die rotierende Verteilerwelle, in der
benverteilereinspritzpumpe. zentral die Magnetventilnadel angeordnet ist. Der
Bei Verteilereinspritzpumpen mit Radialkolbenhoch- krafterzeugende Stellmagnet sitzt stationär im Vertei-
druckpumpe sind die Druckerzeugungsfunktion und lerkopf. Dadurch ist die Nadel geometrisch in zwei
die Verteilungsfunktion getrennt. Wie der Name sagt, Teile getrennt. Der Dichtsitz und der dichtende Teil
sind die Druckerzeugungskolben radial angeordnet. der Nadel sitzen in der rotierenden Verteilerwelle.
Die Mengenzumessung kann entweder nockenhub- Die Magnetkraft wird durch den äußeren Nadelteil
gesteuert oder nockenzeitgesteuert über Magnetven- auf diesen mitrotierenden Nadelteil übertragen. Im
tile – ähnlich wie bei der magnetventilgesteuerten stromlosen Zustand ist das Hochdruckventil durch
Axialkolbenverteilerpumpe – erfolgen. Federkraft geöffnet; dadurch kann der Pumpbereich
Bild 12-33 zeigt eine nockenhubgesteuerte Radial- der Radialkolben mit Kraftstoff über den Nieder-
kolbenverteilerpumpe. Bei dieser Pumpenart wird der druckkreislauf gefüllt werden. Nach Bestromung
Förderhub (entspricht dem jeweiligen Gesamthub) schließt das Ventil und die Hochdruckförderung
durch Axialverschieben der Verteilerwelle und durch beginnt. Die Mengenzumessung erfolgt über den
konische Flächen verändert. Die axiale Position der Schließ- und Öffnungszeitpunkt des Magnetventils.
590 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

6 7 8

9
Bild 12-33 Radialkolben-
Verteilereinspritzpumpe, hub-
gesteuert und elektronisch
geregelt [7] Bauart Delphi,
10 1 Druckventilhalter; 2 Ver-
teilerwelle; 3 Gleitschuhe;
4 Rückführfeder; 5 Förder-
pumpe; 6 Druckhalteventil;
7 Spritzversteller; 8 Magnet-
ventile (Spritzversteller, Rück-
lauf); 9 Magnetventile (Abstel-
5 4 3 2 1 lung, Füllung); 10 Sensor für
axiale Rotorstellung

4
3

1
6 Bild 12-34 Radialkolben-
pumpe, nockenzeitgesteuert
7 mit Magnetventil [8] Bauart
Bosch, 1 Antriebswelle;
2 Flügelzellenförderpumpe;
3 Drehwinkelsensor; 4 Steuer-
8 gerät; 5 Radialkolben-Hoch-
druckpumpe; 6 Verteiler-
welle; 7 Hochdruckmagnet-
ventil; 8 Pumpenauslass

Die Förderbeginnverstelleinrichtung ist prinzipiell zelnen Einspritzvorgängen in den Motorzylinder zwi-


ähnlich aufgebaut wie die der Axialkolbenverteiler- schen Pumpe und Leitung notwendig. Der Einsatz-
pumpe, jedoch in ihrer Dimensionierung den erhöh- bereich dieser Radialkolbenpumpe reicht vom Pkw-
ten Anforderungen angepasst. Die Ansteuerung der Motor bis zu den Heavy-Duty-Motoren.
Mengen- und Förderbeginn-Magnetventile erfolgt Während konventionelle Verteilereinspritzpumpen mit
analog der Axialkolbenverteilerpumpe über das Pum- Kantensteuerung nicht geeignet sind, Voreinspritzun-
pensteuergerät, das wiederum in gleicher Weise, wie gen durch Unterbrechung der Förderphasen zu erzeu-
vorher beschrieben, die benötigten Informationen gen, ist dies mit magnetventilgesteuerten Systemen
über IWZ-Signale erhält. Auf Grund der hohen För- möglich. Bild 12-35 zeigt den Düsennadelhub eines
derrate dieser Pumpe genügt in der Regel eine soge- Einspritzsystems mit magnetventilgesteuerter Radial-
nannte Rückströmdrossel im Bereich des Pumpen- kolbenpumpe bei Anwendung eines Zweifederdüsen-
auslasses, das heißt es ist ein offenes System. Es ist halters. Man sieht bei niederer und höherer Drehzahl
also kein hermetischer Abschluss zwischen den ein- sehr deutlich die durch wiederholtes Beschalten des
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 591

Magnetventiles erzeugte Voreinspritzung und im Falle heißt die Paarung Nocken/Stößel durch das Mo-
der niederen Drehzahl auch die Einspritzverlaufsfor- toröl geschmiert und ist damit tribologisch unemp-
mung durch den Zweifederdüsenhalter. findlich im Vergleich zum kraftstoffgeschmierten
Allen Verteilereinspritzpumpen gemeinsam ist, dass Verteilerpumpentriebwerk. Diese Tatsache führt da-
das Triebwerk ausschließlich durch den Kraftstoff zu, dass der eingesetzte Dieselkraftstoff einen Min-
geschmiert wird, im Gegensatz zu den Einzelein- deststandard an Schmierfähigkeit erfüllen muss. Durch
spritzsystemen und der Reiheneinspritzpumpe. Bei die in den 1990er Jahren festgelegte neue Kraftstoff-
den letzten beiden Systemen wird das Triebwerk, das norm DIN EN 590 [9] ist dies gewährleistet.

QPI = konst.
QMI = konst.

Bild 12-35 Voreinspritzung,


realisiert durch eine Radial-
kolbenverteilereinspritzpumpe
niedrige Drehzahl hohe Drehzahl
in Verbindung mit Zwei-
federdüsenhalter

12.4.2.4 Pumpe-Düse-System dem ersten Öffnen der Düsennadel wird bei weiterer
Drucksteigerung ein Ausweichkolben betätigt, der die
Bei der sogenannten Pumpe-Düse-Einheit (PDE), Einspritzung unterbricht und gleichzeitig den Dü-
auch als Unit-Injector-System (UIS) oder Electronic- sennadelöffnungsdruck für die Haupteinspritzung er-
Unit-Injector (EUI) bezeichnet, bilden das hoch- höht. Wird durch den Förderkolben dieser erhöhte
druckerzeugende Pumpenelement und das Einspritz- Öffnungsdruck erreicht, beginnt die Haupteinsprit-
ventil eine Baueinheit. Der Antrieb des Pumpenkol- zung. Heute werden Voreinspritzung und Nachein-
bens erfolgt über die motoreigene, oben liegende No- spritzung (in Verbindung mit der Abgasnachbehand-
ckenwelle, auf der spezielle Einspritznocken ange- lung) durch mehrfaches Ansteuern der Aktuatoren
ordnet sind. Bild 12-36 zeigt das PDE-System im realisiert. Im Zusammenhang mit der Dieselpartikel-
Zylinderkopf am Beispiel eines Pkw-Motors und des- filter-Regeneration wird eine zunehmende Flexibilität
sen Aufbau. Wegen der fehlenden Einspritzleitung ist für den Einspritzzeitpunkt gefordert, die von der PDE
das zu verdichtende Kraftstoffvolumen bei der Förde- nicht voll erfüllt werden kann.
rung (Schadvolumen) sehr gering. Dadurch ermög- Bild 12-37 zeigt zusammenfassend und qualitativ die
licht dieses System sehr hohe Einspritzdrücke. Das erreichten Einspritzdruck-Niveaus für die verschiede-
applizierte Einspritzdruckniveau liegt bei knapp über nen Einspritzsysteme.
2.000 bar (Pkw) mit Potenzial bis 2.500 bar. Das
System kommt inzwischen nur noch bei Nutzfahr-
zeugmotoren zum Einsatz. Voraussetzung sind jedoch
Motoren mit oben liegenden Nockenwellen. Die
Anordnung der Pumpe-Düse-Einheit im Zylinder-
kopf erfordert eine völlige Neukonstruktion des Zy-
linderkopfes mit integrierter Kraftstoffzu- und -ab-
führung sowie ein besonders steifer und belastungs-
fähiger Antrieb der Nockenwelle. Während in der
Vergangenheit Pumpe-Düse-Einheiten vereinzelt
auch mit hydraulischer und mechanischer Steuerung
angewandt wurden, dominieren heute magnetventil-
gesteuerte Systeme. Für Pkw-Anwendungen war auch
eine piezogesteuerte Variante in Serie.
Bei dem im Bild 12-36 gezeigten System konnte
durch einen kleinen hydraulisch betätigten Aus-
weichkolben in weiten Bereichen des Motorkenn- Bild 12-37 Einspritzdrücke für verschiedene Ein-
feldes eine Voreinspritzung realisiert werden. Nach spritzsysteme
592 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

28 2 cm

27
1

2 Bild 12-36 Pumpe-Düse-Ein-


heit für Pkw-Motoren [6] Bau-
3
art Bosch, 1 Kugelbolzen;
4
2 Rückstellfeder; 3 Pumpen-
kolben; 4 Pumpenkörper;
26 6 5 Steckkontakt; 6 Magnet-
9 kern; 7 Ausgleichsfeder;
5 8 Magnetventilnadel; 9 Anker;
25
7 10 Spule des Elektromagneten;
24 8 11 Kraftstoffrücklauf (Nieder-
23
10
druckteil); 12 Dichtung;
13 Zulaufbohrungen (circa
11
22 12 350 lasergebohrte Löcher als
Filter); 14 hydraulischer
13 Anschlag (Dämpfungs-
21 14 einheit); 15 Nadelsitz;
16 Dichtscheibe; 17 Brenn-
raum des Motors; 18 Düsen-
19
nadel; 19 Spannmutter;
20 integrierte Einspritzdüse;
20 16
21 Zylinderkopf des Motors;
18 22 Druckfeder (Düsenfeder);
15 23 Speicherkolben; 24 Spei-
17
cherraum; 25 Hochdruckraum
(Elementraum); 26 Magnet-
ventilfeder; 27 Antriebs-
nockenwelle; 28 Kipphebel

12.4.3 Systeme mit zentralem Neben der frei wählbaren Größe „Einspritzdruck“
Druckspeicher besteht prinzipiell die Möglichkeit einer Mehrfach-
einspritzung unabhängig von einer Nockenrampe be-
Einspritzsysteme mit zentralem Druckspeicher wer- ziehungsweise -kontur, wie zum Beispiel bei Vertei-
den heute als Common-Rail (CR = gemeinsame Lei- lerpumpen und Pumpedüsesystemen. Physikalisch ist
tung)-Einspritzsysteme bezeichnet. beim CR-System somit eine Einspritzung zu jedem
Das Common-Rail-Einspritzsystem ermöglicht inner- beliebigen Zeitpunkt möglich. Die Anzahl der Ein-
halb gegebener Druckgrenzen einen frei wählbaren spritzungen und deren Zeitpunkt sind im Wesentli-
Druck. Dies gibt dem Entwickler einen weiteren chen durch den Herstellungsaufwand für das benötig-
Freiheitsgrad bei der Optimierung der Verbrennung te Motorsteuergerät begrenzt.
gegenüber nockengesteuerten Einspritzsystemen. Zusammen mit den Möglichkeiten einer guten Mo-
Die Flexibilität, wesentliche Einspritzparameter prak- tordesignintegration des Systems und dem deutlich
tisch frei einstellen zu können, ist in der Diesel- entlasteten Pumpenantrieb, verglichen mit allen ande-
einspritztechnologie eine schon immer gewünschte ren nockengesteuerten Systemen, wird das Common-
Eigenschaft und eröffnet dem Brennverfahrens- Rail-System, Bild 12-38, in der Zukunft seinen Anteil
entwickler eine neue Dimension. an den Einspritzsystemen für Dieselmotoren weiter
vergrößern.
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 593

Kraftstoffrücklauf
Hochdruckleitungen Hochdruckanschluss
Piezo-Injektoren Hochdruck-
regelventil (PCV)

Rail
Kraftstoff-
vorförder-
ECU pumpe (ITP)
Hochdruck-
pumpenelement
Drucksensor

Volumenstrom-
Hochdruckpumpe regelventil (VCV)

Bild 12-39 Hochdruckpumpe, 1 Kraftstoffvorförder-


pumpe; 2 Volumenstromregelventil; 3 Hochdruck-
pumpenelement; 4 Hochdruckregelventil; 5 a Kraft-
Bild 12-38 Common-Rail-System
stoffzulauf; b Hochdruckanschluss; c Kraftstoffrück-
lauf
12.4.3.1 Hochdruckpumpe
Am Anfang der Entwicklung der Hochdruckpumpe
Die Vorteile des Konzeptes werden besonders in der
stand die 3-Kolben-Pumpe, Bild 12-39. Mittlerweile
Teilförderung sichtbar. Im gesamten Arbeitsbereich
sind auch 2- und 1-Kolben-Pumpen im Einsatz. Da-
von Einspritzdruck und Förderrate liegen die Wir-
durch können Gewicht und Kosten optimiert werden.
kungsgrade in der Regel bis zur niedrigsten Pumpen-
Gegenwärtig werden zwei Kraftstoffzumesskonzepte
drehzahl über 50 %. Beim Hochdruckabblasekonzept
verfolgt:
kann dagegen unter den gleichen Randbedingungen
x die Hochdruckabblasung der energetische Wirkungsgrad bis unter 20 % fallen.
x das Volumenstromkonzept. Bei volumenstromgeregelten Hochdruckpumpen ist
Die Volumenstromregelung weist gegenüber einem der Einfluss der Förderrate auf die Drehmoment-
Hochdruckabblasekonzept zwei Vorteile auf. schwankungen, Bild 12-40, des Antriebes der Pumpe
Zum einen ist es die geringere Antriebsleistung im zu beachten. Dargestellt sind bei einer Pumpendreh-
–1
Kennfeld mit einem geringeren Wärmeeintrag in das zahl von 1.000 min die Raildrücke 500 bar und
System über den Kraftstoffrücklauf in den Tank. Um 1.500 bar. Es zeigt sich stellvertretend für den gesam-
schnell auf transiente Druckänderungen reagieren zu ten Druckbereich bei sinkender Förderrate ein sin-
können, wird häufig im Hochdruckbereich des Sys- kendes mittleres Drehmoment verbunden mit einem
tems ein Ventil eingesetzt. moderaten Anstieg der Drehmomentschwankungen.
Zum zweiten weist die Volumenstromregelung ge- Im Vergleich mit nockengesteuerten Systemen ist der
genüber der Hochdruckregelung im gesamten Ar- Antrieb der Common-Rail-Hochdruckpumpe erheb-
beitsbereich einen besseren energetischen Wirkungs- lich unkritischer.
grad auf. Über dem gesamten Pumpendrehzahl- Bild 12-41 verdeutlicht den Einfluss der Volumen-
bereich und dem Druckbereich von 200 bis 1.800 bar stromregelung bei 1.500 bar auf die Druckschwan-
liegt er zum Beispiel bei Vollförderung zwischen 70 kungen im Rail, die die Einspritzmengen der lnjekto-
und 90 %, wobei weite Bereiche über 80 % energeti- ren ungünstig beeinflussen könnten.
schem Wirkungsgrad liegen.

Vollförderung 50 % Förderung 25 % Förderung


25 Nm
20
500 15
bar 10
5
0
25
20
1500 15
bar 10
5
ms
0
0 20 40 60 80 0 20 40 60 80 0 20 40 60 80
Bild 12-40 Förderraten und
Drehmomentschwankungen
594 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Vollförderung 50 % Förderung 25 % Förderung


1,6
1,2 kbar
0,8
0,4
0
1,52 kbar
1,51
1,50 Bild 12-41 Druckpulsationen
1,49 im Rail bei unterschiedlicher
ms
1,48 Förderrate und Volumen-
0 30 60 90 0 30 60 90 0 30 60 90
stromregelung

Hochdruckbypassing Volumenstromregelung
1,6
1,2 kbar
0,8
0,4
0
1,52
1,51 Bild 12-42 Vergleich der
1,50 Druckpulsationen im Rail bei
1,49 Hochdruckbypassing (links)
ms und Volumenstromregelung
1,48
0 30 60 90 0 30 60 90
(rechts)

Ebenso wie bei den Drehmomentschwankungen im Kraftstofftanks die Wiederbefüllung des Systems sehr
Antrieb zeigt sich beim Einfluss der Förderrate auf schnell möglich ist, während die in das Hochdruck-
die Druckpulsationen im Rail, dass ein Einfluss pumpengehäuse integrierte Vorförderpumpe den Vor-
praktisch nicht gegeben ist. Bei einem Raildruck von teil hat, dass die Komponentenanzahl des Einspritz-
1.500 bar und Vollförderung ergeben sich Pulsatio- systems kleiner ist und das Gesamtkraftstoffsystem
nen im Bereich von 5 bar. Unter den Randbedingun- kostengünstiger werden kann.
gen einer sehr geringen Förderrate von 25 % erhöht
sich die Schwankungsbreite auf circa 15 bar. 12.4.3.2 Rail und Leitungen
Beispielhaft sei hier die Common-Rail-Hochdruck- Das Rail, Bild 12-43, dient als Hochdruckspeicher für
pumpe mit einer Druckregelung über Hochdruck- den Kraftstoff, der von der Hochdruckpumpe gelie-
bypass und über Volumenstromregelventil bezüglich fert wird. Weiterhin versorgt es die Injektoren mit der
des Verhaltens auf Druckschwingungen miteinander für alle Betriebsbedingungen nötigen Kraftstoffmen-
verglichen. Beide Regelkonzepte ergeben ähnliche ge. Das Rail wird so ausgelegt, dass es einerseits
Ergebnisse. Befürchtungen, dass ein Regelkonzept schnell auf den gewünschten Druck vorgespannt wer-
mit Volumenstromregelventil unerlaubte Druck- den kann und andererseits die durch den Einspritz-
schwingungen im Rail induzieren könnte, sind also vorgang ausgelösten Schwingungen rasch gedämpft
nicht gegeben. Somit können die oben genannten werden. Auch die Länge und der Durchmesser der
Vorteile der Druckregelung über ein Volumenstrom- Leitungen zwischen Rail und lnjektoren sind dement-
regelventil ohne Nachteile genutzt werden. Einen sprechend zu wählen. Das Ziel einer solchen Ausle-
Vergleich der Druckpulsationen im Rail bei Hoch- gung ist, für jeden Zylinder am gleichen Motorbe-
druckbypassing und Volumenstromregelung zeigt triebspunkt bei jeder Einspritzung ähnliche Druck-
Bild 12-42. verhältnisse zu erreichen, da sonst wegen der Zeitan-
Als Ventile finden Proportional-Wegeventile für Vo- steuerung die Injektor-zu-lnjektor-Streuung zu groß
lumenstromregelung und Proportional-Druckbegren- werden kann, was bei einem Fahrzeug zu Emissions-
zungsventile für Hochdruckabblasung Verwendung. und Fahrdynamikfehlern führen kann.
Die Vorförderung des Kraftstoffes zur Hochdruck- Rails werden geschmiedet oder sind Schweiß-
pumpe kann über eine elektrische Förderpumpe (zum konstruktionen aus gezogenem Stahl. Hierbei ist be-
Beispiel im Kraftstofftank integriert), eine separate sonders auf die Hochdruckwechselfestigkeit der
oder eine in der Hochdruckpumpe integrierte mecha- Schweißverbindungen zu achten. Die Verbindung mit
nische Förderpumpe erfolgen. Der Vorteil der ersten den Leitungen ist so zu gestalten, dass in der
Lösung liegt darin, dass nach einem Leerfahren des Schweißnaht keine Zugbelastung auftritt.
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 595

Hochdruckleitungen zu
den Injektoren

Hochdruckleitung
Hochdruckleitung
zur Hochdruck-
zur variablen
pumpe DCP
Hochdruckpumpe DCP

Bild 12-43 Hochdruck-Rail

Die Leitungen zwischen Pumpe und Rail und Rail den Piezostack umgebenden Einbaugehäuses zusam-
und Injektoren werden aus nahtlos gezogenem Stahl men mit der Vorspannfeder, sowie einer geschickten
gefertigt. Festlegung des Leerhubes des Aktuators. Dabei darf
es nicht zu einem Offenstehen des lnjektors (Leerhub
12.4.3.3 Injektor zu gering) kommen, was zu Motorschaden führen
Bild 12-44 zeigt den prinzipiellen Aufbau des Com- kann. Andererseits darf bei sehr kleinen Ansteuerzei-
mon-Rail-lnjektors am Beispiel eines Servoventil- ten (Leerhub zu groß) kein Nichtöffnen erfolgen, was
betätigten Piezo-lnjektors. Herzstück des Injektors ist bei ausbleibender Piloteinspritzung das Verbren-
ein Piezoaktuator, der einerseits relativ niedrige nungsgeräusch merkbar erhöht. Eine weitere Beson-
elektrische Spannungen zulässt, andererseits die derheit ist das Servoventil, das im Gegensatz zu dem
automobilen Anforderungen nach Temperatur und von einem Magneten betätigten nach innen zum
Vibration zuverlässig erfüllt. Der Aktuator ist in der Hochdruckraum statt nach außen öffnet. Der Grund
Lage, das Servoventil in weniger als 100 Ps zu öffnen liegt darin, dass sich der Piezo bei Anlegen einer
oder zu schließen. Gemeinsam mit der aufeinander Spannung nicht nur ausdehnt, sondern auch eine
abgestimmten Zu- und Ablaufdrosselkombination große Kraft nach außen ausübt. Dadurch wird das
zum Steuerraum oberhalb des Steuerkolbens kann die Öffnen des Ventils gegen den Hochdruck funktions-
Öffnungsgeschwindigkeit der Düse und damit der gerechter und die Konstruktion des lnjektors einfa-
Einspritzverlauf und auch die minimale Einspritz- cher als bei der Bewegungsumkehr, wenn man den
menge, die durch die minimal mögliche Ansteuerzeit Piezo beim Schließen des Servoventils bestromt.
gegeben ist, beeinflusst werden. Diese Vorgänge Insgesamt kann durch diese Aktuatorkonstruktion ein
werden praktisch ohne Totzeit ausgelöst. Damit wird Hub des Steuerventils von etwa 40 um im gesamten
deutlich, dass die Piezotechnologie eine hohe Repro- Temperaturbereich eines Fahrzeugmotors von –30 °C
duzierbarkeit der Einspritzungen möglich macht. bis +140 °C beibehalten werden.
Ein ausgeführtes Beispiel eines solchen Injektors Die Funktionsweise dieser Konstruktion geht aus
zeigt das vergrößerte Bild 12-45. Der Piezo-Aktua- Bild 12-46 hervor. Wenn der lnjektor nicht angesteu-
tor (4) ist ein Stack in sogenannter Multilayertechnik, ert wird (linke Bildhälfte), befindet sich Kraftstoff
bei dem eine Vielzahl von einzelnen Keramikplätt- unter Raildruck sowohl im lnjektor-Steuerraum (2)
chen miteinander verbunden sind. Diese werden in als auch in der Hochdruckkammer (3) der Düse. Die
einem Gehäuse vorgespannt. Ein Problem, das dabei Bohrung zum Kraftstoff-Rücklauf (5) ist durch den
gelöst werden muss, ist die Temperaturkompensation. Ventilpilz (4) mittels Feder verschlossen. Die hydrau-
Durch den großen Temperaturbereich in einem Fahr- lische Kraft, die durch den Kraftstoffhochdruck auf
zeug ist die Ausdehnung des Gehäuses im Verhältnis die Düsennadel (6) im Steuerraum (2) ausgeübt wird,
zur Längenausdehnung der Keramikplättchen bei (Fl) ist größer als die hydraulische Kraft, die an der
Anlegen einer Spannung groß. Eine Temperaturkom- Düsenspitze wirkt (F2), da die Fläche des Steuer-
pensation erfolgt durch geeignete Werkstoffwahl des kolbens im Steuerraum größer ist als die freie Fläche
596 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

1
5

5
6
1 Hochdruckanschluss 4 1
7 2 Kraftstoffrücklauf 2
3 Elektrischer Anschluss zum 3
Motorsteuergerät (ECU)
4 Piezo-Aktuator
6
5 Ventilkolben
6 Ventilpilz
7 Steuerkolben
8 Düsennadel
1 Kraftstoffzulauf (Hochdruck)
8 9 Hochdruckkammer Düse
2 Zulaufdrossel
10 Düsenspritzlöcher
3 Ablaufdrossel
4 Servoventil (2/2)
5 Kraftstoffrücklauf (Niederdruck)
9
6 Kraftstoffzulauf zur Düse

10

Bild 12-45 Schnittbild eines Piezo-Injektors Bild 12-44 Common-Rail-Piezo-Injektor

unter der Düsennadel. Die Düse des Injektors ist Kraft auf den Steuerkolben (Fl) im Steuerraum. Die
geschlossen. Wird der lnjektor angesteuert (rechte Düsennadel (6) bewegt sich nach oben und der Kraft-
Bildhälfte), drückt der Piezo-Aktuator (7) auf den stoff gelangt über die Spritzlöcher in den Brennraum
Ventilkolben (8) und der Ventilpilz (4) öffnet die des Motors.
Bohrung, die den Steuerraum (2) mit dem Kraftstoff- Bei Motorstillstand sind das Ventil, das den Steuer-
rücklauf verbindet. Dadurch kommt es zum Druck- raum mit dem Kraftstoffrücklauf verbindet und die
abfall im Steuerraum und die hydraulische Kraft, die Düse des Injektors durch Federkraft verschlossen.
an der Düsennadelspitze wirkt (F2), ist größer als die Bild 12-47 zeigt die Leistungsfähigkeit des Piezo-

Piezo-Aktuator nicht angesteuert Piezo-Aktuator angesteuert

7
4
4
1

2 2

5
8

F1 F1x

3
6 F2x
F2
6

1 Hochdruckzulauf 7 Piezo-Aktuator
2 Steuerraum 8 Ventilkolben
3 Hochdruckkammer
4 Ventilpilz F1 Kraft auf den Steuerkolben
5 Kraftstoff-Rücklauf F2 Kraft, die auf die DFÜsennadel wirkt
6 Düsennadel
Bild 12-46 Injektor-Funktion
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 597

Minimale EInspritzmenge Fünffacheinspritzung


n = 2000 min–1 pRail = 1000 bar
2,0 150
Einspritzmenge [mm3/Hub]

Zylinderdruck [bar]
1,6
100

Nadenhub [μm]
1,2
50 350
0,8 250
0 150
0,4 50

0,0
0 300 600 900 1200 1500 1800 –40 –30 –20 –10 0 10 20 30 40
Raildruck [bar] Kurbelwinkel [°KW]

Bild 12-47 Performance des CR-Injektors der 2. Generation mit Piezotechnologie

Kurbelwelle
Nockenwelle
Fahrpedal
Raildruck Injektoren
Ladedruck Charge air cooler Druckregelventil
Umgebungsdruck
Saugdrosselventil
Lufttemperatur

Luftmasse Abgasrück-
EPC führung
Kühlwassertemperatur EPC VTG
Klemme 15 Rail
Elektrische
+ Relais
Kupplung Kraftstoffpumpe

FGR-Bedienteil Relais Glührelais

Automatikgetriebe +
Diagnoselampe
ABS/ASR
Servicetester
Klimakompressor Fuel tank M

Fahrgeschwindigkeit weitere Endstufen

Bild 12-48 Systemblockschaltbild für CR

Injektors. Für Motorgrößen mit einem Zylindervolu- lung des gewünschten Mikro- und Makrogemisches.
men von 0,5 l ergeben sich in einer sinnvollen Ge- Als Einspritzdüsen finden beim Common-Rail-
samtabstimmung des lnjektors, das heißt mit ausrei- Einspritzsystem Sitzloch- sowie Sacklochdüsen Ver-
chend schnellen Öffnungs- und Schließflanken, bis wendung (siehe Kapitel 12.4.4).
l.800 bar minimale Einspritzmengen von unter
3
1,5 mm , im Bereich niedriger Drücke sogar deutlich 12.4.3.5 Elektronik
3
unter 1,0 mm . Gleichzeitig ist der Abstand der Das folgende Systemblockschaltbild, Bild 12-48,
Spritzbeginne der einzelnen Teileinspritzungen sehr zeigt die Sensorik und Aktuatorik. Hieraus wird der
klein wählbar. Je nach Raildruck sind minimale volle Funktionsumfang des Common-Rail-Einspritz-
Spritzpausen von 0 bis 250 Ps möglich. Größere systems deutlich. In die Motorelektronik sind alle
Spritzbeginnabstände unterliegen keiner Beschrän- Endstufen inklusive der Energierückgewinnung inte-
kung. Vor- und Nacheinspritzungen sind im gesamten griert. Die Piezotechnologie erfordert gegenüber
Kennfeldbereich möglich, das heißt sowohl im gesam- Solenoidtechnologie ein völlig neues Endstufenkon-
ten Druckbereich als auch im ganzen Drehzahlband. zept. Während beim Solenoid während der gesamten
Öffnungsphase des Ventils Strom fließt, geregelt über
12.4.3.4 Einspritzdüse Peak and Hold, verhält sich der Piezo-Aktuator elekt-
Die Aufgabe der Einspritzdüse liegt in der Zerstäu- risch ähnlich wie ein Kondensator. Der Piezo wird
bung und der Verteilung des Kraftstoffes zur Erzie- geladen und längt sich dabei, zum Ende wird er ent-
598 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

laden und geht auf seine Ausgangslänge zurück. enges Zusammenbringen einzelner Einspritzungen zu
Einen Vergleich der elektrischen Eigenschaften von einer Spritzreihe, wodurch die Verbrennung gezielt
Solenoid- und Piezotechnologie zeigt Bild 12-49. Bei gesteuert werden kann. Die zeitlichen Abstände
der Ansteuerung geht der Trend von der Umschwing- zwischen den Einspritzungen werden nur begrenzt
endstufe mit fester Stromform hin zu der sogenannten durch die Schnelligkeit der Endstufe.
CC-Endstufe, bei der der Stromverlauf je nach An-
forderung individuell unterschiedlich geregelt werden 12.4.3.6 Entwicklungstrends
kann (CC = Current Control).
Ein weiterer Aspekt in Verbindung mit der Piezo- Allgemeine Entwicklungstrends auch für die Com-
technologie ist die Elektro-Magnetische-Verträglich- mon-Rail-Einspritzsysteme der Zukunft sind:
keit. Grundsätzlich erwartet man auf Grund der x Steigerung des Einspritzdruckes
schnellen Schaltzeiten erhebliche Stromspannungs- x flexible Einspritzratenregelung
spitzen. Da aber der Piezo-Aktuator mit einer Sinus- x veränderbare Düsenspritzlochgeometrie
(beziehungsweise sinusähnlichen) Stromform geladen x verstärkter Einsatz von Closed-loop-Regelstrate-
und entladen werden kann, erweist sich diese Techno- gien
logie bezüglich EMV als nicht kritischer als die x Verkleinerung der Toleranzen.
Solenoidtechnologie mit getakteter Peak- und Hold-
phase. An erster Stelle ist mit Sicherheit eine weitere Steige-
Die Piezotechnologie hat das Potenzial zur Energie- rung des Einspritzdruckes für eine verbesserte Kraft-
rückgewinnung. So kann selbst unter der Randbedin- stoffaufbereitung und Verbrennung zu nennen. Die
gung extrem schneller Schaltvorgänge etwa 50 % der Piezotechnologie bietet unter anderem wegen der ho-
eingesetzten Energie zurückgewonnen werden. hen Schaltgeschwindigkeit optimale Voraussetzungen
Das Fehlen der magnetischen Remanenz ermöglicht für eine flexible Einspritzratenregelung, die zur Er-
beim Piezo-Aktuator nicht nur die gute Wiederholge- füllung zukünftiger Emissionsforderungen verstärkt
nauigkeit von Shot to Shot, sondern auch ein sehr zum Einsatz kommen wird.

Solenoid Piezo

Bild 12-49 Vergleich der


elektrischen Eigenschaften
von Solenoid- und Piezo-
technologie

250
Nadelhub [μm]

200

150

100

50

Zeit [ms]
0
0 1 2 3 4

Bild 12-50 Strahlsymmetrie über Nadelhub bei 1.000 bar


12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 599

Für eine optimale Gemischaufbereitung im ganzen Common-Rail-Systemen übernimmt der Injektor als
Motorkennfeldbereich werden Einspritzdüsen mit Steuerelement auch die Funktion des Düsenhalters.
variabler Spritzlochgeometrie (zum Beispiel Two Die Hauptaufgaben der Düse in Kombination mit dem
Stage Nozzle, TSN) entwickelt. Des Weiteren werden Düsenhalter sind, das Zerstäuben und Verteilen des
verstärkt Closed-loop-Strategien auch am Injektor Kraftstoffes im Brennraum die Formung des Ein-
eingesetzt werden. Ein Beispiel ist der durch den spritzverlaufes und das Abdichten des Hydrauliksys-
Piezo-Aktuator direkt betätigte Injektor mit Bewe- tems gegenüber dem Brennraum. Die Düsenkonstruk-
gungsumkehr, bei dem einerseits Öffnung und Schlie- tion und Auslegung ist auf die unterschiedlichen Mo-
ßen der Düsennadel über Feedbacksignale des als torverhältnisse exakt abzustimmen. Dies sind vor
Sensor benutzten Piezo-Aktuators geregelt werden allem:
können und bei dem andererseits auch die Steilheit
x Verbrennungsverfahren (DI, IDI)
der Flanken sowie der Nadelhub in seiner Höhe
x Geometrie des Brennraumes
gezielt verändert und geregelt werden können.
x Zahl der Einspritzstrahlen, Strahlform und Strahl-
Hauptsächlich zur Erfüllung der hohen Emissions-
richtung
vorgaben werden die Anforderungen an die Bauteil-
x Einspritzdauer
toleranzen und die Kleinstmengenfähigkeit weiter
x Einspritzrate.
ansteigen (Bild 12-50). Mit der Piezotechnologie
sind, bei angepassten Spritzlöchern, Voreinspritz- Bild 12-51 zeigt einige Grundausführungen von Zap-
3
mengen < 0,8 mm machbar. fendüsen (für IDI-Motoren) und Lochdüsen (für DI-
Motoren). In allen Fällen handelt es sich um nach
Literaturverzeichnis zu Kapitel 12.4.3 innen öffnende Düsen. Nach außen öffnende Düsen
[1] Schöppe, D.: Anforderungen an moderne Dieseleinspritzsysteme sind heute als Serienlösungen nicht mehr im Einsatz.
für das nächste Jahrhundert. Tagung Dieselmotorentechnik. Durch die konstruktive Gestaltung des Spritzzapfen-
Esslingen 1997
[2] Egger, K.; Schöppe, D.: Diesel Common Rail II – Einspritz-
profils bei Zapfendüsen kann der düsenhubabhängige
technologie für die Herausforderungen der Zukunft. Interna- Öffnungsquerschnitt und damit der Mengendurch-
tionales Wiener Motorensymposium 1998 fluss beziehungsweise der Einspritzverlauf den Mo-
[3] Klügl, W.; Egger, K.; Schöppe, D.; Freudenberg, H.: The Next torerfordernissen angepasst werden.
Generation of Diesel Fuel Injection Systems Using Piezo Tech-
nology. FISITA World Automotive Congress, Paris 1998
Aus Festigkeitsgründen kommt der Gestaltung der
[4] Eichlseder H., Rechberger E., Staub P.: Einfluß des Einspritz- Düsenkuppenform bei Lochdüsen große Bedeutung
systems auf den Verbrennungsablauf bei DI-Dieselmotoren für zu. Außerdem ist die Größe des Restvolumens zwi-
Pkw. Tagung „Der Arbeitsprozeß des Verbrennungsmotors“, schen der Spitze der Düsennadel und der Innenkontur
Graz 1995
[5] Egger, K.; Lingener, U.; Schöppe, D.; Warga, J.: Die Möglich-
des Düsenkörpers zwischen Düsennadelsitz und den
keiten der Einspritzung mit einem Piezo-Common-Rail-Ein- Spritzlöchern wegen des darin befindlichen Kraftstoff-
spritzsystem für Pkw. Int. Wiener Motorensymposium 2001 volumens, das an der Verbrennung nicht teilnimmt,
[6] Bauer, St.; Zhang, H.; Pirkl, R.; Pfeifer, A.; Wenzlawski, K.; wichtig. Je kleiner dieses Volumen ist, desto geringer
Wiehoff, H.-J.: Ein neuer Piezo Common Rail Injektor mit
Direktantrieb und Mengenregelkreis: Konzept und motorische
sind die aus diesem Volumen ausdampfenden Kohlen-
Vorteile. Int. Wiener Motorensymposium 2008 wasserstoffe, die dann im Abgas als unverbrannte HC-
[7] N. N.: Optimierte Gemischbildung – Durch innovative Einspritz- Emission auftreten können. Sogenannte Sacklochdüsen
technik – Titelthema. In: MTZ 01/2011 haben in der Regel eine höhere Kuppenfestigkeit und
[8] N. N.: Einspritztechnik – Der lange Weg zum Druck – Titelt-
hema. In: MTZ 02/2010
ein größeres Restvolumen als Sitzlochdüsen, bei denen
[9] Schmidt, S. et al.: Einfluss des Hub-Bohrungsverhältnisses und das Spritzloch im Bereich des Düsensitzes liegt. Da-
der Einlasskanalgeometrie auf Ladungsbewegung und Gemisch- durch ist das Restvolumen vom Brennraum abgekop-
bildung bei BDE-Ottomotoren. 9. Internationales Symposium für pelt, und es können nur noch die in den einzelnen
Verbrennungsdiagnostik, AVL, 8./9. Juni 2010
[10] Warga J.: Konsequente Weiterentwicklung der Hochdruck-Pkw-
Spritzlöchern verbleibenden Kraftstoffvolumina aus-
Dieseleinspritzsysteme, Int. Wiener Motorensymposium 2011 dampfen. Die Spritzlöcher selbst werden elektroerosiv
hergestellt.
Mit steigendem Einspritzdruck und aus der Tatsache
12.4.4 Einspritzdüsen und Düsenhalter heraus, dass die Mengenverteilung pro Spritzloch bei
Der vom Pumpenelement geförderte oder unter Druck einer Sacklochdüse gleichmäßiger ist, als bei Sitz-
gespeicherte Kraftstoff wird über das Einspritzventil lochdüsen (VCO), kommen vermehrt schadvolumen-
durch die Einspritzdüse mit hohem Druck in den reduzierte Sacklochdüsen (Mikrosacklochdüse) zur
Brennraum des Dieselmotors eingespritzt und mög- Anwendung. Bild 12-52 zeigt beide Ausführungsar-
lichst fein verteilt. Die Düse selbst ist in einem Dü- ten im Vergleich.
senhalter montiert, der seinerseits in den Zylinder- Das gleichmäßige Abspritzverhalten der Mikrosack-
kopf dichtend eingeschraubt oder eingesteckt ist. Im lochdüse ist besonders wichtig bei den Kleinstmen-
Falle der Pumpe-Düse-Einheit bilden Hochdruckele- gen für die Vor- und Nacheinspritzungen. Bei der
ment, Düsenhalter und Düse eine Baueinheit. Bei Sitzlochdüse kann im Falle von Kleinsthüben für die
600 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Drosselzapfendüse
Flächenzapfendüse mit
konischem Anschliff

Lochdüse mit konischem Sackloch Lochdüse mit zylindrischem Sackloch

Sitzlochdüse
Bild 12-51 Grundausführun-
gen von Einspritzdüsen

SItzlochdüse (VCO) Mikrosacklochdüse Bild 12-52 Sitzloch- und


Mikrosacklochdüse

Voreinspritzmengen (<1 b i s 3 mm3 pro Einsprit- und umgekehrt. Üblicherweise werden heute bei
zung) auf Grund von fertigungsbedingten Toleranzen Motoren mit Direkteinspritzung Spritzlochzahlen von
ein ungleiches Spritzbild entstehen. Wird der Sitz in 6 bis 12 realisiert. Bei den Pkw-Dieselmotoren liegt
Strömungsrichtung zurückverlagert, so wirken sich die Zahl bei 6 bis 8 Löchern. Die Dimensionierung
bei Einspritzungen, in denen die Sitzdrosselung der Spritzlöcher stellt bei den heute in Serie befindli-
dominiert (Kleinsthübe), ungleiche Querschnittsver- chen Einspritzdüsen für Dieselmotoren einen Ziel-
hältnisse im Sitzbereich und damit Druckverhältnisse konflikt dar. Im Teillastbereich beziehungsweise für
nicht mehr so stark aus, da das Spritzloch nicht direkt Vor- oder Nacheinspritzungen werden relativ geringe
im Sitzbereich beginnt. Bild 12-53 zeigt den Ver- Einspritzmengen benötigt, die durch möglichst kleine
gleich der Einzeleinspritzmenge pro Spritzloch bei Spritzlöcher zerstäubt werden sollen, um eine Redu-
kleiner und mittlerer Einspritzmenge, ermittelt mit zierung der Abgaswerte zu erreichen. Dabei wird die
einem Messverfahren nach [10, 19]. beste Kraftstoffzerstäubung dann erreicht, wenn der
Die Zahl der Spritzlöcher ist stark vom Verbren- gesamte Druckabbau und somit die Umwandlung in
nungsverfahren und der Luftzirkulation (Drall) im kinetische Energie möglichst ausschließlich in den
Brennraum abhängig. Generell gilt: Je höher der Spritzlöchern stattfindet. Die kleinen Spritzlöcher
Drall, desto weniger Spritzlöcher sind erforderlich bedingen jedoch, dass die bei Volllast erforderliche
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 601

komplette Druckenergie zur Umwandlung in kineti-


Loch 1
120 % nP = 725 min–1
sche Energie zur Verfügung steht. Um diesen Kon-
flikt zu lösen, gibt es Entwicklungen für Düsen, die
100 %
variable oder gestufte Einspritzquerschnitte aufwei-
Loch 6 Loch 2
sen. Unter verschiedenen konstruktiven Lösungsan-
sätzen für Vario-/Registerdüsen ist nachstehend die
80 %
Koaxial-Vario-Düse (KVD), die auch als Two Stage
Nozzle (TSN) bezeichnet wird, dargestellt, siehe
Bild 12-54.
Hierbei ist die Düsenkuppe mit zwei Spritzlochreihen
versehen, die jeweils separat von einer inneren und
Loch 5 Loch 3 einer äußeren Nadel angesteuert werden. Die für Vor-
und Nacheinspritzung geforderten Minimalmengen
können gezielt durch wenige oder kleine Spritzlöcher
Qges = 7 mm3/E in der ersten Spritzlochebene dargestellt werden. Für
Loch 4
Qges = 40 mm3/E den Volllastbereich wird zusätzlich die zweite Spritz-
lochreihe geöffnet, die mit mehreren oder größeren
Bild 12-53 Einzeleinspritzmengen pro Spritzloch für Spritzlöchern versehen ist. Bisher sind diese Düsen-
eine Sacklochdüse bei zwei verschiedenen Mengen- konzepte ausschließlich in der Forschung untersucht
niveaus worden.
Der minimale Lochdurchmesser, der heute serienmäßig
dargestellt wird, beträgt etwa 0,10 mm. Wichtiger als
Kraftstoffmenge nicht in einem vorgegebenen, opti- der Durchmesser ist jedoch der Durchfluss durch die
malen Zeitfenster eingespritzt werden kann. Somit Düsenlöcher. Die Düsenlöcher sind nach dem Erodie-
muss für die Auslegung der Spritzlochdurchmesser ren am Lochanfang, das heißt an der Innenseite der
ein Kompromiss gefunden werden, der zum einen die Düse, scharfkantig. Durch Verrunden der Einlaufkan-
Forderungen bezüglich der Abgasemissionen erfüllt ten wird bei gleichem Lochdurchmesser eine deutliche
und zum anderen ausreichend ist, um die maximale Steigerung des hydraulischen Durchflusses erreicht.
Motorleistung zu erreichen. Die geforderten minima- Sind die Spritzbohrungen zusätzlich noch konisch
len Einspritzmengen werden daher in bestimmten ausgeführt, wird ein gleichmäßiges Geschwindigkeits-
Bereichen des Kennfeldes dadurch erreicht, dass die profil erzeugt und Kavitationszonen vermieden.
Düsenadel nicht vollständig geöffnet wird und somit Bild 12-55 zeigt zylindrische und konische Spritz-
der Durchfluss im Nadelsitzbereich begrenzt wird. lochausführungen mit unterschiedlichen Verrundungs-
Dies bedeutet aber eine Drosselung und somit Druck- graden, wie sie serienmäßig zum Einsatz kommen,
verlust vor den Spritzlöchern, weil nicht mehr die siehe auch [18].

äußere und innere innere Nadel geöffnet; äußere und innere Bild 12-54 Koaxial-Vario-
Nadel geschlossen äußere Nadel geschlossen Nadel geöffnet
Düse (KVD)

A B C

zylindrisches Spritzloch konisches Spritzloch konisches Spritzloch Bild 12-55 Düsenloch-


mit 10 % HE-Verrundung mit 10 % HE-Verrundung mit 20 % HE-Verrundung
(CF = 0; HE = 10 %) (CF = 1,5; HE = 10 %) (CF = 1,5; HE = 20 %) Einlauf mit und ohne hydro-
erosiver Verrundung
602 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

800
Begrenzung durch
700 Pumpenleistung

Durchfluss [cm3/30 s]
600

500

400
Düsenkörper
300

200 100 bar


500 bar
100 1000 bar

0
0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30
Nadelhub [mm]

Düsenadel Bild 12-57 Volumendurchfluss einer Düsenhalter-


kombination (Sitzlochdüse) in Abhängigkeit vom
Düsennadelhub für drei verschiedene Drücke

doppelte Nadelführung
Zur einfachen Formung des Einspritzverlaufes, insbe-
sondere bei kantengesteuerten Einspritzsystemen,
kann der Zweifederdüsenhalter eingesetzt werden,
Bild 12-58.

15 1
14

1 13
12
Bild 12-56 Doppelte Nadelführung einer Sitzloch-
düse 11 2
10
2
Eine andere Möglichkeit der Vergleichmäßigung der 3

Einspritzstrahlen pro Düsenloch ist die verbesserte 9


Führung der Düsennadel durch eine doppelte Nadel- 4
3
führung (Bild 12-56). 4
5
8 6
5
Düsenhalter. Die Düse ist, wie bereits erwähnt, in den 7
Düsenhalter eingebaut. Durch die Vorspannkraft der
6
Druckfeder im Düsenhalter ist die Düsennadel ge-
7
schlossen. Übersteigt die hydraulische Kraft (propor-
tional Druck und (d 2Nadel – d 2Sitz)) die Vorspannkraft, so
öffnet die Düse. Prinzipiell muss der Kraftstoff zwei
Drosselstellen überwinden. Zunächst die hubabhän-
gige Sitzdrossel (veränderliche Drossel) und anschlie- Bild 12-58 Konventionelle Düsenhalterkombination
ßend die durch die Spritzlochgeometrie definierte (links) und Zweifeder-Düsenhalterkombination mit
Festdrossel. Bei kleinen Hüben dominiert die Sitz- integriertem Nadelbewegungsfühler zur Bestimmung
drossel. Ist die Düse voll geöffnet oder liegt die Dü- des Spritzbeginns (rechts) [8]
sennadel am mechanischen Anschlag an, so bestimmt links: 1 Spaltfilter; 2 Zulaufbohrung; 3 Druckbolzen;
die Spritzlochgeometrie den Durchflussquerschnitt. 4 Zwischenscheibe; 5 Düsenspannmutter; 6 Boden-
Bild 12-57 zeigt den charakteristischen Verlauf des stärke; 7 Düse; 8 Fixierstifte; 9 Druckfeder; 10 Aus-
Düsendurchflusses einer Lochdüse. Im Bereich kleins- gleichsscheibe; 11 Leckkraftstoffbohrung;
ter Hübe bestimmt die Sitzdrossel den Durchfluss. 12 Leckkraftstoff-Anschlussgewinde; 13 Haltekörper;
Dieser nimmt steil mit dem Hub zu. In diesem Be- 14 Anschlussgewinde; 15 Dichtkegel
reich, dem sogenannten ballistischen Bereich der Dü- rechts: 1 Haltekörper; 2 Nadelbewegungssensor;
sennadelbewegung, spielen Fertigungs- und Einstellto- 3 Druckfeder 1; 4 Führungsscheibe; 5 Druckfeder 2;
leranzen eine besonders große Rolle. 6 Druckstift; 7 Düsenspannmutter
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 603

Hierbei wird zunächst die Vorspannkraft der im z: Zylinderzahl


oberen Teil des Düsenhalters angeordneten Feder nM: Motordrehzahl
überwunden. Der Öffnungsdruck liegt bei circa 120 UK: Kraftstoffdichte
bis 180 bar und nach Durchlaufen des einige wenige
hundertstel Millimeter betragenden Vorhubes wird Das Umsetzen dieses Bedarfs durch das Einspritzsys-
zusätzlich die Vorspannkraft der zweiten (unteren) tem hängt vom Prinzip der Mengenzumessung ab.
Feder überwunden. Der Öffnungsdruck dieser zwei- Bei konventionellen kantengesteuerten oder direkt
ten Stufe liegt dann bei 250 bis über 300 bar. hubgesteuerten Pumpen hängt das von der Pumpe pro
Dadurch wird es möglich, im unteren Drehzahlbe- Hub geförderte Volumen VHub nur vom Querschnitt
reich eine „angelagerte Voreinspritzung“ (siehe des Kolbens und von der Größe des Nutzhubes ab:
Bild 12-35) zu erreichen. Bei höheren Drehzahlen VHub AKolben ˜ hNutz (12.4)
ist der Druckaufbau so stark und schnell, dass die
erste Stufe sofort überwunden wird und ein normaler AKolben: Querschnittsfläche des Pumpenkolbens
Nadelhubverlauf entsteht. hNutz: wirksamer Förderhub des Pumpenkolbens
Bei den heute ausgeführten Common-Rail-Injektoren Bei nockenzeitgesteuerten Systemen dagegen ist die
wird die Düsennadel durch rein hydraulische Kräfte geförderte Menge pro Einspritzung abhängig von der
oder direkte mechanische Verbindung zwischen Ak- Schließdauer des Aktuators, dem Kolbenquerschnitt
tuator und Düsennadel geöffnet und geschlossen, ver- und der Kolbengeschwindigkeit:
gleiche Abschnitt 12.4.3. Auch sind Systeme im Ein-
satz (Nfz), bei denen durch Druckmodulation während VHub AKolben ˜ v Kolben ˜ 'tSD (12.5)
des Einspritzvorganges Einspritzverlaufsformungen
AKolben: Querschnittsfläche des Pumpenkolbens
mit Common-Rail-Injektoren möglich werden.
vKolben: mittlere Geschwindigkeit des Pumpenkol-
bens während der Förderdauer
12.4.5 Anpassung des Einspritzsystems 'tSD: Schließdauer ( ˆ Förderdauer) des Steuerven-
an den Motor tiles
Damit der Dieselmotor in allen Betriebspunkten Die Vor- und Nachfördereffekte sowie die Förderung
entsprechend den Anforderungen die besten Ergeb- während des Öffnungs- und Schließvorganges der
nisse liefert, muss das gesamte Einspritzsystem exakt Hochdruckmagnetventile sind dabei vernachlässigt.
an den Motor angepasst werden. Man spricht von der Das an der Düse austretende Kraftstoffvolumen ist
Applikation des Einspritzsystems an den Motor. vereinfacht durch die Formel
Um die in Abschnitt 12.4.1 definierten Aufgaben
individuell und optimal zu lösen, müssen eine Viel- 2
zahl von geometrischen Parametern der Bauteile des VAus AD ˜ 't ˜D ˜ ˜ 'p (12.6)
UK
Einspritzsystems, aber auch betriebspunktabhängige
Eingangsgrößen vom Einspritzsystem erfasst und ent- AD: geometrischer Düsenlochquerschnitt
sprechend den Zielwerten umgesetzt werden. Die 't: Einspritzdauer
elektronisch gesteuerten Systeme bieten dabei eine D: Durchflusswert
wesentlich größere Zahl von Freiheitsgraden und UK: Kraftstoffdichte
Möglichkeiten der Optimierung als die konventionel- 'p: Differenzdruck (Kraftstoffseite – Brennraum-
len, mechanisch geregelten Systeme. So müssen zum seite)
Beispiel bei der Festlegung der einzuspritzenden
bestimmbar. Die Einspritzdauer kann angenähert aus
Kraftstoffmasse folgende wichtigen motor- und
dem Nadelhubsignal oder der Ansteuerdauer des
fahrzeugbedingten Grenzen beachtet werden:
injektorseitigen, elektrisch betätigten Ventiles bei
x Rauchgrenze (insbesondere an der Volllastlinie) Common-Rail-Systemen ermittelt werden. Zu beach-
x maximal zulässiger Zylinderdruck ten ist, dass der Zumessquerschnitt an der Düse und
x Abgastemperatur der Differenzdruck zwischen Düseninnenraum und
x Drehzahl des Motors Brennraum während der Einspritzphase nicht kon-
x Drehmoment- und Drehzahlobergrenzen. stant sind. Gleiches gilt auch für den Durchflussbei-
Das für den Viertakt-Motor erforderliche Einspritzvo- wert. Des Weiteren ist zu beachten, dass bei der
lumen pro Arbeitszyklus und Zylinder errechnet sich Auslegung der Hochdruckpumpe der Kraftstoff bei
aus folgendem Zusammenhang: den hohen Drücken von über 1.000 bar nicht mehr als
inkompressibel angenommen werden darf. Die Hoch-
Pe ˜ be ˜ 2
VK (12.3) druckpumpe muss deshalb bezüglich ihrer Förderleis-
z ˜ nM ˜ U K tung in Abhängigkeit von Schadvolumen und dem
P e: effektive Leistung des Motors vorhandenen Druck- und Temperaturniveau größer
be: spezifischer Kraftstoffverbrauch des Motors ausgelegt werden, um das „Speicherverhalten“ des zu
(Masse/Leistung und Zeit) verdichtenden Kraftstoffvolumens zu berücksichti-
604 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

gen. Zur numerischen Simulation von Einspritzsys- ten Anforderungen umfassend bei der Applikation
temen und zur Bestimmung von messtechnisch nicht berücksichtigt werden.
oder nur schwer zugänglichen Vorgängen in Pumpe, Die elektronische Dieselregelung (EDC = Electronic
Leitung, Düse, Magnetventil und Injektor stehen Diesel Control) kann in drei Systemblöcke aufgeteilt
leistungsfähige Werkzeuge zur Verfügung [2, 12, 13, werden [6, 14].
15, 16].
Bild 12-59 gibt einen groben Überblick über die Sensoren und Sollwertgeber: Sie erfassen die Be-
hardwareseitigen Anpassungsparameter des Ein- triebsbedingungen des Motors und die Sollwerte und
spritzsystems für die Motorapplikation für nocken- wandeln physikalische Größen in elektrische Signale
getriebene Einspritzsysteme und für ein Common- um, so dass diese im zweiten Block, dem Steuergerät,
Rail-System. Zusätzlich kommen noch die Betriebs- verarbeitet werden können.
parameter wie Temperatur, Ladedruck, Luftdruck, Im Steuergerät werden diese Informationen nach
Abgasrückführung sowie Informationen von weiteren mathematischen Rechenvorschriften (Steuer- und
Fahrzeugsystemen, wie zum Beispiel ESP oder ASR, Regelalgorithmen) verarbeitet. Das Steuergerät stellt
sowie Fahrerwunsch (Fahrpedalstellung, Fahrge- außerdem die elektrischen Ausgangssignale für die
schwindigkeitsregelung) und Informationen aus der Stellglieder zur Verfügung und ist die Schnittstelle zu
Sensorik der Abgasnachbehandlungssysteme hinzu. anderen Systemen und zur Diagnose.
In der Vergangenheit stand zur Erfüllung all dieser
Aufgaben nur ein „mechanisches Motormanagement“ Der dritte Block sind die Aktuatoren (Stellglieder).
in Form der mechanischen Regelung der Dieselein- Sie setzen die elektrischen Ausgangssignale des
spritzung zur Verfügung. Dabei konnten all diese Steuergerätes wiederum in mechanische Größen um,
Forderungen aus dem Fahrzeug- und Motorbetrieb und zum Beispiel die Ansteuerung des Magnetventils für
des Fahrerwunsches nicht umgesetzt werden. Die die Mengenzumessung.
mechanische Regelung musste sich auf die Grundfunk- Bild 12-60 zeigt die Gesamtübersicht des EDC-
tionen des Betriebes des Motors beschränken, wie zum Systems für ein PDE-System für Pkw.
Beispiel Leerlaufregelung, Enddrehzahlregelung, Der prinzipielle Aufbau einer elektronischen Diesel-
Volllastangleichung, ladedruckabhängige Mengenan- regelung ist in Bild 12-61 dargestellt. Streng genom-
passung, atmosphärendruckabhängige Volllastanpas- men handelt es sich bei der Dieselregelung sowohl
sung, temperaturabhängige Mengenanpassung (zum um eine Steuerung, als auch um eine Regelung, da in
Beispiel beim Start). Erst durch die Einführung der vielen Fällen die Stellglieder auf der Basis von Ein-
elektronischen Dieselregelung konnten die vorgenann- gangsgrößen durch vorgegebene Datenkennfelder

a) Nockengetriebene Einspritzsysteme
Nockengeschwindigkeit
Element-Δ
ggf. Zeitverhalten des Magnetventils
Einspritzverlauf Druckventil/Entlastungsgrad
Spritzdauer Druckventilfeder Anzahl
Einspritzdruck Totvolumina (Gesamtausrüstung)
Druckleitungslänge und -Δ Spritzloch Δ
hydraulischer Durchfluss
Nadelhub Länge
Tröpfchengröße Öffnungsdruck
Federsteifigkeit (Düsenhalter)
Verteilung im Druckstufe (Schließdruck)
Brennraum Spritzlochgestaltung
Einspritzdruck

b) Common-Rail-System
Hochdruckpumpe
Railvolumen
Raildruck
Zulaufdrossel im Injektor
Einspritzverlauf Ablaufdrossel im Injektor
Spritzdauer Zeitverhalten des Aktuators
Einspritzdruck Druckschwingungen im Injektor Anzahl
Totvolumina (Gesamtausrüstung)
Druckleitungslänge und -Δ Spritzloch Δ
hydraulischer Durchfluss
Tröpfchengröße Nadelhub Länge
Düsendruckstufe Bild 12-59 Wichtige kon-
Verteilung im Spritzlochanordnung struktive Auslegungs- und
Brennraum Sacklochgestaltung
Einspritzdruck
Anpassungsparameter von
Einspritzsystemen [2]
12.4 Gemischbildung bei Dieselmotoren 605

Übersicht der EDC für Unit Ejector System (UIS) im Pkw

Motordrehzahl (KW) Unit Injector (max. 5 pro Steuergerät)


(Kurbelwelle) Steuergerät EDC 15 P

Motordrehzahl (NW) Signaleingänge


u. Zylindererkennung
(Nockenwelle) Sensorauswertung

SIgnalverarbeitung

Fahrpedalsensor Atmosphärendruck
mit Leergasschalter
und Kick-Down (ADF)
(2. Sensor*)
Leerlaufregelung

Laufruheregler
Förderbeginn, -dauer
Ladedruck Aktiver Ruckeldämpfer
Fahrgeschwindigkeits-
regler (FGR)
Glührelaissteuerung
Lufttemperatur
extern. Mengeneingriff
Mengenregelung und
Wassertemperatur -begrenzung Klimaabschaltung

Abgasrückführung
Kraftstofftemperatur Abgasrückführsteller
Ladedruckregelung

Förderbeginn-
Luftmasse Ladedrucksteller
korrektur (BIP)
Zusätzliche Klein-
Förderbeginn- und 7 leistungsendstufen
Förderdauerabrechnung (1.. 2A)
Fahrgeschwindigkeit

Klimakompressor-
ansteuerung Aktoren
Zusätzlich Eingänge 6
für Analogsignale
Glühzeitsteuerung
ISO K
ML-Request Wegfahrsperre Diagnose-
Ersatzfunktionen Anforderung

5
FGR-Bedienteil Abgleich
+
Magnetventilendstufen Systemlampe
+
Bremse (2) +
Leistungsendstufen
MIL-Lampe

Kupplung Serielle Schnittstelle


2
CAN
CAN-Kommunikation
Klemme 15 +
Diagnose MUX-Signal
(PBM-A)
Glühzeitrelais-Status
Hauptrelais
Getriebe SG Drehzahlsignal
(TD-Signal)
CAN
ASR/MSR SG
+ – Verbrauchssignal
(TQ-Signal)
Klimaeingang SG

BOSCH
Sensoren Kommunikation

*optional

Bild 12-60 Systemkonfiguration eines Einspritzsystems am Beispiel der PDE [6] (Bosch)
606 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Kraftstoff-Regelkreis 1 (Einspritzkomponente) Luft-Regelkreis


Kraftstoff-Regelkreis 2 (Motor) Daten- und Signalfluss
„Umweg“ über den Fahrer

Datenaustausch mit
EDC-Steuergerät
anderen Systemen
– Antriebsschlupfregelung
Ansteuerung der – Getriebesteuerung
Einspritzkomponente – Klimasteuerung ...

CAN

Regelung und
Regelung der Ansteuerung der
Einspritzung übrigen Stellglieder

Anforderungen Sensoren und


des Fahrers Sollwertgeber
– Fahrerwunsch – Fahrpedalsensor
– Tempomat – Drehzahlsensor
– Motorbremse ... – Schalter ...

Motor System zur


Füllungssteuerung
– Aufladung
– Abgasrückführung
Luft
Stellglieder (Aktoren)
– elektropneum. Wandler
– Dauerbremsanlage
Kraftstoff – Lüfter
– Glühzeitsteuerung ...

Einspritzkomponenten:
– Reiheneinspritzpumpe
– Verteilereinspritzpumpe
– Unit Injector/Unit Pumpe
– Common Rail-Hochdruck-
pumpe und Injektoren, Bild 12-61 Grundaufbau der
– Düsenhalter und Düsen elektronischen Diesel-Rege-
lung (EDC) [11]

oder Kennlinien aktiviert werden, ohne dass die Re- [2] Mollenhauer, K.; Tschöke, H. (Hrsg.): Handbuch Dieselmotoren,
3. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer, 2007
aktion darauf direkt überprüft wird. Andererseits wird
[3] Härle, H.: Einfluss des Einspritzverlaufs auf die Emissionen des
in einer Reihe von Fällen die Reaktion erfasst, zum Nkw-DI-Motors. Tagung Diesel- und Benzindirekteinspritzung.
Beispiel die Drehzahl des Motors bei der Leerlauf- Berlin, 9./10.12.2000 (s. [13])
drehzahlregelung oder die Düsennadelbewegung bei [4] Eichlseder, H.: Der Einfluss des Einspritzsystems auf den Ver-
brennungsablauf bei DI-Dieselmotoren für Pkw. 5. Tagung „Der
der Spritzbeginnregelung. Arbeitsprozess des Verbrennungsmotors“, Graz, 09/1995
Das Steuergerät der elektronischen Dieselregelung ist [5] Bischoff, M.; Eiglmeier, Ch.; Werner, T.; Zülch, S.: Der neue
somit ein Steuer- und Regelgerät. Weitere Details des 3,0-l-TDI-Biturbomotor von Audi. In: MTZ 73 (2012) 2, S. 126–
elektronischen Motormanagements vergleiche Ab- 133
[6] Reif, K. (Hrsg.): Dieselmotor-Management: 5. Auflage, Vie-
schnitt 16. weg + Teubner Verlag, 2012
[7] Lewis, G. R.: Das EPIC-System von Lucas. In: MTZ 53 (1992)
Literatur zu Kapitel 12.4.1, -2, -4, -5 5, S. 224 – 229
[8] Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Technische Unterrichtung
[1] Pauer, T.; Wirth, R.; Brüggeman, D.: Zeitaufgelöste Analyse der Kraftfahrzeugtechnik: Diesel-Radialkolben-Verteilereinspritz-
Gemischbildung und Entflammung durch Kombination optischer pumpen VR. Ausgabe 1998/99
Messtechniken an DI-Dieseleinspritzdüsen in einer Hoch- [9] DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.): DIN EN 590 (Aus-
temperatur-Hochdruckkammer. 4. Internationales Symposium gabe 2000-02): Kraftstoffe für Kraftfahrzeuge. – Dieselkraft-
für Verbrennungsdiagnostik, Baden-Baden: 18./19.5.2000 stoff. – Anforderungen und Prüfverfahren. Berlin: Beuth, 2000
12.5 Kraftstoffversorgungssystem 607

[10] Tschöke, H.; Kilic, A.; Schulze, L.: Messadapter für Mehrloch- Diese sechs Schichten setzen sich unter anderen aus
düse. Offenlegungsschrift DE 199 09 164 A1 vom 07.09.2000
Neumaterial, Haftvermittler, Sperrschicht und Rege-
[11] Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Technische Unterrichtung Kraft-
fahrzeugtechnik: Elektronische Dieselregelung EDC. Ausgabe nerat zusammen. Die Sperrschicht dient dazu, dass die
2001 aus dem Kraftstoff austretenden Kohlenwasserstoffe
[12] Tschöke, H.; Leyh, B. (Hrsg.): Diesel- und Benzindirekteinsprit- nicht durch das Material diffundieren können.
zung. Renningen-Malmsheim: expert-Verlag, 2001
[13] Kull, E.: Einfluss der Geometrie des Spritzloches von Die-
Um den steigenden Emissionsanforderungen und
seleinspritzdüsen auf das Einspritzverhalten, Dissertation 2003 einer Lebensdauer von 15 Jahren beziehungsweise
[14] Reif, K. (Hrsg.): Moderne Dieseleinspritzsysteme. Vieweg+ 150.000 Meilen gerecht zu werden, wurden in den
Teubner Verlag 2010 letzten Jahren vereinzelt Edelstahltanks hergestellt.
[15] Tschöke, H.; Legh, B. (Hrsg.): Diesel- und Benzindirektein-
spritzung. Renningen - Malmsheim: expert-Verlag, 2003
Infolge der hohen Herstellkosten und der Weiterent-
[16] Tschöke, H. (Hrsg.): Diesel- und Benzindirekteinspritzung. Ren- wicklung bei den Herstellverfahren von Kunststoff-
ningen - Malmsheim: expert-Verlag 2005, 2007, 2009, 2011 und tanks sind die Stückzahlen der Edelstahltanks aber
2013 wieder rückläufig.
[17] Schneider, B. M.: Experimentelle Untersuchungen zur Spray-
struktur in transienten, verdampfenden und nicht verdampfenden
Kraftstoffversorgungssysteme werden für verschie-
Brennstoffstrahlen unter Hochdruck, Dissertation. ETH Zürich, dene Kraftstoffe – Ottokraftstoffe, Dieselkraftstoffe
2003 oder auch Flüssiggas – ausgelegt. Je nach Absatz-
[18] Schifferdecker, R.: Potential strömungsoptimierter Einspritzdü- markt und geltender Emissionsgesetzgebung unter-
sen bei NKW-Motoren, Dissertation. Universität Magdeburg,
2011
scheiden sich die Kraftstoffsysteme in der Strö-
[19] Kilic, A.; Schulze, L..; Tschöke, H.: Influence of Nozzle Para- mungsführung während der Kraftstoffbefüllung und
meters on Single Jet Fuel Quantities of Multi-Hole Diesel des im Betrieb entstehenden Gases.
Injection Nozzles. SAE 2006-01-1983 Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Tanksys-
temen für Diesel- und für Ottokraftstoff. Durch die
Weiterführende Literatur
unterschiedlichen Eigenschaften dieser Kraftstoffe
Shinohara, Y.; Takeuchi, K.; Herrmann, O. E.; Laumen, H. J.: Common- unterscheiden sich die Systeme im Entlüftungssys-
Rail-Einspritzsystem mir 3000 bar. In: MTZ 01/2011
Senghaas, C.; Schneider, H.; Reinhard, S.; Jay, D.; Ehrström, K.: Neu-
tem, bei der Betankung und bei der Fördertechnik.
es Schweröl-Common-Rail-Einspritzsystem. In: MTZ 01.2011
Simon, C.; Will, B.-C.; Dörksen, H.; Mengel, C.: Erzeugung und Ein-
12.5.1.1 Dieselkraftstofftank
spritzung von Diesel-Wasser-Emulsionen. In: MTZ 07– 08/2010 Dieselkraftstoff besitzt nahezu keine Neigung zur
Borchsenius, F.; Stegemann, D.; Gebhardt, X.; Jagni, J.; Lyubar, A.:
Simulation von Diesel-Common-Rail-Einspritzsystemen. In:
Kraftstoffausgasung. Bei den Emissionen, die wäh-
MTZ 06/2010 rend der Betankung eines Dieselkraftstofftanks ent-
Clever, S.; Isermann, R.: Modellgestützte Fehlererkennung und Dia- stehen, handelt es sich um den Gasinhalt, der durch
gnose für Common-Rail-Einspritzsysteme. In: MTZ 02/2010 den Kraftstoff aus dem Tank verdrängt wird. Die
Leonhard, R.; Warga, J.; Pauer, T.; Rückle, M.; Schnell, M.: Magnet-
ventil – Common-Rail-Injektor mit 1800 bar. In: MTZ 02/2010
Gase werden über eine Entlüftungsleitung direkt an
die Umgebung abgegeben. Proportional zum Volu-
men des verbrauchten Dieselkraftstoffs strömt wäh-
rend des Fahrbetriebs Umgebungsluft in den Tank.
12.5 Kraftstoffversorgungssystem Durch die höhere Dichte des Dieselkraftstoffes kann
mit höherer Füllrate (bis 60 l/min) betankt werden,
Die Versorgung eines Pkw-Motors mit Kraftstoff
was sich in einem Vergleich zum Ottokraftstoffsys-
erfordert einen Kraftstoffbehälter, der sich in der
tem im größeren Strömungsquerschnitt des Dieselein-
Regel im Bereich der Hinterachse eines Fahrzeuges
füllrohres widerspiegelt.
befindet. Der Tank ist ein Teil des Kraftstoffversor-
gungssystems mit einer Vielzahl von Funktionen. Zu 12.5.1.2 Ottokraftstofftank
diesen gehören die Kraftstoffbefüllung, Füllstands-
Bei Kraftstofftanks für Ottokraftstoff unterscheidet
begrenzung, Kraftstoffspeicherung, Kraftstoffversor-
man mehrere Varianten. Ein erstes Unterscheidungs-
gung des Motors und die Be- und Entlüftung des
merkmal ist die Kraftstoffart – verbleiter oder blei-
Kraftstoffbehälters während der Betankung sowie
freier Kraftstoff. Die Unterschiede bei den Kraftstoff-
während des Betriebs. Das Kraftstoffversorgungssys-
systemen finden sich im Einfüllstutzen wieder. Zapf-
tem stellt dem Motor den Kraftstoff über die Vorlauf-
ventile für verbleiten Kraftstoff haben einen größeren
leitung innerhalb eines vorgegebenen Druckbereiches
Durchmesser (‡ 23,6 mm) gegenüber denen für un-
in ausreichender definierter Menge zur Verfügung.
verbleiten (‡ 21,3 mm). Der Zapfventildurchmesser
wurde verkleinert, damit bei einem mit bleifreiem
12.5.1 Kraftstoffbehälter Kraftstoff betriebenem Fahrzeug kein verbleiter
Kraftstoffbehälter werden zum größten Teil aus Kraftstoff eingefüllt werden kann. Kraftstoffsysteme,
Kunststoff (PE-HD mit verschiedenen Sperrschich- die noch mit verbleitem Kraftstoff betrieben werden,
ten) oder Metall (Edelstahl, feueraluminiertes Blech besitzen in der Regel auch keinen Aktivkohlefilter.
oder Aluminium) hergestellt. In der Regel handelt es Das Aktivkohlefilter verhindert, dass Kohlenwasser-
sich bei Kunststofftanks um einen 6-Layer-Tank. stoffe ungehindert in die Atmosphäre treten können.
608 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Während des Betriebs des Fahrzeugs wird das Aktiv-


kohlefilter, geregelt durch das Motormanagement,
regeneriert.
Bei bleifreien Kraftstoffen unterscheidet sich das
Kraftstoffversorgungssystem noch nach Absatzmarkt
und der dort geltenden Emissionsgesetzgebung. So
dürfen über das Einfüllrohr so gut wie keine Kohlen-
wasserstoffe während der Betankung in die At-
mosphäre gelangen. In Europa wird dies dadurch
erreicht, dass die bei der Betankung entstehenden
Gase im Gaspendelverfahren über das Zapfventil
abgesaugt werden. In den USA müssen alle entste-
henden Gase über das Fahrzeug gereinigt werden.
Durch diese verschiedenen Verfahren unterscheiden
sich die europäischen Tanksysteme von denen in den
USA durch die Gestaltung des Einfüllrohres, der
Größe des Aktivkohlefilters und im Diagnoseverfah-
ren.
Den in Europa zum Einsatz kommenden Kraftstoff-
tank bezeichnet man als ECE-Tank (Economic
Commission for Europe), den in den USA als ORVR-
Tank (onboard refueling vapor recovery).
Bei einem ORVR-Tank unterscheidet man zusätzlich
Verfahren, die den Austritt von Kohlenwasserstoffen Bild 12-62 Tank mit externem Entlüftungssystem
aus dem Einfüllrohr vermeiden in „liquid seal“ und (oben Mitte)
„mechanical seal“.
Beim Liquid-Seal-System (fluidische Abdichtung) im Tank erzeugt und über einen Drucksensor der
entsteht bei der Betankung durch die Kraftstoffströ- Tankdruck überwacht. Beim Überdrucksystem wird
mung im Einfüllrohr ein Unterdruck. Auf diese Weise durch eine externe Pumpe ein Überdruck im Tank
wird Luft aus der Atmosphäre in das Tanksystem erzeugt; über die Stromaufnahme der Pumpe kann
gesaugt. Um den Gasvolumenstrom durch den Aktiv- dann ein Leck detektiert werden.
kohlefilter zu minimieren, wird häufig das Prinzip der
Rezirkulation angewendet. Dabei wird ein Teil der 12.5.2 Das Tankentlüftungssystem
Dämpfe über eine zusätzliche Leitung vom Kraft-
stofftank zum Einfüllrohr gesaugt und mit der aus der Der Kraftstoffbehälter muss in allen Betriebszustän-
Atmosphäre angesaugten Luft wieder in den Kraft- den (Stand, Fahrbetrieb, Betankung) immer be- und
stofftank gefördert. Dieser Kreislauf reduziert die entlüftbar sein. Um zu vermeiden, dass flüssiger
Kraftstoffdampfmenge, die bei der Betankung zum Kraftstoff aus dem Tanksystem austritt, können
Aktivkohlefilter gelangt. verschiedene Maßnahmen angewendet werden. Die
Beim Mechanical-Seal-System (mechanische Ab- Entlüftungspunkte auf dem Tank müssen so gewählt
dichtung) wird der Spalt zwischen Zapfventil und werden, dass der Tank unter allen Schräglagen immer
Verschlussstutzen abgedichtet. Durch die unter- über einen Punkt entlüftbar ist, wobei gleichzeitig
schiedliche Gasmenge, die bei der Betankung anfällt, über die anderen Entlüftungspunkte kein Kraftstoff
bestimmt sich das Volumen des Aktivkohlefilters. austreten darf (siehe Bild 12-62). Die Entlüftungslei-
Für einen ECE-Tank reicht ein „Kohlevolumen“ von tungen können entweder mit Schwimmerventilen
0,8 bis 1 l aus. Dagegen kann das Volumen für einen verschlossen werden, oder sie werden in einem
ORVR-Tank bis zu 4 l betragen. externen Ausgleichsbehälter zusammengeführt. Bei
Ein weiterer Unterschied besteht in dem Diagnose- neueren Tanksystemen wird dieser Ausgleichsbehäl-
verfahren. Bei ORVR-Tanks ist zusätzlich eine Leck- ter in den Tank integriert, um so das Permeations-
diagnosefunktion für das Kraftstoffversorgungssys- verhalten der Tanks zu optimieren (siehe Bild 12-63).
tem in das Diagnosesystem des Fahrzeugs implemen- Neben der Entlüftung des Tanksystems spielt auch
tiert. Die Leckdiagnosefunktion soll feststellen, ob die Füllstandsbegrenzung eine große Rolle. Da sich
der Tankdeckel aufgeschraubt ist und ob sich ein Ottokraftstoff unter Temperatureinfluss ausdehnt,
Leck im Kraftstoffversorgungssystem befindet. Die muss der Flüssigkeitsspiegel beim Beenden des Füll-
Leckdiagnose kann im Unterdruck- oder Überdruck- vorgangs wesentlich unterhalb der Entlüftungspunkte
verfahren durchgeführt werden. Beim Unterdruck- liegen. Die Füllstandsbegrenzung kann über ein
verfahren wird im Diagnosezeitraum mit Hilfe des Tauchrohr – ein Rohr am Ende der Betankungsentlüf-
Unterdrucks im Saugrohr des Motors ein Unterdruck tungsleitung, welches durch ansteigenden Kraftstoff
12.5 Kraftstoffversorgungssystem 609

nach dem Leerfahren des Tanks. Die Restabsaughöhe


gibt an, wie viel Kraftstoff in dem Tank nach dem
Leerfahren verbleiben darf.
Ausgleichsbehälter Bei Mehrkammertanks muss das Kraftstofffördersys-
tem alle Kammern des Tanks bis auf die geforderten
Restabsaughöhen entleeren. Außerdem ist in jedem
Kraftstofffördersystem die Füllstandsmessung enthal-
ten. Es wird zwischen Diesel- und Ottokraftstoffför-
dersystemen unterschieden.

12.5.3.1 Dieselfördersystem

Füllstandsbegrenzungsventil
Bei Dieselfördersystemen wird zwischen der Diesel-
fördereinheit und der Dieselabsaugeinheit unter-
schieden.
Bild 12-63 Tank mit internem Entlüftungssystem Der Einsatz einer Förder- oder Absaugeinheit hängt
von den zahlreichen Motorvarianten und unterschied-
lichen Anforderungen ab, die an das System gestellt
verschlossen wird – durch ein Schwimmerventil in
werden.
der Betankungsentlüftungsleitung oder durch ein
Die Dieselansaugeinheit ist im Gegensatz zur Diesel-
Schwimmer-Klappensystem am Einfüllrohr erfolgen.
fördereinheit aufgrund der fehlenden Dieselintank-
pumpe kostengünstiger.
12.5.3 Anforderungen an ein Für den Einsatz einer Dieselansaugeinheit ist es not-
Kraftstofffördersystem wendig, dass die Hochdruckpumpe am Motor genü-
Das Kraftstofffördersystem hat die Aufgabe, den gend Unterdruck aufbauen kann, um den Dieselkraft-
Motor während aller möglichen Fahrsituationen mit stoff aus dem Dieselkraftstofftank anzusaugen. Der
ausreichend Kraftstoff aus dem Tank zu versorgen. dadurch entstehende hohe Unterdruck kann jedoch in
Hierzu gehören vom Fahrzeughersteller definierte der Hochdruckpumpe erhebliche Kavitationen erzeu-
statische und dynamische Fahrzustände wie Stand, gen, die letztendlich zu einem erhöhten Verschleiß der
Kurvenfahrt, Bergauffahrt und Bergabfahrt. Weitere Hochdruckpumpe führen kann. Dies ist von der Aus-
typische Anforderungen sind die Erstansaughöhe führung und Qualität der Hochdruckpumpe abhängig.
beim Erstbefüllen des Tanks, die Wiederbefüllhöhe Bei neueren Dieselfördersystemen erfolgt daher der
des Tanks sowie die Restabsaughöhe im Stand oder Einsatz einer Dieselfördereinheit, welche die Hoch-
während der Fahrt. druckpumpe am Motor mit einem geringen Über-
Die Erstansaughöhe beschreibt die erforderliche druck versorgt (siehe Bild 12-64).
Kraftstoffhöhe nach Erstbefüllung des Tanks mit
Kraftstoff, die notwendig ist, damit das Kraftstoffför- Dieselabsaugeinheit
dersystem problemlos anläuft und den Motor mit Die Dieselabsaugeinheit besteht im einfachsten Fall
ausreichend Kraftstoff versorgt. Die Wiederbefüll- aus einem Flansch, von dem ein Saugrohr zum Tank-
höhe beschreibt das erforderliche Kraftstoffniveau boden reicht. An das Ende des Saugrohres ist zur
durch Betankung für ein sicheres Starten des Motors Filterung ein grober Kraftstofffilter angeschlossen.

Rücklauf Kühler Common Rail

Feinfilter Vorlauf

Hochdruck-
pumpe

Motor
Kraftstoff-
Tank
pumpe
Bild 12-64 Prinzip eines
Saugstrahlpumpe Dieselfördersystems für
Common-Rail
610 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Bild 12-66 Darstellung einer Dieselfördereinheit

bindungen zur Pumpe) sind im Flansch vorhanden.


Bild 12-66 zeigt eine Dieselfördereinheit. Der
Schwalltopf wird permanent durch eine oder mehrere
hydraulisch betriebene Saugstrahlpumpen befüllt und
dient als Reservoir, um auch bei geringen Kraftstoff-
Bild 12-65 Darstellung einer Dieselabsaugeinheit
mengen im Tank und allen Fahrsituationen die Förde-
rung von Kraftstoff zum Motor zu gewährleisten.
Für ein besseres Verhalten bei Kurven- und Bergfahr- In Mehrkammertanks sorgen zusätzliche hydraulisch
ten wird diese Bauart durch einen Schwalltopf und betriebene Saugstrahlpumpen für die Entleerung aller
eine hydraulisch betriebene Saugstrahlpumpe erwei- Kammern.
tert (siehe Bild 12-65). An dem Schwalltopf befindet Dieselfördereinheiten haben die Aufgabe, den Die-
sich ein Niveaugeber zur Füllstandsmessung. selkraftstoff unter allen auftretenden Last- und Mo-
Dieselabsaugeinheiten haben im Gegensatz zu Die- tordrehzahlzuständen in einem vorgegebenen Druck-
selfördereinheiten keine elektrische Dieselintank- fenster aus dem Dieselkraftstofftank zur Einspritzan-
pumpe. Der Dieselkraftstoff wird von einer am Motor lage zu fördern.
angebrachten Hochdruckpumpe direkt aus dem Die Menge, die hierbei nicht vom Motor verbraucht
Schwalltopf im Tank abgesaugt. Die Kraftstoff- wird fließt als Rücklauf zurück in die Dieselför-
menge, die hierbei nicht vom Motor verbraucht wird, dereinheit.
fließt in die Absaugeinheit zurück. Eine Vorfilterung des Dieselkraftstoffs erfolgt bereits
Durch die Absaugung des Dieselkraftstoffes und des in der Dieselfördereinheit, die Feinfilterung außerhalb
Druckabfalls vom Tank bis zur Hochdruckpumpe des Tanks.
entsteht am Eingang der Pumpe ein Unterdruck, der Im Gegensatz zu Ottokraftstofffördersystemen für
in Verbindung mit hohen Temperaturen zu Blasenbil- Saugrohreinspritzung liefert die Dieselfördereinheit
dung führen kann. Die Blasenbildung führt zur Kavi- nicht den erforderlichen Einspritzdruck, sondern
tation in der Hochdruckpumpe. Dies hat einen erhöh- speist lediglich eine am Motor angebrachte Hoch-
ten Verschleiß der Pumpe zur Folge. Ein weiterer druckpumpe, die den Einspritzdruck je nach Ein-
Nachteil von Dieselabsaugeinheiten sind Probleme spritzsystem aufbringt.
beim Motorstart nach kompletter Entleerung des Eine hochpräzise Druckregelung wie bei Ottokraft-
Tanks, falls das Dieseleinspritzsystem nicht selbstent- stofffördereinheiten ist somit nicht erforderlich.
lüftend ist.
Dieselintankpumpen
Dieselfördereinheit
Die Dieselintankpumpe hat die Aufgabe, den Motor
Bei der Dieselfördereinheit ist im Schwalltopf eine unter allen Betriebszuständen mit ausreichend Die-
Dieselintankpumpe mit einem Filter vor der Pumpe selkraftstoff zu versorgen. Sie ist Teil des Nieder-
integriert. Die elektrischen Schnittstellen (Steckver- druckbereiches der Diesel-Einspritzeinlage und der
12.5 Kraftstoffversorgungssystem 611

(Hochdruck-)Einspritzpumpe vorgeschaltet. Übliche


Systemdrücke von Intankpumpen liegen zwischen 0,5
bis 1 bar (bei Verteilerpumpen-Einspritzsystemen)
und 1,5 bis 5 bar (bei Common-Rail- und Pumpe-
Düse-Einspritzsystemen). Die Fördermengen betra-
gen 100 bis 300 l/h bei 12 V Nennspannung.
Heutige Dieselintankpumpen bestehen im Wesentli-
chen aus einem Anschlussstück, dem Elektromotor
und der Pumpenstufe.
Das Anschlussstück verbindet die elektrischen und
hydraulischen Kontakte. Darin sind üblicherweise ein
Rückschlagventil und ein Druckbegrenzungsventil in-
tegriert. Ersteres dient der Druckerhaltung im Kraft-
stoffsystem bei ausgeschalteter Pumpe und verhindert
somit auch ein Auslaufen des Kraftstoffsystems, was
zu kurzen Startzeiten des Fahrzeuges führt. Das
Druckbegrenzungsventil ist ein Sicherheitsventil und Bild 12-67 Exzentrisch zum Außenläufer orientiertes
öffnet bei unzulässig hohen Drücken im Kraftstoff- Innenläuferzahnrad einer G-Rotorpumpe
system. Des Weiteren enthält das Anschlussstück je
nach Anforderung der Fahrzeughersteller auch eine
Funkentstörung bestehend aus Drosselspulen und Seitenkanal (seitliche Anordnung der Kanäle und
einem Kondensator. Flügel) oder Peripheralradprinzip (Position Kanäle
Die Intankpumpe wird mit Hilfe eines Gleichstrom- und Flügel radial außen). Vorteile der Strömungs-
Elektromotors angetrieben. Dieser besteht aus einem pumpen sind der nahezu pulsationsfreie Druckaufbau
Anker, dem Rückschlusskörper mit Permanentmag- und der gegenüber Verdrängerpumpen relativ einfa-
neten und einem Kommutierungssystem aus Kohle- che und damit kostengünstige konstruktive Aufbau.
bürsten und Kommutator. 12.5.3.2 Ottokraftstofffördersystem
Die Pumpenstufen folgen je nach Einsatzgebiet dem
hydrostatischen (Verdrängerpumpen) oder dem hydro- Aktuelle Ottokraftstofffördersysteme bestehen aus
dynamischen (Strömungspumpen) Prinzip. Bei den einem Schwalltopf mit einer Ottokraftstoffintankpum-
Verdrängerpumpen erfolgt prinzipiell in einem sich pe, einem Kraftstoffdruckregler, einem Pumpenvor-
vergrößernden Raum die Ansaugung des Kraftstoffes. und Kraftstofffeinfilter sowie einer oder mehreren
Nach dem Verlassen des Einlassbereiches erfolgt dann Saugstrahlpumpen und einem Niveaugeber zur Füll-
die Verdrängung durch einen sich wieder verkleinern- standsmessung, die in einer Baueinheit zusammenge-
den Raum in den Auslass. Als Verdrängerpumpen fasst sind (siehe Bild 12-68). Diese Baueinheit ver-
werden derzeit vor allen G-Rotorpumpen mit einen ex- schließt mittels Flansch die Serviceöffnung des Kraft-
zentrisch zum Außenläufer orientierten Innenläufer- stofftanks. Der Flansch enthält alle hydraulischen und
zahnrad eingesetzt (vergleiche Bild 12-67). Auch Rol- elektrischen Schnittstellen zum Tank. Der Schwalltopf
lenzellen- beziehungsweise Flügelzellenpumpen kom- wird permanent über die Saugstrahlpumpe(n) befüllt
men zum Einsatz, bei denen die Abdichtung der sich und dient als Reservoir, um auch bei geringen Kraft-
verändernden Raumvolumina über Rollen bezie- stoffmengen im Tank und allen Fahrsituationen die
hungsweise radial beweglicher Flügel erfolgt. Ver- Förderung von Kraftstoff zum Motor zu gewährleis-
drängerpumpen werden besonders bei höheren Sys- ten. In Mehrkammertanks sorgen zusätzliche Saug-
temdrücken (>3,5 bar) verwendet, da sich dieses Prin strahlpumpen für die Entleerung aller Kammern.
zip dort als besonders vorteilhaft erweist. So können Bei Ottokraftstofffördersystemen werden konventio-
Wirkungsgrade von bis zu 25 % erreicht werden. nelle und rücklauflose Systeme unterschieden.
Strömungspumpen finden in Dieselfördersystemen Konventionelle Systeme haben einen Rücklauf. Die
vor allem für geringere Systemdrücke (<3,5 bar) An- Ottokraftstoffintankpumpe fördert durch eine Vor
wendung. Ein Turbinenrad, das einen oder mehrere laufleitung und den außerhalb des Tanks liegenden
konzentrische Kränze von Flügeln trägt, rotiert in Kraftstofffilter eine konstante Kraftstoffmenge zum
einer feststehenden Pumpenkammer. In den beiden Kraftstoffdruckregler am Motor (siehe Bild 12-69).
die Pumpenkammer bildenden Gehäuseteilen befindet Da der Motor nicht immer die gesamte Menge ver-
sich jeweils ein Kanal. Zwischen Kanalanfang und braucht, wird überschüssiger Kraftstoff über eine
Ende befindet sich zur Abdichtung vom Druck- zum Rücklaufleitung in den Tank und damit wieder in den
Saugbereich ein sogenannter Abstreifer. Durch den Kraftstoffkreislauf geführt.
Impulsaustausch der Laufradflügel mit dem Kraft- Neuere, rücklauflose Systeme integrieren auch den
stoffteilchen findet längs des Kanals ein Druckaufbau Kraftstofffeinfilter und den Kraftstoffdruckregler in
statt. Je nach Position der Kanäle spricht man vom die Fördereinheit und damit in den Kraftstofftank
612 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

niedrigere Kraftstofftemperatur, weniger Dichtstellen


sowie dem Umstand, dass nur die Oberfläche einer
Kraftstoffleitung zur Kohlenwasserstoffemission bei-
trägt, können die hohen Anforderungen bezüglich
Emission erfüllt werden.

Bedarfsgeregelte Systeme
Bei herkömmlichen Kraftstofffördersystemen in
Fahrzeugen mit Einspritzmotoren sorgt eine elek-
trische Ottokraftstoffintankpumpe für die Förderung
des Kraftstoffs zum Motor. Zur Bereitstellung des nö-
tigen Systemdrucks werden mechanische Druckregler
eingesetzt, die den nicht benötigten Kraftstoff in den
Tank zurückleiten, wobei die Pumpe immer bei
Volllast betrieben wird. Das bedeutet einerseits einen
unnötigen Energieverbrauch, andererseits, durch die
Verlustleistung der Ottokraftstoffintankpumpe, einen
zusätzlichen Wärmeeintrag in den Tank, der vor al-
lem in kompakten und leistungsstarken Fahrzeugen
zu einer unzulässigen Schadstoffemission führen
kann.
Bild 12-68 Darstellung eines Ottokraftstofffördersys-
Abhilfe bieten bedarfsgeregelte Systeme. Diese be-
tems mit Kraftstofffeinfilter
stehen aus einer Kraftstofffördereinheit, einem in die
Kraftstoffleitung eingefügten Drucksensor und einer
(siehe Bild 12-70). Sie erfüllen die hohen Ansprüche Elektronik, die die Kraftstoffpumpe so in ihrer Leis-
an die Emissionsdichtigkeit von Tanksystemen. So tung regelt, dass unabhängig vom Verbrauch ein
entfällt die Kraftstoffrücklaufleitung und somit der konstanter Systemdruck erreicht wird (siehe Bild
heiße Rücklauf vom Motor zum Tank. Durch die 12-71).

Rücklauf
Druckregler

Vorlauf

Kraftstoff-
pumpe
Kraftstoff-
Filter

Motor
Tank
Saugstrahlpumpe Bild 12-69 Prinzip eines kon-
ventionellen Ottokraftstoff-
fördersystems

Druckregler Vorlauf

Motor

Kraftstoff- Tank
pumpe Bild 12-70 Prinzip eines
Saugstrahlpumpe
rücklauflosen Ottokraftstoff-
fördersystems
12.5 Kraftstoffversorgungssystem 613

Engine
control unit

Electronic Fuel
Control Unit

Fuel pump with Bild 12-71 Prinzip eines


EC-Motor bedarfsgeregelten Ottokraft-
stofffördersystems

Fahrversuche zeigen im Mittel eine Reduzierung der Neben dem klassischen Filterpapier werden immer
Leistungsaufnahme auf circa 50 % im Vergleich mit- häufiger neu entwickelte Hochleistungskunststoffe,
herkömmlichen Systemen. Vorteil ist zudem eine besonders bei Motoren mit Ottokraftstoffdirektein-
deutliche Geräuschminderung vor allem im Leerlauf. spritzung, eingesetzt.
Durch die Leistungsreduzierung wird die Lebens- Diese werden mehrschichtig auf das ursprüngliche
dauer der Ottokraftstoffintankpumpe erhöht. Filterpapier laminiert und sorgen für entsprechend
Die Verwendung einer Elektronik im Kraftstoffförder- hohe Schmutzaufnahmefähigkeit bei gleichzeitig ho-
system erlaubt zudem den Einsatz einer Pumpe mit hem Anfangsabscheidegrad von über 90 % bei Parti-
elektronisch kommutiertem (EC) Gleichstrommotor, kelgrößen zwischen 3 bis 5 μm.
die als Lifetime-Komponente auch für kritische Kraft-
stoffe wie Ethanol oder Flüssiggas geeignet ist, da der Druckregelung
Verschleiß des mechanischen Kommutators entfällt. Zur Sicherstellung eines konstanten Einspritzdruckes
Durch den Einsatz einer Elektronik ergeben sich in der Vorlaufleitung zum Motor wird in rücklauflo-
weitere Vorteile, wie die Vorgabe unterschiedlicher sen Ottokraftstofffördersystemen nach der Ottokraft-
Systemdrücke, zum Beispiel bei Motoren mit Direkt- stoffintankpumpe ein Kraftstoffdruckregler als By-
einspritzung oder eine zusätzliche Möglichkeit der passventil eingebaut. Das Arbeitsprinzip entspricht
Wegfahrsperre. dem eines Proportionalreglers.
Je nach Verbrauch des Motors wird die aus der ge-
Filterung samten Fördermenge der Ottokraftstoffintankpumpe
Die Vorfilterung erfolgt durch einen Pumpenvorfilter, resultierende überschüssige Menge abgeregelt und
der den angesaugten Kraftstoff vor Eintritt in die dem Ottokraftstofffördersystem wieder zur Verfü-
Ottokraftstoffintankpumpe filtert. Hier werden gung gestellt.
Schmutzpartikel im Größenbereich von t30 bis Für Motoren mit MPI-Einspritzung liegen die Drücke
60 μm herausgefiltert, um die Ottokraftstoffintank- bei 3,0 bar bis 4,3 bar. Bei Motoren mit Direktein-
pumpe und den Kraftstoffdruckregler vor Verschleiß spritzung bis zu 8,0 bar.
zu schützen. Filterwerkstoffe sind Vliesstoffe oder
Ottokraftstoffintankpumpen
Gewebe aus Thermoplasten.
Das Kraftstofffeinfilter dient zur Feinfilterung des Aufgabe der Ottokraftstoffintankpumpe ist es, den
Kraftstoffs, um wichtige Bauteile des Motors, wie Motor unter allen Betriebszuständen mit ausreichen-
zum Beispiel Einspritzventile, vor Schmutzpartikeln dem Kraftstoff zu versorgen. Hierzu stellt sie dem
und dem daraus resultierenden Verschleiß zu Ottokraftstoff-Einspritzsystem, anders als bei Diesel-
schützen. einspritzsystemen, den benötigten Systemdruck ohne
Das Kraftstofffeinfilter befindet sich zwischen der weitere Hochdruckpumpe zur Verfügung. Übliche
Ottokraftstoffintankpumpe und dem Motor. Systemdrücke liegen hierbei, je nach Einspritzsystem,
Ist der Filter im Ottokraftstofffördersystem integriert, zwischen 3 bis 4,3 bar für Multi Point Systeme, bei
muss er seine Funktion über die Fahrzeuglebensdauer 4,7 bis 5,2 bar bei aufgeladenen Ottokraftstoffmoto-
erfüllen (Lifetime-Komponente). ren und zwischen 5 und 8 bar bei Ottokraftstoff-
614 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

Direkteinspritzsystemen. Die Fördermengen liegen Kränze von Flügeln trägt, rotiert in einer feststehen-
bei circa 80 bis 200 l/h bei 12 V Nennspannung. den Pumpenkammer. In den beiden die Pumpen-
Heutige Ottokraftstoffintankpumpen bestehen (eben- kammer bildenden Gehäuseteilen befindet sich je-
so wie Dieselintankpumpen) im Wesentlichen aus weils ein Kanal. Zwischen Kanalanfang und Ende ist
einem Anschlussstück, dem Elektromotor und der zur Abdichtung vom Druck- zum Saugbereich ein so-
Pumpenstufe. genannter Abstreifer vorhanden. Durch den Impuls-
Das Anschlussstück dient der elektrischen und hyd- austausch der Laufradflügel mit dem Kraftstoffteil-
raulischen Kontaktierung. Im Anschlussstück integ- chen und der Ausbildung einer wendelförmigen Um-
riert sind üblicherweise ein Rückschlagventil und ein laufströmung im Kanal-Flügelbereich findet längs des
Druckbegrenzungsventil. Ersteres dient der Drucker- Kanals ein Druckaufbau statt. Je nach Position der
haltung im Ottokraftstofffördersystem bei ausgeschal- Kanäle spricht man vom Seitenkanal (seitliche An-
teter Pumpe und verhindert somit auch ein Auslaufen ordnung der Kanäle und Flügel) oder Peripheral-
des Ottokraftstofffördersystems, was zu kurzen Start- radprinzip (Position Kanäle und Flügel radial außen).
zeiten des Fahrzeuges führt. Das Druckbegrenzungs- Durch eine im Kanal befindliche Entgasungsbohrung
ventil ist ein Sicherheitsventil und öffnet bei unzuläs- kann hierbei durch den Austritt der Gasblasen aus
sig hohen Drücken im Ottokraftstofffördersystem. dem Kanalbereich eine relativ konstante Förder-
Des Weiteren enthält das Anschlussstück je nach menge auch bei hohen Kraftstofftemperaturen er-
Anforderung der Fahrzeughersteller auch eine Funk- reicht werden. Weitere Vorteile der Strömungspum-
entstörung bestehend aus Drosselspulen und einem pen sind der nahezu pulsationsfreie Druckaufbau und
Kondensator. der kostengünstige Aufbau. Weitestgehend durchge-
Der Antrieb der Intankpumpe erfolgt bei heutigen setzt haben sich hierbei die Seitenkanalpumpen.
Systemen mit Hilfe eines Gleichstrom-Elektromotors. Diese erreichen derzeit bei kompakter Bauweise
Dieser besteht aus einem Anker, dem Rückschluss- Systemdrücke bis circa 4,5 bar pro Stufe und Wir-
körper mit Permanentmagneten und einen Kommutie- kungsgrade von über 20 %. Durch das Hintereinan-
rungssystem aus Kohlebürsten und Kommutator. In derschalten von 2 Pumpenstufen können auch Sys-
der Entwicklung befinden sich ebenfalls elektronisch temdrücke bis circa 9 bar erreicht werden.
kommutierte Elektromotoren, die Lebensdauer-Vor-
teile besonders bei Verwendung von für das Kohle-
Kommutatorsystem kritischen Kraftstoffen haben.
Die Pumpenstufen folgen entweder dem hydrostati-
schen (Verdrängerpumpen) oder dem hydrodynami-
schen (Strömungspumpen) Prinzip. Bei den Verdräng-
erpumpen wird der Kraftstoff in einem sich vergrö-
ßernden Raum angesaugt. Nach dem Verlassen des
Einlassbereiches erfolgt dann die Verdrängung durch
einen sich wieder verkleinernden Raum in den Aus-
lass. Als Verdrängerpumpen werden derzeit vor allen
G-Rotorpumpen mit einem exzentrisch zum Außen-
läufer orientierten Innenläuferzahnrad eingesetzt.
Auch Rollenzellen- beziehungsweise Flügelzellen-
pumpen, bei denen die Abdichtung der sich verän-
dernden Raumvolumina über Rollen beziehungsweise
radial beweglicher Flügel erfolgt, kommen zum Ein-
satz. Nachteilig bei den Verdrängerpumpen bei Otto-
kraftstoffanwendung ist der Fördermengenabfall bei Bild 12-72 Turbinenrad einer Ottokraftstoffintank-
höheren Kraftstofftemperaturen aufgrund von Gasbla- pumpe
senförderung. Aufgrund dessen weisen Anwendungen
für Ottokraftstoffbetrieb üblicherweise eine hydrody-
Elektronik bedarfsgeregelter Systeme
namische Vorstufe auf, deren Aufgabe zum einen die
Separation der Gasbläschen durch die im Kanal be- Die Elektronik bedarfsgeregelter Systeme (Electronic
findliche Entgasungsbohrung ist und zum anderen die Fuel Control Unit) regelt die Ottokraftstoffintank-
Neigung der Gasblasenbildung in der Verdrängerstufe pumpe und mit Hilfe eines in die Kraftstoffleitung
aufgrund des Vordruckes mindert. Dies führt jedoch eingefügten Drucksensors auf einen konstanten Sys-
konstruktiv zu relativ aufwändigen Lösungen. temdruck. Die Elektronik muss den Istwert des
Aufgrund dieser Nachteile haben sich Strömungs- Drucksensors mit dem Sollwert vergleichen und die
pumpen weitestgehend bei Ottokraftstoff-Anwendun- daraus ermittelte Ansteuerleistung für die Pumpe
gen durchgesetzt. Ein Turbinenrad, das wie im bereitstellen. Das geschieht aus Gründen der Verlust-
Bild 12-72 gezeigt, einen oder mehrere konzentrische leistungsreduzierung durch ein pulsweitenmoduliertes
12.5 Kraftstoffversorgungssystem 615

(PWM-)Signal. Die PWM-Frequenz sollte oberhalb Die mechanische Belastung folgt aus Vibrationen und
15 kHz liegen, da sonst hörbare Geräusche entstehen. Stößen, wie sie üblicherweise im Tank durch den
Andererseits muss die Frequenz zur Vermeidung Fahrbetrieb vorherrschen und aus Schwappbewegun-
elektromagnetischer Störungen so niedrig wie mög- gen des Kraftstoffs. Eine korrekte Messung des
lich liegen – üblich sind circa 20 kHz. Füllstandes muss unter allen Bedingungen gegeben
Wird eine Pumpe mit elektronisch kommutiertem sein. Es darf zu keinen Kontaktaussetzern kommen.
(EC) Gleichstrommotor benutzt, so müssen von der Besonderes Augenmerk liegt auch auf der Medienbe-
Elektronik auch die Kommutierungssignale erzeugt ständigkeit. Insbesondere in Brasilien und den USA
werden. kommen neben den üblichen Ottokraftstoffen auch
Da die Elektronik aus EMV-Gründen in der Nähe der Flex-Fuels, also Gemische aus Ethanol beziehungs-
Pumpe und damit des Tanks platziert werden muss, weise Methanol mit Ottokraftstoff zum Einsatz. Ein
um die Zuleitungen kurz zu halten, bietet sich an, wesentlicher Unterschied besteht unter anderen in der
weitere Möglichkeiten zu implementieren, wie die größeren Leitfähigkeit der Kraftstoffe.
Erfassung und Verarbeitung der Signale der Füll- Neben herkömmlichen Dieselkraftstoffen wird auch
standsgeber oder eine Emissionsüberwachung des vermehrt Fettsäuremethylester (FAME) in reiner
Tanks. Auch ein zusätzlicher Wegfahrschutz ist Form und bis zu 5 % Beimengung zum Dieselkraft-
denkbar. Dafür sind weitere Kommunikationsmög- stoff eingesetzt. Bei Dieselkraftstoffen ist zu beden-
lichkeiten vorzusehen. ken, dass sie häufig in Schichtung mit Wasser auftre-
ten. Ein besonderer Korrosionsschutz ist deshalb un-
umgänglich.
12.5.4 Die Füllstandsmessung
12.5.4.2 Hebelgeber
Die Überwachung des Kraftstoffvorrates erfolgt nicht
Komfort bedingt, sondern ist aus Sicherheitsgründen Am meisten verbreitet sind für die Füllstandserfas-
vielmehr eine Notwendigkeit. sung Hebelgeber, implementiert in die Fördereinheit.
Die Füllstandsanzeige hat so zu erfolgen, dass unab- Er besteht aus einem in der Regel auf einem Kera-
hängig von der dynamischen Fahrsituation – wie sie miksubstrat aufgebrachten Dickschichtnetzwerk (DSN)
sich beispielsweise bei Kurvenfahrten und Beschleu- und einer als Schleifer ausgeführten Kontaktfeder, die
nigungsphasen ergibt – kein übermäßiges Schwanken über einen Hebel mit Schwimmer (Bild 12-73) füll-
der Anzeige auftritt. Dieses Verhalten wird durch standsabhängig in Reihe geschaltete Schichtwider-
geeignete Dämpfungsalgorithmen in der Auswerte- stände abgreift.
elektronik erreicht. Ist der Füllstandssensor jedoch
von vornherein an einer geeigneten Position im Tank
platziert, werden diese Schwankungen, hervorgerufen
durch Schwappbewegungen, minimiert. Auf Grund
komplizierter Tankgeometrien ist das allerdings nicht
immer möglich. Verzweigte Geometrien, zum Bei-
spiel bei Mehrkammertanks, machen den Einsatz
mehrerer Füllstandssensoren notwendig.

12.5.4.1 Anforderung an die Füllstandsmessung


In erster Linie soll eine zuverlässige Füllstandsmes-
sung erreicht werden. Insbesondere bei geringen
Kraftstoffmengen im Tank muss eine genaue Mes-
sung realisiert werden. Die Füllstandsanzeige im
Fahrzeug ist primär von der Messgenauigkeit im
Tank abhängig. Eine Anzeigeabweichung von mehre-
ren Litern kann im Extremfall zum Liegenbleiben des
Fahrzeugs führen. Hiervon wird auch die Diagnose-
fähigkeit des Sensors beeinflusst. Bei einer Fehlfunk-
tion muss gewährleistet sein, dass die Füllstandsan-
zeige auf „Min“ oder „Null“ springt. Neben der Bild 12-73 Hebelgeber für die Füllstandsanzeige
Anzeigegenauigkeit des Füllstandes sind besondere
Anforderungen an mechanische Robustheit und Me- Der resultierende Gesamtwiderstand ist dem Füllstand
dienbeständigkeit gestellt. Der Füllstandssensor ist proportional. Das nicht lineare Füllvolumen des Tanks
auf ein Kraftfahrzeugleben ausgelegt. Ein Austausch kann durch geeignete Auslegung des DSN linearisiert
eines defekten Sensors ist, abhängig vom Tankher- zur Anzeige gebracht werden. Die Auslegung des
stellverfahren, oft nicht möglich. Netzwerks erfolgt derart, dass bei sinkenden Füllstän-
616 12 Gemischbildungsverfahren und -systeme

den der Widerstandswert steigt. Bei Kontaktaussetzern Durch das vollständig geschlossene System unterlie-
oder Kabelbruch wird somit der kleinstmögliche gen die Mikrokontakte, auch bei extremen Umge-
Füllstand angezeigt. Neuere Generationen von Hebel- bungsbedingungen, keiner Verschmutzung oder Ein-
gebern werden mit Kontaktfedern mit mehr als einer wirkung durch unterschiedlichste Kraftstoffe (siehe
Kontaktzunge ausgeführt. Hierdurch wird eine verbes- Bild 12-74). Die Kontaktflächen werden mechanisch
serte Resistenz gegenüber Belagsbildung in Kraftstof- erheblich weniger belastet als bei herkömmlichen
fen erzielt. Der redundante Abgriff führt zu einem Schleifersystemen. Dieses verschleißarme Kontakt-
optimierten Verhalten bei Schwingungsbelastung und system garantiert eine erhöhte Lebensdauer des
zu einer erhöhten Abriebfestigkeit. Zur Vermeidung Sensorelements.
elektrochemischer Effekte werden diese offenen Sen-
sorelemente mit gepulstem Gleichstrom betrieben.
12.5.4.3 MAgnetic Passive Position Sensor
Der MAPPS (MAgnetic Passive Position Sensor)
besteht ebenfalls aus einem Keramiksubstrat mit 52
in Reihe geschalteten Schichtwiderständen. Jeder Wi-
derstand hat einen einzelnen Abgriff. In geringem
Abstand zu den Abgriffen ist eine weichmagnetische
Kontaktfeder platziert. Durch einen umlaufend verlö-
teten Deckel ist das System hermetisch gegen die,
den MAPPS umgebenden Kraftstoffe abgedichtet.
Die Kontaktgabe einzelner Schaltzungen der Feder
erfolgt durch einen Magneten, der anstelle eines Bild 12-74 MAgnetic Passive Position Sensor
Schleifers auf der Rückseite des MAPPS auf der (MAPPS) für die Füllstandsanzeige
Keramik entlangläuft. Die Schnittstelle zum umgebe-
nen Medium bildet auch hier der Hebel mit angesetz-
tem Schwimmer. Der Verstellweg des Magneten ent- Literatur
spricht somit einem Bahnradius mit einem zulässigen
[1] Fürhapter, A.; Piock, W. F.; Fraidl, G. K.: Verbrennung: Homo-
Winkelbereich von circa 90°. Das elektrische Aus- gene Selbstzündung – die praktische Umsetzung am transienten
gangssignal wird in Abhängigkeit der Magnetposition Vollmotor. In: MTZ 65 (2004) 2, S. 94 ff.
proportional variiert. Der Widerstandsbereich er- [2] Stegemann, J.; Meyer, S.; Rölle, T.; Merker, G. P.: Berechnung
streckt sich von 100 % bis 0 % Füllstand. Für Dia- und Simulation: Einspritzsystem für eine vollvariable Ver-
laufsform. In: MTZ 65 (2004) 2, S. 114 ff.
gnosezwecke ist ein weiterer Serienwiderstand einge- [3] Hummel, K.; Boecking, F.; Groß, J.; Stein, J.-O.; Dohle, U.:
führt, so dass sich im Fehlerfall (zum Beispiel Mag- 3. Generation Pkw-Common-Rail von Bosch mit Piezo-Inline-
net außerhalb des zulässigen Winkelbereichs) ein Injektoren. In: MTZ 65 (2004) 3, S. 180 ff.
definierter Gesamtwiderstand ergibt.
13.1 Zündung – Ottomotor 617

13 Zündung

13.1 Zündung – Ottomotor 40 mJ mit einer Funkendauer von 1 ms an der Zünd-


kerze zur Verfügung, um die Entflammung sicherzu-
13.1.1 Einleitung der Zündung stellen.
In fremdgezündeten Verbrennungskraftmaschinen
(Ottomotoren) wird der Verbrennungsprozess durch 13.1.4 Grundlagen der Funkenzündung
eine elektrische Entladung im Brennraum gegen Ende
13.1.4.1 Phasen des Funkens
des Verdichtungstraktes ausgelöst. Die dazu notwen-
digen Komponenten sind dabei eine Zündspule als Der sich an der Zündkerze ausbildende Funke kann in
Hochspannungsquelle und eine Zündkerze als Elekt- drei zeitlich aufeinander folgende Entladungsformen
rode im Brennraum. Durch den Funken entsteht mit deutlich unterschiedlichen energetischen und
zwischen den Zündkerzenelektroden ein Hochtempe- plasmaphysikalischen Eigenschaften unterteilt wer-
raturplasmakanal. In einer dünnen Reaktionsschicht den, Bild 13-1 [3 bis 5].
um diesen Kanal findet eine exotherme chemische Zunächst wächst die Spannung an der Zündkerze steil
Reaktion statt. Diese entwickelt sich zu einer selbst- an. Sobald die sich im Feld ausbildende Streamerla-
erhaltenden und sich ausbreitenden Flammfront [1]. dung die gegenüberliegende Elektrode erreicht hat,
erfolgt der Durchbruch (breakdown) innerhalb weni-
13.1.2 Anforderungen an das Zündsystem ger Nanosekunden.
Das Zündsystem muss diesen Entflammungsprozess
über alle denkbaren Veränderungen und dynamischen
Predischarge phase

Schwankungen der motorischen Betriebszustände


Breakdown phase

Transition region
Transition phase

Glow discharge
reproduzierbar sicherstellen. Damit der Funke an den
Zündkerzenelektroden überspringen kann, muss das Arc phase

Zündsystem ein ausreichendes Hochspannungsange-


bot zur Verfügung stellen. Druck, Temperatur und
105
Dichte des Gemisches an und zwischen den Zünd-
elektroden zum Zündzeitpunkt beeinflussen den 104
15kV 50 V 300 mV
Spannungsbedarf. Diese Parameter variieren deutlich 1 mJ 1 mJ 30 mJ
Voltage, V

über Drehzahl und Last. Nach Paschen nimmt der 103


Zündspannungsbedarf linear mit Druck und Elektro-
102
denabstand zu. Die durch den Funken an das Ge-
misch übertragene Energie muss ausreichen die 101
selbsterhaltende Verbrennung auszulösen. Der opti-
male Zündzeitpunkt ist dabei von zentraler Bedeu- 100
tung und wird während der Applikationsphase am 10–9 10–6 10–3

Motor ermittelt und in einem Kennfeld im Mo-


torsteuergerät als Funktion von Drehzahl und Last 103
abgelegt.
102
13.1.3 Mindestzündenergien
Current, A

101
Homogene stöchiometrisch zusammengesetzte Kraft-
100
stoff-Luft-Gemische benötigen ruhend für die Ent-
flammung eine Energie von weniger als 1 mJ. In fet- 10–1
teren oder abgemagerten Gemischen erhöht sich der
Energiebedarf auf 3 mJ [2]. Im realen Motor sind die 10–2
Bedingungen wesentlich ungünstiger. Durch inhomo- 10–9 10–6 10–3
gene Verteilung von Luft, Kraftstoff, zurückgeführ- Time. s

tem Abgas etc. sowohl zwischen den Zylindern als


auch durch inhomogene Zylinderfüllung, sowie die Bild 13-1 Zeitlicher Verlauf von Strom und Span-
Übertragungs- und Wärmeverluste an Zuleitungen nung einer Transistor-Spulen-Zündung (TSZ) [4].
und Elektroden, steigt der Energiebedarf weiter deut- Typische Werte für auftretende Spannungen und
lich an. Konventionelle Zündsysteme stellen circa Energieübertragung in den einzelnen Funkenphasen

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_13
618 13 Zündung

Die Impedanz der Elektrodenstrecke sinkt drastisch Durchbruch, % Bogen, % Glimm, %


ab und der Strom steigt durch die Entladung der
Strahlungsverlust <1 5 <1
Streukapazitäten der Zündkerze schnell an. Der
Überschlag erfolgt dabei wegen der hohen Span- Wärmeableitung 5 45 70
an den Elektroden
nungsanstiegsgeschwindigkeit der Zündspule nicht
bei der statischen Durchbruchspannung, sondern we- Gesamtverluste 6 50 70

gen der Zündverzugszeit bei Überspannung. Im leit- Plasmaenergie 94 50 30


fähigen Kanal entstehen durch die vollständige Dis-
soziation und Ionisation der Atome und Moleküle Bild 13-2 Energiebilanz der drei Entladungsformen
sehr hohe Temperaturen von 60.000 K. Die Ausbrei- [3]
tung der Druckwelle beginnt mit Überschallge-
schwindigkeit.
Danach geht der Funke in die Bogenphase (arc phase) Eine lange Funkenbrenndauer begünstigt eine sichere
mit sehr kleinen Spannungen über, in der der Strom Entflammung. Selbst bei mageren Gemischen
durch die Entladung der hochspannungsseitigen Ka- (O = 1,5) und hohen Strömungsgeschwindigkeiten
pazitäten bestimmt ist. An der Kathode entsteht we- (> 30 m/s) reicht allein die langanhaltende Glimment-
gen der starken Elektronenemission ein heißer Fleck ladung einer TSZ aus, um brennbares Gemisch, wel-
(Brennfleck), Kathodenmaterial verdampft und be- ches durch das Strömungsfeld in den Elektrodenbe-
wirkt eine starke Erosion der Elektroden. Die Tempe- reich hineingetragen wird, kontinuierlich zu entflam-
ratur im Kanal geht auf circa 6.000 K zurück. Das men [8].
Plasma expandiert nun durch Wärmeleitung und Dif-
fusionsprozesse und die exotherme Reaktion, die zu 13.1.5 Spulenzündsystem (induktiv)
einer fortschreitenden Flammfront führt, beginnt.
Bei Strömen unter 100 mA erfolgt der Übergang zur Bei den in verteilerlosen, mit Transistoren geschalte-
Glimmentladung (glow discharge). Ein Wechsel zwi- ten Zündsystemen eingesetzten Spulen, handelt es
schen Bogen- und Glimmentladung ist dabei in einem sich um mit Epoxidharz vergossene Trockenzündspu-
Übergangsbereich abhängig von Veränderungen und len, die aus einem magnetisch geschlossenen Kreis
Gemischbewegungen zwischen den Elektroden mehr- aus lamelliertem verlustarmen Elektroblech mit kon-
fach möglich. In der Phase der Glimmentladung steigt zentrisch übereinander liegenden Primär- und Sekun-
die Spannung – der Elektronenstrom wird nun durch därwicklungen gebildet werden, Bild 13-3.
auftreffende Ionen unterstützt – wieder an, die Tem-
peratur im Kanal beträgt nun nur noch circa 3.000 K.
Die Schmelztemperatur wird unterschritten, die Elek- Sekundärwicklung

troden nun überwiegend durch auftreffende Ladungs-


träger zerstäubt [6]. Der Energiespeicher Spule ent-
lädt sich dabei vollständig in den Entladekanal. Beim Kernblechpaket
Unterschreiten der notwendigen Schwellspannung zur
Aufrechterhaltung des Kanals reißt der Funke ab. Die
Restenergie schwingt in der Sekundärwicklung der Primärwicklung
Zündspule aus.
Hochspannungsdiode
13.1.4.2 Energieübertragungswirkungsgrad
Die Energieanteile, die in den beschriebenen Phasen
Entstörwiderstand
des Funkens an das Gemisch abgegeben werden kön-
nen, zeigt Bild 13-2.
Die Durchbruchsphase weist dabei den höchsten
Zündwirkungsgrad auf und bewirkt eine schnellere
Druckfeder
Energieumsetzung in der Anfangsphase des Brenn-
prozesses. Durch Vergrößern des Funkenplasmas und
dessen Ausbreitungsgeschwindigkeit kann die Ent-
flammungssicherheit verbessert werden [4].
Wegen der erheblichen Wärmeverluste über die Elek-
troden ist die im Funkenplasma vorhandene Energie
deutlich kleiner als die an die Zündkerze elektrisch
zugeführte Energie. Bei der heute üblichen TSZ ist
im Wesentlichen die Glimmphase entflammungs-
wirksam, wobei die Zündsicherheit mit der Höhe des
Spitzenstromes und der Entladedauer zunimmt [7]. Bild 13-3 Aufbau Zündspule
13.1 Zündung – Ottomotor 619

UBatt. Diode REntst. 60 3,0

2,5

Brenndauer [ms]
Rprim Rsek 50

Energie [mJ]
Lprim Lsek
UZener 40 2,0
Zündkerze Energie
Brenndauer
30 1,5

20 1,0
400 600 800 1000 1200
Bild 13-4 Schematischer Aufbau einer Transistor- Brennspannung [V]
spulenzündung (TSZ)
Bild 13-5 Brennspannungseinfluss auf Energie und
Funkendauer
Mit dem Einschalten des Primärstromes wird dabei
Energie induktiv im Luftspalt des Magnetkreises sammen mit dem Elektrodenabstand die Brennspan-
gespeichert. Nach der Unterbrechung des Primär- nung während der Funkendauer. Den Einfluss auf
stromes durch den Transistor, Bild 13-4, baut sich Energie und Funkendauer zeigt Bild 13-5.
sekundärseitig in der Spule eine Spannung bis zum Weit verbreitet sind Doppelfunkenzündspulen, bei
Durchbruch an der Zündkerze auf. Die maximal denen beide Enden der Sekundärwicklung in Reihe
erreichbare Spannung hängt im Wesentlichen von der über Zündleitungen mit Zündkerzen verbunden sind,
Abschaltspannung und dem Übersetzungsverhältnis die zu Zylindern gehören, deren Zündfolge um
sekundär-/primär in der Spule ab. 360 °KW verschoben ist. Beim 4-Zylinder sind dies
Nach dem Überschlag entlädt sich die Energie über die Zylinder 1 und 4, sowie die Zylinder 2 und 3, die
die Sekundärwicklung der Spule im Funken. Wäh- jeweils mit einer Spule verbunden sind. Durch die
rend dieser Glimmphase (Brenndauer) kann die Reihenschaltung zünden somit zwei Zündkerzen
Funkenstrecke an der Zündkerze elektrisch als durch gleichzeitig, eine im mit Kraftstoff-Luft-Gemisch ge-
eine Zenerdiodenstrecke ersetzt betrachtet werden, füllten Zylinder, die andere in den im Auslasstakt
welche die Sekundärspannung auf den Wert der befindlichen Zylinder, bei dem durch den drucklosen
Brennspannung begrenzt und bis zum Funkenabriss Zustand ein Stützfunke mit nur kleinem zusätzlichen
konstant hält. Spannungsbedarf entsteht.
Die Definition der Eigenschaften einer solchen Zünd- Durch die Reihenschaltung zündet eine der beiden
spule werden in der ISO 6518 einheitlich geregelt. Zündkerzen mit positiver Hochspannung, die andere
Das Spannungsangebot wird dabei als maximal mit negativer. Beim Zünden mit negativer Hochspan-
erreichbare Spannung an einem der Verbausituation nung ist der Spannungsbedarf, wegen der im Betrieb
entsprechenden elektrischen Ersatzwiderstand defi- des Motors höheren Temperatur der Mittelelektrode
niert. So entsprechen zum Beispiel 1 M://25 pF der der Zündkerze und der damit erniedrigten Austrittsar-
elektrischen Belastung einer direkt auf die Zündkerze beit der Elektronen, geringfügig (1 bis 2 kV) niedri-
gesteckten Zündspule und 1 M://50 pF der einer ger als mit positiver Spannung. Gleichzeitig ist der
Zündspule, die über eine Zündleitung mit der Zünd- Elektrodenabbrand an den Zündkerzen durch die
kerze verbunden ist. verschiedenen Polaritäten der Zündspannung stark
Die Ausgangs- oder Brennenergie wird durch eine asymmetrisch.
Messung der Entladedauer der mit einer Zener-Dio- Für die Zündung mit Doppelfunkenspulen sind ver-
denschaltung mit 1.000 V abgeschlossenen Zündspu- schiedene Anordnungen möglich. Einerseits das
le ermittelt. Mit dem Übersetzungsverhältnis und dem Zusammenlegen der Doppelfunkenspulen zu einem
Abschaltstrom der Spule wird der maximale Funken- Block oder Paket und die Verbindung zu den Zünd-
strom (Glimmstrom) auf der Sekundärseite der kerzen über Zündleitungen und andererseits, alterna-
Zündspule festgelegt. Die Funkenbrenndauer kann tiv dazu, das direkte Stecken oder Kontaktieren einer
dabei über die Festlegung der Speicherinduktivität Zündspule auf eine Zündkerze und das Verbinden zur
und den Arbeitspunkt des Magnetkreises in weiten Zündkerze im korrelierenden Zylinder mit einer
Grenzen variiert werden. Zündleitung.
Die Kopplung zwischen Primär- und Sekundärseite In höherwertigen Fahrzeugen kommen wegen der
der Zündspule beträgt mehr als 90 %. Von der elek- besseren Steuerbarkeit der Zündung, Problemen mit
trisch im Primärstromkreis gespeicherten Energie Ventilüberschneidungen etc. Einzelfunkenspulen zum
kommen durch die Übertragungsverluste und die Einsatz, mit denen somit jeder Zylinder mit einer
Widerstände im Kreis nur circa 50 % an der Zünd- eigenen Zündspule gezündet wird, Bild 13-6.
kerze an. Die Bedingungen im Brennraum (Druck, Dabei werden die Spulen auf dem Zylinderkopf
Temperatur, Gemischbewegung etc.) bestimmen zu- montiert und direkt mit der Zündkerze kontaktiert
620 13 Zündung

und die Spule somit direkt in den Kerzenschacht zu


montieren. Verbunden damit sind erhöhte Anforde-
rungen an die Temperaturbeständigkeit und Isola-
tionsfestigkeit der Bauteile.
Welches System letztendlich zum Einsatz kommt,
hängt vom Anwendungsfall, der spezifischen Einbau-
situation, den speziellen Anforderungen und den
Kosten ab. Gleiches gilt für die Integration weiterer
Bauteile und intelligenter Funktionen in der Zündspu-
le, wie zum Beispiel den Einbau des elektronischen
Halbleiterzündschalters und/oder der Integration von
Diagnose- und Selbstschutzaufgaben.

34

32

30

Usek [kV]
28
1MOhm/25pF
1MOhm/50pF
26

24

22

20
50 60 70 80 90 100 110 120
Übersetzungsverhältnis

Bild 13-6 Direkt auf die Zündkerze steckbare Einzel- Bild 13-7 Einfluss der äußeren Belastung der Zünd-
funkenzündspule mit 70 mJ, 35 kV Ausgangsspan- spule auf das optimale Übersetzungsverhältnis
nung und 2 ms Brenndauer

oder in Blocks mit mehreren Einzelfunkenspulen


zusammengefasst und über Zündleitungen mit den
Zündkerzen verbunden.
Bei den Einzelfunkenzündspulen ist eine Hochspan-
nungsdiode im Sekundärkreis zur Unterdrückung des
Spannungspulses, der durch das Einschalten des
Stromes an der Induktivität entsteht, erforderlich, da
zu diesem Zeitpunkt bei kleinen Drücken und damit
kleinem Zündspannungsbedarf sich schon zündfähi-
ges Gemisch im Zylinder befinden kann.
Durch die direkte Verbindung dieser Spulen zur
Zündkerze und damit dem Entfall der entstörten
Zündleitungen muss die Zündspule selbst die Entstör-
elemente zum Beispiel den gewickelten, induktiven
Widerstand zur Unterdrückung von hochfrequenten
Störaussendungen, die durch den Funkenüberschlag
an der Zündkerze entstehen, aufnehmen.
Der Einsatz von Zündspulen mit oder ohne Zündlei-
tungen (weggebaut oder direkt gesteckt) bestimmt
durch die dadurch unterschiedliche äußere kapazitive
Belastung das optimale Übersetzungsverhältnis, mit
dem die Spule die maximale Ausgangsspannung lie-
fern kann, Bild 13-7.
Zunehmend Bedeutung gewinnt der Einsatz von
sogenannten „pencil coils“ (Bild 13-8), bei denen es
durch den Aufbau mit einem offenen, lang gezogenen Bild 13-8 Kerzenschachtzündspule (pencil coil) mit
Magnetkreis möglich wird, die Baugröße und den Durchmesser 22 mm, 32 kV Ausgangsspannung und
Durchmesser der Zündspule weiter zu verkleinern 60 mJ
13.1 Zündung – Ottomotor 621

13.1.6 Weitere Zündsysteme Erkennung der Gasqualität und zur Reichweitenabsi-


cherung bis zur nächsten Gastankstelle [10].
Trotz immer wiederkehrender Bemühungen alternati- Gegenüber dem Benzinbetrieb treten etwas 2 bis 3 kV
ve Zündsysteme (Plasma-, Laserzündung und viele höhere Zündspannungsbedarfe auf. Dies kann mit
andere mehr) einzuführen, hat sich die traditionelle speziellen Zündkerzen mit etwas kleinerem Elektro-
Spulenzündung wegen ihres hohen Nutzen-Kosten- denabstand und feineren Mittelelektroden kompen-
Verhältnisses allgemein durchgesetzt [7]. siert werden. Gleichzeitig wird wegen der höheren
Nur in Ausnahmefällen (zum Beispiel Rennsportmo- Verbrennungstemperaturen auf Zündkerzen mit
toren) wird die Hochspannungskondensatorzündung geringeren Wärmewerten und Ir-Elektroden umge-
(HKZ) verwendet. Bei der HKZ wird die Energie in stellt.
einem Kondensator zwischengespeichert und die Um die vollen Potenziale von Gasmotoren heben zu
notwendige Hochspannung wird beim Schalten über können muss der Motor monovalent, speziell nur auf
einen schnellen verlustarmen Zündtransformator er- den Betrieb mit Gas, adaptiert sein. Dem Zündspan-
zeugt. Diese Zündanlagen verfügen über einen ex- nungsanstieg bei höherer Aufladung kann dann mit
trem schnellen Spannungsanstieg (einige kV/Ps) und kleineren Elektrodenabständen begegnet werden, da
sind damit sehr nebenschlussfest gegenüber Belägen mit gasförmigen Kraftstoffen kein Quenching an den
auf den Zündkerzen. Nachteilig ist die mit circa Elektroden auftritt. Die Verwendung von gekühltem
100 Ps sehr kurze Brenndauer, die bei inhomogenen AGR führt zu ähnlichen Problemen wie im Betrieb
Gemischen zu Zündaussetzern führen kann, sowie der mit Benzin.
große Funkenstrom, der zu erhöhtem Zündkerzenab-
brand führt. 13.1.8 Zusammenfassung/Ausblick
Eine weitere Verbesserung dazu ist die „Wechselspan-
nungszündung“ wie sie beim Mercedes 12-Zylin- Zur Erhöhung der Betriebssicherheit sollen Zündsys-
der (V12) eingesetzt wird [9]. Dabei wird ein Konden- teme über eine kleine Quellimpedanz und/oder über
sator als Energiespeicher mit einem schwach gekoppel- einen steilen Spannungsanstieg verfügen (Neben-
ten Zündtransformator zu einem Schwingkreis mit schlussfestigkeit).
einer Resonanzfrequenz von circa 20 kHz verbunden. Weiterhin müssen Zündsysteme ausreichend Hoch-
Nach dem Funkendurchbruch wird von der Sekundär- spannung liefern. Für künftige Zündsysteme muss mit
seite der Spule Energie in den Funken geliefert, wäh- einem weiteren Anstieg der Spannungsangebotsforde-
rend der Kondensator wieder geladen wird (Sperr- rungen (Magerbetrieb, hohe AGR-Raten, Turboauf-
wandlerprinzip). Im Gegensatz zur HKZ reißt hierbei ladung, Otto-DE), gerechnet werden. So gilt speziell,
der Funke nicht ab, da genug Energie im System bleibt, dass der Zündspannungsbedarf bei einem magerbe-
um die Oszillation aufrecht zu erhalten. Die Gefahr von triebenen Motor mit Direkteinspritzung, der unter
Zündaussetzern bei inhomogenen Gemischen ist damit Teillast im Schichtladebetrieb betrieben wird, höher
gegenüber der HKZ deutlich reduziert. ist als bei einem vergleichbaren Motor im stöchio-
Mit dieser Wechselspannungszündung erhält man metrischen Betrieb, weil Ladungsverdünnung durch
eine Zündung, bei der im Gegensatz zur TSZ die Luftüberschuss und/oder Abgasrückführung die Gas-
Brenndauer unabhängig vom Zündspannungsangebot dichte im Zylinder erhöht und deshalb die Durch-
frei einstellbar wird. Mit einer solchen bedarfsgerecht bruchspannung zum Zündzeitpunkt steigt.
Die höchsten Zündspannungen jedoch, die typischer-
gesteuerten Brenndauer (energy controlled ignition)
weise unter Volllast, im Homogenbetrieb erreicht
reduziert sich der Zündkerzenverschleiß und nach
werden, sind bei beiden vergleichbar, so dass die An-
dem kontrollierten Funkenende können an den Zünd-
forderungen eines Motors mit Direkteinspritzung
kerzen zum Beispiel Ionenstrommessungen zur
bezüglich der maximalen elektrischen Isolationsfes-
Zündaussetzerkennung durchgeführt werden >9@.
tigkeit an Zündspule, Leitung und Zündkerze, im
Alle hier neben der TSZ betrachteten Zündungen be-
Vergleich zu denen eines Motors mit Multipoin-
nötigen neben der Spule weitere Bauteile wie Kon-
teinspritzung unverändert bleiben [11]. Nur ein hohes
densatoren und Netzteile (100 bis 800 V) für die
Energiespeichervermögen der Zündanlage ermöglicht
Erzeugung der notwendigen Ladespannungen, was
die Erzeugung eines ausreichend großen Plasma-
die Kosten erhöht und die Akzeptanz und Verbrei-
kanals.
tung solcher Zündanlagen behindert.
Bemühungen den Kraftstoffverbrauch weiter deutlich
zu reduzieren führen über Downsizing und Aufladung
13.1.7 Gasmotoren
der Motoren, sowie der Zufuhr gekühlter AGR.
Interessant sind Gasmotoren für mobile Anwendun- Aufgrund der Ladungsverdünnung mit Luftüber-
gen vor allem wegen der gegenüber Benzin um 25 % schuss oder AGR muss mehr Energie ans Gemisch
reduzierten CO2-Emissionen. Verwendet werden (70 bis 120 mJ) geliefert werden, um wiederholbare
dabei Benzinmotoren, die für einen Bi-fuel-Betrieb ausreichende Flammkernentwicklung sicherzustellen.
(Gas/Benzin) ausgerüstet sind. Betrieb mit Benzin Trotz dieser Verbrennungsunterstützung durch induk-
erfolgt im Kaltstart, nach dem Betanken bis zur tive Zündsysteme mit höherer Ausgangsenergie de-
622 13 Zündung

stabilisiert sich mit wachsendem AGR-Anteil die durch hohe Feldstärken und schnell wechselnde Fel-
Schwerpunktlage der Verbrennung. Gleichzeitig der über Lebensdauer unverändert beibehalten.
muss wegen der zunehmenden Klopfneigung der Mechanisch soll die Zündkerze den Brennraum druck-
Zündwinkel zurückgenommen werden, was die und gasdicht abschließen sowie die mechanischen
mögliche Verbrauchreduzierung begrenzt. Kräfte beim Verschrauben der Kerze aufnehmen.
Weiteres Potenzial bietet der Einsatz einer „Korona“- Thermisch gutes Wärmeleitvermögen schützt die
Zündung [12], bei der es keinen direkten Funken- Zündkerze gegen die Belastungen der kleinen thermi-
überschlag sondern nur eine Koronaentladung ausge- schen Schocks in jedem Verbrennungszyklus und hält
hend von den Elektrodenspitzen im Brennraum gibt. die Temperatur der Zündkerze niedrig.
Durch die entstehende Raumzündung kann die Elektrochemisch muss die Zündkerze sowohl den
Schwerpunktlage der Verbrennung auch für höhere Angriffen durch Funkenerosion als auch denen durch
AGR-Raten konstant gehalten werden. Gleichzeitig Verbrennungsgase und -rückstände, wie Heißgas-
wird mit diesem Zündsystem der druckabhängige korrosion, Oxidation und Vergiftungen durch Schwe-
Anstieg des Zündspannungsbedarfes bei weiterer fel im Kraftstoff widerstehen und die Bildung von
Aufladung begrenzt, da die Spannung für einen Ablagerungen auf dem Isolator vermeiden helfen.
Funkendurchbruch im Gas nicht mehr erreicht wer-
den muss. 13.2.2 Aufbau
Literatur Den obigen Anforderungen entsprechend hat sich der
[1] Heywood, J. B.: Internal Combustion Engine Fundamentals. prinzipielle Aufbau der Zündkerze im Lauf der mo-
New York: McGraw Hill 1989 tortechnischen Entwicklung kaum verändert, Bild
[2] Autoelektrik, Autoelektronik am Ottomotor, Bosch, VDI-Verlag,
1987 13-9. Gleichwohl sind vor allem in den letzten
[3] Albrecht, H.; Maly, R.; Saggau, B.; Wagner, E.: Neue Erkennt- 20 Jahren durch die gestiegenen Anforderungen zur
nisse über elektrische Zündfunken und ihre Eignung zur Ent- Anpassung der Zündkerze an für jeden Motor spezifi-
flammung brennbarer Gemische. In: Automobil-Industrie (4):
sche Erfordernisse Veränderungen in Form konstruk-
45 – 50, 1977
[4] Maly, R.; Vogel, M.: Ignition and Propagation of Flame Fronts in tiver Details und verbesserten Werkstoffen erfolgt,
Lean CH4-Air Mixtures by the Three Modes of the Ignition womit unter anderen die Wechselintervalle deutlich
Spark, Proc. of 17. Int. Symp. on Combustion pp. 821 – 831, The verlängert wurden. Gleitfunkenkonzepte wurden
Combustion Institute, 1976
[5] Schäfer, M.: Der Zündfunke, Dissertation. Univ. Stuttgart, 1997
durch den Einsatz unverbleiten Kraftstoffes über-
[6] Hohner, P.: Adaptives Zündsystem mit integrierter Motor- haupt erst möglich.
sensorik, Dissertation. Univ. Stuttgart, 1999 Der Isolator der Zündkerze besteht aus einer Alumi-
[7] Maly, R.: Die Zukunft der Funkenzündung. In: MTZ 59 (1998) niumoxid-Keramik, die für die hohe elektrische
7/8
[8] Herweg, R.: Die Entflammung brennbarer turbulenter Gemische, Durchschlagfestigkeit sorgt und in der Regel mit
Dissertation. Univ. Stuttgart, 1992 einer rippenförmigen Kriechstrombarriere am Isola-
[9] Schommers, J.; Kleinecke, U.; Miroll, J.; Wirth, A.: Der neue torhals versehen ist. Im Isolator eingebettet sind
Mercedes-Benz Zwölfzylindermotor mit Zylinderabschaltung, Mittelelektrode und Zündstift gasdicht mit einer
Teil 2. In: MTZ 61 (2000) 6
[10] Neusser, H.-J. et al.: Der neue 3-Zyl. Erdgasmotor von VW. In: speziellen elektrisch leitenden Glasschmelze verbun-
MTZ 04/2013 den. Durch entsprechende Beimischungen kann diese
[11] Stocker, H.; Archer, M.; Houston, R.; Alsobrooks, D.; Kil- Glasschmelze mit einem definierten Widerstand
gore, D.: Die Anwendung der luftunterstützten Direktein-
spritzung für 4-Takt Ottomotoren – der ,Gesamtsystemansatz‘.
ausgestattet werden, um Abbrandfestigkeit und Ent-
7. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik 1998, störeigenschaften zu verbessern.
S. 711 ff. Die gasdichte Verbindung zwischen Isolator und
[12] Rixecker, G. et al.: The High Frequency Ignition System metallischem Körper wird mittels eines Innendicht-
EcoFlash, IAV-Tagung Berlin 2012, Advanced Ignition Systems
for Gasoline Engines. Expert Verlag 2013
ringes hergestellt, wobei die mechanische Vorspann-
kraft auf den Dichtring durch den Zündkerzenkörper
erfolgt, der zuerst an den Isolator gebördelt und
13.2 Zündkerzen anschließend durch einen speziellen Erwärmungs-
vorgang elektrogestaucht wird.
13.2.1 Anforderungen an Zündkerzen Am Zündkerzenkörper sind eine oder mehrere Mas-
Die Zündkerze stellt die zur Zündung notwendigen seelektroden angeschweißt, die mit der Mittelelektro-
Elektroden im Brennraum zur Verfügung und muss de die Gasentladungsstrecke bilden. Man unterschei-
damit den schnell wechselnden motorischen Anforde- det verschiedene Zündkerzentypen entsprechend der
rungen genügen. Anordnung ihrer Elektroden, beziehungsweise des
Elektrisch muss die Zündkerze die Hochspannungs- Funkenweges, Bild 13-10.
übertragung sicherstellen und die erforderlichen Luftfunken: Bei Zündkerzen mit Hakenelektrode (J-
Zündspannungen von über 30 kV isolieren, Durch- type) ist durch den offenen Funkenweg durch den
und Überschläge vermeiden, und diese Fähigkeit zur Gasraum („Luft“) gute, bis optimale Gemischzugäng-
Beständigkeit gegen dielektrischen Belastungen lichkeit gegeben.
13.2 Zündkerzen 623

Vernickelter
Kerzenkörper Unverlierbarer
Außendichtring
Fünffach-Kriechstrombarriere
Anschluss für mit Rillenprofil Innerer Dichtring
den Kerzenstecker
Einführungsansatz
Atmungsraum

Isolatorfuß
Masse-
elektrode
Mittelelektrode

Zündstift
Isolator aus Aluminiumoxid
Bild 13-9 Aufbau einer
Elektrisch leitende Glasschmelze
Zündkerze

1 Luftfunkenstrecke
2 Luft/Gleitfunkenstrecke
3 Gleitfunkenstrecke
2 1 2 1
3
3
1

Bild 13-10 Verschiedene


Funkenwege

13.2.3 Wärmewert
Der Wärmewert ist ein Maß für die thermische Be-
lastbarkeit einer Zündkerze und beschreibt die ma-
ximale Betriebstemperatur, die sich an der Zündkerze
im Gleichgewicht zwischen Wärmeaufnahme und
-abgabe einstellt.
Die Zündkerze soll nach dem Motorstart möglichst
schnell die „Freibrenntemperatur“ von > 400 °C er-
reichen um Ablagerungen auf dem Isolator oxidieren
(freibrennen) zu können, um so elektrische Neben-
Bild 13-11 Normale und vorgezogene Funkenlage schlüsse zu vermeiden. Gleichzeitig muss aber die
Wärmeleitfähigkeit so gut sein, dass die stationäre
Gleitfunken: Gleitet der Funke beim Überschlag über Endtemperatur an keinem Punkt der Zündkerze
den Isolator, ist ein Freibrennen von Ablagerungen 900 °C überschreitet und es nicht zu unkontrollierten
und Verbrennungsrückständen möglich. Elektrische Glühzündungen kommen kann. Konstruktiv wird der
Nebenschlüsse werden vermieden, jedoch muss der Wärmewert der Zündkerze über die geometrische
Zündfunke energiereicher sein, damit das Abkühlen Form des Isolatorfußes und des Atmungsraumes,
beim Gleiten über den Isolator kompensiert wird. sowie der Anordnung, Geometrie und Wärmeleit-
Gleichzeitig ist oftmals durch den kleineren Span- fähigkeit der Elektroden eingestellt, Bild 13-12.
nungsbedarf ein verlängerter Funkenweg realisierbar Zündkerzen mit langen Isolatorwegen bis zur inneren
und damit eine größere Gemischzugänglichkeit Dichtung und offenen Atmungsräumen bilden große
möglich. wärmeaufnehmende Flächen mit schlechter Wärme-
Halbgleitfunken: Durch die Anordnung der Elektro- ableitung. Diese Kerzen werden „heiß“, Kerzen mit
den lassen sich Funkenwege einstellen, die teilweise kurzen Isolatorfüßen entsprechend „kalt“ genannt.
in Luft und teilweise über den Isolator laufen. Durch Durch den Einsatz von Verbundelektroden, wie zum
Kombinationen voneinander unabhängiger Luft- und Beispiel Ni-Elektroden mit Kupferkern – Kupfer ist
Gleitfunkenstrecken lässt sich der Zündspannungsbe- für den direkten Einsatz im Brennraum ungeeignet,
darfsanstieg durch Elektrodenabbrand verringern, verfügt aber über eine sehr gute Wärmeleitfähigkeit –
was zu einer deutlichen Verlängerung der Lebens- lässt sich die Wärmeabfuhr an den Elektroden erheb-
dauer der Zündkerzen führt. lich verbessern.
Die Elektrodenposition legt die Funkenlage im Bei extrem weit in den Brennraum vorgezogenen
Brennraum fest, Bild 13-11. Funkenlagen kann durch spezielle Anpassung des
624 13 Zündung

die Spannungsreserve. Der auftretende Elektroden-


„Heiße Kerze“ „Kalte Kerze“
abbrand vergrößert den Elektrodenabstand und damit
den Spannungsbedarf (Bild 13-14) und bestimmt mit
der Spannungsreserve die maximal mögliche Lebens-
dauer (Einsatzdauer) der Zündkerze. Eine einseitige
Erhöhung des Spannungsangebotes der Zündspule,
um die Zündkerze länger betreiben zu können führt
zu Problemen mit der Hochspannungsbelastbarkeit
der Zuleitungen und auf Grund der höheren Zünd-
energie zu erhöhtem Elektrodenabbrand und ist somit
kontraproduktiv.
Die in den Bildern 13-13 und 13-14 dargestellten
Zündspannungsbedarfe in Höhe und Häufigkeit des
Auftretens werden in einem Mix aus Überlandfahrt und
Kreisbahntest mit hohem Beschleunigungsanteil ermit-
telt. An den Zündkerzen mit zwei seitlich angestellten
Bild 13-12 Warme beziehungsweise kalte Zünd-
Cr - Ni-Elektroden ist ein deutlicher Anstieg des Span-
kerzen
nungsbedarfes über der Laufzeit zu erkennen.
Eine der Aufgaben der Zündkerze ist es, sowohl die
Querschnitts und der wärmeaufnehmenden Oberflä-
Zündspannung selbst, als auch den weiteren Anstieg
che der Isolatorfußspitze ein rasches Erreichen der
der Zündspannung über die Betriebsdauer klein zu
Freibrenntemperatur und ein quasi selbst abregeln der
halten. Der Verkleinerung der Elektrodenabstände zur
oberen Temperatur am Isolator unter 900 °C einge-
Reduzierung des Zündspannungsbedarfes sind auf-
stellt werden. Damit eignet sich diese Zündkerze
grund der erforderlichen Gemischzugänglichkeit, ins-
sowohl für den Einsatz in Brennräumen mit relativ
besondere bei mageren Gemischen, sowie dem Auf-
niedrigen als auch mit sehr hohen Temperaturen >1@.
treten von Quenching etc. enge Grenzen gesetzt. Bei
Schichtbrennverfahren benötigen in der Regel weit in
zu kleinen Abständen gibt es Zündaussetzer durch die
den Brennraum ragende Zündkerzen >2@. Dies kann zu
Entflammung eines für die Initialzündung zu kleinen
einer erhöhten mechanischen und thermischen Belas-
Volumens oder durch die schlechte Gemischzugäng-
tung an den Elektroden führen. Um Schwingungsbrü-
lichkeit.
che zu vermeiden, wird der Gewindeeinführungsan-
Die Verkleinerung der Elektrodenquerschnitte bewirkt
satz verlängert. Dadurch sind verkürzte und damit
eine Erhöhung der elektrischen Feldstärke durch
kältere Masseelektroden möglich. Alle Elektroden
Spitzenwirkung mit reduziertem Zündspannungs-
werden zudem noch mit Kupferkern ausgestattet.
bedarf. Dies erfordert den Einsatz von Edelmetall-
elektroden, bei denen auf Grund erhöhter Elektronen-
13.2.4 Zündspannungsbedarf
austrittsarbeit und erhöhtem Schmelz- beziehungs-
Die Differenz zwischen dem von der Zündspule zur weise Siedepunkt des Materials die Elektrodenerosion
Verfügung gestellten Hochspannungsangebot und der reduziert wird, Bild 13-15. Gleichzeitig wird auch die
notwendigen Zündspannung (Bild 13-13) definiert wärmeaufnehmende Oberfläche verringert.

35000
Uz [V] Zündkerze
60.000 km
30000
Zündkerze
neu
25000 Spannungs-
angebot
20000

15000

10000

5000

0 Bild 13-13 Spannungs-


0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 bedarf (min, max) und
n [1/min] Spannungsangebot
13.2 Zündkerzen 625

5000
Zündkerze 60.000 km
4500
Zündkerze neu
4000

3500

3000
Häufigkeit

2500

2000

1500

1000

500

0
–3 kV

–5 kV

–7 kV

–9 kV

–11 kV

–13 kV

–15 kV

–17 kV

–19 kV

–21 kV

–23 kV

–25 kV

–27 kV

–29 kV
Bild 13-14 Häufigkeitsvertei-
Zündspannungsklassierung
lung Zündspannungsbedarf

6000

5000
Temperatur [°C]

4000

Schmelzpunkt
3000
Siedepunkt
2000

1000

0 Bild 13-15 Schmelz- und


W Re Ir Ru Pt Rh Pd Au Co Ni Cr Ag Siedepunkte verschiedener
Elemente Metalle

Die Polarität der Zündspannung soll wegen der Tem- bei mittleren Strömungsgeschwindigkeiten von 2 bis
peratur der Elektroden vorzugsweise negativ gewählt 5 m/s, bei denen sich die Flamme von den Elektroden
werden, da die heißere Mittelelektrode den Elektro- zwar wegbewegt, aber nicht ausgeblasen wird >3@.
nenaustritt erleichtert und damit den Spannungs- Hierbei wird der Einfluss dieser Maßnahmen auf den
bedarf senkt. Elektrodenverschleiß nicht mit betrachtet.
Gleitfunkenkerzen (auch die mit mehreren Elektro-
13.2.5 Zündeigenschaft (und den) eignen sich nach einigen Untersuchungen nicht
Gemischentflammung) zur Entflammung magerer Gemische, da die Wärme-
Neben den genannten Eigenschaften wird die Zünd- verluste am Isolator und die Gemischzugänglichkeit
kerze auch noch bezüglich ihrer Möglichkeiten zur schlecht sind >4, 5@, jedoch kann die Schlagweite auf
Reduzierung zyklischer Verbrennungsschwankungen Kosten größerer Zündspannungsbedarfe deutlich ver-
sowie der Verschiebung der Magergrenze beurteilt, größert werden, womit sich die Gemischzugänglich-
um die Laufruhe des Motors sowie Abgas und Ver- keit verbessert und die Nebenschlussunempfindlich-
brauch beeinflussen zu können. keit dieser Kerzentype besser zur Geltung kommt.
Optimal geeignet scheinen Zündkerzen mit kleinen In modernen Motoren treten üblicherweise Strö-
Elektroden sowohl zur Reduzierung des Zündspan- mungsgeschwindigkeiten von über 10 m/s auf, im
nungsbedarfes als auch zur Reduzierung der Kontakt- Otto-DE bis 30 m/s. Dies bewirkt, dass die Orientie-
fläche der Flamme zu den Elektroden, um Wärmever- rung der Elektroden im Brennraum durch Turbulen-
luste zu vermeiden. Vorteilhaft sind große Zündspalte zen überdeckt wird und keinen Einfluss auf das
mit guter Gemischzugänglichkeit eventuell realisiert Entflammungsverhalten hat, der Einfluss der Funken-
durch Zündkerzen nach dem Gleitfunkenprinzip, die lage jedoch deutlich erkennbar ist >6@. Nach diesen
den Spannungsanstieg durch Elektrodenabbrand be- Untersuchungen ist die Zündkerze mit extrem weit in
grenzen, sowie eine geeignete Elektrodenorientierung den Brennraum vorgezogener Funkenlage (Luftfun-
626 13 Zündung

kenstrecke) im Motor mit Saugrohreinspritzung tritt in Verbindung mit aggressiven Gasen ein
besser, im Motor mit Schichtladungsbetrieb (FSI von deutlicher Verschleiß am Elektrodenmaterial auf.
VW), [6] zeigt jedoch die Gleitfunkenkerze insge- 3. Der funkenerosive Angriff auf die Elektroden
samt besseres Verhalten. Dabei spielt wohl das Frei- bewirkt durch die hohen Temperaturen im Plas-
brennverhalten auf dem Isolator die entscheidende makanal eine partielle Aufschmelzung und Ver-
Rolle. dampfung der Werkstoffe. Daraus ergibt sich die
Eine optimale Flammkernbildung erhöht die Durch- Forderung nach Werkstoffen mit hohen Schmelz-
brenngeschwindigkeit, jedoch ist durch die höheren und Siedepunkten.
Brennraumtemperaturen eine vermehrte Bildung von
NOx möglich.
Eine besondere Herausforderung an die Zündkerze Prüftemperatur: 1000 °C
stellt der Kaltstart dar, bei dem die Zündkerze ohne 1 NiCr2 Mn
2 NiMn3 Si
Nebenschlüsse einen aussetzerfreien Start und insbe- 3 NiMn2
sondere einen störungsfreien Motorhochlauf (Lastan- 4 NiCr5 Mn
nahme) gewährleisten soll. Zum Beschleunigen ist 5 NiCr2 MnSI
+500 6 NiCr2 MnSiCe
ein erhöhter Spannungsbedarf erforderlich, der bei 4 7 NiCr 7615
Belägen auf den Zündkerzen zu elektrischen Neben- 8 NiAl 11 (15398)
schlüssen und damit Fehlzündungen führen kann. ±0
7 8

Gewichtsverdrängung [g/m2]
Ähnliche Probleme treten bei Wiederholstarts, bei
dauerndem Kurzstreckenbetrieb oder Langsamfahrten –500
auf, bei denen die Zündkerze nicht richtig heiß wird. 3

Abhilfe wird technisch dadurch möglich, dass die 2


–1000
Zündkerzen mit Gleitfunkenstrecken auf dem Isolator
(Reinigung durch gleitenden Funken) oder zum
Isolator weisenden Koronakanten an der Hochspan- –1500
1 6
nung führenden Mittelelektrode (Reinigung durch
Zusatzionisation) ausgestattet sind. Scharfkantige –2000
oder spitze Elektroden am Überschlagspfad verrin-
gern den Spannungsbedarf und reduzieren so die 5
–2500
Nebenschlussneigung. 24 48 72 96 120 144 168 192 216
Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Glühdauer [h]
Zündkerze an jeden Motor und an jede Motorvariante
(Aufladung, AGR-Rate etc.) neu speziell adaptiert Bild 13-16 Heißgasbeständigkeit verschiedener Ni-
werden muss. Es ist keine generelle Aussage darüber Legierungen
möglich, welcher Zündkerzentyp sich für welche
Applikation optimal eignet. Es ist immer die best-
mögliche Anpassung an die Randbedingungen bezüg- Überwiegend als Elektrodenmaterial eingesetzt wird
lich des thermischen Verhaltens, der Funkengeomet- Nickel, dem zur Verbesserung der chemischen Be-
rie und des Zündspannungsbedarfes erforderlich. ständigkeit Aluminium und Chrom als Oxidbildner
Gleichzeitig soll die Zündkerze am Ort der günstigs- sowie Mangan und Silizium gegen Schwefel in Öl
ten Strömungsverhältnisse (vorgezogene Funken- und Kraftstoff zulegiert sind, Bild 13-16. Mit einem
lage – Otto-DE) liegen, was weitere Anforderungen Schmelzpunkt von nur circa 1.450 °C erweist sich
an die Materialauswahl der Elektroden und die Ge- das Material als nicht resistent gegen Heißgasangriffe
staltung des Isolatorfußes stellt. und Funkenerosion, Bild 13-17. Gleichwohl sind mit
optimierten Legierungen und geeigneten geometri-
13.2.6 Verschleiß schem Aufbau Laufleistungen von 60.000 km und
Die Zündkerzenelektroden unterliegen mehreren Ver- mehr möglich.
schleißmechanismen.
Funkenphase Dauer Energie Funkenerosion
1. Die durch innermotorische Vorgänge ausgelöste
thermische Beanspruchung durch Verdichtung Anstieg 60 μs
und Entflammung führt zu Materialabnutzung der
Durchbruch 2 ns 0,5 mJ 12 · 10 –12 g/mJ
in den Brennraum ragenden Elektroden durch
Heißgaskorrosion und Verzunderung. Bogen 1 μs 1 mJ 210 · 10 –12 g/mJ

2. Eine weitere Ursache für den Verschleiß sind Glimmen 2 ms 60 mJ 3,5 · 10 –12 g/mJ
chemische Reaktionen wie die Oxidation der
Elektroden, ausgelöst durch Kraftstoff, Additive Bild 13-17 Verschleiß durch verschiedene Funken-
und Verbrennungsgase. Bei hohen Temperaturen phasen [7]
13.2 Zündkerzen 627

Platin erfüllt die Forderungen nach hoher Tempera- Pt) sitzen auf beiden Elektroden mit inversen Eigen-
tur- und Oxidationsstabilität. Chemische Angriffe an schaften (zum Beispiel Cr - Ni) und bestimmen Zünd-
den Korngrenzen durch die Platingifte Schwefel und spannungsbedarf und Überschlagsort. Diese Geome-
Silizium bewirken einen erhöhtem Verschleiß. Der trie und die Materialauswahl erzwingt, dass der erste
Lichtbogen des Funkens führt zu partiellen An- Funkenüberschlag über die Ankerstellen erfolgt, die
schmelzungen der Elektrodenoberfläche, die dann Entladung aber sofort auf die als Opferbereiche (3)
leichter mit Verbrennungsgasen reagieren kann. ausgebildeten Bezirke der Trägerelektroden übergeht.
Noch höhere Schmelz- und Siedepunkte weist Iridi- Dadurch ist der Abbrand der Ankerstellen minimal,
um auf, das aber als reines Material als Elektroden- Elektrodenabstand (2) und Zündspannungsbedarf blei-
werkstoff ungeeignet ist. Um seine hohe Temperatur- ben konstant. Der Abbrand (Bild 13-19a, b) wird auf
beständigkeit zu nutzen werden Platin, Palladium, vordefinierte Bereiche der Grundelektroden verlagert;
oder Rhodium zulegiert, die Oxide bilden und damit die effektive Funkenlänge steigt mit der Zeit an und
die Oberfläche des Iridiums schützen >8@. begünstigt dadurch sogar die Entflammungsfähig-
In Zündkerzen für hohe Laufleistungen eignen sich keit >7@. Da die Zündspannung durch den verringerten
damit vor allem Edelmetallelektroden. Wegen der ho- Elektrodenabbrand über die Kerzenlebensdauer nahezu
hen Kosten für die Edelmetalle reduziert man den konstant bleibt, kann ein größerer Elektrodenabstand
Materialeinsatz und setzt Chrom-Nickelelektroden und eine günstigere Elektrodengeometrie gewählt wer-
ein, bei denen nur die den Überschlagsweg bestim- den, was die Entflammungsfähigkeit und die Leerlauf-
menden Bereiche mit Edelmetall armiert sind. Durch stabilität verbessert. Eine Einschränkung der Lebens-
geeigneten Aufbau können die Forderungen nach dauer durch eventuelle Ablagerungen (4) auf dem
hohen Kilometerlaufleistungen (Langlebensdauer) Isolator wird durch eine Hilfsfunkenstrecke (5) verhin-
mit nahezu unverändertem Zündspannungsbedarf, dert, die diese Beläge über gelegentliche Gleitent-
guter Gemischzugänglichkeit und Leerlaufstabilität ladungen beseitigt. Gleichzeitig begünstigt diese zu-
sowie geringer Nebenschlussempfindlichkeit und
sätzliche Gleitfunkenstrecke das Kaltstartverhalten und
gutem Kaltstartverhalten kombiniert werden.
vermeidet Zündaussetzer in Betriebszuständen mit sehr
hohem Spannungsbedarf.
3
13.2.7 Applikation
Prinzipiell müssen Zündkerzen an jeden Motor neu
appliziert werden, da sich die Anforderungen durch
die Art der Gemischführung, die AGR-Rate, die Lage
1 2
der Zündkerze etc. sehr stark unterscheiden. Die Be-
urteilung der thermischen Eignung einer Zündkerze
erfolgt idealerweise im Originalaggregat. Dazu wird
3
die Wärmewertanpassung mittels Ionenstrommess-
5 sung vorgenommen, bei der man Veränderungen im
Verbrennungsablauf beobachtet und durch Austasten
4 einzelner Zündungen Vor- und Nachentflammung
(Selbstentflammung) beobachten kann. Die Nachent-
Bild 13-18 Prinzip der Stromlenkung [7] flammung selbst ist für den Motor unkritisch.
Zusätzlich werden durch Thermoelemente an den
Im Bild 13-18 ist das Prinzip der Stromlenkung durch Zündkerzen im Motor unter verschiedenen Drehzahl-/
Zweistoffelektroden dargestellt. Kleinflächige Anker- Last-Kollektiven Untersuchungen durchgeführt, um
stellen (1) aus Werkstoffen mit hohen Austrittsarbei- den heißesten Zylinder und die maximalen Elektro-
ten und niedrigen Verdampfungsraten (zum Beispiel den- und übrigen Bauteiltemperaturen zu ermitteln.

a b

Bild 13-19 a Abbrandverhalten Cr - Ni-Elektroden, Standardkerze nach 28.000 km, Änderung des Elektroden-
abstandes von 0,7 auf 1,1 mm; b Abbrandverhalten platinarmierter Elektroden, Langlebensdauerkerze nach
105.000 km, Änderung des Elektrodenabstandes von 1,00 auf 1,05 mm
628 13 Zündung

Dabei ist die Zündkerze so zu dimensionieren, dass Spraybildung (Größe, Verteilung, Impuls der
auch unter Volllast keine Vorentflammung auftreten Tröpfchen) bestimmt
kann. x der Ladungsbewegung
Über Messungen an speziellen „Wärmewertmessmo- x der Ladungszusammensetzung, also dem Sauer-
toren“ kann auf dem Prüfstand durch Frühverstellung stoffanteil und den Änderungen der spezifischen
der Zündwinkel die Temperatur der Zündkerze deut- Wärmekapazität durch AGR etc.
lich erhöht und mit einem optischem Zugang zum x der Brennraumgeometrie.
Zylinder die Temperatur der einzelnen Zündkerzen-
bauteile pyrometrisch ermittelt und die Vorentflam- Die Selbstzündung setzt lokal in den Bereichen mit
mungsneigung überprüft werden. Die Wärmewertre- bereits vollständig verdampftem, mit ausreichend
serve kann dann in °KW angegeben werden, um den Luftsauerstoff gemischtem Kraftstoff ein. Während
die Zündung nach früh verstellt werden kann, ohne dieser Phase wird typischerweise noch weiter einge-
dass Vorentflammung auftritt. spritzt, Verbrennung und Gemischaufbereitung laufen
zeitlich parallel ab. Der Entflammungsprozess ist
Literatur stark inhomogen, da gleichzeitig flüssige und gas-
förmige Phasen mit komplexer dynamischer Interak-
[1] Meyer, J.; Niessner, W.: Neue Zündkerzentechnik für höhere
Anforderungen. In: ATZ/MTZ Sonderausgabe, System tion vorliegen. Für den Zündverzug und die dabei
Partners 97 ablaufenden Vorgänge ist die lokal vorliegende Tem-
[2] Eichlseder, H.; Müller, P.; Neugebauer, S.; Preuß, F.: Innermo- peratur entscheidend.
torische Maßnahmen zur Emissionsabsenkung bei direktein-
Das während der Zündverzugszeit aufbereitete Kraft-
spritzenden Ottomotoren. TAE Esslingen, Symposium: Ent-
wicklungstendenzen Ottomotor, 7./8.12.2000 stoff-Luft-Gemisch verbrennt bei einsetzender Zün-
[3] Pischinger, S.; Heywood, J. B.: Einfluss der Zündkerze auf zy- dung mit hoher Geschwindigkeit. Die Verbrennung
klische Verbrennungsschwankungen im Ottomotor. In: MTZ 52 des im weiteren Verlauf aufbereiteten Kraftstoffs
(1991) 2
erfolgt hingegen mit einer langsameren Diffusions-
[4] Lee, Y. G.; Grimes, D. A.; Boehler, J. T.; Sparrow J.; Flavin, C.:
A Study of the Effects of Spark Plug Electrode Design on 4-Cy- verbrennung. Durch die zunehmende Energiefreiset-
cle Spark-Ignition, Engine Performance. SAE, 2000-01-1210 zung wird die Aufbereitung weiter beschleunigt.
[5] Geiger, J.; Pischinger, S.; Böwing, R.; Koß, H.-J.; Thiemann, J.: Hohe Umsatzraten bedeuten bei der Selbstzündung
Ignition Systems for Highly Diluted Mixtures in SI-Engines.
hohe Druckgradienten und damit in der Regel auch
SAE, 1999-01-0799
[6] Kaiser, Th.; Hoffmann, A.: Einfluss der Zündkerzen auf das Ent- eine hohe Geräuschemission. Um dies zu vermeiden,
flammungsverhalten in modernen Motoren. In: MTZ 61 (2000) wird zum Beispiel durch die Einführung einer Vor-
10 einspritzung die Verbrennung vorgemischter Anteile
[7] Maly, R.: Die Zukunft der Funkenzündung. In: MTZ 59 (1998)
7/8
so weit wie möglich begrenzt.
[8] Osamura, H.; Abe, N.: Development of New Iridium Alloy for Der Verbrennungsbeginn beziehungsweise der Zünd-
Spark Plug Electrodes. SAE, 1999-01-0796 zeitpunkt muss hinsichtlich der Abgasemission, dem
Verbrauch, der Leistung und der Geräuschentwick-
lung optimiert werden. Dazu sind Kompromisse
13.3 Zündung – Dieselmotor erforderlich, da sich die innermotorischen Maßnah-
men wechselseitig beeinflussen.
13.3.1 Selbstzündung und Verbrennung
Im Pkw-Bereich setzten sich in den vergangenen Jah-
Kennzeichnend für den dieselmotorischen Verbren- ren Motoren mit Direkteinspritzung gegenüber Kon-
nungsprozess ist die Selbstzündung. Zündwilliger zepten mit geteilter Brennkammer durch >1@. Die
Kraftstoff wird gegen Ende des Kompressionstaktes Einspritztechnik sowie die Ausrüstung zur Kaltstart-
in die heiße komprimierte Zylinderladung einge- unterstützung wurden beträchtlich weiterentwickelt.
spritzt, mischt sich mit dieser und zündet. In der Mehrere Einspritzungen je Arbeitsspiel bei höherem
Zündverzugszeit (zwischen Einspritzung und begin- maximalem Einspritzdruck und eine weitgehend freie
nender Selbstentflammung) finden eine Reihe kom- Lage der Einspritzzeitpunkte und -mengen zur Ver-
plexer physikalischer und chemischer Teilprozesse besserung von Verbrauch und Laufruhe sind möglich.
wie Spraybildung, Verdampfung, Mischung und Komponenten zur Kaltstartunterstützung wie die
Kettenverzweigung (chemische Vorreaktionen) ohne Glühkerzen wurden hinsichtlich der zuverlässigen
nennenswerte Energieumsetzung statt. Unterstützung bei extrem tiefen Starttemperaturen,
Die Zündung ist dabei abhängig von den Ausgangs- ihrer Aufheizgeschwindigkeit, ihres Energiebedarfs
bedingungen der Gemischbildung wie: und ihrer Lebensdauer verbessert.
x dem Druck und der Temperatur der Ladung Pkw-Dieselmotoren sind mit Elektromotor-Starter-
x der Temperatur, der Viskosität, den Verdamp- anlagen ausgerüstet, deren Auslegung sich an der
fungseigenschaften und der Zündwilligkeit des Kaltstartgrenztemperatur orientiert, bis zu der der
Kraftstoffs Motor zuverlässig starten muss >2@.
x dem Druck, dem Zeitpunkt und dem Verlauf der Die Zündung ist in starkem Maße abhängig von den
Einspritzung, sowie der Düsengeometrie, die die Ausgangsbedingungen. Insbesondere im Kaltstart
13.3 Zündung – Dieselmotor 629

sind diese Ausgangsbedingungen soweit verschlech- x die inneren Verluste (Ölviskosität, Getriebe, Ne-
tert, dass eine zufriedenstellende Zündung nicht ohne benaggregate …).
zusätzliche Maßnahmen gegeben ist.
Gegenüber der Verbrennung im betriebswarmen
13.3.2 Kaltstart Dieselmotor Motor sind die Bedingungen beim Kaltstart und dem
anschließenden Warmlauf des Motors für eine Selbst-
Kaltstart sind alle Startvorgänge, bei denen Motor zündung und die anschließende vollständige
und Medien nicht Betriebstemperatur haben. So wird Verbrennung des Kraftstoffs deutlich schlechter. Die
bereits bei Temperaturen unter + 60 °C eine Kaltstart- wichtigsten Einflussparameter auf das Startverhalten
unterstützung durch Änderung der Einspritzzeiten und die Verknüpfungen der Parameter untereinander
und -mengen vorgenommen. Damit wird im Warm- sind im folgenden Diagramm dargestellt, Bild 13-20.
lauf des Motors eine Verbesserung der Laufruhe, der Dabei wurde der Weiterentwicklung von Kaltstart-
Gas- beziehungsweise Lastannahme und eine Redu- komponenten und Einspritzsystemen mit mehr Frei-
zierung der Schadstoffemission erreicht. heitsgraden Rechnung getragen. Auf die Darstellung
Tiefgreifendere Maßnahmen müssen bei Temperatu- weiterer Verknüpfungen wie den direkten Einfluss
ren unterhalb des Gefrierpunktes vorgesehen werden, der Temperatur auf die Ladungsverluste (Spaltmaße/
da sich mit weiter abnehmenden Temperaturen die Ölfilm) oder die Kompressionsendtemperatur wurde
Startqualität überproportional bis zu dem Punkt der Übersichtlichkeit wegen verzichtet.
verschlechtert, an dem sich der Motor überhaupt nicht Niedrige Temperaturen verringern die Batterieleistung
mehr starten lässt. und erhöhen die Triebwerksreibung, so dass sich auf
13.3.2.1 Wichtige Einflussparameter Grund des höheren Momentenbedarfs eine geringere
erreichbare Starterdrehzahl ergibt. Diese führt zu
Die dieselmotorische Verbrennung ist auf den Betrieb höheren Ladungs- und Wärmeverlusten auf Grund der
des Motors im betriebswarmen Zustand optimiert. verlängerten Endphase der Kompression. Die Drehge-
Die dabei getroffene Wahl folgender äußerer Parame- schwindigkeit des Motors nimmt bei sehr tiefen
ter hat maßgeblich Einfluss auf die Kaltstartqualität: Umgebungstemperaturen im Bereich des Kompres-
x die Motorbauart (DI/IDI) sions- oder Zündtotpunkt so stark ab, dass die lange
x die Zylinderzahl Verweildauer der heißen komprimierten Ladung im
x das Hubvolumen beziehungsweise das Oberflä- Brennraum zu einer deutlichen Abnahme der Tempe-
chen-Volumen-Verhältnis ratur und des Ladungsdruckes führt >3@. Dabei ver-
x das Verdichtungsverhältnis schlechtern sich die Bedingungen für die Gemisch-
x die Starterausrüstung (Starterleistung, Batterie) bildung und die Zündung dramatisch, wobei die Tem-
x das Einspritzsystem peratur gegenüber dem Druck einen wesentlich grö-
x die Luftführung und -aufladung ßeren Einfluss auf die Startqualität hat >3 –5@.

Außentemperatur/Luftdruck

Ölviskosität
Batteriezustand
Triebwerksreibung

Kraftstoff Starterdrehzahl Kaltstartkomponenten

Ladeverluste Wärmeverluste
aus dem Zylinder der Zylinderladung

Einspritzapplikation

Druck/Temperatur der Ladung

Gemischbildung/Zündung

Bild 13-20 Wichtige Ein-


Start flussparameter beim Kalt-
start [3]
630 13 Zündung

min–1
Kreiskolben-Ottomotoren
200
Dir. Dieselmotor
ohne Starthilfe

160

120
Drehzahl n

Dieselmotor mit
80
Starthilfe

40
Einspritz-Ottomotoren
Vergaser-Ottomotoren

0
°C –25 –20 –15 –10 –5 0
Bild 13-21 Mindeststart-
Temperatur u
drehzahl [2]

100 Verbrennungsbeginn kann aus dem Zylinderdruck-


°KW u0 = –20 °C
signal, einem Ionenstromsignal oder optisch aus Licht-
signalen gewonnen werden. Der Zündverzug nimmt
10
Zündverzug [°KW]

mit abnehmender Ladungstemperatur exponentiell zu


u0 = +20 °C >6@ und hat bei einer mittleren Startdrehzahl von etwa
1 200 min–1 ein Minimum >3@, Bild 13-22.
chemischer Zündverzug Dies wird mit der Überlagerung des physikalischen
physikalischer Zündverzug
0,1 Zündverzuges mit dem chemischen Zündverzug
erklärt. Während der physikalische Zündverzug mit
zunehmender Startdrehzahl auf Grund der besseren
0,01
0 100 200 300 400 500 Gemischaufbereitung abnimmt, nimmt der chemische
Drehzahl [min–1] Zündverzug zu >7@. Der Grund hierfür ist die Kinetik
der Vorreaktionen, deren Dauer zeitlich annähernd
Bild 13-22 Zündverzug [3] konstant ist. Im gezeigten Beispiel beträgt der chemi-
sche Zündverzug bei -0 = – 20 °C oberhalb von
Mit abnehmender Temperatur werden höhere Starter- 200 min–1 etwa konstant 6 ms. Der chemische Zünd-
drehzahlen benötigt, um einen sicheren Kaltstart zu verzug in Grad Kurbelwinkel steigt damit also pro-
gewährleisten. Durch eine Starthilfe kann die erfor- portional zur Drehzahl an. Gegenüber der in der
derliche Mindeststartdrehzahl und damit die Kalt- zitierten Untersuchung verwendeten Reiheneinspritz-
startgrenztemperatur enorm gesenkt werden, womit pumpe wird durch modernere Einspritztechniken der
überhaupt erst Starts bei Temperaturen um –20 °C physikalische Zündverzug weiter reduziert und die
und darunter ermöglich werden, Bild 13-21. Das Gemischbildung deutlich verbessert. Bei höheren
Leistungsvermögen von Anlasser und Batterie wird Starterdrehzahlen dominiert jedoch der chemische
auf die geforderte Kaltstartgrenztemperatur ausgelegt, Zündverzug so deutlich, dass hier die gezeigten
wobei von einer voll geladenen Batterie ausgegangen Ergebnisse weiter gelten.
wird. Ist die Batterie nur zu Hälfte geladen verschiebt Der verlängerte Zündverzug unter Kaltstartbedingun-
sich die Grenztemperatur von zum Beispiel – 24 °C gen kann durch Vorverlegung der Einspritzung nicht
auf – 20 °C >2@. beliebig kompensiert werden. Viel zu früh einge-
Eine wichtige Größe in diesem Zusammenhang ist spritzter Kraftstoff mischt sich in der noch wenig
der Zündverzug, der die Zeit vom Beginn der Ein- komprimierten Ladung bis zur Unterschreitung der
spritzung bis zur Zündung beschreibt. Der Beginn der Zündgrenze oder lagert sich an den Brennraumwän-
Einspritzung wird über Nadelhubsignale, den Mag- den ab und steht dann der Verbrennung, wenn die
netventil- beziehungsweise Injektorstrom oder bei notwendigen Druck- und Temperaturverhältnisse für
optisch zugänglichen Aggregaten mit dem Austritt die Selbstzündung durch die fortschreitende Kom-
des Kraftstoffs aus dem Düsenloch bestimmt. Der pression erreicht sind, nicht mehr zur Verfügung.
13.3 Zündung – Dieselmotor 631

13.3.2.2 Startbewertungskriterien Reaktion des Motors auf einen Beschleunigungsvor-


Im Pkw ist ein zuverlässiger, selbstständiger Start gang. Die Qualität von Kaltstarts lässt sich somit
sowie ein anschließender stabiler und ruhiger Motor- durch Messung des Schallpegels, der Rauchdichte
lauf erforderlich. Eine Reglementierung der Abgas- und weiterer Abgasemissionen – dabei insbesondere
emissionen bei Kaltstarts unterhalb des Gefrierpunk- HC – sowie der Bewertung der Drehzahlschwankun-
tes existiert beim Pkw-Dieselmotor heute noch nicht. gen im Leerlauf und der Drehzahlzunahme als Ant-
Daher wird bei der Bewertung der Startgüte vor allem wort auf einen Einspritzmengensprung beurteilen,
auf die vom Fahrer empfundene Beeinträchtigung des Bild 13-23.
Komforts geachtet. Diese beruht auf der Wahrneh- Trotz der messtechnischen Möglichkeiten, den Kalt-
mung von Geräuschen oder Geruchsemissionen, start zu bewerten, ist letztendlich der subjektive Ein-
sichtbaren Abgaswolken (Ruß, Blau- und Weiß- druck des Fahrers entscheidend, der wesentlich kom-
rauch), Vibrationen, Wartezeit bis zum Start, die plexer ist und die absolut gemessenen Größen völlig
Startzeit selbst und eventuell einer unbefriedigenden unterschiedlich gewichtet.

2400 2,4

2200 2,2
Drehzahl Δn = 980 min–1
2000 2

1800 1,8
Temperatur, Drehzahl [°C; min–1]

Δn = 37 min–1
1600 12,6

Extinktion [m–1]
1400 1,4
Δt = 1 s 1,2
1200

1000 1

800 Glühkerzentemperatur 0,8


s
∫ Edt = 17 m
600 0,6
s
∫ Edt = 0,4 m 0,4
400

200 0,2

0 0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22
Zeit [s]

Bild 13-23 Startbewertungskriterien

13.3.3 Komponenten mischt hat, dass die Zündgrenzen unterschritten wer-


zur Kaltstartunterstützung den, und zum anderen aus der maximal für die voll-
ständige Verbrennung zur Verfügung stehenden Zeit.
Mit abnehmender Temperatur verschlechtern sich die
Weiterhin muss eine ausreichende Menge des Kraft-
Bedingungen für eine rasche Zündung und vollstän-
stoffs umgesetzt werden, um durch eine die inneren
dige Verbrennung selbst bei sonst günstigsten Vor-
Verluste übersteigende Energiefreisetzung den Motor
aussetzungen. Ohne Kaltstarthilfsmittel nimmt die
immer weiter beschleunigen zu können. Zur Erfül-
Startqualität soweit ab, dass bei Temperaturen unter
lung dieser Anforderungen sollte der Brennbeginn
– 10 °C der Start für den Fahrer unzumutbar lang oder
beziehungsweise der maximale Druckanstieg um den
sogar unmöglich wird. Hilfsmittel zur Kaltstartunter-
oberen Totpunkt liegen. Typischerweise ist die Ver-
stützung haben die Aufgabe, die Zündbedingungen so
brennung im Kaltstart starken zyklischen Schwan-
weit zu verbessern, dass die Verbrennung im Zylinder
kungen unterworfen, so dass erhebliche Instabilitäten
innerhalb der zeitlich verfügbaren Grenzen möglichst
bis zu Zündaussetzern auftreten >8@. Die Aufgabe der
effektiv ablaufen kann. Die Grenzen werden durch
Kaltstarthilfe ist die Verschlechterung der Startbedin-
den motorischen Ablauf im Arbeitstakt gesetzt und
gungen insbesondere in der verzögerten Gemischauf-
bestehen zum einen aus einem möglichst optimalen
bereitung zu kompensieren und die rechtzeitige und
Beginn der Einspritzung, so dass der eingespritzte
gleichmäßige Zündung für eine stabile Verbrennung
Kraftstoff zünden kann, bevor er sich an der Brenn-
einzuleiten.
raumwand niederschlägt oder sich so stark durch-
632 13 Zündung

Dies geschieht bei der Glühkerze durch elektrisch weiter bestromt (nachgeglüht), um günstige und
erzeugte und direkt in den Brennraum eingebrachte gleichbleibende Zündbedingungen auch in der Warm-
Wärmeenergie, die die Gemischbildung und die laufphase des Motors sicherzustellen.
Zündung lokal fördert. Ein anderer Ansatz insbeson- Die in den Brennraum eingebrachte Energiemenge
dere für Motoren mit größeren Hubvolumina besteht während des Vorglühens durch die Aufheizung der
in der Erwärmung der Ansaugluft durch Flammglüh- Ladung oder der Brennraumwände ist für die Funkti-
kerzen oder elektrische Heizflansche, welche die on nicht entscheidend, wenn nicht gar vernachlässig-
gesamte Luftladung schon im Ansaugtrakt auf ein bar. Gute Startqualitäten können mit schnell aufhei-
wesentlich höheres Niveau anheben, so dass der zenden Glühkerzen auch gänzlich ohne zusätzliches
eingespritzte Kraftstoff Bedingungen vorfindet, wie Vorglühen erreicht werden. Überdies ist die thermi-
sie im betriebswarmen Motor vorkommen. sche Masse der metallischen Brennraumwände so
hoch, dass es im genannten Leistungsbereich inner-
13.3.3.1 Glühsystem halb von 3 bis 15 s nicht zu einer signifikanten Tem-
peraturerhöhung kommen kann. Eine eventuelle
Ein Glühsystem mit Glühkerzen als aktiven Heizele- Erwärmung der Luftladung während des Vorglühvor-
menten im Brennraum und einer elektronischen gangs ist mit dem ersten Gaswechsel verloren. Die
Ansteuerung interpretiert die Befehle der Motorsteue- Erfahrung, dass mit längeren Vorglühzeiten bessere
rung, bereitet Informationen über den Zustand des Startqualitäten erreicht werden, beruht auf der Tat-
Systems auf und sendet diese ans Steuergerät zurück. sache, dass sich eine selbstregelnde Glühkerze mit
Die Glühkerze ist bei modernen Pkw-Dieselmotoren wachsender Glühdauer über einen größeren Bereich
zum Standardbauteil geworden. Für Motoren mit aufheizt und somit mehr Wärmeenergie gespeichert
geteiltem Brennraum ist sie als Kaltstarthilfe unab- hat. Dadurch kühlt die Glühkerze während des Star-
dingbar, um den Start auch im häufig auftretenden tereingriffes weniger stark aus, wie dies mit kürzeren
Temperaturbereich von 10 bis 30 °C sicherzustellen. Vorglühzeiten der Fall ist.
Durch die drastische Verschlechterung der Startquali- Vielfach wird angenommen, dass ein „hot spot“, also
tät unterhalb des Gefrierpunktes wird die Glühkerze ein vergleichsweise sehr kleiner, heißer Punkt zur
als Kaltstarthilfe auch für den Dieselmotor mit Di- Zündung ausreicht. Da die Orte mit guten Zündbe-
rekteinspritzung eingesetzt >4@. dingungen insbesondere im Kaltstart von Zyklus zu
Zyklus stark schwanken und mit einer größeren
Prinzip
thermischen Masse auch Temperaturschwankungen
Die Glühkerze befindet sich typischerweise nahe an am Glühelement reduziert werden, ist in der prakti-
der Einspritzdüse, jedoch nicht direkt im Einspritz- schen Anwendung aber eher eine „hot area“ oder ein
strahl positioniert und ragt etwa 3 bis 8 mm in den „hot volume“ notwendig.
Brennraum hinein. Sie stellt eine vergleichsweise
geringe Wärmeleistung in Form einer heißen Ober- Anforderungen
fläche direkt im Brennraum zur Verfügung. Die Die Glühkerze soll in einer möglichst kurzen Zeit
Leistungsaufnahme beträgt je nach Bauart und Größe eine ausreichend hohe Temperatur zur Zündunterstüt-
30 bis 150 W im Gleichgewichtszustand. Damit er- zung bereitstellen und diese Temperatur unabhängig
reicht die Glühkerze an ihrer Oberfläche Temperatu- von den momentanen Randbedingungen halten oder
ren um 800 bis 1.100 °C. Der physikalische sowie der sogar in Abhängigkeit von diesen anpassen.
chemische Zündverzug wird in der Umgebung der Der für die Glühkerze zur Verfügung stehende Bau-
heißen Glühstiftspitze durch die beschleunigte Ver- raum ist speziell bei modernen Motoren in Vierventil-
dampfung der Kraftstofftröpfchen und der durch die technik, mit Pumpe-Düse-Elementen oder Injektoren,
bei höheren Temperaturen schneller ablaufenden sehr begrenzt, so dass die Glühkerzen möglichst
chemischen Vorreaktionen >9@ verringert. Im weiteren schlank ausgeführt werden, andererseits aber über
Verlauf muss die lokal einsetzende Verbrennung eine gewisse Robustheit verfügen muss >10@. Hiermit
genügend Energie zur Selbsterhaltung der Flamme verbunden ist oft eine Einbausituation, die hohe
sowie zur Zündung des eingespritzten und wegen der Kosten für das Wechseln der Glühkerzen verursacht,
niedrigen Temperaturen nur teilweise aufbereiteten so dass die Glühkerzen ein „Motorleben“ lang halten
Kraftstoffs der nicht in der Nähe der Glühkerze sollen.
liegenden Einspritzstrahlen zur Verfügung stellen, so Da die Bordnetzbelastung insbesondere im Kaltstart
dass in der verbleibenden Zeit möglichst der gesamte kritisch ist, wird von den Glühkerzen eine möglichst
eingebrachte Kraftstoff vollständig verbrennt. Die geringe Leistungsaufnahme gefordert.
Glühkerze wirkt somit als indirekte, lokale Anzünd- Im Rahmen der Gesetzgebung wird für emissionsre-
hilfe; die Energie zur Zündung des Großteils des levante Bauteile eine permanente Überwachung, die
Kraftstoffs stammt aus dem Kraftstoff selbst. On-Board-Diagnose (OBD), gefordert, die bei Glüh-
Die Glühkerze wird in Abhängigkeit von der Motor- systemen durch die Überwachung jeder einzelnen
temperatur noch bis zu drei Minuten nach dem Start Glühkerze und die Rückmeldung an das Motorsteuer-
13.3 Zündung – Dieselmotor 633

Dichtsitz
Steckanschluss Innenpol Körper
Glührohr
Wendel-
kombination

Bild 13-24 Aufbau Glühkerze

1200 5000

Glühkerzentemperatur
1000 5000
Glühkerzentemperatur [°C]

800 4000

Drehzahl [min–1]
600 3000

Drehzahl
400 2000

200 1000

0 0
–15 –10 –5 0 5 10 15 20 25 30 35 Bild 13-25 Start mit selbst-
Zeit [s] regelnder Glühkerze

gerät sichergestellt wird. Mit elektronischen Glüh- a) Selbstregelnde Glühkerze


systemen verfügt man über weitere Möglichkeiten, Bei der selbstregelnden Glühkerze besteht die Wendel
innermotorisch die Emissionen zu beeinflussen. aus der Kombination einer Heizwendel und einer Re-
Durch Zwischenglühen, also dem erneuten Einschal- gelwendel. Die Heizwendel besteht aus einem hoch-
ten der Glühkerzen bei durch Schubbetrieb ausge- temperaturfesten Material, dessen elektrischer Wider-
kühlten Aggregaten, wird eine kontrollierte Verbren- stand weitgehend temperaturunabhängig ist, wohin-
nung mit minimaler Emission sichergestellt. gegen der Widerstand der Regelwendel einen großen
positiven Temperaturkoeffizienten hat. Bei kalter
Aufbau Glühkerze stellt sich zunächst ein hoher Strom ein,
der zu einem schnellen Aufheizen der Heizwendel
Glühkerzen bestehen aus einem metallischen zu einer führt. Durch Wärmeleitung und durch Eigenerwär-
Wendel gewickelten Widerstandsheizelement, das mung wird im weiteren Verlauf auch die Regelwendel
durch eine heißgaskorrosionsbeständige Metallhülle zunehmend heiß, so dass der Gesamtwiderstand zu-
gegenüber den Brennraumgasen geschützt ist. In und der Strom damit abnimmt. Damit ist ein schnelles
diesem Glührohr ist die Wendel in verdichtetem Aufheizen mit selbsttätigem Regeln auf einer oberen
Magnesiumoxid-Pulver eingebettet, das für elektri- Beharrungstemperatur kombiniert. Durch die Wahl
sche Isolation, gute Wärmeübertragungseigenschaften des Regelmaterials und der Widerstandsteilung zwi-
und die mechanische Stabilität sorgt. Zusammen mit schen Heiz- und Regelwendel sind verschiedene Cha-
der Stromzuführung zur Heizwendel bildet dieses rakteristika im Temperaturverlauf darstellbar.
Bauteil den Heizstab. Die Glühkerze wird über ein Relais oder einen elekt-
Dieser ist in einen Körper mit Dichtsitz, Gewinde und ronischen Schalter angesteuert und ist mit ihrer No-
Sechskant eingepresst, mit dem die Glühkerze in den minalspannung auf die bei stehendem Motor durch
Zylinderkopf eingeschraubt wird und den Masse- das Bordnetz bereitgestellte Spannung ausgelegt.
kontakt herstellt. Die Stromzuführung zum Heizstab Während des Starts und des Motorlaufs wird die
besteht aus einem Gewinde- oder Steckanschluss. Glühkerze durch die Luftbewegung gekühlt. Dies
Standardgröße für eine Glühkerze ist ein M10-Ge- wird jedoch durch die höhere zur Verfügung stehende
winde und ein Heizstab mit 5 mm Durchmesser. Die Bordnetzspannung kompensiert, so dass im Nachglü-
Länge und die Kopfform variieren je nach den Erfor- hen die gewünschten Temperaturen gehalten werden,
dernissen, Bild 13-24. Bild 13-25.
634 13 Zündung

b) Glühsystem-ISS (Instant Start System) Die Elektronik übernimmt zusätzlich noch Schutz-
Ein Schnellstartglühsystem besteht aus einem elekt- funktionen für die Glühkerze und kommuniziert mit
ronischen Steuergerät und einer Schnellstart-Glüh- dem Motorsteuergerät (wegen OBD). Mit seinen
kerze >11@. Der Aufbau ist ähnlich dem der selbstre- erweiterten Freiheitsgraden wird zukünftig das Glüh-
gelnden Glühkerze, wobei die Wendelkombination system in die Applikationsphase zur Optimierung der
jedoch erheblich verkürzt und der glühende Bereich innermotorischen Verbrennungsvorgänge und der
auf etwa ein Drittel reduziert ist. Dies entspricht bei Lebensdauer der Glühkerzen herangezogen werden.
Dieselmotoren mit Direkteinspritzung dem in den
Brennraum hineinragenden Teil des Heizstabes. Als c) Keramikglühkerzen
Nebeneffekt ergibt sich ein zwei- bis dreimal geringe- Um bei modernen niedrig verdichteten Dieselmotoren
rer Leistungsbedarf, was insbesondere bei Motoren eine gute Laufkultur, niedrige Emissionswerte und
mit 8 oder mehr Zylindern eine wichtige Rolle spielt. ein sauberes Startverhalten zu gewährleisten, bietet
Die Glühkerze ist für den Betrieb mit einer gegenüber sich der Einsatz von Si3N4-Keramikglühkerzen an.
der Bordnetzspannung verringerten Nominalspan- Damit sind hohe Dauerbetriebs- beziehungsweise
nung von zum Beispiel 5 V ausgelegt, mit der diese Maximaltemperaturen (1.200 °C) und gegenüber
Glühkerze eine Beharrungstemperatur von circa Stahlglühkerzen deutlich längere Lebensdauern mög-
1.000 °C erreicht. Durch das elektronische Steuerge- lich. Mit elektronischer Ansteuerung ergeben sich
rät wird die Bordnetzspannung getaktet und so die an schnelle Temperaturanstiegszeiten (< 3s).
die Glühkerze anstehende Spannung auf effektiv 5 V Mit diesen Eigenschaften lassen sich auch komplexe
reduziert. Damit kann die Wunschtemperatur an der Regelstrategien mit Vor-, Zwischen- und Langzeit-
Glühkerze gehalten werden, sobald eine Bordnetz- glühen realisieren, um zum Beispiel der starken
spannung von mehr als 5 V zur Verfügung steht. Die Auskühlung des Brennraumes im Schubbetrieb und
Glühkerzentemperatur ist dadurch unabhängig von der damit verbundenen höheren Emissionen zu be-
der Bordnetzspannung, die insbesondere während des gegnen.
Startereingriffs oftmals nur 7 bis 9 V beträgt. Es gibt dazu verschiedene technische Realisierungen
Bei laufendem Motor wird die Glühkerze durch zum Beispiel mit in der Keramik eingesinterten WC-
Ladungswechsel und Luftbewegung in der Kompres- Heizleitern oder der Dotierung der Keramik mit
sionsphase gekühlt. Die Temperatur der Glühkerze MoSi2 zur Einstellung des Heiz- beziehungsweise
nimmt mit zunehmender Drehzahl bei konstanter Leiterwiderstandes. Bei der Keramik mit der MoSi2-
Glühkerzenspannung und Einspritzmenge ab, wäh- Dotierung lässt sich der Heizleiter an der Außenseite
rend die Temperatur bei zunehmender Einspritzmen- des Glühstiftes platzieren, was zu deutlich schnelle-
ge und konstanter Glühkerzenspannung und Drehzahl ren Aufheizzeiten führt, da nicht zunächst die ganze
zunimmt. Mit Hilfe des elektronischen Steuergerätes Keramik aufgeheizt werden muss.
können diese Effekte nun kompensiert werden, in
dem immer die für den jeweiligen Betriebspunkt 13.3.3.2 Heizflansch
optimale Effektivspannung an die Glühkerzen ausge- Elektrische Heizflansche werden heute vorwiegend bei
geben wird. Die Kompensation weiterer Einflussgrö- Nutzfahrzeugmotoren mit Hubräumen größer 0,8 Liter
ßen geschieht analog. Damit ist die Glühkerzentem- pro Zylinder eingesetzt. Sie ermöglichen einen zuver-
peratur in Abhängigkeit vom Betriebszustand appli- lässigen Start bei tiefen Temperaturen und eine Verrin-
zierbar. gerung der Rauchemissionen >12@. Mit wachsenden
Weiterhin wird die Kombination einer Niedervolt- Anforderungen zur Reduzierung der Emissionen im
Glühkerze mit einem elektronischen Steuergerät dazu Kaltstart und der Verbesserung des Fahrkomforts
genutzt, die Glühkerze extrem schnell aufzuheizen, werden entsprechend angepasste elektrische Heizflan-
indem die volle Bordnetzspannung für eine vordefi- sche auch für Pkw-Anwendungen interessant.
nierte Zeit an die Glühkerze gelegt wird und erst
anschließend mit der notwendigen Effektivspannung
Prinzip
getaktet gefahren wird. Die bisher übliche Vorglüh-
zeit wird bis hin zu tiefsten Temperaturen auf maxi- Der Heizflansch mit einer Anschlussleistung von
mal 2 s reduziert. Damit werden Startzeiten wie beim 0,5 bis 2 kW wird vor oder im Ansaugrohr eingebaut.
Ottomotor ermöglicht. Die elektrische Leistung wird im Heizflansch in
Durch die hohe Dynamik des Glühsystems ist ein Wärme umgesetzt und an die Ansaugluft abgegeben.
Start auch ohne Vorglühen möglich. Bei tiefen Tem- Üblich sind metallische Heizelemente ohne tempera-
peraturen ist es dennoch sinnvoll, kurze Vorglühzeiten turabhängigen Widerstand. Darüber hinaus gibt es
einzustellen, die mit notwendigen Initialisierungen, Heizflansche mit PTC-Charakteristik, die mit metalli-
Checks und so weiter zeitlich zusammenfallen kön- schen oder keramischen Elementen realisiert
nen. Durch eine bereits heiße Glühkerze sind schon sind >12@. Die für gute Starteigenschaften optimale
von Beginn an wesentlich bessere Zündvoraussetzun- Charakteristik kann durch eine entsprechende regel-
gen gegeben. bare Leistungselektronik unterstützt werden.
13.3 Zündung – Dieselmotor 635

300
eine ausreichende thermische Masse des Heizflan-
e = 18,5
sches, um sowohl eine schnelle Auskühlung als auch
n = 1,37
eine Überhitzung des Elementes zu verhindern.
250
e = 21 Für die OBD kann mit Hilfe eines elektronischen
e = 16
Steuergerätes die Funktion des Heizflansches
200
überwacht und an das Motorsteuergerät übermittelt
werden.
ΔT2 [K]

150
Aufbau
100
Der elektrische Heizflansch besteht aus einem etwa
20 mm breiten Rahmen oder Flansch in der Ansaug-
50
luftführung. Er übernimmt Dichtungsfunktionen,
Stromanschluss und -durchführung, nimmt Leis-
0
0 20 40 60 80 100 tungselektronik und das Heizelement inklusive Isola-
ΔT1 [K] tion auf. Das Heizelement besteht aus einem oder
mehreren metallischen Bändern, die typischerweise
Bild 13-26 Kompressionsendtemperaturzunahme mit mäanderförmig mit etwa fünf Windungen in einer
Ansaugluftvorwärmung keramischen Isolation geführt und einseitig mit dem
Rahmen zur Masseanbindung verbunden sind,
Durch den Heizflansch sollte die Ansauglufttempera- Bild 13-27.
tur um mindestens 30 K angehoben werden können.
Im Bild 13-26 ist die nach der Beziehung für die Rahmen Masseanschluss
polytrope Kompression T2 = T1 ˜ H n–1 gerechnete theo-
retische Zunahme der Kompressionsendtemperatur T2
über der Ansauglufttemperatur T1 für verschiedene Heizband

Verdichtungsverhältnisse und einen Polytropenexpo- Träger für


Keramikisolation
nenten von n = 1,37 aufgetragen.
Daraus ergibt sich, dass beispielsweise bei einem
Verdichtungsverhältnis von H = 18,5 eine Erhöhung
der Ansauglufttemperatur um 'T1 = 50 K zu einer
Erhöhung der Kompressionsendtemperatur um
'T2 = 147 K führt.
Versorgungsanschluss
In der Literatur werden häufig Polytropenexponenten
von n = 1,2 bis 1,3 zur Berechnung des thermodyna-
mischen Zustandes im Kaltstart verwendet. Diese Bild 13-27 Heizflansch
Exponenten resultieren aus Druckmessungen unter
Berücksichtigung der Wärme- und Ladungsverluste.
Rau [3] zeigte jedoch mit einer integrierenden Brenn- Funktion
raumtemperaturmessung, dass der Exponent für die Mit der Bestromung des Heizflansches erreicht das
Berechnung der Temperatur nahe bei dem theoreti- Heizelement 900 bis 1.100 °C und erwärmt die ruhen-
schen Exponent liegt, der in dem interessierenden de umgebende Luft. Mit der Aktivierung des Anlas-
Bereich (250 K < T1 < 830 K) n = 1,38 beträgt >3@. sers wird bereits vorgewärmte Luft angesaugt und
Der Heizflansch verbessert durch die global höhere komprimiert. Die höheren globalen Ladungstempera-
Ladungstemperatur die Gemischaufbereitung und turen verbessern die Bedingungen zur Zündung. Der
reduziert den Zündverzug erheblich. Heizflansch erwärmt die nun strömende Luft im
Ansaugtrakt um circa 50 °C und wird dadurch selbst
Anforderungen
auf 500 bis 600 °C abgekühlt, Bild 13-28.
Für den elektrischen Heizflansch wird eine kurze Die thermische Masse des Heizelementes puffert
Aufheizzeit und ein guter Wärmeübergang vom schnelle Änderungen der Luftströmung, langsame
Heizelement an die Luft, bei gleichzeitig möglichst Änderungen werden durch das Selbstregelverhalten
geringem Strömungswiderstand im Ansaugluftkanal, des Heizbandes oder eine elektronische Ansteuerung
gefordert. Die elektrische Anschlussleistung muss, kompensiert. Durch die gegenüber einer Glühkerze
ohne das Bordnetz übermäßig zu belasten, die höchst- wesentlich höhere Wärmeleistung des Heizflansches
mögliche Ansauglufterwärmung gewährleisten. Der werden im gesamten Brennraum schnell Zündbedin-
verfügbare Bauraum ist durch den Ansaugluftquer- gungen erreicht, die zusammen mit einer Anpassung
schnitt vorgegeben. Die dynamischen Änderungen der Einspritzung die Rauchemissionen im Warmlauf
der Ansaugluftströmungsgeschwindigkeit erfordern erheblich reduzieren >12@, Bild 13-29.
636 13 Zündung

1000 50

Heizbandtemperatur
800 40
Heizbandtemperatur [°C]

Ansauglufttemperatur [°C]
600 30

400 Ansauglufttemperatur 20
Start

200 10

0 0
0 10 20 30 40 50 60 Bild 13-28 Aufheizverhalten
Zeit [s]
Heizflansch

100

80
ohne Starthilfe
Opazität [%]

60

40

2,2 kW Heizflansch
20

0
–25 –20 –15 –10 –5 0 5 10 15
Bild 13-29 Opazität 30 s
Temperatur [°C]
nach dem Start [12]

13.3.4 Ausblick Brennraum eingebracht werden muss, bietet sich


beim Dieselmotor die Glühkerze mit ihrer günstigen
13.3.4.1 Kombinierte Systeme Position >14@ und der Möglichkeit zur Rußoxidation
Das Glühsystem ist für den Dieselmotor im Pkw die auf den Elektroden an. Wird der Heizstab vom Glüh-
geeignete Kaltstarthilfe, um einen möglichst schnellen kerzenkörper isoliert und eine Spannung angelegt, so
Start bei minimaler Belastung des Bordnetzes sicher- bildet sich ein elektrisches Feld im Brennraum um die
zustellen. Demgegenüber bieten elektrische Heizflan- Glühkerzenspitze aus. Die Ladungen der im Feld be-
sche Potenzial zur weiteren Verminderung der Warm- findlichen geladenen Teilchen fließen über die Elek-
laufemissionen, der Verbesserung des Motorruhiglau- troden ab. Der Strom in der Größenordnung einiger
fes und der Lastannahme. Somit ist es besonders im Mikroampere bis Milliampere kann durch eine geeig-
Hinblick auf die sich verschärfende Abgasgesetzge- nete Schaltung gemessen, verstärkt und gegebenen-
bung naheliegend, beide Systeme zu kombinieren, um falls aufbereitet an das Motorsteuergerät übermittelt
einen schnellen Start mit minimalen Emissionen bei werden, Bild 13-30.
maximaler Laufkultur zu ermöglichen. Diese Lösung Die dieselmotorische Verbrennung ist, vor allem
bietet sich insbesondere auch mit zunehmender Zylin- lokal, signifikanten stochastischen Schwankungen
derzahl beziehungsweise Hubvolumen an. unterworfen >15@. Dies führt dazu, dass dem am Ort
der Glühkerze gemessenen Ionenstromsignal im Ge-
13.3.4.2 Ionenstrommessung gensatz zum integrierenden Zylinderdrucksignal ther-
Im ottomotorischen Bereich wird die Ionenstrommes- modynamische Informationen wie Brennfunktion, die
sung bereits genutzt, um Informationen über die Lage des Verbrennungsschwerpunktes etc. zum Teil
Verbrennung direkt aus dem Brennraum zu gewin- nur indirekt mit erhöhtem mathematischem Aufwand
nen >13@. Damit keine zusätzliche Sonde in den entnommen werden können.
13.3 Zündung – Dieselmotor 637

Isolation
13.3.4.3 Geregelte Glühsysteme
I
Die heute vielfach eingesetzten selbstregelnden
Zylinderkopf Glühkerzen werden künftig zunehmend von elektro-
nisch gesteuerten Systemen abgelöst werden. Nächste

Hilfsspannung
Ziele sind die Entwicklung geregelter Systeme, die
keine komplexe Berechnung der Ansteuerleistung in
Abhängigkeit motorischer Parameter benötigen. Viel-
mehr soll vom übergeordneten Motorsteuergerät nur
RM der Glühbedarf in Form eines Sollwertes an das
Glühsteuergerät übermittelt werden, das diesen inter-
Ionenstrom pretiert und die erforderliche Spannung an der Glüh-
kerze entsprechend regelt. Um dieses Ziel zu errei-
Messspannung
chen müssen Glühkerzen entwickelt werden, die ein
gut auswertbares und stabiles Temperatursignal an
das Glühsteuergerät zurückmelden können.
Bild 13-30 Prinzip Ionenstrommessung
Literatur
Die Ionenstrommessung über die Glühkerze ist je-
>1@ Bauder, R.: Die Zukunft der Dieselmotoren-Technologie. In:
doch im Vergleich zur Zylinderdruckindizierung mit MTZ 59 (1989) 7/8
geringen Kosten realisierbar und stellt einen robusten >2@ Henneberger, G.: Elektrische Motorausrüstung. Vieweg 1990
innermotorisch dauernd auswertbaren Sensor dar. >3@ Rau, B.: Versuche zur Thermodynamik und Gemischbildung
Potenzielle Anwendungsgebiete der Ionenstrommes- beim Kaltstart eines direkteinspritzenden Viertakt-Dieselmotors,
Dissertation. Technische Universität Hannover, 1975
sung sind beispielsweise >4@ Petersen, R.: Kaltstart- und Warmlaufverhalten von Dieselmoto-
x Erkennung von Verbrennungsaussetzern ren unter besonderer Berücksichtigung der Kraftstoffrauch-
emission. VDI-Fortschrittsbericht, Reihe 6, Nr. 77 (1980)
x Zylindergleichstellung in Bezug auf Brennbeginn, >5@ Reuter, U.: Kammerversuche zur Strahlausbreitung und Zün-
Ausgleich von Toleranzen im Einspritz- und An- dung bei dieselmotorischer Einspritzung, Dissertation. RWTH
saugsystem etc. Aachen, 1990
x Erfüllung von OBD-Anforderungen durch direkte >6@ Pischinger, F.: Verbrennungsmotoren, Vorlesungsumdruck.
RWTH Aachen, 1995
Rückmeldung aus dem Brennraum >7@ Sitkei, G.: Kraftstoffaufbereitung und Verbrennung bei Diesel-
x Kompensation von unterschiedlicher Brennstoff- motoren
qualität. >8@ Zadeh, A.; Henein, N.; Bryzik, W.: Diesel Cold Starting: Actual
Cycle Analysis under Border-Line Conditions. SAE 909441,
Zur Realisierung eines „Ionenstromgeregelten Die- 1990
selmotors“ werden zurzeit erhebliche Anstrengungen >9@ Warnatz: Technische Verbrennung. Springer Verlag, 1996
unternommen, entsprechende Auswertealgorithmen >10@ Endler, M.: Schlanke Glühkerzen für Dieselmotoren mit Direkt-
einspritzung. In: MTZ 59 (1998) 2
und Reglerstrukturen aufzubauen, um eine Korrelati- >11@ Houben, H.; Uhl, G., Schmitz, H.-G., Endler, M.: Das elektro-
on der gemessenen Signale mit den Vorgängen im nisch gesteuerte Glühsystem ISS für Dieselmotoren. In: MTZ 61
Brennraum darzustellen. Weiterhin muss die Position (2000) 10
des Sensors und sein Aufbau für den dauerhaften >12@ Merz, R.: Elektrische Ansaugluft-Vorwärmung bei kleineren und
mittleren Dieselmotoren. In: MTZ 58 (1997) 4
Einsatz optimiert werden. Durch die für die Ionen- >13@ Schommers, J.; Kleinecke, U.; Miroll, J.; Wirth, A.: Der neue
strommessung notwendige Isolation des Heizstabes Mercedes-Benz Zwölfzylindermotor mit Zylinderabschaltung,
gegenüber dem Zylinderkopf ist eine separate Masse- Teil 2. In: MTZ 61 (2000) 6
verbindung des Heizstabes zum Zylinderkopf not- >14@ Glavmo, M.; Spadafora, P.; Bosch, R.: Closed Loop Start of
Combustion Control Utilizing Ionization Sensing in a Diesel En-
wendig, die für die Ionenstrommessung unterbrochen gine“. SAE paper 1999-01-0549
werden kann. Ein Schaltkreis, der dies realisiert, wird >15@ Ernst, H.: Zündverzug und Bewertung des Kraftstoffs. In:
in die Glühkerze integriert, so dass sich am äußeren Deutsche Kraftfahrtforschung, Heft 63, VDI-Verlag, 1941
Aufbau der Glühkerze nichts ändert.
638 14 Verbrennung

14Verbrennung

Verbrennungsmotoren basieren auf der Nutzung von Alkane (Paraffine) sind kettenförmig aufgebaute
chemisch gebundener Energie durch die Verbrennung Kohlenwasserstoffe mit ausschließlich Einfach-Bin-
von Brennstoff und Sauerstoff. Motorische Verbren- dungen, wobei man zwischen Normal-Alkanen mit
nungsprozesse können nach verschiedenen Katego- gerad-kettenförmiger und Iso-Alkanen mit verzweigt-
rien eingeteilt werden, zum Beispiel nach dem Brenn- kettenförmiger Struktur unterscheidet. Alkene (Ole-
stoff (flüssig, gasförmig, leicht-, schwersiedend, Ent- fine) sind kettenförmig aufgebaute Kohlenwasser-
flammbarkeit), nach der Art der Gemischbildung (in- stoffe mit einer oder zwei Doppelbindungen, wobei
nere und äußere, homogen, heterogen) sowie nach der Alkene (Monoolefine) eine und Alkadiene (Diole-
Art der Zündung (Fremdzündung, Selbstzündung). fine) zwei Doppelbindungen aufweisen. Alkine (Ace-
In diesem Kapitel werden zunächst die Brennstoffe tylene) sind ebenfalls kettenförmig aufgebaut und
beschrieben (Kapitel 14.1) Danach werden die weisen eine Dreifachbindung auf. In Bild 14-1 sind
Grundlagen der Oxidation von Kohlenwasserstoffen die Strukturformeln dieser aliphatischen Kohlenwas-
(14.2) sowie die Selbstzündung von Wasserstoff und serstoffe angegeben.
Kohlenwasserstoffen dargestellt (14.3). Kapitel 14.4 Die Strukturformeln der ringförmig aufgebauten
beschreibt die Klassifizierung von Flammen. Ab- Zyklo-Alkane (Naphthene) mit ausschließlich Ein-
schließend gibt Kapitel 14.5 eine kurze Einführung in fach-Bindungen und die der ringförmig aufgebauten
die Modellierung von motorischen Verbrennungspro- Aromaten mit Doppelbindungen, deren Grundbau-
zessen. Details zur diesel- und ottomotorischen stein der Benzolring ist, sind in Bild 14-2 dargestellt.
Verbrennung sind in den Kapitel 15.1 und 15.2 zu
finden.

14.1Kraftstoffe und Kraftstoffchemie


Kettenförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit
Kraftstoffe für Otto- und Dieselmotoren werden nur Einfach-Bindungen
üblicherweise durch Destillation aus Mineralöl ge- Normal-Paraffine Iso-Paraffine
wonnen und bestehen aus Hunderten von einzelnen
gerad-kettenförmig verzweigt-kettenförmig
Komponenten. Diese Zusammensetzung bestimmt
ganz entscheidend die physikalischen und chemi- H H H CH3 H
schen und damit die motorischen Eigenschaften. Ne-
H C C H H C C C H
ben Kraftstoffen auf fossiler Basis gewinnen alter-
native Kraftstoffe insbesondere in der Beimischung H H H CH3 H
zunehmend an Bedeutung. So kann in Europa dem Ethan 2,2 Dimethylpropan
Dieselkraftstoff beispielsweise bis zu 7 % Biodiesel
basierend auf veresterten Pflanzenölen beigemischt
werden. Ethanol aus nicht fossilen Quellen (zum Kettenförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit
Beispiel Biomasse) wird in Europa dem konventio- Doppel-Bindung (DB)
nellem Benzin zu 10 % beigemischt (E10). In den Alkene (Monoolefine) Alkadiene (Diolefine)
USA und Schwellenländern, z. B. Brasilien, sind kettenförmig, eine DB kettenförmig, zwei DB
Brennstoffe mit einem Ethanolgehalt von über 70 %
erhältlich. Darüber hinaus gewinnen gasförmige H H CnH2n-2 H H
Brennstoffe, zum Beispiel in Form von komprimier- C C C C C
tem Erdgas (Compressed Natural Gas – CNG) oder
verflüssigtem Erdgas (Liquified Natural Gas – LNG) H H H H
zunehmend an Bedeutung. Ethen Propadien (Allen)
Im Folgenden wird die Einteilung und der chemische
Aufbau von einfachen Kohlenwasserstoffen, soge-
Kettenförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit
nannte CxHyOz-Verbindungen soweit erläutert, wie es
für das Verständnis der Oxidation von Kohlenwasser- einer Dreifach-Bindung
stoffen erforderlich ist. H C C H Ethin
Kohlenwasserstoffverbindungen werden üblicherwei-
se unterteilt in Alkane (früher: Paraffine), Alkene Bild 14-1 Aliphatische Kohlenwasserstoffverbin-
(Olefine), Alkine (Acetylene), Zyklo-Alkane (Naph- dungen
then) und Aromaten.

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_14
14.1 Kraftstoffe und Kraftstoffchemie 639

Alkohole, R - OH
Zyklo-Alkane CnH2n (früher Naphtene)
enthalten eine Hydroxylgruppe -OH
Ringförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit
Methanol Ethanol
Einfach-Bindungen H H
(Methylalkohol) (Ethylalkohol)
H H C
H H CH3 OH H C2 H5 OH H H
C C H
H C H H
H C OH H C C OH
C C H C C H
H H H H H H H
C Ether, R1 - O - R2
H H sind über eine O-Brücke miteinander verbundene
Zyklopropan Zyklohexan Kohlenwasserstoff-Reste (R1,R2)
Aromaten H H H H
Diethylether
Ringförmig aufgebaute Kohlenwasserstoffe mit H C C O C C H
C2 H5 O C2 H5
konjungierten Doppel-Bindungen
H H H H
Grundbaustein ist der Benzolring
Ketone, R1 - CO - R2
H CH3
sind über eine Karbonylgruppe -CO- miteinander
C C verbundene Kohlenwasserstoff-Reste
H C C H H C C H H H Aceton
H C C H H C C CH3 H C C C H CH3 C CH3
C C H O H O
H H Aldehyde, R - CHO
Benzol 1,3 Dimethylbenzol enthalten eine -CHO- Gruppe
Formaldehyd H
Bild 14-2  Azyklische und aromatische Kohlenwas- H C
serstoffverbindungen
O

Sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffe sind kettenför- Bild 14-3  Sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffver-


mig aufgebaute Verbindungen, bei denen man zwi- bindungen
schen Alkoholen, Ethern, Ketonen und Aldehyden
unterscheidet. x n-Hexadekan (Cetan: C16H34) mit der Cetan-Zahl
Alkohole enthalten eine Hydroxylgruppe (R – OH). CZ = 100
Die einfachsten Alkohole sind der Methylalkohol
(Methanol: C3H – OH) und der Ethylalkohol (Ethanol: bestehenden Ersatzkraftstoff für den Dieselkraftstoff,
C2H5 – OH). Ether sind über eine Sauerstoffbrücke wobei die Oktan-Zahl definiert ist als der Iso-Oktan-
(R1 – O – R2) und Ketone über eine Carbonylgruppe Anteil und die Cetan-Zahl als der Cetan-Anteil des
(R1 – CO – R2) miteinander verbundene Kohlenwas- Zweikomponenten-Ersatzbrennstoffes. Die Struktur-
serstoff-Reste. Aldehyde enthalten eine CHO-Grup- formeln der Komponenten der beiden Ersatzbrenn-
pe, zum Beispiel Formaldehyd HCHO. Die Struktur- stoffe sind in Bild 14-4 dargestellt.
formeln der sauerstoffhaltigen Kohlenwasserstoffe Während für Otto-Kraftstoffe eine geringere Zünd-
sind in Bild 14-3 angegeben, wobei man die CHO- willigkeit und damit eine hohe Klopffestigkeit er-
Gruppe nicht mit der am Kohlenstoff hängenden OH- wünscht sind, ist es bei Dieselbrennstoffen gerade
Gruppe (–COH) verwechseln sollte. umgekehrt. Die Oktan-Zahl nimmt mit steigender
Zur Feststellung der Zündwilligkeit von Otto- und Anzahl der Kohlenwasserstoffatome bei n-Alkanen
Diesel-Kraftstoffen verwendet man Zweikomponen- und Alkenen ab und steigt mit der Zahl der Verzwei-
ten-Ersatzbrennstoffe und zwar den aus: gungen bei Iso-Alkanen und der Zahl der Komponen-
ten mit Doppelbindungen an.
x n-Heptan C7H16) mit der Oktan-Zahl OZ = 0 und Der untere Heizwert bei Verbrennungen von Koh-
x Iso-Oktan (C8H18) mit der Oktan-Zahl OZ = 100 lenwasserstoffverbindungen liegt im Bereich:
bestehenden Ersatzbrennstoff für Benzin und den aus: 40,2 MJ/kg (Benzol) < Hu < 55,5 MJ/kg (Methan)
x D-Methylnaphtalin (C11H10) mit der Cetan-Zahl Die maximale laminare Flammengeschwindigkeit der
CZ = 0 und flüssigen Kraftstoffkomponenten in Luft bei 1 bar
640 14 Verbrennung

Wasserdampf H2O umgesetzt. Diese Reaktion kann


pauschal durch die Bruttoreaktionsgleichung

C x H y  §¨ x  ·¸ O 2 o x ˜ CO 2  H 2 O  ' R H
y y
© 4¹ 2
(14.1)
beschrieben werden, wobei die Reaktionsenthalpie
' R H die durch die Verbrennung freigesetzte Wärme
darstellt. Tatsächlich läuft die Verbrennung jedoch
nicht nach dieser Bruttoreaktionsgleichung, sondern
nach einem sehr komplexen und auf Elementarreakti-
onen basierendem Reaktionsschema ab, das heute in
groben Zügen verstanden und schematisch in
Bild 14-5 dargestellt ist.
Bei niedrigen Temperaturen entstehen Kohlenwasser-
stoffperoxide (ROOH), die durch Dehydrierung in
kleine Alkane zerfallen. Diese Reaktionen sind für
Zündprozesse in motorischen Anwendungen von ent-
scheidender Bedeutung und werden in Abschnitt 14.3
ausführlich behandelt. Durch nachfolgende Reaktio-
nen mit den Radikalen H < , O< und OH< (Ketten-
träger) entstehen zunächst leichte Alkene und Alka-
diene und schließlich Aldehyde, wie Acetaldehyd
CH3CHO und Formaldehyd HCHO. Bei hohen Tem-
Bild 14-4Strukturformeln der Komponenten der Er- peraturen wird die Bildung von Wasserstoffperoxiden
satzbrennstoffe für den Otto- und den Dieselmotor umgangen, stattdessen werden Alkene direkt aus dem
Kraftstoff über einen E-Zerfall gebildet [1]. Die
Bildung der Aldehyde, bei der nur etwa 10 % der
liegt bei nur etwa 2 m/s, bei der Verbrennung dieser
insgesamt freigesetzten Wärme entsteht, wird durch
Komponenten im Motor treten dabei turbulente Flam-
das Auftreten einer kalten Flamme begleitet.
mengeschwindigkeiten von bis zu 25 m/s auf.
In der daran anschließenden blauen Flamme werden
CO, H2 und bereits H2O und in der letzten Stufe, der
14.2 Oxidation von Kohlenwasserstoffen heißen Flamme, schließlich CO2 und H2O gebildet.
Bei vollkommener Verbrennung werden Kohlenwas- Bei der Oxidation der Kohlenwasserstoffe zum CO
serstoffverbindungen CxHy in Kohlendioxid CO2 und werden etwa 40 % und bei der Oxidation des CO zum

Bild 14-5 Kohlenwasser-


stoff-Oxidationsschema
14.2 Oxidation von Kohlenwasserstoffen 641

ci
Temperatur
CxHy, O2
H, O, OH
CO2
C2H4, C3H6, C2H2
HCHO, CH3CHO, H2
H2O

CO
Bild 14-6 Zeitlicher Tempe-
ratur- und Konzentrations-
verlauf bei der Kohlenwas-
t serstoffverbrennung

CO2 schließlich die restlichen 45 % der im Kraftstoff


gespeicherten thermischen Energie freigesetzt. Die 16 4
wesentliche Wärmefreisetzung erfolgt also erst am CO2
14
Ende des Reaktionsschemas bei der Oxidation von

CO, O2, OH, H2, O, H [%]


CO zu CO2. 12 3
H2 O
Bild 14-6 zeigt qualitativ den zeitlichen Konzentra-
CO2, H2O [%]

tions- und Temperaturverlauf bei der Kohlenwasser- 10


stoffverbrennung. CO
Zur Berechnung der Temperatur und der Konzentra- 8 2
tionen in der Flammenfront kann angenommen wer-
6
den, dass die acht Komponenten H, H2, O, O2, OH, O2
CO, CO2 und H2O in der Flammenfront wegen der 4 1
dort herrschenden hohen Temperatur im partiellen OH
Gleichgewicht sind. Dieses sogenannte OHC-System 2 H2
wird damit durch die fünf Reaktionsgleichungen O H
0 0
H2 2H (14.2) 1500 2000 2500 3000
Temperatur [K]
O2 2O (14.3)
1 Bild 14-7 Partielles Gleichgewicht der OHC-Kom-
H2O H 2  OH (14.4) ponenten in Abhängigkeit der Temperatur für den
2
Gesamtdruck 1 bar
1
H2O O2  H 2 (14.5)
2 Summe der Partialdrücke aller Komponenten gleich
1 dem Gesamtdruck sein muss, erhält man schließlich
CO2 CO  O2 (14.6) ein nicht lineares Gleichungssystem, das mit bekann-
2
ten numerischen Integrationsverfahren, zum Beispiel
beschrieben, wobei für die fünf Gleichgewichtskon- dem Newton-Kantorowitsch-Verfahren, eindeutig
stanten gilt: lösbar ist. In Bild 14-7 ist beispielhaft die Konzentra-
K1 [H]2 [H 2 ]1 (14.7) tionsverteilung der OHC-Komponenten in Abhängig-
keit der Temperatur für den Gesamtdruck 1 bar dar-
2 1
K2 [O] [O2 ] (14.8) gestellt.
1
Wird für eine nachgeschaltete Berechnung der ther-
K3 [H 2 ] [OH] [H 2 O]1
2
(14.9) mischen Stickoxid-Bildung lediglich die Sauerstoff-
atom-Konzentration benötigt, so kann diese auch
1
näherungsweise mit der Beziehung
K4 [O 2 ] 2 [H 2 ] [H 2 O]1 (14.10)
1
[O] 130[O2 ] 2 exp §¨ 
1 29468 ·
© ¸ (14.12)
T ¹
2 1
K5 [CO] [O 2 ] [CO 2 ] (14.11)
Zusammen mit den Atombilanzen für die Atome O, berechnet werden. Für weitere Details wird auf [2]
H und C (besser CO) und der Bedingung, dass die verwiesen.
642 14 Verbrennung

14.3 Selbstzündung o HO2< + H<


H 2 + O2 m (14.17)
Zündung ist der Übergang eines nichtreaktiven Kraft- o H2O + H<
H 2 + OH m (14.18)
stoff-Luft-Gemisches in eine Verbrennung. Zündvor-
o O< + OH <
H < + O2 m (14.19)
gänge können in die Kategorien thermale Explosion
und Kettenexplosion unterteilt werden. Nach Seme- < o H< + OH <
O + H2 m (14.20)
nov’s Analyse [3] findet eine thermale Explosion
statt, wenn die chemische Wärmeproduktion die Wär- H o 0,5 H 2
<
(14.21)
meverluste an den Brennraumwänden übersteigt. Bei < o HO + M
H + O2 + M m
<
(14.22)
dieser Form der Zündung liegt ein direkter Tempera- 2

turanstieg ohne Verzögerung vor. Bei Kettenexplosi- Reaktion (14.21) stellt dabei einen Wandabbruch dar,
onen wird dagegen üblicherweise eine Zündverzugs- die trimolekulare Reaktion (14.22) ist zwar formell
zeit mit konstanter Temperatur durchlaufen. In dieser eine Fortpflanzungsreaktion, sie kann jedoch als
Zeit werden erste, als Kettenträger dienende Radikale Kettenabbruch angesehen werden, da das entstehende
gebildet. Erst wenn eine gewisse Menge dieser Radi- ˜
HO2 -Radikal relativ inert ist.
kale im System vorliegen, findet eine ausreichende Der Einfluss der unterschiedlichen Reaktionen auf die
Wärmefreisetzung für eine Temperaturerhöhung und Zündung kann anhand eines Explosionsdiagramms
eine nachfolgende Explosion statt. Die Reaktionen ei- erklärt werden, Bild 14-8. Bei konstanter Temperatur
ner Kettenexplosion werden in Start-, Fortpflanzungs-, und sehr niedrigen Drücken findet keine Zündung
Verzweigungs- und Abbruchsreaktionen unterteilt. statt, da gebildete Radikale durch die schnelle Diffu-
Wichtige Radikale sind beispielsweise die Atome O
˜ sion zu den Brennraumwänden diffundieren und in
˜ ˜
und H sowie das Hydroxylradikal (OH ), das Hydro- Reaktion (14.21) rekombinieren. Bei Erhöhung des
˜ ˜
peroxyradikal (HO2 ) und das Methylradikal (CH3 ). Druckes wird die Diffusion langsamer, sodass die
Startreaktionen bilden Radikale aus stabilen Spezies, Kettenverzweigung (14.19) überwiegt und eine erste
wie zum Beispiel in der Reaktion zwischen Methan Explosionsgrenze erreicht wird. Bei weiterer Erhö-
und molekularem Sauerstoff: hung des Drucks wird die zweite Reaktionsgrenze er-
reicht. In diesem Bereich gewinnt die stark druckab-
CH 4 + O 2 o CH x3 + HOx2 (14.13)
hängige Reaktion (14.22) an Bedeutung und das H2 –
Fortpflanzungsreaktionen erhalten die Anzahl radika- O2 Gemisch ist erneut stabil. An der dritten Explo-
ler Spezies: sionsgrenze wird eine weitere Kettenverzweigung
˜
über die vorher inerten HO2 -Radikale wichtig, zu-
CH 4 + OH < o CH3< + H 2 O (14.14) sammen mit einer durch den höheren Druck steigen-
In Verzweigungsreaktion werden mehr Radikale den Wärmefreisetzung pro Volumeneinheit kommt es
gebildet als verbraucht: wieder zur Zündung.
CH 4 + O< o CH3< + OH < (14.15)
In Abbruchreaktionen wird die Anzahl radikaler
Spezies verringert, zum Beispiel bei der Rekombina-
tionsreaktion von Methylradikalen:
3. Explosion
Ex
CH3< + CH3< o C2 H6 (14.16) plo
sio
Kettenabbrüche können auch durch Kollision von ns
gr
en
Radikalen mit den Brennraumwänden erfolgen, ein ze
Druck p

Mechanismus der insbesondere bei niedrigen Drü-


cken von Bedeutung ist.
langsame Reaktion
14.3.1 Das H2 - O2-System
Das H2 - O2-System besitzt einen verhältnismäßig ein- ze
gren
fachen Zündmechanismus und ist sowohl bei der los ions
Untersuchung der Wasserstoffverbrennung als auch 2. Exp
als Untermenge in Reaktionsmechanismen komplexe-
rer Kraftstoffe von Bedeutung. Trotz der einfachen Explosion
1. Explo
Beschaffenheit des Kraftstoffs werden bei der Was- sionsgre
nze
serstoffverbrennung bereits circa 25 Reaktionen zwi-
schen acht unterschiedlichen Spezies, H2, O2, OH ,
˜
Temperatur T
˜ ˜ ˜
H2O, H , O , HO2 und H2O2, betrachtet. Die wichtigs-
ten Reaktionen in Bezug auf die Zündung sind [1]: Bild 14-8 H2 - O2-Explosions-Diagramm
14.3 Selbstzündung 643

14.3.2 Zündung von Kohlenwasserstoffen


Die Zündung von Kohlenwasserstoffen kann wie die
Wasserstoffzündung als Kettenprozess angesehen
werden. Kohlenwasserstoffe besitzen jedoch deutlich
komplexere Zündmechanismen mit wesentlich mehr
beteiligten Spezies und Reaktionen. Wie bei der
Wasserstoffverbrennung liegen bei Kohlenwasser-
stoffen drei Explosionsgrenzen im Explosionsdia-
gramm vor.
Bei hohen Temperaturen und Drücken oberhalb circa
1.100 K ist bei Kohlenwasserstoffen die Reaktion
(14.19) die dominierende Kettenverzweigung. In
diesem Bereich läuft die Oxidation des Kraftstoffs
nach dem in Abschnitt 14.2 diskutierten Schema ab.
In motorischen Anwendungen liegt die Temperatur Bild 14-9 Schematische Darstellung des negativen
nach der Kompression üblicherweise unterhalb Temperaturkoeffizienten (NTC)
1.000 K. In diesem Bereich treten bei Kohlenwasser-
stoffen, insbesondere bei Alkanen, zusätzliche, kom- Durch weitere Reaktionen mit einer erneuten Sauer-
plexere Zündmechanismen auf. Die Verzweigungsre- stoffaddition und einer internen Wasserstoffabstrakti-
aktion (14.19) ist stark temperaturabhängig und ver- on entstehen drei Radikale, darunter zwei OH -
˜
liert bei T < 1.100 K schnell an Bedeutung. Radikale, sodass insgesamt eine starke Kettenver-
Die Zündung im niederen und mittleren Temperatur- zweigung vorliegt, die zu einer ersten bedeutenden
bereich ist durch das Auftreten der sogenannten Wärmefreisetzung führt.
Zweistufen-Zündung charakterisiert. Hierbei steigt Die Niedertemperaturoxidation hält solange an, bis
die Wärmefreisetzung zunächst durch eine erste sich das Gleichgewicht von Reaktion (14.25) bei
Zündphase an und geht dann oberhalb von ungefähr einer Temperatur von circa 900 K verschiebt. Durch
900 K wieder zurück. Nach Überschreiten von etwa diese Verschiebung wird die Kettenverzweigung über
1.000 K schließt sich eine zweite Zündphase an, die die Isomerisierungsreaktion (14.26) unterbrochen,
zur vollständigen Oxidation des Kraftstoffs führt. Die stattdessen werden in diesem mittleren Temperatur-
exakten Temperaturen sind dabei stark vom Druck ˜
bereich verstärkt Alkene und HO2 - Radikale gebildet.
abhängig. ˜
Die HO2 -Radikale reagieren weiter zu Wasserstoffpe-
Die Zweistufen-Zündung erklärt das Auftreten des in roxid, H2O2, das zunächst relativ inert ist.
Bild 14-9 schematisch dargestellten negativen Tem-
peraturkoeffizienten (NTC), der die Tatsache be- o Alken + HO<2
R < + O2 m (14.27)
schreibt, dass die Zündverzugszeit mit steigender
o H 2 O2 + O2
HO<2 + HO<2 m (14.28)
Ausgangstemperatur innerhalb des NTC-Regimes
größer wird. Im Folgenden steigt die Temperatur langsam an, bis
Im Niedertemperaturbereich bei T < 900 K liegt ein schließlich oberhalb von circa 1.000 K Wasserstoff-
komplexer Kettenverzweigungsmechanismus vor [4]. peroxid extrem schnell zersetzt wird und die zweite
In einem ersten Schritt wird ein Wasserstoffatom Zündphase einleitet:
vom Kraftstoffmolekül RH abgespalten. An das ge-
˜
bildete Alkylradikal R findet dann eine O2 Addition H 2 O2 + M o 2 OH < + M (14.29)
statt:
Dieser Prozess wird als degenerierte Kettenverzwei-
o R < + H2O
RH + OH m<
(14.23) gung bezeichnet und ist die Ursache für den negati-
ven Temperaturkoeffizienten. Nach Verschiebung des
o R + HO
RH + O2 m < <
2 (14.24) Gleichgewichts von Reaktion (14.25) werden nicht
mehr genug Radikale gebildet um den Zündprozess
o RO<2
R < + O2 m (14.25) fortzuführen. Erst mit der Zersetzung von Was-
˜
serstoffperoxid werden große Mengen OH -Radikale
Die Gleichgewichtskonstante von Reaktion (14.25)
ist stark temperaturabhängig. Bei niedrigen Tempera- produziert, die die Zündung beschleunigen und zu
turen liegt das Gleichgewicht auf der rechten Seite, einer zweiten Wärmefreisetzung führen, die einen
bei steigender Temperatur verschiebt sich das Gleich- Hochtemperaturmechanismus einleitet.
˜
gewicht nach links. Die entstehenden RO2 -Radikale Der negative Temperaturkoeffizient ist bei langketti-
durchlaufen eine interne Wasserstoffabstraktion: gen Alkanen am stärksten ausgeprägt. Demgegenüber
zeigen Alkene und Aromate nur ein schwaches be-
<
o QOOH <
RO2 m (14.26) ziehungsweise kein NTC-Verhalten [5].
644 14 Verbrennung

Der vorgestellte Reaktionsablauf ist der maßgebliche an, bis der mittlere Temperaturbereich mit den Reak-
Mechanismus für die Selbstzündung in Diesel- und tionen (14.27) und (14.28) erreicht wird. Nach einer
HCCI-Motoren, schnellen Kompressionsmaschinen zweiten, längeren Zündverzugszeit beginnt die zweite
sowie für die zum Motorklopfen führende Selbstzün- Zündstufe mit der nachfolgenden Verbrennung.
dung im Ottomotor.
14.3.4 Dieselmotor
14.3.3 Schnelle Kompressionsmaschine
Die dieselmotorische Verbrennung besteht aus einer
Die Zwei-Stufen-Zündung ist in Versuchen mit einer Vielzahl von Teilprozessen, unter anderem: Einsprit-
schnellen Kompressionsmaschine sehr gut erkennbar. zung, Tropfenzerfall, Tropfenverdampfung, Selbst-
Bei einer Kompressionsmaschine wird ein homoge- zündung, Verbrennung und Schadstoffbildung. Die
nes Kraftstoff-Luft Gemisch durch einen einzelnen einzelnen Teilprozesse laufen weitgehend simultan ab
Kompressionshub verdichtet und der Kolben am und stehen in Wechselwirkung miteinander. Die
oberen Totpunkt festgehalten. Bild 14-10 stellt den ersten Zündprozesse erfolgen in Dieselmotoren bei
Druckverlauf in einem solchen Apparat über der Ver- einem lokalen fetten Luftverhältnis mit O < 0,8. Da
suchszeit dar. Nach Ende der Kompression bei circa die Einspritzung bei Dieselmotoren mit Direktein-
9,3 ms liegt eine erste Zündverzugszeit vor. In der spritzung in der Nähe des oberen Totpunktes erfolgt,
ersten Zündstufe steigen Druck und Temperatur stark sind die Zündverzugszeiten relativ kurz.

14.3.5 HCCI-Motor
10
Beim HCCI-Prozess (Homogenous Charge Compres-
8
2. Zündphase sion Ignition) wird ein mageres, homogenes Kraft-
stoff-Luft-Gemisch komprimiert. In der Nähe des
Druck [MPa]

6 1. Zündphase oberen Totpunktes zündet ein Großteil des Gemisches


4
homogen. Bild 14-11 zeigt einen typischen Druckver-
lauf einer HCCI Verbrennung (Kraftstoff: Diesel).
2 Deutlich zu erkennen sind die beiden abgesetzten
Zündstufen. Durch die frühe Mischung von Kraftstoff
0 und Luft liegen in diesem Prozess sehr lange Zünd-
0.000 0.010 0.020 0.030 verzugszeiten vor. Da die Wärmefreisetzung darüber
Zeit [s] hinaus überwiegend während der Zündung erfolgt ist
die HCCI-Verbrennung zu einem großen Teil durch
Bild 14-10 Druckverlauf in einer schnellen Kompres- die oben beschriebenen kinetischen Vorgänge do-
sionsmaschine miniert.

80

70 2. Zündphase

60 gefeuert

1. Zündphase
Zylinderdruck [bar]

50

40

30

20
geschleppt
10

0
-40 -20 0 20 40

Kurbelwinkel [° KW] Bild 14-11 Druckverlauf bei


einer HCCI-Verbrennung
14.3 Selbstzündung 645

70

60
Zündzeitpunkt
50
Druck [bar]

40

30

20

10
Klopfbeginn
0
330 345 ZOT 375 390 405 420
Kurbelwinkel [°KW] Bild 14-12 Druckverlauf bei
klopfender Verbrennung

14.3.6 Motorklopfen einfachen Anwendungen verwendbar sind. Dies ist


insbesondere bei der Betrachtung von realen, aus
Motorklopfen ist ein ungewünschtes Phänomen in einer Vielzahl von unterschiedlichen Kohlenwasser-
Ottomotoren. Nach Einleitung der Verbrennung stoffen bestehenden Kraftstoffen der Fall. Aus diesem
durch die Zündfunken wird das unverbrannte Ge- Grund wurde eine Vielzahl von vereinfachten Model-
misch durch die Flammenfront weiter komprimiert len zur Beschreibung der Selbstzündung entwickelt.
und dadurch zusätzlich aufgeheizt. Sind Temperatur
und Druck dabei hoch genug und steht ausreichend
Zeit zur Verfügung, setzt eine Selbstzündung nach Brennstoff Spezies Reaktionen
dem in den Reaktionen (14.23) b i s (14.29) beschrie- H2 8   25
benen Mechanismus ein. Diese dann fast isochor ab- CH4 30  200
laufende Restgasverbrennung führt zu steilen Druck-
C3H8 100  400
gradienten, die sich in Form von Druckwellen im
Brennraum ausbreiten und das bekannte klopfende C6H14 450 1.500
oder klingelnde Geräusch hervorrufen. In Bild 14-12 C16H34 1.200 7.000
ist qualitativ der Druckverlauf einer klopfenden Ver-
brennung skizziert, wobei der Klopfbeginn einge- Bild 14-13 Typische Größen vollständiger Reaktions-
zeichnet ist. Durch die beim Klopfen auftretenden mechanismen
Druckwellen kann es zu mechanischen Materialschä-
den und durch die erhöhte thermische Belastung auch 14.3.7.1 Einschritt-Mechanismus
zu Anschmelzungen am Kolben und am Zylinder Die einfachste Modellierung der Selbstzündung stellt
kommen. die Verwendung einer globalen Einschrittreaktion
Für eine detaillierte Beschreibung der klopfenden dar, wobei die Reaktionsrate über eine Arrhenius-
Verbrennung sei auf Kapitel 15.2 verwiesen. Gleichung beschrieben wird. Oft wird direkt die
Zündverzugszeit aus den Größen Druck, Temperatur
14.3.7 Modellierung der Selbstzündung und Luftverhältnis berechnet:
O E ·
exp §¨
Wie in den vorangegangenen Abschnitten erläutert,
© RT ¸¹
tZV A
sind die kinetischen Vorgänge bei der Selbstzündung p2
in Verbrennungsmotoren sehr komplex. Bild 14-13 (14.30)
stellt typische Größen einiger Reaktionsmechanismen Hierbei sind Nachkalibrierungen der Modellkonstan-
von Kohlenwasserstoffen dar. Diese Mechanismen ten A und E notwendig, wenn sich zum Beispiel der
enthalten alle bekannten Prozesse und werden daher Temperaturbereich, in dem es zur Selbstzündung
auch als vollständige Mechanismen bezeichnet. Es ist kommt, deutlich ändert. Das einfache Einschrittmo-
zu erkennen, dass die Komplexität der Mechanismen dell kann je nach Aufgabenstellung in der Praxis oft
stark mit der Komplexität des Kraftstoffs zunimmt, so mit gutem Erfolg eingesetzt werden, der auf komple-
werden für Cetan circa 1.200 Spezies verwendet. Es xen kinetischen Vorgängen beruhende NTC-Bereich
ist offenkundig, dass derart komplexe Modelle nur in kann jedoch nicht reproduziert werden.
646 14 Verbrennung

14.3.7.2 Shell-Modell
Um eine realistischere Darstellung der Zündung zu
erreichen, wurden eine Reihe von semi-empirischen vi
Mehrschrittmodellen entwickelt. Das wahrscheinlich
am weitesten verbreitete Modell dieser Art ist das vi = vi' + vi
Shell-Modell [6], das ursprünglich zur Vorher sage
von Klopfen in Ottomotoren entwickelt und später für vi'
die Modellierung der Dieselzündung erweitert wur-
de [7]. Das Modell umfasst acht Reaktionen zwischen vi
fünf generischen Spezies und ist in der Lage den
negativen Temperaturkoeffizienten darzustellen. Da-
rüber hinaus werden Zündverzugszeiten unter ver-
schiedenen Bedingungen gut vorhergesagt.
Während das Shell-Modell bei der dieselmotorischen
Verbrennung und bei Motorklopfen in Ottomotoren
gute Ergebnisse zeigt, sind bei der Berechnung von t
HCCI-Prozessen aufgrund der langen Zündverzugs-
zeiten in der Regel detailliertere Mechanismen not- Bild 14-14 Reynolds’sche Mittelwertbildung einer
wendig. Beispiele unterschiedlich komplexer Mecha- im Mittel stationärer, turbulenten Strömung
nismen sind in [8] und [9] zu finden.
In dieser Größenordnung ist die molekulare Viskosi-
14.4 Flammenausbreitung tät von Bedeutung und es findet eine Dissipation von
14.4.1 Turbulente Skalen turbulenter kinetischer Energie in innere Energie des
Fluids statt. Mit der integralen Länge und der Turbu-
Die Strömung in einem Verbrennungsmotor ist in der
lenzintensität kann eine turbulente Reynoldszahl
Regel turbulent und beeinflusst maßgeblich den Ver-
definiert werden:
brennungsprozess. Um unterschiedliche Flammen-
typen zu klassifizieren, ist es zunächst sinnvoll, urmslI
Ret { (14.32)
einige typische Kennzahlen und Skalen für Strömun- Q
gen zu definieren. Eine ausführliche Einleitung in die
Strömungslehre und Turbulenz findet sich beispiels- Aus den Längenskalen können Zeitskalen abgeleitet
weise in [10] und [11]. werden. Die integrale Zeit und die Kolmogorov-Zeit
Turbulente Strömungungen entstehen, wenn Instabili- beschreiben die Umdrehungszeit der entsprechenden
täten in der Strömung nicht ausreichend durch Visko- Wirbel und sind definiert als
sität gedämpft werden. Gekennzeichnet ist Turbulenz lI
durch chaotisch variierende Strömungsgrößen und Wl   und (14.33)
dreidimensionale Wirbelstrukturen. Eine detaillierte urms
Beschreibung aller einzelnen Wirbel ist für techni- lK
sche Aufgabenstellungen selbst mit moderne Großre- WK (14.34)
chenanlagen nicht durchführbar, stattdessen ist eine uK
statistische Beschreibung des turbulenten Strömungs- Bild 14-15 gibt typische turbulente Kenngrößen für
feldes üblich. Dabei spaltet man entsprechend dem das Strömungsfeld in einem Ottomotor an.
Reynoldsschen Ansatz die Momentanwerte u, v, w
der turbulenten Geschwindigkeitskomponenten in die
Mittelwerte u , v , w und die Schwankungswerte uc, vc, Parameter Größe
wc auf. Diese Zerlegung wird anschaulich in Bild 14-
14 für die an einem festen Ort gemessene Geschwin- Turbulenzintensität urms 2 m/s
digkeit vi erläutert. Ein Maß für die Turbulenzinten- Turbulente Reynoldzahl Ret 300
sität stellt der „Root-Mean-Square“-Wert der
Schwankungsgröße dar: Integrales Längenmaß 2 mm
urms u c(t ) 2 (14.31) Kolmogorovlänge 0,03 mm
Bei der Betrachtung von turbulenten Strömungen sind Integrales Zeitmaß 1 ms
insbesondere zwei Längenskalen von Bedeutung. Die
integrale Längenskala lI repräsentiert die mittlere Kolmogorov-Zeit 0,06 ms
Ausdehnung der größten im Strömungsfeld vorkom-
menden Wirbel. Die Kolmogorovlänge lK ist mit den Bild 14-15 Typische turbulente Kenngrößen in ei-
kleinsten vorhandenen Wirbeln verbunden. nem Ottomotor, O n = 1.500 min–1 [12]
14.4 Flammenausbreitung 647

14.4.2 Flammentypen
Verbrennungsprozesse können eingeteilt werden in Da < 1
Prozesse bei denen die Wärmefreisetzung in einer 106
Flamme erfolgt und in flammenlose. Flammen kön- u'
nen in vorgemischte und nicht-vorgemischte Flam- sl Da = 1
men unterteilt werden. Bei vorgemischten Flammen 104
Da > 1
sind Kraftstoff und Oxidationsmittel vor Beginn der
Verbrennung homogen durchmischt, bei nicht-vorge- Ka > 1
mischten Flammen laufen Mischungs- und Verbren- 5
2 Ka = 1
nungsvorgänge gleichzeitig ab. Ein weiteres wichti- 10 Kai = 1
ges Unterscheidungsmerkmal bei der Betrachtung 4
von Verbrennungsbereichen erfolgt nach der Art der Ret = 1 Ka < 1
3
vorliegenden Strömung in laminare und turbulente 1 1
Flammen. Turbulenz beschleunigt die Kraftstoffum- Ret < 1 2
setzung sowohl bei der vorgemischten Verbrennung lI
durch Vergrößerung der Reaktionszone, als auch bei 1 102 104 106 l

der nicht-vorgemischten Verbrennung durch Verbes-


serung der Mischung. Bild 14-17 Darstellung der vorgemischten Verbren-
Bild 14-16 stellt vereinfacht motorische Anwendun- nung im Borghi-Diagramm
gen dar, in denen die genannten Verbrennungsprozes-
se auftreten. In Brennkammern von Verbrennungs-
motoren liegen in der Regel hohe Turbulenzintensitä- Die eigentliche Reaktionszone, in der der Großteil der
ten vor, sodass besonders die turbulenten Flammen schnellen Radikalkettenreaktion stattfindet, ist sehr
Bedeutung haben. Ein Beispiel für eine turbulente dünn. In der Nach-Oxidationszone dominieren lang-
Vormischflamme stellt der Ottomotor mit Saug- samere Reaktionen, zum Beispiel die Oxidation von
rohreinspritzung dar. Die Wärmefreisetzung in einem CO zu CO2. Zur Charakterisierung einer laminaren
direkteinspritzenden Ottomotor liegt zwischen den Flamme wird üblicherweise die laminare Brennge-
beiden Extremen vorgemischte und nicht-vorge- schwindigkeit sL, eine mithilfe der Brenngeschwin-
mischte Verbrennung und wird daher als partiell digkeit definierte theoretische Flammendicke GL
vorgemischte Verbrennung bezeichnet. Eine flam- sowie die Dicke der inneren Reaktionszone Gi ver-
menlose Verbrennung liegt in einem idealen HCCI- wendet. Die charakteristische Zeitskala der laminaren
Prozess vor. Flamme kann dann als
GL
WF (14.35)
Turbulente sL
Vormischflamme
definiert werden.
Ottomotor Turbulente vorgemischte Flammen nehmen je nach
Randbedingungen unterschiedliche Formen an. Eine
Einteilung in verschiedene Regime kann mithilfe
DE-Ottomotor klopfender des Borghi-Diagramms erfolgen [14, 15], siehe
(Schichtladung) Ottomotor
Bild 14-17. Unterschiedliche Bereiche werden in
diesem Diagramm mit Hilfe der drei dimensionslosen
Kennzahlen turbulente Reynolds-, Karlovitz- und
Gasbrenner HCCI - Motor
DI - Diesel Damköhlerzahl identifiziert.
Turbulente Homogene
Die Damköhlerzahl beschreibt das Verhältnis der
Diffusionsflamme Verbrennung
turbulenten, integralen Zeitskala, die als Maß für die
Mischungszeit verwendet werden kann und der Zeit-
Bild 14-16 Flammentypen in motorischen Anwen-
skala der laminaren Flamme
dungen [13]
Wl
Da (14.36)
14.4.2.1 Vorgemischte Flammen WF
Eine laminare Vormischflamme kann in die drei Ge-
Die Karlovitzzahl ist das Verhältnis der laminaren
biete Vorheizzone, Reaktionszone und Nach-Oxida-
Zeitskala und der Kolmogorov-Zeit
tionszone unterteilt werden [14]. In der Vorheizzone,
die den größten Teil der Flamme einnimmt, finden WF §GL ·
2

Wärmeleitung und Stoffdiffusion sowie erste Vorre- Ka


Wl ¨© l ¸¹ (14.37)
aktionen statt. K
648 14 Verbrennung

Regime 1 Regime 2 Regime 3 Regime 4a Regime 4b Regime 5


Ret < 1 Ret > 1, Ka < 1, Ret > 1, Ka < 1, Ret > 1, Ka > 1, Ret > 1, Ka > 1, Ret > 1, Ka > 1,
planare Da > 1, u'/sl < 1 Da > 1 Da > 1, Kai < 1 Da < 1
laminare gewellte laminare gefaltete Flamme verteilte dünne „Rührreaktor“
Flammenfront Flammenfront „Inselbildung“ Reaktionszone Reaktionszone

Bild 14-18 Schematische Darstellung verschiedener Flammentypen der vorgemischten Verbrennung

Bild 14-18 stellt die unterschiedlichen, im Borghi- Autor unter anderem darauf zurück, dass die in die
Diagramm auftauchenden Verbrennungsbereiche sche- Vorheizzone eindringenden Kolmogorovwirbel
matisch dar. Die Linie mit Re = 1 trennt den lamina- aufgrund der höheren Temperatur dissipiert werden.
ren Flammenbereich (Re < 1) in der linken unteren
Ecke von dem turbulenten Bereich (Re > 1) ab. In 14.4.2.2 Nicht-vorgemischte Flammen
Bereich 2 des turbulenten Gebietes ist die Turbulenz-
Nicht-vorgemischte Flammen, die beispielsweise in
intensität niedriger als die laminare Brenngeschwin-
Dieselmotoren mit Direkteinspritzung auftreten,
digkeit, sodass eine nur leicht gewellte Flamme
werden üblicherweise als Diffusionsflammen be-
vorliegt. Diese Flamme weist noch die Charakteristik
zeichnet. Diese Bezeichnung bringt zum Ausdruck,
von laminaren Flammen auf und die Brenngeschwin-
dass die Verbrennung durch Mischungsvorgänge und
digkeit wird in erster Linie von der laminaren Ge-
damit durch molekulare und turbulente Diffusion
schwindigkeit vorgegeben. Im englischen Sprachge-
dominiert wird. Es sollte jedoch beachtet werden,
brauch werden Flammen mit laminar-ähnlicher Cha-
dass Diffusionsprozesse auch in vorgemischten
rakteristik als Flamelets bezeichnet. Oberhalb des
Flammen von zentraler Bedeutung sind. Da bei Dif-
Bereichs der gewellten Flammen liegen stärker gefal-
fusionsflammen die Zeitskalen der Mischung im
tete Flammen vor und es kann vereinzelt zu Inselbil-
Allgemeinen deutlich größer sind als die Zeitskalen
dung kommen (Bereich 3). Die Flamme selbst ist
der Reaktion, wird häufig die Annahme einer unend-
lokal allerdings weiter laminar. An der Grenzlinie
lich schnellen Chemie getroffen. Allerdings liegen in
Ka = 1, die als Klimov-Williams Kriterium bezeich-
realen Prozessen immer auch lokale Bereiche vor in
net wird, besitzen die kleinsten Turbulenzstrukturen
denen diese Annahme nicht erfüllt ist. Die Geschwin-
die gleiche Größenordnung wie die laminare Flamme.
digkeit der chemischen Reaktionen ist insbesondere
Nach klassischen Vorstellungen treten kleine Wirbel
bei der Schadstoffentstehung von Bedeutung. So
in die Flamme ein, was einerseits zu lokalen Verdi-
findet der motorisch gewünschte Abbrand von Ruß
ckungen, andererseits aber auch zu lokal verzerrten
erst bei ausreichend hohen Temperaturen statt, die
Flammen und lokaler Verlöschung führen kann.
jedoch gleichzeitig zu einer verstärkten Bildung von
Dieses Regime wird daher auch als verteilter Reakti-
Stickoxiden führen.
onsbereich bezeichnet. Oberhalb der Linie Da = 1 in
Bereich 5 werden die Reaktionen im Vergleich zur
14.4.2.3 Partiell-vorgemischte Flammen
Turbulenz sehr langsam (Da  1), so dass eine
vollständige, turbulente Mischung der Reaktanten vor Zwischen den beiden Extremen der vollständigen
den Reaktionen angenommen werden kann. Mischung und der vollständigen Trennung von
Vor kurzem wurde das Borghi-Diagramm von Pe- Brennstoff und Luft vor der Reaktion liegt der Be-
ters [16] um eine zweite Karlovitzzahl Kai erweitert. reich der partiell-vorgemischten Flamme. Ein Bei-
Diese beschreibt das Verhältnis der Größe der inne- spiel für diese Verbrennungsart ist der Ottomotor mit
ren Reaktionszone der laminaren Flamme und der Direkteinspritzung mit Schichtladebetrieb. Aufgrund
Kolmogorov-Wirbel. In dem Bereich zwischen des mageren globalen Luftverhältnisses (O > 1) muss
Ka = 1 und Kai = 1 dringen die kleinen Wirbelstruk- im Brennraum eine Schichtung der eingespritzten
turen zwar in die Vorheizzone ein, die eigentliche Zylinderladung erfolgen, um zum Zündzeitpunkt ein
Reaktionszone bleibt jedoch unbeeinflusst. Daher zündfähiges Gemisch an der Zündkerze bereitzustel-
kann angenommen werden, dass in diesem Bereich len [2].
weiterhin ein laminar-ähnliches Verhalten vorliegt. Die charakteristische Flammenform einer partiell-
Neuere Untersuchungen von Dinkelacker [17] weisen vorgemischten Flamme ist schematisch in Bild 14-19
ebenfalls daraufhin, das eine Verdickung der Vor- dargestellt. Da die Brenngeschwindigkeit neben der
heizzone in diesem Bereich nur bei relativ großen Temperatur und dem Druck insbesondere von dem
turbulenten Reynoldszahlen auftritt. Dies führt der Luft-Kraftstoff-Verhältnis Oabhängig ist, breitet sich
14.5 Modellbildung und Simulation 649

Für die Erstellung mathematischer Modelle zur Simu-


vorgemischte lation zeitlich- und räumlich veränderlicher Strö-
y Flammenfront mungs-, Temperatur- und Konzentrationsfelder mit
λ=1 chemischen Reaktionen ist die Kenntnis der Grund-
lagen der Thermodynamik, der Fluiddynamik und der
λ>1 Verbrennungstechnik wesentliche Voraussetzung. Bei
magere der Simulation von Strömungsfeldern mit chemischen
Vormischflamme Reaktionen ist zu beachten, dass physikalische und
chemische Prozesse auf sehr unterschiedlichen Zeit-
Diffusions-
und Längenskalen ablaufen können. Die Beschrei-
flamme
bung dieser Prozessabläufe ist meist einfacher, wenn
die Zeitskalen sehr unterschiedlich sind, weil dann für
den physikalischen beziehungsweise chemischen Pro-
Tripelpunkt zess vereinfachende Annahmen getroffen werden
λ<1
können, und sie ist in der Regel sehr komplex, wenn
fette die Zeitskalen von gleicher Größenordnung sind.
Vormischflamme Die numerische Simulation ist in den letzten Jahren
x zu einem wesentlichen Werkzeug bei der Entwick-
Bild 14-19 Schematische Darstellung einer partiell lung von Motoren, Antriebsaggregaten und Fahrzeu-
vorgemischten Flamme [18] gen geworden. Im Hinblick auf die zunehmende
Komplexität bei weiterer Reduzierung der Entwick-
die Flamme entlang einer Linie mit O = 1 am schnells- lungszeiten von Motoren und Fahrzeugen wird ihre
ten aus. An der mageren Seite bildet sich eine magere Bedeutung in der Zukunft noch ganz erheblich zu-
Vormischflamme, an der fetten Seite entsteht eine fette nehmen.
Vormischflamme. Zwischen diesen Flammen findet
ein diffusiver Austausch zwischen unverbranntem 14.5.1 Klassifizierung von
Brennstoff der fetten Seite und überschüssigem Sauer- Verbrennungsmodellen
stoff der mageren Seite statt, so dass sich an dieser
Stelle eine Diffusionsflamme bildet. Das Auftreten von Verbrennungsmodelle werden üblicherweise in drei
drei unterschiedlichen Flammen führt zu dem Begriff unterschiedliche Kategorien eingeteilt, nämlich in:
Tripelflamme, der Punkt an dem die drei Flammen x Null-Dimensionale oder thermodynamische Mo-
aufeinandertreffen wird Tripelpunkt genannt. delle, bei denen sowohl die Wärmefreisetzung
durch die Verbrennung als auch die Wärmeüber-
14.5 Modellbildung und Simulation tragung zwischen der Zylinderladung und den
Voraussetzung für die numerische Simulation ist die brennraumabgrenzenden Wänden mittels halb-
Erstellung des den technischen Prozess beschreiben- empirischer Modelle, zum Beispiel Vibe-Ersatz-
den Modells. Unter Modellbildung versteht man eine brennverläufen beziehungsweise Woschnis Wär-
zielorientierte Vereinfachung der Realität durch Ab- meübergangsmodell beschrieben werden
straktion. Voraussetzung dafür ist, dass der reale Pro- x Phänomenologische Modelle, bei denen die Wär-
zess in einzelne Prozessabschnitte zerlegt und damit mefreisetzung durch die Verbrennung mittels
in Teilprobleme aufgespalten werden kann. An das physikalischer und chemischer Ansätze model-
resultierende Modell müssen eine Reihe von Forde- liert werden, und
rungen gestellt werden, siehe dazu [2]: x 3D-Computational-Fluid-Dynamics (CFD) Mo-
x Das Modell muss formal richtig, das heißt wider- delle, bei denen die Erhaltungsgleichungen für
spruchsfrei sein. Masse, Energie und Impuls mittels Turbulenz-
x Das Modell muss die Realität möglichst genau modellen und weiterer physikalischer und chemi-
beschreiben. Ein Modell ist aber immer nur eine scher Untermodelle gelöst werden.
Näherung und kann deshalb mit der Realität nie- Die wesentlichen Unterschiede dieser Modelle sind in
mals vollkommen übereinstimmen. Bild 14-20 dargestellt.
x Der für die numerische Lösung erforderliche Nulldimensionale Modelle bilden die Grundlage für
Aufwand muss im Rahmen der Aufgabenstellung die Gesamtprozessanalyse, das heißt die Simulation
vertretbar sein. des stationären und transienten Verhaltens von Moto-
x Das Modell soll so einfach wie möglich und so ren, Antriebsaggregaten und kompletten Fahrzeugen.
komplex wie nötig sein. Phänomenologische Modelle werden für die Simula-
Erst mithilfe von Modellvorstellungen sind wir in der tion der Vorgänge im Brennraum, das heißt die Ge-
Lage, physikalische und chemische Prozessabläufe mischbildung, Zündung, Verbrennung und Schad-
wirklich zu verstehen. stoffbildung eingesetzt. 3D-CFD-Modelle eignen sich
650 14 Verbrennung

Thermodynamisch Phänomenologisch CFD


(0-dimensional) (Quasi-dimensional) (Multi-dimensional)

· empirischer · quasi-dimensionale · turb. Strömungsfeld


Brennverlauf Ortsauflösung (Navier-Stokes-Gl.)
· keine Schadstoffbildung · physikalische und · detaillierte physik. und
chemische chem. Untermodelle
Untermodelle
· keine turb. Strömung

dU
dm p, T,

Bild 14-20 Klassifizierung


· partielle DGL's (t,x,y,z) von Verbrennungsmodellen
· gewöhnliche DGL’s (t) · gewöhnliche DGL's (t) · Rechenzeit: Std.-Tage
[19]

insbesondere wegen der benötigten langen Rechen- Ausgehend von „Dreiecksbrennverläufen“ hat [20]
zeiten nur für spezielle und sehr detaillierte Aufga- anhand von reaktionskinetischen Überlegungen die
benstellungen. Beziehung

1  exp a ˜ y m1
14.5.2 Nulldimensionale Modelle EB
(14.38)
EB, ges
14.5.2.1 Ersatzbrennverläufe
mit
Der Brennverlauf beschreibt den zeitlichen Verlauf
der Wärmefreisetzung durch die Verbrennung. Das EB, ges mB ˜ HU (14.39)
Integral des Brennverlaufs bezeichnet man als Sum- für die maximal freisetzbare Wärmemenge und
menbrennverlauf beziehungsweise als Durchbrenn-
funktion. Zur Modellierung der Verbrennung bedient y M  M BB ˜ 'M BD (14.40)
man sich unterschiedlicher Ansätze beziehungsweise für den dimensionslosen Kurbelwinkel mit der
mathematischer Modellierungen, die alle das Ziel Brenndauer
haben, die reale Wärmefreisetzung durch die Ver-
brennung mittels sogenannter Ersatzbrennverläufe 'M BD M BE  M BB (14.41)
möglichst genau zu beschreiben. Die bekanntesten aufgestellt, mit M BE = Brennende und M BB = Brenn-
sind Einfach- und Doppel-Vibe-Funktion, Polygon- beginn. In Bild 14-21 ist der Brennverlauf
Hyperbel-Funktion und neuronale Netze. Im Folgen-
den sei der einfache Vibe-Ersatzbrennverlauf kurz dE B
f (M , m ) (14.42)
erläutert, für weitere Informationen sei auf [2] und dM
[19] verwiesen.

Bild 14-21 Brennverlauf und


Durchbrennfunktion nach
Vibe [20]
14.5 Modellbildung und Simulation 651

ª 7800 · § 0,135 4,8 · º


6 ˜ n ˜ 10 3 ˜ « 0,5  exp §¨
in Abhängigkeit des dimensionslosen Kurbelwinkels
'M ZV ˜  1,8 ¸ »
für verschiedene Formparameter m aufgetragen. Für ¬ © 2 ˜ T ¸¹ ¨© p0,7 p ¹¼
den Summenbrennverlauf beziehungsweise die
(14.49)
Durchbrennfunktion ergibts sich:
n
M BB M FB  'M EV ,0  'M ZV (14.50)
EB ³ f (M , m) ˜ dM F (M , m) (14.43) n0
Am Ende der Brenndauer, das heißt bei M M BE be- mit dem Förderbeginn M FB und dem Einspritzver-
ziehungsweise bei y = 1 sollen PU , ges-Prozent der ins- zug 'M EV ,0 . Für weitere Details sei auf [2] verwiesen.
gesamt mit dem Brennstoff zugeführten Energie frei-
gesetzt sein. Damit folgt die Beziehung 14.5.2.2 Wärmeübergangsmodelle
EB
KU , ges 1  exp (  a) (14.44) Die Wärmeübertragung vom heißen Rauchgas im
EB, ges Brennraum erfolgt durch konvektive Wärmeübertra-
gung und durch Temperaturstrahlung glühender
und daraus die Zahlenwerte: Rußpartikel. Durch die Bildung von Rußschichten bei
Ku, ges 0,999 0,990 0,980 0,950 Schwachlast und deren Abbrand bei Volllast wird die
Beschreibung des Wärmetransports zusätzlich er-
a 6,908 4,605 3,912 2,995 schwert. Ein Überblick findet sich in [2]. Das im
Folgenden dargestellte Wärmeübergangsmodell geht
Für den Umsetzungsgrad haben [21] die empirische auf Woschni [22] zurück und ist heute immer noch
Beziehung Stand der Technik.
­1 O ! ORB Aus einer Dimensionsanalyse folgt für den dimensi-
° onslosen Wärmeübergangskoeffizienten, die Nußelt-
KU , ges ® a ˜ O ˜ exp (c ˜ O )  b 1 d O d ORB (14.45)
°0,95 ˜ O  d Zahl, für eine stationäre und vollturbulente Rohr-
¯ O d1 strömung
angegeben, mit Nu C Re 0,8 Pr 0,4 (14.51)
c 1/ ORB , mit der Nußelt-Zahl
d 0,0375  (ORB  1,17) /15 ,
(14.46) DD
a (0,05  d ) / > ORB ˜ exp ( 1)  exp (c)@ , Nu
O
, (14.52)
b a ˜ exp (c)  0,95  d , der Reynolds-Zahl
wobei ORB das Luft-Kraftstoff-Verhältnis ist, bei dem U wD
eine Abgasschwärzung mit der Rußziffer nach Bosch Re (14.53)
K
RB = 3,5 erreicht wird. Als Gültigkeitsbereich wird
das Intervall 1,17 < ORB 2,05 angegeben. und der Prandtl-Zahl
Der Vibe-Ersatzbrennverlauf wird durch die drei v
Vibe-Parameter: Brennbeginn M BB , Brenndauer 'M BD Pr (14.54)
a
und Formparameter m festgelegt. Für einen be-
stimmten Betriebspunkt können damit lediglich drei Betrachtet man das Gemisch im Brennraum als idea-
Kenngrößen angepasst werden. Die Anpassung er- les Gas mit der thermischen Zustandsgleichung
folgt dabei so, dass der Brennbeginn M BB , der Zünd- p
druck pz und der Mitteldruck pm,i mit denen des U (14.55)
RT
realen Motorprozesses übereinstimmen.
Die Umrechnung der Vibe-Parameter auf beliebige und nimmt des Weiteren für die Temperaturabhängig-
Betriebspunkte erfolgt mithilfe halbempirischer keit die Korrelation
Funktionen und in Abhängigkeit der Haupteinfluss-
O K
x y
§T· §T·
größen: Luft-Kraftstoff-Verhältnis O , Drehzahl n, Pr 0,74; ¨© T ¸¹ ; ¨© T ¸¹ (14.56)
Leistung, Zündverzug 'M ZV und Brennbeginn M BB O0 0 K0 0

entsprechend: an, dann erhält man schließlich


'M BD § O0 · § n · C D 0,2 p 0,8 cm0,8T  r
0,5

˜ K U0,6, ges D (14.57)


¨© ¸¹ ˜ ¨ ¸ (14.47)
'M BD,0 O © n0 ¹
mit r 0,8(1  y)  x und der Annahme, dass die
charakteristische Geschwindigkeit w im Motor gleich
§ 'M ZV ,0 ·
0,5 0,3
m pT0 § n0 ·
˜ der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm ist. Durch
¨© 'M ¸¹ p0T ¨© n ¸¹
(14.48)
m0 ZV Vergleich mit Messwerten wird der Exponent für die
652 14 Verbrennung

Temperaturabhängigkeit zu r = 0,53 und die Kon- vorgeschlagen und empfohlen, den jeweils größten
stante C 127,93 bestimmt. Für gefeuerte Motoren Zahlenwert zu verwenden. Für Dieselmotoren mit
muss eine Modifikation der charakteristischen Ge- Direkteinspritzung muss die Konstante C2 bei höhe-
schwindigkeit entsprechend ren Wandtemperaturen entsprechend
Vh ˜T1 ­ 3,24 ˜ 10 3 m/(s ˜ K) Tw  550 K
w C1 ˜ cm  C2 p  p0 (14.58)
°
p1 ˜V1 C2 ®5,0 ˜ 10 3 m/(s ˜ K)  2,3 ˜ 10 3
eingeführt werden, weil die Verbrennung die Turbu- ° TW ! 550 K
¯(Tw  550 K) m/(s ˜ K )
2

lenz und damit den Wärmeübergang drastisch erhöht.


Der zweite Term in Gleichung (14.58) ist das soge- (14.62)
nannte „Verbrennungsglied“, mit dem Druckverlauf korrigiert werden. Für weitere Details sei auf die an-
p(M ) im gefeuerten und p0 (M ) im geschleppten Be- gegebene Literatur verwiesen.
trieb. V1 , p1 und T1 sind die Werte bei „Einlass Der Energietransport durch Wärmeleitung in Fest-
schließt“. Für die Konstanten C1 und C2 erhält man körpern wird durch die Fouriersche Differenzialglei-
durch Anpassung an Messwerte chung

­ 6,18  0, 417 ˜ cu /cm: Ladungswechsel wT = a w 2T (14.63)


C1 ® wt wx
2
¯ 2,28  0,308 ˜ cu /cm: Verdichtung /Expansion
(14.59) mit der Temperaturleitfähigkeit
­ 6,22 ˜ 10  3 m/(s ˜ K): Vorkammer-Motor
C2 ® , a= O (14.64)
3
¯ 3,24 ˜ 10 m/(s ˜ K): DI-Motor U cp
(14.60) beschrieben.
wobei für den Einlassdrall cu /cm der Gültigkeitsbe- Bild 14-22 zeigt den Verlauf von Gastemperatur,
reich 0  cu /cm  3 angegeben wird. Die mit dem Wärmestromdichte und Wärmeübergangskoeffizient
„Verbrennungsglied“ korrigierte Geschwindigkeit lie- für einen Ottomotor bei Volllast. Infolge der zeitli-
fert für geschleppte Motoren und im unteren Lastbe- chen Schwankungen der Gastemperatur im Brenn-
reich zu geringe Werte. Deshalb wurde für die cha- raum und des Wärmeübergangskoeffizienten ergeben
rakteristische Geschwindigkeit die Beziehung sich entsprechende Temperaturschwingungen in den
brennraumbegrenzenden Wänden.
ª 2
º
C1 ˜ cm «1  2 §¨ c ·¸ ˜ pm0,2i »
V Für weitere Details sei auf die angegebene Literatur
w (14.61)
¬ © V ¹ ¼ verwiesen.

.
3000 3000 q [ kW
m2
]

4-Takt-Ottomotor W
T[K] a i[ ]
m2K
Vollast
n = 2200 min–1
2000 2000

TG
1000 1000
.
q
Bild 14-22 Verlauf von
α Gastemperatur, Wärme-
0 0
0 180 360 540 720 stromdichte und Wärme-
.
q = a (T-T W) f [°KW] übergangskoeffizient für
einen Ottomotor bei Volllast

14.5.3 Phänomenologische Modelle misch und physikalisch fundierte Untermodelle, so


dass der Brennverlauf vorausberechnet und nicht nur
Phänomenologische Verbrennungsmodelle stehen empirisch abgebildet werden kann. Verglichen mit
bezüglich Komplexität und Detailliertheit zwischen Modellen für die 3D-CFD Simulation sind die einge-
nulldimensionalen Brennfunktionen und Verbren- setzten Untermodelle in der Regel jedoch stärker
nungsmodellen, die in 3D-CFD Berechnungen einge- vereinfacht. Bei phänomenologischen Modellen wer-
setzt werden. Im Gegensatz zu nulldimensionalen den üblicherweise gewöhnliche Differentialgleichun-
Modellen bieten phänomenologische Modelle in der gen gelöst. Insgesamt weisen phänomenologische
Regel eine quasi-dimensionale Auflösung und che- Modelle dadurch deutlich kürzere Rechenzeiten auf
14.5 Modellbildung und Simulation 653

als 3D-CFD Modelle. Allerdings können aufgrund kann, wurden in der Vergangenheit eine Reihe von
der fehlenden dreidimensionalen Auflösung die tur- phänomenologischen Modellen für die dieselmotori-
bulenten Strömungsstrukturen im Brennraum nicht sche Verbrennung entwickelt und erfolgreich einge-
dargestellt werden. setzt [19].
Beispielhaft sollen hier zwei Modelle kurz beschrie-
14.5.3.1 Ottomotorische Verbrennung ben werden, für alternative Ansätze und weitere
Modelle für die turbulente vorgemischte Verbren- Details sei auf [2] und die angegebene Literatur
nung in Ottomotoren beruhen überwiegend auf dem verwiesen.
sogenannten Entrainmentmodell von Blizard und Das Paketmodell wurde ursprünglich von Hiroyasu
Keck [23]. Hierbei wird angenommen, das sich die [28] vorgeschlagen und später von anderen Autoren,
Flammenfront ausgehend von der Zündkerze kugel- beispielsweise Stiesch [29], weiterentwickelt. Vor der
förmig ausbreitet, so dass die Fläche und Lage der Einspritzung wird der Brennraum wie bei den null-
Flammenfront aus der turbulenten Brenngeschwin- dimensionalen Modellen nur mit einer Zone aufge-
digkeit und einer geometrischen Betrachtung des löst. Während der Einspritzung und danach wird der
Brennraums berechnet werden kann. Einspritzstrahl dann in mehrere Zonen oder Pakete
Zur Berechnung der turbulenten Brenngeschwindig- aufgeteilt, siehe die schematische Darstellung des
keit muss zunächst die laminare Brenngeschwindig- Paketmodells in Bild 14.22 (Mitte). Dabei wird da-
keit sl, beispielsweise über die empirischen Bezie- von ausgegangen, dass der Einspritzstrahl rotations-
hungen von Metghalchi und Keck [24] und Rhodes symmetrisch ist, so dass eine Beschreibung in axialer
und Keck [25], ermittelt werden. Zur Berechnung der und radialer Richtung erfolgt und die Pakete eine
turbulenten Brenngeschwindigkeit st wurden vielfälti- Ringform aufweisen. Eine Interaktion zwischen
ge Korrelationen entwickelt. Eine einfache, auf einer einzelnen Paketen wird in der Regel vernachlässigt.
Korrelation von Damköhler basierende Formulierung Nachdem die Pakete in den Brennraum eingebracht
mit zwei empirischen Konstanten C und n lautet: werden enthalten sie zunächst nur flüssigen Brenn-
n stoff. Die Paketgeschwindigkeit nimmt mit zuneh-
st § uc ·
1 C ¨ ¸ (14.65) mender Distanz zur Düse beziehungsweise mit zu-
sl © sl ¹ nehmender Lebensdauer ab und wird empirisch
Neben der Unsicherheit der Korrelation an sich ist folgendermaßen beschrieben:
insbesondere die Bestimmung der für die Korrelation § p  pzyl DD2 · m
notwendigen turbulenten Eigenschaften, wie der vax 1.48 ¨ inj ¸˜t (14.66)
© UL ¹
Schwankungsgeschwindigkeit ut, im Rahmen von
phänomenologischen Modellen problematisch. In Gleichung (14.66) sind pini und pzyl der Einspritz-
Eine weitere Schwierigkeit stellt die Beschreibung und Zylinderdruck, DD ist der Düsendurchmesser und
der Zündung und Entflammungsphase dar. Ein An- pL die Kraftstoffdichte. Es wird angenommen, dass
satz zur Beschreibung der Zündphase wurde von die in das Paket eingezogene Luftmasse über die
Herweg und Maly vorgestellt [26]. Hier wird die Impulserhaltung im Paket berechnet werden kann.
effektive Brenngeschwindigkeit in der Entflam- Dieses sogenannte Entrainment besitzt einen maßgeb-
mungsphase als Summe der turbulenten Brennge- lichen Einfluss auf die durch das Paketmodell be-
schwindigkeit st und einer Plasmageschwindigkeit rechnete Brennrate. In den einzelnen Paketen werden
spl beschrieben. Dabei wird die Plasmageschwindig- Untermodelle zur Berechnung des Strahl- und Trop-
keit unter der Annahme berechnet, dass das Kraft- fenzerfalls, der Verdunstung, der Zündung und
stoff-Luft Gemisch im Flammenkern durch die Zünd- Verbrennung eingesetzt. Durch die quasi-dimensio-
energie auf die adiabate Flammentemperatur aufge- nale Auflösung können Gemischzusammensetzungs-
heizt wird. und Temperaturgradienten im Einspritzstrahl darge-
Wird statt der vorgemischten Verbrennung in kon- stellt werden, was auch die Berechnung von Schad-
ventionellen ottomotorischen Anwendungen die stoffemissionen wie Ruß und Stickoxide ermöglicht.
partiell vorgemischte Verbrennung in Ottomotoren Ein weiteres Modell für die dieselmotorische Ver-
mit Direkteinspritzung und heterogenem Betrieb brennung stellt das Modell von Barba dar [30]. Bei
betrachtet, ist eine nochmals komplexere Beschrei- der Beschreibung der Wärmefreisetzung wird zwi-
bung notwendig. Ein Ansatz für eine solche Verbren- schen der vorgemischten Verbrennung einer Pilotein-
nung ist zum Beispiel bei Koch zu finden [27]. spritzung und vorgemischten und mischungskontrol-
lierte Verbrennung der Haupteinspritzung unterschie-
14.5.3.2 Dieselmotorische Verbrennung den. Dabei wird der in der Voreinspritzung einge-
Bei der konventionellen dieselmotorischen Verbren- brachte Kraftstoff als einzelne Zone beschrieben, die
nung hat die Einspritzung den dominierenden Ein- sich mit Luft mischt. Nach einer über eine Einschritt-
fluss auf die Wärmefreisetzung. Da die Einspritzung reaktion berechneten Zündverzugszeit (vgl. Glei-
phänomenologisch recht gut beschrieben werden chung (14.30)) breiten sich turbulente Flammen von
654 14 Verbrennung

zunächst einem einzigen, im folgenden Verlauf von rekte numerische Simulation (DNS) resultiert bei in-
mehreren Zündorten aus, wobei die turbulente dustriellen Fragestellungen in einer zu hohen Zellen-
Brenngeschwindigkeit in ähnlicher Weise wie bei anzahl des Rechengitters und daraus resultierend zu
Modellen für die ottomotorische Verbrennung über langen Rechenzeiten. In der Regel werden daher die
eine empirische Beziehung für die laminare Brennge- Erhaltungsgleichungen für die Reynolds-gemittelten
schwindigkeit und eine Damköhler-Beziehung für die (beziehungsweise Favre-gemittelten) Variablen (ver-
turbulente Brenngeschwindigkeit (Gleichung (14-65)) gleiche Abschnitt 14.4.1) gelöst, wobei die Informa-
beschrieben wird. tion über die Schwankungsgrößen verloren geht. Um
Im Gegensatz zum Paketmodell wird im Modell nach die Erhaltungsgleichungen zu schließen sind daher
Barba der Einspritzstrahl der Haupteinspritzung Turbulenzmodelle notwendig, die allerdings nicht
lediglich in axiale Segmente diskretisiert, wobei die allgemeingültig sind und im Prinzip an die jeweiligen
Eindringtiefe ebenfalls auf empirische Weise be- Strömungsbedingungen angepasst werden müssen. In
schrieben wird. Die Umsetzung des Kraftstoffs der den letzten Jahren gewinnt daher die sogenannte
bis zum Erreichen der Zündverzugszeit eingebracht Large-Eddy Simulation (LES) an Bedeutung. Bei
wird, wird wie die Voreinspritzung über das Modell LES werden die großen turbulenten Wirbel aufgelöst
der Vormischverbrennung beschrieben, die Umset- und nur für die kleineren Strömungsstrukturen wird
zung des danach eingebrachten Kraftstoffs wird über eine Modellierung vorgenommen. Dieser Ansatz hat
ein Diffusionsmodell dargestellt. Dabei ist die Reak- den Vorteil, das eine Verfeinerung des Rechengitters
tionsrate umgekehrt proportional zur turbulenten automatisch zu einem Informationsgewinn führt, was
Zeitskala, die die über weitere Beziehungen hergelei- bei Reynolds-gemittelten Ansätzen nicht der Fall ist.
tet wird. Beispiele für weitere Modellansätze sind in Bild 14-23 zeigt beispielhaft Simulationsergebnisse
[31] und [32] zu finden. einer mit LNS und DNS berechneten Scherschicht.
Phänomenologische Modelle bieten die Möglichkeit, Aufgrund des großen Einflusses der Turbulenz auf
den Brennverlauf der dieselmotorischen Verbrennung die Abläufe während der Verbrennung besitzen Tur-
recht gut vorherzusagen, wobei allerdings bei Einsatz bulenzmodelle einen wesentlichen Einfluss auf die
der Modelle bei unterschiedlichen Motoren in der Gesamtgüte einer Verbrennungsrechnung. Daher sind
Regel eine Anpassung von empirischen Parametern zukünftige Entwicklungen in diesem Bereich von be-
vorgenommen werden muss. Von besonderer Bedeu- sonderer Bedeutung.
tung für die Qualität der Berechnung ist insbesondere Bei Motoren mit Direkteinspritzung spielt die Inter-
die Qualität des eingesetzten Einspritzverlaufs. aktion zwischen den Prozessen Strahlentwicklung,
Obwohl es sich streng genommen nicht um phäno- Tropfenzerfall und -koaleszenz, Tropfenverdunstung,
menologische Modelle handelt, sollen an dieser Stelle Zündung, Verbrennung und Schadstoffbildung eine
auch die sogenannten Stochastischen Reaktormodelle wesentliche Rolle. Eine gute Beschreibung der Ge-
(SRM) erwähnt werden, siehe zum Beispiel [33,34]. mischbildungsprozesse ist daher Voraussetzung für
In diesen Modellen wird Zündung und Verbrennung die Modellierung der Verbrennung.
über Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen beschrie-
ben, wobei insbesondere detaillierte kinetische Reak-
tionsmechanismen zum Einsatz kommen.

14.5.4 3D-CFD-Modelle
Mehrdimensionale Strömungsprobleme werden über
Erhaltungsgleichungen für Masse, Impuls und Ener-
gie in Form von partiellen Differentialgleichungen,
den Navier-Stokes-Gleichungen, beschrieben. Mit
Ausnahme von Modellproblemen, für die gewisse
Vereinfachungen möglich sind, sind diese Gleichun-
gen zu komplex um analytisch gelöst zu werden, so
dass eine numerische Lösung erforderlich ist. Dabei
wird das durchströmte Bauteil, in diesem Fall der
Brennraum, mit einem Rechengitter diskretisiert.
Prinzipiell sind die Navier-Stokes-Gleichungen so-
wohl für laminare als auch turbulente Strömungen
gültig. Die kleinsten, in einer turbulenten Strömung
auftretenden Strukturen können durch die Kolmogo-
rovlänge beschrieben werden (vergleiche 14.4.1). Bild 14-23 Zweidimensionale Schnitte durch einen
Eine Auflösung dieser Struktur, die sogenannte di- mit LES und DNS berechnete Scherschicht [36]
14.5 Modellbildung und Simulation 655

Für Modelle zur Beschreibung der Gemischbildung ses beschreibt und dem turbulenten Anteil Wturb zu-
sei an dieser Stelle auf [2] und [35] verwiesen. sammen:
Zur Beschreibung der Verbrennung im Rahmen der
W c W lam  f ˜W turb (14.69)
dreidimensionalen Strömungsmechanik wurden in der
Vergangenheit eine große Vielzahl unterschiedlicher Der turbulente Anteil berücksichtigt, dass die Edukte
Modelle entwickelt. Die Mehrzahl der Modelle zur vor der Reaktion auf mikroskopischer Ebene durch
Beschreibung der vorgemischten Verbrennung, wie Turbulenz gemischt werden müssen. Der Verzöge-
sie in konventionellen Ottomotoren auftritt, basiert rungsfaktor f strebt mit fortlaufender Verbrennung
auf der sogenannten Flamelet-Annahme [16], die von null nach eins und kennzeichnet so den Übergang
besagt, das die durch Turbulenz aufgefächerte Flam- von vorgemischter zu mischungskontrollierter Ver-
menfront lokal wie eine laminare Flamme behandelt brennung. Durch die direkte Einbeziehung der turbu-
werden kann. lenten Zeitskala besteht eine sehr starke Abhängigkeit
Die grundlegende Schwierigkeit bei der Beschrei- der Ergebnisse des Verbrennungsmodells vom einge-
bung turbulenter, vorgemischter Flammen liegt in der setzten Turbulenzmodell, da sich eine fehlerhafte
Erfassung der Flammenfront. Hierbei wurden in Berechnung der turbulenten Kenngrößen direkt auf
praktischen Anwendungen in den letzten Jahren die Wärmefreisetzungsrate auswirkt.
insbesondere zwei unterschiedliche Modellansätze Ein weiteres, weit verbreitetes Modell zur Berech-
verfolgt. In Flammenflächenmodelle (Coherent nung der dieselmotorischen Verbrennung ist das
Flamelet Models) [37] wird zum einen eine Trans- Flamelet-Modell [16]. Hierbei wird angenommen,
portgleichung für eine Fortschrittsvariable gelöst, die dass die turbulente Flamme aus einem Ensemble
Werte zwischen 0 (kein Stoffumsatz) und 1 (Stoffum- laminarer Diffusionsflammen (Flamelets) zusammen-
satz vollständig abgeschlossen) annimmt. Zum ande- gesetzt ist. Diese Annahme ermöglicht eine Transfor-
ren wird eine Transportgleichung für die Flammen- mation der dreidimensionalen Verbrennungsstruktur
flächendichte (Flammenfläche pro Volumeneinheit) auf eine Dimension in Richtung des Mischungs-
gelöst, wobei die Flammenflächendichte als Quell- bruchs, einem zwischen 0 und 1 normiertem Kraft-
term in der Gleichung für die Fortschrittsvariable stoff-Luft-Verhältnis. Durch Überführung der ur-
auftritt. Im zweiten Modellansatz wird die Flammen- sprünglich dreidimensionalen Erhaltungsgleichungen
front mit der sogenannten G-Gleichung [14] be- auf ein eindimensionales Problem können auch sehr
schrieben, die auf dem Level-Set Ansatz, einer Me- komplexe Reaktionsmechanismen mit vertretbarem
thode zur Beschreibung von sich bewegenden Ober- Rechenaufwand gelöst werden.
flächen, beruht. Da sich moderne Brennverfahren, beispielsweise bei
In der Hauptphase der dieselmotorischen Verbren- Ottomotoren mit Direkteinspritzung und strahlgeführ-
nung wird die Wärmefreisetzung durch die turbulente tem Verfahren oder bei der homogenisierten diesel-
Mischung zwischen Luft und Brennstoff bestimmt. motorischen Verbrennung nicht mehr klar in vorge-
Eine wesentliche Rolle nimmt daher in den meisten mischte und nicht-vorgemischte Verbrennungsformen
Modellen die turbulente Zeitskala trennen lassen, wächst der Bedarf an Verbrennungs-
W turb kH (14.67) modellen, die mehrere unterschiedliche Regime
abdecken können. Ein Beispiel für ein solches Modell
ein, wobei k die turbulente kinetische Energie und H ist das in letzter Zeit häufig eingesetzte ECFM-3Z
ihre Dissipationsrate beschreibt. Modell [39]. Für eine detaillierte Behandlung der hier
Ein einfaches, aber in der Vergangenheit oft erfolg- vorgestellten und weiterer Verbrennungsmodelle sei
reich eingesetztes Modell für die dieselmotorische auf die angegebene Literatur und [2], [16], [19] und
Verbrennung ist das Characteristic-Timescale Mo- [37] verwiesen.
dell, bei dem die Reaktionsrate einer Spezies i basie-
rend auf der Differenz der tatsächlichen Speziesdich-
te Ui und der lokalen, augenblicklichen Gleich-
Literatur
gewichtsdichte Ui berechnet wird [38]:
*
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dU i U i U
i
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(14.68)
dt Wc [3] Semenov, N.: Chemical Kinetics and Chain Reactions. London:
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Dabei ist Wc die charakteristische Zeit zum Erreichen Comprehensive Modeling Study of n-Heptane Oxidation. Comb.
des Gleichgewichts. Es wird angenommen, dass die Flame vol. 114, 1998
charakteristische Zeit Wc für alle betrachteten Spezies [5] Leppard, W. R.: The Chemical Origin of Fuel Octane Sensitivity.
SAE paper 902137, 1990
gleich ist. Wc setzt sich dabei aus einem laminaren [6] Halstead, M.; Kirsch, L.; Quinn, C.: The Autoignition of Hydro-
Anteil Wlam, der den Einfluss der Reaktionskinetik in carbon Fuels at High Temperatures and Pressures – Fitting of a
Abhängigkeit der Temperatur und des Luftverhältnis- Mathematical Model. Comb. Flame, vol. 30, 1977
656 14 Verbrennung

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15.1 Dieselmotoren 657

15 Verbrennungsverfahren

15.1 Dieselmotoren Diese erfolgt beim Dieselmotor bei den üblichen


Gemischbildungs- und Brennverfahren im Brennraum
15.1.1 Dieselverbrennung selbst. Deshalb wird die Gemischbildung beim Die-
selmotor im Gegensatz zum klassischen Ottomotor
Allgemeine Übersicht. Unter Verbrennung werden (Gemischbildung im Saugrohr) auch als innere Ge-
chemische Reaktionen verstanden, bei denen sich ein mischbildung bezeichnet. Der Grad der Homogenität
Stoff unter Wärmefreisetzung (exotherm) mit mole- des sich während der Kraftstoffeinspritzung im
kularem Sauerstoff verbindet (Oxidation). Die Einlei- Brennraum herausbildenden, örtlich und zeitlich
tung einer Verbrennung erfolgt durch die Zündung. veränderlichen Konzentrationsfeldes von Sauerstoff
Diese ist nur unter bestimmten Voraussetzungen und Kraftstoff (flüssig und dampfförmig) ist ein Maß
möglich und wird vereinfacht wie folgt dargestellt: für die erreichte Qualität der Gemischbildung. Von
x Die Reaktionspartner müssen ein Mindestenergie- dieser hängt maßgeblich der örtliche und zeitliche
niveau besitzen, die sogenannte Aktivierungs- Ablauf sowie die Vollständigkeit und Vollkommen-
energie. Nur die Moleküle, die dieses Energieni- heit (Schadstoffbildung) der Verbrennung im Die-
veau erreicht haben, können miteinander reagie- selmotor ab. Die im Abgas eines Motors messbaren
ren. Der Anteil der Moleküle in einem Gemisch Schadstoffemissionen stellen sich auf Grund des
von Reaktionspartnern mit ausreichend hohem Wechselspiels zwischen Schadstoffbildung und
Energieniveau nimmt exponentiell mit ansteigen- Schadstoffabbau im Brennraum und im Abgassystem
der Gemischtemperatur zu. ein. Dies trifft insbesondere für die Ruß-, die Koh-
x Das Reaktionsgemisch muss eine bestimmte lenwasserstoff- und die Kohlenmonoxidemissionen
Zusammensetzung aufweisen. Bei zu hohem An- zu.
teil des einen oder anderen Reaktionspartners rei- Die nach der Zündung durch die Verbrennung freige-
chen die möglichen Molekülkollisionen nicht aus, setzte Wärmemenge bestimmt im Zusammenhang mit
um eine stabile, sich selbst tragende Reaktion aus- dem Wärmeaustausch zwischen Arbeitsstoff, brenn-
zulösen. Daraus folgt, dass eine sichere Zündung raumbegrenzenden Wänden sowie dem flüssigen
nur innerhalb der sogenannten Zündgrenzen (Luft- Kraftstoff den Gasdruck- und -temperaturverlauf im
Kraftstoff-Verhältnis circa 0,6 bis 1,0) möglich Brennraum. Damit werden auch der angestrebte
ist. Diese Zündgrenzen erweitern sich mit steigen- Erfolg der Energieumwandlung (Mitteldruck und
der Gemischtemperatur. Inertgasanteile im Reak- Kraftstoffverbrauch) und die Höhe der mechanischen
tionsgemisch (zum Beispiel Abgas) setzen die Re- und thermischen Belastung der Motorenbauteile
aktionsgeschwindigkeit, ähnlich wie bei einer festgelegt. Außerdem ist der zeitliche Verlauf des
Verschiebung der Gemischzusammensetzung in Gasdruckes an der Geräuschentwicklung eines Ver-
Richtung „magere“ Zündgrenze, herab. brennungsmotors (Verbrennungsgeräusch) maßgeb-
Das Arbeitsverfahren der Dieselmotoren beruht auf lich beteiligt.
der Selbstzündung des in den Brennraum eingebrach- Die Einspritzung des Kraftstoffes, der Zerfall des
ten Kraftstoffes. Die Zuführung des Kraftstoffes zum Kraftstoffstrahles in eine Tropfenschar (Spray), die
Brennraum erfolgt durch Einspritzung mit einem Verdampfung des Kraftstoffes, die Vermischung des
geeigneten Einspritzsystem (vergleiche 12.4.1). Für Kraftstoffes mit der Luft, der Wärmeübergang zwi-
eine sichere Selbstzündung des Kraftstoffes ist eine schen Arbeitsstoff, Brennraumwänden und Kraftstoff
ausreichend hohe Lufttemperatur im Brennraum sowie die durch die Kolbenbewegung angefachte
erforderlich. Diese wird wesentlich durch ein ent- oder gezielt erzeugte Luftbewegung (Drallkanäle,
sprechend hohes Verdichtungsverhältnis des Motors Quetschströmung) als physikalische Vorgänge und
erreicht. Die Vermischung des Kraftstoffes mit der die Verbrennung (Oxidation) des Kraftstoffes als
vorhandenen Luft und damit die Schaffung möglichst chemischer Vorgang laufen dabei teilweise gleichzei-
optimaler Bedingungen für die Zündung dieses Luft- tig, sich gegenseitig beeinflussend und unter sich
Kraftstoff-Gemisches ist notwendige Voraussetzung ständig ändernden Bedingungen ab. Deshalb müssen
für die sich anschließende Verbrennung. diese Vorgänge in ihrem Zusammenwirken betrachtet
Die Art der Kraftstoffeinspritzung bestimmt neben werden. Bild 15-1 zeigt schematisch die wesentlichen
dem Kraftstoff selbst, der Ladungsbewegung im Zusammenhänge und Wechselwirkungen der im
Brennraum, der Brennraumgeometrie und dem ther- Brennraum eines Dieselmotors ablaufenden Prozesse.
mischen Zustand von Zylinderladung und brenn- Diese Komplexität der dieselmotorischen Gemisch-
raumbegrenzenden Wänden die Gemischbildung. bildung und Verbrennung ist Grund dafür, dass bis

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_15
658 15 Verbrennungsverfahren

Motorisches Verhalten
Geräusch, Verbrauch,
Emissionen, Dynamik

Wärmefreisetzung Schadstoffbildung Schadstoffabbau


NOx, Ruß, HC

Zündung

Gemischbildung
Verdampfungsverhalten,
l, Länge der Flüssigphase

Strahlausbreitung Strahl-/Wandwechselwirkung Strömung, Turbulenz


Eindringtiefe, Strahlkegelwinkel,
Tropfengrößenverteilung

Primärer Strahlzerfall
Düseninnenströmung, Kavitation

Einspritzsystem Einspritzdüse Kolbenbewegung Einlasskanalgeometrie Muldengeometrie


Einspritzverlauf, Stabilität Lochgeometrie, HE-Rundungsgrad Drall, Tumble, Squish K-Faktor

Bild 15-1 Vorgänge bei der Gemischbildung und Verbrennung im Dieselmotor [1]

heute noch erheblicher Forschungsbedarf zur Aufklä- Gemischbildung. Ziel der Gemischbildung ist die
rung dieser Prozesse besteht. Erschwerend kommt Erzeugung einer zur Zündung geeigneten lokalen
hinzu, dass die üblichen Motorenkraftstoffe keine Mischung von Kraftstoff und Luft (Mikrogemischbil-
reinen Stoffe, sondern nicht exakt definierbare Gemi- dung) und die optimale Verteilung des Luft-
sche verschiedener Kohlenwasserstoffe sind. Die Kraftstoff-Gemisches auf das Brennraumvolumen
Ermittlung der physikalischen und chemischen Ei- (Makrogemischbildung). Das Optimierungsziel ist
genschaften und der chemischen Reaktionsabläufe dabei das Erreichen einer maximalen Motorarbeit bei
unter motorischen Verbrennungsbedingungen ist minimalem Kraftstoffverbrauch und gleichzeitig
dadurch schwierig und teilweise nur näherungsweise minimalen Abgasemissionen. Dabei sind Grenzen für
möglich. die Motorgeräusche sowie die mechanischen und
thermischen Bauteilbelastungen einzuhalten. Da ei-
Kraftstoffeinspritzung. Das Einspritzsystem, ein- nige der formulierten Ziele durch motorische Maß-
schließlich der Einspritzdüse, bestimmt durch seine nahmen nur gegenläufig beeinflussbar sind, kann eine
Auslegung und Konstruktion die Art der Kraftstoffzu- solche Optimierung immer nur ein Kompromiss
fuhr zum Brennraum. Die Einspritzung selbst kann zwischen diesen einzelnen Forderungen sein. Als
im Wesentlichen markantes Beispiel ist hier das gegenläufige Verhal-
a) bei einmaliger Einspritzung pro Arbeitsspiel durch ten der Stickoxidemission und des spezifischen Kraft-
x den Zeitpunkt des Einspritzbeginns, die Ein- stoffverbrauches zu nennen. Werden die unterschied-
spritzdauer und den zeitlichen Verlauf der lichen Randbedingungen (zum Beispiel Abgasgesetz-
Kraftstoffzufuhr (Einspritzrate) gebung), die beim Betrieb der einzelnen Motorenar-
ten wie beispielsweise eines Großdieselmotors für
b) bei unterteilter Einspritzung durch
den Schiffsantrieb im Vergleich zu einem Pkw-Die-
x den Zeitpunkt und die Dauer der Einzelein- selmotor gegeben sind, berücksichtigt, wird deutlich,
spritzungen sowie dass es keine allgemeine quantitative Formulierung
x durch den zeitlichen Verlauf der Kraftstoff- der optimalen Gemischbildungsbedingungen für alle
zufuhr (Einspritzrate) und Dieselmotoren geben kann. Unabhängig davon gibt
generell durch die geometrische Form, die Anzahl es aber einige grundsätzliche Erkenntnisse, die bei
und die räumliche Ausrichtung der Düsenöffnungen der Auslegung und Optimierung aller Dieselmotoren
zum Brennraum charakterisiert werden, vergleiche berücksichtigt werden müssen.
12.4.1.
15.1 Dieselmotoren 659

Für die üblicherweise eingesetzte Lochdüse (DI- Eine typische Verteilung der Tropfengrößen im
Motoren) stellt sich der Gemischbildungsvorgang aus Kraftstoffstrahl zeigt Bild 15-3.
heutiger Sicht folgendermaßen dar:
Die Gemischbildung wird unmittelbar mit der Kraft-
stoffeinspritzung eingeleitet. In Abhängigkeit der 25

Einspritzanlage tritt der Kraftstoffstrahl mit unter- CFD-Simulation


20

Anzahlverteilung [%]
schiedlich hoher Geschwindigkeit (> 100 m/s) aus der Messung Hohmann
Einspritzdüse aus. Durch die große Relativgeschwin- z = 30 mm
15
digkeit des austretenden Kraftstoffes zur umgebenden
Luft und durch die Implosion der in den Spritzlöchern 10
entstandenen Kavitationsblasen unmittelbar nach dem
Düsenaustritt reißt der Kraftstoffstrahl nahezu ohne 5
Verzögerung direkt am Düsenaustritt auf. Bild 15-2
zeigt eine auf Messungen beruhende Modellvorstel- 0
0 5 10 15 20 25
lung dieses Vorgangs. Durchmesser [μm]

Bild 15-3 Tropfengrößenverteilung in einem Kraft-


Kavitationsblasen Oberflächen- Gasblasen Tropfen stoffstrahl im Abstand 30 mm von der Düse [5]
und Turbulenzwinkel wellen

Da die Einspritzung des Kraftstoffes zum Ende des


Kompressionshubes erfolgt, werden die Kraftstoff-
tropfen im Einspritzstrahl sofort der zu diesem Zeit-
punkt im Brennraum vorliegenden hohen Gastempe-
ratur ausgesetzt. Dies führt zu einem intensiven
Wärmetransport von der erhitzten Brennraumluft zu
den relativ kalten Kraftstofftropfen. Mit fortschrei-
intakter Kern hohlraumarmer Bänder Anhäufung
tendem Temperaturausgleich zwischen Luft und
Kern Kraftstoff setzt an der Tropfenoberfläche eine zu-
nehmende Verdampfung ein. Der sich so bildende
Störungen durch Strahlaufbruch infolge Kraftstoffdampf mischt sich mit der umgebenden
Kavitationsblasen aerodynamischer Interaktionen Luft.
und Turbulenzwirbel
Auf diese Weise bilden sich in der Tropfenumgebung
(siehe Bild 15-4 oben) und damit auch im gesamten
Bild 15-2 Zwei-Phasen-Spraymodell [2, 3]
Kraftstoffstrahl Konzentrations- und Temperaturun-
terschiede (heterogenes Gemisch) aus, die in ihrer
Der sich dabei bildende Kraftstoffstrahl besteht aus Folge Diffusionsvorgänge im Bereich der einzelnen
einer Vielzahl einzelner Kraftstofftropfen unter- Kraftstofftropfen und im Strahl auslösen [6]. Bild
schiedlicher Größe (1 bis 10 ȝm) und Form. In Ab- 15-4 Mitte zeigt für drei verschiedene Einspritz-
hängigkeit der Randbedingungen seitens der Ein- drücke die zeitliche Veränderung des Luftverhältnis-
spritzanlage und des Gaszustandes im Brennraum hat ses am Rand eines Kraftstoffstrahles circa 26,5 mm
jeder Kraftstoffstrahl seine eigene charakteristische vom Düsenaustritt entfernt [2]. Im Bild 15-4 unten ist
statistische Verteilung der Tröpfchengrößen. Die die Verteilung des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses in
Tropfengröße ist im Wesentlichen von folgenden einem Kraftstoffstrahl als Momentaufnahme darge-
Einflüssen abhängig: Die entstehenden Tropfen sind stellt [7]. Es wird deutlich, dass in einem Dieselein-
umso kleiner, spritzstrahl nach einer gewissen Zeitspanne (Zünd-
verzug) immer die Zündbedingungen
x je kleiner der Düsenbohrungsdurchmesser,
x je größer die Austrittsgeschwindigkeit aus der x Gemischzusammensetzung innerhalb der Zünd-
Düse, grenzen
x je größer die Luftdichte im Brennraum, x ausreichend hohe Gemischtemperatur
x je kleiner die Kraftstoffviskosität und erreicht werden können.
x je kleiner die Oberflächenspannung des Kraft- Die Haupteinflussparameter auf die Entwicklung
stoffes eines Kraftstoffstrahles im Dieselmotor sind schema-
ist. Zusätzliche Luftbewegung im Brennraum erhöht tisch in Bild 15-5 zusammengestellt.
die Relativbewegung zwischen Kraftstoff und Luft Zündverzug, Zündung und Verbrennung [4, 28].
und somit die Zerstäubungsgüte, die Mikro- und Die mit Beginn der Kraftstoffeinspritzung im Brenn-
Makrogemischbildung, siehe auch [4,28]. raum einsetzenden physikalischen und chemischen
660 15 Verbrennungsverfahren

Bild 15-4 oben: Sauerstoff-, Kraftstoff-, Rußkonzen-


pK pK tration und Temperatur in der Umgebung eines bren-
p02
p02 nenden Einzeltropfens; Mitte: zeitliche Veränderung
des Luftverhältnisses an einem Ort im Einspritzstrahl
T
bis zum Beginn der Kaltflammenreaktionen und Er-
Tropfen
reichung der Zündbedingungen für verschiedene Ein-
xz spritzdrücke; unten: momentane örtliche Verteilung
Ruß x
des Luftverhältnisses in einem Kraftstoffstrahl

Brennzone je nach den bei der Kraftstoffeinspritzung im Motor


Ruß vorliegenden Bedingungen in einer Größenordnung
von bis zu 2 ms.
Minisacklochdüse Bei kurzem Zündverzug wird bis zum Verbrennungs-
1.0 beginn relativ wenig Kraftstoff eingespritzt und
0.9 physikalisch und chemisch optimal aufbereitet. Das
kalte

0.8 60 MPa Verbrennung führt nach der Zündung zu einem moderaten Druck-
Luftverhältnis

Flam

90 MPa
0.7 120 MPa
und Temperaturanstieg im Brennraum. Da der
me

0.6 Druckanstieg im Brennraum wesentliche Ursache für


0.5
das Verbrennungsgeräusch ist, wird sich dieses eben-
0.4
falls auf relativ niedrigem Niveau einstellen. Mit dem
niedrigen Maximaldruck fallen auch die mechani-
0.3
schen Bauteilbelastungen geringer aus. Die maximale
100 300 500 700 900 1100 1300 Gastemperatur und die an hohe Gastemperaturen
Zeit nach Einspritzbeginn [μs]
gebundene Stickoxidentstehung sowie die thermische
Bauteilbelastung sind relativ niedrig. Andererseits
läuft dann aber auch die Verbrennung bei ver-
gleichsweise niedrigen Drücken und Temperaturen
0 ab, was zu einem höheren spezifischen Kraftstoff-
verbrauch und zu verstärkter Rußbildung führt. Letz-
teres wird auf die relativ große Kraftstoffmenge, die
nach der Zündung in die sich entwickelnde heiße
l
Flamme gespritzt wird, und die zu langsame Vermi-
20 0,6 schung des sich bildenden Kraftstoffdampfes mit der
Luft zurückgeführt. Örtlicher Luftmangel und hohe
0,8
Temperaturen begünstigen rußbildende Crackreaktio-
Abstand zur Düse [mm]

1,0 nen. Ein vergleichsweise langer Zündverzug führt zu


entsprechend entgegengesetzten Wirkungen. Die
1,6 genannten physikalischen und chemischen Ursachen
40
für den Zündverzug weisen auch den Weg zu seiner
3,2
zielgerichteten Beeinflussung.
Zu einem kurzen Zündverzug führen:
a) physikalische Einflüsse:
60 x hohe Gastemperatur und hoher Gasdruck bei Ein-
spritzbeginn,
x hohe Zerstäubungsgüte des Kraftstoffes sowie
x hohe Relativgeschwindigkeit zwischen Kraftstoff
und Luft.
80
–10 0 10
Diese Einflüsse bewirken eine schnelle Verdampfung
Radius [mm] des Kraftstoffes, was eine schnelle Verteilung und
Mischung des Kraftstoffes mit der Luft im Brenn-
raum ermöglicht.
Vorgänge benötigen Zeit bis zum Erreichen der Gasdruck und Gastemperatur bei Einspritzbeginn
Zündbedingungen. Diese von Einspritzbeginn bis zur können durch folgende konstruktive Maßnahmen an-
ersten Zündung vergehende Zeitspanne, der Zündver- gehoben werden:
zug, ist für den nachfolgenden Verbrennungsablauf x hohes Verdichtungsverhältnis
von herausragender Bedeutung. Der Zündverzug liegt x später Einspritzzeitpunkt (vor OT)
15.1 Dieselmotoren 661

Strahlentwicklung

Ladung Brennraumwand
– Druck – Geometrie
– Temperatur – Temperatur
– Zähigkeit
– Geschwindigkeit
(Drall, Turbulenz) nach
Betrag und Richtung

Strahlcharakteristik

Geometrie der Einspritzdüse Dynamik der Kraftstoffströmung Kraftstoffeigenschaften


– Nadelhub – Förderdruckwelle mit – Zusammensetzung
– Nadelsitzgeometrie Reflexionserscheinungen – Viskosität
– Aufteilung der Einlaufbereiche – Querschnittsänderung mit – Kompressibilität
– Einlaufbedingungen ins Strömungseinschnürung und – Oberflächenspannung
Spritzloch (Sack-/Sitzlochdüse) Kavitation – Siedeverhalten
– Rundungsradien des – Nadeldynamik
Spritzlocheintritts – Strömungsgeschwindigkeit
– Höhenwinkel des Spritzlochs – Instationäre Erscheinungen
– I/d-Verhältnis des Spritzlochs – Turbulenz
– Bohrbild der Spritzlochwand – Temperatur
(Drallzüge) – Brennraumdruck
– Rauhigkeit der Spritzlochwand Bild 15-5 Einflüsse auf die
– Rundungsradien des
Spritzlochaustritts Einspritzstrahlentwicklung
– K-Faktor [8]

x Aufladung Die jeweils langsamsten Vorgänge kontrollieren den


x hohe Kühlmitteltemperatur und geeignete Kühl- Verbrennungsablauf. Unmittelbar nach der Zündung
kanalführung verbrennt der während des Zündverzuges physika-
x Brennraumgestaltung (Wandtemperatureinfluss) lisch und chemisch gut aufbereitete Kraftstoff schnell
x Einsatz von Zündhilfen (Glühstifte, früher Glüh- und mit hohem Energieumsatz. Diese 1. Phase wird
kerzen, Ansaugluftvorwärmung). auch als vorgemischte Verbrennung bezeichnet und
ist hauptsächlich durch die noch relativ langsam
Die Zerstäubungsgüte des Kraftstoffes wird haupt- ablaufenden chemischen Vorgänge (niedrige Tempe-
sächlich durch die Wahl des Einspritzsystems, aber ratur) kontrolliert. Anschließend geht die Verbren-
auch durch den Einspritzzeitpunkt (Gaszustand) so- nung in eine 2. Phase über, die durch die weitere
wie die temperaturabhängigen Kraftstoffeigenschaf- Kraftstoffeinspritzung in die bereits vorhandene
ten bestimmt. Flamme und deshalb durch starke Inhomogenität von
Die Relativgeschwindigkeit zwischen Kraftstoff und Ladungszusammensetzung und -temperatur gekenn-
Luft kann durch die konstruktive Gestaltung und zeichnet ist. In dieser Phase wird der Verbrennungs-
Abstimmung von Einspritzsystem, Brennraumform ablauf wiederum durch den jetzt langsamsten Vor-
und Einlasskanal beeinflusst werden. Die verschiede- gang, die Gemischbildung (Diffusion) kontrolliert.
nen Ansätze zur Lösung dieser Aufgabe machen die Die Geschwindigkeit der chemischen Reaktionen hat
wesentlichen Unterschiede der dieselmotorischen durch den schnellen Temperaturanstieg in der 1. Pha-
Brennverfahren aus. se stark an Dynamik gewonnen. Mit fortschreitender
Verbrennung, 3. Phase, nimmt die Umsatzrate wieder
b) chemische Einflüsse: ab, weil örtlich zunehmender Sauerstoffmangel und
x hohe Zündwilligkeit des Kraftstoffes (hohe Cetan- infolge fortschreitender Expansion allmählich sin-
Zahl), kende Gastemperatur die Reaktionsgeschwindigkeit
x hohe Kraftstofftemperatur, hoher Gasdruck und herabsetzt. Zusätzlich verringert sich in dieser Phase
hohe Gastemperatur bei Einspritzbeginn. die durch den Einlassvorgang initiierte Ladungsbe-
wegung, so dass diese Phase sowohl durch die ge-
Sie sorgen für eine schnelle chemische Aufbereitung
bremsten Gemischbildungsvorgänge als auch durch die
des Kraftstoffes.
abnehmende Reaktionsgeschwindigkeit kontrolliert
Die eigentliche Verbrennung im Dieselmotor stellt wird. Dies führt zu einer thermodynamisch un-
sich aus heutiger Sicht folgendermaßen dar: günstigen Verschleppung der Verbrennung weit in den
662 15 Verbrennungsverfahren

Spritzbeginn Spritzende

1. Phase 2. Phase 3. Phase


mK ZV
q
Spritzdauer

mK
Bild 15-6 Qualitativer
Verlauf der Kraftstoffein-
–20 fEB ZOT fEE 20 40 60
spritzung und der Wärme-
f °KW
freisetzung [6]

Expansionshub hinein [28]. Bild 15-6 zeigt qualitativ


den typischen Verlauf von Einspritz- und Ver-
brennungsrate für einen Dieselmotor mit Direktein-
spritzung.
Bei der inneren Gemischbildung im Dieselmotor steht
50
im Vergleich zum klassischen Ottomotor wesentlich
weniger Zeit zur Verfügung. Außerdem liegt der 40
Rußertrag

Siedeverlauf des Dieselkraftstoffs deutlich höher.


Dadurch ist der Dieselmotor gegenüber dem Ottomo- 30
tor beim Fahrzeugeinsatz im Nachteil. Mit zuneh-
mender Drehzahl verschärft sich das Zeitproblem. 20

Die nicht vermeidbare Inhomogenität der Zylinderla-


10
dung führt wegen der dadurch schlechteren Luftaus-
nutzung (Rauchgrenze) zu geringeren Mitteldrücken. 0
Beides ergibt für den Dieselmotor geringere Hub- 00
0,4 20
K
raumleistungen, weshalb heute nahezu alle Dieselmo- 00
Lu 18
toren aufgeladen werden. ftv
erh
0,5
rat
ur
00 e
ält
nis 16 mp
l 0,6 Te
Schadstoffbildung. Für die Brennverfahrensentwick- 0
140
lung der Dieselmotoren sind die Partikel- und die
Stickoxidemissionen von zentraler Bedeutung. Die Bild 15-7 Rußertrag in Abhängigkeit von Tempera-
Abgaspartikel bestehen zum großen Teil aus Ruß, an tur und Luftverhältnis [9]
dem sich Kohlenwasserstoff- und/oder Schwefelver-
bindungen angelagert haben. masse/Gesamtkohlenstoffmasse) einem Maximal-
Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen wert. Für viele Kohlenwasserstoffe verlaufen diese
spielen bei der dieselmotorischen Verbrennung prin- Rußbildungsgrenzen sehr ähnlich, so dass diese
zipiell eine untergeordnete Rolle, können jedoch bei Betrachtungsweise auf Dieselmotoren übertragbar
teilhomogenen Verfahren und hohen AGR-Raten erscheint. Die oben beschriebene heterogene Ge-
kritisch werden. Die Schadstoffbildung steht in un- mischbildung im Dieselmotor bedingt, dass trotz der
mittelbarem Zusammenhang mit den örtlich im Gesamtluft-Kraftstoff-Verhältnisse > 1 örtlich Luft-
Brennraum vorliegenden Zünd-, Gemischbildungs- Kraftstoff-Verhältnisse < 0,6 auftreten können. So-
und Verbrennungsbedingungen. lange die Gemischtemperatur dabei unter circa
Nach [9] sind die Ruß- und Stickoxidbildung stark 1.450 K bleibt, ist eine Rußbildung weitgehend aus-
reaktionskinetisch geprägt. Nach wie vor sind die geschlossen. Bei der Abkühlung eines brennenden,
Vorgänge aber noch nicht vollkommen geklärt. Auf relativ „fetten“ Gemisches (zum Beispiel in Wand-
Grund einer Vielzahl von Untersuchungen an Flam- nähe) oder Aufheizung noch nicht ausreichend mit
men und Stoßwellenrohren besteht hierzu folgende Luft vermischten Kraftstoffes kommt es aber zu einer
Vorstellung, Bild 15-7: intensiven Rußbildung. Durch Wandeinflüsse (quen-
Die Rußbildung ist durch die Temperatur und das ching) und die Kraftstoffzusammensetzung muss im
Luft-Kraftstoff-Verhältnis begrenzt. Bei Temperatu- Dieselmotor bereits bei einem Luft-Kraftstoff-Ver-
ren von circa 1.600 bis 1.800 K und Luft-Kraftstoff- hältnis < 0,8 mit dem Beginn der Rußbildung gerech-
Verhältnissen < 0,6 erreicht der Rußertrag (Ruß- net werden.
15.1 Dieselmotoren 663

Rußoxidationszeit
Temperatur [K] τ = 1,0 0,4 ms
3000
Verbranntes
Rußbildung ppm
NO
5000
2500
3000
1000
500

2000

1500

1,0 1,5 2,0 4,0 λ mittl. Luft-Kraftstoff-Verhältnis

1000

Gemisch
500
Zielbereich

Bild 15-8 Zustände von


0
0 0,5 1,0 1,5 2,0 Gemisch und Verbranntem
örtliches Luft-Kraftstoff-Verhältnis λ ö
bei der dieselmotorischen
Verbrennung [7]

Bild 15-8 zeigt ein Temperatur-Luft-Kraftstoff-Ver- Haupteinspritzung, um ein geeignetes Temperatur-


hältnis-Diagramm, in das neben dem Rußbildungsbe- niveau für die Rußoxidation zur Verfügung zu stellen.
reich die Zustände von Gemisch und Verbranntem in
Zünd-OT-Nähe eingetragen sind. Außerdem ist der
15.1.2 Diesel-Viertakt-
Bereich intensiver Stickoxidbildung (innerhalb von
0,5 ms gebildete Anteile) dargestellt. Bekanntlich
Verbrennungsverfahren
entstehen die höchsten Stickoxid-Bildungsraten bei Auf Basis der oben dargelegten Vorgänge im Brenn-
einem Luft-Kraftstoff-Verhältnis um 1,1. In diesem raum lassen sich die im Laufe der Dieselmotorenent-
Bereich kann auch ein Teil des zuvor gebildeten Rußes wicklung entstandenen Brennverfahren erklären und
wieder verbrennen, wie die Reaktionszeit von Rußteil- verstehen.
chen (d = 40 nm) in diesem Gebiet zeigt. Bei weiterer RUDOLF DIESEL hatte seinerzeit keine Möglichkeit,
Zunahme des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses bis auf den auf industriell gefertigte, hoch entwickelte Einspritz-
brennraumgemittelten Wert sinkt die Verbrennungs- techniken zurückzugreifen. So scheiterte zunächst
temperatur und damit die Stickoxidbildung. Die Dar- sein Versuch, die heute selbstverständliche Hoch-
stellung gibt auch die Erklärung für das beim Diesel- druckeinspritzung des Kraftstoffes einzusetzen, an
motor typische gegenläufige Verhalten der Ruß- und den damaligen technischen Möglichkeiten. Als „Not-
Stickoxidemissionen. Relativ niedrige Temperaturen lösung“ entwickelte er ein Verfahren, bei dem der
und Luftmangel fördern die Rußbildung und mindern flüssige Kraftstoff mittels Druckluft in den Brenn-
die Stickoxidbildung. Hohe Temperaturen und Luft- raum des Motors eingeblasen wurde. Nach [10]
überschuss haben eine entgegengesetzte Wirkung. Eine zeichnete sich dieses Brennverfahren durch einen
deutliche Absenkung beider Emissionen ist nur einge- äußerst ruhigen und „weichen“ Motorlauf aus. Der
schränkt möglich. Hohe Einspritzdrücke verbessern Auspuff war rußfrei und geruchlos. Dieses Ergebnis
die Gemischbildung (Homogenisierung), verringern kann heute folgendermaßen erklärt werden:
die Rußpartikelbildung und erlauben damit eine höhe-
re AGR-Rate, um die Temperaturen und damit die x die Lufteinblasung ergibt eine sehr feine Zerstäu-
Stickoxidbildung zu reduzieren. Neben der Rußbil- bung des Kraftstoffes
dung ist auch der Rußoxidationsprozess in der 3. Pha- x vor der eigentlichen Verbrennungsphase findet
se des Verbrennungsablaufs gezielt zu beeinflussen, eine intensive Mischung von Kraftstoff und Luft
zum Beispiel durch eine Nacheinspritzung nach der bereits in der Düse statt
664 15 Verbrennungsverfahren

x infolge der Kühlung der Einblaseluft und der wei- 15.1.2.1 Verfahren mit indirekter
teren Abkühlung beim Einströmen in den Zylinder Kraftstoffeinspritzung (IDI)
(Expansion) wird die Rußbildung weitestgehend
verhindert. Bei Motoren, die mit einem solchen Verfahren arbei-
ten, ist der Brennraum unterteilt. Er besteht aus einem
Der für die späteren Entwicklungen entscheidende Hauptbrennraum und einem Nebenbrennraum. Der
Nachteil des Verfahrens war der hohe Arbeitsauf- Nebenbrennraum ist als Kammer ausgebildet und
wand für den Antrieb des benötigten Luftkompres- befindet sich im Zylinderkopf. Der Hauptbrennraum
sors, der einen entsprechend hohen Kraftstoff- wird durch den Zylinder und eine im Kolbenboden
verbrauch zur Folge hatte. Wegen der direkten Ein- befindliche an die Lage der Kammermündung ange-
bringung des Kraftstoffes in den Brennraum kann passte Kolbenmulde gebildet. Diese Motoren werden
dieses Verfahren zu den Verfahren mit direkter Ein- deshalb auch als Kammer- oder Nebenkammermoto-
spritzung (DI) gerechnet werden, obwohl es sich ren bezeichnet. Haupt- und Nebenbrennraum sind
grundlegend von den heutigen Hochdruckeinspritz- durch einen beziehungsweise mehrere Kanäle mitein-
verfahren unterscheidet. Die Direkteinspritzung des ander verbunden. Der Nebenbrennraum wird kon-
Kraftstoffes ist somit das historisch älteste Diesel- struktiv als Wirbel- oder Vorkammer ausgeführt.
Verbrennungsverfahren. In der beschriebenen Form Beide Verfahren haben Folgendes gemeinsam:
war es aber nur Motoren mit relativ niedrigen Dreh- Der Kraftstoff wird unter mäßigem Druck (< 400 bar)
zahlen, das heißt Motoren mit größeren Brennraum- mittels Steck-, Reihen- oder Verteilereinspritzpumpe
abmessungen, vorbehalten. Das Dieselverfahren auch in die Nebenkammer eingespritzt. Als Einspritzdüsen
für schnelllaufende Motoren und den Fahrzeugeinsatz werden Drosselzapfendüsen (geringe Einspritzmenge
nutzbar zu machen, erforderte weitere Entwicklungs- während des Zündverzuges) eingesetzt. Nach schnel-
schritte. Wichtige Voraussetzung war die Einführung ler Mischung der ersten Kraftstoffteilmenge mit der
der zu Beginn der Zwanzigerjahre des vorigen Jahr- Luft und relativ kurzem Zündverzug (hohe Wand-
hunderts technisch möglich gewordene und zugleich temperatur der Kammer) erfolgt die Zündung in der
kostengünstigere und besser dosierende Hochdruck- Nebenkammer. Die infolge der Verdrängerwirkung
einspritzung. Der Nachteil der Hochdruckeinsprit- des Kolbens während der Kompressionsphase vom
zung gegenüber der Lufteinblasung war, dass ohne Hauptbrennraum mit hoher Geschwindigkeit in die
zusätzliche Maßnahmen die Gemischbildung aus- Kammer überströmende Luft unterstützt die Ge-
schließlich durch die Einspritzdüse (ohne Luftunter- mischbildung in der Kammer maßgeblich. Unmittel-
stützung) erfolgt. Bis zu einem gewissen Grade reicht bar nach der Zündung steigen Druck und Temperatur
die mit zunehmender Drehzahl im Brennraum anstei- in der Kammer schnell über die Werte im Haupt-
gende Ladungsturbulenz aus, um die eintretende brennraum an. Der höhere Kammerdruck bewirkt ein
Zeitverkürzung durch erhöhte Mischungs- und damit intensives Ausströmen des sich in der Kammer bil-
auch zunehmende Verbrennungsgeschwindigkeit denden und teilweise bereits brennenden Luft-
auszugleichen. Bei Drehzahlsteigerungen in Bereiche, Kraftstoff-Gemisches in den Hauptbrennraum. Dabei
wie sie heute von den mittelschnelllaufenden und kommt es zu einer intensiven Mischung des ausströ-
schnelllaufenden Motoren abgedeckt werden, muss- menden Gemischstromes mit der im Hauptbrennraum
ten Lösungen gefunden werden, die eine entspre- ausreichend vorhandenen Luft.
chende Beschleunigung der Gemischbildungs- und Die Brennverfahren mit indirekter Einspritzung
Verbrennungsvorgänge ermöglichten. Als wichtige neigen zu erhöhter Rußbildung. Die Ursache hierfür
Einflussgrößen wurden die Relativgeschwindigkeit ist der Luftmangel bei relativ hohen Temperaturen im
zwischen Kraftstoff und Luft sowie der Einfluss der Nebenbrennraum nach der Zündung. Bei hohen
Brennraumwand auf die Geschwindigkeit der Ge- Motorlasten kann ein Teil des in dieser Phase gebil-
mischbildungsvorgänge erkannt. Die Relativge- deten Rußes im Hauptbrennraum wieder oxidieren.
schwindigkeit zwischen Kraftstoff und Luft kann am Bei Teillast sind aber die Temperaturen für eine
wirksamsten durch: wirksame Nachverbrennung zu niedrig. Die Stick-
oxidbildung ist bei den Kammerverfahren weitgehend
x die Kraftstoffgeschwindigkeit im Brennraum unterdrückt. Der Luftmangel in der Kammer ist
(Höhe des Einspritzdruckes) und hierbei von Vorteil. Beim Ausblasen des Gemisches
x die Luftgeschwindigkeit im Brennraum (Brenn- aus der Kammer wird das Gemisch schnell verdünnt,
raum- und Einlasskanalgestaltung) so dass hohe örtliche Temperaturen und gleichzeitig
beeinflusst werden. Beste motorische Ergebnisse für die Stickoxidbildung günstige Luftverhältnisse
werden durch die optimale Abstimmung von Kraft- weitgehend vermieden werden können. Die intensive
stoffeinspritzung und Luftbewegung im Brennraum Gemischbildung bei den Kammerbrennverfahren
erreicht. führt auch zu günstigen Kohlenwasserstoff- und
Vor diesem Hintergrund entstanden weiter diesel- Kohlenmonoxidemissionen dieser Motoren. Ein
motorische Verbrennungsverfahren. weiterer Vorteil der intensiven Gemischbildung ist
15.1 Dieselmotoren 665

der daraus resultierende relativ geringe Zylinder- verbrauchswerte und Abgasemissionen. Grundsätz-
druckanstieg, der zu einer entsprechend niedrigen lich sind die Vorkammern rotationssymmetrisch
Geräuschentwicklung führt. Diese Brennverfahren ausgebildet. Der eigentliche Kammerraum, in den die
ermöglichen außerdem eine hohe Luftausnutzung Kraftstoffeinspritzung erfolgt, kann kugel- bis eiför-
(nahe der stöchiometrischen Gemischzusammenset- mig ausgeführt sein. Die Kammer ist mit einem
zung) bei Volllast und gleichzeitig hohen Motordreh- Schusskanal, der in mehreren Brennlöchern endet,
zahlen. mit dem Hauptbrennraum verbunden. Nach [4] sollte
Die geschilderten Eigenschaften der Kammerbrenn- die Größe des Kammervolumens etwa 40 bis 50 %
verfahren sicherten den Kammermotoren lange Zeit des Kompressionsvolumens betragen. Dieses Ver-
die Vormachtstellung im Bereich der schnelllaufen- hältnis beeinflusst die Ruß- und Stickoxidbildung
den Motoren, insbesondere der Pkw-Dieselmotoren. stark und ist entsprechend zu optimieren. Der optima-
Selbst in der Gruppe der mittelschnelllaufenden le Querschnitt aller Brennlöcher liegt bei 0,5 % des
Motoren waren Kammermotoren im oberen Dreh- Kolbenquerschnitts. Eine größere Lochanzahl verrin-
zahlbereich vertreten. Inzwischen sind die Kammer- gert die Rußemission. Die Einspritzdüse ist am obe-
motoren wegen ihres höheren Verbrauches durch die ren Ende der Kammer gegenüber dem Schusskanal
Motoren mit Direkteinspritzung abgelöst worden. angeordnet. Das Verdichtungsverhältnis dieser Moto-
ren liegt zwischen 21 : 1 und 22 : 1. Das Vorkammer-
Vorkammerverfahren, [11]. Dieses Verfahren ent- verfahren ist für kleine Zylinder-Hubvolumina nicht
stand schon in den Zwanzigerjahren des vorigen gut geeignet. Die Gemischbildung in der Kammer
Jahrhunderts. Bild 15-9 zeigt eine Vorkammer kann durch einen in Geometrie und Lage an die
nach [12]. Kammer angepassten Kugelstift (siehe Bild 15-9)
Die hier dargestellte Ausführung in einem Vierventil- optimiert werden. Dieser Stift ist quer zur Einspritz-
Motor hat wegen der symmetrischen und zentralen strahlrichtung angeordnet und unterstützt die Aufbe-
Anordnung der Vorkammer zum Hauptbrennraum reitung des auftreffenden Kraftstoffstrahls, die Kraft-
gegenüber einer Zwei-Ventilausführung das größere stoffverteilung und die Luftbewegung in der Kam-
Potenzial hinsichtlich der erreichbaren Kraftstoff- mer. Trotz des relativ hohen Verdichtungsverhältnis-
ses kommt das Verfahren nicht ohne Zündhilfe
(Glühkerze) aus.

Wirbelkammerverfahren, [13]. Die Kammer ist


scheiben-, kugelförmig oder auch oval ausgebildet.
Hautbrennraum und Kammer sind über einen Kanal
mit relativ großem Strömungsquerschnitt miteinander
verbunden, Bild 15-10. Der Überströmkanal mündet
tangential in die eigentliche Brennkammer ein, so
dass bei der Aufwärtsbewegung des Kolbens die in
die Kammer überströmende Luft in eine kräftige
Drehbewegung versetzt wird. Das Verhältnis von
Wirbeldrehzahl zu Motordrehzahl ist abhängig vom
Betriebszustand des Motors, insbesondere von der
Drehzahl, und liegt zwischen 20. und 50. Kammer-
größe sowie Lage und Geometrie des Überströmka-
nals sind mit der Düsenanordnung in der Kammer
und der am Kolbenboden gegenüber dem Kanalaus-
tritt vorzusehenden, meist brillenförmigen Brenn-
raummulde optimal aufeinander abzustimmen. Die
Kolbenmulde bewirkt eine Abbremsung der brennen-
den Fackel am Muldenrand und verringert so die
Gefahr, dass noch nicht vollkommen verbrannter
Kraftstoff auf kältere Bereiche des Kolbenbodens
transportiert wird und dort zu verstärkter Rußbildung
führt. Die optimale Größe des Kammervolumens soll
etwa 50 % des Kompressionsvolumens betragen [4].
Die Einspritzdüse ist im oberen Teil der Kammer
angeordnet, so dass der Kraftstoffstrahl tangential zur
Bild 15-9 Brennraumanordnung eines Vierventil- Kammer entgegen der einströmenden Luft auf eine
Vorkammermotors (DaimlerChrysler AG) heiße gegenüberliegende Kammerwand gerichtet ist
666 15 Verbrennungsverfahren

und in Zylinderachse ausgerichtete Einspritzdüse eine


für Gemischbildung und thermische Belastung des
Einspritzdüse Brennraumes vorteilhafte symmetrische Gestaltung
Glühstift des Brennraumes. Bild 15-11 zeigt die unsymmetri-
sche Gestaltung mit zwei Ventilen.
Der maximale Einspritzdruck (1.600 bis 2.500 bar)
und der Düsenbohrungsdurchmesser bestimmen die
Größe der Kraftstofftropfen und die Relativge-
schwindigkeit zwischen Kraftstoff und Luft im Ein-
spritzstrahl. Der Brennraum ist weitestgehend offen
und der Form und Lage der Einspritzstrahlen ange-
passt. Bei kleineren Motoren und damit steigender
Drehzahl reicht die durch den Ansaugvorgang, die
Kraftstoffeinspritzung und die Kolbenbewegung
Bild 15-10 Wirbelkammer mit Einspritzdüse und angefachte Luftbewegung für eine gute Gemischbil-
Glühstift (Opel Omega 2,3 D) [13] dung oft nicht mehr aus. Um die Relativgeschwindig-
keit zwischen Kraftstoff und Luft im Brennraum zu
erhöhen, sind besondere Maßnahmen erforderlich.
und so vom Luftwirbel in der Kammer senkrecht
Durch die Gestaltung zum Beispiel der Einlasskanäle
durchdrungen wird. Beim Durchtritt des Kraftstoff-
als Drall- und/oder Tangentialkanal entsteht beim
strahles durch die Wirbelkammer wird ein Teil des
Einströmvorgang in den Brennraum eine intensive
Kraftstoffes schnell verdampft und auf Zündbedin-
Drehbewegung der Luft um die Zylinderachse
gungen gebracht. Der größte Teil der eingespritzten
(Drall). Diese überlagert sich der ohnehin im Brenn-
Kraftstoffmenge gelangt zunächst auf die bis zu
raum vorhandenen Turbulenz und bewirkt eine
900 K heiße Kammerwand. Dort dampft er relativ
langsam ab. Die Zündung beschleunigt diesen Vor-
gang stark. Der sich bildende Kraftstoffdampf wird
durch die Wirbelbewegung der Luft in der Kammer
schnell und intensiv vermischt. Der weitere Verbren-
nungsablauf läuft ähnlich dem im Vorkammermotor
ab. Das Verdichtungsverhältnis dieser Motoren be-
trägt zwischen 22 : 1 und 23 : 1. Das Wirbelkammer-
verfahren ist bis zu Drehzahlen von etwa 5.000 1/min
(etwas höher als beim Vorkammerverfahren) an-
wendbar und damit besonders für den Pkw-Einsatz
geeignet. Die Verbrennungseigenschaften und er-
reichbaren Mitteldrücke an der Rußgrenze sind ver-
gleichbar mit denen der Vorkammermotoren. Das
Wirbelkammerverfahren kommt ebenfalls nicht ohne
Zündhilfe (Glühkerze) aus.

15.1.2.2 Verfahren mit direkter


Kraftstoffeinspritzung (DI)
Bei den Verfahren mit direkter Kraftstoffeinspritzung
ist der Brennraum ungeteilt [4, 14 –16, 28], Bild
15-11. Der eigentliche Brennraum wird dabei von
einer im Kolbenboden angeordneten Mulde gebildet.
Bis zu 80 % des Kompressionsvolumens können so in
dieser Kolbenmulde untergebracht werden. Diesel-
motoren mit einem Zylinderdurchmesser größer circa
300 mm kommen dabei gewöhnlich ohne eine zusätz-
liche Luftbewegung im Brennraum aus. Die Ge-
mischbildung erfolgt ausschließlich durch das Ein-
spritzsystem, insbesondere durch die Auslegung der
Einspritzdüse. Als Einspritzdüsen werden Mehrloch-
düsen mit je nach Motorgröße bis zu zwölf Düsen- Bild 15-11 Brennraumanordnung eines Zweiventil-
bohrungen eingesetzt. Eine Motorausführung mit vier DI-Motors mit Pumpe-Düse-Einspritzsystem (Audi
Ventilen ermöglicht durch die zentral angeordnete AG)
15.1 Dieselmotoren 667

Zylinderkopf

Quetsch-
strömung

4-Loch-
Drallströmung
Einspritzdüse
Strahlausbreitung Bild 15-12 Strömungsvor-
ohne Luftdrall
gänge im Brennraum eines
Strahlausbreitung
mit Luftdrall
Dieselmotors mit Direktein-
spritzung und vorwiegend
luftverteiltem Kraftstoff [4]

Kombination beider Verfahren angewendet. Um


8 2000
Bestwerte für den Kraftstoffverbrauch und die Ab-
gasemissionen zu erzielen, sind die Einlasskanäle, die
Brennraumgeometrie und die Kraftstoffeinspritzung
optimal zu gestalten und aufeinander abzustimmen,
6 1500
Bild 15-13.
Eine Reduzierung der Anzahl an Düsenbohrungen
erfordert die Anhebung des Dralls und umgekehrt.
Einspritzdruck

Drall Einspritzdruck
Drallzahl

Bei zu hohem Drall und einer hohen Anzahl von


bar

4 1000 Spritzlöchern überlagern sich die einzelnen Kraft-


stoffstrahlen (Strahlverwehung). Dies führt zu örtli-
chen „Überfettungen“ des Gemisches mit der Folge
schlechter Luftausnutzung und hoher Abgasemissio-
2 500 nen. Bei Fahrzeugmotoren ist die optimale Abstim-
mung der Gemischbildung im gesamten Betriebsbe-
reich besonders schwierig. Simulationsverfahren (3D)
und verbesserte experimentelle Möglichkeiten
0 0 (Transparentmotor) helfen, die Aufgaben erfolgreich
0 2 4 6 8
zu lösen. Last- und drehzahlabhängige Anpassung
Düsenlochanzahl
des Dralls ist für optimalen Motorbetrieb erforder-
lich. Schnelllaufende Motoren benötigen Verdich-
Bild 15-13 Typischer Zusammenhang zwischen Ein-
tungsverhältnisse zwischen 15 : 1 und 19 : 1 und wie
spritzdruck, Drallzahl und Düsenlochzahl [16]
bei den Motoren mit indirekter Kraftstoffeinspritzung
sind zur Gewährleistung eines sicheren Kaltstarts und
schnelle Verteilung und Vermischung des unmittelbar Warmlaufs Glühstifte vorzusehen. Diese Motoren
mit der Kraftstoffeinspritzung im Einspritzstrahlbe- erreichen heute Maximaldrehzahlen von bis zu
reich entstehenden Kraftstoffdampfes mit der im 5.000 1/min und mit Abgasturboaufladung im Best-
Brennraum vorhandenen Luft (Makrogemischbil- punkt effektive Wirkungsgrade um 43 %. Bei den
dung). Eine weitere Möglichkeit, die Relativge- Großmotoren sind in Abhängigkeit des Aufladegra-
schwindigkeit zwischen Kraftstoff und Luft im des Verdichtungsverhältnisse zwischen 11 : 1 und
Brennraum zu erhöhen, besteht in der Einschnürung 16 : 1 realisiert. Es werden heute effektive Wirkungs-
der Kolbenmulde im Bereich des Kolbenbodens. grade von knapp über 50 % erreicht. Der geschilderte
Dadurch wird während des Kompressionshubes die Zusammenhang zwischen Motordrehzahl (Motorgrö-
oberhalb des Kolbenbodens befindliche Luft in Rich- ße), Luftbewegung und Brennraumform zeigt sich
tung Kolbenmulde verdrängt. Beim Einströmen der auch deutlich in der Gegenüberstellung typischer
Luft in die Mulde entsteht eine intensive Wirbelbe- Brennraumformen von Motoren mit Direkteinsprit-
wegung, der sogenannte Quetschwirbel, Bild 15-12. zung mit zunehmender Drehzahl, Bild 15-14. Links
Der Quetschwirbel hat gegenüber dem Drall den im Bild 15-14 ist der typische Brennraum eines
Vorteil, dass er mit Annäherung des Kolbens an den mittelschnelllaufenden Motors, rechts der eines Pkw-
oberen Totpunkt (Phase der Kraftstoffeinspritzung) Motors dargestellt. Deutlich ist die zunehmende
an Intensität noch zunimmt, während der beim An- Einschnürung und Vertiefung der Kolbenmulde mit
saugvorgang erzeugte Drall bereits abklingt. Mit zunehmender Drehzahl (kleinerem Kolbendurchmes-
zunehmender Schnellläufigkeit der Motoren wird die ser) zu erkennen. Dadurch wird die Quetschwirkung
668 15 Verbrennungsverfahren

Bild 15-14 Einfluss von


Motorgröße (Drehzahl) auf
Brennraummuldenform und
erforderliche Luftbewegung
bei Dieselmotoren mit direk-
Zylinderdurchmesser nimmt ab / Drehzahl steigt
ter Einspritzung, in Anleh-
erforderliche Drallzahl steigt
nung an [4]

Verbrennungsgeräuschs gegenübergestellt [4, 18].


4,5
Grundsätzlich unterscheiden sie sich in der Art der
4,0 Erzeugung der für die Gemischbildung erforderlichen
Relativgeschwindigkeit zwischen Kraftstoff und Luft.
3,5
Kammerverfahren arbeiten mit geringen Einspritz-
drücken, also relativ geringen Kraftstoffgeschwindig-
Integrale Drallzahl [-]

3,0
keiten, und benötigen deshalb hohe Luftgeschwindig-
Streuband verschiedener
2,5
Serienmotoren keiten. Bei den Verfahren mit Direkteinspritzung
werden hohe Kraftstoffgeschwindigkeiten durch hohe
2,0
Einspritzdrücke erzielt. Sie kommen deshalb mit
1,5 geringeren Luftgeschwindigkeiten aus. Die bei den
Motoren mit Direkteinspritzung zur Erzeugung der
1,0 Luftbewegung erforderlichen Drallkanäle begrenzen
0,5
aber bei hohen Drehzahlen die Zylinderfüllung und
erhöhen die Ladungswechselverluste. Die erforderli-
0 chen Strömungsgeschwindigkeiten im Bereich des
50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150
Zylinderdurchmesser [mm]
oberen Totpunktes nehmen von der Direkteinsprit-
zung, über das Wirbelkammerverfahren hin zum
Bild 15-15 Typische Abhängigkeit der erforderlichen Vorkammerverfahren tendenziell zu. Mit ansteigen-
Drallzahl vom Zylinderdurchmesser [17] den Strömungsgeschwindigkeiten im Brennraum
wachsen aber die Strömungsverluste an. Außerdem
erhöht und der Drall bleibt bis in den Expansionshub bewirken höhere Strömungsgeschwindigkeiten größe-
erhalten. Im gleichen Sinne erhöht sich der erforderli- re Wärmeübergangszahlen und damit höhere Wand-
che Drall, Bild 15-15. wärmeverluste, die bei den Kammermotoren gegen-
Von der Tendenz her verringert sich dabei gleichzei- über den Motoren mit Direkteinspritzung zusätzlich
tig die Anzahl der Düsenbohrungen. Die optimale noch durch die größeren Brennraumoberflächen
Abstimmung des Brennverfahrens wird mit steigen- erhöht werden. Wegen der größeren Strömungs- und
der Motordrehzahl schwieriger, weil das System Wärmeübergangsverluste haben die Verbrennungs-
empfindlicher gegenüber der Brennraumgeometrie verfahren mit indirekter Kraftstoffeinspritzung einen
wird. Bei den Pkw-Brennräumen ist besondere Auf- circa 15 % höheren Kraftstoffverbrauch als die Moto-
merksamkeit auf die Feinformgebung des Mulden- ren mit Direkteinspritzung. Wegen des ungünstigeren
randes (Turbulenzring) zu legen [17]. Zunehmend Oberflächen-Volumen-Verhältnisses (um 30 bis 40 %
setzt sich auch die Ausführung mit vier Ventilen und größer gegenüber DI) der Brennräume weisen die
zentraler Einspritzdüse bei den kleineren Zylinder- Motoren mit indirekter Kraftstoffeinspritzung ein
größen durch. Durch die heute möglichen hohen schlechteres Kaltstartverhalten auf, welches nicht
Einspritzdrücke kann die Spritzlochanzahl erhöht und vollständig durch ein höheres Verdichtungsverhältnis
deren Durchmesser kleiner gewählt und in deren ausgeglichen werden kann. Die bei den Motoren mit
Folge der Drall verringert werden. Direkteinspritzung notwendig höheren Einspritzdrü-
cke führen zu höher belasteten und teureren Einspritz-
15.1.2.3 Gegenüberstellung anlagen.
der Verbrennungsverfahren Die höheren Ladungsgeschwindigkeiten bei den
Die oben betrachteten Verbrennungsverfahren wer- Kammerverfahren bewirken eine bessere Luftausnut-
den hier vorrangig hinsichtlich des spezifischen zung. Damit können niedrigere Luft-Kraftstoff-Ver-
Kraftstoffverbrauchs, der Abgasemissionen und des hältnisse an der Rauchgrenze erreicht werden. Dies
15.1 Dieselmotoren 669

Bosch 5
NFZ-DI-Motoren g
3 kWh 15
PKW-DI-Motoren g
4
Kammermotoren kWh
Schwärzungszahl

HC-Emission

NOx-Emission
2 3 10

2
1 5
1

0 0 0 Bild 15-16 Vergleich der


0 25 50 75 % 100 0 25 50 75 % 100 0 25 50 75 % 100 Abgasemissionen verschie-
Last
dener Brennverfahren [9]

kompensiert die gegenüber den Motoren mit Direkt- Kraftstoffeinspritzung. Wegen des deutlichen Vor-
einspritzung schlechteren Liefergrade und Kraftstoff- teils des DI-Motors beim Kraftstoffverbrauch und der
verbräuche, so dass etwa gleich hohe Volllastmittel- Beherrschung der Schadstoffe hat sich dieses Ver-
drücke bei Saugmotoren erreichbar sind. brennungsverfahren bei allen Dieselmotoren inzwi-
Die Schwarzrauchemission ist bei den Kammerver- schen durchgesetzt.
fahren besonders im unteren Lastbereich gegenüber Die Motoren mit Direkteinspritzung sind zunächst
den Verfahren mit Direkteinspritzung ungünstiger. thermisch niedriger belastet. Dadurch sind sie beson-
Bei den Stickoxidemissionen nimmt der Vorteil der ders für die Anwendung der Abgasturboaufladung,
Kammerverfahren gegenüber der Direkteinspritzung die ihrerseits für eine positive Beeinflussung der
mit der Motorlast zu. Auch bei den HC-Emissionen Abgasemissionen genutzt werden kann, geeignet. Die
haben die Kammerverfahren Vorteile gegenüber der in den letzten Jahren erreichten Fortschritte bei der
Direkteinspritzung, Bild 15-16. Turboladerentwicklung (zum Beispiel variable
Die enormen Fortschritte bei der Entwicklung der Turbinengeometrie, Stufen-/Registeraufladung) ma-
Einspritztechnik, insbesondere durch die Steigerung chen heute den schnelllaufenden Turbodieselmotor
der Einspritzdrücke und die Mehrfacheinspritzungen, mit Direkteinspritzung zu einem atttraktiven Wettbe-
haben die Emissionsvorteile der Kammerverfahren werber des Ottomotors im Pkw-Einsatz. In Europa
kompensiert. Lediglich bei den Stickoxiden haben die beträgt der Anteil von Pkw mit Dieselmotoren bei
Verfahren mit Direkteinspritzung wegen des höhe- den Neuzulassungen inzwischen etwa 50 %.
ren Gleichraumanteils bei der Wärmezufuhr, der
auch Ursache für das lautere Verbrennungsgeräusch 15.1.2.4 Entwicklungsrichtungen
ist, noch Verbesserungsbedarf, Bild 15-17. Da sie
jedoch eine wesentlich höhere Abgasrückführrate als Homogene Kompressionszündung, [20, 21 bis 26,
Kammermotoren vertragen, kann der Emissionsnach- 28, 29]. Die ständig zunehmende Verschärfung der
teil ausgeglichen werden. Abgasgesetzgebung belebt auch die Suche nach
Die Common-Rail-Einspritzsysteme erlauben die verbesserten Verbrennungsverfahren für den Diesel-
Realisierung einer nahezu beliebigen Teilung der motor. Insbesondere sind die Aktivitäten auf die
Lösung beziehungsweise Entschärfung des NOx /Par-
tikel-Problems mit innermotorischen Maßnahmen
220 gerichtet (siehe 15.1.1 Schadstoffbildung). Der Kraft-
Zylinderdruck-Anregungspegel Lpz

dB n = 2500 min–1 stoffverbrauch soll dabei nicht oder nur geringfügig


200 Vollast
Ottomotor
ansteigen. Eine Möglichkeit wird in der Selbstzün-
DI-Dieselmotor dung von stark homogenisierten Luft-Dieselkraft-
180 IDI-Dieselmotor
stoff-Gemischen gesehen.

160 Grundlage hierzu bildet die weitgehende Gemisch-


homogenisierung vor Einsetzen der Verbrennung.
140 Durch Kompression des homogenen Gemisches
erfolgt die Zündung gleichzeitig an vielen Orten im
120 Brennraum (Raumzündung). Der Brennbeginn und
100 1000 Hz 10000
Frequenz f Verbrennungsablauf werden dabei maßgeblich durch
die chemische Kinetik gesteuert. Der Reaktionsablauf
Bild 15-17 Zylinderdruck-Anregungsspektren ver- des Dieselkraftstoffes erfolgt in zwei Stufen. Er
schiedener Diesel-Verbrennungsverfahren im Ver- beginnt mit der sogenannten Kaltflammenreaktion
gleich zum Ottomotor [4] (unter circa 900 K) und setzt sich dann nach kurzer
670 15 Verbrennungsverfahren

Phase mit einer Reaktion mit negativem Temperatur- schiedenen Spritzlochquerschnitten (Ausbildung
koeffizienten als Heißflammenreaktion (über circa kleinerer Kraftstofftropfen mit schnellerer Ver-
1.000 K) bei stark erhöhter Intensität fort. Dabei dampfung); lastabhängige Anpassung der Spritz-
treten hohe Verbrennungsgeschwindigkeiten auf lochdurchmesser (Variodüse)
(kurze Brenndauer), die zu steilen Druckanstiegen im x Einblasen von Kraftstoffdampf in das Saugrohr
Zylinder führen. Kann ein optimaler Verbrennungs- oder den Zylinder (Dampf kann schnell mit Luft
schwerpunkt beibehalten werden, wird sich auch der vermischt werden, höherer Aufwand)
thermische Wirkungsgrad verbessern. Um die Ver- x Die Homogenisierung kann durch optimierte
brennungsgeschwindigkeit auf normale Werte zu Anpassung der Ladungsbewegung und Vorwär-
dämpfen, ist eine Ladungsverdünnung erforderlich, mung der Verbrennungsluft (fördert die Kraft-
die durch Abmagerung des Gemisches (hohe O- stoffverdampfung, kann aber zu thermodynamisch
Werte) oder zweckmäßigerweise durch Abgasrück- ungünstigem frühen Zündzeitpunkt führen) unter-
führung (AGR) erreicht werden kann. Infolge der stützt werden.
Gemischhomogenisierung und dadurch, dass der
verbrennende Kraftstoff gleichzeitig die gesamte Probleme der homogenen Dieselverbrennung:
Zylinderladung aufheizen muss, werden örtlich hohe x Brennbeginn und Verbrennungsablauf (Verbren-
Temperaturspitzen vermieden. Dieselkraftstoff hat aber nungsgeräusch, Brenndauer) sind nicht über den
wegen seiner hohen Siedelage (mäßiges Verdamp-
Einspritzbeginn steuerbar, sondern durch den Zu-
fungsverhalten) und seiner hohen Cetan-Zahl (früher
stand der Zylinderladung bei Einlassschluss und
Verbrennungsbeginn) ungünstigere Voraussetzungen
während der Kompression sowie durch die La-
für die Erzeugung beziehungsweise Verbrennung eines
dungszusammensetzung (zum Beispiel variable
homogenen Gemisches als beispielsweise Benzin.
Ansauglufttemperatur, variables Verdichtungsver-
Möglichkeiten der Gemischhomogenisierung: hältnis, variable AGR-Rate).
Grundsätzlich kann ein homogenes Luft-Kraftstoff- x Tendenz zur vorzeitigen Zündung wegen hoher
Gemisch durch Einbringen des Kraftstoffes (flüssig Cetan-Zahl des Dieselkraftstoffes (Absenkung des
oder gas- beziehungsweise dampfförmig) in das Sau- Verdichtungsverhältnisses und Ladungsverdün-
grohr oder direkt in den Brennraum erreicht werden. nung erforderlich).
Die Verdampfung des Kraftstoffes erfordert einen x Erzeugung eines optimalen Zündfensters (O-T-
zusätzlichen Energie- und Systemaufwand, hat aber Bereich).
den Vorteil, dass verdampfter Kraftstoff wesentlich x Erreichen hoher Mitteldrücke ist durch klopfähn-
schneller und gleichmäßiger mit Luft gemischt wer- liche Erscheinungen und/oder O  1 beziehungs-
den kann als flüssiger. Bei der Zufuhr des Kraftstof- weise hohe AGR-Raten begrenzt.
fes in das Saugrohr ist gegenüber dem konventionel- x Die Motordrehzahl ist nach oben hin begrenzt,
len Dieselmotor ein zusätzliches und/oder völlig weil die Gemischbildung (Homogenisierung) zeit-
anderes Gemischbildungssystem erforderlich. Außer- kontrolliert ist.
dem besteht die Gefahr einer verstärkten Wandanla- x Die HC- und CO-Emissionen steigen infolge
gerung von Kraftstoff im Saugrohr beziehungsweise hoher AGR-Raten, verstärkter Wandeinflüsse
Eintrag von flüssigem Kraftstoff über das Einlassven- (Wandbenetzung und Flammenauslöschung) und
til in den Brennraum mit der Gefahr der Schmieröl- einer unvollständigen Umsetzung beider Kompo-
verdünnung. Deshalb werden für die Entwicklung der nenten durch die abgesenkten Temperaturen an
homogenen Dieselverbrennung Verfahren mit innerer (Gegenmaßnahme: Oxidationskatalysator; aber
Gemischbildung (Direkt-Einspritzung) bevorzugt: steigender Aufwand und Light-Off-Problem we-
x Homogenisierung durch frühe Einspritzung wäh- gen geringerer Abgastemperatur durch die hohe
rend des Saug- beziehungsweise Kompressions- Ladungsverdünnung).
hubes (langer Zündverzug; mehr Zeit für die Ge- x Durch die Gemischhomogenisierung und komp-
mischbildung, aber Gefahr der Wandbenetzung lizierte Prozesssteuerung steigt der notwendige
und Schmierölverdünnung) Aufwand erheblich an.
x Homogenisierung durch späte Einspritzung wäh- x Die Wandbenetzung durch den eingespritzten
rend der Expansionsphase (langer Zündverzug; Kraftstoff (besonders bei Zuführung des Kraftstof-
mehr Zeit für die Gemischbildung, aber thermo- fes ins Saugrohr oder bei früher Einspritzung in
dynamisch ungünstig) den Brennraum während des Kompressionshubes)
x Mehrfacheinspritzungen (bessere örtliche Vertei- muss möglichst vermieden werden.
lung des Kraftstoffes im Brennraum; Vermeidung x Der Kaltstart wird wegen des abgesenkten Ver-
von Wandbenetzung) dichtungsverhältnisses zur Vermeidung vorzeiti-
x Einsatz von Einspritzdüsen mit zum Beispiel bis ger Selbstzündung schwieriger.
zu vierzig Löchern (zum Beispiel lasergebohrt, x Die Steuerung des Prozessablaufes ist besonders
Durchmesser <0,1 mm); Einspritzdüsen mit ver- bei transienten Betriebszuständen sehr kompliziert.
15.1 Dieselmotoren 671

Schlussfolgerungen: rung des Prozesses (insbesondere der Kraftstoffein-


Ideal bezüglich geringer Schadstoffemissionen wäre spritzung, der Abgasrückführung – intern und extern,
die Verbrennung eines bis zum Einsetzen der Kom- der Aufladung – Ladeluftdruck und -temperatur) den
pressionszündung vollständig homogenisierten Gemi- Homogenisierungsgrad der Zylinderladung hinsicht-
sches. Dieses ideale Verfahren wird als HCCI-Ver- lich NOx- und Partikelemissionen sowie Kraftstoff-
fahren (Homogeneous Charge Compression Ignition) verbrauch zu optimieren. Es kommt darauf an, unter
bezeichnet. Aus heutiger Sicht scheint der Betrieb des Einhaltung der genannten Grenzen in einem mög-
Dieselmotors mit homogener Verbrennung aber nur lichst großen Teillast- und Drehzahlbereich eine weit-
im unteren Last- und Drehzahlbereich möglich zu gehende Gemisch-Homogenisierung zu erreichen und
sein. Bild 15-18 zeigt das Potenzial, dieses Verbren- darüber hinaus den Homogenisierungsgrad (Teilho-
nungsverfahrens. mogenisierung) der Ladung optimal an die motori-
schen Betriebsbedingungen anzupassen.
20
Bekannte Verfahren (Auswahl):
16 Die Betriebsweise des DCCS (Dilution Controlled
effektiver Mitteldruck [bar]

500
% Rohemissionen
487
Combustion System) von Toyota ist die eines kon-
400
12 DE-Diesel
348
ventionellen Dieselmotors, bis auf die erforderlichen
300

8
sehr hohen AGR-Raten von etwa 75 %. Durch diese
Kompressions- 200
zündung hohe Ladungsverdünnung werden die Arbeitsstoff-
(homogen) 100
4
0
7,4 5,6 temperaturen unter die Schwellwerte für eine intensi-
NOx Ruß HC
(aus FSN)
CO
ve NOx- und Rußbildung gesenkt. Es werden Mittel-
0
500 1500 2500 3500 4500 drücke des Hochdruckprozesses von etwa 10 bar bei
Drehzahl [1/min]
sehr niedrigen Emissionswerten für NOx und Ruß
erreicht. Die HC-Emissionen sind stark erhöht. Der
Bild 15-18 Potenzial der homogenen Kompressions-
indizierte Wirkungsgrad ist stark abgesenkt.
zündung beim DI-Dieselmotor [20]
Das von Nissan vorgestellte MK-Verfahren (Modula-
ted Kinetics) arbeitet mit einer Teilhomogenisierung
Zu hohen Mitteldrücken hin ist der Motorbetrieb durch späte Einspritzung nach dem oberen Totpunkt.
durch die sogenannte „Knock-Grenze“ beschränkt, Die Verlängerung des Zündverzuges durch die sinken-
die grundsätzlich durch die notwendige Ladungs- de Arbeitsstofftemperatur wird durch eine AGR-Rate
verdünnung durch Abmagerung (Omin) gegeben ist. von etwa 40 % unterstützt. Zur Verhinderung der Ruß-
Diese Grenze kann durch zunehmende AGR-Rate bis bildung ist die strikte zeitliche Trennung der Einspritz-
an die jeweilige Zündgrenze erweitert werden. Der und Verbrennungsphase wichtig. Der erreichbare indi-
maximale Mitteldruck wird dann mit O| 1 und hohen zierte Mitteldruck des Hochdruckprozesses liegt bei
AGR-Raten erreicht. Nach unten ist der Mitteldruck circa 8 bar. Er ist durch die mit der Motorlast zuneh-
durch die kleinstmögliche Kraftstoffmenge gegeben. mende Einspritzdauer und die infolge der gleichzeitig
Die maximale Drehzahl wird von der notwendigen ansteigenden Prozesstemperaturen eintretende Verkür-
Zeit zur Bildung eines homogenen Gemisches be- zung des Zündverzuges begrenzt. Wirkungsgrad, HC-
stimmt. Durch Aufladung kann die obere Grenze für und CO-Emissionen entsprechen etwa denen der
den Mitteldruck noch erweitert werden. Aufgrund der konventionellen Dieselmotoren. Dieses Verfahren ist
so gegebenen relativ engen Grenzen für Mitteldruck auch unter der Bezeichnung HPLI (Highly Premixed
und Drehzahl, sowie der Probleme, die mit den oben Late Injection) bekannt geworden.
genannten Eigenschaften des Dieselkraftstoffes Werden die Merkmale Teilhomogenisierung und
verbunden sind, muss der Motor im oberen Last- und hohe AGR-Rate zusammengeführt, kommt man zum
Drehzahlbereich konventionell mit heterogenem sogenannten HCLI-Verfahren (Homogeneous Char-
Gemisch betrieben werden. Um beide Gemischbil- ge Late Injection). Dieses Verfahren ist durch eine
dungsverfahren in einem Motor zu realisieren, sind vergleichsweise frühe Einspritzung gekennzeichnet.
wegen der extrem unterschiedlichen Einspritzzeit- Der zeitliche Abstand zwischen dem Einspritzende
punkte hohe Anforderungen an die optimale Brenn- und dem Verbrennungsbeginn ist wesentlich größer
raumgestaltung, das Einspritzsystem und die AGR- als beim HPLI-Verfahren. Es wird Rußfreiheit bei
Regelung erforderlich. Eine große Herausforderung sehr niedrigem NOx-Niveau und Wirkungsgraden
stellt hierbei die Regelung des transienten Motorbe- nahe denen des konventionellen Dieselmotors mög-
triebs und des nahtlosen Übergangs von der homoge- lich. Die HC- und CO-Emissionen liegen in der
nen Kompressionszündung zum konventionellen Größenordnung heutiger Ottomotoren mit Direktein-
Dieselbetrieb dar (zum Beispiel Einsatz von Brenn- spritzung. Das Verfahren ist gegenüber den Einstell-
raumdrucksensoren). Damit kommen aus praktischen parametern weitgehend unempfindlich. Es können
Gründen nur Verfahren in Frage, die in der Lage sind, indizierte Mitteldrücke des Hochdruckprozesse bis
im gesamten Kennfeld des Motors durch die Steue- circa 6 bar erreicht werden.
672 15 Verbrennungsverfahren

Bild 15-19 zeigt die Arbeitsbereiche der genannten


Verbrennungsverfahren im O-T-Schaubild. Ergänzend 10

hierzu sind im Bild 25-20 die jeweilige Lage der


Kraftstoffeinspritzung und der Energieumsetzung im DCCS NOx
Kurbelwinkelbereich dargestellt.

örtliches Luftverhältnis [-]


HPLI
HCCI
Anwendungen: HCLI
Für den praktischen Einsatz ist eine Kombination 1
verschiedener sich ergänzender Verfahren sinnvoll: DI-Diesel

x bis zu einem effektiven Mitteldruck von etwa


4 bis 6 bar Einsatz des HCLI-Verfahrens Alternative
x darüber hinaus bis zu einem effektiven Mittel- Verbrennungs-
verfahren
druck von etwa 6 bis 8 bar Einsatz des HPLI- Ruß
Verfahrens 0,1
1000 1500 2000 2500 3000
x darüber bis zur Volllast konventionelle Diesel- örtliche Flammentemperatur in K
verbrennung.
An einem so umgerüsteten und stationär betriebenen Bild 15-19 Arbeitsbereiche für homogene bezie-
Pkw-Dieselmotor mit 2,2 l Hubraum gewonnene hungsweise teilhomogene Diesel-Verbrennungsver-
Ergebnisse zeigen: fahren [20]

HCCI HCLI DI-Diesel DCCS HPLI


Nadelhub

100%

0%

300
HCLI HCCI DI-Diesel HPLI DCCS
250
Brennrate dQB [J/°KW]

200

150

100

50

0 Bild 15-20 Energieumset-


zung für homogene bezie-
–50
–120 –100 –80 –60 –40 –20 0 20 40 60 80 100 120 hungsweise teilhomogene
Kurbelwinkel [°KW] Diesel-Verbrennungs-
verfahren [21]

Für ein Fahrzeugtestgewicht von 1.590 kg ergeben lichkeit. Die Wechselwirkung der veränderten Ver-
sich auf den NEDC (New European Driving Cycle) brennungsverfahren mit den Erfordernissen der Abgas-
hochgerechnet gegenüber der Euro 4-Emissions- turboaufladung und die betriebspunktabhängige Steue-
vorschrift Reduktionspotenziale von circa 60 % für rung beziehungsweise Regelung der Prozesse sind
NOx- und 70 % für Partikelemissionen. weiter zu erforschen und zu optimieren. Obwohl eine
vollkommen homogene Dieselverbrennung (HCCI) im
Ausblick: gesamten Motorenkennfeld als unrealistisch einge-
Die zukünftigen Entwicklungen sind auf die Erhöhung schätzt werden muss, wird eine optimierte teilhomo-
der Lastgrenzen für das HCLI-Verfahren ausgerichtet, gene Dieselverbrennung die Weiterentwicklung der
um auf das HPLI-Verfahren verzichten zu können. Verbrennungsverfahren für die Dieselmotoren beein-
Hierzu sind weitere Untersuchungen zur Verbesserung flussen. Weitere Verbesserungen sind in begrenztem
der Ladungsverdünnung durch Aufteilung der notwen- Umfang durch die Anpassung des Kraftstoffes an das
digen AGR-Menge zwischen interner und externer Verbrennungsverfahren zu erwarten. Die Entwicklung
AGR durchzuführen. Die Mehrfacheinspritzungen synthetischer Kraftstoffe erschließt hierzu möglicher-
während des Kompressionshubes zur Erzeugung eines weise ein weiteres Potenzial. Allerdings ist für solche
homogenisierten Teilgemisches und dessen definierte teilhomogenen Verfahren eine Verbrennungsregelung
Zündung durch eine Hauteinspritzung sind eine Mög- über zum Beispiel Brennraumdrucksensoren [27]
15.1 Dieselmotoren 673

notwendig oder zumindest sinnvoll. Mit dem inzwi- einem besonders niedrigen Druckanstieg und Ver-
schen erreichten hohen Qualitätsstandard bei den brennungsgeräusch führt. Nach der Zündung kommt
Abgasnachbehandlungssystemen lässt sich mögli- es durch die hohe Gastemperatur zu einer intensiven
cherweise eine aufwändige innermotorische Lösung Abdampfung des Kraftstofffilmes von der Wand. Der
des NOx/Partikel-Problems vermeiden. intensive Luftwirbel sorgt für eine schnelle Vermi-
schung von Luft und Kraftstoff. Dadurch, dass der
15.1.2.5 Sonderverfahren und Besonderheiten Kraftstoff zunächst der hohen Gastemperatur entzo-
gen wird, ist die Rußemission relativ niedrig. Deshalb
MAN-M-Verfahren. Bei diesem Verfahren wurde zeichnet sich dieses Verbrennungsverfahren durch
ein völlig anderer Weg beschritten. Während bislang eine gute Luftausnutzung aus und erreicht hohe
galt, den Kraftstoff möglichst von der Brennraum- Mitteldrücke an der Rauchgrenze. Nachteilig sind die
wand fern zu halten, wurde hier der Kraftstoff be- hohen Strömungs- und Wärmeübergangsverluste, die
wusst auf die Wand aufgetragen. Der Brennraum ist zu einem höheren Kraftstoffverbrauch und zu einer
kugelförmig zentral im Kolbenboden angeordnet. höheren thermischen Belastung, insbesondere des
Diese Anordnung gab dem Verfahren auch den Na- Kolbens und des Zylinderkopfes, führen. Deshalb ist
men – Mittenkugelverfahren, Bild 15-21. dieses Verfahren nicht gut für die Aufladung geeig-
Der Kraftstoff wird mit Ein- oder Zweilochdüse und net. Im Teillastbereich verschlechtert sich wegen der
relativ niedrigem Druck tangential zur Brennraum- sinkenden Temperaturen die Gemischbildung, was zu
wand eingespritzt, wo er sich zunächst als Film erhöhten Kohlenwasserstoffemissionen führt. Diese
ausbreitet. Nur ein geringer Teil des Kraftstoffes wird Nachteile dieses Verfahrens gegenüber den vorwie-
zur Einleitung der Zündung luftverteilt. Die Verbren- gend luftverteilenden Verbrennungsverfahren mit
nungsverfahren mit Direkteinspritzung lassen sich Direkteinspritzung sind der Grund dafür, dass es
somit in wandverteilende und in luftverteilende heute nicht mehr eingesetzt wird. Das M-Verfahren
einteilen. Keines der Verfahren ist aber in vollkom- wurde vorrangig im Nfz-Bereich genutzt.
mener Form darstellbar. Deshalb werden die ausge-
führten Brennverfahren insbesondere bei kleinen
Zylindereinheiten besser als „vorwiegend“ wand- FM-Verfahren. Bei der Entwicklung des M-Ver-
beziehungsweise luftverteilend bezeichnet. Beim fahrens zeigte sich, dass es auch gut für die Verbren-
MAN-M-Verfahren wird durch die Wandauftragung nung niedrigsiedender Kraftstoffe geeignet ist (Viel-
des Kraftstoffes erreicht, dass die Kraftstoffge- stoffeignung). Daraus wurde das FM-Verfahren ent-
schwindigkeit fast zu Null wird und der flüssige wickelt. Innere Gemischbildung, Brennraumform und
Kraftstoff nicht der hohen Brennraumtemperatur Lastregelung wurden vom M-Verfahren übernom-
(Wandtemperatur circa 340 °C bei Volllast) ausge- men. Die Zündung erfolgt mit Hilfe einer Zündkerze
setzt wird. Zur Erreichung einer hohen Relativge- (F = Fremdzündung) wie beim Ottomotor. Der Pro-
schwindigkeit zwischen Kraftstoff und Luft bedarf es zessablauf entspricht nahezu dem des Gleichdruck-
einer hohen Luftgeschwindigkeit im Brennraum, die prozesses. Das Verhalten der Abgasemissionen ist
mittels Drallkanälen erreicht wird. Während des etwas günstiger als beim M-Verfahren. Wegen der
Zündverzuges dampft wenig Kraftstoff von der Kombination von Merkmalen des klassischen Diesel-
Brennraumwand ab. Es wird entsprechend wenig und Ottoverfahrens wird das FM-Verfahren zu den
Kraftstoff für die Verbrennung aufbereitet, was zu hybriden Verbrennungsverfahren gezählt.

Kraftstoffstrahl Kraftstofffilm

Luftdrall

Bewegung der heißen


Reaktionszonen Bild 15-21 Brennraum –
Kraftstoff- und Luftbe-
wegung beim MAN-M-
Verfahren [6, 19]
674 15 Verbrennungsverfahren

Diesel-/Gas-Motoren. Beim sogenannten Zünd- Literatur


strahlverfahren wird eine kleine Dieselkraftstoffmen-
[1] Renner, G.; Maly, R. R.: Moderne Verbrennungsdiagnostik für
ge (bis zu 5 % des Volllastverbrauchs) zur Zündung die dieselmotorische Verbrennung. In: Essers, U. (Hrsg.): Die-
eines meist außerhalb des Motorzylinders homogen selmotorentechnik 98. Renningen-Malmsheim: expert-verlag,
vorgemischten Luft-Brennstoff-Gemisches einge- 1998
spritzt. Die homogen, vorgemischten Gemische sind [2] Schünemann, E.; Fettes, C.; Rabenstein, F.; Schraml, S.; Lei-
pertz, A.: Analyse der dieselmotorischen Gemischbildung und
überwiegend magere Gemische aus gasförmigen Verbrennung mittels mehrdimensionaler Lasermesstechniken.
Kraftstoffen. Praktische Anwendung hat dieses Ver- In: IV. Tagung Motorische Verbrennung (Essen, März 1999).
fahren hauptsächlich als Zündstrahl-Gas-Dieselmotor Essen: Haus der Technik, 1999
im Großmotorenbereich gefunden. Bei entsprechen- [3] Fath, A.; Fettes, C.; Leipertz, A.: Modellierung des Strahlzerfalls
bei der Hochdruckeinspritzung. In: IV. Tagung Motorische Ver-
der Auslegung, insbesondere des Einspritzsystems, brennung (Essen, März 1999). Essen: Haus der Technik, 1999
können diese Motoren auch als Dual-Fuel-Motoren [4] Mollenhauer, K.; Tschöke, H. (Hrsg.): Handbuch Dieselmotoren.
[30] betrieben werden, das heißt die Dieselkraftstoff- 3. Aufl. Berlin: Springer, 2007
menge kann von der Zündmenge bis auf Volllastmen- [5] Adomeit, Ph.; Lang, O.: CFD Simulation of Diesel Injection and
Combustion. SIA Congress „What challenges for the Diesel en-
ge bei gleichzeitiger entsprechender Verringerung der gine of the year 2000 and beyond“ (Lyon, May 2000). Suresnes
Gasmenge erhöht werden. Der Motor arbeitet dann im (France): SIA, 2000
reinen Dieselbetrieb. [6] Urlaub, A.: Verbrennungsmotoren: Grundlagen, Verfahrensthe-
Das hat den Vorteil, dass derartige Motoren auch orie, Konstruktion. 2. Aufl. Berlin: Springer, 1995
[7] Dietrich, W. R.; Grundmann, W.: Das Dieselkonzept von
betrieben werden können, wenn eine kontinuierliche DEUTZ MWM, ein schadstoffminimiertes, dieselmotorisches
Gasversorgung nicht in vollem Umfang gesichert Verbrennungsverfahren. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 6:
werden kann und/oder wenn bei Bedarf, zum Beispiel Energieerzeugung, Nr. 282, Düsseldorf: VDI Verlag, 1993
[8] Heinrichs, H.-J.: Untersuchungen zur Strahlausbreitung und Ge-
beim Einsatz von Schwachgasen, die volle Dieselmo-
mischbildung bei kleinen direkteinspritzenden Dieselmotoren,
torleistung verfügbar sein soll. In reinem Gasbetrieb Dissertation. RWTH Aachen, 1986
mit einer Diesel-Fremdzündung sind besonders die [9] Pischinger, F.; Schulte, H.; Jansen, J.: Grundlagen und Ent-
Emissionen niedrig, zum Beispiel können die CO2- wicklungslinien der dieselmotorischen Brennverfahren. In: VDI
Berichte Nr. 714 (Tagung: Die Zukunft des Dieselmotors,
Emissionen um bis zu 25 % reduziert werden. Zu-
Wolfsburg Nov. 1988). Düsseldorf: VDI Verlag, 1988
künftig werden auch im mobilen Bereich solche [10] Meurer, J. S.: Das erstaunliche Entwicklungspotenzial des Die-
Motoren eingesetzt, betrieben mit Erdgas (CNG und selmotors; In: VDI Berichte Nr. 714; (Tagung: Die Zukunft des
LNG) und Biogas. Dieselmotors, Wolfsburg Nov. 1988) Düsseldorf: VDI Verlag,
1988
[11] Armbruster, F.-J.: Einfluss der Kammergeometrie auf den Ener-
Besonderheiten des Schwerölbetriebes. Der giehaushalt und die Prozesssimulation bei Kammerdieselmo-
Schwerölbetrieb, der nicht nur bei Großdieselmotoren toren. Fortschrittberichte VDI, Reihe 12: Verkehrstechnik/Fahr-
im Marinebereich üblich ist, sondern auch für mittel- zeugtechnik, Nr. 149. Düsseldorf : VDI Verlag, 1991
[12] Fortnagel, M.; Moser, P.; Pütz, W.: Die neuen Vierventilmo-
schnelllaufende Viertaktdieselmotoren mit Kolben-
toren von Mercedes-Benz. In: MTZ 54 (1993) 9, S. 392 – 405
durchmessern von circa 200 bis 600 mm und Dreh- [13] Sun, D.: Untersuchung der Strömungsverhältnisse in einer Die-
zahlen zwischen circa 400 bis 800 1/min gefordert selmotor-Wirbelkammer mit Hilfe der Laser-Doppler-Anemo-
wird, ist hinsichtlich der Verbrennung mit einigen metrie, Dissertation. Universität Stuttgart, 1993
[14] List, H.; Cartellieri, W. P.: Dieseltechnik – Grundlagen, Stand
Besonderheiten verbunden. Der Vanadium- und der Technik und Ausblick. In: MTZ Sonderausgabe „10 Jahre
Natriumgehalt des Schweröles kann bei der Verbren- TDI-Motor von Audi“, Sept. 1999
nung zu Ablagerungen im Brennraum führen. Folge [15] Spindler, S.: Beitrag zur Realisierung schadstoffoptimierter
davon ist die sogenannte Hochtemperaturkorrosion. Brennverfahren an schnelllaufenden Hochleistungsdieselmoto-
ren. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 6: Energieerzeugung,
Diese schränkt den Dauerbetrieb eines Motors in Nr. 274. Düsseldorf: VDI Verlag, 1992
unzulässiger Weise ein beziehungsweise macht ihn [16] Dietrich, W. R.: Die Gemischbildung bei Gas- und Dieselmoto-
sogar unmöglich. ren sowie ihr Einfluss auf die Schadstoffemissionen – Rückblick
Der Schwefelgehalt des Schweröles hat bei Tau- und Ausblick. Teil 1 in: MTZ 60 (1999) 1, S. 28–38; Teil 2 in:
MTZ 60 (1999) 2, S. 126–134
punktunterschreitung in Verbindung mit dem bei der [17] Thiemann, W.; Dietz, M.; Finkbeiner, H.: Schwerpunkte bei der
Verbrennung entstehenden Wasser die Bildung von Entwicklung des Smartdieselmotors. In: Bargende, M.; Essers,
Schwefelsäure und schwefliger Säure und damit die U. (Hrsg.): Dieselmotorentechnik 2000. Renningen-Malmsheim:
sogenannte Niedertemperaturkorrosion zur Folge. expert-verlag, 2000
[18] Kirsten, K.: Vergleich unterschiedlicher Brennverfahren für klei-
Dies macht es erforderlich, insbesondere die Kühlung ne schnelllaufende Dieselmotoren, Dissertation. RWTH Aachen,
der brennraumbildenden Bauteile so auszulegen, dass 1986
im gesamten Betriebsbereich des Motors die kriti- [19] Grote, K.-H.; Feldhusen, J. (Hrsg.): Dubbel – Taschenbuch für
schen Temperaturen nicht erreicht werden. Zukünftig den Maschinenbau. 22. Aufl. Heidelberg: Springer, 2007
[20] Willand, J.; Vent, G.; Wirbeleit, F.: Können innermotorische
ist damit zu rechnen, dass in weiteren Emission Maßnahmen die aufwendige Abgasnachbehandlung ersetzen?
Control Areas (ECA) der Betrieb mit Schweröl we- 21. Internationales Wiener Motorensymposium, Wien Mai 2000;
gen der hohen Schadstoffemissionen nicht mehr Fortschrittberichte VDI, Reihe 12: Verkehrstechnik/Fahrzeug-
möglich wird. technik Nr. 420; Band 1: erster Tag S. 33; VDI-Verlag Düssel-
dorf 2000
15.2 Ottomotoren 675

[21] Chmela, F.; Piock, W. F.; Sams, Th.: Potenzial alternativer Ver- 15.2.1 Brennverfahren von
brennungsverfahren für Otto- und Dieselmotoren. in VKM-THD
Mitteilungen, H. 83, 2003; 9. Tagung „Der Arbeitsprozess des Port-Fuel-Injection-(PFI)-Motoren
Verbrennungsmotors“ Graz, September 2003, S. 45 – 59 Verbrennung von Kohlenwasserstoffen
[22] Bürgler, L.; Cartus, T.; Herzog, P.; Neunteufl, K.; Weißbäck,
M.: Brennverfahren, Abgasnachbehandlung, Regelung – Kern- Üblicherweise bestehen Ottomotorenkraftstoffe aus
elemente der motorischen HSDI Diesel Emissionsentwicklung. einem Gemisch von circa 200 verschiedenen Kohlen-
13. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Motorentechnik 2004,
Band 2. VKA, ika, RWTH Aachen, VDI (Hrsg.)
wasserstoffen (Alkane, Alkene, Alkohole und Aroma-
[23] Coma, G.; Gastaldi, P.; Hardy, J. P.; Maroteaux, D.: HCCI Ver- te). Bei PFI-Motoren liegt am Ende des Verdichtungs-
brennung: Traum oder Realität? 13. Aachener Kolloquium Fahr- vorganges ein weitgehend homogenes Luft-Kraftstoff-
zeug- und Motorentechnik 2004, Band 1. VKA, ika, RWTH Verhältnis vor, welches kurz vor dem oberen Totpunkt
Aachen, VDI (Hrsg.)
[24] Kahrstedt, J.; Buschman, G.; Predelli, O.; Kirsten, K.: Homoge-
durch einen elektrischen Zündfunken entflammt wird.
nes Dieselbrennverfahren für EURO 5 und TIER2/LEV2 – Im Bereich des Zündfunkens muss ein zündfähiges
Realisierung der modifizierten Prozessführung durch innovative Gemisch vorliegen. Hierzu ist ein Luft-Kraftstoff-
Hardware und Steuerungskonzepte. 25. Internationales Wiener Verhältnis in Bereich von 0,8 d O d 1,2 erforderlich.
Motorensymposium 2004, Band 2. Fortschritt-Berichte VDI,
Reihe 12, Nr. 566.
Damit im Luft-Kraftstoff-Gemisch chemische Reaktio-
[25] Kahrstedt, J.; Manns, J.; Sommer. A.; IAV Berlin: Brennverfah- nen und damit Verbrennungen ablaufen können, müs-
rensseitige Ansatzpunkte für Pkw-Dieselmotoren zur Erfüllung sen die Reaktionspartner eine Aktivierungsenergie
künftiger EU- und US-Abgasstandarts. 10. Internationales Stutt- besitzen, die durch den Zündfunken bereitgestellt wird.
garter Symposium 2010.
[26] Tomoda, T. et al.: Verbesserung der Dieselverbrennung bei ul-
Diese erforderliche Zündenergie liegt bei 30 bis
tra-niedriger Verdichtung. 19. Aachener Kolloquium, 4. – 6. Ok- 150 mJ je Verbrennung. Durch den Zündfunken
tober 2010 werden lokal Temperaturen von 3.000 bis 6.000 K
[27] Wenzel, W. et al.: Ersatz von Sensoren im Luft- und Abgaspfad erreicht. Für eine sichere Entflammung ist eine Zünd-
von Verbrennungsmotoren unter Verwendung des Zylinder-
drucksignals einer Druckmessglühkerze. 9. Internationales Sym-
spannung an der Zündkerze von 15 bis 25 kV mit
posium für Verbrennungsdiagnostik, AVL, 8./9. Juni 2010 einer Funkendauer von 0,3 bis 1 ms (abhängig von
[28] Merker, G. P.; Teichmann, R. (Hrsg.): Grundlagen Verbren- Umgebungszustand und Ladungsbewegung) erforder-
nungsmotoren, 7. Aufl. Wiesbaden: Springer Vieweg 2014 lich. Damit eine sichere Flammenausbreitung erfol-
[29] Haas, S.-F.; Experimentelle und theoretische Untersuchung ho-
mogener und teilhomogener Dieselbrennverfahren, Disssertation
gen kann, muss die Energiefreisetzung aus der
Universität Stuttgart, 2007 Verbrennung größer sein als der Wärmetransport an
[30] Baufeld, T.; Mohr, H.; Philipp, H.: Zukunftsperspektiven und den verdampfenden Kraftstoff und die brennraumbe-
technische Herausforderungen bei Diesel-/Gas-Großmotoren, grenzenden Wände. Die Wärmefreisetzung erfolgt
8. Dessauer Gasmotoren-Konferenz, Dessau-Roßlau, 2013
durch Verbrennung von Kohlenwasserstoffen mit
Sauerstoff gemäß folgender Bruttoreaktionsgleichung:
15.2 Ottomotoren CxHy + (x + y/4) O2 o x CO2 + y/2 H2O
Die Verbrennung im Ottomotor erfolgt durch Fremd-
zündung mittels Zündkerze. Die Aufbereitung von Da die Wahrscheinlichkeit zum gleichzeitigen Zu-
dafür erforderlichen Luft-Kraftstoff-Gemischen kann sammentreffen aller erforderlichen Reaktionspartner
auf verschiedene Arten erfolgen: gering ist, läuft die Oxidation von Kohlenwasserstof-
fen über eine Vielzahl von Elementarreaktionen
x homogene Gemischaufbereitung durch äußere ab [1], bei denen in einer ersten Reaktionsphase über
Gemischbildung (Port-Fuel-Injection PFI) Dehydrierung von Kohlenwasserstoffperoxid Alkane
x homogene Gemischaufbereitung durch direkt in entstehen, die durch Reaktionen mit H-, O- oder OH-
den Brennraum, während der Ansaugphase einge- Radikalen schließlich Aldehyde bilden. Die Bildung
spritzten Kraftstoff (Direct-Injection-Spark-Igni- der Aldehyde benötigt etwa 10 % der insgesamt
tion DISI-homogen) freizusetzenden Energie und wird durch das Auftreten
x geschichtete Gemischaufbereitung durch direkt in von kalten Flammen begleitet. In der sich anschlie-
den Brennraum gegen Ende der Verdichtung ein- ßenden blauen Flamme werden CO, H2 und H2O
gespritzten Kraftstoff (Direct-Injection-Spark- (30 % Bedarf der gespeicherten Energie) gebildet. In
Ignition DISI-geschichtet). der abschließenden heißen Flamme entstehen CO2
Bei homogener Gemischaufbereitung wird die Leis- und H2O, wobei 60 % der im Kraftstoff gespeicherten
tungseinstellung mittels Füllungsveränderung (Quan- Energie freigesetzt werden.
titätsregelung) realisiert. Bei geschichteter Gemisch-
bildung erfolgt die Leistungseinstellung durch Varia- Zylinderdruckverlauf, Innenwirkungsgrad
tion des Luftverhältnisses (Qualitätsregelung), wo- und Flammenausbreitung
durch die drosselfreie Laststeuerung ermöglicht wird.
Im Folgenden wird zunächst das Brennverfahren mit Die bei der Verbrennung freigesetzte Energie führt zu
homogener Gemischbildung von PFI-Motoren behan- einem Temperatur- und Druckanstieg der Zylinderla-
delt. Die Besonderheiten von DISI-Motoren werden dung im Brennraum, welche jedoch nach der Zünd-
im anschließenden Kapitel erörtert. einleitung erst mit Verzögerung in der Zylinder-
676 15 Verbrennungsverfahren

druckverlaufsanalyse detektiert wird (Bild 15-22). sen sich Wirkungsgradvor- und -nachteile verschiede-
Dies ist durch die lokale Aufheizung des unmittelbar ner Motorkonfigurationen vergleichen und optimieren.
im Zündkerzenbereich befindlichen Gemischs auf Die von der Zündkerze ausgehende Flammenfront ist
Zündtemperatur bedingt und beträgt unabhängig von dünn und breitet sich bei normaler Verbrennung mit
der Drehzahl etwa eine ms. Die Brenndauer kann mit- etwa 20 bis 25 m/s aus. Die Verkürzung der Brenn-
hilfe physikalischer Modelle für die Energieumset- dauer ermöglicht durch die Annäherung an die iso-
zung und Wärmeabfuhr aus dem Brennraum berechnet chore Energieumsetzung Wirkungsgradvorteile und
werden [2]. Als Ergebnis folgt die Brennfunktion, die kann durch folgende Maßnahmen erreicht werden:
das Verhältnis von verbrannter zu eingesetzter Kraft-
stoffmasse als Funktion des Kurbelwinkels angibt. x schnelle Flammenfrontgeschwindigkeit durch hö-
Hierdurch kann die Lage und Dauer der Verbrennung here Ladungsbewegung (Drall-, Tumble- oder
sowie ihre thermodynamische Wirkung bewertet wer- Quetschströmungen)
den. Für homogene, gut umgesetzte Gemische liegt x kürzere Flammenwege durch kompakte Brenn-
die Schwerpunktlage der Verbrennung wirkungsgrad- raumgestaltung mit zentral angeordneter Zündker-
optimal bei 8° Kurbelwinkel nach OT, und die effek- zenlage oder mehrerer Zündorte
tive Brenndauer beträgt je nach Betriebspunkt und x höhere Ladungsdichte durch höheres Verdich-
Brennverfahren 30 bis 50 Grad Kurbelwinkel. tungsverhältnis.
Die detaillierten Auswirkungen von geänderten moto- Bei Doppelzündung brennt die Zylinderladung auf-
rischen Parametern (zum Beispiel Steuerzeitenvaria- grund der kürzeren Brennwege schneller durch und
tion, geänderte Ladungsbewegung) ist auf Grund der die Brennraumwände werden von der Flamme eher
oben genannten Simulationsmodelle nur eingeschränkt erreicht. Hierdurch wird die Neigung zur Flammener-
möglich. Für diese Analyse eignet sich die DDA- löschung vor der Zylinderwand (flame quenching)
Methode (Differenzierte Druckverlauf-Analyse, [3]), vermindert und die Anteile der unverbrannten Koh-
die auf Basis des gemessenen Druckverlaufs zu je- lenwasserstoffe im Abgas werden deutlich reduziert.
dem Grad Kurbelwinkel die indizierte Arbeit bewertet Die schnelle Energieumsetzung reduziert zusätzlich
(Bild 15-22, unten). Mit Hilfe der eingesetzten Kraft- die zyklischen Schwankungen der ottomotorischen
stoffmasse und einiger einfachen Umrechnungen las- Verbrennung.

35
30 n = 2000 1/min
Zylinderdruck [bar]

pme = 4 bar
25 ZZP = 26 °KW v. OT
20
Zündung
15
10
5
0

120
100
Brennfunktion [%]

80
60
50 %
40 Zündung
20
0
–20

0.010 0.50
hi inkrementell [-]

hi kumulativ [-]

0.008 0.40
0.006 0.30
0.004 0.20
0.002 0.10
0.000 0.00
–0.002 –0.10
–0.004 –0.20
0 90 180 270 360 450 540 630 720 Bild 15-22 Druckverlauf und
Kurbelwinkel [°KW] Druckverlaufsanalysen
15.2 Ottomotoren 677

Zyklische Schwankungen und Zündwinkeleinfluss des Verdichtungsverhältnisses, ausgehend von H = 10,


Die Schwankungen des Zylinderdruckverlaufs von ergibt.
Arbeitsspiel zu Arbeitsspiel (Bild 15-23) sind typisch Klopfende Verbrennung
für die ottomotorische Verbrennung und haben ihre
Ursachen in den Schwankungen des turbulenten Ge- Die Erhöhung der Verdichtung sowie die Frühverstel-
schwindigkeitsfeldes und der örtlichen Ladungszu- lung der Zündung werden mit zunehmender Last
sammensetzung, wodurch die Ausbreitung der Flam- durch die Selbstentzündungsneigung von unverbrann-
menfront und damit die Energieumsetzung beein- ten Gemischresten der Zylinderladung begrenzt.
flusst wird. In Bild 15-24 ist der bedeutsame Einfluss Neben der Verdichtung und dem Zündzeitpunkt sind
des Zündzeitpunktes auf den maximalen Zylinder- Kraftstoffeigenschaften, Temperatur der Verbren-
druck und dessen wirkungsgradbeeinflussende Lage, nungsluft, Brennraumform, Bauteiltemperaturen und
bezogen auf den oberen Totpunkt, dargestellt. Ladungszustand (Zusammensetzung, Strömungsfeld)
als wichtige Randbedingungen zu nennen. Die in [6]
Einfluss Verdichtungsverhältnis bevorzugte Theorie zur Entstehung des Motorklop-
Durch Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses kann fens geht von einer Sekundärzündung im unverbrann-
bei Teilllast der verbrennungshemmende Einfluss der ten Gemisch aus. Der weitere Verlauf des Motorklop-
niedrigen Zylinderdrücke teilweise kompensiert fens wird durch die Ausbreitung der von diesen
werden, der zur Leistungseinstellung durch Ansaug- Selbstzündungsherden eingeleiteten sekundären Re-
luftdrosselung entsteht. Bild 15-25 zeigt den Ver- aktionsfronten bestimmt. Durch eine extrem schnelle
brauchsgewinn und -verlust, der sich durch Änderung Energieumsetzung können lokale Druckänderungen

40
Zyklische Schwankungen im Spitzendruck
in 10 aufeinanderfolgenden Arbeitsspielen
35

30

n = 2000 min–1
Zylinderdruck [bar]

25 pme = 2 bar

20

15

10

0
270 300 330 OT 390 420 450 480 510 540
Bild 15-23 Zyklische Zylin-
Kurbelstellung [°KW]
derdruck-Schwankungen

40
Variation des Zündzeitpunkts
35
Zylinderdruck [bar]

20 °KW vor OT
24 °KW vor OT n = 2000 min–1
30 27 °KW vor OT
pme = 2 bar
29 °KW vor OT
25

20

15
20
Zylinderdruck [bar]

15

10
–30 –20 –10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
5 Kurbelstellung [°KW] Bild 15-24 Zündwinkelein-
–30 –20 –10 0
fluss auf den Zylinderdruck-
Kurbelstellung [°KW]
verlauf
678 15 Verbrennungsverfahren

15-26). Die hochfrequenten Schwingungen klingen


asymptotisch ab und haben eine Dauer von bis zu
n = 2000 min–1 60 Grad Kurbelwinkel.
Durch die Druckwellen bei klopfender Verbrennung
+7 % pme = 2 bar
wird die Zylinderladung zu charakteristischen Reso-
l = 1,0 nanzschwingungen angeregt, die mit Hilfe der allge-
meinen Wellengleichung, angewandt für den Hohlzy-
be [g/kWH]

linder, und Verwendung der Besselfunktion berechnet


werden können [7]. Bild 15-27 zeigt eine typische
berechnete Schwingform für eine Resonanzschwin-
gung in einem Hohlzylinder. Die Resonanzschwingun-
gen sind abhängig vom Zylinderdurchmesser. In
–6 %
Bild 15-28 ist deren Einfluss auf die Frequenzlage der
wichtigsten Schwingungsmoden dargestellt.
Das spontane Ausbreitungsverhalten der Reaktions-
fronten erfolgt häufig äußerst inhomogen durch
6 8 10 12 14 16 sequentielle, scheinbar regellose Zündung benachbar-
Verdichtungsverhältnis e ter Gemischteile mit Ausbreitungsgeschwindigkeiten
der Stoßwellen von bis zu 600 m/s, die damit im
Bild 15-25 Einfluss des Verdichtungsverhältnisses Bereich der Schallgeschwindigkeit des Endgases lie-
auf den Teilllastverbrauch [5] gen und thermische Explosionen auslösen und die
Motorschäden zur Folge haben können. Falls der Aus-
entstehen, die Druckoszillationen der Zylinderladung brand des Endgases durch Wärmeleitungs- und Dif-
im Bereich von 5 bis 20 kHz verursachen und im Zy- fusionsvorgänge erfolgt, treten viele isolierte, über das
linderdrucksignal detektiert werden können (Bild Endgas verteilte Selbstzündungsherde auf, wobei

80 2

bar bar

60 1
pgefiltert (5 kHz Hochpass)

40 0
p

20 –1

Bild 15-26 Zylinderdruck-


0 –2 verlauf und gefilterter Zy-
–40 –20 ZOT 20 40 60 °KW 80 linderdruck bei klopfender
a
Verbrennung

f = 0°

m = 2, s = 1
B

0° f = 360°

p
Bild 15-27 Berechnete
Druckverteilung einer Reso-
A

A B
nanzschwingung im Zylinder
15.2 Ottomotoren 679

25 winkelfrühverstellung korrigiert werden. Magere


Mode 5 a = 900 m/s Gemische senken auf Grund ihrer geringeren Wär-
20 mekapazität und der aus der Ladungsverdünnung re-
Mode 4 sultierenden geringeren Verbrennungsendtemperatur
Frequenz [kHz]

15 Mode 3
die im Abgas verbleibende Energie [9]. Dadurch
steigt bei Ladungsverdünnung der Wirkungsgrad des
Mode 2 Verbrennungsmotors. Da Flammengeschwindigkeit
10
und Ladungsverdünnung einen gegenläufigen Ein-
Mode 1
5 fluss auf das Wirkungsgradverhalten realer Brennver-
fahren zeigen, bildet sich bei konventionellen PFI-
0 Ottomotoren mit homogener Gemischverteilung ein
65 70 75 80 85 90 95 100 105 Wirkungsgradoptimum bei O = 1,1 bis 1,3.
Zylinderdurchmesser [mm]

Bild 15-28 Zylinderdruck-Resonanzfrequenzen in Ab- 25


hängigkeit vom Zylinderdurchmesser

mittlere Flammengeschwindigkeit wF [m/s]


192,7° 192,6° 20
192,8° 192,5°
192,4°
192,8°
191,9°
192,7° 192,5°
192,6° 15
192,6°
192,5°
192,4° p1

191,8°
10

p3 A E p2 n = 32 s–1

5
pme = 8,5 bar
n = 2400 min–1
aZ = 162 °KW n. UT

0
Bild 15-29 Flammenausbreitung bei klopfender Ver- 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2
brennung (Lichtleiter-Messtechnik) [8] Luftverhältnis l

Bild 15-30 Mittlere Flammengeschwindigkeit in Ab-


Druckwellen völlig ausbleiben [6]. Bild 15-29
hängigkeit vom Luft-Kraftstoff-Verhältnis
zeigt eine typische Flammenausbreitung bei klopfen-
der Verbrennung.
Zylinderladungsverdünnung
Flammengeschwindigkeit Die Ladungsverdünnung kann mit Umgebungsluft
Die Flammengeschwindigkeit der normalen Verbren- oder rückgeführtem Abgas erfolgen. Durch die Zu-
nung ergibt sich aus der Addition von Brennge- nahme des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses oder des
schwindigkeit und Transportgeschwindigkeit des Restgasanteils wird der Anteil der nicht an der chemi-
örtlichen Frischgases. Die Brenngeschwindigkeit schen Umsetzung beteiligten Komponenten gestei-
wird stark durch die örtliche Ladungszusammenset- gert. Diese inerten Komponenten können zur besse-
zung bestimmt und steigt mit der Ladungsturbulenz ren Vergleichbarkeit des Einflusses von Abgasrück-
im Brennraum. Die Transportgeschwindigkeit ist führung und überstöchiometrischer Füllung zur
abhängig von der Kolbenbewegung, von Quetsch- Kenngröße Inertgasanteil IG zusammengefasst wer-
strömungen und vom Einlassvorgang ausgelösten den [10]:
Ladungsbewegungen (Drall, Tumble). mIG mN2  mRG  mO2 , ( O ! 1)  mH2O, L (15.1)
Bild 15-30 zeigt die mittlere Flammengeschwindig-
keit in Abhängigkeit vom Luft-Kraftstoff-Verhältnis. mIG
Offenbar ist bei O = 0,8 bis 0,9 die Wahrscheinlich- IG (15.2)
mB ˜ LSt
keit, dass Reaktionspartner aufeinandertreffen, am
größten. Auf Grund der schnellen Verbrennung wird Bild 15-31 zeigt den Einfluss der Ladungsverdün-
bei O = 0,8 bis 0,9 die maximale Arbeit erzielt. Bei nung auf die Verbrennungsgeschwindigkeit und das
fetteren und mageren Gemischen nimmt die Flam- Innenwirkungsgradverhalten in der Hochdruckphase
mengeschwindigkeit stark ab und muss durch Zünd- sowie für den Gesamtprozess in einem Teillastbe-
680 15 Verbrennungsverfahren

240

umgesetzte
l-Variation (xRG = 20 %) Kraftstoffenergie
AGR-Variation (lV = 1,0)
220

90 %

200
Kurbelwinkel [°KW n. UT]

50 %

180

5%

160

140
n = 2000 1/min ZZP
pme = 2 bar
ohne Drall

120

40

hIHD

35
hi,HD [%]

hI
30

25
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

externe AGR % Bild 15-31 Verbrennungs-


1.00 1.05 1.10 1.15 1.20 1.25 1.30 verlauf und Wirkungsgrad
lV in Abhängigkeit von der
Ladungsverdünnung [11]

triebspunkt [11]. Die Skalierung der Achsen für Luftzumischung, wodurch sich bei Abgaszumischung
Restgasanteil und Luft-Kraftstoff-Verhältnis ist mit eine Begrenzung der Zündwinkelfrühverstellung und
der Bedingung „gleicher Inertgasanteil“ erfolgt. damit eine Verschlechterung des Wirkungsgrades
Eine Verdünnung der Ladung verlängert die Entflam- eher zeigt. Bei Abgasrückführung wird der Sauer-
mungsphase. Die Brenndauer bleibt dabei zunächst stoffpartialdruck erniedrigt und dadurch die Flam-
konstant und eine Wirkungsgradsteigerung stellt sich menausbreitung verlangsamt.
ein. Mit zunehmender Ladungsverdünnung begrenzt Bei externer Abgasrückführung sinkt der Innenwir-
der für die Entflammung erforderliche Zylinderdruck kungsgrad Ki mit zunehmender Verdünnung nicht so
die Zündwinkelfrühverstellung, wodurch die Umset- stark wie der indizierte Hochdruck-Wirkungsgrad
zungsphase länger wird; die zyklischen Schwankungen Ki, HD. Ursache hierfür ist eine thermische Entdrosse-
steigen und der Wirkungsgrad sinkt. lung infolge der hohen Ansauglufttemperatur im
Bei gleichem Inertgasanteil IG dauert die Entflam- Saugrohr, wodurch die Ladungswechselverluste sin-
mungsphase bei Abgaszumischung länger als bei ken. Trotz geringerer Ladungswechselverluste kön-
15.2 Ottomotoren 681

nen abgasverdünnte Verbrennungsgemische nicht die Druckverlaufsanalyse zeigt, dass bei gleichem Be-
Innenwirkungsgrade luftverdünnter Gemische erzie- triebspunkt die Verdichtungsarbeit bei größerer Ven-
len, da diese höhere Ladungsverdünnungen ermög- tilüberschneidung steigt. Ursache hierfür ist die grö-
lichen. ßere Zylinderladung bei zunehmender Abgasrückfüh-
Die Abgasrückführung wird zur Verbrauchssenkung rung. Während der Expansion kommt es bei höherem
bei O = 1-Konzepten eingesetzt, da damit der Drei- Restgasanteil zu längeren Brenndauern und zu gerin-
Wege-Katalysator bei der Abgasnachbehandlung geren Zylinderspitzendrücken. Auf Grund der günsti-
beibehalten werden kann. Neben der externen Abgas- geren Ladungseigenschaften und späterem Auslass-
rückführung kann die Abgasrückführrate intern über Öffnen ergeben sich jedoch Wirkungsgradvorteile.
variable Ventilsteuerzeiten gesteuert werden. Bild Die mit steigender Abgasrückführung einhergehende
15-32 verdeutlicht, wie durch Variation der Auslass- Entdrosselung in der Ansaugphase reduziert die La-
nockenwellenposition um 40q KW die Ventilüber- dungswechselverluste und erhöht somit weiter den
schneidung bei Spätverstellung zunimmt und sich das Wirkungsgradvorteil der Variante mit größerer Ven-
Wirkungsgradverhalten ändert. Die differenzierte tilüberschneidung auf insgesamt 4 %.

14
40°
12 Aö: 230 °KW vor OTLW Einlass

10 Aö: 190 °KW vor OTLW


Ventilhub [mm]

8
Auslass
6
4
2
0

35
30
Zylinderdruck [bar]

25
20
15
10
5
0

0.50
0.40
0.30
ηi kumulativ [–]

0.20
0.10
0.00
–0.10
–0.20

8
Differenz ηi kumulativ [%]

4 Aö 190° – Aö 230°
+4 %
0

–4

–8

–12 Bild 15-32 Innere Abgas-


–16
rückführung durch Variation
0 90 180 270 360 450 540 630 720 der Auslass-Steuerzeit,
Kurbelwinkel [°KW]
ZZP = Verbrauchsoptimal,
Druckverlaufsanalyse
682 15 Verbrennungsverfahren

410
4V-Ventilabschaltung
405 Basis: AGR = 0,0
n
ariatio λ = 1,0
AGR-V
400
10,0 5,0
395
–4 %
12,5 20,0
390
1,1
15,0
385
17,5
be [g/gWh]

380
1,5
1,2
375 tion
aria
–9 % λ-V
370
1,3
1,4
365
–40 %

360
–50 %
n = 2000 1/min
355 pme = 2 bar Bild 15-33 Verbrauchs-
350 Emissions-Tradeoff bei
5 10 15 20 25 30 35 Variation der Ladungs-
HC + NOx [g/kWh]
verdünnung [11]

Neben dem Wirkungsgradverhalten ist für die Beur- len nahe dem oberen Zünd-Totpunkt in Mikroturbu-
teilung eines Brennverfahrens das Niveau der Roh- lenzen.
emissionen von Bedeutung. Bild 15-33 zeigt den Ver- Bild 15-34 zeigt beispielhaft das motorische Verhal-
brauchs-Emissions-Tradeoff eines 4V-Motors mit Ein- ten bei externer Abgasrückführung von Drall- und
lass-Ventilabschaltung bei Variation der Ladungs- Tumble-Strömungen an einem 4V-Motor. Der La-
verdünnung in einem stationären Betriebspunkt. Ge- dungsdrall wurde durch Abschaltung eines Einlass-
genüber der Ausgangsbasis (O = 1,0, keine AGR) ventils erzeugt. Gegenüber dem Tumble-Konzept weist
wird durch Erhöhung der Abgasrückführrate auf die Drall-Variante bei diesem Motor einen wesentlich
17,5 % der Verbrauch um 4 % und die HC + NOx- geringeren Entflammungsverzug auf. Durch die groß-
Emissionen um 50 % gesenkt. Die alternative La- flächige Ladungsbewegung gelingt es dem Flammen-
dungsverdünnung durch Abmagerung ermöglicht ein kern nach Zündeinleitung einen größeren Gemischbe-
maximales Luftverhältnis von O = 1,4. Hierbei sinkt reich schneller zu erfassen und eine spürbare Energie-
der Verbrauch gegenüber der Basisvariante um 9 % umsetzung einzuleiten. Auch die Verbrennungsphase
und die HC-NOx-Emissionen um 40 %. verläuft beim Drallkonzept schneller als beim Tumble-
konzept. Die schnellere Energieumsetzung bei Drall hat
Ladungsbewegung
einen deutlich geringeren Vorzündungsbedarf zur Folge
Zur Verbesserung der Abmagerungsfähigkeit kommt und ermöglicht dadurch günstigere Entflammungsbe-
im Wesentlichen die Steigerung der Ladungsbewe- dingungen zum Zündzeitpunkt. Die zyklischen Schwan-
gung in Betracht. Dies kann zum einen beim Ein- kungen (Vpmi) sind hierdurch bei Zunahme der AGR-
strömen der Zylinderfrischladung durch spezielle Rate für die Drallvariante deutlich niedriger. Die besse-
Formgebung der Einlasskanäle erreicht werden. re Verbrennungsstabilität sowie die kurze Brenndauer
Drallkanäle oder eine Einlasskanalabschaltung beim ermöglichen den Verbrauchsvorteil der Drallvariante.
4V-Motor erzeugen einen Rotationswirbel, dessen
Achse parallel zur Zylinderachse verläuft. Drallströ- Brennraumform
mungen bleiben während der Ansaugung und Kom-
Die Brennraumform beeinflusst unter anderen fol-
pression erhalten und lösen sich erst während der
gende ottomotorischen Eigenschaften:
Expansion auf. Turbulenzkanäle erzeugen einen
Wirbel im Zylinder, dessen Achse senkrecht zur Zy- x das Einströmen der Zylinderfüllung
linderachse liegt und der durch einseitiges Einströ- x die Ladungsbewegung im Zylinder
men am Einlassventil infolge Strömungsabrisses im x die Geschwindigkeit der Energieumsetzung
Einlasskanal entsteht. Tumble-Strömungen bleiben x das Rohemissionsniveau
bis zur Kompression weitgehend erhalten und zerfal- x das Klopfverhalten.
15.2 Ottomotoren 683

220

90 %

200
Kurbelwinkel [Grd. n. UTH]

50 %
180

10 %

160
Umgesetzte
Kraftstoffenergie

140

ZZP

120
0 4 8 12 16 20
externe AGR [%]

0.4
Drall – 1 EV, Ventilabschaltung (hv,sek = 0,66 mm)
0.3
Tumble – 2 EV, Zweiventilbetrieb (hv = 8,40 mm)
spmi [bar]

0.2

0.1

0.0
0 4 8 12 16 20
AGR [%]

420
n = 2000 1/min
410 pme = 2 bar, l = 1,0
ZZP = be-optimal
be [g/kWh]

400

390

380
Bild 15-34 Verbrennungs-
370 verlauf von Drall- und
0 4 8 12 16 20 Tumble-Strömungen am
externe AGR [%]
4V-Motor [11]

Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an die x Minimierung von Toträumen (Feuersteghöhe,
Brennraumgestaltung: Ventiltaschen)
x Vermeidung heißer Bauteile.
x möglichst ungehindertes Einströmverhalten an den
Ventilsitzen Diese Vorgaben erfüllen dachförmige Brennräume
x hohe Strömungsgeschwindigkeiten der Zylinder- mit in V-Winkel angeordneten Ventilen gut. Wegen
ladung im Zünd-OT Füllungsvorteilen dominieren 4-Ventil-Motoren mit
x kurze Flammenwege durch zentrale Zündkerzen- zwei Einlass- und zwei Auslassventilen bei aktuellen
lage und kompakte Brennraumgeometrie Motoren. Bild 15-35 zeigt beispielhaft einen 4V-Se-
684 15 Verbrennungsverfahren

A1–A1
A E
A1 A1

A E

Bild 15-35 4V-Brennraum


eines Serien-Ottomotors

50
hv

Δhi,HD

hi,HD
Wirkungsgrad h [%]

ηe
30

Δhi,LW + Δhr

10 ohne Drall, AGR = 0


n = 2000 1/min
Bild 15-36 Wirkungsgrad-
verhalten von PFI-Motoren in
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
pme [bar]
Abhängigkeit von der Last
[11]

rienbrennraum. Auf Grund von Kostenvorteilen kom- beit zur Verfügung stehen, kann bei Teillast nur circa
men auch 2-Ventilmotoren mit parallel hängenden 15 % genutzt werden. Mit über 50 % geht der größte
Ventilen und einer Nockenwelle zum Einsatz. Anteil der eingesetzten Energie auf Grund der ge-
wählten Prozessparameter (Verdichtungsverhältnis,
Lasteinfluss und Verlustanalyse homogene Zylinderladung mit O = 1, Brennraum-
Die Leistungseinstellung von PFI-Motoren erfolgt form) als Abgasenergie verloren. Bei Teillast steigen
durch Drosselung der Ansaugluft. Die dadurch sin- zudem die Verlustanteile durch Motorreibung, Dros-
kende Dichte der angesaugten Fischladung führt zu selung und zu langsame Verbrennung auf etwa das
reduzierten Zylinderdrücken, die die Flammenge- Doppelte des Volllastbetriebes.
schwindigkeit verringern. Wie Bild 15-36 zeigt, stei-
gen dadurch die Wirkungsgradverluste in der Hoch- 15.2.2 Brennverfahren von Direct-
druckphase bei niedrigen Lasten deutlich an. Der Injection-Spark-Ignition-(DISI)-
effektive Wirkungsgrad des Motors im Teillastbetrieb
wird neben den Verlusten in der Hochdruckphase
Motoren
durch die Zunahme der Ladungswechselverluste in- Im Vergleich zu einem hubraumgleichen Ottomotor
folge der Ansaugluftdrosselung und der lastunabhän- mit Saugrohreinspritzung (PFI) bietet der Ottomotor
gigen Motorreibung verschlechtert. mit Direkteinspritzung (DISI) eine theoretische
Bild 15-37 zeigt die Energieverlustteilung für einen Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs von 5 bis
PFI-Motor bei Teil- und Volllast. Während bei Voll- 20 % im Teillastbereich, je nach Betriebspunkt und
last circa 30 % der eingesetzten Energie als Nutzar- Betriebsart, Bild 15-38.
15.2 Ottomotoren 685

Teillast Volllast
(pme = 1,5 bar) (pme = 9,5 bar)

Abgasenergie Abgasenergie
bei Idealprozess bei Idealprozess

52,7 %

55,3 %
nicht ideale nicht ideale
Verbrennung Verbrennung
Reibung Undichtigkeit Undichtigkeit Reibung
1,8 %
4,9 % 0,9 % 0,9
% 3,6 %
12,5 %

15,2 %
Verlust-
Verlust-
8,9 % 33,0 % energie 1,8 %
energie
7,1 % Ladungs-
5,8 % wechsel
29,5 %
Kühlung

Bild 15-37 Verlustanalyse


14,3 %

Ladungs- Nutz- Nutz- Kühlung


wechsel arbeit arbeit eines 4-Zylinder-PFI-Motors
(1,6 l-Hubraum) [11]

Bild 15-38 Kraftstoffeinsparung, Teillastbetrieb [12]

Unter Betrachtung der Wirkungsgradkette


K K  'K  'K  'K  'K ,
i V VB WW LW Leck

1
KV 1  keff 1
H Bild 15-39 Verlustteilung, n = 2.000 min–1,
sind als Gründe pme = 2 bar [13]
x die Erhöhung des Wirkungsgrades des vollkom-
menen Motors ȘV durch ein höheres effektives und Durch die Qualitätsregelung, bei der theoretisch keine
geometrisches Verdichtungsverhältnis, ermöglicht Drosselung des in den Brennraum strömenden Luft-
durch innere Gemischkühlung und entsprechen- stroms erforderlich ist, wird beim DISI-Motor mit
dem Klopfverhalten, sowie einer Erhöhung des Schichtbrennverfahren die Ladungswechselarbeit im
Isentropenexponent k bei Auslegung eines DISI- Vergleich zum PFI-Motor auf ein Drittel reduziert.
Brennverfahrens mit überstöchiometrischem Ver- Die vergleichsweise geringe Temperaturdifferenz
brennungsluftverhältnis zwischen Brennraumwand und wandnahen Prozess-
x die Verringerung der Drosselverluste ǻȘLW medien senkt die Wärmeverluste beim geschichteten
x die Reduzierung der Wandwärmeverlustes ǻȘWW DISI-Brennverfahren deutlich – ein um bis zu 60 %
bei geschichteten Brennverfahren geringerer Wärmeeintrag in das Kühlmittel ist die
x ȘVB = Verbrennungswirkungsgrad, ǻȘ = Leckage- Folge.
verluste für den theoretischen Wirkungsgrad- Der höhere Abgasmassenstrom mit einem leicht
vorteil des Ottomotors mit Direkteinspritzung zu
erhöhten Anteil chemischer Energie und die Er-
nennen.
höhung der Reibungsarbeit (Kolbengruppe, Hoch-
Ein Vergleich der beiden Konzepte, PFI- und ge- druckpumpe) mindern die bisher aufgezeigten Vor-
schichteter DISI-Motor, zeigt die Verlustteilung im teile des geschichteten DISI-Konzepts. In Summe
–1
Betriebspunkt Drehzahl n = 2.000 min und effekti- jedoch bleibt ein Kraftstoffverbrauchsvorteil von
vem Mitteldruck pme = 2,0 bar in Bild 15-39. circa 13 %.
686 15 Verbrennungsverfahren

Das vorteilhafte Kraftstoffverbrauchsverhalten von Wie beschrieben, gilt als wesentliche Motivation zur
Ottomotoren mit Direkteinspritzung wird allerdings Entwicklung eines DISI-Motors das Potenzial der
durch ein leicht schlechteres Emissionsverhalten er- Verringerung des Kraftstoffverbrauchs. Dieses Po-
kauft. Sowohl im Schicht- wie im Homogenbetrieb tenzial wird im Gesamtfahrzeug häufig durch Anfor-
steht weniger Zeit zur Gemischaufbereitung zur Ver- derungen wie zum Beispiel
fügung, was grundsätzlich die Schadstoffentstehung x Abgasnachbehandlung mit aktuellen Emissions-
begünstigt. Weiterhin stellt die Auslegung der Kraft- standards
stoffspray/Brennraumwandinteraktion große Heraus- x Warmlaufverhalten
forderungen an die Entwickler, denn jegliche Wand- x Diagnose
benetzung führt ebenfalls zu einer Erhöhung des x Systemkosten
Schadstoffniveaus. Im folgenden Bild 15-40 ist das x Langzeitstabilität
Emissionsverhalten eines Ottomotors mit Direktein-
spritzung dem eines mit Saugrohreinspritzung gegen- reduziert. Für die Bewertung eines Brennverfahrens
über gestellt. Dabei sei angemerkt, dass es sich hier sollten jedoch auch diese Rahmenbedingungen be-
um denselben Motor handelt, welcher einmal als rücksichtigt werden, da sie zum Teil direkt auf das
Motor mit Saugrohreinspritzung und einmal in Di- Brennverfahren einwirken. Als Bespiel sei hier das
rekteinspritzkonfiguration betrieben wurde. NOx-Emissionsverhalten im Magerbetrieb in Verbin-
Eindeutig ist das leicht erhöhte Niveau aller darge- dung mit NOx-Speicherkatalysatoren dargestellt:
stellten Emissionswerte des Ottomotors mit Direkt- Durch den Eintrag der NOx-Rohemissionen in das
einspritzung gegenüber dem mit Saugrohreinsprit- Katalysatorspeichersystem ist ein Regenerationspro-
zung erkennbar. Sowohl die Standardemissionswerte zess nötig. Dieser erfolgt in unterstöchiometrischem
wie Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid und die Motorbetrieb. Durch die Häufigkeit dieses Prozesses
Stickoxide als auch die Indikatoren für die Ruß- be- wird das Kraftstoffverbrauchsverhalten mitbestimmt.
ziehungsweise Partikelemissionen, ausgedrückt durch Eine Minderung des NOx-Ausstoßes kann somit in-
den Rauchwert und die Partikelanzahlkonzentration - direkt zum Kraftstoffverbrauchsverhalten beitragen.
unterstreichen die Schwierigkeit eine Gemischaufbe- Als Mittel zur NOx-Rohemissionsabsenkung kommt
reitung zu erreichen, wie sie mit PFI Konzepten er- häufig eine Abgasrückführung zum Einsatz. Diese
zielbar ist. Da das leicht erhöhte Potenzial der Stan- kann sowohl extern als auch intern erfolgen [22]. Die
dardemissionswerte aufgrund der Nutzung von Drei- vom Kunden als Selbstverständlichkeit vorausgesetz-
wegekatalysatoren jedoch kein unlösbares Problem te Langzeitstabilität des Fahrzeugantriebs hat beim
darstellt, tritt das Kraftstoffverbrauchspotenzial maß- Konzept mit Direkteinspritzung eine weitere Aufga-
geblich in den Vordergrund. Nur das Problem der er- benstellung bekommen. Da im Saugrohr kein Kraft-
höhten Ruß- beziehungsweise Partikelemissionen gilt stofffilm eingebracht wird, können Ablagerungen,
es zu lösen. wie sie zum Beispiel in den Einlasskanälen, an den

Linker Balken: Saugrohreinspritzung - Rechter Balken: DISI Motor


1.00 1500 3500 0.5 3.60·1013
Homogenbetrieb
n = 3000 min-1
0.90 1400 3400 pmi = 6 bar 0.4 3.24·1013

0.80 1300 3300 0.4 2.88·1013

0.70 1200 3200 0.3 2.52·1013


Partikel Anzahl in 1/cm3
Rauchwert in FSN

0.60 1100 3100 0.3 2.16·1013


CO in Vol-%

NOx in ppm
HC in ppm

0.50 1000 3000 0.3 1.80·1013

0.40 900 2900 0.2 1.44·1013

0.30 800 2800 0.2 1.08·1013

0.20 700 2700 0.1 7.20·1012

0.10 600 2600 0.1 3.60·1012

0.00 500 2500 0.0 2.00·109


CO HC NOx Rauchwert Partikel Anzahl

Bild 15-40 Vergleich des Rohemissionsprofils eines Ottomotors mit strahlgeführter Direkteinspritzung (Homo-
genbetrieb) und Saugrohreinspritzung
15.2 Ottomotoren 687

Einspritzventilen und den Einlassventilen durch Ab- ist vergleichbar mit den Werten des Ottomotors mit
gasrückführung und durch die Kurbelgehäuseentlüf- Saugrohreinspritzung. Diese Betriebsart wird im
tung entstehen, nicht durch entsprechende Kraftstoff- Bereich der Volllast und in Abmagerung in einem
additive abgebaut werden. Bereich der Teillast angewendet. Die Vorteile zeigen
Die für die Brennverfahrensentwicklung notwendigen sich im Klopfverhalten in der Volllast durch die
Umfänge werden durch einige Rahmenbedingungen, höhere Innenkühlung des direkt eingebrachten Kraft-
die zum Teil schon oben skizziert worden sind, be- stoffs, und in der Abgasnachbehandlung mit stöchio-
stimmt. Als wesentliche und beispielhaft dargestellte metrischem Luft-Kraftstoff-Verhältnis durch den Ein-
Entwicklungsaufgaben gelten [5]: satz eines herkömmlichen Katalysatorsystems [15].
x Generierung der Ladungsbewegung bei luftge- Der Vorteil der reduzierten Klopfneigung wird insbe-
führten und wandgeführten Verfahren, auch für sondere bei DISI Konzepten mit Aufladung deutlich
den Schichtbetrieb und steht daher zurzeit bei vielen Entwicklern im
x Sicherstellung einer zu Konzepten mit Saug- Fokus, speziell für Hubraumkleine Ottomotoren.
rohreinspritzung vergleichbaren Gemischaufberei-
Betriebsartenstrategie zwischen Homogen-
tung
und Magerbetrieb
x Sicherstellung der Robustheit der Einspritzung
und Spraybildung insbesondere bei strahlgeführ- Die für die Gemischbildung im Schichtbetrieb benö-
ten Verfahren, sowohl für homogene wie auch ge- tigte Zeit ist bei höheren Drehzahlen nicht gegeben;
schichtete Brennverfahren hier wird auf den Homogenbetrieb mit seinem frühen
x Begrenzung der Bauteilbenetzung mit Kraftstoff Einspritztiming ausgewichen. Eine weitere Begren-
x Erfüllung der Anforderungen der Abgasnachbe- zung ist bei höherer Last die Gemischbildung mit aus-
handlung bei Schicht- und Magerbetrieb gedehnten Zonen überfetten Gemischs. Die in Bild
x Darstellung einer geeigneten Abgasrückführung, 15-41 dargestellte Betriebsstrategie eines in Serie pro-
gegebenenfalls auch Schicht-AGR duzierten Motors beinhaltet ferner den Modus des
x Sicherstellung einer ausreichenden Stabilität des Magerbetriebs bei homogenem Gemisch, bei dem die
Brennverfahrens Vorteile des Magerbetriebs genutzt werden können,
x Bereitstellung der notwendigen Steuergerätfunk- andererseits aber keine Verkürzung der Gemischbil-
tionen dungszeit in Kauf genommen werden muss.
x Schaffung einer ausreichenden Kaltstartfähigkeit
x Vermeidung von durchflussreduzierenden und
spraybildverfälschenden Ablagerungen an Ein-
spritzventilen
x Einsatz eines robusten Zündsystems.

15.2.2.1 Betriebsarten eines Ottomotors


mit Direkteinspritzung
Durch den Einsatz einer Direkteinspritzung sind im
Gegensatz zum System mit Saugrohreinspritzung
mehr Motorbetriebsarten möglich, die im Folgenden
aufgeführt und qualitativ betrachtet werden.
– Geschichteter Betrieb
Ein wesentlicher Parameter für die Gemischaufberei- Bild 15-41 Betriebsartenstrategie eines wandgeführ-
tung ist das Einspritztiming. Durch gezielte Einsprit- ten Brennverfahrens
zung in den Kompressionshub ist eine komplette
Durchmischung des Gemisches im Brennraum bis Um im überstöchiometrischen Motorbetrieb die im
zum Zündzeitpunkt nicht mehr möglich, eine Schich- Vergleich zum PFI-Konzept erhöhten NOx-Rohemis-
tung der Frischladung ist die Folge. Bezogen auf die sionen im Hinblick auf die Einhaltung der Emis-
gesamte eingebrachte Luftmasse ist hier eine deutli- sionsgrenzwerte und der Arbeitsweise des Abgas-
che Abmagerung darstellbar, bei ausgewählten Ver- nachbehandlungsverfahrens zu senken, ist es bei den
fahren lassen sich hohe Werte des Luft-Kraftstoff- meisten DISI-Motoren notwendig, mit hohen Abgas-
Verhältniswerte (Ȝ = 6) am Versuchsträger ermitteln rückführraten zu arbeiten, die zudem die Kraftstoff-
[14]. verdampfung unterstützen.

– Homogener Betrieb Vergleich der Betriebsarten „homogener


Die Einspritzung in den Saughub kennzeichnet den und geschichteter Betrieb“
homogenen Betrieb. Das Kraftstoffverbrauchs- und Neben der Messung des Kraftstoffverbrauchs und der
Abmagerungsverhalten und auch der Drosselverlust Schadstoffemission dient die Analyse der Zylinder-
688 15 Verbrennungsverfahren

druckverläufe als wichtiger Vergleichsindikator zwi- Beginnend im Ladungswechsel OT mit dem Ansau-
schen der homogenen und der ladungsgeschichteten gen muss im homogenen Betrieb bis zum Beginn des
Betriebsart. Im Folgenden soll deshalb der Zylinder- Verdichtungshubes infolge der Drosselung mehr Ar-
–1
druckverlauf bei Drehzahl n = 2.000 min und effek- beit aufgewendet werden als im Schichtbetrieb (nega-
tivem Mitteldruck pme = 2,0 bar und die Entwicklung tiver Innenwirkungsgrad). Erst mit dem Beginn des
des Innenwirkungsgrades im selben Lastpunkt be- Verdichtungshubes erfährt der Kolben im homogenen
trachtet werden. In Bild 15-42 sind die Zylinder- Betrieb aufgrund der größeren Druckdifferenz zwi-
druckverläufe beider Betriebsarten, wie sie für den schen Zylinderdruck und Druck im Kurbelgehäuse
Teillastbetrieb typisch sind, dargestellt. eine Kraftkomponente in Richtung OT, sodass die
Im ladungsgeschichteten Betrieb sind die Verdich- Steigung der Innenwirkungsgradkurve zunächst ein
tungs- und Verbrennungsspitzendrücke höher, da positives Vorzeichen aufweist. Erst nach etwa der
durch den entdrosselten Betrieb wesentlich mehr Hälfte des Kolbenhubes stellt sich wie in Bild 15-43
Luftmasse verdichtet werden muss. Zudem zeigt der sichtbar ein größerer Zylinderdruck gegenüber Um-
geschichtete Betrieb die deutlich geringere Ladungs- gebung und somit eine gegen den Kolbenhub wirken-
wechselarbeit. In Bild 15-44 ist die Entwicklung des de Kraft ein.Die Steigung der Innenwirkungsgrad-
Innenwirkungsgrades Și dargestellt. kurve wird somit wieder negativ.

Bild 15-42 Zylinderdruck-


verlauf des homogenen und
des ladungsgeschichteten
Betriebs am DISI-Motor,
–1
n = 2.000 min , pme = 2 bar

Bild 15-43 Innenwirkungs-


gradverhalten für den homo-
genen und den ladungs-
geschichteten Betrieb am
–1
DISI-Motor, n = 2.000 min ,
pme = 2 bar
15.2 Ottomotoren 689

Gegen Ende des Verdichtungshubes ist im Schichtbe- einerseits bereits in der Teillast eine hohe Luftmenge
trieb die größere Luftmasse verdichtet und damit fördern zu können, andererseits soll es auch nicht zu
auch die größere Arbeit aufgewendet worden. Wäh- einer Limitierung in der Nennleistung durch zum
rend des Arbeitstaktes zeigt die Kurve für den Beispiel ein Stopfen des Aufladesystems kommen.
Schichtbetrieb die größere positive Steigung und Die genannten Anforderungen lassen Standard-Abga-
erzielt gegen Ende des Arbeitstaktes einen größeren sturboladerkonzepte nach heutigem Entwicklungs-
Innenwirkungsgrad als der homogene Betrieb. Der stand eher ausscheiden.
aufgezeigte Vorteil ist zum Teil durch die geringeren Insgesamt ist es eine Vision für die Zukunft, den
Wandwärmeverluste als auch durch die ausgeprägten Ottomotor in seinem kompletten Betriebskennfeld
Ladungseigenschaften im Schichtbetrieb zu erklären. ungedrosselt zu betreiben; dadurch ließen sich sehr
Diese positive Wirkungsgraddifferenz kann aber bis große Kraftstoffeinsparungen erzielen. Technikbau-
zum Ende des Ausstoßtaktes quantitativ nicht ganz steinen wie der Aufladung und der Einspritzung so-
konserviert werden, da im Gegensatz zum homoge- wie der Zündung kommen dabei Schlüsselrollen zu,
nen Betrieb auch wieder eine größere Abgasmasse so dass deren Weiterentwicklung in Zukunft im
ausgeschoben werden muss. Die Innenwirkungsgrad- Fokus stehen wird.
kurve des Schichtbetriebes weist daher hier die grö-
ßere negative Steigung auf. 15.2.2.2 Ausprägungen und Spezifika des
ottomotorischen Brennverfahrens
Ausweitung des schichtfähigen Betriebsbereichs mit Direkteinspritzung sowie dessen
Technologiebausteine und
Aufgrund ihres deutlichen Kraftstoffeinsparpotenzials Technologiekombinationen
in überstöchiometrischem Motorbetrieb gilt die Di-
rekteinspritzung als die Maßnahme mit dem größten Beschreibung der unterschiedlichen
Einzeleinsparpotenzial. Limitiert wird das Potenzial Brennverfahrenskonzepte
durch den eingeschränkten Kennfeldbereich sowie Die meisten heute in Serie befindlichen Direktein-
das nach wie vor zu hohe NOx-Rohemissionsniveau. spritzsysteme der 1. Generation, also diese mit seitli-
Gelingt es also in Zukunft, durch geeignete Maßnah- cher Injektorlage, sind mittlerweile nicht mehr auf
men das NOx-Rohemissionsniveau durch zum Bei- geschichteten Betrieb ausgelegt. Einerseits kann die-
spiel eine höhere AGR-Verträglichkeit des Brennver- ser Umstand auf die eingeschränkten Kraftstoffver-
fahrens oder ein effizientes Nachbehandlungssystem brauchspotenziale in Kundenhand sowie die mittler-
weiter abzusenken und den Kennfeldbereich des weile verfügbaren Brennverfahrenskonzepte der
überstöchiometrischen Betriebsbereichs durch eine 2. Generation, also der strahlgeführten Gemischauf-
optimale Schichtung von Kraftstoff-Luft-Gemisch bereitung zurückgeführt werden.
und umgebender Luft auszuweiten, kann ein weiteres Gleichermaßen gilt allerdings für beide Generationen,
enormes Kraftstoffreduktionspotenzial erschlossen dass der Schichtbetrieb, also die direkte Einspritzung
werden, ohne dass die Kosten deutlich ansteigen. Ein- des Kraftstoffes in den Verdichtungshub hohe Anfor-
deutig kommt dem Einspritzsystem hier eine Schlüs- derungen an das Brennverfahren bezüglich Gemisch-
selrolle zu, weshalb später in diesem Kapitel darauf bildung, Gemischtransport, Entflammung und Um-
nochmals eingegangen wird. setzung stellt:
Heutige schichtbetriebene DISI Konzepte sind in der x Die Gemischbildung hat in relativ kurzer Zeit zu
Betriebsart wie erwähnt sowohl in der Drehzahl wie erfolgen; flüssiger Kraftstoff oder Zonen mit über-
in der Last nach oben begrenzt. Einerseits weil nicht fettetem Gemisch sind bis zum Zeitpunkt der Ent-
genügend Zeit zur Gemischaufbereitung zur Verfü- flammung abzubauen.
gung steht, andererseits, weil nicht genügend Frisch- x Der Gemischtransport zur Zündkerze hat kontrol-
luft in den Zylinder gelangt, um die hohe Menge liert und von Zyklus zu Zyklus reproduzierbar zu
Kraftstoff bei höheren Lasten geschichtet aufzuberei- erfolgen.
ten. Um die Limitierung in der Drehzahl nach oben x Eine deutliche Schichtung des zündfähigen Gemi-
zu verschieben, kann es hilfreich sein, den Einspritz- sches sollte mit dem Ziel geringer Wandwärme-
druck deutlich anzuheben. Die Limitierung in der verluste mit Abgas oder Luft dargestellt werden.
Last kann nur in Zusammenhang mit einer Erhöhung x Zonen mit nicht brennfähigem magerem Gemisch
der in den Zylinder eingebrachten Frischluftmenge sind ebenso wie fette Zonen zu vermeiden, insbe-
ausgeweitet werden. Hierzu kann ein solches Schicht- sondere in der Nähe der Zündkerze.
betriebskonzept zum Beispiel mit der Aufladung
kombiniert werden. Allerdings sei an dieser Stelle Diese Anforderungen sind nicht nur in einem mög-
darauf hingewiesen, dass dem Aufladesystem hier lichst großen Kennfeldbereich zu erfüllen, sondern
eine Schlüsselrolle zukommt, denn einerseits sollte es sind auch betriebspunktbezogen derart einzuhalten,
hocheffizient arbeiten, andererseits muss das System dass ein ausreichendes Stabilitätsfenster darstellbar
eine sehr hohe Luftspreizung darstellen können um ist.
690 15 Verbrennungsverfahren

Bild 15-44 Schematische


Darstellung der Brennverfah-
renskonzepte [2]

Die heute in der Entwicklung und in Serie befindli- x Brennraum- und Kolbenbenetzung sowie Flam-
chen Schichtbrennverfahren lassen sich in drei Brenn- menerlöschen führt im Schichtbetrieb zu erhöhten
verfahrenskonzepte klassifizieren und wie folgt HC-Emissionen.
charakterisieren, Bild 15-44. Durch den notwendigen Einsatz eines NOx-Speicher-
katalysators im Magerbetrieb sind die zulässigen
– Luftgeführtes Brennverfahren: NOx-Massenströme in Abhängigkeit vom Abgaszyk-
Der Kraftstoff wird durch eine generierte Ladungs- lus sowohl im Schicht- als auch im Homogen-Mager-
bewegung vom Einbringungsort zur Zündkerze trans- betrieb begrenzt. Im normalen Fahrbetrieb ergibt sich
portiert. Eine Benetzung von Brennraumwänden ist daher durch den eingeschränkten, schichtfähigen
bei konsequenter Umsetzung dieses Verfahrens aus- Kennfeldbereich, durch die Regenerierung des NOx-
geschlossen. Das genaue Timing von Einspritzung Speicherkatalysators sowie die zum Bauteilschutz
und stabiler Ladungsbewegung ist hier entscheidend notwendige Anfettung eine Verringerung des theore-
für die Güte des Verfahrens. Die durch die Ladungs- tischen Kraftstoffverbrauchspotenzials im Vergleich
bewegung unterstützte Gemischbildung weist bei zum PFI-Motor.
entsprechender Auslegung eine hohe Gemischgüte
auf. Allerdings hängt die Stabilität dieses Brenn- – Strahlgeführtes Verfahren:
verfahrens stark von der Reproduzierbarkeit der Unterschieden wird bei diesem Brennverfahren je
Ladungsbewegung von Zyklus zu Zyklus und von der nach Positionierung von Injektor und Zündsystem in
Einhaltung der Toleranzen der luftführenden Bauteile nahe und entfernte Lage. Letztere bietet zwar den
ab. Vorteil einer längeren Gemischaufbereitungszeit,
allerdings ist das Spray auftretenden Ladungsbewe-
– Wandgeführtes Verfahren: gungen stärker ausgesetzt. Die Einbringung des
Der Kraftstoff wird durch eine entsprechend aus- Kraftstoffs in die direkte Nähe des Zündortes hat im
geformte Brennraumwand, hier der Kolben, dem Vergleich der Verfahren theoretisch das höchste Po-
Zündort zugeführt. Dieses Verfahren geht mit einem tenzial zur Schichtung; hier werden Werte des Luft-
hohen Anteil an Kraftstoffanlagerungen an Brenn- Kraftstoff-Verhältnisses von bis zu acht erwartet.
raumwänden einher, die Abdampfungserscheinungen Dem entsprechenden Vorteil im Kraftstoffver-
bis zum Zündzeitpunkt können meistens nicht den brauchsverhalten stehen jedoch große Herausforde-
gesamten Kraftstofffilm abbauen. Da das Verfahren rungen gegenüber, die im Folgenden mit möglichen
auf gleichmäßige Rahmenbedingungen aufbaut, ist Lösungsansätzen beschrieben werden:
jedoch ein stabiler Prozess gegeben. Die höheren Roh- x Die Ausbildung von zündfähigem Gemisch erfolgt
emissionen und das vergleichsweise geringe Kraft- nur in einem kleinen Teilbereich des Kraftstoff-
stoffverbrauchspotenzial lassen dieses Verfahren je- strahls/Sprays und es steht nur wenig Zeit zur
doch nicht in den Vordergrund treten. Die Literatur Gemischbildung zur Verfügung. Hier ist durch
verweist allerdings teilweise auf Unzulänglichkeiten den Einsatz einer Hochdruckeinspritzung mit ei-
dieser beiden Brennverfahrenstypen und deren nem Einspritzdruck von •200 bar ein Lösungsan-
Mischformen bei der Darstellung der theoretisch satz zu sehen.
erwarteten Kraftstoffverbrauchsvorteile und auf wei- x Der Einsatz einer Ladungsbewegung zur Unter-
tere Nachteile, die im Folgenden aufgeführt sind [18]: stützung der Gemischaufbereitung ist problema-
tisch, da die Gefahr einer Verwehung des Ge-
x Eine unzureichende Stabilität im Schichtbetrieb mischs vom Zündort besteht. Frühere Meinung
bei niedrigen Lasten begrenzt die maximal mög- war, dass die Kombination einer strahlgeführten
liche Abmagerung und erfordert gegebenenfalls Direkteinspritzung mit einer ausgeprägten La-
eine Drosselung. dungsbewegung Schwierigkeiten bereitet. Neuere
x Zu höheren Lasten hin ist der schichtfähige Kenn- Untersuchungen zeigen jedoch, dass die strahlge-
feldbereich durch zunehmende Nachteile bei der führte Direkteinspritzung auch in Kombination
Gemischbildung mit infolge auftretenden erhöhten mit hohen Tumbleniveaus im Schichtbetrieb sehr
CO- und Rußemissionen begrenzt. gute Ergebnisse liefert. Allerdings muss hier be-
15.2 Ottomotoren 691

sonderes Augenmerk auf die Auslegung der


Brennraumgeometrie inklusive der Lage von In-

NOx-Konvertierung in %
jektor und Zündkerze gelegt werden. Insgesamt ist
bei einer solchen Kombination durchaus feststell-
bar, dass der stabile Betriebsbereich im Schichtbe-
trieb kleiner wird, allerdings ist in dem fahrbaren
Kennfeldbereich eine sehr hohe Effizienz und
Stabilität des Verfahrens festzustellen. Weiterhin
ermöglicht diese Kombination eine höhere Rest-
gas- beziehungsweise AGR-Verträglichkeit, wo-
durch eine weitere Reduktion der NOx-Emissionen Katalysatortemperatur in °C
erzielt werden kann.
x Die Zündkerze muss unabhängig vom Betriebs- Bild 15-45 Temperaturfenster unterschiedlicher NOx-
punkt und zyklischen Schwankungen in einem aus- Abgasnachbehandlungssysteme
reichend großen Zündfenster von entflammbarem
Luft-Kraftstoff-Gemisch umgeben sein. Durch
den Einsatz von nach außen öffnenden Injektoren,
die bei Gegendruckerhöhung keine Einschnürung
zeigen, wird eine stabile Lage des Sprays erzielt.
x Die Zündkerze ist durch Kraftstoffbenetzung einer
deutlichen thermischen Wechselbelastung ausge-
setzt. Hier kann neben einer Werkstoffoptimie-
rung der Einsatz neuartiger Zündsysteme, wie et-
wa die Laserzündung, eine Lösung darstellen [19].
Bezüglich der Abgasnachbehandlung sind bei einem
strahlgeführten System im Vergleich zu wand- und
luftgeführten Verfahren vier Punkte von Bedeutung:
x Bei Schichtbetrieb mit hohem Luftüberschuss im Bild 15-46 Prozessverlauf verschiedener DISI-Brenn-
Niedriglast-Bereich können sich derart geringe verfahren im Betriebspunkt n = 2.000 l/min, pmi =
Abgastemperaturen ergeben, dass nur noch eine 2,8 bar [21]
geringe Funktion des NOx-Speicherkatalysators
und auch des Dreiwegekatalysators möglich ist. Im Vergleich der Prozessführungen in Bild 15-46
x Die Ausweitung des Schichtbetriebs zu höheren zeigt sich für das Einspritztiming, den Zündzeitpunkt
Lasten führt im Allgemeinen zu einer Erhöhung und die Brenndauer folgendes unterschiedliches
des NOx-Massenstroms und entsprechendem Verhalten im geschichteten Betrieb ohne Abgasrück-
Mehrverbrauch durch häufigeren Stickoxidabbau führung bei gleichem Einspritzsystem.
im Speicherkatalysator. Auffällig ist der zeitlich unterschiedliche Abstand
x Heute wird insbesondere zur Etablierung des zwischen Einspritzende und Zündzeitpunkt. Diese
vielversprechenden Schichtbetriebs bei strahlge- Zeitspanne ist beim strahlgeführten Verfahren am
führten Brennverfahren zunehmend der Einsatz kürzesten, da nach Beendigung des Einspritzvorgangs
von SCR (Selective Catalytic Reduction)-Syste- die lokal nahe Zündung eingeleitet wird. Das wand-
men diskutiert. Aber auch dieses System zur NOx- geführte Verfahren weist hingegen für diese Zeit-
Abgasnachbehandlung benötigt ein bestimmtes spanne der Gemischbildung die größten Werte auf, da
Temperaturfenster, um eine volle Funktion zu ge- das Gemisch den relativ langen Weg über die Kol-
währleisten. Dieses Fenster liegt allerdings güns- benoberfläche geführt wird. In der sich anschließen-
tiger als das eines LNT (Lean NOx Trap) Kataly- den Entflammungsphase (Zeit zwischen Zündung und
sators. Der SCR-Katalysator erreicht je nach ver- 5-%-Umsatzrate) ist die relativ schlechte Gemisch-
wendetem Reduktionsmittel eine 90 % NOx-Kon- aufbereitung des strahlgeführten Verfahrens mit einer
vertierung in einem Temperaturfenster von circa langen Verzugszeit zu erkennen, was auf eine not-
150 °C bis circa 500 °C, siehe Bild 15-45. wendige Verbesserung der Gemischbildung und da-
x Bei Entfall einer globalen Ladungsbewegung ist mit des Einspritzsystems hinweist. Die gute Ge-
die Restgasverträglichkeit deutlich herabgesetzt mischbildung bei den beiden anderen Verfahren sind
und hat somit eine Erhöhung des NOx-Massen- trotz unterschiedlicher Wirkungsweise (Dauer der
stromes zur Folge. Die Schichtung von Restgas Gemischbildung bei dem wandgeführten Verfahren,
wird als eine Lösung neben der Kombination ei- intensive Ladungsbewegung beim luftgeführten Ver-
nes schichtbetriebenen Brennverfahrens mit La- fahren) auf einem ähnlichen Niveau für die Brenn-
dungsbewegung diskutiert [20]. verzugsdauer.
692 15 Verbrennungsverfahren

In der anschließenden Umsetzung wird der Zeitraum re in Verbindung mit Aufladung umgesetzt, kann
bis zur 85-%-Umsatzrate betrachtet. Diese Betrach- auch die seitliche Injektorlage ein ausreichendes
tung nimmt auf die nicht vollständige Umsetzung des Potenzial bieten. Welche Brennverfahrensausprägung
wandgeführten Verfahrens Rücksicht. Hier wird durch in einem Entwicklungsfall letztlich zur Umsetzung
den nicht aufbereiteten Kraftstoff auf der Kolben- kommt, muss von Fall zu Fall entschieden werden
oberfläche die maximale Umsetzung auf 88 % be- und hängt neben der rein technischen Bewertung
grenzt. Die kürzeste Brenndauer zeigt das luftgeführ- auch von weiteren Faktoren ab. Diese können die
te Verfahren infolge der guten Gemischgüte und der Marktdurchdringung (notwendige Kraftstoffverfüg-
hohen Ladungsbewegungsintensität auf. Diese relativ barkeit), Kombination mit weiteren Technologiebau-
schnelle Umsetzung bleibt bis Brennende erhalten. steinen, Kosten, usw. sein.
Die beiden anderen Verfahren haben in der Verbren-
nung aufgrund der unbefriedigenden lokalen Ge- Ausprägungen der Direkteinspritzung –
mischgüte und wegen der geringen Ladungsbewe- Kombination mit weiteren Technologiebausteinen
gung eine längere Brenndauer. Ein Vorteil des wand-
geführten Verfahrens ist die relativ späte und wir- Wie bereits vorstehend erläutert birgt die Direktein-
kungsgradgünstige Lage der Verbrennung. spritzung ein nicht unerhebliches Potenzial zur Ver-
besserung des Kraftstoffverbrauchs bei Ottomotoren.
Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Das größte Potenzial liefert der Schicht- beziehungs-
Konzepte (Benchmark der Konzepte) weise Magerbetrieb, wie anhand des Wirkungsgrads
Jedes der vorgenannten Brennverfahrenskonzepte hat des vollkommenen Motors in Bild 15-48 zu erkennen
Vor- und Nachteile, eine detaillierte Bewertung der ist.
Potenziale ist in der folgenden Bild 15-47 dargestellt. Bei Betrachtung des theoretischen Wirkungsgrads bei
Die quantitativen Angaben in dieser Bewertung ge- Luftansaugung und einer Verdichtung von 11 ergibt
nügen keinen quantitativen Ansprüchen, sollen aber sich bei stöchiometrischen Gemisch von Lambda = 1,
durchaus realistische Tendenzen wiedergeben. repräsentativ für einen Ottomotor mit Saugrohrein-
Insgesamt zeigt das strahlgeführte Verbrennungsver- spritzung, ein thermischer Wirkungsgrad von 47 %.
fahren das größte Potenzial zur Verbrauchsverbesse- Bei Berücksichtigung der Tatsache, dass die Verdich-
rung, allerdings nur, wenn es mit Schicht- bezie- tung eines Ottomotors mit Direkteinspritzung auf-
hungsweise Magerbetrieb kombiniert wird. Wird die grund der Innenkühlung des im Zylinder verdamp-
Direkteinspritzung als Homogenkonzept, insbesonde- fenden Kraftstoffs zu einer niedrigeren Klopfneigung

Performance Quantitative Bewertung Applikationsaufwand

Brennverfahren Emissionen
Verbrauch Kosten Verbrauch Partikel
HC NOx Partikel
Homogen,
stöchiometrisch und
mager, seitlicher + + O - + -2% +50% O
Einbau auch mit
Aufladung
Schicht,
wandgeführt,
++ - - --- ++ -8% +400% O/-
seitlicher Einbau,
Drallventil
Schicht,
strahlgeführt,
+++ - - -- O -13% +200% -
zentraler Einbau,
Mehrlochventil
Schicht,
strahlgeführt,
zentraler Einbau, A- +++ + -- - -- -15% +50% --/---
Düse, evt. mit
Aufladung
(+++ sehr gut (Aufwand gering) / O neutral (Aufwand neutral) / --- weniger gut (Aufwand hoch)
Vergleichsbasis ist ein homogen arbeitender Ottomotor mit Saugrohreinspritzung

Bild 15-47 Bewertung der verschiedenen Brennverfahren nach ihren spezifischen Vor- und Nachteilen [30]
15.2 Ottomotoren 693

Bild 15-48 Einfluss Wir-


kungsgrad des vollkommenen
Motors mit Gleichraumver-
brennung [30]

Direkteinspritzung
e = 12

Verbesserung 2-5%
Leistung / Drehmoment

Anhebung
Verdichtungsverhältnis

Direkteinspritzung Erhöhung Liefergrad


e = 10,5 und Ladungskühlung

e = 10,5

Saugrohreinspritzung Klopfgrenze
Bild 15-49 Einfluss der
Direkteinspritzung auf Leis-
Vorzündung in °KW vor OT tung und Klopfgrenze [30]

führt, kann die Verdichtung um circa 1 bis 2 Einhei- Das Bild 15-49 beschreibt den Vorteil, welcher aus
ten angehoben werden, hier im Beispiel um 1,5 Ein- der Direkteinspritzung zur Erhöhung der Verdichtung
heiten auf 12,5, wodurch ein thermischer Wirkungs- resultiert. Wird ausgehend von einem Motor mit
grad von circa 50 % resultiert. Wird ein solches Kon- Saugrohreinspritzung und einer Verdichtung von 10,5
zept nun mit dem Magerbetrieb kombiniert, so kann ein Motor mit derselben Verdichtung und Direktein-
bei realistisch anzunehmenden Luftverhältnissen von spritzung betrieben, so steigt einerseits der Liefergrad
zum Beispiel Lambda = 4 bei gleicher Verdichtung und andererseits nimmt die Klopfneigung ab. Beide
ein thermischer Wirkungsgrad von circa 58 % er- Phänomene sind auf die Ladungsabkühlung durch die
reicht werden. Dies bedeutet eine Wirkungsgradstei- direkte Einbringung des Kraftstoffs während des
gerung von circa 22 % gegenüber dem Motor mit Saughubs zurück zu führen. Während der anschlie-
Saugrohreinspritzung. ßenden polytropen Kompression wirkt sich die er-
Wie dargelegt, ist auch im Homogenbetrieb ein Wir- folgte Ladungsabkühlung überproportional auf den
kungsgradsteigerungspotenzial von einigen Prozenten Temperaturverlauf im Zylinder aus, wodurch die
im Vergleich zu einem sonst baugleichen Ottomotor Klopfneigung deutlich verringert wird, was im Bild
mit Saugrohreinspritzung gegeben. Dieser Vorteil an der größeren Vorzündung deutlich wird.
beruht, wie beschrieben, auf der höheren geometri- Die erfolgte Reduktion der Klopfneigung kann nun
schen Verdichtung, welche aufgrund des Effektes der wirkungsgradsteigernd eingesetzt werden, in dem die
Innenkühlung bei saugsynchroner Einspritzung und Verdichtung so weit angehoben wird, bis bei gleicher
damit geringerer Klopfneigung bei höheren Lasten Schwerpunktlage der Verbrennung ein ähnliches
umgesetzt werden kann, Bild 15-49. Klopfverhalten erzielt wird, was in Bild 15-48 deut-
694 15 Verbrennungsverfahren

lich wird. Es reduziert sich die Vorzündung wieder.


Allerdings bleibt der Wirkungsgradvorteil des DISI
Brennverfahrens im gesamten Kennfeldbereich infol-
ge der angehobenen Verdichtung erhalten. Zusätzlich
bleibt auch der Liefergradvorteil im gesamten Be-
triebsbereich bestehen, was einen durchschnittlichen
Leistungsgewinn von circa 2 bis 5 % bedeutet.
Basierend auf den dargestellten Vorteilen gibt es zwei
grundsätzliche Ausprägungen von DISI-Brennverfah-
ren, die sich im Markt durchgesetzt haben. Den sehr
kraftstoffeffizienten überstöchiometrischen Schicht-
betrieb sowie den stöchiometrischen Homogenbetrieb
in Verbindung mit Aufladung. Aufgrund der anfälli-
gen und noch in Entwicklung befindlichen NOx-
Nachbehandlungssysteme, welche zwingend erforder-
lich sind, um die tendenziell höheren NOx-Rohemis- Bild 15-50 Downsizing und Downspeeding (Hub-
sionen, speziell den NOx-Massenstrom des Magerbe- raumabsenkung und Drehzahlabsenkung [27]
triebs zu reduzieren, sowie der Tendenz zu hubraum-
kleineren und damit den Downsizingansatz nutzenden
Motorkonzepten, zeigt sich momentan eine klare Darüber hinaus muss der Partikelausstoß (Ruß) als
Tendenz zu aufgeladenen DISI Motoren, welche stö- ein für die ottomotorische Verbrennung bislang nicht
chiometrisch betrieben werden. relevanter Schadstoff berücksichtigt werden [29].
Eine Kombination von Aufladung und Direkteinsprit- Für die kommenden Abgasgesetzgebungen EURO 5
zung mit ihren spezifischen Vorteilen, auch im stö- und EURO 6 sind deshalb Grenzwerte für die Par-
chiometrischen Homogenbetrieb, führt zu einer wei- tikelmasse sowie Partikelanzahl eingeführt worden
teren deutlichen Anhebung der Kraftstoffeffizienz ge- beziehungsweise in Diskussion. Bereits ab der Stufe
genüber saugmotorischen DISI Homogenbetrieb. Das EURO 5 ist ein Grenzwert für die Partikelmasse von
häufig umgesetzte sogenannte Downsizing, die Ver- 4,5 mg/km beschlossen worden. Darüber hinaus ist ab
kleinerung des Hubvolumens bei Beibehaltung der EURO 6 auch eine Limitierung der Partikelanzahl im
Leistung des hubraumgrößeren Motors, ermöglicht Gespräch; hier liegt der diskutierte Grenzwert bei
6 u 10 /km. Nach aktuellem Entwicklungsstand ist
11
eine Reduktion des Kraftstoffverbrauchs von circa 15
bis 20 % gegenüber dem hubraumgrößeren Motor je die Partikelmasse beherrschbar, während die Par-
nach Downsizing- und Downspeedinggrad, Bild 15-50. tikelanzahl-Limitierung alle Ottomotoren mit Direkt-
Ohne die Kombination mit Direkteinspritzung wären einspritzung vor große Probleme stellt. Die Beherr-
die genannten Kraftstoffverbrauchsreduktionen kei- schung des diskutierten Grenzwertes ist nur mit
nesfalls erzielbar, denn ohne die Vorteile der Liefer- einem sehr großen Entwicklungsaufwand möglich.
gradanhebung, der möglichen Anhebung der geome- Dabei müssen vor allem Maßnahmen zur Rohemissi-
trischen Verdichtung sowie der Nutzung von Variabi- onsminderung angewandt werden. Dieses sind Opti-
litäten im Einspritz- und Ladungswechselsystem wä- mierungen an Einspritzsystem und Brennraumgeo-
ren die Downsizing und Downspeeding Motorkon- metrie sowie applikative Maßnahmen, wie der Zünd-
zepte nicht in diesem Maße umsetzbar. zeitpunkt, das Einspritztiming, die Steuerzeiten, die
Als grundlegender Baustein in weiteren Technologie- Kraftstofftemperatur, die Einlasstemperatur, und so
kombinationen wird die Direkteinspritzung ihre weiter.
Marktdurchdringung weiter ausbauen. Sie eröffnet Auch eine Anhebung des Einspritzdruckes kann eine
schließlich für viele weitere Technologien das Errei- Maßnahme zur Minderung der Partikelanzahl darstel-
chen deutlich größerer Kraftstoffeffizienzen, so zum len, auf den grundsätzlichen Einfluss dieser Maß-
Beispiel der homogenen Selbstzündung, als Baustein nahme wird weiter unten eingegangen, da dieser
in Hybridkonzepten durch Direktstartmöglichkeiten, Parameter einen maßgeblichen Einfluss an alle DISI-
und so weiter. Konzepte hat.
Partikelemissionen – eine Herausforderung Einfluss des Einspritzsystems auf die
für die Direkteinspritzung Direkteinspritzung – Layout und Druckniveau
Die Direkteinspritzung führt sowohl bei Diesel- wie
auch Ottomotoren zu einer Verkürzung der Gemisch- Layout
bildungszeit, so dass Gemischbildung und Verbren- Bis heute werden hauptsächlich drei grundsätzlich
nung teilweise gleichzeitig ablaufen. Als Folge stei- verschiedene Injektoren beziehungsweise Düsenvari-
gen einerseits die Emissionen von unverbrannten anten verwendet. Das Bild 15-51 zeigt die Unter-
Kohlenwasserstoffen und von Kohlenmonoxid an. schiede im Spray-Bild dieser Düsenlayouts.
15.2 Ottomotoren 695

Bild 15-51 Unterschiedliche


Düsenlayouts von Injektoren,
Dralldüse Mehrlochdüse Ringspaltdüse (A-Düse) verwendet bei Ottomotoren
Dralldüse Mehrlochdüse Ringspaltdüse (A-Düse) mit Direkteinspritzung

Aufgrund ihrer Einfachheit fand die Dralldüse bereits legung der Düsenlochgeometrie und Applikation der
in den ersten Konzepten mit Direkteinspritzung und Düse in den Zylinderkopf kann dieses negative Ver-
Schichtbetrieb ihren Einsatz. Der in der Düse befind- halten allerdings weitestgehend beherrscht werden.
liche Drallerzeuger sorgt für eine Zerstäubung des Die dritte in Bild 15-51 dargestellte Düse ist die nach
Kraftstoffs. Der Kraftstoff tritt axial in die Düse ein außen öffnende Düse, welche einen ringförmigen
und erfährt im Drallerzeuger eine tangentiale Ablen- Spalt freigibt, weshalb sie auch Ringspaltdüse genannt
kung, wodurch die kinetische Energie der Kraftstoff- wird. Es tritt ein dünner Kraftstofffilm mit hoher
tropfen in axialer Richtung abnimmt und die Ein- Geschwindigkeit aus diesem Spalt aus. Durch das
dringtiefe verringert wird. Ein Nachteil dieser Düse spezifische Layout, also die Geometrie von Nadel und
ist die stattfindende Einschnürung des Kraftstoff- Ventilsitz, entsteht ein gleichmäßiges Hohlkegelspray,
sprays in Abhängigkeit des Gegendrucks. Im Falle ohne Vorspray und mit einer sehr hohen Zerstäu-
einer Kompressionshubeinspritzung liegen bei jedem bungsgüte, repräsentiert durch Sauterdurchmesser klei-
veränderten Einspritztiming, also auch Druckniveau ner 15 Pm. Der Spraykegelwinkel bleibt sehr stabil,
im Zylinder, andere Spraykegelwinkel vor. So eignet unabhängig vom Brennraumgegendruck, weshalb sich
sich diese Düse insbesondere nicht für die strahlge- diese Düsenbauform insbesondere für die Verwen-
führte Direkteinspritzung mit Schichtbetrieb, da bei dung in strahlgeführten Brennverfahren eignet.
diesem Verfahren die Reproduzierbarkeit des Sprays Infolge der bei dieser Düsenbauart sehr großen frei-
direkt die Stabilität des Verfahrens beeinflusst. Im gegebenen Fläche tritt eine große Menge Kraftstoff in
Homogenbetrieb, also der Saughubeinspritzung, ist kurzer Zeit aus, weshalb die Düse die mit Abstand
dieses Verhalten nicht maßgeblich, so dass dieses beste Verdampfungsrate, also Kraftstoffmenge pro
Konzept im Homogenbetrieb auch heute noch An- Zeiteinheit ausgedrückt über Grad Kurbelwinkel, er-
wendung findet, denn aus Kostensicht stellt diese reicht, siehe Bild 15-52.
Düse eine sehr interessante Lösung dar.
Eine inzwischen deutlich häufiger diskutierte Düsen-
layout-Variante ist die Mehrlochdüse. Diese kann
aufgrund ihres Sprayverhaltens sowohl für Direktein-
Verdampfungsrate in mg/°KW

3
spritzkonzepte mit seitlicher sowie zentraler Injektor- Dralldüse
lage zum Einsatz kommen. Wie der Name bereits
Mehrlochdüse
vermuten lässt, zeigt die Mehrlochdüse, wie nicht nur
ein Loch im Ventilsitz, wie die Dralldüse, sondern 2 A-Düse
mehrere. Die gebräuchlichsten Lochanzahlen liegen
zwischen 5 und 8 Löchern. Allerdings kann diese Zahl
sowohl nach unten wie nach oben variieren. Die
Mehrlochdüse ermöglicht sehr flexible Strahlformen, 1
da die Anordnung und Anzahl der einzelnen Einspritz-
strahlen auf den Brennraum und die Anforderungen
des Brennverfahrens abgestimmt werden können. So
können auch asymmetrische Spraykonturen realisiert 0
werden, um zum Beispiel eine Einlassventilbenetzung 0 5 10 15 20 25
oder Zündkerzenbenetzung zu vermeiden. Winkel in °KW nach ESB
Bauartbedingt hat die Mehrlochdüse allerdings einen
Bild 15-52 Verdampfungsrate für unterschiedliche
Nachteil, welcher über die Laufzeit eines solchen
Einspritzdüsenkonzepte
Düsenlayouts immer wieder zu Problemen führen
kann. Das in der Düse vorhandene Totvolumen führt
nach einem Einspritzvorgang zu einem Abdampfen Im Vergleich zu Drall- und Mehrlochdüsen wird eine
des verbliebenen Kraftstoffs und fördert darüber die zwei- bis dreimal höhere Verdampfungsrate erreicht.
Verkokung der Düsenspitze. Bei entsprechender Aus- Der Antrieb einer solchen Düse kann elektromagne-
696 15 Verbrennungsverfahren

tisch oder durch einen Piezoaktuator erfolgen. Eine Soll mit einer Drall- oder Mehrlochdüse das gleiche
piezoaktuierte Düsennadel hat den großen Vorteil der Verdampfungsverhalten wie mit einer A-Düse bei
hohen Ventilhub-Reproduzierbarkeit, was seinerseits 200 bar erzielt werden, so muss der Einspritzdruck
zu einer hohen Reproduzierbarkeit der eingespritzten bis auf circa 800 bar gesteigert werden. Da es sich
Kraftstoffmenge (<2 % Mengenabweichung) führt. hier um einen linearen Zusammenhang handelt, wird
Weiterhin lassen sich extrem kurze Schaltzeiten rea- bei einer weiteren Erhöhung des Einspritzdrucks die
lisieren (<0,2 ms), was sich insbesondere für die Rea- Verdampfungsrate weiter gesteigert.
lisierung von Mehrfacheinspritzungen eignet. Auch wenn die Verdampfungsrate von nach außen
Da die Düsenspitze ist aufgrund ihrer Bauform deut- öffnenden Düsen bereits sehr hoch ist, so kann durch
lich höheren Temperaturschwankungen ausgesetzt ist, eine Drucksteigerung auch deren Verdampfungsrate
als die Düsenspitze von Drall- und Mehrlochinjekto- weiter erhöht werden. Allerdings würde eine deutli-
ren, reagiert die A-Düse wesentlich unkritischer auf che Erhöhung des Einspritzdrucks bei einer A-Düse
Verkokungen. zu Problemen beim Schließen und Zuhalten der Düse
Alle vorgenannten Düsen werden bis heute mit Ein- führen, da dieses gegen den anliegenden Einspritz-
spritzdrücken von maximal 200 bar betrieben, aller- druck erfolgen müsste.
dings läßt sich aufgrund verschiedener weiterführen- Neben der Ratenerhöhung ist natürlich zu klären, wie
der Untersuchungen vermuten, dass eine Anhebung sich das Spray einer Mehrlochdüse bei unterschied-
des Einspritzdrucks, über die üblichen Werte von lichen Einspritzdrücken zwischen 200 bar und
200 bar hinaus, zu sehr positiven Effekten hinsicht- 1.000 bar entwickelt. Dieses Verhalten zeigt das fol-
lich der Gemischbildung und schließlich des motori- gende Bild 15-54. Zu sehen sind optische Aufnahmen
schen Verhaltens führen wird. des Kraftstoffsprays bei Injektion in eine Druckkam-
mer unter konstanten Randbedingungen für alle
Einfluss einer Anhebung des Einspritzdrucks Einspritzdrücke. Bei Injektion der gleichen Kraft-
Wird eine Anhebung des Einspritzdrucks diskutiert, stoffmasse ist die Einspritzung bei 1.000 bar als ers-
so stellt sich die Frage, ob sich diese Maßnahme für tes abgeschlossen. Dieser Moment repräsentiert auch
jeden Injektortyp gleichermaßen lohnt. Grundsätzlich den Zeitpunkt der Aufnahmen für alle Düsentypen.
erreicht die Verdampfungsrate einer A-Düse bereits Anhand der Farben der Flächen dieser Schlieren-
sehr hohe Werte, siehe Bild 15-52, während für Aufnahmen ist der flüssige (schwarz) und dampfför-
Drall- und Mehrlochinjektoren durchaus eine Erhö- mige (grau) Kraftstoffanteil bei jeder Einspritzung zu
hung der Verdampfungsrate erstrebenswert scheint. unterscheiden. Deutlich ist der größere Anteil an
Dieses kann erreicht werden, wenn der Einspritz- bereits dampfförmig vorliegendem Kraftstoff bei
druck deutlich gesteigert wird. Das Bild 15-53 zeigt 1.000 bar Einspritzdruck im Vergleich zu 200 bar zu
genau diesen Umstand, nämlich das Verhalten der erkennen. Weiterhin zeigt sich eine deutlich größere
mittleren Verdampfungsrate in Abhängigkeit des Ein- erfasste Fläche (orange unterlegt) des dampfförmi
spritzdrucks, für die bereits vorstehend genannten gen Kraftstoffanteils, was gleichbedeutend mit einer
Düsentypen. deutlich höheren Lufterfassung und damit verbesser-
ten Gemischaufbereitung ist. Die Aufnahmen bestäti-
gen weiterhin, dass die Eindringtiefe des flüssigen
5
Kraftstoffanteils bei einer Einspritzdruckerhöhung
mittlere Verdampfungsrate

nicht vergrößert, sondern verringert wird, was insbe-


4 sondere hinsichtlich einer Reduktion der Wandbenet-
zung interessant ist. Damit kann die Einspritzdruck-
erhöhung eine Maßnahme darstellen, um Ottomoto-
in mg/°KW

3 ren mit Direkteinspritzung bei zentraler Injektorlage


und sehr kleinen Bohrungen zu kombinieren, was
2 Dralldüse aufgrund des Risikos der Wandbenetzung grundsätz-
lich kritisch gesehen wird.
Mehrlochdüse Einen weiteren Hinweis zum positiven Einfluss einer
1 Drucksteigerung auf das Gemischbildungsverhalten
A-Düse liefert die Betrachtung der mittleren Tropfengröße in
0 einem Kraftstoffspray bei unterschiedlichen Ein-
0 200 400 600 800 1000 spritzdrücken in Abhängigkeit des Gegendrucks,
Einspritzdruck in bar siehe Bild 15-55 [26].
Aufgrund der abnehmenden Tropfengröße bei einer
Bild 15-53 Extrapolierte mittlere Verdampfungsrate Steigerung des Einspritzdrucks kann erwartet werden,
einer Dralldüse und Mehrlochdüse in Abhängigkeit dass sich ein positiver Effekt auf das generelle Ge-
des Einspritzdrucks zwischen 0 bar und 1.000 bar im mischbildungsverhalten einstellen wird. Die kleineren
Vergleich zu einer A-Düse bis 200 bar Tropfen führen insgesamt zu einer Vergrößerung der
15.2 Ottomotoren 697

3 separate Bereiche verdampften Kraftstoffs bei

Bild 15-54 Druckkammer-


ergebnisse einer Mehrloch-
düse bei unterschiedlichen
Einspritzdrücken unter
konstanten Kammerbedin-
gungen – Konstante Ein-
1 großer Bereich bei 1000 bar spritzmasse für alle Drücke

einer 6-%igen Absenkung des Kraftstoffverbrauchs


Durchschnittliche Tropfengröße in m -meter

14
Einspritzdruck 200bar erkennbar. Auch der deutliche Abfall aller dargestell-
Einspritzdruck 300bar
13
Einspritzdruck 500bar
ten Emissionen unterstreicht die verbesserte Gemisch-
12
aufbereitung und resultierend die effizientere Ver-
brennung. Die zwischen 500 bar und 800 bar wieder
11
ansteigenden CO-Emissionen lassen auf lokal überfet-
10 tete Bereich schließen, was verschiedene Ursachen,
9 wie zum Beispiel einer Wandbenetzung aufgrund
nicht optimal abgestimmten Düsenlayouts auf den
8
Brennraum, haben kann. Da diese Werte jedoch unter-
7 halb der Ausgangswerte bei 200 bar liegen, während
6 der Vorteil im Kraftstoffverbrauch beziehungsweise
2 4 6 8 10 12 14 16 18
der sehr große Vorteil einer nahezu 40-%igen Absen-
Kammerdruck in bar
kung der NOx-Emissionen vollständig erhalten bleibt,
Bild 15-55 Verhalten der Kraftstofftropfengröße über ist der deutliche Vorteil einer Einspritzdruckerhöhung
dem Gegendruck in der Einspritzkammer und für auch beim Ottomotor eine durchaus interessante
verschiedene Einspritzdrücke [26] Technologie für die Zukunft. Aufgrund des deutli-
chen NOx-Vorteils, welcher auf eine bessere Homo-
Oberfläche des eingespritzten Kraftstoffs und erlau- genisierung und weniger lokal ausgemagerte und
ben es damit, schneller Wärme aufzunehmen, was überfettete Bereiche zurück zu führen ist, kann die
nachfolgend zu einer schnelleren Verdampfung des Einspritzdruckanhebung auch ein zentraler Ansatz für
Kraftstoffs führt. zukünftige schichtbetriebene Magerkonzepte sein.
Welche Auswirkung eine Anhebung des Einspritz- Der vorstehend aufgrund verbesserter Gemischaufbe-
drucks schließlich auf den Motorbetrieb hat, ist ex- reitung herausgearbeitete Vorteil für den Schichtbe-
emplarisch für einen Betriebspunkt im Schichtbetrieb trieb kann generell auch auf den Homogenbetrieb
in Bild 15-56 dargestellt. übertragen werden. Je homogener das Grundgemisch,
-1
Für den Betriebspunkt pmi = 3 bar und n = 2.000 min desto effizienter erfolgt die Umsetzung des Kraft-
im Schichtbetrieb zeigt das Bild verschiedene motor- stoffs. Insbesondere für hoch aufgeladene Motorkon-
relevante Kennwerte bei unterschiedlichen Einspritz- zepte ist hier ein großer Vorteil vorhanden, denn je
drücken. Der Startpunkt der Einspritzdruckvariation weniger zyklische Schwankungen aufgrund unzurei-
liegt bei 200 bar und endet bei 1.000 bar, dazwischen chender Homogenisierung des Kraftstoff-Luft-Ge-
sind alle relevanten Parameter noch bei Drücken von mischs auftreten, desto geringer neigt die Zylinderla-
500 bar und 800 bar dargestellt, äquivalent zu den in dung bei hohen Lasten zum Klopfen. Folglich muss
Bild 15-54 gezeigten Druckkammerergebnissen. Die der Zündzeitpunkt zur Vermeidung des Klopfens
bereits vorstehend erörterte verbesserte Gemischauf- weniger stark nach spät verstellt werden, relativ zum
bereitung beziehungsweise Homogenisierung bei wirkungsgradoptimalen Punkt, was seinerseits einen
einer Steigerung des Einspritzdrucks ist deutlich an deutlichen Wirkungsgradvorteil mit sich bringt.
698 15 Verbrennungsverfahren

260
250
b i [g/k W h]

240
230
220
210 0.30
0.25

spmi [bar ]
0.20
0.15
0.10
0.05
20 0.00
H Ci [g/k W h]

18
16
14
12
10 0.25
0.20

FSN [-]
0.15
0.10
0.05
30 0.00
C O [g/k W h]

26
22
18
14
10 15
NOxi [g/k W h]

13 Bild 15-56 Verhalten motor-


11 spezifischer Parameter bei
9 Variation des Einspritz-
7 druckes zwischen 200 bar und
5 1.000 bar in einem Schicht-
200 400 600 800 1000
betriebspunkt pmi = 3 bar und
Einspritzdruck [bar] –1
n = 2.000 min [27]

Insofern stellt eine Erhöhung des Einspritzdrucks Gemischbildung beziehungsweise des Motorlaufver-
auch für homogene, insbesondere hochaufgeladene haltens beitragen, denn grundsätzlich stellt die im
Motorkonzepte einen sehr interessanten Lösungsan- Vergleich zu Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung
satz dar. deutlich verkürzte Zeit zur Gemischaufbereitung bei
Neben den deutlichen Vorteilen in Bezug auf die Ge- DISI-Konzepten eine große Herausforderung dar.
mischaufbereitung birgt die Einspritzdruckanhebung
aufgrund der deutlich verkürzten Einspritzzeiten auch Mehrfacheinspritzung bei geschichtetem
ein großes Potenzial hinsichtlich der Mehrfachein- Motorbetrieb
spritzung, sowohl im Homogen- wie auch geschichte- Um im gesamten Motorbetriebskennfeld die optima-
ten Magerbetrieb. Das grundsätzliche Prinzip der len Einstellungen für die Kraftstoffzufuhr in Bezug
Mehrfacheinspritzung wird im kommenden Absatz auf das Emissionsverhalten und die Stabilität des
erläutert. Brennverfahrens darstellen zu können, ist die Mehr-
facheinspritzung insbesondere bei strahlgeführten
Betriebsarten von Ottomotoren Brennverfahren unverzichtbar. Sie ermöglicht die
mit Direkteinspritzung Darstellung sehr kompakter Gemischwolken sowie
Unter dem Begriff Mehrfacheinspritzung wird die breiterer Übergangsbereiche von fettem Einspritz-
Aufteilung des Einspritzereignisses auf mehrere Zeit- strahl bis zur Umgebungsluft innerhalb des Zylinders.
punkte verstanden. Dieses Verfahren kann zur Op- Zusätzlich ist es möglich, den Bereich stöchiometri-
timierung verschiedener Motorbetriebszustände bei schen Luft-Kraftstoff-Verhältnisses stabiler an der
einem Ottomotor mit Direkteinspritzung verwendet Zündkerze zu halten und gleichzeitig zu vergrößern,
werden, sowohl im Homogen- wie auch im Schicht- was insbesondere für schichtbetriebene Brennverfah-
betrieb. In jedem Fall soll es zur Verbesserung der ren von großer Bedeutung ist. Verschärft wird die
15.2 Ottomotoren 699

Anforderung an das Brennverfahren und damit die um die Klopfneigung an der Volllast zu reduzieren,
Einspritzstrategie bei einer Kombination von Schicht- siehe Bild 15-58.
betrieb und Aufladung, also einer Vergrößerung des Das Bild zeigt das Verhalten des 50 % Kraftstoffum-
Kennfeldes in Bezug auf die Motorlast und damit die satzzeitpunktes bei einer Variation des Einspritzzeit-
Spreizungsfähigkeit der Kraftstoffzumessung. Das punktes der Zweiteinspritzung sowie der Auftei-
folgende Bild 15-57 unterstreicht den Vorteil der lungsmenge von erster und zweiter Einspritzung bei
Mehrfacheinspritzung in Bezug auf Gemischbildung Verwendung von Doppeleinspritzung im Volllastbe-
und Verbrennung im Schichtbetrieb. trieb. Im Verlauf der Variation wurde die Last kons-
Im linken Bereich des Bildes sind die Kraftstofftrop- tant gehalten und der Zündzeitpunkt an die Klopf-
fen und die Lambdaverteilung an der Zündkerze bei grenze nachgeführt. Eindeutig ist der positive Ein-
unterschiedlichen Einspritzstrategien erkennbar. Di- fluss der Doppeleinspritzung auf das Klopfverhalten
rekt daneben ist die Flammenausbreitung, repräsen- erkennbar. Während der 50 % Kraftstoffumsatzpunkt
tiert durch die Temperaturentwicklung in Zündker- mit Einfacheinspritzung bei circa 33° KW nach OT
zennähe, dargestellt. Die Analyse beider Bilderreihen liegt, kann dieser Punkt bei der Anwendung der Dop-
lässt für die Mehrfacheinspritzung einen klaren Vor- peleinspritzung unter der Maßgabe konstanter Last um
teil gegenüber der Einfacheinspritzung erkennen. Be- circa 6° KW nach früh verstellt werden. Das nach Ab-
stätigt wird das Ergebnis dieser Bilder durch die Ana- setzen der saugsynchronen Ersteinspritzung sehr ma-
lyse des Entflammungsverhalten, was im rechten un- gere Grundgemisch neigt weniger stark zu Klopfer-
teren Teil des Bildes dargestellt ist. Nicht nur, dass eignissen und nach Absetzen der geschichteten Zweit-
bei Mehrfacheinspritzung eine schnellere Zündungs- einspritzung wird das Zeitfenster zwischen Ende der
einleitung gewährleistet wird, zusätzlich vergrößert Einspritzung und Einleitung der Zündung derartig ver-
sich das Zündfenster bei Mehrfacheinspritzung deut- kürzt, dass auch das vollständige Gemisch erst unter
lich. deutlich verschärften Bedingungen im Brennraum
zum Klopfen neigt. Wird der Anteil der geschichteten
Mehrfacheinspritzung bei homogenen Motorbetrieb Einspritzung über die dargestellten 30 % hinaus er-
Im Homogenbetrieb wird die Mehrfacheinspritzung höht, so kann die Last nicht mehr konstant gehalten
vor allem bei Kombination mit Aufladung erfolgreich werden und die HC- sowie CO-Emissionen nehmen
eingesetzt. So kann die Doppeleinspritzung bei- aufgrund unvollständiger Gemischaufbereitung bezie-
spielsweise in der Form eingesetzt werden, dass eine hungsweise Verbrennung stark zu, so dass hier die
Aufteilung der Kraftstoffmasse in ein homogenes Grenze der sinnvollen Nutzung der Doppeleinsprit-
Grundgemisch und einen geschichteten Anteil erfolgt zung im homogenen Volllastbetrieb gegeben ist.

–1
Bild 15-57 Mehrfacheinspritzung im Schichtbetrieb bei 2.000 min , pmi = 3,0 bar (Simulationsergebnisse) [28]
700 15 Verbrennungsverfahren

1. Injection 2. Injection

-360 TDCFiring 360


Anteil der Zweiteinspritzung an der Gesamtmenge in %

35
Einfacheinspritzung: 33 °KW

28.37 26.99 26.36 26.97 28.38


30

27.00
25

30.07 29.24 27.81 28.04 28.59 Bild 15-58 Entwicklung des


20 50 % Krafstoffumsatzpunktes
28.00

28.40 bei Variation der Aufteilung


der Kraftstoffmasse in einen
15 28.90
homogenen und einen
geschichteten Anteil sowie
31.98 30.09 30.30 30.36 33.08
10
Variation des Einspritzzeit-
punktes der geschichteten
50% Umsatzpunkt / °KW nach OTHD Einspritzung bei konstanter
–1
5 Volllast (n = 1.500 min ,
80 70 60 50 40 30 20 10 0
pme = 19,5 bar, Zündung
Zeitpunkt der zweiten Einspritzung / °KW vor OTHD
immer an der Klopfgrenze)

Eine weitere Möglichkeit stellt die zusätzliche Ein- stoffversorgung und der entsprechenden Gemischbil-
spritzung eines homogenen Kraftstoffanteiles im dungsgüte ist der Einsatz von Hochdruckspeichern im
Bereich des Ladungswechsels dar, um eine Verbesse- Kraftstoffsystem denkbar. Ein deutlich verbessertes
rung der Homogenisierung zu erreichen [16]. Dies Start- und Emissionsverhalten wird erwartet.
führt außerdem über eine Reduzierung der Verdich- Eine weitere Möglichkeit, das Startverhalten zu opti-
tungsendtemperatur ebenfalls zu einer Reduzierung mieren, bildet der sogenannte Direktstart: Nahezu ohne
der Klopfneigung. Unterstützung einer Starthilfe, wie zum Beispiel einem
Anlasser, ist mit einer genau abgestimmten Einsprit-
Katalysatoraufheizung zung und Zündung, mit der ersten Umdrehung des
Während bei Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung Kurbeltriebs der Motorstart zu realisieren [17]. Diese
sehr häufig der Einsatz von zum Beispiel Sekundär- Funktionalitäten und das entsprechend verbesserte
luftpumpen zur Katalysatoraufheizung erfolgt, so lie- Startverhalten bedingen jedoch den Einsatz von Zu-
fern Ottomotoren mit Direkteinspritzung neue Frei- satzkomponenten wie zum Beispiel Druckspeicher
heitsgrade in dieser Disziplin, insbesondere durch und/oder Kurbelwinkelmarkengeber höherer Güte.
Mehrfacheinspritzstrategien.
Nach dem Absetzen einer ersten saugsynchronen Einfluss des Zündsystems
Einspritzung ist ein relativ mageres Grundgemisch auf die Direkteinspritzung
vorhanden, welches durchgängig erhalten bleibt und
in Verbindung mit einer oder mehreren Einspritzun- Direkteinspritzende Ottomotoren stellen hohe An-
gen nahe dem Zündzeitpunkt, welche die sichere forderungen an das Zündsystem, insbesondere im
Zündung und Entflammung gewährleisten, für eine Schichtbetrieb. Einerseits ist die Zündkerze zum Bei-
Erhöhung der Abgastemperatur im Vergleich zu spiel bei der strahlgeführten Direkteinspritzung infolge
Einfacheinspritzung sorgen, Bild 15-59. Diese führt von Kraftstoffbenetzung gegebenenfalls sehr großen
schließlich zu einem schnelleren Anspringen des Temperaturfluktuationen beziehungsweise Thermo-
Katalysators nach einem Kaltstart. shockbelastungen ausgesetzt und neigt zum Aufbau
von Ablagerungen, andererseits muss sie die der Di-
Schichtstart rekteinspritzung typischen Gegebenheiten von Inho-
Der Motorstart eines DISI-Motors erfolgt bei den mogenitäten in der Nähe der Zündkerze kompensieren
meisten der heute in Serie produzierten Motoren mit und trotzdem eine sichere Entflammung gewährleisten.
einem relativ geringen Druck im Kraftstoffrail, der Grundsätzlich soll im Schichtbetrieb nur ein örtlich
durch die elektrische Kraftstoffpumpe aufgebracht sehr begrenzter Bereich mit zündfähigem Luft-Kraft-
wird. Zur Anhebung dieses Druckniveaus in der Kraft- stoff-Gemisch, bei aufgrund der Schichtung global
15.2 Ottomotoren 701

Bild 15-59 Einspritzstrategien beim Aufheizen von Abgaskatalysatoren [28]

magerem Gemisch, um die Zündkerze herum zur funkenverwehungen. Einige dieser vorgenannten
Verfügung stehen. Hier liegt einer der Schwerpunkte Punkte werden bei der Direkteinspritzung deutlich
bei der Entwicklung von Brennverfahren mit Direkt- verschärft, so zum Beispiel die Auslenkung des
einspritzung, die Gewährleistung der Bereitstellung Zündfunkens infolge des Strahlimpulses bei strahlge-
zündfähigen Gemischs im Bereich der Elektroden der führten Brennverfahren und später Kompressions-
Zündkerze, unabhängig vom Betriebspunkt, das heißt hubeinspritzung, was zu einer deutlichen Erhöhung
Last, Drehzahl, Einspritzzeitpunkt, Zündzeitpunkt, der Strömungsgeschwindigkeit an der Zündkerze und
und so weiter. Zündfähiges Gemisch muss im Bereich speziell zwischen den Elektroden derselben führt.
zwischen ungefähr Lambda = 0,7 und Lambda = 1,3 Alles zusammen genommen führt zu einer deutlichen
liegen. Innerhalb dieses Bereichs kann die Entflam- Anhebung des Zündspannungsbedarfs.
mung und Ausbildung einer Flammenfront durch die Um eine sichere Entflammung auch unter den ver-
Zündung gewährleistet werden. Sollte die Gemisch- schärften Bedingungen der Direkteinspritzung zu
qualität stärkeren zyklischen Schwankungen unterlie- gewährleisten, wurden in der Vergangenheit immer
gen, so kann nicht für jeden Zyklus eine Entflam- wieder neue Zündsysteme auf ihre Tauglichkeit hin
mung sicher gestellt werden, was zu einem schlechten überprüft, wie zum Beispiel Plasmazündsysteme, La-
Laufverhalten des Motors mit einem Anstieg der serzündsysteme, und so weiter, keines wusste bisher
Emissionen und einer Zunahme des Kraftstoff- aber so zu überzeugen, dass es das hohe Nutzen-Kos-
verbrauchs führt. ten-Verhältnis der konventionellen Zündung erreich-
Ein erster Schritt die Entflammung trotz Inhomogeni- te. Dennoch wird weiter intensiv an immer neuen
täten beziehungsweise zyklischer Schwankungen der Systemen entwickelt, denn schließlich ließe sich ein
Gemischqualität an der Zündkerze zu gewährleisten, weiterer deutlicher Emissions- und Verbrauchsvorteil
ist die Anhebung der Zündenergie der konventionel- erschließen. So wäre es zum Beispiel ein großer Vor-
len Zündanlage, von circa 40 mJ auf Werte um 80 bis teil, wenn die Zündgrenze ins magere ausgeweitet
120 mJ. Ein ruhendes homogen stöchiometrisch werden könnte und damit zum Beispiel bei einer
zusammengesetztes Kraftstoff-Luft-Gemisch benötigt Schichtung nicht mehr der möglichst stöchiometri-
ungefähr 1 mJ Zündenergie, ein wiederrum ruhendes sche Kraftstoff-Luft-Kern um den Zündort herum ge-
aber mageres oder fettes Gemisch circa 3 mJ [31]. neriert werden müsste, sondern deutlich überstöchio-
Infolge von Inhomogenitäten, Verdünnung durch metrisch liegen könnte. Bei einer deutlich überstöchi-
rückgeführtes Abgas sowie Übertragungs- und Wär- ometrischen Gemischwolke könnte das NOx-Roh-
meverlusten an Zuleitungen und Elektroden steigt emissionsniveau deutlich abgesenkt werden, denn das
dieser Bedarf deutlich an, hinzu kommt auch die bei NOx-Bildungspotenzial innerhalb der stöchiometri-
nicht ruhenden Gemischen erhöhte Gefahr von Zünd- schen Gemischwolke würde stark reduziert werden.
702 15 Verbrennungsverfahren

Wäre hier ein wirklich großer Sprung möglich, könn- CFD-Berechnungen (Computational Fluid Dynamics)
te neben dem Emissionsvorteil sowie der erhöhten diese Vielfalt eingrenzen, Bild 15-60.
Restgasverträglichkeit auch ein weiterer Kraftstoff-
verbrauchsvorteil erschlossen werden, denn damit
wäre es möglich den Magerbetrieb und/oder den
Schichtbetrieb über seine bisherigen Grenzen hinaus
auszuweiten. Alles in allem würde ein weiterentwi-
ckeltes Zündsystem einen deutlichen Schub für die
Direkteinspritzung bedeuten.
Selbstverständlich würde eine solche Zündsystem Wei-
terentwicklung nicht nur für den Schichtbetrieb von
Vorteil sein, sondern auch den hoch aufgeladenen
homogen betriebenen DISI-Brennverfahren entgegen
kommen. Denn auch diese benötigen zur Zündung der
aufgrund der Aufladung hoch verdichteten Zylinderla-
dungen hohe Zündspannungen, um eine schnelle und
sichere Entflammung zu gewährleisten, damit dem
Gemisch nicht zu viel Zeit für Vorreaktionen bleibt,
welche zum klopfenden Motorbetrieb führen könnten.

Entwicklungsprozess/-werkzeuge
Entwicklunswerkzeuge
Zur Beantwortung der komplexen Fragestellungen
bei der Entwicklung von Konzepten mit Direktein-
spritzung werden die notwendigen Werkzeuge für die Bild 15-60 Entwicklungswerkzeug [24]
jeweiligen Entwicklungsschritte eingesetzt, welche
sich von der Analyse bekannter Brennverfahren und Als Vorgehensweise zur Darstellung und Bewertung
erster Simulationen bis zur Darstellung eines Kon- der innermotorischen Vorgänge werden optische
zeptfahrzeuges erstrecken. Dem üblicherweise für die Untersuchungsmethoden vorwendet.
Entwicklung von Ottomotoren anberaumten kurzen So ist zum Beispiel die Doppler-Global-Velocimetry
Zeitraum steht bei der Entwicklung der Direktein- (DGV) in der Lage, die komplexen dreidimensionalen
spritzung und hier insbesondere bei der Brennverfah- Vorgänge der Ladungsbewegung stationär und im
rensoptimierung eine Fülle von Variationen und geschleppten Motor zu visualisieren und mit geeigne-
Möglichkeiten gegenüber. Um den experimentellen ten Kennzahlen in relativ kurzer Zeit zu bewerten [23].
Umfang noch in einem vertretbaren Rahmen zu Eine beispielhafte Übersicht weiterer optischer Unter-
halten, müssen zum Beispiel statistische Modelle und suchungsmethoden ist in Bild 15-61 aufgelistet.

Bild 15-61 Übersicht optischer Untersuchungsmethoden [24]


15.2 Ottomotoren 703

Die zeitnahe Verknüpfung dieser Methoden stellt den [12] Eichlseder, H.; Hübner, W.; Rubbert, S.; Sallmann, M.: Beur-
teilungskriterien für ottomotorische DI-Verbrennungskonzepte.
Entwickler neben technischen Anforderungen vor
Spicher, U. u. A.: Direkteinspritzung im Ottomotor. expert
organisatorische Aufgaben. Daher werden bei den Verlag. 1998
Einzeluntersuchungen im Bereich der CFD- und opti- [13] Krebs, R.; Theobald, J.: Die Thermodynamik der FSI-Motoren
schen Methoden gezielt Werkzeuge eingesetzt, die von Volkswagen, 22. Internationales Wiener Motorensympo-
sium, 26./27.04.2001
üblicherweise zeitintensive Untersuchung auf die [14] Karl; Abthoff; Bargende; Kemmler; Kühn; Bubeck: Thermody-
wesentlichen Aussagen und einen deutlich kürzeren namische Analyse eines DI-Ottomotors. 17. Internationales
Zeitraum beschränken. Die Ergebnisse aus diesen Wiener Motorensymposium 1996
Untersuchungen dienen zum großen Teil dem Ab- [15] Zhang, H.; Bayerle, K.; Haft, G.; Klawatsch, D.; Entzmann, G.;
Lenz, H. P.: Doppeleinspritzung am Otto-DI-Motor: Anwen-
gleich mit den CFD-Berechnungen. dungsmöglichkeiten und deren Potenzial. 22. Internationales
Die im weiteren Entwicklungsprozess eingesetzten Wiener Motorensymposium, 26./27.04.2001
Werkzeuge zur Abstimmung der Motorsteuergerät- [16] Stiebels, B.; Schweizer, M.-J.; Ebus, F.; Pott, E.: Die FSITech-
funktionen sind ebenfalls zum Teil modellgestützt. nologie von Volkswagen – nicht nur ein Verbrauchskonzept.
Spicher, U. u. A.: Direkteinspritzung im Ottomotor IV. expert
Die momentenbasierte Funktionsstruktur der ECU Verlag. 2003
erfordert zur effizienten Applikation zum Beispiel [17] Kulzer, A.; Zülch, C.; Mößner, D.; Eichendorf, A.; Knopf, M.;
den Einsatz statistischer Versuchsplanung [25]. Bargende, M.: Einige Aspekte bezüglich Gemischbildung und
Den meisten Modellierungen ist jedoch zum Thema Verbrennung im Rahmen des Direktstarts von Ottomotoren mit
Benzin-Direkteinspritzung, Kraftstoffe und Antriebe der
stochastisches Verhalten, wie zum Beispiel zyklische Zukunft, VDI-Bericht 1808
Schwankungen im Brennverlauf, nicht mit der ge- [18] Fröhlich, K.; Borgmann, K.; Liebl, J.: Potenziale zukünftiger
wünschten Genauigkeit nachzukommen. Daher ist für Verbrauchstechnologien. 24. Internationales Wiener Motoren-
die Prüfung der thermodynamischen Größen bei der symposium 2003
[19] Geringer, B.; Klawatsch, D.; Graf, J.; Lenz, H.-P.; Schu-
Brennverfahrensentwicklung die Darstellung am öcker, D.; Liedl, G.; Piock, W. F.; Jetzinger, M.; Kapus, P.:
Vollmotor erforderlich. Das tatsächlich darstellbare Laserzündung. Ein neuer Weg für den Ottomotor. In: MTZ
Kraftstoffverbrauchspotenzial des Ottomotors mit 03/2004
Direkteinspritzung ist somit nur durch eine enge [20] Peters, H.: Experimentelle und numerische Untersuchung zur
Abgasrückführung beim Ottomotor mit Direkteinspritzung und
Vernetzung der Entwicklung von Brennverfahren, strahlgeführtem Brennverfahren, Dissertation. Universität Karls-
Abgasnachbehandlung und Betriebsstrategie in Kom- ruhe 2004
bination mit umfangreichen Modellierungen umzu- [21] Grigo, M.: Gemischbildungsstrategien und Potenzial direktein-
setzen [14, 15]. spritzender Ottomotoren im Schichtbetrieb, Dissertation RWTH
Aachen 1999
[22] Dahle, U.; Brandt, S.; Velji, A.: Abgasnachbehandlungskonzepte
Literatur für magerbetriebene Ottomotoren. Spicher, U. u. A.: Direktein-
[1] Merker, G. P.; Stiesch, G.: Technische Verbrennung, Motorische spritzung im Ottomotor. expert Verlag, 1998
Verbrennung. Stuttgart, Leipzig: Teubner Verlag, 1999 [23] Dingel, O.; Kahrstedt, J.; Seidel, T.; Zülch, S.: Dreidimensionale
[2] Pischinger, S.: Verbrennungsmotoren, Vorlesungsumdruck. Messung der Ladungsbewegung mit Doppler Global Veloci-
RWTH Aachen, 19. Auflage 1998 metry. In: MTZ 2/2003
[3] Wurms, R.: Differenzierte Druckverlaufs-Analyse – eine ein- [24] Stiebels, B.; Krebs, R.; Zillmer, M.: Werkzeuge für die Entwick-
fache, aber höchst wirkungsvolle Methode zur Interpretation von lung des FSI-Motors von Volkswagen. Leipertz, A.: Motorische
Zylinderdruckverläufen, 3. Internationales Indiziersymposium Verbrennung, Tagung HdTMärz 2001
22./23.04.1998 [25] Fischer, M.; Röpke, K.: Effiziente Applikation von Motorsteue-
[4] Niefer, H.; Weining, H. K.; Bargende, M.; Walthner, A.: Ver- rungsfunktionen für Ottomotoren. In: MTZ 9/2000, S. 562 ff.
brennung, Ladungswechsel und Abgasreinigung der neuen [26] Nauwerck, A.: Untersuchung der Gemischbildung in Ottomoto-
Mercedes-Benz V-Motoren mit Dreiventiltechnik und Doppel- ren mit Direkteinspritzung bei strahlgeführtem Brennverfahren,
zündung. In: MTZ 58, S. 392 – 399 Dissertation. Universität Karlsruhe (TH) 2006, LOGOS Verlag
[5] Pischinger, F.; Wolters, P.: Ottomotoren – Teil 2, Hrsg.: Braess, [27] Prevedel, K.; Piock, W. F.: Aufladung beim Direkteinspritz-Otto-
H.-H.; Seifert, U.: Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik, motor. VDI-Tagung Innovative Fahrzeugantriebe, Dresden
2000 2004
[6] Stiebels, B.: Flammenausbreitung bei klopfender Verbrennung, [28] Waltner, A.; Lückert, P.; Schaupp, U.; Rau, E.; Kemmler, R.;
Forschr.-Ber. VDI-Reihe 12 Nr. 311. Düsseldorf: VDI Verlag, Weller, R.: Die Zukunftstechnologie des Ottomotors: strahlge-
1997 führte Direkteinspritzung mit Piezo Injektor. 27. Internationales
[7] Adolph, N.: Messung des Klopfens an Ottomotoren, Dissertation. Wiener Motorensymposium, 2006
RWTH Aachen, 1983 [29] Thiemann, J.: Laserdiagnostische Untersuchungen der Rußbil-
[8] Kollmeier, H.-P.: Untersuchungen über die Flammenausbreitung dung in einem direkteinspritzenden Ottomotor, Dissertation.
bei klopfender Verbrennung, Dissertation. RWTH Aachen 1987 RWTH Aachen 2000
[9] Pischinger, R.; Kraßing, G.; Taucar, G.; Sams, T.: Thermodyna- [30] van Basshuysen, R. (Hrsg.): Ottomotor mit Direkteinspritzung,
mik der Verbrennungsmaschine. Die Verbrennungskraftma- 2. Aufl. Vieweg+Teubner Verlag 2008
schine. Neue Folge. Band 4. Wien, New York: Springer Verlag [31] Autoelektrik, Autoelektronik am Ottomotor. VDI Verlag 1987
1989, S. 99 [32] Altenschmidt, F. et al.: Das strahlgeführte Mercedes-Benz
[10] Südhaus, N.: Möglichkeiten und Grenzen der Inertgassteuerung Brennverfahren – Der Weg zum effizienten Ottomotor. TAE,
für Ottomotoren mit variablen Ventilsteuerzeiten, Dissertation. 9. Symposium Ottomotorentechnik, 2. und 3. Dezember
RWTH Aachen 1988 2010
[11] Fischer, M.: Die Zukunft des Ottomotors als PkW-Antrieb – [33] Buri, S. et al.: Reduzierung von Rußemissionen durch Stei-
Entwicklungschancen unter Verbrauchsaspekten, Dissertation. gerung des Einspritzdruckes bis 1000 bar in einem Ottomotor
TU Berlin 1998, Schriftenreihe B – Fahzeugtechnik – des mit strahlgeführtem Brennverfahren. 9. Internationales Sympo-
Institut für Straßen- und Schienenverkehr sium für Verbrennungsdiagnostik, AVL, 8./9. Juni 2010
704 15 Verbrennungsverfahren

[34] Hammer, J. et al.: Künftige Anforderungen und Systemlösungen und Auslassventilen lässt sich durch die Gestaltung der
für die Kraftstoffzumessung bei modernen Ottomotoren. TAE,
Spülkanäle beziehungsweise der Einlassschlitze ver-
9. Symposium Ottomotorentechnik, 2. und 3. Dezember 2010
[35] Pritze, S. et al.: GM’s HCCI – Erfahrungen mit einem zukünfti- hältnismäßig einfach eine Drallströmung im Zylinder
gen Verbrennungssystem im Fahrzeugeinsatz. 31. Internationales generieren und gegebenenfalls durch Klappen vor den
Wiener Motorensymposium, 29. – 30. April 2010 Spülschlitzen in Abhängigkeit von Last und Drehzahl
[36] Schaupp, U. et al.: Benzin-Direkteinspritzung der 2. Generation:
Kombination von Schicht- und homogenem Brennverfahren.
des Motors beeinflussen. Aus diesem Grunde lassen
10. Internationales Stuttgarter Symposium, 16. und 17. März sich, verglichen mit den heute überwiegend eingesetz-
2010 ten Viertakt-Dieselmotoren mit Direkteinspritzung,
[37] Dobes T. et al.: Maßnahmen zum Erreichen künftiger Grenz- ähnliche Gemischbildungsbedingungen erzeugen und
werte für Partikelanzahl beim direkteinspritzenden Ottomotor.
32. Internationales Wiener Motorensymposium 5. und 6. Mai
entsprechend vergleichbare Brennverfahren einsetzen.
2011 In Abschnitt 7.25 ist ein für den Einsatz im Pkw konzi-
[38] Kratzsch M.: Der qualitätsgeregelte Ottomotor – Ein konsequen- pierter gleichstromgespülter Dreizylinder-Zweitakt-
ter Weg mit Zukunftspotenzialen. 32. Internationales Wiener Dieselmotor der Fa. AVL abgebildet (siehe hierzu
Motorensymposium 5. und 6. Mai 2011
[39] Lückert P. et al.: Potenziale strahlgeführter Brennverfahren in
auch [4]). Bei Verwendung nockenbetätigter Einspritz-
Verbindung mit Downsizingkonzepten 32. Internationales Wie- pumpen (Verteilereinspritzpumpe, Pumpe-Düse) muss
ner Motorensymposium 5. und 6. Mai 2011 die gegenüber Viertaktmotoren verdoppelte Einspritz-
frequenz bei der Auslegung der Pumpe und des No-
ckens berücksichtigt werden. Insbesondere der Einsatz
15.3 Zweitakt-Dieselmotor einer Common-Rail-Einspritzung bietet die Option,
den Motor gegebenenfalls in bestimmten Kennfeldbe-
Trotz einer gewissen Verbreitung von Zweitakt- reichen (zum Beispiel bei hohen Drehzahlen) im Vier-
Dieselmotoren in den 1950er und 1960er Jahren als taktbetrieb zu betreiben. Unabhängig vom gewählten
Antrieb von kleinen Stationär- und Schleppermotoren Einspritzsystem ist bei der Gestaltung des Zylinderkop-
(Lanz, Hanomag, F&S, ILO, Stihl, O & K, Hirth) fes einer wirksamen Kühlung des Düsenhalters bezie-
sowie als Lkw-Antrieb (Krupp, Ford) (siehe hierzu hungsweise der Einspritzdüse eine wesentliche Beach-
auch [1] und [2]) hat der Zweitakt-Dieselmotor als tung zu schenken.
Pkw- und Lkw-Antrieb derzeit keine Bedeutung. Die Bei Zweitaktmotoren mit Umkehrspülung (Kopfum-
Gründe für die Bedeutungslosigkeit des Zweitakt- kehrspülung beziehungsweise kolbengesteuerte Um-
motors in diesem Segment sind die gestiegenen An- kehrspülung zum Beispiel nach Schnürle) bildet sich
forderungen bezüglich Lebensdauer, Schmierölver- um den OT im Brennraum keine Drallströmung son-
brauch und Emissionen, die mit einfach aufgebauten dern eine mehr oder weniger ausgeprägte Tumble-
Motoren konventioneller Bauart (Kurbelkammerspül- strömung aus. Aus diesem Grunde wurden umkehrge-
pumpe, symmetrisches Steuerdiagramm, Beschrän- spülte Zweitakt-Dieselmotoren für den Fahrzeugeinsatz
kung auf nur drei bewegte Teile) nicht im ausrei- in der Vergangenheit praktisch ausnahmslos mit Kam-
chenden Maße erfüllt werden konnten. Weitere merbrennverfahren (Vorkammer, Wirbelkammer) aus-
Gründe lagen im begrenzten Entwicklungsstand von gerüstet. Bei kleinen Stationärmotoren mit Umkehr-
zur Kurbelkammerspülpumpe alternativen Spülgeblä- spülung (F & S, ILO [1]) wurde demgegenüber eine
sen sowie kühl-, schmierungs- und werkstofftechni- Direkteinspritzung, teilweise mit radialer Anordnung
schen Problemen. Daneben verringerte sich wegen des Düsenhalters, verwirklicht. Moderne Direktein-
der zunehmenden Anwendung der Abgasturboaufla- spritzsysteme mit Einspritzdrücken bis zu 2.000 bar
dung bei Viertakt-Dieselmotoren auch der Leistungs- und einer größeren Zahl von Spritzlöchern erfordern
vorteil der Zweitakt-Dieselmotoren. Vorteile des für eine gute Gemischbildung nur einen vergleichs-
Zweitakt-Dieselmotors unter anderen hinsichtlich der weise geringen Drall der Verbrennungsluft, so dass
Anregung von Antriebsstrangschwingungen bei Moto- eine DI-Brennverfahrensentwicklung für umkehrge-
ren mit niedriger Zylinderzahl, der Drehmomentcha- spülten Zweitakt-Dieselmotoren, unter Umständen
rakteristik, des Leistungsgewichts, des Kaltstartverhal- unter Erzeugung einer gegebenenfalls leicht radial
tens, der Motorerwärmung nach dem Kaltstart, der gerichteten Quetschströmung im OT, nicht von vorn-
NOx-Rohemission und der Abgasnachbehandlungsbe- herein als aussichtslos erscheint.
dingungen machen den Zweitakt-Dieselmotor insbe- Bild 15-62 zeigt exemplarisch für einen Dieselmotor
sondere für Ein- bis Dreizylindermotoren für kleine mit Umkehrspülung den Längs- und Querschnitt
verbrauchsarme Pkw interessant und haben in den durch einen Zweizylinder-Zweitakt-Dieselmotor mit
1990er Jahren zu entsprechenden Entwicklungsprojek- 1,0 Liter Hubraum von Yamaha [5], der für den
ten unter anderen der Firmen Toyota [3], AVL [4], Einsatz in einem Kleinwagen konzipiert wurde. Der
Yamaha [5], und Daihatsu [6] geführt. Hub beträgt 93 mm, die Bohrung 82 mm. Die Nenn-
Bei Zweitakt-Dieselmotoren wird die Wahl des Brenn- leistung ist mit 33 kW bei 4.000 1/min angegeben.
verfahrens im starken Maße von der Festlegung auf ein Das maximale Drehmoment von 80 Nm wird bei
bestimmtes Spülkonzept bestimmt. Bei gleichstrom- 2.500 1/min erreicht. Der Motor mit einem Gesamt-
gespülten Zweitakt-Dieselmotoren mit Einlassschlitzen gewicht von 95 kg ist für den Einsatz in Dreiliterfahr-
15.4 Zweitakt-Ottomotor 705

zeugen ausgelegt und soll die Euro-4-Grenzwerte mittels Drosselklappe verschlossen werden, wodurch
erfüllen. Das Zylinderkurbelgehäuse aus einer Alu- das Verdichtungsverhältnis im Motorbetrieb im
miniumlegierung und Ni - P - SiC-beschichteter Zylin- Bereich zwischen 13 : 1 und 18 : 1 variiert wird. Offen-
derlaufbahn ist pro Zylinder mit vier Überströmkanä- bar vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten bei der
len versehen, über die das Frischgas aus der Kurbel- Erzeugung eines für DI-Brennverfahren charakteristi-
kammer in den Zylinder gelangt. Die Zylinderlaufbahn schen Brennraumdralls wurde auf ein Kammerbrenn-
und die wälzgelagerten Kurbelwellen- beziehungswei- verfahren zurückgegriffen. Bei diesem Brennverfahren
se Pleuellager werden über eine kennfeldgesteuerte (Bild 15-63) wird über vier tangential gerichtete
Frischölschmierung gezielt mit Schmieröl versorgt, Blaskanäle nach dem Einleiten der Verbrennung in
so dass ein minimaler Schmierölverbrauch ermöglicht der Kammer bei geringen Überschiebeverlusten im
wird. Der Auslassbereich des umkehrgespülten Zy- Zylinder eine ausgeprägte Drallströmung erzeugt.
linders ist mit zwei übereinander angeordneten Aus- Auf diese Weise lassen sich nach Angaben von Ya-
lassschlitzen versehen. Der obere Auslasskanal kann maha [5] eine vollständige Verbrennung bei niedrigen
zur Verbesserung der Drehmomentencharakteristik Verbräuchen und Emissionen erreichen.

Bild 15-62 Längs- und


Querschnitt des 1,0-Liter-
Zweitaktdieselmotors von
Yamaha [5]

motorradmotoren bildeten in den 1920er Jahren des


letzten Jahrhunderts die Voraussetzung für die
Markteinführung von Pkw mit Zweitakt-Ottomotoren
durch die Firmen DKW, Aero, Jawa und Ceskoslo-
vensko Zbrojovka. Der große Bedarf an erschwingli-
chen Fahrzeugen im Zuge der Massenmotorisierung
nach dem Zweiten Weltkrieg bildete insbesondere in
Deutschland den Hintergrund für die Entwicklung
und Produktion zahlreicher Pkw mit Zweitakt-
Ottomotoren. Neben der Auto Union (DKW) wurden
unter anderen Zweitakt-Pkw von Lloyd, Goliath,
Gutbrod und Glas produziert, wobei der Marktanteil
von Zweitakt-Pkw Ende der 1950er Jahre in West-
Bild 15-63 Darstellung der Wirbelkammer des 1,0- deutschland bei circa 20 % lag. In Ostdeutschland
Liter-Zweitakt-Dieselmotors von Yamaha [5] wurde bis zur Einstellung der Produktion Anfang der
1990er Jahre mit den Marken Wartburg und Trabant
sogar ein maximaler Marktanteil von Zweitakt-Pkw
15.4 Zweitakt-Ottomotor von über 60 % erreicht. Vor dem Hintergrund einer
zunehmenden Sensibilisierung der Kunden bezie-
Im Gegensatz zum Zweitakt-Dieselmotor besitzt der hungsweise der Öffentlichkeit bezüglich der unmit-
Zweitakt-Ottomotor als Pkw-Antrieb eine lange telbar wahrnehmbaren Kohlenwasserstoffemission
Tradition. Insbesondere die positiven Erfahrungen (Blaurauch), dem unkultivierten Leerlauf, Lebens-
bei der Entwicklung und Produktion von Zweitakt- dauerproblemen und verhältnismäßig hohen Voll-
706 15 Verbrennungsverfahren

lastkraftstoffverbräuchen wurde 1966 bei der Auto tungsbedingungen für den Kraftstoff. Andererseits
Union (DKW) in Ingolstadt und 1968 bei Saab in führt der hohe Inertgasanteil in der Teillast und be-
Schweden die Produktion von Pkw-Zweitaktmotoren sonders im Leerlauf zu drastisch verschlechterten
eingestellt. Praktisch zeitgleich mit der Einstellung Entflammungsbedingungen. Ein hoher Restgasanteil,
der Produktion von Pkw mit Zweitaktmotoren bei in Verbindung mit einem hohen Verdichtungsend-
Wartburg und Sachsenring Anfang der 1990er Jahre druck in der Teillast, begründet dabei die Forderung
haben Veröffentlichungen beziehungsweise Präsenta- nach dem Einsatz einer Zündanlage mit hoher Zünd-
tionen unter anderen der Firmen Orbital [7, 8], energie. Gelingt es unter diesen Bedingungen nicht,
AVL [9], Subaru, [10] Toyota, GM und Ficht (siehe durch den Spülvorgang im Bereich der Zündkerze ein
hierzu auch [11] und [12]) das Interesse an Zweitakt- entflammungsfähiges Gemisch zu positionieren, so
Ottomotoren erneut geweckt. Gemäß diesen Publika- kommt es zu Entflammungsaussetzern. Beim darauf
tionen bestand die Perspektive vor allem darin, durch folgenden Spülvorgang wird weiteres Luft-Kraftstoff-
Verbesserungen bei der Gemischbildung (Direktein- Gemisch in den Zylinder gespült, wodurch sich die
spritzung), aber auch durch den Einsatz alternativer Entflammungsbedingungen verbessern. Kommt es im
Spülverfahren, die spezifischen Nachteile traditionel- Anschluss an einen oder mehrere Spülvorgänge dann
ler Pkw-Zweitaktantriebe zu überwinden und emissi- zu einer Entflammung, ist die anschließende Ver-
ons- und verbrauchsgünstige Antriebe insbesondere brennung als Folge der Vorreaktionen im Gemisch
für kleine Pkw zu schaffen. während der vorangegangenen Verdichtungszyklen
Wesentliches Merkmal des Zweitaktverfahrens ist es, durch hohe Energieumsatzraten, Druckgradienten und
dass im Gegensatz zum Viertaktverfahren pro Um- Spitzendrücke gekennzeichnet. Dieses Betriebsver-
drehung ein vollständiger Arbeitszyklus abläuft, halten mischungsgespülter Zweitakt-Ottomotoren
wobei das Entfernen der verbrannten Ladung und das führt zu einem unkultivierten Laufverhalten in der
Einführen des Frischgases (Spülvorgang) in den Teillast und besonders im Leerlauf. Weiterhin hat die
Zylinder zeitgleich in Kurbelwinkelbereichen um den Ausspülung unverbrannter Gemischanteile einen
unteren Totpunkt (UT) erfolgt. Da das Gasvolumen Anstieg des Kraftstoffverbrauchs und hohe Kohlen-
über die geöffneten Auslassorgane mit der Atmosphä- wasserstoffemissionen zur Folge. Durch den Einfluss
re kommuniziert, beginnt der Verdichtungsvorgang der speziell bei Zweitaktmotoren mit Kurbelkammer-
nach dem Schließen der Ein- und Auslassorgane, spülpumpe ausgeprägten Gasschwingungen im An-
abgesehen von gasdynamischen Einflüssen und Auf- saugsystem ändern sich mit der Drehzahl nicht nur
beziehungsweise Nachladeeffekten – selbst bei An- die Füllung des Zylinders, sondern insbesondere bei
saugluftdrosselung in der Teillast –, grundsätzlich bei äußerer Gemischbildung (Vergaser) auch die Ge-
einem Zylinderdruck, der in etwa dem Atmosphären- mischzusammensetzung. Hierdurch ergeben sich
druck entspricht. Hierdurch ergeben sich im Gegen- neben dem Restgasgehalt weitere Einflüsse auf die
satz zum drosselgeregelten Viertakt-Ottomotor auch Entflammung, das Laufverhalten und die Emission.
in der Teillast vergleichsweise hohe Verdichtungs- Bei Steigerung der Last führt der steigende Frisch-
enddrücke. gasanteil im Zylinder zu einem gleichförmigeren
Wie im Abschnitt 10.3 dargestellt, stehen für den Motorlauf. Erfahrungsgemäß werden mit mischungs-
Ladungswechsel von Zweitaktmotoren verschiedene, gespülten Zweitaktmotoren bei mittlerer Teillast und
mit jeweiligen Vor- und Nachteilen behaftete Spül- mittleren Drehzahlen vergleichsweise günstige Kraft-
verfahren zur Verfügung. Wegen der einfachen und stoffverbräuche erzielt. Bei Annäherung an die Voll-
kompakten Bauart und der Forderung nach ver- last führt die steigende in den Zylinder gespülte
gleichsweise hohen Nenndrehzahlen wurden Zwei- Gemischmenge je nach gasdynamischer Auslegung
takt-Ottomotoren für den Pkw-Einsatz bisher prak- des Ansaug- und Auspuffsystems zu einem mehr oder
tisch ausnahmslos mit Umkehrspülung und Kurbel- weniger ausgeprägten Anstieg der Frischgasverluste
kammerspülpumpe ausgebildet. Im Gegensatz zu und damit zu einem Anstieg von Verbrauch und HC-
drosselgeregelten Viertakt-Ottomotoren verringert Emissionen.
sich bei konventionellen Zweitaktmotoren mit Kur- Voraussetzung für die Einhaltung der strengen aktuel-
belkammerspülpumpe zur Teillast hin die Ladungs- len und zukünftigen Abgasschadstoffgrenzwerte bei
wechselarbeit (siehe hierzu auch [13]). Dieses Prinzip Pkw-Viertakt-Ottomotoren ist nach derzeitigem Stand
der Lastregelung bedingt allerdings in der Teillast der Technik zumindest in Teilkennfeldbereichen die
wegen des „offenen“ Gaswechsels einen hohen Ab- Oxidation unverbrannter Kohlenwasserstoffe (HC)
gasanteil im Zylinder, da beim Ladungswechsel nur und Kohlenmonoxid (CO) sowie die gleichzeitige
so viel Abgas aus dem Zylinder gedrängt wird, wie – Reduktion von Stickoxiden (NOx) im Dreiwegekata-
vom Maß der Ansaugkanaldrosselung bestimmt – lysator bei stöchiometrischem Luft-Kraftstoff-Ver-
Frischgas in den Zylinder gelangt. Ein hoher Abgas- hältnis (O = 1-Regelung). Grundsätzliche Bedingung
anteil im Zylinder senkt die NOx-Emissionen und für eine Funktion des Dreiwegekatalysators bei Zwei-
verbessert wegen der Erhöhung des Temperaturni- takt-Ottomotoren ist es, dass das unverbrannte Ge-
veaus in der Teillast die physikalischen Aufberei- misch, welches beim Ladungswechsel den Zylinder
15.4 Zweitakt-Ottomotor 707

verlässt, das gleiche (stöchiometrische) Luftverhältnis die daran gekoppelten Entwicklungsaufgaben ange-
wie die Frischladung aufweist. Dieser Zustand lässt führt (siehe hierzu auch [18]):
sich bei Zweitakt-Ottomotoren mit äußerer Gemisch-
bildung im Grundsatz verwirklichen. Allerdings füh- x Einsatz beziehungsweise Optimierung von Spül-
ren die beschriebenen Entflammungsaussetzer in der verfahren welche, bei minimalen Frischgasverlus-
Teillast und die damit verbundene ausgeprägte zeitli- ten auch in der Teillast an der Zündkerze ein si-
che Veränderlichkeit der Abgaszusammensetzung zu cher entflammbares Gemisch liefern
regelungstechnischen Schwierigkeiten bei der Einhal- x Übergang von der äußeren Gemischbildung (Ver-
tung eines engen O-„Fensters“. gaser/Saugrohreinspritzung) auf Direkteinspritz-
Bei innerer Gemischbildung (Direkteinspritzung) systeme, welche, in den kurzen zur Gemischbil-
wird der Zylinder mit Luft gespült. Je nach Güte des dung zur Verfügung stehenden Zeiträumen eine
Spülverfahrens, Mitteldruck (Last) und der gegebe- gute Gemischaufbereitung und die Positionierung
nenfalls zur Zylinderkühlung durchgespülten Luft- eines sicher entflammbaren Gemisches an der
menge müsste für einen Betrieb bei O = 1 der direkt Zündkerze auch in niedrigen Teillastbetriebspunk-
in den Auspuff gespülte Sauerstoff durch „Anfettung“ ten gewährleistet. Luftunterstütze Direkteinspritz-
des im Zylinder verbliebenen Gemisches (Erhöhung systeme ermöglichen in den kurzen, für die Ge-
der Einspritzmenge) kompensiert werden. Ein durch mischbildung verfügbaren Zeiträumen eine gute
die „Anfettung“ des Gemisches im Zylinder verur- Gemischaufbereitung, müssen jedoch noch im
sachter Anstieg von oxidierbaren Abgasbestandteilen Hinblick auf die hohen Systemkosten und die ho-
(HC, CO) ist allerdings in Hinblick auf den Kraft- he Leistungsaufnahme optimiert werden
stoffverbrauch, die thermische Belastung des Kataly-
x Einsatz beziehungsweise Optimierung von Zünd-
sators und das durch die Konvertierungsraten des
einrichtungen beziehungsweise Zündverfahren,
Katalysators begrenzte Maß der Schadstoffreduzie-
rung, unerwünscht. die langzeitstabil im praktischen Fahrzeugbetrieb
auch schwer entflammbare Gemische in der Teil-
Im Gegensatz zum Einsatz im Pkw haben vor allem
das niedrige Gewicht, der geringe Raumbedarf, die last sicher entflammen
mechanische Robustheit und der wartungsarme Betrieb x Entwicklung beziehungsweise Einsatz von Spül-
von Zweitakt-Ottomotoren deren dominierende Stel- beziehungsweise Aufladegebläsen, die bei minima-
lung bei Außenborder-, Jetski-, Snowmobilmotoren ler Leistungsaufnahme eine weitgehend freie Wahl
und Antrieben für kleine Zweiräder und Arbeitsgeräte des Zylinderspül- beziehungsweise Aufladegrades
zumindest teilweise gesichert. Die auch in diesen im gesamten Kennfeld des Motors ermöglichen.
Marktsegmenten ansteigenden technischen und um- Dabei bieten elektrisch unterstützte Turbolader ge-
weltpolitischen Anforderungen haben zur Entwicklung gebenenfalls mit variabler Turbinengeometrie die
und Markteinführung zahlreicher technischer Verbes- Option, einen Teil der ansonsten ungenutzten Ab-
serungen geführt, mit denen die Kraftstoffverbräuche gasenergie zu nutzen und gleichzeitig wegen des
und/oder die Schadstoffemissionen zum Teil drastisch Rückstaus der Abgase vor der Turbine die Nachtei-
reduziert werden konnten. Hierzu zählen unter anderen le von symmetrischen Steuerdiagrammen (Umkehr-
die Spülvorlage (Frischgasvorlage/Frischluftvorlage) spülung) zu kompensieren
[14, 15] bei kleinen Stationärmotoren, die Einführung x Der Verzicht auf die Kurbelkammer als Spülpum-
von Oxidationskatalysatoren in Verbindung mit einer pe bietet die Möglichkeit zum Einsatz bezüglich
Optimierung der Umkehrspülung und einer „mageren“ Akustik, Lebensdauer und Kosten günstigen gleit-
Gemischabstimmung bei Mofas und Rollern, der gelagerten Kurbelwellen und einer wirksamen
Einsatz von Sekundärluftsystemen bei kleinen Zweirä- Kühlung der thermisch hochbelasteten, gegebe-
dern und die Serieneinführung der elektronischen nenfalls mit Kühlkanal zu versehenen Kolben mit-
Direkteinspritzung [16, 21] bei Außenbordmotoren und tels Druckumlaufschmierung und Ölspritzdüsen.
Zweirädern [16]. Vor allem die strengen Schadstoff- Die Zylinder-Kolbenlaufpaarung sowie die Kol-
grenzwerte auf den wichtigsten Märkten für Pkw sowie benringbestückung sind konsequent auf einen mi-
die hohen Komfort- und Lebensdauerforderungen, die nimalen Schmierölbedarf beziehungsweise eine
wie in [17] dargestellt, zumindest teilweise auch bei maximale Ölabstreifwirkung der Kolbenringe so-
neueren Konzepten nicht in ausreichendem Maße wie eine ausreichende mechanische und thermi-
erfüllt werden, stellen gravierende Hürden für den sche Standfestigkeit dieser Triebwerkskomponen-
Einsatz von Zweitakt-Ottomotoren als Pkw-Antrieb ten hin zu optimieren
dar. Für die erfolgreiche Markteinführung von Zwei- x Basierend auf dem technologischen Wissen be-
takt-Ottomotoren als Automobilantrieb seien dement- züglich der Abgasnachbehandlung bei DI-Viertakt-
sprechend im Folgenden die wichtigsten als zielfüh- ottomotoren sind Abgasnachbehandlungssysteme
rend anzusehenden Konzeptansätze beziehungsweise an die Anforderungen von Zweitakt-Ottomotoren
708 15 Verbrennungsverfahren

anzupassen, um auch ohne einen Betrieb des Mo- Euro-3-Grenzwerte eingehalten. Der Motor war für
tors bei stöchiometrischem Luft-Kraftstoff-Ver- den Einsatz im indonesischen Pkw der Marke Maleo
hältnis die strengen zukünftigen Schadstoffgrenz- beziehungsweise Texmako vorgesehen.
werte zu erfüllen. Das wassergekühlte Zylinderkurbelgehäuse aus einer
x Ein interessanter Ansatz stellt der, im Grundsatz Aluminiumlegierung besitzt pro Zylinder mehrere
auch für Dieselmotoren denkbare, kombinierte Überströmkanäle und ist in der Kurbelwellenmittel-
Zweitakt- und Viertaktbetrieb bei Fahrzeug-Otto- ebene geteilt. Die geschmiedete Kurbelwelle ist ein-
motoren dar. Entsprechend den Ergebnissen von teilig ausgebildet und an den Zapfen für Haupt- und
bei Ricardo durchgeführten Grundlagenuntersu- Pleuellager mit geteilten Rollenlagern versehen. Bei
chungen [19, 20] lässt ein Zweitaktbetrieb (Spül- aufwärts gehendem Kolben wird über das Saugrohr
konzept-Kopfumkehrspülung) in Kennfeldpunkten Ansaugluft in die jeweilige Kurbelkammer gesogen.
hoher Last und niedriger Motordrehzahlen ein mit Vor der Kurbelkammer angeordnete Lamellenventile
erheblichen Kraftstoffverbrauchseinsparungen ver- (Reedvalves) verhindern während des Verdichtungs-
bundenes weitreichendes Downsizing zu. Ent- vorgangs in der Kurbelkammer eine Rückströmung
wicklungsschwerpunkte liegen bei diesen Konzep- von Gas in den Ansaugtrakt. Die Kurbelwellenlager
ten insbesondere in der Verwirklichung serienfä- und die Zylinder werden über eine elektronisch
higer Aufladekonzepte, Spülkonzepte, Betriebsart- gesteuerte Schmierölpumpe mit Frischöl versorgt.
wechselstrategien und Ventilsteuerzeit-Umschalt- Das Kraftstoff-Öl-Mischungsverhältnis liegt dabei
konzepte. üblicherweise zwischen 1 : 50 und 1 : 200. Um über
dem gesamten Drehzahlbereich ein hohes Drehmo-
In Bild 15-64 ist exemplarisch die Ansicht eines ment zu erzielen, ist in den Auspuffkanälen im Be-
umkehrgespülten Dreizylinder-Zweitaktmotors der reich der Auspuffschlitze eine Steuerwalze angeord-
Firma Orbital dargestellt. Der Motor hat einen Hub net, mit der die Auslasssteuerzeit verändert werden
von 72 mm und eine Bohrung von 84 mm. Die Nenn- kann. Die Steuerwalze wird über einen Gleichstrom-
leistung ist mit 58 kW bei 4.500 1/min angegeben. motor verstellt. Besonderes Kennzeichen des Motors
Das maximale Drehmoment von 130 Nm wird bei ist die luftunterstützte Benzindirekteinspritzung
3.500 1/min erreicht. Das Gesamtgewicht des Motors (siehe hierzu auch [21, 22]). Hauptelement dieses
beträgt 85 kg. Gemäß den in [21] gemachten Aussa- Einspritzsystems ist ein im Zylinderkopf angeordne-
gen werden im Anschluss an einen 80.000 km- tes elektromagnetisch gesteuertes Ventil zur Einsprit-
Dauerlauf mit ausreichendem Sicherheitsabstand die zung einer Luft-Kraftstoff-„Emulsion“ in den Brenn-

Bild 15-64 Schnittdarstellung


des 1,2-Liter-Dreizylinder-
Zweitaktmotors der Firma
Orbital [18]
15.4 Zweitakt-Ottomotor 709

raum. Der flüssige Kraftstoff wird dabei exakt be- beim 10. Internationalen Wiener Motorensymposium, 27. –
28. April 1989 Fortschritt-Berichte VDI Reihe 12 Nr. 122.
messen mittels eines Einspritzventils einer konven-
Düsseldorf: VDI-Verlag, 1989
tionellen Saugrohreinspritzanlage in eine Gemisch- [10] N. N.: Neuer Subaru-Zweitaktmotor im Versuch. In: MTZ 52
kammer eingespritzt. Durch Einspritzen von in einem (1991) 1, S. 15
Hubkolbenverdichter verdichteter Luft in diese [11] Appel, H. (Hrsg.): Der Zweitaktmotor im Kraftfahrzeug, Ab-
gasemission, Kraftstoffverbrauch, neue Konzepte; Tagungsband
Kammer bildet sich eine Luft-Kraftstoff-„Emulsion“, gemeinschaftliches Kolloquium am 28. Februar 1990 Uni Berlin,
die fein zerstäubt in den Brennraum geblasen wird. ISBN 37893 13695
Gemäß [21] wird dabei ein mittlerer Sauterdurchmes- [12] N. N.: Fahrzeugmotoren im Vergleich: Tagung Dresden 3. –
ser (SDM) von weniger als 8 Pm erreicht. Hierdurch 4. Juni 1993, VDI Gesellschaft Fahrzeugtechnik, VDI-Berichte
1066. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1993
wird beispielsweise bei 3.000 U/min und Beendigung
[13] Groth, K.; Haasler, J.: Gaswechselarbeit und Ladungsendzu-
des Einspritzvorgangs im Bereich von 25 bis stand eines Zweitakt- und eines Viertaktottomotors bei Teillast.
30 °KW vor OT im geschichteten Luft-Kraftstoff-Ge- In: ATZ 62 (1962) 2, S. 51 – 53
misch eine gute Gemischqualität erreicht, die bei [14] Mugele, M.: Numerische Analyse eines Spülvorlagenkonzeptes
Teillast eine Abmagerung des Luft-Kraftstoff-Ver- zur Emissionsreduzierung bei kleinvolumigen Zweitaktmotoren.
Berlin: Logos Verlag, 2002
hältnisses bis zu 100 : 1 bei stabiler Verbrennung [15] Jäger, A.: Untersuchungen zur Entwicklung eines Zweitaktotto-
zulässt. motors mit hoher Leistungsdichte und niedrigen Kohlenwasser-
stoffemissionen. Berlin: Logos Verlag, 2005
[16] Gegg, T.: Analyse und Optimierung der Gemischbildung und der
Literatur zu Kapitel 15.3 und 15.4 Abgasemissionen kleinvolumiger Zweitaktottomotoren. Berlin:
Logos Verlag, 2007
[1] Frese, F.; sowie Fuchs, A.: In: Bussien, Automobiltechnisches [17] Braess, H. H.; Seiffert, U. (Hrsg.): Vieweg Handbuch Kraftfahr-
Handbuch, Bd. 1, 18. Aufl. S. 757 – 788 beziehungsweise zeugtechnik. Braunschweig, Wiesbaden: Friedrich Vieweg &
S. 789 – 791. Berlin: Technischer Verlag Herbert Cram, 1965 Sohn Verlagsgesellschaft mbH, 2000
[2] Scheiterlein, A.: Der Aufbau der raschlaufenden Verbren-
[18] Meinig, U.: Standortbestimmung des Zweitaktmotors als Pkw-
nungskraftmaschine. 2. Aufl. Wien: Springer Verlag, 1964
Antrieb: Teil 1 – 4. In: MTZ 62 (2001) 7/8, 9, 10, 11
[3] Nomura, K.; Nakamura, N.: Development of a new Two-Stroke
[19] Rebhan, M.; Stokes, J.: Kombinierter Zweitakt- und Viertakt-
Engine with Poppet-Valves: Toyota S-2 Engine. In: A New
Ottomotor für weitreichendes Downsizing. In: MTZ 70 (2009) 4,
Generation of Two-Stroke Engines for the Future? Paris:
S. 316 – 322.
P. Duret (Editor) and Editions Technip, 1993, pp. 53 – 62
[20] Osborne, R. et al.: The 2/4 Sight Project-Development of a
[4] Knoll, R.; Prenninger, P.; Feichtinger, G.: 2-Takt-Prof. List
Multi-Cylinder Two-Stroke/Four Switching Gasoline Engine.
Dieselmotor, der Komfortmotor für zukünftige kleine Pkw-
Warren dale, PA: SAE-paper 20085400 Presentation 384, 2008
Antriebe. 17. Internationales Wiener Motorensymposium 25. –
26. April 1996. In: VDI Fortschritt-Berichte Reihe 12 Nr. 267 [21] Shawcross, D.; Wiryoatmojo, S.: Indonesia’s Maleo Car, Sprea-
Düsseldorf: VDI Verlag 1996 und AVL Infounterlagen reads Produktion of a Clean, Efficient and Low Cost, Direct
[5] http://www.yamaha-motor.co.jp vom März 1999. Sowie Injected Two-Stroke Engine, IPC9 Conference. Nusa Dua, Bali,
Information aus: N. N.: Diesel Progress International Edition Indonesia: November 16 – 21st 1997
(ISSN1091 3696) Volume XVII, No. 4, Skokie, Il USA [22] Stan, C., (Hrsg.): Direkteinspritzsysteme für Otto- und Diesel-
July/August 1999 S. 42 – 43 motoren. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag, 1999
[6] N. N.: IAA 1999 Motoren und Komponenten. In: MTZ Jahrgang [23] Blair, G. P.: Design and Simulation of Two-Stroke Engines.
60, (1999) Heft 11, S. 719 Warrendale, PA: SAE-Verlag, 1996, ISBN 1.56091-685-0
[7] Schunke, K.: Der Orbital Verbrennungsprozess des Zweitakt- [24] Heywood, J. B.; Sher, E.: The Two-Stroke Cycle Engine. Its
motors, Vortrag beim 10. Internationalen Wiener Motorensym- Development, Operation, and Design Warrendale, PA, SAE,
posium, 27. – 28. April 1989 Fortschritt-Berichte VDI Reihe 12 Verlag Taylor and Francis, 1999, ISBN 0-7680-0323-7
Nr. 122. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1989 [25] Dixon, J. C.: The High-Performance Two-Stroke Engine. Spark-
[8] Cumming, B. S.: Opportunities and challenges for 2-stroke en- ford, UK: Haynes Publishing, 2005, ISBN 1844250458
gines, Beitrag zum 3. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und [26] Kirchberger, R. et al.: Können umkehrgespülte Zweitaktmotoren
Motorentechnik. Aachen: 15. – 17.10.1991 für Freizeitanwendungen die zukünftigen Emissionsgrenzwerte
[9] Plohberger, D.; Miculic, L. A.: Der Zweitaktmotor als Pkw- erfüllen? 31. Internationales Wiener Motorensymposium, 29. –
Antriebskonzept-Anforderungen und Lösungsansätze, Vortrag 30. April 2010
710 16 Elektronik und Mechanik

16 Elektronik und Mechanik für


Motor- und Getriebesteuerung

16.1 Umweltanforderungen 16.1.1 Einbauklassen


Die Umweltanforderungen an Motor- und Getriebe- Die Umweltbedingungen ergeben sich in erster Linie
steuerungen werden hauptsächlich durch folgende durch den Anbauort (Bild 16-1) im Pkw und werden
Parameter bestimmt: in die folgenden Einbauklassen eingeteilt:
x Temperatur x Fahrgastraum oder Elektronikbox (E-Box)
x Vibration x Motorraum (Chassisanbau)
x Schutz gegen Medien (Flüssigkeiten drucklos, x Aggregateanbau
unter Druck, Feststoffe …). x Integration ins Aggregat.
Für die thermische Auslegung der Steuerungen ist Die Definition der verschiedenen Klassen (Bild 16-2),
aufgrund der steigenden Funktion und damit Verlust- ermöglicht es, zugeordnete Gehäusekonzepte zu ent-
leistung immer stärker auch die Eigenerwärmung zu wickeln und somit durch Standardisierung projekt-
berücksichtigen. Schlussendlich muss die Tauglich- spezifische Entwicklungsaufwendungen zu reduzie-
keit jedes Designs für die definierten Umweltanforde- ren. Standardisierung ermöglicht aber auch eine Ver-
rungen nachgewiesen werden. einfachung der Fertigungsstrukturen und unterstützt
Hierzu werden von Beginn der Entwicklung an Simu- eine globale Fertigungsstrategie.
lationen mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode Für die Auswahl des Anbauortes gibt es die unter-
(FEM) eingesetzt und abschließend wird eine Um- schiedlichsten Argumente wie:
welterprobung zum Nachweis der Tauglichkeit x Kosteneinsparung beim Kabelbaum (Motorraum,
durchgeführt. Motor- und Getriebeanbau)

Integration ins Aggregat


(z. B. Einbau ins Getriebe)
Aggregateanbau (z. B. am Motor,
am Getriebe, am Luftfilter)
Motorraum

Elektronikbox

Fahrgastraum

Bild 16-1 Einbauräume

Fahrgastraum Motorraum Aggregateanbau Integration im


/Elektronikbox (z.B. am Motor, Aggregat
am Getriebe) (z.B. Getriebe)

Temperatur -40°C … 85°C -40°C … 105°C -40°C … 125°C -40°C … 150°C

Vibration Bis 5g Rauschen Bis 5g Rauschen Motor: Bis zu 35g Sinus


Bis zu 25g Sinus und Rauschen
und Rauschen

Getriebe:
Bis zu 35g Sinus
und Rauschen
Dichtheit Staubdicht Staubdicht, Staubdicht, Getriebeöldicht
Strahlwasserdicht Strahlwasserdicht
Bild 16-2 Einbauklassen

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_16
16.1 Umweltanforderungen 711

Moderne Antriebsstrangarchitektur
Vergleich: Standalone vs. Mechatronische Lösung

Standalone Steuergerät Mechatronisches Getriebemodul (MTM)


Sensoren/Aktuatoren
Sensoren/Aktuatoren

Interner Kabelbaum

Stecker Stecker
Getriebe Kabelbaum Getriebe
Getriebe-TCU

Fahrzeugkabelbaum
Stecker
TCU
Stecker

Fahrzeugkabelbaum
Bild 16-3 Antriebsstrang:
Darstellung von Standalone-
Fahrzeugsignale Fahrzeugsignale
und integrierten Produkten

x EMV-Verringerung durch verkürzten Kabelbaum Getriebesteuerungen, die als eigenständige Einheit im


(Motorraum, Motor- und Getriebeanbau) Pkw verbaut werden, im Gegensatz zu Integrierten
x Verbau im Innenraum, Konzentration der Steuer- Produkten, die zusammen mit einer anderen Funk-
geräte (E-Box) tionseinheit (zum Beispiel Getriebe) kombiniert
x Motortest inkl. Steuergerät vor dem Verbau (Mo- werden. Diese beiden Konzepte werden in den nach-
toranbau) stehenden Kapiteln detailliert beschrieben. Im Bild
x Integrationsmöglichkeiten (Systemansatz) zum 16-3 wird am Beispiel einer Getriebesteuerung der
Beispiel: Ansaugmodul (motornaher Anbau, in- Unterschied dieser beiden Konzepte verdeutlicht.
tegrierte Getriebesteuerung).
Generell kann man seit einiger Zeit einen Trend bei 16.1.2 Thermisches Management
der Auswahl des Anbauortes weg vom Passagierraum
hin zum motornahen beziehungsweise getriebenahen In der Vergangenheit hatten die Gehäuse die haupt-
Anbau erkennen. sächliche Aufgabe, die innen liegende Elektronik vor
Bei den Einbauorten herrschen in der Regel die in den Umweltbedingungen, wie Wasser, Staub und me-
Bild 16-2 dargestellten Umweltbedingungen vor. chanischen Einwirkungen zu schützen. Bedingt durch
Die Umweltbedingungen werden mit zunehmender erhöhten Schaltungsumfang und zunehmende elektri-
Nähe zum Motor oder Getriebe für die Gehäuse sche Leistungsfähigkeit sowie erhöhte Umgebungs-
immer härter, was sich in der Konzeptionierung des temperaturen gewinnt das thermische Management
Gerätes niederschlägt (Auswahl der Materialien, der zunehmend an Bedeutung. So sind die thermischen
Fertigungsprinzipien, Funktionsweisen …). Rahmenbedingungen heute zu einem entscheidenden
Bei Steuergeräten wird zwischen „Standalone-Pro- Faktor für die Konzeptauswahl geworden.
dukten“ und „Integrierten Produkten“ unterschieden. Bild 16-4 gibt einen Überblick der Maximaltempera-
Unter Standalone-Produkten versteht man Motor- und turen, die an verschiedenen Einbauorten im Pkw

Fahrgastraum Kofferraum 85°C


• moderate Zonen 85°C
• Dach 120°C

Motorraum
• moderate Zonen 85°C Chassis
• am Motor 125°C • isoliert 85°C
• im Getriebe 150°C
Bild 16-4 Maximal-
• an Wärmequellen 175°C
• am Abgasstrang 205°C temperaturen für
verschiedene Ein-
bauorte im Pkw
712 16 Elektronik und Mechanik

25%

20%
Häufigkeit (%)

15%

10%

5%

0%
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Bild 16-5 Temperatur-
Temperatur am Einbauort (°C) verteilung im Betrieb über
Lebensdauer

auftreten. Während Elektronik in der Vergangenheit Neben der Umgebungstemperatur muss wegen der
häufig im Fahrgastraum verbaut oder mittels einer E- steigenden Zunahme der Verlustleistung immer mehr
Box thermisch geschützt wurde, verlagert sich der auch die Eigenerwärmung des Gerätes berücksichtigt
Einbau zunehmend in den Motorraum. Dadurch werden. Die Verlustleistung wird getrieben durch
überschreiten die Umgebungstemperaturen inzwi- Maßnahmen zur Kraftstoffeinsparung und Emissions-
schen häufig die früher üblichen 85 °C. Auch inner- kontrolle wie Direkteinspritzung oder variabler Ven-
halb des Motorraums werden die moderaten Zonen tiltrieb. Lag die Verlustleistung in der Vergangenheit
zunehmend durch andere Elektroniken besetzt, sodass bei circa 15 W, so sind bei aktuellen Motorsteuerun-
Motor- und Getriebesteuerungen vermehrt am oder gen 40 W und mehr an die Umgebungsluft abzu-
im Aggregat verbaut werden. Im Inneren von Getrie- führen.
ben treten dabei Temperaturen bis zu 140 °C auf. Für Bild 16-6 zeigt die Basiskonstruktion zur Entwär-
Motorsteuerungen vermeidet man Anbauorte in un- mung moderner Steuergeräte sowie ein vereinfachtes
mittelbarer Nähe zum Abgasstrang und erreicht so thermisches Widerstandsmodell.
eine Begrenzung der Maximaltemperaturen auf Während die Leiterplatte zur Optimierung der Pa-
125 °C. Diese Temperaturen treten überwiegend in ckungsdichte grundsätzlich beidseitig bestückt ist,
der Nachheizphase, dem sogenannten „hot soak“ auf. werden Bauelemente mit hoher Verlustleistung nur
Dabei wird das Fahrzeug mit maximal erwärmtem einseitig bestückt und auf einer sogenannten thermi-
Motor an einem windgeschützten Ort abgestellt. Auf schen Bank platziert. Im Bereich der thermischen
diese Weise entfällt die Kühlung durch den Fahrt- Bank ist die Leiterplatte über ein thermisches Inter-
wind und die gesamte, in Motor und Kühlsystem face (Wärmeleitfolie oder -paste) mit der Wärme-
gespeicherte Wärmemenge heizt den Motorraum auf. senke verbunden. Das thermische Interface hat die
Die Maximaltemperaturen bestimmen den Bereich, in Aufgabe elektrisch zu isolieren und gleichzeitig einen
dem die Funktionsfähigkeit der Motorsteuerung ge-
währleistet sein muss. Bezüglich der Zuverlässigkeit
über der Lebensdauer dagegen würde eine alleinige Thermisches Pad TBE
Betrachtung der Maximaltemperatur zu unerwünsch- PBE
Thermisches Interface
ten, weil Kosten treibenden Reserven führen. Zielfüh-
render ist es, hierfür die Verteilung der Umgebungs- Rth int
temperaturen über Lebensdauer, das sogenannte ther-
mische Lastprofil, heranzuziehen. Bild 16-5 zeigt ein TWärmesenke
PSG
derartiges Temperaturprofil. Der Schwerpunkt der
Verteilung liegt dabei typischerweise um 30 bis 40 °C
unter den Maximaltemperaturen. Mit Hilfe üblicher Rth ext
Lebensdauerformeln (Arrhenius-Gesetz) und Be-
schleunigungsfaktoren beträgt die Lebensdauer auf Wärmesenke Kühlrippe TUmgebung
Basis des Temperaturprofils in etwa das Zehnfache
der Lebensdauer unter Annahme des permanenten Bild 16-6 Thermisches Management – vereinfachtes
Betriebs bei Maximaltemperatur. Widerstandsmodell
16.1 Umweltanforderungen 713

guten thermischen Kontakt zu gewährleisten. Zur Ver- zeigt das Ergebnis einer solchen virtuellen Validierung:
besserung des Wärmedurchgangs durch die Leiterplatte Bei gleicher Umgebungstemperatur und Luftanströ-
werden sogenannte thermische Via (elektrisch und/oder mung (hier: 90 °C und 0,5 m/s) stellt die Drehzahl
thermisch leitende Verbindung von der oberen Leiter- 4.000/min den kritischsten Lastfall dar. Die Tempera-
bahnebene zur darunterliegende) eingesetzt: Durchkon- turen liegen um 20 °C bis 30 °C über dem Niveau bei
taktierungen ohne elektrische Funktion, die aufgrund Leerlaufdrehzahl. Dennoch bleiben auch im kritischs-
ihres Kupferanteils den effektiven vertikalen Wärme- ten Lastfall die Komponenten unter 150 °C, und die
leitwert der Leiterplatte erhöhen. Die Kombination des elektrische Funktion ist gewährleistet. Die Ergebnisse
Lötpads mit einer optimierten Anordnung thermischer aus den anderen Lastfällen werden gewichtet und
Via nennt man thermisches Pad. gehen in Lebensdauer-Betrachtungen ein.
Die Wärmesenke wird üblicherweise aus Aluminium- Durch den Einsatz von Simulationen ist es möglich,
Druckguss gefertigt und gibt die Wärme überwiegend die Thermik eines Steuergerätes zu überprüfen, noch
über Konvektion an die Umgebungsluft ab. Zur bevor erste Hardware vorliegt. Darüber hinaus kön-
Verbesserung des Wärmeübergangs ist sie mit Kühl- nen Designs in sehr kurzen Schleifen optimiert wer-
rippen versehen, welche hauptsächlich im Bereich der den – ohne die üblichen, durch Musterbau verur-
thermischen Bänke platziert sind. sachten Wartezeiten. Zusätzlich ist es möglich, Effek-
Vereinfacht kann der thermische Pfad folgenderma- te zu analysieren, welche mit üblichen Messmitteln
ßen dargestellt werden: Das Bauelement gibt seine nicht oder nur schwer zugänglich sind, zum Beispiel:
Verlustleistung PBE über den internen thermischen
x Temperaturverteilung im geschlossenen Gerät
Widerstand Rth int and die Wärmesenke ab. Die Wär-
x lokale Erwärmung im Inneren der ICs
mesenke leitet die Gesamtverlustleistung des Gerätes
x transiente Zustände (kurze Verlustleistungspeaks).
PSG über den externen thermischen Widerstand Rth ext
an die Umgebungsluft weiter. Es gilt: Thermische Simulationen stimmen inzwischen exzel-
TBE TUmgebung  PSG ˜ Rth ext  PBE ˜ Rth int lent mit Messergebnissen überein. Dennoch ist deren
Qualität sehr stark von der Qualität der Eingangsgrö-
Rth int liegt je nach Größe der Komponente typischer- ßen abhängig wie
weise zwischen 3 K/W und 15 K/W. Rth ext hängt stark
x Verlustleistung der Bauelemente
von der Gehäusegröße und der Anströmgeschwindig-
x Annahmen zu Umgebungstemperatur und An-
keit der Luft ab. Für ruhende Umgebungsluft (natural
strömgeschwindigkeit
convection) und typische Gehäusegrößen liegt er bei
x Abweichungen realer Bauelemente und Steuerge-
circa 1 K/W und nimmt dann mit zunehmender Luft-
rätedesigns vom Nenn-Design.
geschwindigkeit stark ab.
Während der Entwicklung eines Steuergerätes wird Deshalb wird im Laufe der Entwicklung eines Steuer-
die thermische Situation in regelmäßigen Abständen gerätes die Simulation durch Messungen ergänzt be-
überprüft, um die Auslegung der Kühlrippen und der ziehungsweise ersetzt. Die abschließende Validierung
Schaltungsträger zu optimieren. Hierzu werden zu- erfolgt ausschließlich anhand real aufgebauter Hard-
nächst thermische Simulationen eingesetzt. Bild 16-7 ware.

Lastfall 1 Lastfall 2 Lastfall 3


Drehzahl: 700 U/min Drehzahl: 1700 U/min Drehzahl: 4000 U/min

Umgebungsluft: 90°C / Anströmung: 0,5m/s

Bild 16-7 Virtuelle Validierung mittels Simulation – Analyse unterschiedlicher Lastzustände


714 16 Elektronik und Mechanik

16.2 Standalone-Produkte
Die Kernfunktionen eines Gehäuses für Kfz-Elek-
tronik sind:
x Schutz der Elektronik vor Umwelteinflüssen
(Staub, Wasser, aggressive Flüssigkeiten)
x Schutz der Elektronik vor mechanischen Belas-
tungen (Vibration, mechanischer Schock) sowie
Stabilisierung des Aufbaus
x elektrische Schnittstelle zum Kabelstrang
x thermische Schnittstelle zur Umgebung
Bild 16-8 Beispiel eines Gehäuses für den Einsatz im
x mechanische Schnittstelle zum Fahrzeug.
Fahrgastraum
In zahlreichen Applikationen dient das Gehäuse
zusätzlich als Schnittstelle für den Luftdruck, um so In Bild 16-9 wird der Gehäusetyp für Motorraum-
die Messung des Umgebungsdrucks durch einen einbau dargestellt. Dieser erfüllt die Randbedingun-
innen liegenden Sensor zu ermöglichen. Hierfür wird gen, wie sie von der Mehrzahl der Kunden heute
ein sogenanntes Druckausgleichselement eingesetzt, gefordert werden. Gezeigt sind drei Vertreter, welche
welches im Wesentlichen aus einer semipermeablen die Bandbreite von der Basis-Funktionalität über
Membran besteht. Standardgröße bis hin zum High-End abbilden. Dabei
Die Gehäuse müssen vielfältige Befestigungsmög- variiert die Anzahl der Steckerpins um den Faktor 2
lichkeiten (Einschub, Schrauben, Klemmen) bieten und die eingesetzte Leiterplattenfläche beziehungs-
und den Vibrationsbedingungen genügen. Auch hier weise Bauelementezahl um den Faktor 5. Neben einer
wird die Entwicklung durch Festigkeitsberechnungen Skalierung von Länge und Breite ermöglicht der mo-
unterstützt, mit dem Ziel der Gewichtsoptimierung dulare Aufbau eine Adaption an verschiedene Befes-
(Dimensionierung der Teile gemäß der Spannungs- tigungsmöglichkeiten bis hin zum integrierten Anbau
verteilung unter den unterschiedlichen Lastfällen). So am Luftsaugtrakt (Bild 16-10). Die Variabilität des
kann dem Trend zur Leichtbauweise im Automobil- Konzeptes wird überwiegend durch Anpassung der
bau Rechnung getragen werden. Wärmesenke erreicht, welche als Aluminium-Druck-
In den Bildern 16-8 ff. werden die einzelnen Gehäu- gussteil ausgeführt ist. Trotz der Vielzahl der kunden-
setypen jeweils an einem Beispiel dargestellt und spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten ist der techni-
erläutert. sche Aufbau und damit zusammenhängend der Ferti-
Bei dem Gehäuse in Bild 16-8 handelt es sich um den gungsprozess nahezu unverändert.
inzwischen klassischen Vertreter eines Einbaus unter Mit Möglichkeit, unterschiedliche Stiftleisten einzu-
gemäßigten Randbedingungen. Das thermische Kon- setzen, erlaubt dieser Gehäusetyp die Anpassung für
zept besteht aus einer Leiterplatte mit einem speziel- variable Funktionalität (entspricht der Anzahl und Art
len Lagenaufbau, der die Weiterleitung der Abwärme der Steckerpins) und unterschiedliche Kabelbaum-
der elektrischen Bauteile zu den metallischen Gehäu- philosophie (Anzahl der Steckmodule) (Bild 16-11).
seteilen übernimmt. Um den Weg des Wärmetrans- Bedingt durch verschärfte Abgasnormen und die Be-
portes so gering wie möglich zu halten, sind die strebungen zur Kraftstoffeinsparung werden immer
Leistungshalbleiter in der Regel am Rand der Leiter- mehr Sensoren und Stellglieder an die Motorsteue-
platte platziert. rungen angeschlossen.

Bild 16-9 Gehäuse-Baukasten für den Motorraum; links: Basis-Funktionalität; Mitte: Mainstream mit skalier-
barer Länge; rechts: High-End mit 2 PCBs und Wasserkühlung
16.2 Standalone-Produkte 715

Bild 16-10 Anpassung an


den Einbauraum über Va-
riation des Druckgussteils

Dies führt zu folgenden Trends:


x Zunahme der benötigten Pins
x zusätzliche hochstromfähige Pins
x stärkere Differenzierung der Pinzahlen im Portfolio.
Während um 2000 noch 121 Steckerpins für eine Mo-
torsteuerung ausreichten, wurde 2003 der aktuelle
VDA-Stecker mit 154 Pins eingeführt. Derzeit sind
Stiftleisten mit bis zu 196 Pins als Standard verfüg-
bar. Darüber hinausgehende Anforderungen werden
über modulare Designs realisiert. Gleichzeitig gibt es
zunehmende Nachfrage nach Motorsteuerungen mit
Basis-Funktionalität, die mit circa 100 Steckerpins
auskommen.
Im Zuge der Bestrebungen, Fahrzeuggewicht und
Bild 16-11 Modularität der Stiftleiste Kraftstoffverbrauch zu reduzieren, gewinnt die Ge-
wichtsoptimierung der Wärmesenke zunehmend an
Bedeutung. Hierfür gibt es folgende Möglichkeiten:
x Minimierung des Materialeinsatzes für Kühlrippen
x Reduktion der Wandstärke
x Einsatz alternativer Werkstoffe, zum Beispiel
Magnesium-Druckguss.
Eine vielversprechende Umsetzung dieses Gedankens
ist in Bild 16-12 dargestellt. Das neuartige Gehäuse-
Blech-Abdeckung
konzept vereint die thermische Leistungsfähigkeit
und das Dichtkonzept des Baukastens für den Motor-
Dichtung raum von Bild 16-9 mit dem Gewichtsvorteil des
älteren Konzeptes für den Fahrgastraum (Bild 16-8).
Wärmeleitmaterial Es ist geeignet für den Einbau im Motorraum und
bietet bereits bei Basisfunktionalität einen Gewichts-
vorteil von circa 100 Gramm.
Blech-Wärmesenke
Das Gehäuse in Bild 16-13 ist eine Anpassung der
Standardkonstruktion für den motornahen Bereich am
Luftfilter oder Saugmodul. Hervorzuheben ist die
Widerstandsfähigkeit gegen Vibrationen auch als
Leiterplattengerät. Diese wird erreicht, indem die
Bild 16-12 Neuartiges Gehäusekonzept zur Ge- Leiterplatte durch zusätzliche Schraubpunkte stabili-
wichtsreduktion bei gleichbleibend hoher Robustheit siert wird. Das Druckgussteil ist direkt dem Luftstrom
716 16 Elektronik und Mechanik

gungskonzept dar. Bislang unterschieden sich die


Lösungen (Bild 16-14 links) grundlegend von den
vorgenannten Prinzipien. Als Substrat wurden kera-
mische Werkstoffe benötigt, als elektrische Bauteile
kommen bei den ICs Bare Die in Betracht. Das Invest
in der Fertigung für diese Geräte ist beträchtlich.
Die Vorteile für den Kunden bei diesem Konzept sind
in der möglichen Miniaturisierung und den Integrati-
onsmöglichkeiten am Motor oder im Antriebsstrang
(integrierte Getriebesteuerungen, smart actuator) zu
sehen.
In den letzten Jahren wurde diese aufwändige Lösung
weitestgehend durch Geräte auf Leiterplattenbasis
(Bild 16-14 rechts) ersetzt. Der grundsätzliche Grö-
ßennachteil der Standardtechnologie wird dabei durch
Bild 16-13 Beispiel eines Gehäuses für den Luftfil- doppelseitige Bestückung sowie die bessere Anpas-
teranbau
sungsfähigkeit an die durch den Einbau vorgegebene
Außenkontur weitestgehend kompensiert. Durch den
im Luftfilter ausgesetzt. Damit wird ein leistungsstar- Einsatz von hochtemperaturfähigen Leiterplatten, der
kes thermisches Management bewirkt. Pressfit-Technologie, sowie eines resonanzarmen
Der Anbauort am Motor, Bild 16-14, stellt die größte Designs wurde ausreichende Robustheit für diesen
Herausforderung an Werkstoffe, Aufbau- und Ferti- Einsatzort erreicht.

Bild 16-14 Motorsteuerun-


gen für den Motoranbau:
links: Keramiktechnologie
mit ungehäusten ICs;
rechts: Leiterplattentechnolo-
gie mit SMT-Bauelementen

16.3 Verbindungstechnik x Anzahl der Module (Kammern)


x Abgangsrichtung des Steckers (senkrecht oder
Die Stiftleiste, oder auch der „Stecker“, ist das Ergeb- parallel zur Leiterplatte).
nis umfangreicher Abstimmungsarbeit mit den Kun-
Da die Entwicklungsaufwendungen beträchtlich sind,
den und den Zulieferern. In diesem Teil verbergen
gibt es heute in Arbeitskreisen der Automobilherstel-
sich Themen wie Motormanagement, Systemansatz
ler Bestrebungen, in Zusammenarbeit mit Zulieferern
des Kunden (Aufteilung in Motor und Chassis: Ka-
von Steuergeräten und Steckerlieferanten Vereinheit-
belbaumarchitektur), Kontaktsystem (Querschnitte,
lichungen bei den Anforderungsklassen und den
Oberflächen), Dichtkonzepte (Einzelader- oder Sam-
Ausführungen zu erzielen.
meldichtung), Steckkräfte, Montagerichtung, Verrie-
Die elektrische Verbindung zwischen Steckerleiste
gelungsstrategie, Diebstahlsicherung, Vibrationsfes-
und Leiterplatte im Inneren der Motorsteuerungen
tigkeit, Biegesteifigkeit, Montageverfahren (Schwall-
wurde traditionell mittels Löttechnik realisiert. Hier
löten, Reflowlöten, Bonden) und Werkstoffauswahl
gibt es mit der „press fit“-Technologie eine vielver-
und -kombination, um die wichtigsten zu nennen.
sprechende Neuerung. Dabei werden die Messerleis-
Das Ergebnis ist dann ein Teil, das hauptsächlich
tenstifte mit flexiblen Einpresszonen versehen, wel-
durch folgende Kriterien definiert wird:
che in eng tolerierte Bohrungen der Leiterplatte
x Dichtheit verpresst werden. Es entsteht eine außerordentlich
x Anzahl der Pins robuste, ermüdungsfreie Verbindung. Bisher wird
16.4 Getriebesteuergeräte 717

diese Technik vor allem für Motor- und Getriebesteu- ein Leistungs- und Funktionsoptimum für ihre Kun-
erungen mit hohen Umgebungsanfordungen (Tempe- den. Dies erhöht allerdings auch die Diversität der
ratur, Vibration) eingesetzt. Da die „Press-fit“-Tech- technischen Ansätze der am Markt befindlichen
nik zusätzlich eine bessere Kontrolle der Fertigungs- Getriebe zusätzlich.
qualität ermöglicht, wird sie zunehmend auch für Dieser Vielfalt an Getriebekonzepten müssen die Her-
Standard-Anforderungen eingesetzt. steller von Getriebesteuergeräten (TCUs = „Transmis-
sion Control Units“) durch individuelle Lösungen
gerecht werden (Bild 16.15). Die Bezeichnungen der
16.4 Getriebesteuergeräte Getriebesteuergerätegehäuse orientieren sich – in An-
Der weltweite Anteil an Automatikgetrieben nimmt bei lehnung an die in Kapitel 16.1.1 dargestellten Einbau-
Pkw Jahr für Jahr zu. Gleichzeitig steigen die Vielfalt klassen – im Wesentlichen an der Einbausituation des
der Automatikgetriebearten und deren Varianten. Im Steuergeräts. Steuergeräte im Motorraum oder im
Wesentlichen gibt es neben Stufenautomaten auch Passagierinnenraum, die nicht unmittelbar mit dem
CVT-Getriebe (Continuous Variable Transmission) Getriebe in Kontakt stehen, heißen Wegbausteuerge-
und DCT-Getriebe (Double Clutch Transmission, räte („Standalone TCU“).
Doppelkupplungsgetriebe) mit unterschiedlicher Gang- Steuergeräte, die von außen an der Getriebeglocke
zahl und in unterschiedlichster Form und Technik. befestigt werden, nennt man Anbausteuergeräte
Die Notwendigkeit, stetig an weiteren Maßnahmen („Attached to TCU“). Im Innenraum der Getriebeglo-
zur Kraftstoffeinsparung zu arbeiten, führt zudem in cke befindliche Steuergeräte werden als integrierte
den verschiedenen Getriebearten zu einem anhalten- Getriebesteuergeräte bezeichnet. Für Anbausteuerge-
den Trend zur Elektrifizierung. Dabei ist bei ver- räte mit integriertem Motor ist die Bezeichnung Ak-
schiedenen OEMs und Getriebeherstellern der Grad tuator-Anbausteuergerät („Actuator attached to-
der Elektrifizierung unterschiedlich stark ausge- TCU“) üblich. Aufgrund des erhöhten Funktions-
prägt – beispielweise sind für die Schaltaktuatorik umfangs und Komplexitätsgrades werden Integrierte
sowohl elektrohydraulische als auch reine elektromo- Getriebesteuergeräte und Aktuator-Anbau-Steuer-
torische Lösungen üblich. Dadurch erreichen die geräte heute häufig unter der Bezeichnung Mechatro-
Getriebehersteller in dem jeweiligen Getriebekonzept nisches Getriebemodul (MTM = „Mechatronic Trans-

Bild 16-15 Unterschiedliche Getriebetypen werden individuell mit unterschiedlichen Aufbaukonzepten und
Varianten der Getriebesteuergeräte bedient
718 16 Elektronik und Mechanik

Bild 16-16 Unterteilung


der verschiedenen Getrie-
besteuergerät-Typen gemäß
ihrer Einbausituation be-
ziehungsweise des Funk-
tionsumfanges

Bild 16-17 Blockdia-


gramm des elektrischen
Systemumfangs für ein
Doppelkupplungsgetriebe

mission Module“) zusammen gefasst. In Bild 16-16 triebesteuergeräten werden dagegen weitestgehend
sind die unterschiedlichen Aufbaukonzepte der Ge- alle Funktionalitäten des elektrischen Systems in ei-
triebesteuergeräte mit Beispielen dargestellt. nem mechatronischen Steuergerät zusammen gefasst.

16.4.1 Systembeschreibung 16.4.2 Getriebesteuergerätetypen


Für Automatikgetriebe besteht das elektrische Ge- Im Folgenden wird die Aufbautechnologie der unter-
samtsystem nicht nur aus der eigentlichen elektri- schiedlichen TCU-Gehäuse beschrieben. Die je-
schen Steuereinheit (ECU = „Electronic Control weilige Aufbautechnologie wird dabei im Wesentli-
Unit“), sondern in den meisten Fällen aus zusätzli- chen durch die am jeweiligen Einbauort herrschenden
chen Komponenten. Hierzu zählen beispielweise un- Anforderungen an das Steuergerät bezüglich Tempe-
terschiedliche Sensoren oder Hydraulikkomponenten, ratur, Vibration und die umgebenden Medien be-
wie Ventile oder Pumpenmotoren, verschiedene stimmt. Typische Anforderungen für die verschiede-
Kontaktierungselemente. Exemplarisch ist in Bild nen Steuergeräteklassen sind in Bild 16-19 darge-
16-17 der entsprechende Systemumfang für ein stellt.
typisches Doppelkupplungsgetriebe in Form eines
Blockdiagramms abgebildet. Wegbausteuergeräte
Um diesen Systemumfang real umzusetzen, sind un- Für Wegbausteuergeräte entspricht der Aufbau
terschiedliche Lösungsansätze möglich (Bild 16-18). grundsätzlich den unter Kapitel 16.2 beschriebenen
So gibt es Lösungen mit Wegbau- oder Anbausteuer- Aufbautechnologien. Diese externen Lösungen, die als
geräten bei denen alle, über die reine elektronische separate Elektronikbox unter relativ moderaten Um-
Steuereinheit hinausgehenden Funktionalitäten durch gebungsbedingungen (Temperatur, Vibration) an dazu
zusätzliche Komponenten, wie zum Beispiel Einzel- geeigneten Einbauräumen im Fahrzeug untergebracht
sensoren, Kabelstränge, Kontaktierungsmodule und werden, sind meistens Leiterplattenbaugruppen: Die
Sensorcluster, umgesetzt werden. Bei integrierten Ge- elektronischen Bauteile mit eigenem Gehäuse sind
16.4 Getriebesteuergeräte 719

Bild 16-18 Unterschiedli-


che Lösungsansätze zur
Darstellung des gesamten
elektrischen Systemum-
fangs am Beispiel Doppel-
kupplungsgetriebe

Wegbau Getriebesteuergerät Anbau Getriebesteuergerät Integriertes Getriebesteuergerät


(Motorraum)
Temperatur- -40°C bis 105 °C -40°C bis 125°C -40°C bis 150°C
bereich (erhöht: 125°C) (erhöht: 140 °C)
Vibration 3g bis 1 0g Sinus Bis zu 28g Sinus Bis zu 35g Sinus
und Rauschen und Rauschen

Effektivwert der Effektivwert der


Beschleunigung 9,66g Beschleunigung 9,66g
Medien Alle Motorraum-Medien Alle Motorraum-Medien Aggressive Getriebeöle
(z.B. Diesel, Benzin, Motoröl, (z.B. Diesel, Benzin, Motoröl, (Dampf und Flüssigkeit) Bild 16-19 Typische
Kaltreiniger; etc.) Kaltreiniger; etc.) Anforderungsprofile für
Kein Wasser außer für
IP6K9K IP6K9K Steckerbereich Getriebesteuergeräte be-
züglich ihres Verbauortes

auf der Leiterplatte aufgelötet. Üblicherweise werden In den meisten Fällen werden jedoch Anbaulösungen
bei Wegbausteuergeräten keine Sensoren oder andere für Automatikgetriebe von Nutzfahrzeugen einge-
mechatronische Komponenten integriert. Nachteilig setzt. Hier sind die Lebensdaueranforderungen höher.
ist die Begrenzung der realisierbaren Verlustleis- Um auch den höheren Vibrations- und Temperaturan-
tungsabführung durch den Einbauort und die maximal forderungen gerecht zu werden, ist ein anderes Auf-
mögliche Umgebungstemperatur (< 125 °C), die baukonzept zu wählen. Als Schaltungsträger kommen
komplexen Steckverbindungen und die langen Lei- Keramiksubstrate, wie Dickschichtkeramik oder bei
tungszuführungen zum Getriebeaggregat. Auch die niedrigen Temperaturen gesinterte keramische Sub-
Robustheit gegenüber EMV-Einstrahlung sinkt bei strate (Low Temperature Co-fired Ceramics, LTCC),
Karrosserieanbauten aufgrund der Leitungslängen des und Leiterplatten (PCB) zum Einsatz. Dabei werden
Kabelbaums. ungehäuste Bauteile auf den Schaltungsträger aufge-
klebt und durch Gold- beziehungsweise Aluminium-
Anbausteuergeräte draht mit den Leiterbahnen des Substrates verbunden.
Bei Anbausteuergeräten gibt es im Wesentlichen zwei Als Verbindungstechnologie kommt für die Drähte
verschiedene Aufbautechnologien. Im unteren Anfor- Bonden zum Einsatz. Das Substrat wird auf eine
derungsbereich kann mit einigen Zusatzmaßnahmen metallische Platte – üblicherweise Aluminiumdruck-
eine ähnliche Aufbautechnologie, wie für Wegbau- guss, eventuell mit Kühlrippen, oder eine Alumini-
steuergeräte verwendet werden. Um damit die in Bild umstanzplatte – mit einem Wärmeleitkleber auf-
16-19 aufgeführten Maximalwerte für Wegbausteuer- geklebt. Ein Gehäuserahmen aus Kunststoff, an dem
geräte zu erreichen, müssen die Gehäuse komplett aus die Steckverbindungen mit angespritzt sind, wird
Metall und entsprechend stabil ausgeführt werden. ebenfalls auf die Metallplatte aufgesetzt und mit
Kritische Komponenten müssen zusätzlich gesichert dieser verschraubt und verklebt. Zwischen Schal-
werden. Diese Aufbautechnologie kommt dabei tungsträger und den Steckverbindungen am Gehäuse-
hauptsächlich bei Anbaulösungen für Pkw-Anwen- rahmen wird durch Aluminiumbondungen der elektri-
dungen zum Einsatz, bei denen die Umweltanforde- sche Kontakt hergestellt. Um den Schaltungsträger
rungen systembedingt niedrig ausfallen. und die elektrischen Bauteile dauerhaft gegen Feuch-
720 16 Elektronik und Mechanik

tigkeit zu schützen, werden diese noch mit Silikongel Copper Bonded-Substrate (DCB) verwendet. In letz-
geschützt. Abschließend wird der Elektronikraum ter Zeit werden auch vermehrt HDI-Leiterplatten
noch durch einen Kunststoff- oder Metalldeckel, der („High Density Interconnect“) genutzt. Auf allen
auf das Gehäuse aufgeklebt wird, verschlossen. Ein Schaltungsträgern werden die Halbleiterbauteile
typischer Aufbau ist in Bild 16-20 dargestellt. selbst ohne eigenes Gehäuse als Bare Die direkt auf
solche Schaltungsträger geklebt und durch Bonddräh-
te elektrisch mit den Leiterbahnen verbunden. Bei
den Bonddrähten handelt es sich üblicherweise um
Goldbonddrähte mit einer Dicke von 23 μ bis 50 μm
und Aluminiumbonddrähte mit einer Dicke von
125 μm bis 400 μm.
Im Elektronikbereich führen neue Kundenanforde-
rungen wie die ISO 26262 (Funktional Safety Mana-
gement, Kapitel 16.9.6) oder die Verlagerung von
Mechanikfunktionen aus dem Getriebe in die Elekt-
ronik zu höheren Anforderungen an die Mikrocon-
troller. Aktuell werden in Seriendesign Single Core
Controller in einen Speicherbereich zwischen 1,5 MB
und 2,5 MB Flash und einer maximalen Taktrate bis
180 Mhz eingesetzt. Zukünftig werden neue Multi-
core Controller mit einen Speicherbereich bis 6 MB
und Taktraten bis 300 Mhz in den nächsten Generati-
onen von TCUs Anwendung finden.
Um die Ölversorgung der Hydrauliksteuerung für das
Bild 16-20 Anbausteuergerät für erhöhte Anforde- Getriebe bedarfsgerecht und damit kraftstoffsparend
rungen zu realisieren, wird zunehmend die mechanisch
betriebene Ölpumpe durch eine mit einen bürstenlo-
Auch bei den Anbausteuergeräten werden Sensorik sen Gleichstrommotor (BLDC) angetriebene ersetzt.
und Aktoren im Regelfall über einen Kabelbaum am Damit können Funktionen, wie Start/Stopp, für das
Steuergerät angeschlossen. Vorteil gegenüber einer Getriebe umgesetzt werden. Die Motoren bewegen
Wegbaulösung besteht dabei allerdings in den deut- sich je nach Getriebetyp und Drehmoment des Ge-
lich kürzeren Kabellängen und der Möglichkeit direkt triebes in einem Leistungsbereich zwischen 150 W
durch die Getriebeglocke innen liegende Komponen- und 1.000 W. Damit müssen auf den Elektroniksub-
ten, wie Hydraulikventile oder Sensoren, zu kontak- strat Ströme bis zu 85 A im kompletten Temperatur-
tieren. Dadurch wird die Anzahl an Kabel- und Steck- bereich beherrscht werden.
verbindungen ebenfalls reduziert, wodurch neben Für die Aufbautechnik stellen diese Randbedingun-
einer Gewichtsreduzierung auch eine Verbesserung gen große Herausforderungen insbesondere in Bezug
der Zuverlässigkeit erreicht wird, da Steckverbindun- auf die Entwärmung und Stromführung dar. Auf
gen über Lebensdauer häufig anfällig sind. immer kleinerer Fläche muss immer mehr Verlust-
leistung abgeführt werden.
Die Mechanik im Bereich des Schaltungsträgerraums
Integrierte Steuergeräte
muss einen hinreichenden Schutz gegen die sehr
Integrierte Steuergeräte sind unmittelbar in der Ge- anspruchsvollen Umweltbedingungen gewährleisten
triebeglocke eingebaut. Dieser Einbauort stellt die und ermöglicht durch spezifische Designmaßnahmen,
höchsten Anforderungen bezüglich Temperatur und wie Anbindung an Kühlflächen, Kühlrippen oder
Vibration an das Steuergerät. Partiell herrschen auf aktiven Kühlern, eine ausreichende Entwärmung der
dem Substrat durch die entstehende Verlustleistung Elektronik. Häufig sind in Zusammenarbeit mit den
Temperaturen von bis zu 170 °C. Als Substrattechnik Kunden zusätzlich konstruktive Maßnahmen notwen-
müssen daher spezielle Schaltungsträger, in der Regel dig, um die Temperatur auf der Elektronik zu beherr-
auf Basis von Keramik, eingesetzt werden. Bei ent- schen. Dabei kommen in vielen Fällen Ölkühler zum
sprechend hoher Anforderung befinden sich die Einsatz, die als Kühlmedium das warme Hydraulik-
Elektronikkomponenten sogar auf verschiedenartigen beziehungsweise Getriebeöl nutzen.
Schaltungsträgern. Als Schaltungsträger kommen An den Elektronikraum sind üblicherweise möglichst
häufig Dickschichtkeramik und bei niedrigen Tempe- kompakte Sensorcluster angeschlossen. Das Cluster
raturen gesinterte keramische Substrate (Low Tempe- selbst und der Elektronikraum sind dabei innig mit-
rature Co-fired Ceramics, LTCC) zum Einsatz. Für einander verbunden, um möglichst wenige Verbin-
Anwendungen mit höheren Nennleistungen, wie bei dungsstellen zu erzeugen und die Anzahl an Einzel-
elektrischen Motoransteuerungen, werden Direct komponenten zu reduzieren. Häufig kommt hierbei
16.4 Getriebesteuergeräte 721

eine Sandwichbauweise zum Einsatz. Im Sensor- und Medienverträglichkeit zu einer Herausforderung.


cluster sind unterschiedliche Funktionen, wie die Gleichzeitig bedeuten immer kompaktere Getriebe-
Sensorik oder Aktorik, aber auch verschiedenste bauformen, Umgebungstemperaturen bis zu 150 °C,
Steckverbindungen, wie Ventilkontaktierungen oder Temperaturwechsel (– 40 °C … +150 °C), aggressive
der Fahrzeugstecker, implementiert. Es werden Dreh- Medien (Schmieröl und Hydrauliköle), Vibrationen
zahlsensoren mit und ohne Drehrichtungserkennung und Stöße extrem widrige Einsatzbedingungen. Dafür
und Positionssensoren für Gangsteller oder Kupp- bietet diese Vollintegration technische und wirt-
lungsposition sowie Wählbereichssensorik eingebaut. schaftliche Vorteile: Neben gutem EMV-Verhalten
Im Wesentlichen handelt es sich um HALL-Effekt- und einem vereinfachten Kabelbaum entsteht eine
Elemente oder PLCD-Sensoren (Permanentmagnetic vollständig auf korrekte Funktion vorprüfbare und auf
Linear Contacless Displacement) in unterschiedlicher die mechanischen Toleranzen applizierte Getriebe-
Ausprägung. Bei diesen Komponenten stellt die not- einheit, die sich effizient im Fahrzeug verbauen lässt.
wendige Positioniergenauigkeit eine zusätzliche He- Gegenüber Wegbau-Getriebesteuergeräten bieten ins
rausforderung an den mechanischen Aufbau des Getriebe integrierte Steuergeräte höchstes Potenzial
Steuergerätes dar. Drucksensoren müssen die ver- an mechatronischer Funktionalität, da alle maßgebli-
schiedensten Druckbereiche abdecken. Bereiche bis chen Eingabe- und Ausgabekomponenten direkt im
20 bar beziehungsweise 70 bar sind dabei Standard. Getriebe angeordnet sind. Werden das Getriebe und
Neben keramikbasierten Sensorelementen sind hier die integrierte Steuerung bereits in der Konzeptions-
auch entsprechende Messzellen auf MEMs-Basis auf phase mit dem Getriebeentwickler entworfen, kann
dem Vormarsch. Integrierte Temperatursensoren, die das Höchstmaß an Integration erreicht werden, da die
sowohl die Elektroniktemperatur als auch die Umge- Anordnung aller erforderlichen Komponenten hin-
bungstemperatur überwachen, dienen der optimierten sichtlich Ort, Orientierung und Technologie optimiert
Regelung und Steuerung des Getriebes. Sie schützen werden kann.
aber auch das Gesamtsystem vor Überlastung. Eine ins Getriebe integrierte Steuerung wird sinnvoll-
Die elektrische Verbindung zwischen den einzelnen erweise an die hydraulische Schaltplatte montiert. Bei
Komponenten und dem Elektronikraum erfolgt mit längs eingebauten Stufenautomaten befinden sich die
flexiblen Leiterplatten auf Polyimidbasis und/oder Schaltplatten und Steuerungen in der Regel an der
Stanzgitterverbundteilen. Dabei werden bevorzugt tiefsten Stelle des Getriebes im Ölsumpf, da hier die
flexible Leiterplatten für Signalleitungen oder niedri- Druckregelventile arbeiten und direkt kontaktiert und
ge Ströme, wie bei Ventilkontakten, eingesetzt. Für angesteuert werden. Quer eingebaute Doppelkupp-
höhere Leistungen, wie bei Motoransteuerungen oder lungsgetriebe anderseits haben im Allgemeinen „ste-
Klemme-30/31-Anschlüssen, werden meist Stanzgit- hend“ angeordnete Schaltplatten und Steuerungen, da
terverbundteile verwendet. Kabellösungen werden hydraulische Schnittstellen und Positionserfassungen
aus Kosten- und Zuverlässigkeitsgründen nur unter- sich an der Anordnung der Schaltwellen orientieren.
geordnet genutzt. Bild 16-21 zeigt ein Beispiel für den Verbau eines
Die Vielzahl dieser Komponenten und auch ihre integrierten Getriebesteuergeräts bei einem Doppel-
Anbindung an die Umgebung macht die Abdichtung kupplungsgetriebe.

Bild 16-21 Einbau eines


integrierten Getriebesteuer-
gerätes bei einem Doppel-
kupplungsgetriebe
722 16 Elektronik und Mechanik

16.4.3 Anwendungsbeispiele für „Mecha- Eine weitere integrierte Getriebesteuerung mit beson-
tronische Transmission Modules“ ders hoher Integrationsdichte ist das Produkt DQ200:
eine direkt im Getriebe eingebaute Steuerung für das
Im Folgenden werden einige Anwendungsbeispiele 7-Gang-Trocken-Doppelkupplungsgetriebe des Kun-
für „Mechatronische Transmission Modules“ vorge- den VW (Bild 16-23) [4]. Als Prozessor kommt ein
stellt. Ein typisches Beispiel für die erfolgreiche Inte- 32 Bit Mikrocontroller zum Einsatz. Im Steuergerät
gration von Sensorik und Elektronik für ein Automa- sind alle Getriebesensoren (zum Beispiel für Tempe-
tikgetriebe von Daimler ist das VGS3 NAG2 (Bild ratur, Drehzahl, Wegerkennung und Drucksensor)
16-22). Die Elektronik besteht aus einem 32 Bit Mi- integriert.
krocontroller, Flash, EEPROM, Endstufen zur An- Es arbeitet im Einsatztemperaturbereich von – 40 bis
steuerung der Regelmagnetventile, CAN-Schnittstelle +140 °C. Als Aktoren werden acht Ventile sowie ein
sowie drei Frequenz- und zwei Analogeingängen. In bürstenlos angeregter Elektromotor für eine Ölpumpe
dem Steuergerät sind daneben auch noch der fünf- angesteuert. Das Steuergerät dichtet zudem den
polige Stecker, die Kontaktierung für die acht Venti- Hydraulikölbereich zum Getriebeölbereich sowie
le, zwei Schwimmer, der Wählbereichssensor und zum Motorraum ab. Sämtliche Verbindungen nach
drei Drehzahlsensoren integriert [3]. Sensorik und außen sind in einem elfpoligen Stecker zusammenge-
Stecker sind über Flex-Folien (FPC = Flexible Prin- fasst [2].
ted Circuit) auf Polyimidbasis mit dem Schaltungs- In einigen Produkten werden heute neben der Senso-
träger der Elektronik verbunden. Als Schaltungsträger
rik auch Aktorelemente direkt integriert. Hier kann
kommt eine Keramik auf LTCC Basis zum Einsatz.
als Beispiel das T76, ein Steuergerät der Continental
für GM, genannt werden. Diese Steuerung wird von
GM weltweit in 6-Gang-Stufenautomaten eingesetzt.
Teil des Steuergerätes ist dabei ein Hydraulikvertei-
lerblock aus PA6.6 GF35, in dem ein On/Off und
6 VBS Ventile integriert sind (Bild 16-24). Der
gesamte Abgleich der Ventileinheit und der Elektro-
nik erfolgt bei Continental.
Ein weiteres Beispiel, das die zunehmende Inte-
gration der Aktorik in das Steuergerät belegt, ist das
DKG250. Das Steuergerät bedient das 6-Gang-Tro-
cken-Doppelkupplungsgetriebe der Firma Getrag [1].
In diesem Fall handelt es sich allerdings um ein
Actuator-Attached-To-Steuergerät mit zwei integrier-
ten Elektromotoren zum Schalten der Gänge (Bild
Bild 16-22 Integriertes Getriebesteuergerät für Daim- 16-25).
ler mit kompletter Sensorik und Ventilkontaktierung

Bild 16-23 Integriertes


Getriebesteuergerät für VW
mit kompletter Sensorik,
Ventilkontaktierung sowie
integrierter Pumpen-
Motoransteuerung und
dazugehörender Entstörung
16.4 Getriebesteuergeräte 723

zu erwarten als bei einem deutlich komplexeren


integrierten Getriebesteuergerät. Weiterhin dürfen für
ein integriertes Steuergerät die notwendige Entwick-
lungszeit, der Abstimmungsaufwand und die notwen-
dige Entwicklungsdisziplin auf Kunden- und Liefe-
rantenseite nicht unterschätzt werden. Die Entwick-
lungszeit bis zum Produktionsstart bei Continental
beträgt bei einem Wegbausteuergerät etwa 2 bis
2,5 Jahre, während die integrierte Lösung etwa
3,5 Jahre dauert.
In der Systembetrachtung, die der gesamten Funkti-
onsdarstellung Rechnung trägt, relativiert sich der
Kostenvorteil eines Wegbausteuergerätes. Bei einer
Wegbaulösung sind dann alle notwendigen zusätzli-
Bild 16-24 Integriertes Getriebesteuergerät für GM
chen Einzelkomponenten, wie Steckverbinder, Zu-
mit einem On/Off- und sechs VBS-Ventilen und vier
satzkabel, Sensoren etc., zu berücksichtigen. Die
Druckschaltern
Gesamtkosten für den Entwicklungsaufwand einer
Wegbaulösung steigen dann auf etwa 75 % gegen-
über einer integrierten Lösung – und sind somit noch
günstiger. Bei den Teilekosten und Werkzeugkosten
ändert sich allerdings das Verhältnis dramatisch: bei
einer Gesamtlösung auf Wegbaubasis machen die
Teilekosten etwa 150 % und die Werkzeugkosten
130 % gegenüber einem integrierten System aus. Die
Kosten der integrierten Lösung sind also deutlich
geringer – insbesondere, wenn auch noch Zusatzauf-
wände beim Kunden durch Logistik und Montage mit
einfließen. Im Detail spielen bei einer Gesamtkosten-
betrachtung natürlich die erwarteten Stückzahlen
ebenfalls eine wichtige Rolle. Im System „Wegbau-
lösung“ ist zudem mit deutlich höheren Qualitäts-
Bild 16-25 Getriebesteuergerät für Getrag mit zwei problemen zu rechnen, da zusätzliche Komponenten,
integrierten Motoren (geöffnetes Gehäuse) wie Kabel und insbesondere Steckverbinder, zu er-
höhten Ausfallraten führen. Andere Vorteile für den
Kunden, wie der Qualitätsverantwortung aus einer
16.4.4 Entscheidungskriterien für Hand oder technische Vorteile, wie der Abgleich des
die Auswahl des „richtigen“ Steuergerätes beziehungsweise der gesamten Me-
chatronik, sind schwer zu bewerten. Dies gilt auch für
Steuergeräte-Typen
Parameter wie Diagnosefähigkeit und -abdeckung
Bei der Beantwortung der Frage, ob eine integrierte und der größere Umfang einer Prüfung am Linienen-
Lösung oder eher ein Wegbausteuergerät zum Einsatz de einer integrierten Lösung; bei einer Wegbaulösung
kommen soll, sind neben Technik und Funktion im werden alle Einzelkomponenten erst beim Fahrzeug-
Wesentlichen die Aspekte Kosten und Qualität zu be- hersteller im Verbund getestet.
rücksichtigen. Darüber hinaus sind aber auch zeitli- Ein weiterer Vorteil liegt in der Architektur einer
che Faktoren, wie Produktionsstarttermine, wichtige integrierten Lösung, bei der zentrale Blöcke wie zum
Entscheidungselemente. Beispiel Spannungsversorgung, Entstörung, nicht-
Die richtige Antwort ist nicht einfach und nicht flüchtiger Speicher und Überwachungseinheit vor-
immer eindeutig. Auf den ersten Blick sind auf Steu- gehalten sind. Dadurch ist ein hohes Maß an Synergie
ergeräteebene die Kosten eines Wegbausteuergerätes für die Einzelfunktionen vorhanden. Bei Wegbaulö-
gegenüber einem integrierten Getriebesteuergeräts re- sungen muss jede Einzelkomponente die notwendige
lativ gering. Beim direkten Vergleich der reinen Infrastruktur mitbringen.
Komponente „Steuergeräte“ machen die Entwick- In der Regel gilt für das Gesamtsystem, dass integ-
lungskosten eines Wegbausteuergerätes nur circa rierte Getriebesteuergeräte ab Stückzahlen von mehr
40 %, Teilekosten circa 40 bis 50 % und Werkzeug- als 150 Tausend Einheiten pro Jahr aus Kostengrün-
kosten etwa 25 % eines integrierten Steuergerätes den die richtige Wahl darstellen. Sind jedoch kurze
aus. Aufgrund der geringeren Anzahl an Einzelkom- Entwicklungszeiten oder kleinere Stückzahlen von
ponenten eines Wegbausteuergerätes sind zudem Interesse, so sind Wegbausteuergeräte durchaus sinn-
weniger Qualitätsprobleme für das Steuergerät selbst volle Alternativen.
724 16 Elektronik und Mechanik

Literatur 16.5.2 Elektronische Bauelemente


[1] Faust, H. et al.: Doppelkupplungsgetriebe mit trockener Kup-
Es seien exemplarisch einige typische in Motor- und
plung und elektromechanischer Aktuatorik. In: ATZ 04/2010,
Springer Automotive Media Getriebesteuerungen eingesetzte elektronische Bau-
[2] Stark, R.; Schuch, B.: Innovative Technologien für Getriebe- teile angeführt.
steuerungen. Schaeffler Kolloquium 2010
[3] Greiner, J. et al.: Siebengang-Automatikgetriebe von Mercedes
Benz. In: ATZ 10/2003, Springer Automotive Media 16.5.2.1 Eingangsfilterbaustein Klopf-IC
[4] Hadler, J. et al.: Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe von
Volkswagen. In: ATZ 06/2008, Springer Automotive Media
An diesen Baustein können bis zu zwei Klopfsenso-
ren angeschlossen werden. Deren Signale werden
durch den Filter im Baustein aufbereitet und zur Aus-
wertung an den Mikrocontroller weitergeleitet. Dies
16.5 Elektronischer Aufbau, Strukturen erfolgt über eine serielle Schnittstelle. Über diese
und Bauelemente werden auch die im Baustein einstellbaren Größen
programmiert (Bild 16-27).
16.5.1 Grundstruktur
In Bild 16-26 sind der grundsätzliche Signalfluss und 16.5.2.2 Endstufenbaustein
die wesentlichen Funktionsblöcke in Form eines Häufig werden Mehrfachbausteine verwendet. Die
Blockdiagramms dargestellt. Die von der Sensorik Bilder 16-28 und 16-29a und 16-29b zeigen Beispie-
erfassten Signale werden über eine Eingangsfilter- le für eine Vierfach- und eine Sechzehnfachendstufe.
struktur zum Rechner geleitet. Hier findet die Umset- Diese Mehrfachendstufenbausteine werden direkt
zung dieser Signale statt und es werden Signale vom Mikrocontroller angesteuert und sind in der
generiert, die über die Endstufen zu der Aktuatorik Lage, die Aktuatoren anzusteuern. Eine aufwändige
geleitet werden. Über digitale Schnittstellen kann Diagnose überwacht die Ausgänge auf Fehlerzustän-
Kontakt zu anderen Steuergeräten oder zu Werkstatt- de wie zum Beispiel Überstrom, Kurzschluss, Über-
diagnosegeräten hergestellt werden. Ein Spannungs- temperatur oder Open Load (Leitungsbruch). Die für
regler stellt die nötige Versorgung der Bauteile mit jeden Ausgang separat gespeicherten Fehlerbits kön-
Spannung und Strom sicher. Weiterhin ist eine auf- nen vom Mikrocontroller über ein serielles Interface
wändige Reset-Logik nötig, um die ordnungsgemäße gelesen, ausgewertet und gespeichert werden.
Funktion sicherzustellen.

Eingänge Signalverarbeitung Ausgänge

Micro-
Controller
(8/16/32bit)

Speicher-
einheiten
Eingangs-
Endstufen
Sensorik Signalfilter Aktuatorik

ggf. Über-
wachungs-
einheit
Diagnose Diagnose

Kommuni-
kations-
schnitt-
ste llen

S pannungsversorgung, Reset-Logik

Bild 16-26 Grundsätzlicher Signalfluss


16.5 Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauelemente 725

FEATURES

- Supply voltage range 4.0 V .. 5.5 V


- Temperature range 40
- to 125 °C
- CMOS, TTL compatible inputs
- SPI Interface to the failure register
- microprozessor programmable
1 gain - switched capacitor technology
2 filter frequencies
- various extrenal clock capability (prescaler)
3 integrator time constant
4 clock prescaler - Package SO20
BLOCK DIAGRAM

differential channel
amplifier 1 select
+1 antialiasing bandpass full wave output buffer/
gain integrator
–1 filter filter rectifier converter

Out
+2
–2

differential logic block


amplifier 2 power midrail OSCin
supply generator control interface osc OSCout
clk
/CS
Data
/Data
Int/Hold
/Test

VCC GND Vmid

Bild 16-27 Filter für Klopf-IC

Für die Ansteuerung von Gleichstrommotoren kom- wurden. Die Bausteine kombinieren hohe Rechenleis-
men H-Brückenschaltungen zum Einsatz, entweder tung mit hoher Integration von Peripheriebausteinen,
als integrierte Schaltungen oder für hohe Leistungen die zur Auswertung der Eingangssignale und zur An-
mit Einzeltransistoren. Diese Bauteile ermöglichen steuerung der Endstufen nötig sind. Die Bilder 16-31
sowohl die Änderung der Drehrichtung Vorwärts/ und 16-32 zeigen je ein Beispiel für einen Mikro-
Rückwärts sowie der Drehzahl durch die Variation controller mit Busbreiten von 16 Bit beziehungsweise
des Puls-Pausen-Verhältnisses (siehe Bild 16-29c). 32 Bit und ihren wesentlichen Funktionsblöcken.
Peak-and-Hold-Schaltkreise benutzt man zur Reali-
sierung sehr schneller Öffnungszeiten bei Ventilen. 16.5.2.4 Spannungsregler
Dazu wird das Ventil zunächst mit einem hohen
Strom angesteuert, um es schnell zu öffnen. An- Dieser Baustein stellt drei Versorgungen zur Verfü-
schließend wird auf einen niedrigeren Stromwert zu- gung: Den Hauptregler und zwei diesem nachgeführte
rückgeregelt, der das Ventil offenhält. Dieses Strom- Versorgungen mit deutlich geringerer Leistungs-
profil zeigt beispielhaft Bild 16-30 (Stromprofil einer fähigkeit. Der Hauptregler ist für die im Steuergerät
Peak-and-Hold-Schaltung). untergebrachten Bausteine zuständig, während die
beiden nachgeführten Regler zum Beispiel zur Ver-
sorgung von außerhalb des Steuergerätes unterge-
16.5.2.3 Mikrocontroller
brachten Sensoren verwendet werden können. Wei-
Es kommen Mikrocontroller zum Einsatz, die speziell terhin ist eine Überwachereinheit und eine Freigabe-
für Anwendungen in der Automobiltechnik konzipiert logik mit auf dem Baustein integriert (Bild 16-33).
726 16 Elektronik und Mechanik

FEATURES

- Supply voltage range 4.0 V .. 5.5 V


- Short current protection with current limit 3A
- Average current (for each output) 2.5 A PACKAGING
- On resistance (@ Tj = 150 °C ) ≤ 0.5 Ω
- Output clamping voltage 50 V typ.
- Temperature range –40 to 125 °C
- Slewrate-control
1 pos slewrate (rise-time) 10 .. 55 V/μs
2 neg. slewrate (fall-time) 5 .. 20 V/μs 20

- Individual thermal shutdown


- Undervoltage Reset and controlled power-up and down 1
- Controlled output voltage-slewrate PSO 20
Power-Package
- SPI Interface to the failure register
- Destingtion between 3 kinds of failure for each powerstage
1 overcurrent (SCB) or overtemperature
2 short circuit to GND (SCG) at the off-state
3 open load (hot OL detection) at the on-state

BLOCK DIAGRAM
Vcc

charge
Trigger pump
NON1
S
NON2 URES OUT1
RES R dV/dt
driver control OUT2
NON3 over-temp.
RES
URES
detection OUT3
ON1
FR
NON4 VCC RESET I_SCB filter OUT4
IRES
t_ISCB
ON1
SDI VCC
I_OL fitler
failure
register t_IOL
shift
register NON1
CLK VCC
(FR)
SCG filter
t_SCG
V_REF
NCS
IRES
URES RES OSC

SDO under voltage


Reset Oscillator
RESET

GND NRES

Bild 16-28 Vierfach-Endstufe


16.5 Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauelemente 727

FEATURES PACKAGING
MULTIPLE LOWSIDE DRIVER
- Supply voltage range
4.5V .. 5.5V
- Short current protection:
for channel 1 and 2 8A
for channel 3 – 8 >3A
for channel 9 – 16 > 1A
- Average current
for channel 1 – 8 2.5A
for channel 9 – 16 0.7A
On resistance (@ Tj = 150°C )
for channel 1 – 8 0.4
for channel 9 – 16 1.5
- Output clamping voltage 50V typ.
- Temperature range
40 to 125C
- Slewrate-SPI
- programmable
voltage slewrate QuadPowerFlatpack
0.6 .. 7.2 V/s MO188
current slewrate
0.15 .. 2.3 A/s
- Individual thermal shutdown
- SPI Interface to the failure register
:
- Destingtion between 3 kinds of failure for each powerstage
overcurrent (OC) or overtemperature
short circuit to GND (LVT) at the off-state Bild 16-29a Beispiel einer
open load (hot OL detection) at the on-state
16-fach Endstufe (Teil 1)

BLOCK DIAGRAM

CP Vbat Vcc
Vcc
Over 4x8 out 9...16
Temperature 4x6 out 3...8
Latch l 4 out 1,2
o
g
SDI Failure i
SDO Latch c
CLK Slew Rate
NCS SPI Block Setting VSR_th ref
Charge (from SPI)
pump

control mode slew


rate dV/dt
Temp VLVT
high/low dl/dt OUT1
filter
ref
Vcc

OUT16

Temp.
Gate Sense
NON1 Drive Drive
Signal Temp
Control Threshold
S Over
(from SPI) Load Setting
R Latch (from SPI)

Ioc
NON16 filter
Iref ref
Iuc
filter CFB1
NDIS1 ref

NDIS4
Vcc

CFB2

reset OSC
NRES
NRES1 undervolt. internal
reset reset oscillator

GND

Bild 16-29b Beispiel einer 16-fach Endstufe (Teil 2)


728 16 Elektronik und Mechanik

Die Transformation der 14-V-Bordnetzspannung auf


Ubat die Betriebsspannungen dieser Hochvoltlasten wird
durch DC/DC-Converter-Schaltungen erreicht (Bild
16-34 auf dieser Seite).
Diese lassen sich elektrisch als strombegrenzte Span-
nungsquellen parallel zu einer Speicherkapazität am
Ausgang beschreiben. Die elektrische Ladung, die in
Vorwärts-- einer Induktivität gespeichert ist, fließt getaktet von
Bewegung
des Motors
einem Leistungsschalter über eine Diode in einen
Speicherkondensator und lädt diesen stufenweise bis
zu einem definierten Spannungswert Vout auf, der um
OUT1
M OUT2
ein Vielfaches über der Eingangsspannung Vin liegen
kann und damit die Voraussetzungen für schnelles
Öffnen elektromagnetischer Ventile liefert.
Rückwärts-- Die in Steuergeräten verwendeten DC/DC-Schaltun-
Bewegung
des Motors
gen enthalten außerdem umfangreiche Beschaltungen
zum Schutz gegen Überspannung und Verpolung
sowie ausgangsseitigen Kurzschluss nach Masse oder
Versorgungsspannung.

L CR
Bild 16-29c Prinzipschaltbild einer H-Brücke
Q C
Vin out1
(14V) Vout
16.5.2.5 DC/DC-Converter
Rs
Kürzere Einschaltzeiten von elektromagnetischen
Einspritzventilen oder bei Ventilen, die nach dem
Piezoprinzip arbeiten, benötigen für die Bereitstel- PWM
CONTROL
lung der erforderlichen elektrischen Energien Span-
nungen, die um ein Vielfaches über der im Fahrzeug
zur Verfügung stehenden Batteriespannung liegen. Bild 16-34 Prinzip einer DC/DC-Converter-Schaltung

IPeak

IHold

tPeak t Hold

Bild 16-30 Peak-and-Hold-Stromprofil


16.5 Elektronischer Aufbau, Strukturen und Bauelemente 729

FEATURES

Microcontroller C167-Family of Infineon


– CPU: 16 bit „von Neumann“ register oriented architecture. PACKAGING
– CPU: 4 stage pipeline with 16bit ALU
– 4kRAM build of 2k Dual Port RAM and 2k XRAM

– PEC for fast data transfer from peripheral to RAM


– ADC unit with 10bit, 16 channel and channel injection
– 2 CAPCOM unit with 16 CAPCOM channels each
– PWM unit with 4 PWM channels
– General purpose timer unit with 5 Timers
– 2 serial interfaces (UART and SPI)
– watchdogtimer
– up to 61 digital I/O channels when external bus enabled
– fast interrupt inputs with min. 300ns response time at 20 MHz
– operation temperature range –40 °C ... 125 °C
– full CAN PQFP 144
– optional: 32 kByte ROM

BLOCK DIAGRAM

ROM
Dual
32kByte
Port
(optional)
Instruction Bus RAM
32 bit Data C167 - CPU Core
2kByte

PLL Watchdog
Oscillator Timer

PEC
CAN
module

Interrupt Controller
XRAM
2kByte Interrupt Bus

Port 6
External ADC USART SPI GPT 1 GPT 2 CAPCOM 1 + 2 PWM
8 Bit
Bus 10bit module module module module modules module
Port 0 32 channels 4 channels
Controller 16 channel
16 Bit

Port 4
8 Bit Port 1 Port 5 Port 3 Port 2 Port 7 Port 8
16 Bit 16 Bit 16 Bit 16 Bit 8 Bit 8 Bit

Bild 16-31 Mikrocontroller 16 Bit


730 16 Elektronik und Mechanik

5 V/3,3 V Power Supply 48 analog input lines for ADC


1,3 V Power Supply Core 4 different FADC input channels
200 MHz max. CPU Clock 128 digital general purpose
4 MB Program Flash I/O lines (GPIO)
192 KB EEPROM Emulation 4/128 CAN ( Notes /Objects)
2 x 128 KB RAM 1/2 FlexRay (Module/Channels)
16 KB Data Cache 3 Seriel Peripheral Interface (SPI)
16 KB Instruction Cache 2 Micro Second Bus (MSC)
16 16 DMA Channels 2 Micro Link Interface (MLI)
2 General Purpose Timer Array 8 SENT Eingange
Modules (GPTA) 2 LIN Interface
2 Capture / Compare 6 modules -40–125 °C Full automotive temp. Range

2 General Purpose 12 Timer Units

Bild 16-32 Blockschaltbild Funktionsblöcke eines 32 Bit-Mikrocontrollers


16.6 Steuergeräteelektronik 731

MAIN
thermal
protection
VIN MAIN

TRACK1
thermal
protection
GND TRACK1

• positive 5V low drop voltage regulator for


DIV1
automotive purpose
• one ±2% main output, 450mA current
• one ±0.5% tracking output 1, 100mA current,
referenced to main output
TRACK2 • one ±0.5% tracking output 2, 50mA current,
referenced to main output
TR_EN DIV2 • on-chip tracking voltage dividers delivering
0.5*Vtrack for diagnosis purpose.
• 3 active high enable inputs for all outputs
• 1 active high enable input for tracking output 2
Pass-transistor control • reset generator with external timing capacitor
and startup circuit
• adjustable reset threshold
• watchdog input with external timing capacitor
E1 • very low quiescent current in off state
E2 OR
• wide input voltage range (up to 27V)
E3
• protected from -45V to +60V input voltage.
• short circuit protection
• main output to GND
• Tracking outputs to GND, battery voltage and
to the other tracking output
• Separate thermal overload protections for MAIN
RESET RESET
generator
and TRACK1 respectively
ADJUST CR
• -40°C to +125°C case temperature range
TRIGGER WATCHDOG
CW circuit

Bild 16-33 Beispiel für einen Spannungsregler

16.6 Steuergeräteelektronik 16.6.2.1 Klopfsignal


Besonders aufwändig gestalten sich die Adaptionen
16.6.1 Allgemeine Beschreibung der Eingangssignale von Klopfsensor, Lambda-Sonde
und Induktivgeber an der Kurbelwelle.
Die Motorelektronik übernimmt die Aufgabe der zent- Beim stochastischen Signal vom Klopfsensor wird
ralen Steuerungseinheit für den Ablauf der Verbren- aus dem permanenten Pegel des Motorgeräusches das
nung im Motor. In Abhängigkeit der motor- und überhöhte Signal des klopfenden Motors heraus-
fahrzeugseitigen Eingangssignale berechnet die inte- gefiltert, verstärkt, gleichgerichtet und aufintegriert.
grierte Rechnereinheit die Bedarfsgrößen der für die Dies alles geschieht mit Hilfe eines integrierten
Motorfunktionen relevanten Stellglieder. Schaltkreises, der über ein programmierbares Regis-
Die elektronische Steuerung lässt sich mit den fol- ter beliebige Voreinstellungen der Mittenfrequenz
genden Hauptfunktionsgruppen beschreiben. und der Amplitude erlaubt. Letztendlich wird ein
normiertes Signal während eines definierbaren Zeit-
16.6.2 Signalaufbereitung fensters an den Analog/Digitalwandler des Rechners
übertragen. Schnelle Mikrocontroller bieten heute die
Von Sensoren, Schaltern und anderen Steuereinhei- Voraussetzungen über speziell dafür geeignete Ana-
ten, die im Motorraum und im Fahrzeuginnenraum log/Digitalwandler-Kanäle (Fast ADC Inputs) das mit
verteilt sind, gelangen analoge und digitale Signale einem Tiefpassfilter aufbereitete Klopfsignal durch
über den Kabelbaum ins Steuergerät. Hier erfolgt eine eine hochfrequente Abtastung im μs-Bereich zu
Umformung der unterschiedlichen Signalformen und detektieren und auszuwerten. Die Ergebnisse werden
Signalgrößen in digitale Spannungen und Frequen- mit mathematischen Software-Algorithmen weiter-
zen, die jetzt für den Mikrocontroller lesbare Infor- verarbeitet und der Applikations-SW bereitgestellt
mationen darstellen. (Bild 16-35).
732 16 Elektronik und Mechanik

Bild 16-35 Klopfsignalerfassung durch schnelle Abtastung

Current
Lambda
Sense
Output
Ampl.

Calibration
Resistor
Current
Pump Exhaust Gas Sensing
Electrode Resistor

Diffusion Pump Cell Polarization


Barrier Current Source
Measurement
Cavity
Sensor
Nernst Cell
Ceramic
Control
Heater Element Loop
Ampl.

Reference
Battery

Bild 16-36 Lineare Lambdasonde: Grundaufbau und Analog-Signalverarbeitung mit Regelschleife

16.6.2.2 Lambdasensorsignal trode wird dem Abgasstrom ausgesetzt, die andere


Die präzise und schnelle Messung der Abgas-Sauer- einer Sauerstoffreferenz. Das Sensorelement ist in
stoff-Konzentration über einen weiten Messbereich einem Hohlraum untergebracht, der im Inneren des
ist ein wesentliches Element beim Betrieb emissions- Sensors liegt und mit dem Abgas durch eine Gasdif-
armer Verbrennungsmotoren. Neben der binären fusionssperre verbunden ist. Der Sensor ist mit einem
Lambdasonde gewinnt die lineare Lambdasonde in weiteren Paar von Elektroden ausgestattet, die Sau-
modernen Motoren zunehmend an Bedeutung. Die erstoffionen aus dem Abgas in den Hohlraum und
Signalverarbeitung für einen linearen Lambdasensor umgekehrt befördern können (Pumpzelle). Zusätzlich
folgt hauptsächlich dem Konzept einer geschlossenen enthält er ein Heizelement, um eine konstante Be-
Regelschleife wie in Bild 16-36 dargestellt. Das triebstemperatur einzustellen. Durch die Sauerstoff-
grundlegende Sensorelement eines linearen Sauer- ionendiffusion lässt sich an den Elektroden eine
stoffsensors besteht aus einer Nernstzelle. Eine Elek- elektrische Spannung messen, die bei O > 1 zwischen
16.6 Steuergeräteelektronik 733

0 mV und 150 mV, und bei O < 1 zwischen 800 mV Literatur


und 1.000 mV beträgt. [1] Bolz, S.; Lugert, G.: A Novel Interface for Linear Oxygen
In einem schmalen Übergangsbereich um O = 1 ist die Sensors. SAE Technical Paper 2001
Übertragungsfunktion linear. Wird die Sauerstoff-
konzentration in der Kavität bei O = 1 gehalten,
können kleinste Abweichungen detektiert werden. 16.6.2.3 Kurbelwellensignal
Vergleicht man die Ausgangsspannung mit einer Die Besonderheit des Kurbelwellensignals, generiert
Referenzspannung erhält man das nötige Fehlersignal aus induktiven Sensoren, liegt in der Abhängigkeit
um einen Regelkreis für den Pumpstrom aufzubauen. der Signalamplitude von der Drehzahl. Sie reicht von
Der Pumpstrom, um Sauerstoffionen in und aus der wenigen hundert Millivolt bei niedrigen Drehzahlen
Messkavität zu transportieren, korreliert mit der bis hin zu mehreren hundert Volt. Die Signalum-
Menge an Sauerstoff, der durch die Diffusionsbarrie- wandlung in die digitale Rechteckform gleicher
re fließt. Dieser wiederum korreliert mit der Differenz Frequenz gelingt durch Nulldurchgangsdetektion,
der Sauerstoffkonzentration zwischen Abgas und wobei Störsignale durch eine variable Gegenkopp-
Messkavität. Da der Lambda-Wert innerhalb der lung unterdrückt werden.
Messkavität bei O = 1 gehalten wird, ist es nun mög- Kommen Hallsensoren für die Auswertung des Kur-
lich, daraus die Sauerstoffkonzentration des Abgases belwellen- beziehungsweise des Nockenwellensignals
aus dem Pumpstrom abzuleiten. Toleranzen der zum Einsatz, wird die Spannung vom Sensorelement,
Diffusionsbarriere werden während der Herstellung die im mV-Bereich liegt und deren Amplitude unab-
gemessen. Anschließend wird der Sensor mit einem hängig von der Drehgeschwindigkeit ist, im Hall-IC
individuellen Kalibrierwiderstand versehen. Das Aus- zu einer Rechteckspannung mit der Amplitude der
lesen des Widerstandswertes ermöglicht entweder Versorgungsspannung aufbereitet und so dem Steuer-
eine Anpassung des Verstärkungsfaktors der Strom- gerät zur Verfügung gestellt.
messung oder eine Korrektur der Strommessung
durch Software, sodass dadurch Fertigungstoleranzen
16.6.3 Signalauswertung
kompensiert werden.
Die Diffusionsbarriere verändert ihren Widerstand in Die Rechnereinheit selbst umfasst den Hauptrechner,
Abhängigkeit der Temperatur aufgrund ihrer Kon- den Festwertspeicher für Programmcode und Kenn-
struktion. Die Temperatur-Impedanz-Charakteristik größen, den variablen Datenspeicher und die Über-
des Sensors entspricht der eines NTC-Widerstandes, wachungseinheit für die Sicherheitsprüfungen bei E-
wodurch dieser ideal zur Erfassung der Temperatur Gassystemen.
des Sensors geeignet ist. Eine Temperaturstabilisie- Die digital aufbereiteten Eingangssignale dienen als
rung des Sensors kann nun durch Lesen der Sensor- die veränderlichen Istwerte der in Binärcode darge-
impedanz und dem Vergleich mit einem Zielwert stellten Motorfunktionen. Kennfelder und Kennlinien
erreicht werden und so die erforderliche Heizleistung bilden dabei die variablen Stellgrößen für die pro-
exakt eingestellt werden. grammierten Rechenoperationen. Die Ergebnisse aus
Basierend auf obigen Maßnahmen, kann der Pump- der Vielzahl von Einzelberechnungen werden in
strom proportional zum Sauerstoff-Partialdruck des Form einer Pegel-/Zeitinformation an die Ausgangs-
Abgases gehalten werden. Die Genauigkeit der ports des Mikrocontrollers weitergeleitet.
Pumpstrommessung bestimmt ebenso die Qualität des Wegen des Drehmoment relevanten Einflusses des
Sensors. Mehrere wesentliche Maßnahmen müssen Steuergerätes kommt ein fest definiertes Sicherheits-
deshalb ergriffen werden, um die Genauigkeit der konzept zum Einsatz (vgleiche Kapitel 16.10). Dabei
Messungen zu verbessern: werden Rechenalgorithmen parallel in Hauptrechner
und Überwachungseinheit abgearbeitet, die Ergebnis-
x Unterdrückung des Gleichtakt-Signals
se über die serielle Schnittstelle ausgetauscht und
x Kompensation der Sensor Fertigungstoleranzen
miteinander verglichen. Bei Abweichungen wird die
x Low-Pass-Filter, um unerwünschte höher frequen-
Sicherheitsfunktion wirksam, die dann redundant
te Signalanteile aus dem Ausgangssignal zu eli-
Drosselklappe, Einspritzventile und Zündung ab-
minieren.
schaltet, um das Fahrzeug stillzulegen.
Die analoge Signalkonditionierung wird durch an-
schließende AD-Wandlung vervollständigt. Eine 16.6.4 Signalausgabe
Kommunikation der Sonde mit dem Mikrocontroller
wird zum Beispiel über das Serial-Peripheral-Inter- Der logische Pegel der Ausgangsporttreiber des
face (SPI) Protokoll durchgeführt. Eine detailliertere Mikrocontrollers wird direkt als Steuersignal der
Beschreibung der Sensoren, der analogen Signalver- jeweiligen Endstufe verwendet, die wiederum den im
arbeitung und auch die digitale Schnittstelle zu Mi- Fahrzeug verbauten Aktuator betreibt. Die Endstufen
krocontrollern kann [1] entnommen werden. lassen sich in drei Kategorien einordnen.
734 16 Elektronik und Mechanik

über die vorhandene serielle Schnittstelle die Fehler-


Ubat Ubat
Low-Side High-Side codes aus der Endstufe abzurufen und fest definierte
Treiber Treiber
Reaktionen, wie Notlauffunktionen, Ansteuerung ei-
Indukive/ ner Fehlerlampe sowie den Eintrag in den internen
Ohmsche Fehlerspeicher auszulösen.
Last
Strom-
fluss 16.6.4.1 Magnetventil-Einspritzsignal
für Direkteinspritzung
Strom- Otto- und Dieselmotoren mit Direkteinspritzung
fluss
Indukive/ stellen hohe Anforderungen an die Einzelkomponen-
Ohmsche
Last
ten. Bei Injektoren mit Magnetventil (Solenoid) wird
eine Stromregelung verwendet, um das Injektorventil
zu betätigen. Zum Öffnen lässt man zunächst einen
hohen Strom fließen, indem man eine hohe Spannung
Bild 16-37 Prinzip einer Low- beziehungsweise
anlegt, die von einem Spannungsübersetzer (DC/DC-
High-Side-Treiberschaltung
Konverter) geliefert wird. Nach einer vorgegebenen
Zeit wird der Strom dann auf einen Haltewert zurück-
Low-Side-Treiber steuern induktive und ohmsche gesetzt, der aus der Batteriespannung gespeist wird.
Lasten, die gegen Batteriespannung angeschlossen
sind, wie Ventile, Relais und Zündspulen sowie 16.6.4.2 Einspritzsignal für Piezo-
Heizwiderstände und logische Schnittstellen anderer Direkteinspritzung
elektronischer Steuerungen (Bild 16-37).
High-Side-Treiber wiederum schalten den Stromfluss Piezogesteuerte Injektoren können aufgrund ihrer
für Stellglieder die einseitig an Masse liegen. hohen Schaltgeschwindigkeit für exakter zu be-
Bei Brückenendstufen liegt der Verbraucher mit messende Einspritzmengen angepasst werden und
beiden Anschlusspolen am Steuergerät. Dieses An- gewährleisten eine hohe Wiederholbarkeit der einge-
schlussprinzip ist besonders für den Betrieb von spritzten Mengen. Weiterhin sind aufgrund der kur-
Gleichstrommotoren vorgesehen, die eine kontinuier- zen Schaltzeiten kleinere Minimaleinspritzmengen
liche Verstellung von Vorwärts- und Rückwärtsbe- und zusätzliche Vor- und Nacheinspritzungen mög-
wegung erfordern. lich.
Allen Endstufen gemeinsam ist die Selbstschutzfunk- Das Aktuator-Element eines piezo-gesteuerten Injek-
tion, die verhindert, dass bei elektrischen Kurzschlüs- tors besteht aus einem Stapel von mehreren hundert
sen nach Batterie, Masse- oder Lastkurzschluss am übereinander geschichteten Piezo-Keramikfolien.
Ausgang das Bauteil zerstört wird. Darüber hinaus Beim Aufbringen von Ladung dehnt sich dieser
werden diese Betriebsstörungen schaltungstechnisch Aktuator innerhalb von 0,15 ms um einige 10 μm aus.
detektiert und in einem Fehlerregister zwischenge- Elektrisch verhält sich der Piezostapel wie ein nicht-
speichert. Die Recheneinheit hat nun die Möglichkeit linearer, mit Hysterese behafteter Kondensator.
Nadelhub [mm]

Voreinspritzung Haupteinspritzung

Kurbelwinkel [°]
Ansteuerstrom [A]

50

0
Kurbelwinkel [°]
Spannung [V]

100 Bild 16-38 Prinzipieller


Strom- und Spannungsver-
0
lauf und Nadelhub am
Kurbelwinkel [°]
Piezo-Injektor
16.6 Steuergeräteelektronik 735

In Bild 16-38 ist ein typischer Strom- und Span- eine Spannung von rund 140 V anliegt. Die Ladedio-
nungsverlauf aufgezeichnet. Durch den Ansteuer- de D1 verhindert, dass während der Ladephase La-
strom fließt Ladung auf oder ab und verändert so die dung vom Piezo-Injektor abfließt. Nach Abschluss
Spannung und den gewünschten Nadelhub des Injek- der Ladephase öffnet S1 und die auf dem Piezo-
tors. Eine genaue Steuerung der Zeitabläufe und der Injektor befindliche Ladung hält ihn geöffnet.
zugeflossenen Ladung sind Voraussetzung für die Die Entladephase beginnt durch Schließen des Schal-
exakte, reproduzierbare Kraftstoffzumessung, die ters S2. Die Ladung fließt nun vom Piezo-Injektor auf
wiederum zum anforderungsgerechten Betrieb des den Längskondensator C, dessen Spannung sich
Motors notwendig ist. Die Ansteuerung des Piezo- erhöht. Die zwischengeschaltete Entladediode D2
Injektors besteht aus einem Gleichspannungswandler, verhindert, dass dem Piezo-Injektor unmittelbar nach
der eigentlichen Ansteuerelektronik sowie der Soft- der Entladung erneut Strom zugeführt wird.
ware, die für jeden Einspritzzyklus die Ansteuer- Bei anderen Ansteuerungen wird der Lade- und
parameter festlegt. Entladevorgang durch vielfach wiederholtes Übertra-
Die Ansteuerelektronik wird je nach Typ mit einer gen kleiner Energiepakete realisiert. Die zweite
Eingangsspannung von 60 bis 80 V, beziehungsweise dargestellte Topologie (Bild 16-40) entspricht der
200 bis 250 V betrieben, die von einem Spannungs- eines bidirektionalen Sperrwandlers.
übersetzer in der Motorsteuerung erzeugt wird. Die- Auch sie kann mit Spannungen von circa 70 V be-
ser Wandler wird auf der Ausgangsseite durch die trieben werden. Zum Laden wird zunächst Schalter
kurzen Schaltzeiten mit hohen Leistungen um 500 W S1 geschlossen, bis das gewünschte Energiepaket in
und durch den kapazitiven Charakter der Aktoren mit dem Transformator gespeichert ist. Nach dem Ab-
großen Blindanteilen beaufschlagt. Er entnimmt aus schalten des Schalters gelangt die Energie über die
dem Bordnetz dabei nur die in Ansteuerelektronik Diode D2 zum Aktor. Der Entladevorgang läuft
und Aktor auftretende Wirk- und Verlustleistung von spiegelverkehrt ab. S2 wird geschlossen bis die ge-
maximal 35 bis 50 W. wünschte Energie dem Aktor entnommen ist, an-
Bei der elektrischen Ansteuerung der Injektoren schließend wird S2 geöffnet und die Energie wird
müssen diese gesteuert geladen und entladen werden. über D1 in die Speicherelemente des Gleichspan-
Dafür stehen Ansteuerungen mit unterschiedlichen nungswandlers zurück gespeist.
Topologien zur Verfügung. Bei einer ersten Variante Die dritte dargestellte Topologie (Bild 16-41) ent-
geschieht dies mit einer Schaltung nach dem Reso- spricht der eines Aufwärts-Abwärtswandlers.
nanzprinzip, wie im Bild 16-39 gezeigt. Dabei bilden Sie benötigt einen Gleichspannungswandler mit einer
die im (Ent-)Ladekreis befindlichen Bauelemente Ausgangsspannung, die größer als die maximale
Kondensator und Spule zusammen mit der Piezo-Ka- Aktorspannung ist. Zum Laden wird S1 geschlossen,
pazität ein schwingfähiges System. Die zur Piezo-An- bis ein bestimmter Stromwert erreicht ist. Es folgt
steuerung notwendige Energie pendelt zwischen dem eine Phase, während der der Strom über die Freilauf-
Steuergerät und dem jeweiligen Injektor hin und her. diode D2 weiter fließt und abgebaut wird. Zu einem
Die im jeweiligen Kreis befindlichen Dioden erzwin- geeigneten Zeitpunkt wird S1 erneut eingeschaltet.
gen, dass der Ladungstransport immer nur in der Dies wiederholt sich bis der Aktor geladen ist. Der
jeweils gewünschten Richtung erfolgt. Der Übersicht- Entladevorgang läuft entsprechend ab. Der Stromauf-
lichkeit halber sind hier die Low-Side-Select-Schal- bau erfolgt durch S2, der Freilauf und Stromabbau
ter, mit denen der jeweilige Injektor ausgewählt wird, über D1.
nicht dargestellt. Bei allen Ansteuerungen können die übertragene La-
Für die Ladephase liefert der Gleichspannungswand- dung sowie die erreichte Spannung bestimmt werden.
ler eingangsseitig eine geglättete Spannung von Diese Werte können zur Regelung und Diagnose der
U1 | 70 V. Mit dem Schließen des Schalters S1 fließt Endstufe und der angeschlossenen Aktoren verwen-
Ladung auf den Piezo-Injektor, an dem schließlich det werden.

Bild 16-40 Ansteuerung mit Sperrwandler


Bild 16-39 Resonante Piezo-Ansteuerung
736 16 Elektronik und Mechanik

Multi-Master-Eigenschaften. Das CAN-Bus-Proto-


koll wurde speziell für sicherheitskritische Anwen-
dungen in der Automobilindustrie entwickelt. Alle
CAN-Teilnehmer können Daten übertragen; mehrere
Knoten können simultan den Bus abfragen. Das se-
rielle Bussystem hat Echtzeiteigenschaften. Es wurde
in der ISO 11898 zum internationalen Standard de-
klariert. Die objektorientierten Nachrichten beinhal-
ten Informationen wie Drehzahl, Temperatur und sind
für alle Empfänger verfügbar. Jeder Empfänger
Bild 16-41 Ansteuerung mit Aufwärts-/Abwärts- entscheidet selbstständig auf Basis der mitgesendeten
wandler Identifier, ob die Nachricht verarbeitet wird oder
nicht. Die Arbitrierung der Bus-Teilnehmer ist durch
die Identifier prioritätsgesteuert. Die maximale Da-
16.6.5 Spannungsversorgung tenübertragungsrate beträgt 1 Mbit/s.
Dieser Schaltungsteil gewährleistet die Stromversor-
16.6.6.2 LIN-Bus-Schnittstelle
gung für das Steuergerät aus dem Bordspannungsnetz
des Fahrzeugs. Dabei wird die im Spannungsbereich, LIN (Local Interconnect Network) beschreibt einen
je nach Zustand und Belastung der Batterie (zum kostengünstigen Kommunikationsstandard für Kom-
Beispiel Anlasser), von 6 bis 18 Volt variable Größe, fortelektronik, intelligente Sensoren und Aktuatoren
in eine stabile Gleichspannung von 5,0 V (bei Syste- und nicht sicherheitskritische Motorsteuerungskompo-
men mit modernen Mikrocontrollern zusätzlich auch nenten. Die Kommunikation basiert auf einer bitseri-
weitere Spannungen wie zum Beispiel 3,3 V und ellen Eindraht-Leitung nach dem SCI (UART) Daten-
1,8 V) für den Betrieb der Elektronik umgewandelt. format. Die maximale Übertragungsgeschwindigkeit
Sehr häufig werden dafür lineare Spannungsregler, beträgt 20 kBit/s. Die Synchronisation der einzelnen
sogenannte Längsregler, eingesetzt. Dabei wird die Knoten erfolgt ohne stabilisierte Zeitbasis. Die Spezi-
Ausgangsspannung mit einer intern erzeugten Refe- fikation ist angelehnt an die ISO 9141. Durch eine
renzspannung verglichen und bei Abweichungen Unterscheidung in Master und einen bis mehrere
durch Ansteuerung des Transistors auf den Sollwert Slaves wird eine Kollision von Nachrichten auf der
nachgeregelt. Die Spannungsdifferenz zwischen Ein- Datenleitung vermieden, weil nur der Master eine
gang und Ausgang wird im Transistor in Wärme Kommunikation einleiten kann.
umgewandelt. Im Gegensatz dazu wird beim Prinzip
des Schaltreglers während der Einschaltphase die 16.6.6.3 FlexRay-Bus-Schnittstelle
Energie im Magnetfeld einer Induktivität gespeichert,
die während der Abschaltphase an den Ausgang Beim sehr schnellen FlexRay-Feldbus handelt es sich
abgegeben wird. Schaltfrequenz, Tastverhältnis und um eine zeitgesteuerte und fehlertolerante Kommuni-
Beschaltung beeinflussen maßgeblich die Eigenschaf- kationsschnittstelle, die die Anforderungen an sicher-
ten und den Wirkungsgrad, der in der Praxis zwi- heitskritische Systeme im Fahrzeug erfüllt. Dieser
schen 70 % und 90 % liegt und damit wesentlich über Bus definiert einen herstellerübergreifenden Standard
den Werten von Längsreglern. mit einer Datenrate von bis zu zweimal 10 MBit/s, fest
Die Unterdrückung der Störspannungen vom Bord- definierten Latenzzeiten und Übertragungszyklen.
netz (bis zu r150 V und 100 ms Pulsbreite) durch FlexRay arbeitet nach dem TDMA Prinzip (Time
Schutzmaßnahmen mit Halbleitern und Kondensato- Division Multiple Access). Den Teilnehmern bezie-
ren trägt zum fehlerfreien Betrieb der Elektronik bei. hungsweise Botschaften werden feste Zeitfenster
Darüber hinaus stellt dieser Schaltungsblock bis zu zugeteilt, in denen ihnen ein exklusiver Buszugriff
drei stabile 5-V-Spannungen bereit, um externe Po- zugewiesen ist. Diese sogenannte „Time slots“ wie-
tentiometer oder Sensoren mit Strom zu versorgen. derholen sich in bestimmten Abständen, das heißt die
Perioden während der sich die Information auf dem
Bus befindet, kann exakt vorbestimmt werden. Dem
16.6.6 Schnittstellen nachteiligen Einfluss dieser fixen Zuordnung auf die
16.6.6.1 CAN-Bus-Schnittstelle Bandbreite wird durch die Unterteilung in statische
und dynamische Abschnitte begegnet, wobei die sehr
Das Controller Area Network (CAN) ist ein serielles kurzen dynamischen „Minislots“ nur bei Kommuni-
Bussystem. Es wurde insbesondere erstellt zur Ver- kationsbedarf prioritätsgesteuert genutzt werden. Die
knüpfung von intelligenten Sensoren, Aktuatoren und beiden Übertragungskanäle erlauben die fehlertole-
elektronischen Motor/Getriebsteuerungen (ECU/TCU) rante Übertragung der Information. Den Kommunika-
im Fahrzeug. CAN ist ein serielles Bussystem mit tionszyklus des Datentransfers zeigt Bild 16-42.
16.6 Steuergeräteelektronik 737

communication cycle

static segment dynamic segment


channel 1

1 2 3 4 5 6 7 8 9 12
A1 C1 D1 A2 E1 D2 C2 E2
t
channel 2

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
A4 B1 C1 B2 A2 E1 F1 C2 A3
t

Bild 16-42 Kommunikationszyklus des Datentransfers

16.6.7 Elektronik für Getriebesteuergeräte Das ASIC enthält als weitere Komponente ein
Kommunikationsinterface mit einem CAN-Bus-
Ein Getriebesteuergerät besteht typischerweise aus ei- und LIN-Bus-Treiber, wie in den Kapiteln
nem Systembasis-Chip (Spannungsversorgung, Kom- 16.6.6.1 und 16.6.6.2 beschrieben. Eine weitere
munikationsschnittstellen und Sicherheitsfunktionen), Funktion stellt die intelligente „Watchdog“-Ein-
einem Mikrocontroller, einem Interface zur Signal- heit dar. Diese Einheit ist mit einem SPI-Interface
aufbereitung für die Sensorik sowie Endstufen für die an den Controller gekoppelt und dient der Über-
Ansteuerung von Magnetventilen und/oder Elektro- wachung der Programmablaufsteuerung. Dazu
motoren für diverse Steller. wird ein Parameter an den Rechner übertragen,
Um den knappen Bauraumanforderungen Rechnung dieser berechnet anhand eines Algorithmus ein Er-
zu tragen, werden die Hauptfunktionen in sogenannte gebnis und überträgt dies in einem definierten
ASICs (= Anwenderspezifische, integrierte Schaltun- Zeitraster zurück an das ASIC. Weicht das über-
gen) integriert, was Bauteilanzahl und Herstellkosten tragene Ergebnis von dem erwarteten ab, liegt eine
der Steuergeräte reduziert. Nachfolgend werden die Störung vor. In diesem Fehlerfall wird das Steuer-
realisierten Lösungsansätze für integrierte Kompo- gerät in einen sicheren Zustand versetzt und die
nenten beschrieben. Die Module Signalaufbereitung Endstufen direkt ohne Zugriff über den Controller
und Mikrocontroller sind im vorherigen Kapitel be- ausgeschaltet. Der angestiegene Stromverbrauch
reits hinlänglich beschrieben. der Mikrocontroller kann bei den bisher eingesetz-
Es gibt jedoch einige Funktionsmodule, die spezifisch ten Konzepten zu einer unzulässigen Temperatur-
für Getriebesteuerungen entwickelt wurden (siehe erhöhung im Steuergerät führen. Deshalb werden
Bild 16-43). bei neuen Entwicklungen die bisherigen Linear-
a) Transmission-Systembasis-Chip (TSBC) regler durch Schaltreglerkonzepte ersetzt.
Die Hauptfunktion des Systembasischips ist das
Bereitstellen unterschiedlicher, stabilisierter Ver- b) Stromregler für elektromagnetische Ventile.
sorgungsspannungen für den Mikrocontroller, den Die Betätigung der Gang- und Kupplungssteller
Endstufen und den Sensormodulen. Moderne Mi- erfolgt über das Ein- und Ausschalten von elekt-
krocontroller benötigen unterschiedliche, stabili- romagnetischen Proportionalventilen in der Steu-
sierte Versorgungsspannungen (Core, Digital I/O- erhydraulik des Getriebes. Diese Funktionalität
Pin, ADC-Wandler). Diese werden vom System- wird über die Regelung der Öffnungsquerschnitte
chip mit der vom Hersteller geforderten Genauig- der jeweils betroffenen Stromregelventile darge-
keit zur Verfügung gestellt. Die Anforderung an stellt; diese Regelventile befinden sich in der
die Versorgung der Sensorik hängt von der Art Steuerhydraulik des Getriebes. Als Messgröße
(Digital/Analog) und den Kundenanforderungen dient hier der zum Öffnungsquerschnitt proportio-
hinsichtlich des Sicherheitskonzeptes ab. In Dop- nale elektrische Strom durch das entsprechende
pelkupplungssteuergeräten werden zum Beispiel Ventil. Dieser wird mit Hilfe von sogenannten
die zwei Gangstellerpositionssensoren durch zwei Messhunts und hochgenauen Operationsverstär-
Hilfsspannungen versorgt, um eine höhere Ver- kern bestimmt und entsprechend dem Sollwert
fügbarkeit des Systems im Fehlerfall zu erreichen. nachgeregelt.
738 16 Elektronik und Mechanik

Bild 16-43 Blockschalt-


bild Getriebesteuerung
für ein hydraulisches
Doppelkupplungsgetriebe
mit elektrischer Ölpumpe

Bild 16-44 Blockschaltbild Getriebesystembasischip TSBC


16.6 Steuergeräteelektronik 739

Für die Stromregelung stehen zwei unterschiedli- Fehlerfall eingegriffen und anhand des System-
che Verfahren zur Verfügung. Zum einen kann der zustandes über kritischen oder unkritischen Zu-
Regelalgorithmus hardwaremäßig in einem ASIC stand entschieden werden. Im Fehlerfall (zum Bei-
oder per Software im Mikrocontroller realisiert spiel Überstrom im MOSFET) werden direkt im
werden. Typischerweise werden die Magnetven- ASIC die Endstufen ohne Eingriff des Mikro-
tile mit einem PWM-Signal in einem Frequenz- controllers abgeschaltet.
bereich zwischen 1 kHz und 10 kHz angesteuert.
Um ein Festsetzen der Ventile durch Schmutz in
der Hydraulik zu verhindern, wird dem Regel- c) Ansteuerung von bürstenlosen Gleichstrom-
signal ein niederfrequentes Dithersignal überla- motoren.
gert. Bei dem Softwareregler hat man mehr Ges- In modernen, hydraulisch gesteuerten Getrieben,
taltungsmöglichkeiten bei der Ditherregelung (Si- wird der mechanische Antrieb der Ölpumpe durch
nus, Rechteck, Sägezahn etc.), während es bei der einen Elektromotor ersetzt, um den Ölstrom be-
HW-Regelung vorgegebene Formen gibt, die im darfsgerecht zu regeln und bei Start/Stop-Funktio-
ASIC als Digitalcode realisiert sind. Für moderne nalität ein schnelles Starten des Verbrennungsmo-
Applikationen wurden ASIC-Entwicklungen mit tors zu ermöglichen. Wie bereits erwähnt, treten
dem Ziel optimiert, Funktionalität und Diagnose- hier Phasenströme bis 85 A auf.
fähigkeit weiter zu verbessern. Die Überwachung Eine weitere Getriebevariante stellt das sogenann-
der Endstufen (MOSFETs) und gegebenenfalls te trockene Doppelkupplungsgetriebe dar. Hier
Auswertung der möglichen Fehlerfälle wie Kurz- wird die hydraulische Steuerung des Getriebes
schluss oder Leitungsbruch erfolgen nun aus- (Gangsteller, Kupplung) durch Elektromotoren
schließlich im ASIC. Dieser übermittelt die Aus- abgelöst. Diese Steuerung kann gleichzeitig vier
wertung am Mikrocontroller. Hier muss nur im Elektromotoren ansteuern.

Cp2
Cp1

Cp4
Cp3

VDDD VDD5 VDDA


Solenoid driver CPC
Charge pump
COMCUR SDS4

COMPOS
COMOUT
COMNEG

TEST
FAULTL
ogic
RSTn
Gate
Gate drivers
drivers PWMOUTx
PWMINx Gate
Gate drivers
for
drivers PWM
forfor
PWM PWM
(slew rate PWMSRCx
for PWM
(slew rate
(slew
(slew rate
controlled)
rate
controlled) FWSRCx
controlled)
Vref controlled)
Bandgap Gate drivers
Gate
Gate drivers
drivers FWOUTx
Gate for
driversAFW
forfor
AFWAFW
for AFW

CURx POSx

NEGx

SPI Interface

DGND AGND
CSn
SI

SO

Bild 16-45 Blockschaltbild ASIC für 4-Kanal-Stromregler auf SW-Basis


740 16 Elektronik und Mechanik

NDRVxEN

SOURCEx
GATEx
x = 0 , 1 , ..., 7

RSHx

RSLx
N O U T D IS H ig h /L o w D ia g n o sis Com m on
PLL & O S C IN
s id e s w itc h and M ode
C lo ck fa il
c o n tro l p ro te c tio n S ta g e OSCOUT
d e te c tio n
V C C IO
VCCX
In v e rs e
VBATT d is tu rb a n ce
R e g u la tio n S in c 
+ D ith e r F ilte r M o d u la to r
fe e d b a c k
GND
8 C h a n n e ls
NRESET

RBC
C h a rg e p u m p
u tp u t fo r re v e rs e
SDH8
ro te c tio n N -M O S
C h a rg e D ia g n o s is SPI B andgap
POR
Pum p re g is te r In te rfa ce R e fe re n ce

NFAULT

SDO

NCS
CP1C
CP2C

CP4C
CP3C

CLK
SDI

VREF_OUT
* M ultip le x e d w ith N D R V 0 E N

Bild 16-46 Blockschaltbild ASIC für 8-Kanal-Stromregler auf HW-Basis

Control circuit power supply


- Adjustable pre-regulator (linear)
with external MOSFET
ATIC106
- 5V main supply
2 Small signal low side outputs
1 x MOSFET - 2 sensor supplies (< 200mA) with diagnostic (fully
(5V and one adjustable) integrated)
- Window watchdog

Small signal HS output (< 2mA,


Commutation circuit for Brushless switched battery for battery
motors with 3 hall sensors measurement)

Configurable as Full Configurable as Half bridge


1 x MOSFT for
Reverse Battery or Half bridge or separate High/ Low-
Protection
Side-Output stages
Half bridge Half bridge
(Control circuit) (Control circuit) Half bridge
- Current sensing - Current sensing (Control circuit)
- MOSFET Driver - MOSFET Driver - MOSFET Driver
- Protection - Protection - Protection
- Diagnostic - Diagnostic - Diagnostic

2 x MOSFET 2 x MOSFET
2 x MOSFET
+ 1xShunt + 1 x Shunt

Bild 16-47 Blockschaltbild ASIC für BLDC-Motoransteuerung mit Systemfunktionen


16.7 Software-Strukturen 741

Bei Getrieben für Allradapplikationen werden Seit 2002 nimmt der Umfang um 150 kByte pro Jahr
häufig Elektromotoren als Aktuator für die Akti- zu. Ein Trend, der sich wohl auch weiterhin fortset-
vierung der Sperrfunktion des Differentials, für zen wird.
die Zuschaltung der zweiten Antriebsachse (Vier- Noch drastischer verhält es sich mit der Entwicklung
radantrieb) oder auch zum Gangwechsel (zum der Rechenleistung von Motorsteuerungsgeräten,
Beispiel Geländegang) eingesetzt. Eine Kombina- Bild 16-48b. Während 1990 die Rechenleistung einer
tion dieser Funktionen ermöglicht die Momenten- Motorsteuerung 25-mal größer war als 1970 die der
regelung im Antrieb zur Verbesserung der Fahr- Saturn-V Rakete, steht der Motorsteuerung heute das
dynamik. Für den Betrieb dieser Elektromotoren 4.000-fache zur Verfügung. Dies wird unter anderem
sind Spitzenströme bis weit über 25 A nötig. durch den Einsatz von Mehrkernprozessoren erreicht,
Für derartige Belastungen sind integrierte H-Brü- die eine Steigerung der Prozessorleistung ohne zu-
cken-Bausteine nicht mehr geeignet. In neueren sätzliche Kühlung ermöglichen.
Applikationen werden vielfach bürstenlose Gleich- Dabei dient ein wesentlicher Anteil der Software (bis
strommotoren Brushless-DC-Motor (BLDC-Mo- zu 50 %) in einer modernen Motorsteuerung nicht der
toren) eingesetzt. Hier wird die Drehung des Ro- „eigentlichen“ Funktion (Steuerung des Motors),
tors über ein elektromagnetisches Drehfeld er- sondern erledigt Aufgaben aus dem Umfeld wie
reicht. Das Drehfeld wird über die geeignete An- Diagnose von ECU und Peripherie, OBD II etc.
steuerung von drei Halbbrücken erzeugt. Die Die wachsenden Software-Umfänge bei gleichzeitiger
komplizierte wechselweise Ansteuerung der Halb- Verkürzung der Entwicklungszeiten führen auch zu
brücken sowie die Überwachung der ordnungs- einem starken Anstieg der Software-Teamgröße für
gemäßen Funktion werden von für diesen Zweck ein Projekt von zwei Entwicklern in 1990 zu mehr als
entwickelten Bausteinen durchgeführt. In dem zehn im Jahr 2000, was zur Notwendigkeit der Ein-
Bild 16-47 ist ein ASIC dargestellt, der die Dreh- führung eines strikten Entwicklungsprozesses mit
zahlvorgabe des Mikrocontrollers in ein Drehfeld umfangreichen Qualitätskontrollen führte. Mittler-
für den BLDC-Motor umrechnet. Im ASIC erfolgt weile ergeben sich durch die konsequente Wieder-
komplett die Erkennung der Drehrichtung des E- verwendung von SW Komponenten zum einen soge-
Motors, die Ansteuerung der Halbbrücken sowie nannte „Off-the-shelf“-Projekte“, die mit zwei Ent-
(gemeinsam mit dem Mikrocontroller) die exakte wicklern in Serie gebracht werden können, weil zuvor
Stellung des Aktuators. Auch in diesem Baustein entwickelte und getestete Funktionalität nur noch in-
sind aus denselben Gründen wie oben weitere tegriert und konfiguriert werden muss. Andererseits
Funktionen integriert (hier Ansteuerung für Ver- arbeiten bei der Entwicklung und Erstanwendung
polschutz und Spannungsregler, Watchdog und neuer Technologien manchmal mehr als 50 SW-Ent-
Treiber). Der Baustein ist auch für Bürstenmoto- wickler gleichzeitig an einem Projekt.
ren konfigurierbar.
16.7.2 Anforderungen an die Software
16.7 Software-Strukturen
Was sind nun die Anforderungen an die Software-
16.7.1 Aufgabe der Software Struktur in einer elektronischen Steuerung des An-
bei der Steuerung von Motoren triebsstrangs?
In den letzten Jahrzehnten hat die Bedeutung der x Darstellung der benötigten Funktionalität: Motor-/
Software in der Kraftfahrzeugelektronik insgesamt Getriebe/Hybridsteuerung, Abgaskontrolle/-reini-
und insbesondere bei der Motorsteuerung dramatisch gung, Komfortfunktionen, Komponentenschutz,
und stetig zugenommen. Zum einen werden so Funk- Eigendiagnose mit extensiver Fehlerspeicherung
tionalitäten preiswerter und besser realisiert, die (EURO x, OBD), Notlauf, Reprogrammierbarkeit
bislang durch mechanische oder elektronische Lö- mit Zugriffskontrollen, Kommunikation zu ande-
sungen erreicht wurden, zum anderen erlauben die ren Steuergeräten und Sicherheitsfunktionen.
Möglichkeiten eines im Prinzip frei programmier- Schnelle Reaktionen in Echtzeit: auf I/O-Ebene im
baren Rechners aber auch, völlig neue und zuvor Psec-Bereich, auf Funktionsebene 2 msec bis
nicht realisierbare Funktionen hinzuzufügen. Zu 1 sec zeitsynchron beziehungsweise 1,8 msec bis
erwähnen sind hier die umfangreichen Eigendiagno- 1,5 sec kurbelwellensynchron möglichst weitge-
sefähigkeiten moderner Steuergeräte oder auch die hende Unabhängigkeit von der verwendeten Hard-
durch Software mögliche Feinstabstimmung des ware, insbesondere vom Mikrocontroller, um eine
Verbrennungsprozesses, durch die Emission und Multi-Source-Strategie zu unterstützen.
Verbrauch minimiert werden. x Abdeckung verschiedener Aufgabenbereiche (Ben-
Der Umfang der Software (Bild 16-48a) eines typi- zin, Diesel, Automatikgetriebe, automatisch-ma-
schen Motorsteuerungsgerätes hat sich in der Ver- nuelles Getriebe, Integrierter Starter-Generator,
gangenheit anfangs etwa alle drei Jahre verdoppelt. Hybrid- und Elektroantrieb, …) mit hohem Grad
742 16 Elektronik und Mechanik

2500 250

2000 200
Code [kByte]

Data [kByte]
1500 150

1000 100

500 50

Bild 16-48a Software-Um-


0 0 fänge eines typischen Sechs-
1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014 zylinder-Motorsteuerungs-
Modelljahr
gerätes in kByte

Computing power
4500

4000

3500

3000

2500

2000

1500

1000
Bild 16-48b Entwicklung
der Rechenleistung von
500
Motorsteuerungsgeräten
0 bezogen auf die der Saturn-
1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014
V-Rakete

an Wiederverwendung auch zwischen diesen Auf- Der Großteil der Software (die „Applikationssoft-
gabenbereichen ware“) ist hardwareunabhängig und enthält die eigen-
x Integrierbarkeit für beigestellte Software von tliche Funktionalität. Die Software ist in sogenannte
Kunden beziehungsweise Schlüsselkomponenten- „SW-Komponenten“ unterteilt, das sind austauschba-
herstellern re SW-Teile deren Verhalten und Schnittstelle in
Nutzung von Standard-Software-Komponenten einem maschinenlesbaren standardisierten Format
(AUTOSAR Basic SW mit Betriebssystem, Kommu- (XML) beschrieben sind. Dadurch können mit Hilfe
nikations- und Netzwerkdiensten). von Integrationstools sehr effizient Applikations-SW-
Um derartige Anforderungen wirtschaftlich erfüllen Teile von verschiedenen Zulieferern zu einer Gesamt-
zu können, ist eine weitgehende Entkopplung von software integriert werden.
Funktion und Hardware zwingend erforderlich. Die Darunter liegt die Basis-Software, die hardwareab-
Lösung besteht in der Nutzung von Software- hängig ist, aber großteils anwendungsunabhängig
Schichten (Layer) mit definierten Zuständigkeiten, (allerdings hoch konfigurierbar).
wie sie beispielsweise im AUTOSAR-Standard de- Durch dieses Design wird versucht, eine möglichst
finiert wurden. Darüber hinaus ist ein wohldefinierter hohe Wiederverwendbarkeit zur erreichen. Identische
Software-Entwicklungsprozess nötig, um Termin- Anwendungen können leicht auf andere HW verwen-
treue und Qualität sicherzustellen. det werden (es muss nur der entsprechende Teil der
Basis-SW getauscht werden). Die Basis-SW kann
leicht an andere Anwendungen angepasst (umkonfi-
16.7.3 Das Architekturkonzept
guriert) werden.
der Software Einen Spezialfall stellen die sogenannten „Complex
Die Softwarearchitektur moderner Motorsteuerungen Driver“ dar. Diese Teile der Basis-SW sind HW- und
basiert im Wesentlichen auf dem AUTOSAR-Stan- anwendungsspezifisch, also exakt auf das Steuergerät
dard (Bild 16-49). abgestimmt. Diese Teile übernehmen hoch echtzeit-
16.7 Software-Strukturen 743

kritische Funktionen, für die ein perfektes Zusam- 16.8 Die Steuerung des
menspiel von HW und SW gewährleistet sein muss.
Da in der Motorsteuerung im Vergleich zu anderen
Verbrennungsmotors
Steuergeräten im Auto viele solcher Funktionen 16.8.1 Fahrerwunsch und
existieren (zum Beispiel Zündung, Einspritzung,
Fahrerassistenzsyssteme
Zahnsignalerfassung), nehmen die Complex Driver
einen großen Teil der Basis-SW ein. Der Fahrerwunsch wird bei E-Gas-Systemen (Drive-
Die Applications-SW-Teile kommunizieren mit ihrer by-Wire) über einen Pedalwertgeber dem System mit-
Umwelt (das heißt anderen Komponenten und der geteilt und in der Momentenstruktur als Momenten-
Basis-SW) nur über das sogenannte „Runtime-En- anforderung interpretiert. Dieser Momentwunsch
vironment (RTE)“. Diese Zwischenschicht („Middle- kann durch diverse Stelleingriffe wie zum Beispiel
ware“) wird auf Basis der Komponentenbeschreibun- die Fahrgeschwindigkeitsregelung (Cruise control),
gen bei der Integration erzeugt und kümmert sich um die Lastschlagdämpfung oder durch Getriebeeingriffe
die Weitergabe von Signalen und Kontrollflüssen, verändert werden. Moderne Fahrzeuge besitzen darü-
Pufferung von Daten, die Kommunikation über ber hinaus einen zunehmenden Umfang an fortschritt-
Prozessorkerngrenzen hinweg und abstrahiert zum lichen Fahrerassistenzsystemen, wie beispielsweise
Teil sogar, auf welchem physikalischen Steuergerät Abstandsregelautomatik, die letztendlich Schritte in
eine SW-Komponente liegt (nur geeignet für weniger Richtung des vollautonomen Fahrens als Fernziel
echtzeitkritische Funktionen). Dadurch ist es mög-
darstellen.
lich, SW-Komponenten unabhängiger von ihren
Nachbarkomponenten zu entwickeln, was durch die
16.8.2 Antriebsstrangmanagement
Arbeitsteilung (Auto-, SW- und Steuergeräteherstel-
ler entwickeln jeweils Teile der SW, die später inte- Spätestens durch die Einführung von Hybridsystemen
griert werden) immer wichtiger wird. bei denen neben dem Verbrennungsmotor auch noch
elektrische Motoren Antriebsmomente erzeugen kön-
16.7.4 Der Software-Entwicklungsprozess nen, wurde die Einführung einer separaten Antriebs-
Effiziente und qualitätsbewusste Software-Entwick- strangmanagement-Ebene unerlässlich.
lung in größeren Teams erfordert einen passenden, Unabhängig von der Fahrzeugkonfiguration ist es die
gut beschriebenen Entwicklungsprozess gemäß CMM Aufgabe des Antriebsstrangmanagements, die ver-
(Capability Maturity Model) und SPICE. Weit ver- schiedenen Energieflüsse im Antriebsstrang zu koor-
breitet ist der V-Zyklus (vergleiche Bild 16-50), der dinieren. Hierbei handelt es sich um mechanische,
besonders gut das Zusammenspiel von Analyse der elektrische sowie thermische Energien. Aufgrund der
Aufgabe über die Abstraktionsebenen und den zuge- hohen Leistungsfähigkeit moderner Motorsteuerun-
hörigen Tests darstellt. Für jede Softwarelieferung, in gen bietet es sich an, dass die Motorsteuerung eine
der Regel mindestens fünf für ein Projekt, wird das V zentrale Rolle im Bereich des Antriebsstrangmanage-
komplett durchlaufen. ments übernimmt.

Bild 16-49 AUTOSAR-


Software-Architektur
744 16 Elektronik und Mechanik

SOFTWARE V-CYCLE

Management Process S1 Quality

Project Planning Assurance


Process
Project Control

Software Configuration Management


Q Q
U U
A A
Development Process
Development Process
System L L
Requirements Delivery to
relevant for SW (internal)Customer I I
T T
Software Software
Requirements Validation Software Y Y
S2 Validation S6
Specification Plan
Software (may be Integrated M C
Requirements combined
Specification into one plan) Software
E O
Software
Software Verification Software T N
S3 Integration S5
Design Plan R T

SW Design Verified I R
Document Modules
C O
Module Verification S L
Coding (Operation level & S4
Result /
Module level)
Document
Code
Activity

Bild 16-50 Software-Entwicklungsprozess

Das Antriebsstrangmanagement steuert hierbei das In einer drehmomentbasierten Funktionsarchitektur


Zusammenspiel von Verbrennungsmotor, elektrischer werden alle Anforderungen in den physikalischen
Maschine(n), Batterie, Getriebe und thermischem Größen Drehmoment oder Wirkungsgrad definiert.
System (Kühlkreislauf etc.) (Bild 16-51). Da bei vielen Funktionen eine hohe zeitliche Dyna-
Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit aktueller Mo- mik erforderlich ist, wird das geforderte Sollmoment
torsteuerungen bietet es sich an, dass die Motorsteue- durch zwei Pfade realisiert. Der mit einer Zeitkons-
rung eine zentrale Rolle im Bereich des Antriebs- tanten von größer 100 ms eher langsame Füllungs-
strangmanagements übernimmt. pfad beinflusst die Stellung der Drosselklappe bezie-
hungsweise des Wastegates und damit die Füllung
16.8.3 Drehmomentbasierte Funktions- des Zylinders mit Luft. Der schnellere kurbelwellen-
synchrone Zündungspfad übernimmt alle Eingriffe,
struktur der Motorsteuerung
die direkt auf den Verbrennungswirkungsgrad wirken
Moderne Motorsteuerungen erfüllen heute nicht nur und weist eine drehzahlabhängige Zeitkonstante von
die immer weiter steigenden Anforderungen an Ab- 3 bis 30 ms auf. In ihm werden alle Stelleingriffe vor-
gasemissionen und Verbrauch bei maximalem Fahr- genommen, die das vom Motor abgegebene Moment
komfort, sondern erfüllen auch die strengen gesetzli- unabhängig von der Füllung beeinflussen, nämlich
chen Anforderungen an Eigendiagnose und Sicher- Zünd- und Einspritz-Timing.
heit. Damit geht die Aufgabe einer Motorsteuerung Durch die Koordination der beiden Pfade besteht die
für einen Verbrennungsmotor weit über die Steuerung Möglichkeit, durch Zündwinkelverstellungen auch
der Einspritzung (und Zündung beim Ottomotor) schnelle Drehmomenterhöhungen zu erreichen. Dies
hinaus und beinhaltet die Steuerung einer großen ist wichtig für die Leerlaufregelung, den Start, Getrie-
Menge an Aktoren zur Beeinflussung der Verbren- beeingriffe und Antriebsschlupfregelung. Eine ge-
nung. Vor allem die Einführung von Drive-by-Wire- wollte Wirkungsgradverschlechterung durch Zündein-
Systemen (mechanische Entkopplung von Fahrpedal griffe, zum Beispiel Zündwinkelspätverstellung beim
und Drosselklappe) in den 1990er Jahren hat die Kat-Heizen zur Abgasverbesserung ist ebenfalls rea-
funktionalen Möglichkeiten wesentlich gesteigert. So lisierbar. Zum schnellen Momentenpfad sind weiter-
ist es beispielsweise möglich, die Zylinderfüllung un- hin der Lambda- und der Zylinderabschaltpfad zuzu-
abhängig vom Fahrerwunsch einzustellen. rechnen, die im Bedarfsfall aktiviert werden können
16.8 Die Steuerung des Verbrennungsmotors 745

Bild 16-51 Energie-


flussbasierte Rege-
lungsstruktur des An-
triebsstranges

Frischgasfüllung Moment aus Motor- Kupplungs- Antriebs-


Zündwinkel Verbrennung moment moment moment
Motor – – Kupplung Getriebe
Lambda
:
:

Ladungswechsel und Reibung

Nebenaggregate

Kupplungsverluste und -übersetzung

Getriebeverluste und -übersetzung

Bild 16-52 Drehmomentübertragung

und ebenfalls mit dem Füllungspfad und/oder Zün- 16.8.4 Modellbasierte Funktionen
dungspfad koordiniert werden. am Beispiel des
Aus den Haupteinflussgrößen wie Frischgasfüllung, Saugrohrfüllungsmodells
Zündwinkel und Lambda ergibt sich das innere Mo-
ment TQI aus der Verbrennung, welches im Gegen- Aufgrund der sich stetig verschärfenden Bestimmun-
satz zum indizierten Moment aber noch nicht den gen der Abgas- und Verbrauchsgesetzgebung erhöhen
gesamten Ladungswechsel beinhaltet. Das vom sich auch die Anforderungen an Genauigkeit und Sta-
Motor abgegebene Moment, Bild 16-52, ergibt sich bilität des Kraftstoff-Luft-Gemisches. Während die
aus dem indizierten Moment abzüglich der Verlust- Kraftstoffzumessgenauigkeit ganz wesentlich vom In-
momente durch Reibung. Die Reibungs- und La- jektordesign, der Ansteuerelektronik und den zugehö-
dungswechselverluste werden in dem Verlustmoment rigen Steuer- und Regelalgorithmen abhängt, ist auf
TQ_LOSS zusammengefasst. Nach Abzug der Ver- der Luftseite vor allem die aktuelle Gasdynamik im
lustmomente durch die Nebenaggregate ergibt sich Saugrohr sowie die daraus resultierende Zylinderfül-
das Kupplungsmoment TQ_CLU. Das an den Rädern lung in Abhängigkeit von den Positionen der Luft-
zur Verfügung stehende Antriebsmoment ergibt sich pfad- und Gaswechselaktuatorik präzise zu beschrei-
nach Berücksichtigung der Verluste durch Kupplung ben sowie möglichst schnell und präzise den ge-
und Getriebe. wünschten Sollwerten nachzuführen. Dabei muss we-
TQI, in Bild 16-53, errechnet sich folgendermaßen: gen der zunehmenden Variantenvielfalt in den Fahr-
zeugbaureihen der Kalibrationsaufwand minimiert,
TQI = TQ_CLU – TQ_LOSS
und gleichzeitig ausreichend Robustheit gegen äußere
Das Verlustmoment TQ_LOSS ist immer ein negati- Einflüsse sowie Serienstreuungen erzielt werden. Zu
ves Moment. Es bezeichnet das Moment, das aufge- diesem Zweck werden auch im Bereich der Laster-
wendet werden muss, um den unbefeuerten Motor zu fassung und -steuerung physikalisch basierte Modell-
drehen (schleppen). rechnungen eingesetzt, welche die relevanten System-
746 16 Elektronik und Mechanik

TQI = TQ_CLU - TQ_LOSS

Induziertes Kupplungsmoment
Moment (positiv oder negativ)
(nur Hochdruck-
phase)

TQ = 0 TQ_LOSS = 0 [Nm]

Verlustmoment (negativ)
TQI = 0
[Nm] Bild 16-53 Berechnung
von TQI

parameter (zum Beispiel Drücke und Temperaturen, Die Folge einer Bemessung des Kraftstoffs auf Basis
Massenströme, …) aufgrund von Befüll- oder Ent- des Sensorsignals wäre zu viel eingespritzter Kraft-
leervorgängengehen durch sich verändernde Aktua- stoff beim Gas geben beziehungsweise Ausmagern
torpositionen oder Motordrehzahl so genau berech- beim Gas wegnehmen.
nen, dass die erforderliche Präzision des Kraftstoff- Ein einfaches Saugrohrfüllungsmodell kann diese Ge-
Luft-Gemischs gewährleistet ist. Gleichzeitig werden mischfehler weitgehend eliminieren. Dazu wird auf
die Modelle aber so einfach wie möglich gehalten, Basis der allgemeinen Gasgleichung und der Massen-
um Bedatungsaufwand, Speicherbedarf und Mikro- bilanz über das Saugrohr durch Aufsummierung der
prozessorbelastung zu begrenzen. Im konkreten Fall ein- und ausfließenden Gasmassenströme die Ände-
eines geänderten Fahrerwunschs führt etwa Öffnen rung des Saugrohrdrucks berechnet (Bild 16-54).
beziehungsweise Schließen der Drosselklappe zu Dieser Saugrohrdruckgradient wird numerisch zum
einem schnellen Anstieg beziehungsweise Abfall des aktuellen Saugrohrdruck aufintegriert, mit dem dann
in das Saugrohr einströmenden Luftstroms. Durch die Zylinderfüllung direkt ermittelt werden kann. Die
dieses Befüllen beziehungsweise Entleeren steigt ein- und ausfließenden Massenströme werden einzeln
beziehungsweise fällt der Druck im Saugrohr, wobei und separat modelliert. So fließt im einfachsten Fall
der Änderungsgradient von dessen Volumen abhängt. dem Saugrohr nur der von der Drosselklappe kontrol-
Die Zylinderfüllung selbst, das heißt der aus dem lierte Luftmassenstrom zu. Dieser wird durch eine
Saugrohr ausströmende Luftmassenstrom, ändert sich kompressible Drosselströmung modelliert, welche als
bei ansonsten gleichen Bedingungen mit einer ande- Eingangsgrößen die freigegebene Drosselklappenflä-
ren Zeitkonstante, nämlich proportional zum Druck che, die Lufttemperatur, den Isentropenexponenten,
im Saugrohr. Ein vor dem Saugrohr sitzender Luft- die allgemeine Gaskonstante, den Druck vor sowie
massensensor beobachtet daher stets eine wesentlich das Druckverhältnis über der Drosselklappe aufweist
höhere Dynamik des einfließenden Luftmassen- (Bild 16-55). Mit diesem Ansatz können auch weitere
stroms, als sie der durch das Speicherverhalten des durch Drosselströmungen charakterisierte Luftmas-
Saugrohrs gedämpfte, aber für die Einspritzung senströme, wie zum Beispiel der der Tankentlüftung,
maßgebliche ausfließende Luftmassenstrom aufweist. beschrieben werden.

Einlasssystem Abgassystem
Luftfilter . . .
mkgh mthr mcyl

pim pim pex


pex
pamb
Tim, Vim Tex,
Tex , Vex

Vex
pthr
.
mcps,
Luftmassensensor

Ideale Gasgleichung und Massenbilanz:


. Rg ˜ Tim . . . .
p im (mthr  mcps  m crcv  mcyl ) Bild 16-54 Modell des
Vim
Luftpfads
16.8 Die Steuerung des Verbrennungsmotors 747

Reduzierte Durchfluss-Term abhängig vom Druckverhältnis


D Drosselklappenfläche ­
 thr
m 1
° § 2 · N 1 N  1
Ared f D
überkritis cher
° ¨ ¸
§p · °° © N  1 ¹ N 1 Fluss
< ¨ im ¸
®
A red ¨p ¸
° §p
2 N 1
© thr ¹ · N §p ·N unterkriti scher
° ¨ im ¸  ¨ im ¸
° ¨p ¸ ¨p ¸ Fluss
¯° © thr ¹ © thr ¹

<

m thr A red ˜ p thr ˜ C1 ˜ Ȍ Überkritischer Bereich Unterkritischer Bereich

N 2  N1

TPS TPS
Druck vor Drosselklappe Temperatur-Term:  thr
m  thr
m
p im
2ț Bild 16-55 Modell für
C1(Tim ) 1 p thr
( ț  1) ˜ R ˜ Tim Kritisches Druckverhältnis = 0.53
den Luftmassenstrom
durch die Drosselklappe

.
mcyl
konstante Volumetrischer Wirkungsgrad Ș
Motordrehzahl abhängig von:
Șslop
• Motordrehzahl
• Temperatur
• Abgasgegendruck
pim • Ventiltriebsvariabilität
Ș
• Saugrohrvariabilität
ofs • Ladungsbewegungssteller

Massenstrom in den Zylinder abhängig vom Saugrohrabsolutdruck pim:

 cyl
m Șslop ˜ pim  Șofs Bild 16-56 Modell des
Luftmassenstroms in
den Zylindern

Dagegen wird der aus dem Saugrohr abfließende, das Luftmassenstrom innerhalb eines akzeptierten Tole-
heißt in den Zylinder einfließende Luftmassenstrom ranzbands um den Messwert liegt. Ein ähnlicher
in Form einer Geradenschar in Abhängigkeit vom Adaptionsalgorithmus kann durch Vergleich des ge-
Saugrohrdruck und der Motordrehzahl abgelegt (Bild messenen mit dem berechneten Saugrohrdruck aufge-
16-56). Dieser oft auch „Schlucklinien“ genannte baut werden.
Zusammenhang lässt sich motorindividuell leicht am
Die Vorteile dieses modellbasierten Ansatzes sind:
Prüfstand vermessen.
Um Serientoleranzen zu kompensieren, werden Mo- x Abstimmung eines dynamischen Modells im We-
dellgrößen an vergleichbaren Positionen mit den ge- sentlichen durch stationär bestimmbare Werte
messenen Größen verglichen und gegebenenfalls Mo- x dynamisches Verhalten nur abhängig vom Saug-
dellannahmen solange adaptiert, bis Rechnung und rohrvolumen
Messung übereinstimmen. So kann man das Saug- x Nachvollziehbarkeit und Wiederholbarkeit der
rohrfüllungsmodell etwa dadurch abgleichen, dass der Kalibration, da weitgehend auf physikalischen
vom Modell berechnete in das Saugrohr einfließende Größen basiert
Luftmassenstrom mit dem von einem Luftmassensen- x Modellstruktur unabhängig von der Art der Last-
sor an gleicher Stelle gemessenen Wert verglichen sensorik
wird. Ist der gemessene Luftmassenstrom größer als x stationäre Genauigkeit der Sensorik verbunden
der Modellwert, so wird die freigegebene Drossel- mit der dynamischen Korrektheit des Modells
klappenfläche inkrementell solange um einen Korrek- x Invertierbarkeit zur Bestimmung der Sollwerte der
turfaktor größer angenommen, bis der dadurch in den Luftpfadaktuatorik bei gegebenem Sollluftmas-
folgenden Rechenzyklen immer größer berechnete senstrom
748 16 Elektronik und Mechanik

16.9 Funktionen Um eine optimale Funktion des Dreiwegekatalysa-


tors, das heißt eine bestmögliche Oxidation von CO
16.9.1 l-Regelung und HC, sowie einen möglichst hohen Reduktions-
grad von NOx, zu erzielen, muss das Luft-Kraftstoff-
Der Dreiwegekatalysator mit O-Regelung hat sich als Gemisch vor dem Katalysator eine bestimmte
Abgasnachbehandlungskonzept für Ottomotoren mit Schwankung, das heißt ein gezielter Betrieb des
äußerer Gemischbildung durchgesetzt. Die O-Rege- Verbrennungsmotors sowohl im Luftüberschuss- als
lung stellt dabei sicher, dass die Schadstoffkompo- auch im Luftmangelgebiet aufweisen. Dadurch wird
nenten CO, HC und NO optimal konvertiert werden. ein Befüllen und Leeren des Sauerstoffspeichers des
Dazu ist es notwendig, eine stöchiometrische Zusam- Katalysators sichergestellt. Bei der O2-Einlagerung
mensetzung des Luft-Kraftstoff-Gemisches (O = 1) in wird außerdem NOx reduziert, während beim Entlee-
einem sehr engen O-Bereich (O-Fenster), Bild 16-57, ren die Oxidation unterstützt wird und verhindert
einzuhalten. wird, dass angelagerte Sauerstoffmoleküle Teilberei-
che des Katalysators deaktivieren.
Der Regelalgorithmus, Bild 16-58, für die binäre O-
100 Regelung basiert auf einem PI-Regler, wobei die P-
und I-Anteile in Kennfeldern über Motordrehzahl und
NOx
Last abgelegt sind. Bei der binären Regelung ergibt
sich die Anregung des Katalysators (O-Schwankung)
80
implizit durch die Zweipunktregelung. Die Amplitude
l-Fenster
der O-Schwankung wird auf etwa drei Prozent einge-
stellt. Zur besseren Einhaltung des O-Fensters vor
Konvertierungsgrad

60 dem Katalysator sorgt eine überlagerte Trimmrege-


lung über eine binäre Nachkatsonde.
Bei der linearen Lambda-Regelung, Bild 16-59, ist
40
zur Einstellung der O-Schwankung eine Zwangsanre-
gung erforderlich. Das Bild gibt einen Überblick über
HC
die Struktur der linearen O-Regelung einschließlich
Zwangsanregung und Trimmregelung.
20 Auf den eigentlichen O-Sollwert moduliert die
Zwangsanregung, Bild 16-60, eine periodische Ab-
CO weichung (O-Puls) zur Optimierung des Katalysator-
0 wirkungsgrad auf. Das gewonnene Signal geht zum
0,7 0,9 1,1 1,3 einen direkt als Vorsteuerung in die Kraftstoffmen-
Luft-Kraftstoff-Verhältnis l genkorrektur ein; weiterhin wird das Signal eventuell
mit einem Sekundärlufteinfluss beaufschlagt und
Bild 16-57 Lambda-Fenster
unter Berücksichtigung der Gaslaufzeit und des
Verzögerungsverhaltens der linearen Sonde als gefil-
Im geschlossenen Regelkreis wird das Luft-Kraft- terter O-Sollwert weiterverarbeitet.
stoff-Verhältnis O durch die im Abgas positionierte O- Das Signal der linearen O-Sonde wird über eine abge-
Sonde gemessen, das tatsächliche Luft-Kraftstoff- speicherte Kennlinie in einen O-Wert umgerechnet.
Verhältnis mit dem Sollwert verglichen und falls Diese Kennlinie kann durch die Trimmregelung, Bild
erforderlich die Kraftstoffmenge korrigiert. 16-61, korrigiert werden. Der Trimmregler ist als PI-
Es gibt binäre und lineare Lambda-Sonden. Die Be- Regler ausgebildet, der das weniger Querempfind-
schreibung dieser Sonden ist in Kapitel 18.3.1 nach- lichkeiten ausgesetzte Nachkatsondensignal ausnutzt
zulesen. (vorzugsweise von einer binäre Sprungsonde).

Korrekturwert
Sollwert Einspritzmenge Istwert
Regler Motor +
– PI Lambdasonde

Bild 16-58 Regelalgorithmus


für binäre Lambda-Sonde
16.9 Funktionen 749

gemessenes l

Kennlinienverschiebung Nachkatsonden-Signal
(PI-) Trimmregler

korrigiertes l

1 / On/Off Stop Adjustierung Begrenzungsanzeige

Regelabweichung
Reglerausgang Begrenzung aufgrund Einspritzmengenkorrektur
(Richness)
– (PII2 D-) l-Regler nicht-stationärer
Bedingungen
–1

1 / 1 /

Vorsteuerpfad On/Off
gefilterter
l-Sollwert Berücksichtigung von
l -Sollwert
Gaslaufzeit und des
Sensorverhaltens

l-Fenster/Sollwert l-Puls
evtl. Sekundär- Zwangsanregung
lufteinfluss

Bild 16-59 Lambda-Regelung für Linearsonde


l -Puls

0
Zwangsanregung
l -Puls

Zeit Bild 16-60 Zwangsanregung


l mess

Kennlinie ohne Korrektur

Δl nominale Kennlinie
Trimmregelung
Kennlinienkorrektur
korrigierte Kennlinie

l soll
l-Fenster
(Betriebspunkt der Trimmregelung)
Bild 16-61 Trimmerregelung

Aus dem korrigierten O-Signal und dem gefilterten O- dung des Katalysators. Der Reglerausgang kann unter
Sollwert wird dann die Regelabweichung, Bild 16-62, nicht-stationären Betriebsbedingungen zusätzlich be-
als Richness (= O–1) berechnet, die als Eingang in den grenzt werden.
eigentlichen O-Regler dient. Dieser ist als PII2D- Die so ermittelte Einspritzmengenkorrektur geht zu-
Regler ausgelegt und in Bild 16-62 dargestellt. Der sammen mit der Vorsteuerung in die Einspritzmen-
I2-Anteil dient zur Bilanzierung der Sauerstoffbela- genberechnung ein.
750 16 Elektronik und Mechanik

P-Anteil Begrenzung

Regelab-
weichung I-Anteil Regler-
(Richness) ausgang
Begrenzung
2
I -Anteil

D-Anteil Begrenzung
Bild 16-62 Berechnung der
Regelabweichung

Die lineare Lambda-Regelung bietet gegenüber der Antriebsstranges). Die Reduzierung des Effekts durch
binären Lambda-Regelung folgende Vorteile: die Motorsteuerung ist sehr wichtig, da das insta-
tionäre Fahrverhalten ein bedeutender Parameter bei
x Erhöhung der Regeldynamik und Reduktion der
der Kaufentscheidung für ein Fahrzeug ist.
transienten O-Fehler
Zur Entwicklung der Funktionen wird ein einfaches
x Erhöhter Katalysatorwirkungsgrad durch einstell-
physikalisches Modell benutzt, das den „Ruckel-
bare Zwangsanregung im geschlossenen O-Regel-
Effekt“ ausreichend beschreibt. Zur Reduzierung von
kreis
Fahrzeuglängsschwingungen existieren in der Motor-
x Möglichkeit der Regelung von O z 1; dadurch
steuerung zwei Funktionen:
wird unter anderen geregelter Warmlauf oder ge-
regelter Katalysatorschutz ermöglicht. x Lastschlagdämpfung (Torque Transient) Prinzip:
Steuerung (Fahrerwunsch-Filter)
x Antiruckelfunktion (Anti jerk controller) Prinzip:
16.9.2 Antiruckelfunktion Regelkreis.
Durch plötzliche Motormomentenänderungen, die Der Antriebsstrang kann als Zweimassenschwinger,
beispielsweise durch Gasgeben oder auch beim Bild 16-63, dargestellt werden. Die Masse m1 stellt
Gaswegnehmen entstehen, wird das Fahrzeug zu das Motorträgheitsmoment J1 = m1 · r2rot (rotierende
Schwingungen in der Fahrzeuglängsbewegung ange- Massen) dar: Kurbel- und Nockenwelle, Kolben und
regt. Diese fühlbaren Änderungen in der Beschleu- Pleuel, Schwungrad und Nebenaggregate.
nigung werden von den Insassen als sehr un- Die Masse m2 fasst die Antriebsstrang-Massen (Zahn-
komfortabel empfunden. Der Effekt kann in nahezu räder, Kardanwelle, Radmassen) und restliche Fahr-
allen Pkw beobachtet werden; ihre Intensität hängt zeugmasse zusammen. Bei Momentenaufbau im Mo-
vom Konstruktionstyp des Antriebsstranges und tor erfolgt eine Torsion des Antriebsstranges, die
dessen Parametern ab (zum Beispiel Steifigkeit des gespeicherte Energie wirkt dabei auf m1 zurück.

(Motorlager-Einfluss)
(Spiel)
Motormoment
TQ motor TQ 2 TQ rad

w1 Kupplung Getriebe w2 w3
C
m1 Gang m2

Feder

Trägheitsmoment J1: Trägheitsmoment J2:


• Masse bewegter Dämpfer • Fahrzeugmasse
Motorteile • Gelenkwelle
• Schwungrad D • Antriebswelle
• Getrieberäder
Gelenkwelle/Antriebswelle • Reifen

Bild 16-63 Antriebsstrang als Zweimassenschwinger


16.9 Funktionen 751

Fahrzeug
Moment
(Zweimassen-Feder System)
an der
Momenten- Momenten-
Kupplung (Motorlager-Einfluss)
anforderung anforderung Motormoment
(Spiel)

v. Fahrer (gefiltert) TQ motor TQ 2 TQ rad


N
Last- w1 Kupplung Getriebe w2 w3
C
schlag- m1 Gang m2

Feder
dämpfung Trägheitsmoment J1: Dämpfer Trägheitsmoment J2:
• Masse bewegter • Fahrzeugmasse
Motorteile D • Gelenkwelle
• Schwungrad Gelenkwelle/Antriebswelle • Antriebswelle

+ • Getrieberäder
• Reifen

Antiruckel-
momenten-
korrektur
Antiruckel-
funktion

Bild 16-64 Momentenmodell

Ist TQmotor eine Sprungfunktion, schwingt der An- Schwingungen im Antriebsstrang, die durch die
triebsstrang mit seiner Eigenfrequenz. Die Amplitude Antiruckelfunktion kompensiert werden müssen.
und Frequenz dieser Schwingung sowie ihre Ab- Der Ausgabewert der Lastschlagdämpfung ist ein
klingzeit sind gangabhängig. Mit niedrigem Gang ist durch eine Rampenfunktion gefilterter Drehmomen-
die Amplitude und Frequenz größer, die Abklingzeit tenwunsch des Fahrers beziehungsweise der Cruise
ist länger als in einem hohen Gang. Control. Die Rampenanstiegsdauern werden hierbei
Zur Lastschlagdämpfung wird folgender physikali- aus dem eingelegten Gang ermittelt, Bild 16-64.
scher Hintergrund genutzt: Basierend auf dem Modell Da die Funktion nicht nur Schwingungen im Antriebs-
des Zweimassenschwingers kann gezeigt werden, dass strang dämpfen soll, sondern auch das Kippen des
abhängig von der Anregung des Systems eine Redu- Motors in seinen Lagern, wird zwischen verschiede-
zierung der Schwingung erreicht werden kann. Beson- nen Drehmomentbereichen unterschieden.
ders eignen sich hierbei rampenförmige Signale. Kern der Funktion ist eine variable Berechnung des
Die Schwingungsamplitude wird dann am kleinsten, Rampenanstiegs. Mit dem Drehzahlgradienten steht
wenn die Rampenanstiegsdauer der Periodendauer eine zusätzliche Bedingung für die Drehmoment-
gleich beziehungsweise ein ganzzahliges Vielfaches Bereichsumschaltung zur Verfügung, Bild 16-65.
darstellt. Tatsächlich ist diese Theorie nur anwendbar, Die Antiruckelfunktion und die Lastschlagdämpfung ar-
wenn die Spontanität des Fahrzeugs nicht beeinträch- beiten eng zusammen. Der Regelkreis bekämpft hierbei
tigt wird. Es muss also ein Kompromiss zwischen die aus der Lastschlagdämpfung verbliebenen Schwin-
Komfort und Dynamik gefunden werden, indem gungen. Die Lastschlagdämpfung kann somit auf eine
kürzere Anstiegsdauern zum Einsatz kommen. Bei hohe Spontanität appliziert werden, während die Anti-
dieser Filterung des Fahrerwunsches verbleiben somit ruckelfunktion für einen hohen Fahrkomfort sorgt.

Torque at phase range


Clutch
CONST INC CONST DEC CONST

TQ_REQ_TRA_OLD_CLU
TQ_REQ_CLU
TQ_REQ_TRA_CLU 3

C_TQ_TRA_THD_UP_2
C_TQ_TRA_THD_DOWN_2
0
C_TQ_TRA_THD_UP_1 t 2
C_TQ_TRA_THD_DOWN_1

1
TQ_REQ_TRA_OLD_CLU

LV_TQ_TRA torque transient bit

Bild 16-65 Rampenanstieg des Drehmoments


752 16 Elektronik und Mechanik

Reference engine speed calculation


Requested 1800 System traffic activation

I_REF_Al [rpm]
Torque
1400 Activation Initialization
1000 Condition request AJ torque
Gear request
600

I_DIF_Al [rpm]
200 correction
1 2 3 4 5 6 150
+ 100
time [sec] 50 Engine speed
0 deviation
– –50 1 2 3 4 5 6
–100
1800 –150 time [sec]
1400
N [rpm]

Anti Jerk Controller


1000
600
1 2 3 4 5 6
time [sec]
measured engine speed

Bild 16-66 Schema Antiruckelregelung

Der Grundgedanke liegt darin, aus einer Drehzahlab- Antiruckelfunktion, Bild 16-66, wird beim Auftreten
weichung ein Korrektursignal zu ermitteln, das in den von Schwingungen in der Drehzahl getriggert.
Drehmoment-Sollwert phasenrichtig einfließt. Da es Das dargestellte Funktionsprinzip lässt sich in glei-
sich um sehr dynamische Vorgänge handelt (typische cher Weise auf einen Hybrid- oder Elektroantrieb an-
Frequenzen für Antriebsstrangschwingungen liegen wenden, bei welchem der Momenteneingriff über die
bei 2 bis 10 Hz) ist eine schnelle Umsetzung des E-Maschine erfolgt. In diesem Fall kann derselbe
Momentenwunsches über Zündung erforderlich. Regelalgorithmus, welcher in Motorsteuerungen zur
Schwingungen in der Fahrzeuglängsbeschleunigung Anwendung kommt, auf der Steuerung des Elektro-
lassen sich aus der Motordrehzahl detektieren, die auf motors (Inverter) implementiert werden, um für die
Grund ihrer Eigenschaften hinsichtlich Auflösung Regelgüte schädliche Totzeiten durch Signalübertra-
und Aktualisierung für eine Signalerfassung sehr gut gungen zu vermeiden.
geeignet ist.
Die Schwingungen im Antriebsstrang werden als 16.9.3 Drosselklappenregelung
Drehzahldifferenz ausgedrückt, basierend auf der Ab-
weichung der Ist-Drehzahl zu einer Referenz-Dreh- Der Sollwert für die Stellung der elektronischen
zahl. Aus dieser Differenz wird das Korrektursignal Drosselklappe (ETC) ergibt sich bei einem momen-
für den Momentenwunsch ermittelt. Über Parameter tengeführten Motorsteuerungssystem aus dem Soll-
kann man die Phase und Amplitude des Korrektur- moment über ein sogenanntes „Inverses Saugrohrfül-
signals beeinflussen. Das Korrektursignal ist nur lungsmodell“ oder auch Rückwärtspfad des Saug-
innerhalb eines applizierbaren Zeitrahmens aktiv. Die rohrfüllungsmodells, Bild 16-67.

Saugrohrfüllungsmodell
Luftmassen-
Drosselklap-
strom in die
penwinkel
α/N Zylinder Momenten-
Drehzahl System Berechnung Aktuelles
Moment

Rege-
Lastsensor + lungs- Momenten-
einheit Management

Anpassung Sicherheits-
konzept
Drosselklappen-
Sollwert inverses Luftmassen-
Motor /N sollwert
System Luftmassen- Berechnug Momenten-
Sollwert Sollwert
inverses Bild 16-67 Konsistenz von
Saugrohr- Vorwärts- und Rückwärts-
füllungsmodell
Luftmassenpfad
16.9 Funktionen 753

und diese dann durch den Drosselklappen-Positions-


Berechnung des: Als Funktion aus:
regler eingestellt, Bild 16-68.
Momentensollwert Pedalwert, EGS, ASR, … Ziel dieser Drosselklappenregelung ist es, die tatsäch-
Füllungssollwert Drehzahl, Moment
liche Luftmasse genau mit der gewünschten Luftmas-
se (aus dem Momentenmodell) in Einklang zu brin-
Saugrohrdrucksollwert volumetrischen Effizienz gen. Im sogenannten Vorwärtszweig des Saugrohr-
Druckquotient über Umgebungsdruck füllungsmodells ergibt sich die in den Motor fließen-
Drosselklappe de Luftmasse aus der Drosselklappenstellung und der
Sollwert für Durchfluss Druckquotient Drehzahl. Dieser Zusammenhang muss exakt inver-
der Drosselklappe tierbar sein, damit im Rückwärtspfad aus dem Fül-
Sollwert des reduzierten Luftmassensollwert,
lungssollwert eine Drosselklappensollstellung er-
Drosselklappenquerschnitts Durchfluss an der Drosselklappe mittelt werden kann.
Bild 16-69 zeigt die Struktur des Drosselklappenre-
Drosselklappenwinkel- red. Drosselklappenquerschnitt
Sollwert gelkreises. Das Eingangssignal für den Positionsreg-
ler ist die Differenz zwischen der tatsächlichen und
Bild 16-68 Ermittlung des Drosselklappensollwertes gewünschten Position der Klappe. In Abhängigkeit
aus dem Sollmoment dieser Abweichung berechnet ein Regelalgorithmus
ein Steuersignal (PWM-Signal), über das der Stell-
motor an der Klappe so beeinflusst wird, dass die tat-
Dabei wird aus dem Momentenwunsch über diverse sächliche Drosselklappenposition auf die gewünschte
Schritte die Sollposition der Drosselklappe berechnet Position einschwingt.

ETC-Soll- PWM- ETC-Ist-


position + ETC - Signal ETC Position
Regel- mit Stellglied

algorithmus
Bild 16-69 Struktur der
elektronischen Positions-
regelung der Drosselklappe
(ETC)

16.9.4 Klopfregelung Zündkennlinie (Mitteldruck in Abhängigkeit vom


Zündzeitpunkt) liegt, Bild 16-70.
Als Klopfen bezeichnet man eine unkontrollierte, Will man den Motor möglichst nah an diesem wir-
selbst eingeleitete Verbrennung, die im Bereich kungsgradoptimalen Bereich betreiben, dann ist eine
üblicher Inertgasanteile meistens mit hohen Flam- Klopfregelung notwendig.
mengeschwindigkeiten im Bereich der Schallge-
Ziel der Motorsteuerung ist es, den Motor in den für
schwindigkeit einhergeht und außerdem hohe Druck-
Klopfen kritischen Betriebsbereichen in einem ge-
spitzen bewirkt. Durch dauerhaft klopfende Verbren-
schlossenen Regelkreis an der Klopfgrenze zu betrei-
nung kommt es zu einer Schädigung des Motors, vor
ben, sofern diese „vor“ dem optimalen Zündzeitpunkt
allem von Kolben, Zylinderkopfdichtung und Zylin-
liegt. Dazu greift sie bei nicht aufgeladenen Motoren
derkopf.
in den Zündzeitpunkt und bei aufgeladenen Motoren
Klopfen lässt sich hauptsächlich durch folgende
in den Ladedruck und den Zündzeitpunkt ein.
Maßnahmen verringern:
Bei der Klopfregelung macht man sich das Geräusch-
x späterer Zündzeitpunkt phänomen infolge der Brennraumdruckschwingungen
x höhere Oktan-Zahl (ROZ) des Kraftstoffs zu Nutze, indem man die am Kurbelgehäuse auftre-
x fetteres Gemisch tenden Körperschallsignale mit Hilfe eines Klopfsen-
x geringerer Ladedruck sors aufnimmt. Im Klopfsensor wirkt eine seismische
x niedrigere Ansauglufttemperatur Masse auf eine Piezo-Keramik und induziert dort eine
x Verringerung von Ablagerungen an Kolben und Ladung, die proportional zur Höhe der Körperschall-
Ventilen schwingung des Anbauorts ist. Das Geräusch – typi-
x geeignete Konstruktion des Brennraums.
scherweise im Frequenzbereich von 5 bis 15 kHz –
Problematisch ist Klopfen für den Motorwirkungs- entsteht als Resonanz der Motorstruktur auf die hoch-
grad, da bei heute üblichen Verdichtungsverhältnis- frequenten Anteile im Druckverlauf, die beim Klop-
sen von circa 10 bis 12 der wirkungsgradoptimale fen auf Grund der turbulenten Flammgeschwindigkei-
Zündzeitpunkt in einem klopfenden Bereich der ten im Brennraum auftreten.
754 16 Elektronik und Mechanik

110
Wie in der Darstellung zu erkennen ist, existiert ein
schneller und ein langsamer Zündwinkeleingriff.
90
Grund dafür sind die verschiedenen, phänomenologi-
70 schen Einflüsse, die Klopfen bewirken. Zum Beispiel
sind Ablagerungen am Kolben oder die Kraftstoff-

Moment
50
Optimaler
Zündzeitpunkt
qualität Einflüsse, die sich nur langsam ändern;
30
dagegen sind die Ansauglufttemperatur oder der
Klopf- 10
Bereich des Klopfens
grenze Motorbetriebspunkt Einflüsse, die sich von Arbeits-
–10 spiel zu Arbeitsspiel ändern können.
55 45 35 25 15 5 Die Position des Klopfsensors sollte so festgelegt wer-
Zündzeitpunkt v. OT
den, dass man Klopfen im Motorbetrieb gut erkennt
und deutlich von anderen Einflüssen wie zum Beispiel
Bild 16-70 Motormoment in Abhängigkeit vom Ventiltriebsgeräuschen unterscheiden kann. Dazu er-
Zündzeitpunkt folgen in der Motorentwicklungsphase umfangreiche
Untersuchungen am Motor. Man ermittelt dabei
In Bild 16-71 sind ein typischer Druckverlauf und das Klopfen mit Brennraumdrucksensoren und vergleicht
Körperschallsignal jeweils für normale und klopfende das Ergebnis mit dem des gemessenen Körperschall-
Verbrennung dargestellt. signals.
Die Motorsteuerung detektiert Klopfen aus dem Bei Vierzylindermotoren wird in der Regel ein
elektrischen Klopfsignal, indem zunächst das Roh- Klopfsensor einlassseitig auf dem Kurbelgehäuse
signal in einer integrierten Schaltung (IC) formatiert zwischen Zylinder 2 und 3 angeordnet. Damit ist
wird, Bild 16-72. dann das Klopfgeräusch aller vier Zylinder erkenn-
Das formatierte Rohsignal wird im Mikroprozessor bar. Bei Sechszylinder-Reihenmotoren werden zwei
weiter verarbeitet. Das Klopfereignis liegt zylinderse- Klopfsensoren eingesetzt. Ebenso bei V6- und V8-
lektiv dann vor, wenn das formatierte Rohsignal die Zylindermotoren kommen zwei Klopfsensoren (ein
zuvor applizierte und im Motorbetrieb adaptierte Klopfsensor pro Zylinderbank) zum Einsatz.
Klopfgrenze überschreitet. Diese Auswertung findet
in einem zeitlichen Klopffenster statt, das über der 16.9.5 „On-Board“-Diagnose (OBD)
Kurbelwinkelstellung des Motors zylinderselektiv Die Luftverschmutzung in Ballungsgebieten auf
festgelegt ist. Die aus dem Klopfsignal ermittelte Grund der hohen Verkehrsdichte führte in den Verei-
Energie bestimmt in einem weiteren Block die Höhe nigten Staaten von Amerika schon in den 1960 er
der Zündwinkelkorrektur. Jahren zu einer gesetzlichen Begrenzung der Emissi-
Im Fehlerfall, das heißt wenn die Klopfregelung zum onen von Kraftfahrzeugen. So gelten auch heute in
Beispiel auf Grund eines Sensorfehlers nicht mehr den USA und hier insbesondere im Bundesstaat
ordnungsgemäß arbeiten kann, wird eine Sicherheits- Kalifornien die weltweit schärfsten Emissionsgrenz-
spätverstellung des Zündwinkels vorgenommen, so werte für Personenkraftwagen. Diese Entwicklung
dass der Motor unter allen Umständen sicher außer- führte dazu, dass die Abgasreinigungssysteme für
halb des Klopfbereichs arbeitet. Das Bild 16-73 zeigt Fahrzeugmotoren im Laufe der letzten Jahrzehnte
den zeitlichen Verlauf der Klopfregeleingriffe: immer umfangreicher und komplexer wurden.

Brennraum-Drucksignal ohne Klopfen Brennraum-Drucksignal mit Klopfen

30 30

25 25

20 20
0 50 °CRK 100 0 50 °CRK 100
2 2

0
0

–2 –2
0 50 Körperschallsignal – niedrige Motordrehzahl 50 100
2 2

0 0

–2
0
–2
50 Körperschallsignal – hohe Motordrehzahl 50 100
Bild 16-71 Druckverlauf und
Körperschallerkennung
16.9 Funktionen 755

Klopf IC
Klopf-IC: Programmierungs-
parameter Klopf- Energie des Zündwinkel
Klopf- Klopf-
ereignis-
Sensor Roh- Formatiertes Klopf- korrektur Korrektur
Rohsignal- ermittlung
signal Klopfsignal ereignisses
formatierung

Funktionsunterbindung (wenn Fehler erkannt)

Bit für Fehlererkennung

Fehlererkennung
und
Ersatzwerte
Fehlerkorrekturwerte
(wenn Fehler erkannt)

Bild 16-72 Klopfsignal-Verarbeitung

5 Knock Detection & Correction 2.5

Correction line
4.5 2
Detection line

4 1.5

3.5 1

3 0.5

2.5 0
KNK_SLOW_COR °CRK KNK_FAST_COR °CRK
IGA_PROP_COR °CRK KNK_EGY
2 LV_KNK_DET –0.5

1.5 –1

1 –1.5

0.5 –2

0 –2.5

0:00 0:04 0:09 0:13 0:17 0:22 0:26 Time 0:30 0:35

Bild 16-73 Zeitlicher Verlauf der Klopfeingriffe

Durch diese Maßnahmen wurde zwar eine deutliche und Bauteile überwachen und den Fahrer informieren,
Reduzierung der Schadstoffemissionen von Neufahr- wenn ein Fehlverhalten dieser Bauteile eintritt.
zeugen erzielt, gleichzeitig stieg jedoch der Emissions- Die wesentliche Komponente zur Abgasreinigung ist
anteil von Fahrzeugen mit defektem Abgasreinigungs- der Dreiwegekatalysator. In diesem werden die bei
system deutlich an. Nach einer Schätzung der amerika- der motorischen Verbrennung entstehenden Abgas-
nischen Umweltbehörde EPA wurden zum Beispiel komponenten Kohlenmonoxid und die unverbrannten
1990 etwa 60 % der Fahrzeugemissionen an unver- Kohlenwasserstoffe zu Kohlendioxid und Wasser
brannten Kohlenwasserstoffen durch Fahrzeuge mit oxidiert. Gleichzeitig werden die Stickoxide zu Stick-
fehlerhaftem Abgasreinigungssystem verursacht. Auf stoff reduziert. Die maximale Umsetzung aller drei Ab-
Grund dieser Problematik wurde von der amerikani- gasbestandteile setzt voraus, dass der Motor mit einem
schen Umweltbehörde gefordert, die Motorsteuerungen stöchiometrischen Gemisch, das heißt mit einem Luft-
der Fahrzeuge mit Eigendiagnosesystemen auszustat- Kraftstoff-Verhältnis von O = 1 betrieben wird. Hierzu
ten, die alle abgasbeeinflussenden Systeme, Funktionen ist eine präzise Gemischregelung erforderlich.
756 16 Elektronik und Mechanik

Zur Einstellung des Luft-Kraftstoff-Gemisches wer- til, das zwischen Aktivkohlefilter und Saugrohr des
den die angesaugte Luftmasse und die Drehzahl des Motors angeordnet ist, geöffnet. Die dadurch verur-
Motors gemessen. Im Steuergerät wird aus diesen sachte Luftströmung durch den Aktivkohlefilter
Signalen die Öffnungsdauer der elektrischen Ein- bewirkt eine Desorption des gespeicherten Kraft-
spritzventile und somit die pro Arbeitsspiel einge- stoffes. Das dabei gebildete Kraftstoffdampf-Luft-
spritzte Kraftstoffmasse so berechnet, dass sich ein Gemisch strömt dabei ins Saugrohr und wird im
stöchiometrisches Gemisch einstellt. Um das Ge- Motor verbrannt.
misch möglichst genau auf das erforderliche Luft-
Kraftstoff-Verhältnis von Eins einzustellen, ist dieser 16.9.5.1 Aufgaben der Eigendiagnose
Steuerung zusätzlich die sogenannte Lambda-Rege- Das Ziel der Eigendiagnose ist die Überwachung
lung überlagert. Mit der im Abgassystem angeordne- sämtlicher abgasrelevanter Fahrzeugkomponenten und
ten Lambda-Sonde wird dabei festgestellt, ob das -systeme hinsichtlich ihrer Funktion während des nor-
Gemisch zu fett oder zu mager eingestellt ist. Abhän- malen Fahrbetriebes. Wird ein Fehler erkannt, so soll
gig vom Sondensignal wird im Steuergerät ein Kor- die schadhafte Komponente möglichst genau lokali-
rekturfaktor für die Einspritzdauer berechnet, so dass siert werden und Fehlerart, Fehlerort und Umweltbe-
sich im Mittel ein Luft-Kraftstoff-Verhältnis von Eins dingungen sollen in einem Speicher abgelegt werden.
einstellt. Verursacht der Fehler eine Überschreitung vorgege-
Der Katalysator erreicht seinen Arbeitsbereich erst, bener Abgasgrenzwerte, so muss der Fahrer über eine
wenn seine Temperatur oberhalb der sogenannten Signallampe im Armaturenbrett des Fahrzeuges in-
Anspringtemperatur liegt. Bei heutigen Katalysato- formiert und aufgefordert werden, das Fahrzeug zu
ren beträgt diese Temperatur etwa 350 °C. Eine einer Werkstatt zu bringen. Zusätzlich sollen geeigne-
schnelle Aufheizung des Katalysators während der te Maßnahmen ergriffen werden, die die Fahrsicher-
Warmlaufphase kann durch eine Einblasung von heit aufrechterhalten, eine Weiterfahrt ermöglichen
Sekundärluft in das Abgassystem unmittelbar vor sowie Folgeschäden vermeiden. In der Werkstatt muss
die Auslassventile erreicht werden. Das vom Motor die Möglichkeit bestehen, den Fehlerspeicher auszule-
angesaugte Luft-Kraftstoff-Gemisch wird hierbei sen, um anhand der gespeicherten Daten eine schnelle
fett abgestimmt. Der Sekundärluftmassenstrom wird Fehlerfindung und Reparatur zu ermöglichen.
so eingestellt, dass das Luft-Kraftstoff-Verhältnis Aus dieser Zielsetzung entwickelte als Erstes die
im Abgassystem leicht mager ist. Hierdurch erfolgt kalifornische Umweltbehörde einen konkreten Geset-
im Abgassystem eine Oxidation der unverbrannten zesentwurf zur On-Board-Diagnose von Motorsteue-
Kohlenwasserstoffe und des Kohlenmonoxids. Da rungssystemen ab dem Modelljahr 1988. Hierbei
diese Reaktion exotherm ist, ergibt sich hierbei ein mussten zunächst nur alle Komponenten überwacht
Anstieg der Abgastemperatur. Dies wiederum führt werden, die mit dem elektronischen Steuergerät der
zu einer schnellen Aufheizung des Katalysators. Motorsteuerung in Verbindung stehen. Ab Modelljahr
Neben dem Dreiwegekatalysator wird zur Senkung 1994 wurde die erweiterte On-Board-Diagnose, kurz
der Stickoxidemissionen häufig eine äußere Abgas- auch OBD II genannt, gesetzlich gefordert. Hierbei
rückführung eingesetzt. Hierbei wird verbranntes wurde erstmals eine Überwachung aller abgasrele-
Abgas der Verbrennungsluft zugemischt. Dies führt vanter Fahrzeugkomponenten und Systeme gefordert.
zu einer Senkung der Verbrennungstemperatur und Die Forderungen der kalifornischen Umweltbehörde
als Folge davon zu einer Reduzierung der Stickoxid- wurden zum Teil von den übrigen 49 Bundesstaaten
emissionen. Die Dosierung der rückgeführten Ab- übernommen.
gasmenge erfolgt durch ein Ventil in der Rückführ- Im Einzelnen ergeben sich folgende Hauptforderun-
leitung. gen, Bild 16-74:
Neben den Abgasemissionen, die von der motori-
Überwachung
schen Verbrennung herrühren, ergeben sich zusätz-
lich Kohlenwasserstoffemissionen auf Grund der x der Katalysatoranlage
Verdunstung von Kraftstoff im Tank. Zur Reduzie- x der Lambda-Sonde
rung dieser Emissionen werden Tankentlüftungssys- x des gesamten Kraftstoffsystems, das die Ein-
teme eingesetzt. spritzventile, den Kraftstoffdruckregler, die Kraft-
Diese Systeme haben die Aufgabe, ein Austreten der stoffpumpe und den Kraftstofffilter umfasst
Kohlenwasserstoffdämpfe, die im Kraftstofftank des x des Sekundärluftsystems
Fahrzeuges entstehen, in die Atmosphäre zu verhin- x des Abgasrückführsystems
dern. Hierzu ist zwischen Tank und der Verbindung x des Tankentlüftungssystems bestehend aus Aktiv-
zur Umgebung ein Aktivkohlefilter angeordnet, in kohlefilter und Tankentlüftungsventil
dem der gasförmige Kraftstoff adsorbiert wird. Dieser x weiterer, als abgasrelevant eingestufter Systeme,
wird zur Vermeidung einer Überladung des Filters in die nicht direkt von der Motorsteuerung gesteuert
bestimmten Zeitabständen regeneriert. Hierzu wird in werden, wie zum Beispiel die Getriebesteuerung
geeigneten Betriebspunkten das Tankentlüftungsven- für automatische Getriebe.
16.9 Funktionen 757

Emissionsgrenzwert im US-Abgastest FTP75. Für


Überwachung aller
Transitional-Low-Emission-Fahrzeuge der Modelljahre
abgasbeeinflussenden Systeme 1996 und 1997 ist der Diagnosewert der doppelte
und Komponenten
Abgasgrenzwert. Für Fahrzeuge ab Modelljahr 1998
sowie Fahrzeuge, die nach den Low- und Ultra-Low-
nein
Fehler Emission-Vehicle-Grenzwerten zertifiziert sind, ist
der Diagnosegrenzwert als der 1,75-fache Emissions-
ja grenzwert definiert.
- Erkennung von Fehlerart und -ort
Auf Grund der Definition der Diagnosegrenzwerte
- Speicherung von Fehlerinformationen ergeben sich insbesondere für Fahrzeuge, die nach
- Information des Fahrers den strengen Low-Emission- und Ultra-Low-Emis-
- Aufrechterhaltung von Fahrsicherheit und Notlauf sion-Grenzwerten zertifiziert werden, sehr niedrige
- Vermeidung von Folgeschäden Diagnosegrenzwerte. So ist zum Beispiel die maxi-
- Unterstützung der Werkstatt bei der Reparatur mal zulässige HC-Emission im Abgastest bei einem
ULEV-Fahrzeug um 84 % niedriger als bei einem
Bild 16-74 Aufgaben der Eigendiagnose Fahrzeug, das nicht als Low-Emission-Vehicle einge-
stuft ist.
Zusätzlich sollen Verbrennungsaussetzer erkannt Zur Überwachung des Katalysators sind mehrere Ver-
werden. fahren bekannt, die alle die Sauerstoffspeicherfähig-
Neben der Überwachung der Systeme wird eine keit des Katalysators ausnutzen. Diese Speicherfähig-
standardisierte Fehlerlampenansteuerung sowie eine keit korreliert mit der Kohlenwasserstoff-Konvertie-
standardisierte Testerschnittstelle, die ein Auslesen rung im Katalysator. Schon eine geringe Verschlech-
des Fehlerspeichers in der Werkstatt ermöglicht, terung der Konvertierungsrate führt zu einer deutli-
gefordert. chen Abnahme der Sauerstoffspeicherfähigkeit des
Katalysators.
16.9.5.2 Überwachung des Katalysators Die Sauerstoffspeicherung im Katalysator lässt sich
Die Überwachung der Konvertierungsrate des Kata- mit einer Lambda-Sonde erfassen. Hierzu wird zu der
lysators, Bild 16-75, ist eine der wichtigsten OBD II vor dem Katalysator vorhandenen Sonde eine zweite
Forderungen. Ein Defekt des Katalysators ist dann hinter dem Katalysator eingebaut und die Signale der
anzuzeigen, wenn die Kohlenwasserstoffemissionen Sonde hinter dem Katalysator werden mit den Signa-
im US-Abgastest FTP75 einen definierten Schwell- len vor dem Katalysator verglichen. Bei heute übli-
wert überschreiten. Der jeweilige Schwellwert hängt chen Lambda-Sonden liegt bei mageren Gemischen
dabei vom jeweiligen Modelljahr und der Emissions- eine niedrige Sondenspannung und bei fetten Gemi-
einstufung des Fahrzeuges ab. schen eine hohe Spannung vor. Aufgrund der Ausle-
Bei Überschreitung der Diagnosegrenzwerte muss ein gung der binären Lambda-Regelung ergeben sich bei
Defekt des Katalysators angezeigt werden. der Lambda-Sonde vor dem Katalysator bei O = 1
Für Non-LEV zertifizierte Fahrzeuge ist der Dia- Betrieb fett/mager Sprünge der Sondenspannung mit
gnose-Grenzwert der 1,5 - fache Kohlenwasserstoff- einer relativ konstanten Amplitude.

Auswertung
Signalamplitude
l-Sonde vor Katalysator
vor
Katalysator
A vor Kat.
Auswertung
Amplitudenverhältnis:
Katalysator A hinter Kat.
AV =
Auswertung A vor Kat.
Signalamplitude
l-Sonde hinter Katalysator
hinter
Katalysator A hinter
Kat. Bild 16-75 Überwachung
des Katalysators
758 16 Elektronik und Mechanik

Bei der linearen Lambda-Regelung wird für die Kata- lich höher. Erste Messungen zeigen, dass der zu
lysatordiagnose eine erhöhte Zwangsanregung be- diagnostizierende Wert im Bereich von 30 bis 50 %
nutzt. Bei einem neuen Katalysator mit einer relativ Wirkungsgradverschlechterung liegt. Ein Problem
hohen Sauerstoffspeicherfähigkeit werden diese Re- dieses Verfahrens ist, dass die Wirkungsgradver-
gelschwingungen deutlich gedämpft, wie das Sonden- schlechterung des Vorkatalysators direkt mit der
signal hinter dem Katalysator zeigt. Ein gealterter Wirkungsgradverschlechterung der gesamten Kataly-
Katalysator hat, wie oben gezeigt wurde, ein deutlich satoranlage korrelieren muss. Die Eignung dieses
schlechteres Speicherverhalten, so dass die vor dem Verfahrens hängt somit sehr stark von der Konfigura-
Katalysator vorhandene Regelschwingung auf die tion der Katalysatoranlage ab, Bild 16-75.
Sonde hinter dem Katalysator durchschlägt.
Das prinzipielle Verfahren zur Diagnose des Kataly-
sators ist wie folgt: 25

O2-Speicherfähigkeit [μmol/g]
x Die Motorsteuerung ermittelt zunächst die Signal- 20
amplituden der Lambda-Sonden vor und hinter
dem Katalysator. Anschließend wird der Quotient 15
aus den Amplituden gebildet. Dieses Amplituden-
verhältnis wird zur Beurteilung der Konvertie- 10
rungsrate des Katalysators benutzt.
x Bei niedrigen Konvertierungsraten ergibt sich ein 5
mittleres Amplitudenverhältnis von nahezu Eins.
0
Mit zunehmender Konvertierungsrate nimmt das 40 50 60 70 80 90 100
Verhältnis ab. HC-Konvertierung [ % ]
Für Fahrzeuge, die nicht als Low Emission Vehicle ein-
gestuft sind, sowie für TLEV-Fahrzeuge ist mit diesem Bild 16-76 Korrelation zwischen Sauerstoff-Spei-
Verfahren eine sichere Katalysatordiagnose möglich. cherfähigkeit und HC-Konvertierung
Bei Fahrzeugen, die nach den strengen LEV- und
ULEV-Grenzwerten zertifiziert sind, führen schon
Bei einem zweiten Verfahren sind zusätzlich zu den
Verschlechterungen der Konvertierungsrate von we-
Lambda-Sonden vor und hinter der gesamten Katalysa-
nigen Prozent zu einer Überschreitung der Diagnose-
toranlage vor und hinter dem Vorkatalysator Tempe-
grenzwerte. Bei diesen Konvertierungsraten werden
ratursensoren angeordnet. Mit diesen Sensoren soll
jedoch relativ niedrige Amplitudenverhältnisse ermit-
zusätzlich das Anspringverhalten sowie die Konver-
telt. Eine sichere Unterscheidung zwischen einem
tierung der Vorkatalysatoren überwacht werden.
defekten und einem funktionsfähigen Katalysator auf
Hierbei wird der Effekt ausgenutzt, dass bei den
Basis des Amplitudenverhältnisses ist für diese Fahr-
Reaktionen im Katalysator Wärme freigesetzt wird,
zeuge, insbesondere unter Berücksichtigung der
die zu einer Erhöhung der Abgastemperatur hinter
Serienstreuungen, sehr schwierig.
dem Katalysator führt. Die Temperaturerhöhung
Zur Diagnose des Katalysatorwirkungsgrades von
korreliert dabei mit dem Wirkungsgrad des Katalysa-
LEV- und ULEV-Fahrzeugen werden zurzeit eine
tors. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass zusätz-
Reihe neuer Verfahren entwickelt. Beispielhaft wer-
lich zur zweiten Lambda-Sonde präzise und somit
den zwei Verfahren vorgestellt:
relativ teure Temperatursensoren eingesetzt werden
Der überwiegende Teil der künftigen LEV- und
müssen. Einen Überblick über Diagnoseverfahren
ULEV-Fahrzeuge besitzt neben dem Hauptkatalysa-
zeigt Bild 16-77.
tor einen motornah angebauten Vorkatalysator. Die-
ser Vorkatalysator hat ein relativ kleines Volumen,
was in Verbindung mit dem motornahen Anbau ein 16.9.6 Sicherheitskonzepte
schnelles Erreichen der Betriebstemperatur und somit Gesetzliche Forderung schreiben für technische
eine gute Abgaskonvertierung nach dem Kaltstart Systeme, die bei Versagen Leben und Gut gefährden,
ermöglicht. Schutzeinrichtungen vor, so dass das verbleibende
Ein Verfahren zur Diagnose dieser Katalysatoranla- Restrisiko unter einer tolerierbaren Schwelle bleibt.
gen besteht darin, nur die Sauerstoffspeicherfähigkeit Bei komplexen Systemen mit Software sind das
des Vorkatalysators mit einer Lambda-Sonde hinter sogenannte Schutzfunktionen. Außerdem schreibt der
diesem zu überwachen, Bild 16-75. Hierbei wird Gesetzgeber vor, dass sicherheitsrelevante Systeme
vorausgesetzt, dass der Vorkatalysator wesentlich dem Stand der Technik entsprechen müssen. Für so-
schneller altert als der Hauptkatalysator. Da das genannte „Drive-by-Wire“-Motorsteuerungssysteme,
Volumen dieses Katalysators im Vergleich zum bei denen die Drosselklappe nicht direkt über einen
Hauptkatalysator relativ klein ist, ist die maximal Bowdenzug, sondern über einen elektrischen, vom
zulässige Wirkungsgradverschlechterung hier deut- Fahrpedal unabhängigen Antrieb betätigt wird, ist
16.9 Funktionen 759

Überwachung Technische Lösung

Katalysatoranlage Vergleich der Signalamplituden der l-Sonden vor


und hinter Katalysator
für LEV/ULEV-Fahrzeuge zusätzlich Ermittlung
der Anspringtemperatur

Ermittlung von Regelfrequenz, Signalbereich und


λ-Sonde
Heizwiderstand, überlagerte Regelung mit Sonde
hinter Katalysator
Berechnung der Laufunruhe aus der
Verbrennungsaussetzer Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle

Tankentlüftungssystem Unterdruckprüfung des Tanksystems

Abgasrückführsystem Ermittlung des Saugrohrdrucks bei aktiver AGR

Sekundärluftsystem Überwachung des l-Sondensignals


Bild 16-77 Überblick der
Kraftstoffsystem Überwachung des l-Regelwertes
Diagnoseverfahren

daher ein Sicherheitskonzept in der Motorsteuerung zeugs noch erlaubt (sogenanntes „limp-home“). Bei
vorgeschrieben. Mehrfachfehlern ist es erlaubt, eine Reaktion des
Dadurch sollen für den Fahrer gefährliche Zustände Fahrers, zum Beispiel Betätigen der Bremse, mitein-
vermieden werden. Solche Zustände können bei- zubeziehen. Um dieses Ziel erreichen zu können, sind
spielsweise ein ungewolltes Beschleunigen („Gas ge- umfangreiche Änderungen im Motorsteuerungssys-
ben“), also ein ungewolltes Losfahren des Fahrzeugs tem notwendig:
oder eine Erhöhung der Motordrehzahl sein. Keine
Motorleistung beziehungsweise nur geringe Motor- x die Pedalwerterfassung beinhaltet zwei unabhän-
leistung wird als sicherer Zustand definiert. Man gige Positionssensoren
unterscheidet zwischen Einzelfehlern, das heißt es x die Drosselklappenposition wird von zwei unab-
tritt nur ein Fehler auf, und Mehrfachfehlern. hängigen Positionssensoren erfasst
Einzelfehler muss das Motorsteuerungssystem selbst- x das Motorsteuergerät beinhaltet eine vom Haupt-
ständig erkennen können und dann in der Lage sein, prozessor unabhängig arbeitende Überwachungs-
innerhalb von 500 ms das Fahrzeug in einen sicheren einheit (meist ein zweiter Prozessor)
Zustand zu bringen. Dabei ist auch eine begrenzte x das Motorsteuergerät beinhaltet umfangreiche Si-
Motorleistung zulässig, die einen Notlauf des Fahr- cherheitsfunktionen.

Hauptprozessor ECU
Einspritzung, ...
... DRI
ADC EMS/ETC Funktion
DRI Mot
Check Zündwinkel, ... Geschwindigkeits-
-
Disable

Begrenzung
Funktions-und Prozessüberwachung or

Kopie der Prozessüberwachung

Prozessorüberwachung
Programmablauf/Anweisungen/Speicher

Frage Antwort Reset

ADC Prozessorüberwachung

Überwachungseinheit
Comparison

Funktion (Ebene 1) Kopie d. Prozessüberwachung (Ebene 2’)

Prozessüberwachung (Ebene 2) Prozessorüberwachung (Ebene 3)

Bild 16-78 Aufbau der Motorsteuerung bezüglich des Sicherheitskonzepts


760 16 Elektronik und Mechanik

Die Sicherheitsfunktionen, Bild 16-78, sind dabei in gleichen Daten zu benutzen. Um eine Konsistenz zu
mehrere Ebenen unterteilt, die verschiedene Überwa- erhalten, ist daher auch eine exakte Applikation der
chungsaufgaben wahrnehmen. Man unterscheidet die Prozessüberwachung erforderlich. Dies führt zu ei-
folgenden Ebenen: nem redundanten Sollwert der Führungsgröße (zum
x Ebene 1: Funktionen zur Steuerung und Regelung Beispiel induziertes Drehmoment). Zusätzlich wird in
des Motors inklusive der Übersetzung der Lage der Ebene 2 der Istwert der Führungsgröße berechnet
des Gaspedals in einen Öffnungswinkel der Dros- und mit dem redundant berechneten Sollwert vergli-
selklappe. chen. Dadurch werden zu hohe Istgrößen erkannt und
x Ebene 2: die Prozessüberwachung überprüft den entsprechende Fehlerreaktionen eingeleitet, die das
Steuerung- und Regelungsprozess des Motors Fahrzeug in den sicheren Zustand überführen.
(Ebene 1) mit dem Schwerpunkt auf alle Funktio-
nen, die im Fehlerfall ungewollt drehmomenter- Literatur
höhend wirken können. [1] Braunschweig, M.; Czarnecki, T.: On-Board-Diagnose bei Die-
x Ebene 2c: eine Kopie des Codes der Prozessüber- selmotoren. In: MTZ 65 (2004) 7/8, S. 552 – 557
wachung, die für das Funktionieren der Ebene 3
benötigt wird. 16.10 Sicherheitskonzepte
x Ebene 3: die Prozessorüberwachung.
in Getriebesteuerungen
Die Ebene 3 wird dabei teilweise im Hauptprozessor,
teilweise in der Überwachungseinheit ausgeführt. Der Gesetzliche Forderungen schreiben für technische
Überwachungsrechner überwacht den Programmab- Systeme, die bei Versagen Leben und Gut gefährden,
lauf, die Befehlssätze und den Speicherbereich. Zu- Schutzeinrichtungen vor, so dass das verbleibende
sätzlich stellt die Überwachungseinheit dem Haupt- Restrisiko unter einer tolerierbaren Schwelle bleibt.
prozessor Rechenaufgaben und überprüft anhand der Außerdem schreibt der Gesetzgeber vor, dass sicher-
Antworten die korrekte Funktion des Hauptprozes- heitsrelevante Systeme dem Stand der Technik ent-
sors. Daneben erfasst die Überwachungseinheit auch sprechen müssen. Die Veröffentlichung der Sicher-
ein analoges Eingangssignal und stellt das Signal für heitsnorm ISO 26262 [1] im November 2011 (gültig
einen Plausibilitätscheck im Hauptprozessor zur für Pkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von
Verfügung, was der Überwachung des AD-Wandlers max. 3,5 t) als Ausführungsvorschrift der DIN IEC
des Hauptrechners dient. 61508 hat erheblichen Einfluss auf Design, Qualifi-
Die Prozessüberwachung auf Ebene 2 ist funktional zierung und Produktion elektronischer Steuergeräte
so ausgeführt, dass teilweise die gleichen Funktionen und wurde von mehr als 130 Staaten weltweit ak-
wie in Ebene 1 berechnet werden, jedoch ohne die zeptiert.

1: Item definition 2: Hazard analysis and safety goals


No. Safety Goal ASIL
SG01 Prevent torque transmission opposit to the driver A
OEM

request during drive-off


SG02 Prevent undesired drive-off from standstill A
SG03 Prevent undesired acceleration B
SG02 Prevent blocking of drive wheels caused by the D
transmission system
SG08 Prevent undesired disengaging of parking lock C

7: Safety case 5: Safety analysis 3: Safety concept


1. Goals FMEA, FTA, fault injection test, freedom
Continental

from interferency
2. Arguments
3. Evidences Single PF

Residual F
Safe
Latent MPF

Perceived MPF

Detected MPF

Bild 16-79 Sicherheitskette zwischen Kunden und Zulieferer


16.10 Sicherheitskonzepte in Getriebesteuerungen 761

Design FTA:
FMEA: avoidance avoidance
of sys- of single
tematic point
failures failures,
top down

Safety
Analysis
System
FMEA:
avoidance
of single
point FMDEA:
failures, failure
bottom up metric

Bild 16-80 Fehlermetriken der ISO

Die Fehlermetriken der ISO 26262 und ihre Anforde- ferant und Bauteilezulieferer (zum Beispiel für
rungen zur Vermeidung zufälliger Bauteilefehler, ASICs, Mikrocontroller, Sensoren) festgelegt, um die
abhängiger Fehler und gegenseitiger Beeinflussung Durchgängigkeit der Sicherheitsanforderungen zu
erweisen sich als wesentliche Einflussgröße für die gewährleisten.
Sicherheitsarchitekturen. Anhand der nun kurz beschriebenen Verfahren ergibt
In einer Sicherheitsverantwortungsmatrix wird die sich eine Einstufung nach IS0 26262 in die sogenann-
Aufgabenverteilung zwischen OEM, Steuergerätelie- ten „Automotive Safety Integrity Levels“ (ASIL).

Development Interface Agreement


between OEM and Conti Temic microelectronic GmbH, Nuremberg
(Functional Safety Management according to ISO26262)

Version: 2.2
page 4 of 10 document name: DIA_xxx.xlsx
date: 17.04.2012

The scope of this agreement covers the following work products and the corresponding activities
with respect to the framework given on sheet 'overview
ISO 26262
Work products / Activities R A S I Availability Notes Filling instructions
reference
Concept phase: item definition and top-level safety requirements
Item definition 3-5.5.1 CUST CUST full as
deliverable
Hazard analysis and risk assessment (H&R) 3-7.5.1 CUST CUST short at
location
Safety goals (SG) with corresponding ASILs, and safe states where 3-7.5.2 CUST CUST full as
applicable deliverable
Functional safety concept (FS requirements + preliminary architecture) 3-8.5.1 CUST CUST full as
deliverable
SEooC assumptions on functional safety 10-9.1 SUPP CUST SUPP short at
location
Validity of SEooC assumptions on functional safety 10-9.1 CUST CUST short at
location
Organization of FSM at project-level
Project safety plan (Customer) 2-6.5.1, (3- CUST CUST short as
6.5.2, 4-5.5.2, deliverable
5-5.5.1,
6-5.5.1, 6-
7.5.2, 8-12.5.3,
8-14.5.1,
6-C.5.3)

Project safety plan (Supplier) 2-6.5.1, 8- SUPP CUST SUPP full as


5.5.4, (3-6.5.2, deliverable
4-5.5.2,
5-5.5.1, 6-
5.5.1, 6-7.5.2,
8-12.5.3,
8-14.5.1, 8-
7.5.1, 6-C.5.3)
Product development: system level - technical safety requirements /system design
Technical safety requirements (part of technical safety concept - customer 4-6.5.1 CUST SUPP CUST full as
scope) 4-6.5.2, (8- deliverable
9.5.3)
4-7.5.1
4-7.5.5, (8-
9.5.3)

Bild 16-81 Beispiel einer Sicherheitsverantwortungsmatrix


762 16 Elektronik und Mechanik

Aus der Bewertungsgrundlage wird nach verschiede-


nen Fahrsituationen unterschieden. ASIL SPFM LFM

x Wie oft gibt es Fahrzustände, bei denen der Fehler A -- --


relevant ist? B ш 90% ш 60%
x Beherrschbarkeit der Fehlfunktion
x Gefährdungspotenzial. Die Klassen reichen von C ш 97% ш 80%

QM, ASIL A bis zu ASIL D. Hier geht es um die D ш 99% ш 90%


Summe der oben genannten 3 Klassen, das heißt
selbst bei höchstem Gefährdungspotenzial (mit
eventueller Todesfolge) kann eine QM-Einstufung ASIL PMHF SPFM: Single Point Faults Metric
resultieren, wenn die Beherrschbarkeit hoch und A LFM: Latent Faults Metric
--
die Auftretenswahrscheinlichkeit niedrig ist. PMHF: Probabilistic Metric for random
B < 10-7 h-1 Hardware Failures
Nachdem in der Norm die Einstufungen nur grob
umrissen sind, wurde von der deutschen Automobil- C < 10-7 h-1
industrie im VDI eine Detaillierung für die einzelnen OS
D < 10-8 h-1
Steuergeräte und Funktionen vorgenommen. So wird
ein Motorsteuergerät normalerweise in die Klasse
Bild 16-82 ASIL-Klassen mit Fehlern
ASIL B (max. Sicherheitsziel) eingruppiert, da hier
kein unmittelbarer Eingriff auf die Fahrstabilität
möglich ist. Hier geht man davon aus, dass im kriti- >90 % liegen. Dieser Vorgang ist in der ISO 26262
schen Fall, wie es zum Beispiel das Hochbeschleuni- als ASIL-Dekomposition beschrieben. Ein ASIL D
gen des Motors darstellt, der Fahrer durch Bremsen kann sich aus zwei ASIL B-Pfaden zusammensetzen,
oder Auskuppeln des Antriebsstrangs das Fahrzeug ein ASIL C aus einem ASIL B und ASIL A. Ein
unter Kontrolle halten kann. Anders ist die Situation weiterer Ansatzpunkt zum Erreichen der vorgegebe-
bei den Getriebesteuergeräten. Hier kann eine Fehl- nen ASIL-Klasse ist die Zuverlässigkeit der Bauteile
funktion direkt das Fahrverhalten beeinflussen. So im Sicherheitspfad. Sie wird angegeben in FIT (Failu-
wird eine TCU für Vorderradantrieb normalerweise re in Time = 1 Bauteile-Ausfall/109 Stunden). Die
in den Bereich zwischen ASIL B und ASIL C ein- Ausfallraten für die elektronischen Bauteile werden
gruppiert, da Störungen, wie sie zum Beispiel durch entweder von den Halbleiterherstellern ermittelt oder
ungewollte Schaltvorgänge auftreten, durch den Fah- über Industriestandardwerke (zum Beispiel SN29500,
rer über das Lenkrad kompensiert werden können. IEC61709) abgeleitet.
Bei Allrad- oder Hinterrad angetriebenen Fahrzeugen In den jetzigen Steuergerätearchitekturen wird eine
kann ungewolltes Schalten über mehrere Gänge, zum Dekomposition zum Beispiel durch die Überwachung
Beispiel bei nasser Straße, zum Schleudern (Destabi- des Hauptrechners durch eine Überwachungseinheit,
lisierung) des Fahrzeuges führen. Das Eingruppieren erreicht oder bei ASIL D Anforderungen durch den
in den jeweiligen ASIL-Bereich kann aber nur vom Einsatz eines zweiten Mikrocontrollers. Ebenso
Systemverantwortlichen (normalerweise Hersteller können Ausgänge über zwei unterschiedliche Pfade
des Mechanischen Getriebes oder OEM) vorgenom- abschaltbar sein.
men werden, da durch zum Beispiel mechanische Für „Drive-by-Wire“-Motorsteuerungssysteme, bei
Sperren im Getriebe ein ungewolltes Schalten über denen die Drosselklappe nicht direkt über einen
mehrere Stufen verhindert werden kann, und damit Bowdenzug, sondern über einen elektrischen, vom
der ASIL Level für Steuergeräte abgesenkt werden Fahrpedal unabhängigen Antrieb betätigt wird, ist
kann. Dies ist Inhalt der Hazard & Risk-Analyse des daher ein Sicherheitskonzept in der Motorsteuerung
Fahrzeugherstellers und dem daraus abgeleiteten vorgeschrieben, welches einer ASIL B-Einstufung
funktionalen Sicherheitskonzept. Anhand dieser Vor- entspricht. Dadurch sollen für den Fahrer gefährliche
gaben werden die kritischen Funktionspfade im Steu- Zustände vermieden werden. Solche Zustände können
ergerät bestimmt (technisches Sicherheitskonzept). beispielsweise ein ungewolltes Beschleunigen des
Im Steuergerätedesign wird nun anhand der in der Fahrzeugs sein. Keine Motorleistung beziehungswei-
Norm vorgegebenen Klassen bestimmt, wie die si- se nur geringe Motorleistung wird als sicherer Zu-
cherheitskritischen Pfade bezüglich der Fehlerausfall- stand definiert. In der Motorsteuerung wird dies
wahrscheinlichkeit auszusehen haben. durch die Überwachung der kritischen Pfade durch
Wichtig ist hier das Zusammenspiel zwischen Soft- parallele Sensoren, wie zum Beispiel Fahrpedalerfas-
ware und Hardware, um eine möglichst hohe Erken- sung über zwei unabhängige Sensoren und Signal-
nung von Fehlern zu erreichen. Wie der Tabelle in pfade erreicht.
Bild 16-82 zu entnehmen ist, muss die Fehlerent- Bei Getriebesteuerungen muss das unbeabsichtigte
deckungsrate bei einem Sicherheitsziel mit ASIL D Schalten oder Kuppeln verhindert werden. Daher sind
für Einzelfehler >99 % und bei latenten Fehlern die sicherheitskritischen Ansteuerungen der Magnet-
16.10 Sicherheitskonzepte in Getriebesteuerungen 763

Detection of Avoidance of single point faults (faults without diagnostic coverage)


random hardware Reduction of residual faults (faults with diagnostic coverage ч 100 %)
failures by safety Residual fault rate = Ores + [6O x (1 – diagnostic coverage)] =
mechanisms 2 FIT + [(1.6+8) FIT x (1-0.9)] = 2.96 FIT

Single point
faults
Residual faults
Switch-off path
Latent faults

Bild 16-83 Ermittlung von der FIT-Rate für Random Hardware Failure

Multi-Core + Lockstep Monitoring of power supply


3-Level Concept ADC-Check
External Watchdog Safe code execution
Redundant Switch off Path E2E protection

Bild 16-84 Beispiel Sicherheitskonzept für Getriebe ASIL D

ventile redundant ausgelegt. Dazu wird sowohl die keit der Signale durch den Einsatz digitaler Sensoren
Spannungsversorgung und die Masse über stromgere- und ein intelligentes Versorgungskonzept erreicht.
gelte Schalter über das Steuergerät geführt. Im Be- Die Hauptkomponente in den Steuergeräten ist der
reich der Sensorik wird eine hohe Diagnostizierbar- Mikrocontroller. Dieser wird entweder durch einen
764 16 Elektronik und Mechanik

kleinen weiteren Rechner oder die Monitoreinheit werden, jedoch ohne die gleichen Daten zu benutzen.
überwacht. Zukünftig wird hier die Architektur durch Die Ebene 2 wird nach Einführung der ISO 26262 um
den Einsatz moderner Multicore-Systeme mit soge- die Überwachung der Sicherheitsziele erweitert. Dies
nannten Lockstepcores deutlich vereinfacht. Zurzeit führt zu einem redundanten Sollwert der Führungs-
wird das sogenannte 3-Ebenen-Konzept in der Soft- größe (zum Beispiel induziertes Drehmoment). Zu-
ware realisiert. sätzlich wird in der Ebene 2 der Istwert der Füh-
Die Ebene 3 wird dabei teilweise im Hauptprozessor, rungsgröße berechnet und mit dem redundant berech-
teilweise in der Überwachungseinheit ausgeführt. Der neten Sollwert verglichen. Dadurch werden zu hohe
Überwachungsrechner überwacht den Programmab- Istgrößen erkannt und entsprechende Fehlerreaktio-
lauf, die Befehlssätze und den Speicherbereich. Zu- nen eingeleitet, die das Fahrzeug in den sicheren
sätzlich stellt die Überwachungseinheit dem Haupt- Zustand überführen. Der sichere Zustand des Steuer-
prozessor Rechenaufgaben und überprüft anhand der gerätes kann das Ausschalten der Lasten durch einen
Antworten die korrekte Funktion des Hauptprozes- redundanten Pfad und das Abschalten des Rechners
sors. Daneben erfasst die Überwachungseinheit auch sein.
ein analoges Eingangssignal und stellt das Signal für
einen Plausibilitätscheck im Hauptprozessor zur Ver-
fügung, was der Überwachung des AD-Wandlers des Literatur
Hauptrechners dient. Die Prozessüberwachung auf [1] Kuhn, M.: Functional Safety Management realized over project
Ebene 2 ist funktional so ausgeführt, dass teilweise livetime. VDI Fachkonferenz „Steuerung und Regelung von Ge-
die gleichen Funktionen wie in Ebene 1 berechnet trieben“. Friedrichshafen, 18.–19.6.2013
17.2 Längsdynamik des Kraftfahrzeuges 765

17 System Antriebsstrang

In diesem Kapitel wird auch insbesondere der In- form- oder kraftschlüssige Übersetzungselemente
tegrierte Starter-Generator (ISG) behandelt, weil er wie zum Beispiel Zweiwellen-Stufengetriebe, ei-
zukünftig unter anderem eine wichtige Rolle in der nem Stufenlos-Variator oder einem Drehmoment-
Konzeption des Antriebsstrangs einnimmt. wandler),
x in der Reduktion von Motor-Drehungleichförmig-
keiten (zum Beispiel durch Dämpferelemente in
17.1 Antriebsstrang-Architektur der Kupplung, durch ein Mehr-Massen-Schwung-
Durch Weiterleitung der Motorleistung von der rad oder einen schlupfgeregelten Drehmoment-
Kurbelwelle an die Antriebsräder wird diese für den wandler) sowie
Fahrer in Form einer Fahrzeugbeschleunigung oder - x in der Zugkraftverteilung auf die Antriebsräder
verzögerung tatsächlich wirksam. Die drehmoment- (zum Beispiel durch Drehmoment-Verteilung zwi-
führenden Elemente eines Pkw-Antriebsstranges sind, schen Vorder- und Hinterachse sowie Achsdiffe-
Bild 17-1: renziale zwischen der linken und rechten Fahr-
zeugseite).
x der Verbrennungsmotor
x eventuell ein integrierter Starter-Generator (ISG) Speziell das Getriebe vereint hierbei die Funktionen
x das Getriebe, bestehend aus Anfahrelement (zum eines Anfahrelementes sowie eines Kennungswand-
Beispiel einer Kupplung) und dem eigentlichen lers. Bei Letzterem passt das Getriebe (zusammen mit
Übersetzungsgetriebe dem Achsgetriebe) das Motorkennfeld auf einen
x eventuell ein Verteilergetriebe eines Vierradan- wesentlich größeren Bereich des Drehmoment-Dreh-
triebs und zahl-Bedarfes an der Getriebeausgangswelle an
x das (oder die) Achsgetriebe (Differenziale, even- (Bild 17-2, [1]).
tuell schlupfgeregelt).
Die Aufgaben des Antriebsstranges in Ergänzung
17.2 Längsdynamik des Kraftfahrzeuges
zum Verbrennungsmotor bestehen dabei:
x im Anfahren (realisiert durch Elemente wie Kupp- Konzentriert man in einer Modellannahme die Fahr-
lung, Drehmomentwandler oder auch einem integ- zeugmasse in einen Punkt, so ergibt sich das
rierten Starter-Generator) Beschleunigungs- und Bremsverhalten dieses Fahr-
x gegebenenfalls dem zusätzlichen Einbringen/Re- zeugs aus der sogenannten „Fahrwiderstandsglei-
kuperieren von elektrischer Antriebsenergie mit chung“ (Momente hier bezogen auf zusammengefass-
Hilfe des integrierten Starter-Generators, einer te Achswellen):
Batterie und/oder großen elektrischen Kapazitäten mFahrzeugaFahrzeug = 1/rRad [igesMMotor-effektiv –MFahrwiderstand] ,
x in der Kennungswandlung zwischen Motorverhal- (17.1)
ten und dem Fahrzeug-Zugkraftbedarf (durch wobei

Integrierter Hinterachs-
Starter-Generator differential
Vorderachs- (ISG)
differential

Motor Vierradantrieb:
Getriebe Verteilergetriebe

Kupplung

Bild 17-1 Pkw-Antriebsstrang

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_17
766 17 System Antriebsstrang

PE
nE
Motor
ME

Getriebeausgangsmoment MA
PA
Motordrehmoment MM = ME

nA

Momentenverhältnis MA/ME
Achs-
„ideales“ getriebe MA „ideales“
Zugkraftkennfeld Zugkraftkennfeld
4. 3. 2. 1. 1.

2.
3.

4. Gang

e
Motordrehzahl nM = nE Drehzahlverhältnis nA/nE Getriebeausgangsdrehzahl nA

Bild 17-2 Aufgaben eines Pkw-Getriebes: Angleich von Leistungsbedarf und Motorleistung [1]

MFahrwiderstand = MRollwiderstand + MSteigungswiderstand + MLuftwiderstand + MBrems (17.2)


n n n
Fahrzeug- Fahrzeugmasse, Fahrzeug-
masse, Steigung geschwin-
Rollwider- digkeit,
stands- Luftwider-
beiwert stand (Luft-
(Straßen- dichte, Fron-
oberfläche, talfläche,
Reifencha- Luftwider-
rakteristik) standsbei-
wert cW)

Dabei bedeuten: Stirnrad- oder Planetenradsätzen), während Stufen-


mFahrzeug = Fahrzeugmasse losgetriebe zumeist auf kraftschlüssigen Wirkprinzi-
aFahrzeug = Fahrzeugbeschleunigung pien beruhen. Diese auf Grund von Reibung erzeugte
rRad = dynamischer Reifenradius Kraftschlüssigkeit erfordert eine zusätzliche Hilfs-
iges = Gesamtübersetzung energie, sodass Stufenlosgetriebe im Allgemeinen
M = Momente. einen schlechteren inneren Getriebewirkungsgrad
aufweisen. Diesen Nachteil kompensieren diese Ge-
Die Gleichung dient zum Beispiel zur Ermittlung des
triebe jedoch innerhalb des gesamten Antriebsstran-
Fahrzeug-Beschleunigungsvermögens, der Fahrzeug-
ges durch ihre optimale Anpassbarkeit des Motorbe-
Höchstgeschwindigkeit (bei aFahrzeug = 0) sowie zum
triebspunktes an die Fahrsituation.
Beispiel im Rahmen einer Echtzeitauswertung der
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal für Fahrzeug-
Berechnung des aktuellen Steigungswiderstandes.
getriebe ist der Grad ihrer Automatisierung. So spie-
len in Europa nach wie vor manuell betätigte Getriebe
17.3 Getriebetypen (in Zweiwellen-Bauart) eine wesentliche Rolle, wäh-
rend in den USA und in Asien elektrohydraulisch
Hinsichtlich der Bauform ihres Übersetzungselemen- betätigte Automatikgetriebe (zumeist in Planeten-
tes können Getriebe klassiert werden in Bauart) überwiegen. Diese Bauformen werden zu-
x Stufengetriebe gegenüber Stufenlosgetrieben so- nehmend ergänzt durch automatisierte Zweiwellen-
wie getriebe
x Getriebe mit natürlichem Achsversatz zwischen x auf Basis einer (elektromotorisch oder elektrohyd-
Antriebs- und Abtriebswelle (Zweiwellen-Ge- raulisch betätigten) Trockenkupplung (automati-
triebe) gegenüber Getrieben mit axialer An- sierte Schaltgetriebe) oder
ordnung der Antriebs- und Abtriebswelle (Inline- x auf Basis einer hydraulisch betätigten Doppel-
Getriebe). kupplung (Doppelkupplungsgetriebe).
Stufengetriebe basieren auf formschlüssigen Übertra- und stufenlose Umschlingungsgetriebe auf Basis
gungselementen (zum Beispiel schrägverzahnten eines Schubgliederbandes oder einer Kette.
17.4 Leistungsebene und Signalverarbeitungsebene 767

Eine Zusammenstellung verschiedener Getriebetypen b) Signalebene (Bild 17-6):


mit einigen charakteristischen Eigenschaften enthält Die Steuerung und Regelung des Gesamtantriebs-
das Bild 17-3. Die üblichen Drehmomentbereiche für stranges basiert auf physikalischen Modellen der
Anwendungen im Pkw zeigt das Bild 17-4. Einzelkomponenten, die durch einen drehmo-
Das Bild 17-5 zeigt als Beispiel das 5-Gang- mentbasierten Modellansatz (ausgehend vom Rad-
Stufengetriebe W5A 580 von DaimlerChrysler, moment hin zur Motor- und Getriebeführung)
welches einen schlupfgeregelten Drehmomentwand- funktional integriert werden.
ler sowie drei Planetenradsätze enthält. Das Getriebe c) Verknüpfungen:
wird für nahezu alle Pkw-Standard-(Heck-)antriebe Moderne Antriebsstrang-Architekturen zeichnen
der Marke „Mercedes-Benz“ eingesetzt. sich durch eine eindeutige vertikale Korrespon-
denz der Komponenten der Leistungs- und Signal-
17.4 Leistungsebene und ebene sowie ihrer Verknüpfungen aus. Auf der
Leistungsebene bestehen diese Verknüpfungen in
Signalverarbeitungsebene Form der momentenführenden Wellen, auf der
a) Leistungsebene (Bild 17-6): Signalebene in Form von Kommunikationska-
Dies ist die Ebene der tatsächlich drehmomentfüh- nälen.
renden Komponenten

Getriebetyp Abkürzung Übersetzung Gewicht Geräusch Verbrauch1) Schaltkomfort


(ATZ-Wert)2)
Handschaltgetriebe 5MT Zweiwellen- niedrig niedrig – 10,0 % –
(5-Gang) getriebe
Handschaltgetriebe 6MT Zweiwellen- niedrig niedrig – 12,0 % –
(6-Gang) getriebe
Stufenautomat 5AT Planetenradsätze mittel niedrig – 0,0 % 9
(5-Gang)
Stufenautomat 6AT Planetenradsätze mittel niedrig – 3,0 % 9
(6-Gang)
Stufenlosgetriebe S-CVT Umschlingungs- hoch mittel – 5,0 % 9,5
getriebe
(Basis Schub-
gliederband)
Stufenlosgetriebe K-CVT Umschlingungs- hoch mittel – 5,0 % 9,5
getriebe
(Basis Kette)
Toroidgetriebe T-CVT Reibradgetriebe sehr hoch niedrig – 7,0 % 9,5
Automatisiertes E-AMT Zweiwellen- niedrig niedrig – 15,0 % 6,3
Handschaltgetriebe getriebe mit
elektromechani-
scher Betätigung
Automatisiertes H-AMT Zweiwellen- niedrig niedrig – 14,0 % 6,5
Handschaltgetriebe getriebe mit
elektrohydrauli-
scher Betätigung
Doppelkupplungs- DCT Zweiwellen- mittel niedrig – 8,0 % 8,7
getriebe getriebe mit
elektrohydrauli-
scher Betätigung
Anmerkungen:
1)
Ungefährer Verbrauchsvorteil gegenüber einem 5-Gang-Stufenautomaten bei 300 Nm Betrieb und entdrosseltem Ottomotor.
2)
Der ATZ-Wert ist ein Maß für die Qualität des Übersetzungswechsels. Ein ATZ-Wert von 10 entspricht einem optimalen (ruckfreien)
Übersetzungswechsel, ein Wert von 1 einem stark unkomfortablen Vorgang.

Bild 17-3 Vergleich verschiedener Getriebetypen [2], [3], [4]


768 17 System Antriebsstrang

Getriebevergleich
Drehmomentbereich in Nm

900
800
700
600
500
400
300
200
100
0
Bild 17-4 Übliche Dreh-
5MT 6MT 5AT 6AT S-CVT K-CVT T-CVT E-AMT H-AMT DCT
momentbereiche für Pkw-
Getriebetyp
Getriebe

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

1 Drehmomentwandler 6 Kupplung K2 11 Parksperrenrad 16 Elektro-hydraulische Steuereinheit


2 Ölpumpe 7 Lamellenbremse B3 12 Zwischenwelle 17 Vorderer Planetensatz
3 Antriebswelle 8 Kupplung K3 13 Freilauf F2 18 Freilauf F1
4 Lamellenbremse B1 9 Lamellenbremse B2 14 Hinterer Planetensatz 19 Statorwelle
5 Kupplung K1 10 Abtriebswelle 15 Mittlerer Planetensatz 20 Wandlerüberbrückungskupplung

Bild 17-5 5-Gang-Stufengetriebe W5A 580 von DaimlerChrysler

Literatur zu Kapitel 17.1–17.4 17.5 Getriebesteuerung


[1] Mitschke, M.: Dynamik der Kraftfahrzeuge, Band A, Antrieb 17.5.1 Funktionen
und Bremsung. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 1995
[2] Förster, H. J.: Automatische Fahrzeuggetriebe, Grundlagen, 17.5.1.1 Überblick
Bauformen, Eigenschaften, Besonderheiten. Berlin, Heidelberg, Folgende Funktionsgruppen lassen sich für alle Ge-
New York: Springer, 1991
[3] Lechner, G.; Naunheimer, H.: Fahrzeuggetriebe: Grundlagen,
triebekonzepte definieren:
Auswahl, Auslegung und Konstruktion. Berlin, Heidelberg, New x Schaltstrategie: Bestimmt, welche Ziel-Überset-
York: Springer, 1994 (Hinweis: Buch ist auch 1999 in Englisch
erschienen: Lechner, G.; Naunheimer, H.: Automotive Trans- zung oder welcher Gang eingestellt wird
missions: Fundamentals, Selection, Design und Application. x Schaltübergang: Management des eigentlichen
Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 1999 Übersetzungswechsels
[4] Bock, C.: Die ACEA-Vereinbarungen zur Flottenverbrauchs-
x Diagnosefunktionen: Herstellen eines sicheren
reduzierung und ihre möglichen Konsequenzen auf zukünftige
Getriebekonzepte. Vortrag im Haus der Technik anlässlich der Zustands bei Komponentenfehlern oder des Not-
Tagung „CVT-Getriebe“, Essen, 2000 laufbetriebs
17.5 Getriebesteuerung 769

x Sonderfunktionen wie Steuerung der Wandler- vorgangs, beim AMT also die Führung von Motor
überbrückungskupplung, Wählhebel-Sperrmagnet- (Drehmoment und Drehzahl), Kupplungsdrehmo-
Ansteuerung, Sicherheitskonzept bei „shift by ment- und logischer Gangposition. Die Regelung der
wire“. zugehörigen physikalischen Stellgröße (Weg, Druck,
Winkel) übernimmt die Ebene „Aktuatorsteuerung“.
Die Zusammenhänge sind mit Bild 17-7 anhand des
automatisierten Handschaltgetriebes (AMT) darge- 17.5.1.2 Fahr- oder Schaltstrategie
stellt. Die Fahrstrategie ermittelt dabei nicht nur den
Soll-Gang im automatischen Betrieb, sondern über- Im Laufe der 1980 er Jahre des 20. Jahrhunderts wur-
prüft auch manuelle Schaltbefehle vom Fahrer (be- den erste elektronische Getriebesteuerungen einge-
kannt zum Beispiel als sogenannter Tiptronic oder führt, die es dem Fahrer zunächst gestatteten, manuell
IntelligenTip®). Die untergelagerte Ebene sorgt für zwischen einzelnen verschiedenen Schaltprogrammen
die Einleitung und Gesamtkoordination des Schalt- wie „ökonomisch“, „sportlich“ oder „Winter“ zu

Signal-Ebene
Fahrzeugnetzwerk CAN

-
Starter-Generator
Motorsteuerung 42 V-Batterie Getriebesteuerung
Steuergerät

Leistungsebene

Starter- Bild 17-6 Leistungs- und


Generator Signalebene eines Antriebs-
Motor Kupplung Kupplung Getriebe
strangs

Fahrerschnittstelle

shift lock Fahrstrategie

Zielgang Bestätigter Zielgang


CAN messages from
engine
Motor-
steuerungs- Schaltablaufkoordinator
system CAN
CAN messages to
engine

Aktutorsteuerung

Gang Kupplung

BIOS/VIOS

IO-HARDWARE
(Sensoren, Aktuatoren, Schalter)

Bild 17-7 Funktionsgruppen


770 17 System Antriebsstrang

wählen. Allerdings erwies sich diese Lösung nicht als Eine Besonderheit des SAT-Systems ist sein umfas-
optimal, da sie einen ständigen manuellen Eingriff sender Einsatz von Fuzzy-Logic, je nach Ausbaugrad
des Fahrers erforderte, um das Schaltverhalten des mit 30 bis 40 Regeln. Dadurch wird eine hohe Adap-
Fahrzeugs an die auftretenden Fahrsituationen anzu- tionsgüte und -Dynamik erzielt. Zukünftige Lösungs-
passen. Da außerdem nicht sichergestellt werden ansätze wie IntelligenTip® [2] geben dem Fahrer
konnte, dass der Fahrer die manuelle Auswahl in mehr Raum zur Bildung persönlicher Präferenzen der
allen Situationen vornimmt, mussten auch für diese Schaltstrategie durch eine Online-Lernkomponente,
verschiedenen Schaltprogramme letztendlich Kom- Bild 17-8.
promisse eingegangen werden. Deshalb sind soge-
nannte „intelligente“ Fahr- oder Schaltstrategien
heute Grundbestandteil jedes Automatikgetriebesys- 17.5.1.3 Automatgetriebe mit Planetenradsätzen
tems, die gemäß den existierenden Bedingungen und Drehmomentwandler
selbstständig die richtigen Prioritäten setzen.
SAT („Siemens Adaptive Transmission Control“), Aktuelle Lösungsansätze bevorzugen eine direkte
Bild 17-8, ist als die Fahrstrategie von Siemens für Kupplungseinzelansteuerung (Bild 17-9) durch elekt-
Stufenautomaten erfolgreich im Einsatz bei unter- rohydraulische Ventile. Damit entfällt ein Demulti-
schiedlichen Fahrzeugherstellern, Fahrzeugklassen plexer in der Hydraulik, die individuellen Kupp-
und Fahrkulturen [1]. lungsdrücke werden in der Steuergerätesoftware be-
Klassifiziert werden sowohl die globalen Strategiekri- rechnet. Dies bestätigt auch den Trend, Funktionen in
terien als auch kurzfristige Fahrsituationen: der Hydraulik durch Software zu substituieren, um
Kosteneinsparungen zu erzielen. Prinzipbedingt wird
x Fahrertyperkennung der Gangwechsel durch die Kupplungssteuerung
x Umwelterkennung: Fahrbahnsteigung ebenfalls ermöglicht.
x Anpassung auf niedrige Fahrbahn-Reibwerte
(Glätte)
x manueller Eingriff (IntelligenTip®) 17.5.1.4 Automatisiertes Handschaltgetriebe
x Fast-off-Erkennung: Unterdrückung der Hoch-
schaltung bei schneller Gasrücknahme (Verzöge- Die Grundstruktur ist bereits durch Bild 17-7 erklärt.
rungsabsicht des Fahrers) Im Unterschied zum Automatgetriebe mit Planeten-
x Kurvenerkennung: Verhinderung der Hochschal- radsätzen ist eine explizite Gangführung notwendig
tung in Abhängigkeit der Querbeschleunigung für das Zweiwellengetriebe mit Zwangssynchroni-
x Bremsrückschaltung: zusätzliche Rückschaltungen sierung. Der gesamte Schaltvorgang ist dabei eher
bei Bremsbetätigung unter Beachtung der Motor- sequenziell gesteuert, das heißt Kuppeln und Schalten
drehzahlgrenzen und Fahrsituation. folgen aufeinander.

Fahrpedal FP
Fuzzyfizierung
FP Mittelwert
Regelbasis
FP Aktivität Inferenz und Defuzzyfizierung

FP Dynamik
Lastwert/Steigung

Fahrzeuggeschwindigkeit
Fahrerklasse

Längsbeschleunigung Schaltverhinderung

Differential torque Kurvenwert


SAT Fuzzy Systeme
Querbeschleunigung

Bremsverzögerung

Bremszeit

Bild 17-8 Adaptive Transmission Control (Fa. Siemens)


17.6 Integriertes Antriebsstrangmanagement (IPM®) 771

17.5.1.5 Stufenlosgetriebe (CVT) 17.6 Integriertes Antriebsstrang-


Während bei den Stufengetrieben der Schaltvorgang management (IPM®)
den Wechsel diskreter Zustände bedingt, sind beim
CVT (Bild 17-10) der Variator und die indivduellen Zukünftige Antriebsstrangkonzepte bestehen aus meh-
Anpressdrücke der Kegelscheiben kontinuierlich zu reren Teilsystemen: Verbrennungsmotor, Elektrische Ma-
steuern (Umschlingungs-CVT). Das Hauptaugenmerk schine und gegebenenfalls automatisiertes Getriebe.
liegt auf der Minimierung des Anpressdruckes für Die integrierte Antriebsstrangsteuerung IPM® [3] hat
geringstmöglichen Kraftstoffverbrauch und hohe Ver- keinen unmittelbaren Einfluss auf den Umwand-
stelldynamik, aber bei zuverlässigem Verhindern des lungsprozess von der im Kraftstoff (Benzin, Diesel,
Bandrutschens. Daneben steuern weitere Funktionen Gas, Wasserstoff) gespeicherten Energie, sondern
die Wandlerüberbrückung und den Planetensatz für versucht die Arbeitspunkte für die Energiewandler
Fahrtrichtungswechsel. (V-Motor, E-Maschine), die Batterie als Energiespei-

Getriebeeingangs-
und -ausgangs-
geschwindigkeit
Fahrerschnittstelle
Fahrstrategie

Drehmoment
Wandlersteuerung
Zielgang Bestätigter
Zielgang
Motormanagement
Schaltablaufkoordinator Solldruck

Getriebedrehzahlen
p
I
Kupplung 1 Kupplung 2 Kupplung 3

p Stromregelung
I p I p I

Stromregelung Stromregelung Stromregelung


Bild 17-9 Direkte Kupplungs-
Einzelansteuerung

„+,–“ Getriebeeingangs- und Getriebeeingangs- und Getriebeeingangs- und


Fahrpedal, Kickdown Tipp -ausgangsgeschwindigkeit -ausgangsgeschwindigkeit -ausgangsgeschwindigkeit
Drehmoment Drehmoment Wählhebel

Restgetriebesteuerung
Fahrstrategie Wandlersteuerung
(Wendesatz)

Zielübersetzung Solldruck Solldruck


Kegel-
scheiben-
Übersetzungsregelung und p p
drehzahlen Drehmoment I I
Anpressdrucksteuerung

Stromregelung Stromregelung Stromregelung

PWM-modulierte Stromausgänge

Bild 17-10 Funktionsschema für Stufenlos-Getriebe (CVT)


772 17 System Antriebsstrang

cher und den Momentenwandler (Getriebe) von momentenwunschinterpretation und die Fahrerty-
einem ganzheitlichen Ansatz kommend zu optimie- penklassifikation. In der zweiten Ebene wird der
ren. Aufgrund der vielen Freiheitsgrade in einem Zustand des Antriebsstranges (Fahren, Bremsen,
solchen System ist es wichtig, auf Basis einer zentra- Start/Stopp, Segeln, Boosten, Rekuperieren …)
len Fahrerwunschinterpretation und Fahrsituationser- abhängig von Signalen aus der Ebene 1 und weite-
kennung unter Berücksichtigung der vorgegebenen ren Fahrzeugsensorgrößen bestimmt.
Priorisierung die nachgeordneten Aggregate optimal x Die Ebene 2 wird als Zustandssteuerung im An-
zu führen und zu koordinieren. triebsstrang bezeichnet und hat die Aufgabe, auf
Die Integration im Sinne von IPM® umfasst hier die der Grundlage der Inputs aus Ebene 1 den Zustand
Steuerung und Koordination des Gesamtsystems, im Antriebsstrang einzustellen, der die aktuell pri-
nicht die konstruktiven Aspekte wie Bauraum, Mon- orisierten Optimierungskriterien erfüllt.
tage etc., Bild 17-11. x Ebene 3 liefert Sollwerte für die nachgeordneten
Wichtiges Merkmal des Konzepts ist die Einführung Aggregate auf Basis physikalischer Größen. So
einer den „Komponentensteuerungen“ übergeordne- können der Verbrennungsmotor und die elektri-
ten Steuerungsebene. Diese führt die Momentener- sche Maschine jeweils über eine Sollmomenten-
zeuger beziehungsweise -wandler durch relevante oder Solldrehzahlvorgabe in einen definierten Ar-
Zustände und optimiert Energieflüsse. beitspunkt gefahren werden; dem Getriebesystem
Die integrierte Antriebsstrangregelung ist in drei wird eine Zielübersetzung vorgegeben. Daneben
Ebenen gegliedert, Bild 17-12: greifen bestimmte Fahrzustände auf die Kupplung
x Ebene 1 ist die Fahrer- und Fahrsituationserken- zu (zum Beispiel sogenannter „Segelbetrieb“:
nung. Die Fahrererkennung beinhaltet die Fahrer- Öffnen bei Schubbetrieb).

Integrated Powertrain Management IPM®

Transmission Management
System TMS
Battery
Inteligentip® IT
Management
Siemens Adaptive
Transmission SAT

Gear ratio control


Integrated
Starter Generator
ISG

Engine
Management
EMS

Bild 17-11 Schema integrierte Antriebsstrangregelung

Fahrpedal IPM®
Fahrerwunsch-
Bremspedal IPM®/ SAT Fahrer-und Fahrsituationserkennung
interpretation

IPM® Zustandssteuerung (Start-stopp, Boost, Segelbetrieb, Rekuperation ...)

IPM® Drehmoment Management


Motordrehmoment- ISG Motordrehmoment- adaptive
berechnung berechnung Gangauswahl

BATTERIE MOTOR- ISG- GETRIEBE- Bild 17-12 Ebenen der


(12V/36V) MANAGEMENT MANAGEMENT MANAGEMENT integrierten Antriebsstrang-
regelung
17.7 Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung 773

Literatur zu Kapitel 17.5 und 17.6 seine Antriebsenergie seriell (serieller Hybrid) durch
[1] Graf, F.; Lohrenz, F.; Taffin, C.: Industrialization of a Fuzzy den jeweiligen Antrieb, welcher die Räder direkt
Logic Transmission Controller. VDI Tagung: Getriebe in Fahr- antreibt.
zeugen‚ Friedrichshafen, 1999 Eine weitere Unterscheidung der Hybridisierung er-
[2] Heesche, K.; Graf, F.; Hauptmann, W.; Manz, M.: IntelligenTip folgt über die Leistungsfähigkeit beziehungsweise
– eine trainierbare Fahrstrategie. VDI Tagung: Getriebe in
Fahrzeugen‚ Friedrichshafen, 2001 den Funktionsumfang.
[3] Siemens-VDO Automotive AG Im Folgenden sind die am häufigsten verwendeten
Hybridvarianten aufgelistet.

17.7 Komponenten für 17.7.2.1 Mikrohybrid


Antriebsstrangelektrifizierung Beim Mikrohybrid redet man in der Regel von einer
reinen Stopp/Start-Funktion, das heißt der Motor
17.7.1 Überblick wird, wenn er nicht benötigt wird, abgeschaltet und
Mit weiter steigenden Anforderungen für die Effi- bei Bedarf automatisch wieder gestartet. Durch das
zienz von Fahrzeugantrieben und damit einhergehen- Steuern der Ladespannung in Abhängigkeit vom
der Emissionsreduzierung spielt auch die Elektrifizie- Fahrzustand bieten diese Systeme in der Regel bereits
rung des Antriebsstrangs eine wesentliche Rolle. eine minimale Rekuperationsfunktion. Diese Systeme
Im Verbrennungsmotor wird die chemische Energie lassen sich zum Beispiel sowohl mit entsprechend
des Kraftstoffs in mechanische Energie umgewandelt modifizierten Startern und Motorsteuergeräten dar-
und dadurch über den Druck ein Drehmoment erzeugt. stellen als auch mit einem riemengetriebenen Starter-
Dieser dient zur Beschleunigung beziehungsweise Generator (Aufbau wie Mildhybrid).
zum Halten der Geschwindigkeit des Fahrzeugs, das
heißt zum Erhalt beziehungsweise der Erhöhung der 17.7.2.2 Mildhybrid
kinetischen Energie. Der Mildhybrid verfügt gegenüber dem Mikrohybrid
Während der Schubphasen oder auch dem Abbrem- zusätzlich über eine signifikante Rekuperations- und
sen wird diese Energie im Wesentlichen in Reibung Boostfunktion. In der Regel reicht hier auch die her-
und damit in Wärme umgesetzt. Diese wird an die kömmliche Technik (12 V/14 V) nicht mehr aus und
Umgebung abgegeben und ist damit für den Antrieb hier kommen bereits speziell entwickelte Komponen-
des Fahrzeugs verloren. ten zum Einsatz, deren Betriebsspannung deutlich
Ein Elektroantrieb kann bei entsprechendem Aufbau über dem des heutigen Bordnetzes im Fahrzeug liegt.
sowohl als Antrieb als auch als Generator arbeiten.
Die Kombination des Verbrennungsmotors mit einem 17.7.2.3 Vollhybrid
Elektroantrieb bietet damit die Möglichkeit, die
Energie, welche vorher zur Erhöhung der kinetischen Eine wesentliche Funktion des Vollhybrids, neben
Energie verwendet wurde, während dem Verzögern Stopp/Start, Boost und Rekuperation ist das temporär
des Fahrzeugs zumindest teilweise wieder zurück zu rein elektrische Fahren.
gewinnen (Rekuperation) und für den nächsten Be- Hier ist der Antriebsstrang so aufgebaut, das der Elek-
schleunigungsvorgang, entweder in Kombination mit tromotor unabhängig vom Verbrennungsmotor den
dem Verbrennungsmotor oder auch nur durch den Antrieb des Fahrzeugs übernehmen kann. Die dazu
Elektroantrieb zu nutzen. benötigte Energie wird durch Rekuperation gewonnen
Die Kombination bietet also auch einen deutlichen und in der Hybridbatterie gespeichert. Der gesamte
Mehrgewinn bei der Fahrdynamik. So lassen sich je elektrische Antrieb inklusive Energiespeicher (Hyb-
nach Art des Hybridantriebes beide Antriebe, Ver- ridbatterie) muss dadurch auch wesentlich leistungs-
brennungsmotor und Elektromotor, gleichzeitig für fähiger sein. Neben dem herkömmlichen Parallelhy-
die Beschleunigung des Fahrzeugs einsetzen (Boost) brid findet man auch den Powersplit, bei dem in der
und dies ohne Mehrverbrauch beziehungsweise Emis- Regel zwei Elektromotoren mit dem Verbrennungs-
sionen. motor über ein Planetengetriebe gekoppelt sind.

17.7.2 Varianten Hybrid- und


Elektroantrieb Getriebe
Batterie
Kupplung
Bei der Verbindung des Verbrennungsmotors und des
Elektromotor
Elektromotors gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.
Zum einen lassen sich beide Antriebe funktional paral- Verbrennungsmotor
Inverter
lel anordnen (Parallelhybrid), das heißt beide können
gleichzeitig beziehungsweise separat antreiben oder
funktional seriell anordnen, das heißt nur einer treibt
tatsächlich die Antriebsräder an und der andere leitet Bild 17-13 Prinzipskizze Mildhybrid
774 17 System Antriebsstrang

Getriebe
Batterie Kupplung Batterie
Getriebe
Elektromotor Elektromotor
Kupplung Verbrennungsmotor
Inverter Doppel-
Verbrennungsmotor Inverter

Bild 17-14 Prinzipskizze Vollhybrid/Plug-in-Hybrid (Parallelhybrid links/Powersplit rechts)

17.7.2.4 Plug-in-Hybrid 17.7.3 Komponenten


Beim Plug-in-Hybrid ist die Hybridbatterie deutlich Der elektrische Antrieb, so wie er heute in Hybrid-
größer und damit leistungsfähiger. Ziel ist hier ge- und Elektrofahrzeugen zum Einsatz kommt, besteht
genüber dem Vollhybrid eine deutlich größere aus Drehstrom-Elektromotor, Drehstrom-Inverter und
Reichweite mit dem Elektroantrieb zu realisieren. Energiespeicher. Zur Versorgung des 14 V Bordnet-
Wie der Name schon sagt (plug-in – einstecken), zes kommt ein DC/DC-Wandler (Gleichstromspan-
kann die Hybridbatterie an der Steckdose aufgeladen nungswandler) zum Einsatz, der das 14 V Bordnetz
werden. aus dem Energiespeicher des elektrischen Antriebes
In der Regel fährt ein Plug-in-Hybrid primär mit dem versorgt. Drehstrom-Inverter und DC/DC-Wandler
Elektroantrieb und erst, wenn die Batterie einen sind häufig in einem Gerät kombiniert und werden
bestimmten Ladewert unterschreitet, schaltet sich der auch allgemein als Leistungselektronik bezeichnet.
Verbrennungsmotor zu.
Eine Variante des Plug-in-Hybrid, die sehr stark in 17.7.4 Leistungselektronik
Richtung Elektrofahrzeug geht, ist der Range Exten- Der Name Leistungselektronik kommt daher, dass
der (Reichweitenvergrößerer). Hier ist der Verbren- hier im Vergleich zu üblichen Steuergeräten sehr
nungsmotor deutlich verkleinert und nicht direkt mit hohe Ströme (beim Inverter bis über 450 Arms) bei
den Antriebsrädern verbunden. Er übernimmt die hohen Spannungen (bis über 700 V) als hohe Leis-
Aufgabe, im Falle eines kritischen Ladezustandes die tungen geschaltet werden.
Batterie in Verbindung mit einem kleinen Generator
nachzuladen. Ziel ist, die Reichweite über die aus der 17.7.4.1 Drehstrom-Inverter
Batterie mögliche Reichweite bei Bedarf zu erhöhen.
Vom Aufbau ist dies dann ein serieller Plug-in- Die heute üblich in Hybrid- und Elektrofahrzeugen
Hybrid. eingesetzten Elektromotoren sind Drehstromantriebe
und werden über drei Phasen Wechselstrom ange-
steuert, während der Energiespeicher herkömmlichen
17.7.2.5 Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge Gleichstrom liefert.
Von einem Elektrofahrzeug spricht man, sobald der Im motorischen Betrieb, das heißt beim Antreiben
Antrieb rein durch einen Elektroantrieb erfolgt und oder Boosten, wandelt der Inverter den Gleichstrom
auch kein Verbrennungsmotor mehr im Fahrzeug aus dem Energiespeicher in einen dreiphasigen Dreh-
verbaut ist. strom für den Elektromotor. Im umgekehrten Fall,
Die dafür nötige elektrische Energie kommt dann aus das heißt im generatorischen Betrieb, wird der vom
einer Batterie (Traktionsbatterie) oder einer Brenn- Elektromotor erzeugte Wechselstrom in einen
stoffzelle. Gleichstrom gewandelt. In diesem Fall der Rückge-
winnung von Kinetischer Energie spricht man auch
von Rekuperation.
Kernkomponenten im Inverter sind das Leistungsmo-
dul, welches die Gleichspannung in eine sinusbewer-
tete dreiphasige Wechselspannung wandelt und das
Inverter Kontrollbord als Steuereinheit. Die Steuereinheit im
Getriebe
Inverter übernimmt dabei die Regelung und Überwa-
Elektromotor chung der vorgebbaren Soll- und Grenzwerte für
Drehmoment, Drehzahl, Ströme und Spannungen.
Batterie Die im Leistungsmodul entstehenden Verluste sind
im Wesentlichen die Schalt- und Durchlassverluste in
den Leistungshalbleitern. Diese steigen mit der
Bild 17-15 Prinzipskizze Elektrofahrzeug Schaltfrequenz, der Batteriespannung und dem Pha-
17.7 Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung 775

Bild 17-16 Leistungselektro-


nik (Inverter und DC/DC in
einem Gehäuse)

senstrom und führen zur Erwärmung der Halbleiter- tungshalbleitern auftreten, beeinflussen die Lebens-
bauelemente. Besonders wichtig sind hier eine gute dauer der Leistungsendstufe.
thermische Anbindung der Leistungshalbleiter zum
Kühlmedium und eine Verwendung von Kühler- und 17.7.4.2 DC/DC-Wandler
Trägermaterialien mit möglichst ähnlichen Ausdeh- Der Elektroantrieb inklusive Energiespeicher arbeitet
nungskoeffizienten um thermischen Stress zu ver- bei Spannungen, die zum Teil deutlich über denen
meiden. Dieser thermische Stress ist in den Leis- des heutigen Bordnetzes liegen.
tungselektroniken die Hauptursache für Alterung und Da die verfügbare Leistung des Elektroantriebs deut-
im Umkehrschluss entscheidend für die maximale lich größer ist als die der heutigen Lichtmaschinen
Schaltleistung. liegt es nahe, das Bordnetz auch aus diesem Bereich
Sowohl die Höhe der Kühlwassertemperatur als auch zu versorgen beziehungsweise ist dies bei reinen
die Temperaturschwankungen, die direkt an den Leis- Elektrofahrzeugen auch notwendig.

Bild 17-17 Leistungsmodul


für direkte Wasserkühlung
mit Leistungshalbleitern und
Kühler (Kühlfinnen im Spie-
gelbild sichtbar)
776 17 System Antriebsstrang

P0 P1 P2 P3 P4

P = Position
E-Motor

K0 K1 K = Kupplung

Bild 17-20 Mögliche Einbaupositionen von Hybrid-


motoren

den jeweiligen Einsatz optimierte Technologie zu


verwenden. Dies kann zum einen durch die System-
Bild 17-18 Leistungshalbleiter (IGBT) auf Kupfer – kosten, den verfügbaren Bauraum, geforderte Funkti-
DCB onen als auch zum Beispiel durch den Wirkungsgrad
bestimmt sein.
Dies bietet die Möglichkeit, auf die herkömmliche Bild 17-20 zeigt mögliche Einbaupositionen von
Lichtmaschine komplett zu verzichten und somit Elektromotoren in einem Antriebsstrang. An jeder der
zusätzlich Bauraum zu schaffen und die Kosten zu Positionen sind darüber hinaus noch unterschiedliche
optimieren. Varianten möglich, so dass leicht zu erkennen ist, wie
Der DC/DC-Wandler kann sowohl mit dem Inverter groß die Gesamtzahl der Möglichkeiten werden kann.
in ein Gehäuse integriert als auch in einem separaten
17.7.5.1 Technologien
Gehäuse untergebracht werden.
Getrieben ist die Entscheidung im Wesentlichen Heute findet man hauptsächlich drei Typen von
durch den verfügbaren Bauraum im Fahrzeug. Ein Elektromotoren, den Asynchronmotor (ASM), den
Vorteil bei der Integration in ein Gehäuse liegt in der permanent erregten Synchronmotor (PSM) und den
Möglichkeit, die Kosten weiter zu optimieren wie fremderregten Synchronmotor (SM). Details zu den
zum Beispiel durch ein Gehäuse oder einen Prozessor Technologien finden sich in der einschlägigen Lite-
für beide Funktionen. ratur. Daher soll hier nur kurz auf die Vor- und
Ein Nebeneffekt ist der wesentlich höhere Wirkungs- Nachteile beim Einsatz in Hybrid- und Elektrofahr-
grad des DC/DC-Wandlers gegenüber einer her- zeugen eingegangen werden.
kömmlichen Lichtmaschine.
17.7.5.1.1 Asynchronmotor
17.7.5 Elektromotor Der ASM zeichnet sich durch seinen einfachen Auf-
Je nach Strategie und Einsatz des Fahrzeuges kom- bau und seine Robustheit aus.
men unterschiedliche Anzahl und Technologien von Gegenüber der PSM und SM weist er durch seinen
Elektromotoren zum Einsatz. Ziel ist dabei, die auf einfachen Aufbau auch geringere Kosten auf. Des
Weiteren lässt sich, im Vergleich zur PSM, die Erre-
gung abschalten und im Fehlerfall so einfacher steuern.

Bild 17-19 DC/DC-Wandler in separatem Gehäuse Bild 17-21 Seitenmontierte ASM


17.7 Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung 777

17.7.5.1.3 Fremderregter Synchronmotor


Da bei Achsantriebssystemen (Bild 17-20: P4 bezie-
hungsweise bei Elektrofahrzeugen) die Elektroma-
schine nicht mehr direkt im Antriebsstrang platziert
ist, besitzt die Maschinenlänge als Auswahlkriterium
nicht mehr ihre ansonsten große Bedeutung. Maschi-
nen mit typischerweise geringen realisierbaren axia-
len Baulängen (zum Beispiel PSM) verlieren damit
also einen ihrer entscheidenden Vorteile.
Gleichzeitig bietet die SM zwar nicht den höchsten
Bestpunktwirkungsgrad (wie zum Beispiel PSM),
besitzt aber auch keine ausgeprägten Schwächen (wie
zum Beispiel ASM) und kann vor allem im Bereich
niedriger Leistungen und hoher Drehzahlen Boden
gutmachen. Bauraummäßig hat sie geringe Nachteile
gegenüber der PSM durch den Platzbedarf für das
Bild 17-22 PSM für Integration in die Getriebeglocke Schleifringsystem, welches aber im Fehlerfall eine
einfache Steuerung der Erregung ermöglicht.
Nachteil ist der in bestimmten Betriebsbereichen
niedrige Wirkungsgrad und im Vergleich zur PSM 17.7.6 Energiespeicher
größere Bauraum. Die Leistungsfähigkeit des Hybrid- beziehungsweise
Er kommt heute am häufigsten als seitenmontierte Elektroantriebs wird auch durch die Leistungsfähig-
Variante im Mildhybrid zum Einsatz (Bild 17-20: P0) keit der Energiespeicher bestimmt. Damit spielt sie
eine entscheidende Rolle für das Kraftstoffeinspar-
17.7.5.1.2 Permanent erregter Synchronmotor potenzial bei Hybridanwendungen und bei der
PSM bieten den großen Vorteil, durch konzentrierte Reichweite von Elektrofahrzeugen. Gleichzeitig liegt
Wicklungen, geringer realisierbarer axialer Bau- die heute geforderte Lebensdauer eines solchen
längen. Energiespeichers bei 10 bis 15 Jahren und 160.000
Damit lassen sich diese in die Getriebeglocke, ohne bis 240.000 km und damit so hoch wie die Fahrzeug-
große beziehungsweise überhaupt keine Antriebs- lebensdauer.
strangverlängerung, integrieren. Diese Variante nennt
17.7.6.1 Überblick
man getriebeintegriert (Bild 17-20: P1/P2, optional
P3). Als Energiespeicher für Hybridanwendungen (ausge-
Ein weiterer Vorteil der PSM ist ihr punktuell hoher nommen Mikrohybride) kommen heute verschiedene
Wirkungsgrad. Technologien zum Einsatz. Dazu gehören unter
Demgegenüber stehen vor allem nennenswerte anderen Doppelschichtkondensatoren (DLC) in Ver-
Schleppverluste bei hohen Drehzahlen und der ver- bindung mit Blei-Säure-Akkus, NiMH (Nickel-
gleichsweise hohe Aufwand zur Absicherung im Metallhydrid)-Batterien und Li-Ionen (Lithium-
Fehlerfall. Ionen)-Batterien.

Bild 17-23 Achsantrieb


mit integriertem Getriebe
778 17 System Antriebsstrang

Bild 17-24 Entwicklung der


Batteriesysteme von Konver-
sion bei Blei-Säure zu Interka-
lation bei Nickel-Metallhydrid
und Li-Ionen

Im Laufe der lange zurückreichenden Entwicklung trägt dadurch ganz erheblich zur Lebensdauer über
zahlreicher elektrischer Energiespeicher rückten mehr Lade- und Entladezyklen bei.
und mehr die sekundären Batteriesysteme (aus dem NiMH-Batterien haben sich in den ersten Hybridfahr-
Angelsächsischen „secondary battery“ abgeleitet, im zeugen bereits etabliert. Als nächste Generation
deutschen Sprachgebrauch Akkumulatoren) in den zeichnet sich der Einsatz von Li-Ionen-Batterien ab.
Vordergrund – Batteriesysteme, deren chemische Diese zeigen eine nochmalig erhöhte Leistungs- und
Energie nach der Abgabe der elektrischen Energie Energiedichte unter Berücksichtigung der geforderten
durch Wiederaufladen viele Male wieder hergestellt Lade- und Entladezyklen.
werden kann. Die wesentliche Neuerung auf dem
Weg von der Bleibatterie (mit wässrigem Elektrolyt) 17.7.6.2 Batteriesystem
zu den modernen Batteriesystemen wie Lithium-
Ionen (mit organischen Elektrolyten) ist das Prinzip Aufgrund des Potenzials und des sich abzeichnenden
der Einlagerung von Ionen in den Elektroden, Bild Einsatzes in Hybrid- und Elektrofahrzeugen soll im
17-24. Während beim Bleiakkumulator die Elektro- Folgenden nur noch auf Li-Ionen Energiespeicher
den in Folge von chemischen Reaktionen ungeordnet eingegangen werden.
auf- und abgebaut werden (Konversion) und eine Ein heutiges Energiespeichersystem auf Basis von Li-
Wechselwirkung mit dem Elektrolyt eingehen, wird Ionen besteht aus mehreren Komponenten.
bei Lithium-Ionen (Li-Ionen)-Zellen das Lithium in Neben den Zellen, den eigentlichen Energiespeichern,
Festkörpergittern ein- und wieder ausgelagert (Inter- gibt es noch die Zellüberwachung, Schütze, Schalter
kalation). Die Gitterstruktur bleibt dabei bestehen und und ein Batteriemanagement.

Bild 17-25 Beurteilung


verschiedener Speicher-
systeme zur Anwendung
im automobilen Einsatz
17.7 Komponenten für Antriebsstrangelektrifizierung 779

Bild 17-26 Schematischer


Vergleich von Rundzellen
(links) und prismatischen
Zellen (rechts)

17.7.6.2.1 Li-Ionen-Zellen ten-Zellen eingesetzte Lithium-Kobaltoxid. Kombi-


Li-Ionen ist als Oberbegriff einer Materialienkombi- niert man diese Kathodenmaterialien mit weiterent-
nation zu verstehen. Aktuell gibt es vor allem Zellen wickelten Separatoren beispielsweise mit kerami-
auf Basis Lithium-Cobalt. schem Anteil und hochsiedenden Elektrolyten, so
Die Weiterentwicklung geht zu Zellen mit neuen kann die Sicherheit auf Zellebene noch erheblich
Kathodenmaterialien wie Lithium-Kobalt-Nickel-Man- gesteigert werden. Da Li-Ionen Zellen überdies die
ganoxid oder Lithium-Eisen-Phosphat. All diese Kom- Kombination vieler möglicher, teilweise noch nicht
binationen haben Vor- und Nachteile bei der Leistungs- weiter erforschter Elektrodenmaterialien und Elektro-
beziehungsweise Energiedichte und der Sicherheit. lyte erlauben, sind noch weitere Steigerungen der
Sicherheit in Kombination mit attraktiven Energie-
und Leistungsdichten möglich. Zusätzlich werden
17.7.6.2.2 Sicherheit
bereits heute verschiedene Sicherheitsvorkehrungen
Bei Li-Ionen-Batterien ist die Energiedichte im Ver- auf Systemebene in einer Batterie integriert. Durch
gleich zu Bleisäure und Nickelmetallhydrid deutlich Überwachung der Betriebszustände, Management des
höher. Speziell bei dem Thema Sicherheit ist es also Batteriesystems sowie gezielte Kühlung wird die
notwendig, das Gesamtsystem Energiespeicher durch Batterie immer im sicheren Betriebszustand gehalten.
verschiedenste Maßnahmen abzusichern. Hier werden Somit wird heute eine sehr hohe Sicherheit mit sol-
in der Regel drei Ebenen unterschieden. chen Energiespeichern erreicht, die vor zehn Jahren
Bereits auf Zellebene kann mittlerweile ein hohes kaum vorstellbar gewesen wäre – beispielsweise ein
Maß an intrinsischer Sicherheit erreicht werden. Neue Crush-Test, wie er in Bild 17-28 dargestellt ist. Die
Kathodenmaterialien wie Lithium-Kobalt-Nickel- hohen Anforderungen an die Sicherheit der Li-Ionen-
Manganoxid oder Lithium-Eisen-Phosphat reagieren Batteriesysteme werden an den zahlreichen erfolg-
im Missbrauchs-, beziehungsweise Fehlerfall weniger reich bestandenen Testszenarien deutlich, die in Bild
exotherm als das bisher konventionell in Konsumen- 17-29 aufgelistet sind.

Bild 17-27 Sicherheitsebenen


bei Lithium-Ionen-Batterien
780 17 System Antriebsstrang

Bild 17-28 Beispiel eines


Crush-Tests einer Li-Ionen-
Zelle

Bild 17-29 Testszenarien für


Li-Ionen-Batterien

17.7.6.2.3 Ausblick Aufgrund der deutlich besseren Wirkungsgradkette


des Elektroantriebes und der Möglichkeit, Energie
Die Auslegung der Zelle erfolgt in Abhängigkeit vom
zurück zu gewinnen, geht man heute davon aus, dass
Einsatz des Energiespeichers.
bereits bei Energiedichten von circa 500 Wh/kg ver-
Für Hybridfahrzeuge werden die Zellen auf Grund
gleichbare Reichweiten wie Fahrzeuge mit Verbren-
der relativ kurzen Zeit in der speziell beim Boost und
nungsmotor erreicht werden können.
der Rekuperation hohe Leistungen abgerufen be-
ziehungsweise gespeichert werden, auf Leistung Literatur zu Kapitel 17.7
optimiert.
Die Zellen, die in Elektrofahrzeugen und Plug-in- [1] Schümann, U.: Modulare Komponenten für wirtschaftliche
Hybridantriebe 2007
Hybriden zum Einsatz kommen, sind auf Energiein- [2] Neumann, K.-T.: Compendium ATZ – Schwerpunktthema Elek-
halt optimiert. Hier kommt es darauf an, dass mög- tromobilität 2008
lichst viel beziehungsweise lange Energie für das [3] Greif, A.: SIA Paris – Design of Power Electronic Components
reinelektrische Fahren abgerufen werden kann. for Hybrid Drives 2006
[4] Greul, R.: Design of Power Electronic Components for Hybrid
Insgesamt stehen wir bei der Entwicklung der Li- Drives 2007
Ionen Batterien erst am Anfang. Um dies zu verdeut- [5] Keller, M.; Birke, P.; Schiemann, M.; Moehrstaedt, U.: ATZ-
lichen ein paar Fakten: Heutige Li-Ionen-Batterien er- elektronik – Lithium-Ionen Batterieentwicklung für Hybrid- und
Elektrofahrzeuge 2008
reichen eine Energiedichte von 120 bis 150 Wh/kg.
[6] Hackmann, W.; Märgner, M.; Kugland, O.: HdT Fremderregte
Theoretisch sind 6.000 Wh/kg (Li-Flour) erreichbar Synchronmaschinen als Achsantriebe 2009
und praktisch werden immer noch Werte von [7] Hackmann, W.; Wagner, B.; Zwingel, R.; Dziedzek, I.; Welke, K.:
2.000 Wh/kg erwartet. Internationaler ETG-Kongress 2007 Karlsruhe – Fremderregte
Synchronmaschinen im Einsatz als Achshybridantriebe
18 Sensoren

18.1 Temperatursensoren 18.2 Füllstandsensoren


Die meisten Temperaturmessungen im Kraftfahrzeug Der Füllstandsensor dient zur Überwachung des
nützen die Temperaturabhängigkeit von elektrischen Ölniveaus in Verbrennungsmotoren oder Getrieben.
Widerstandsmaterialien mit negativen (NTC) Tem- Heute werden sowohl kontinuierlich arbeitende
peraturkoeffizienten. Aufgrund der starken Nichtline- Füllstandsensoren, als auch Füllstandschalter einge-
arität kann ein großer Temperaturbereich abgedeckt setzt, Bild 18-3.
werden, Bild 18-1. Die Füllstandsensoren ergeben mit einer geeigneten
Auswerteelektronik ein kontinuierliches, dem Füll-
1000000 NTC wiederstand temperature characteristics stand proportionales Signal. Häufig wird ein thermo-
100000 elektrisches Verfahren genutzt: Dabei hängt die
wiederstand [Ohm]

type A
type B Wärmeleitung eines beheizten Elementes von der
10000 type C
type X2
Füllstandshöhe ab. Aus der zugeführten elektrischen
1000
type X1 Leistung wird der Füllstand bestimmt.
100 Der Füllstandschalter ermöglicht die Grenzwertmes-
10 sung des Füllstandes. Das Funktionsprinzip ist ein
Schwimmer mit Magnet, der bei Erreichen eines
Grenzwertes einen Reedkontakt oder Hall-Schalter
–50 1 0 50 100 150 200 betätigt.
temperature [°C]
Der Füllstand wird meistens im Kombiinstrument
verarbeitet und dargestellt. Teilweise wird die Infor-
Bild 18-1 Typische Kennlinie von Temperatursen-
mation des Ölfüllstands auch für Motorsteuerung
soren (NTC)
benötigt.
Für Anwendungen mit sehr hohen Temperaturen
(Abgastemperatur bis 1.000 °C) werden Platin-Sen- 18.3 Klopfsensoren
soren eingesetzt. Die Widerstandsänderung wird
durch eine Spannungsteilerschaltung, mit optionalem Unter dem Begriff „Klopfen“ versteht man eine
Parallel-Widerstand zur Linearisierung in eine analo- anormale Verbrennung bei Ottomotoren, die durch
ge Spannung übertragen. eine Selbstzündung des Gemisches im Zylinder
Die Sensoren werden für folgende Temperaturberei- entsteht. Diese ungewollte Verbrennung führt zu
che eingesetzt: einer deutlich erhöhten mechanischen Belastung für
den Motor. Ein andauernder Betrieb bewirkt eine
Anwendung Temperaturbereich Schädigung bis hin zur Zerstörung des Kolbens.
Ansaug-/Ladeluft – 40 + 170 °C Bei der Suche nach den Einstellungen für einen
Kühlwasser – 40 + 130 °C optimalen Verbrennungsprozess liegen die Zonen des
Motoröl – 40 + 170 °C höchsten Wirkungsgrades und des Klopfens eng
Kraftstoff – 40 + 120 °C beieinander. Beim Klopfen werden Vibrationen mit
Abgas +100 + 1.000 °C charakteristischen Frequenzen erzeugt. Diese Motor-
In Bild 18-2 sind verschiedene Ausführungen von vibrationen werden mit Hilfe des Klopfsensors auf-
Temperatursensoren für Öl-, Wasser- und Lufttempe- genommen und an das Motorsteuergerät weiterge-
ratur dargestellt. leitet. Dort wird mit entsprechenden Algorithmen das

Bild 18-2 Aufbau verschiede-


ner Temperatursensoren

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_18
782 18 Sensoren

erlaubt eine „Klopfregelung“ auch einen Betrieb mit


unterschiedlichen Benzinqualitäten.
Bei Klopfsensoren handelt es sich üblicherweise um
Breitbandklopfsensoren. Diese nehmen ein Frequenz-
Schwimmer spektrum von beispielsweise 3 kHz bis über 20 kHz
auf (bei einer Eigenresonanz, die über 30 kHz liegt).
Magnet Die Klopfsensoren sind an geeigneten Positionen am
Motorblock zu montieren, damit sie die durch den
Verbrennugsprozess erzeugten Vibrationen aufneh-
men können. Um ein eventuelles Klopfen für jeden
Reed Schalter einzelnen Zylinder zu erkennen, werden bei vielzy-
lindrigen Motoren mehrere Klopfsensoren eingesetzt
(zum Beispiel zwei Sensoren bei sechs Zylindern
oder vier Sensoren bei acht Zylindern).
Das Funktionsprinzip von Klopfsensoren beruht typi-
scherweise auf einem piezokeramischen Ring, der mit
Hilfe einer überlagerten (seismischen) Masse die Mo-
torvibrationen in elektrisch verwertbare Signale um-
Bild 18-3 Aufbau eines Füllstandschalters setzt (siehe Bild 18-4). Die Sensorempfindlichkeit
wird in mV/g oder pC/g angegeben und ist über einen
Signal ausgewertet, um ein Klopfen zu erkennen. Das weiten Frequenzbereich nahezu konstant.
Motorsteuergerät regelt den Verbrennungsvorgang Wie Bild 18-5 zeigt, kann durch die Wahl der seismi-
derart, dass kein Klopfen mehr auftritt (Rücknahme schen Masse das Übertragungsverhalten des Klopf-
des Zündzeitpunktes um einige Grad). Außerdem sensors angepasst werden. Durch Reduzierung der

Mutter

Seismische Masse

Isolationsring

Piezoring
Kontaktring
Träger

22 mm
Bild 18-4 Querschnitt eines
Klopfsensors

600

550
Seismische Masse 3 g
500

450

400
Empfindlichkeit [m/g]

350 Seismische
Masse 2 g
300

250
Resonance
200 frequency
range
Useful range
150

100

50
Bild 18-5 Einfluss der
0
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 seismischen Masse auf die
Frequenz [KHz] Übertragungsfunktion eines
Klopfsensors
18.4 Abgassensoren 783

seismischen Masse kann die Resonanzfrequenz er-


höht werden. 1,0
Da derartige Sensoren ein Toleranzband von circa
r30 % bezüglich ihrer Empfindlichkeit haben, ist bei 0,8

Nernst-Spannung [V]
der Abstimmung des Motorsteuergerätes die Ver-
0,6
wendung von Grenzmustersensoren (des Toleranz-
bandes der Empfindlichkeit) zu beachten.
0,4
Zunehmend werden Klopfsensoren mit integriertem
Stecker verwendet. Eine typische Ausführungsform
0,2
ist in Bild 18-6 gezeigt.
Teilweise werden auch heute schon Klopfsensoren in 0,0
Dieselmotoren verwendet, um den Einspritzbeginn 0,90 0,95 1,00 1,05 l [-] 1,10
und die Funktion der Einspritzdüsen (OBD) zu kon-
trollieren. Bild 18-7 Kennlinie einer binären Lambda-Sonde

Luft-Kraftstoff-Verhältnis zwischen fettem Gemisch


und Luft und eignen sich besonders für die Steuerung
von Magermotoren, beispielweise von Otto-Motoren
mit Direkteinspritzung.
Bei der binären Lambda-Sonde wird die Nernst-Span-
nung zwischen einer katalytisch aktiven abgasseitigen
Elektrode und einer Referenz-Elektrode, die sich in
Luft befindet, gemessen. Die Spannung weist einen
sprungartigen Verlauf um O = 1 (Bild 18-7) auf.
Bei der linearen Lambda-Sonde wird das Luft-
Kraftstoff-Verhältnis in einer sensorinternen Kammer
durch Anlegen von einem Strom, Pumpstrom ge-
Bild 18-6 Ausführung eines Klopfsensors mit inte- nannt, auf eine O = 1-entsprechende Nernst-Spannung
griertem Stecker geregelt. Die Luftreferenz wird entweder über einen
Kanal in der Keramik oder durch ständige Sauerstoff-
zufuhr in eine Kavität erzeugt (Bild 18-8). Der Pump-
18.4 Abgassensoren strom dient als Messsignal und hängt von dem Ab-
gaslambda ab (Bild 18-9).
Direkt nach dem Krümmer montiert dienen sie zur
Regelung der Einspritzanlage (O-Regelung), um die 18.4.2 NOx-Sensor
optimale Konvertierungsrate von einem Katalysator
zu erzielen; nach Katalysator angebracht überwachen Der NOx-Sensor erlaubt die direkte Messung von der
sie seine Funktionstüchtigkeit und ermöglichen die Stickoxidkonzentration im Abgas von Otto- und
Erfüllung von den OBD- (On Board Diagnose) An- Dieselmotoren. Er ermöglicht die optimale Rege-
forderungen.
Allen heute eingesetzten Sonden ist gemeinsam, dass Abgas
sie aus dem bei Temperaturen oberhalb circa 350 °C 0.65 ≤ l ≤ ∞

sauerstoffionenleitenden Zirkondioxid (ZrO2) in UP


Mehrlagentechnik aufgebaut sind und den Konzentra- IP Rp
Pumpzelle
tionsunterschied an den beiden Grenzflächen der
Sonde ausnutzen: Die Spannung, die über eine ZrO2-
Schicht abgegriffen wird, hängt nur von der Differenz Diffusions-
Messkammer barriere
UG
der Sauerstoffpartialdrücke auf beiden Seiten der l=1
Schicht ab, wie mittels der Nernst-Gleichung be-
schrieben. Ri Nernst-Zelle

18.4.1 Lambda-Sensoren UN

Luftreferenz
Es wird zwischen binärem und linearem Lambda- l=∞
Sensor unterschieden. Binäre Sonden erlauben die Re- Elektrode
gelung der Luftzahl um den stöchiometrischen Punkt ZrO2 - Keramik
O = 1 und somit die Einstellung der Kraftstoffzufuhr
für eine optimale Konvertierung des Dreiwegekataly-
sators. Lineare Sonden erfassen kontinuierlich das Bild 18-8 Prinzip eines linearen Lambda-Sensors
784 18 Sensoren

2,0
3
1,8
Trägergas Stickstoff
1,6 Gastemperatur 80°C
2

Pumpstrom lp2 [μA]


1,4 Feuchte 3% Volumenanteil
Sauerstoff 0%
1,2
Ip [mA]

1 1,0
0,8
0 0,6
0,4
-1 0,2
0,0
0,8 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 l [-] 4,0 0 100 200 300 400 500
NOx [ppm]

Bild 18-9 Kennlinie einer linearen Lambda-Sonde


Bild 18-11 Kennlinie eines amperometrischen NOx-
Sensors
lung und Diagnose von NOx-Katalysatoren durch die
Motorsteuerung (zum Beispiel NOx-Speicher, SCR-
Katalysator) und die Erfüllung der OBD-Anforderun- Die Kenntnis des Luft-Kraftstoff-Verhältnisses er-
gen für die Überprüfung des Dreiwegekatalysators laubt zudem eine numerische Kompensation des NOx-
bei Niedrigemissionskonzepten (SULEV, LEV 2). Signals. Nachteil von solchen Sensoren ist deren
Das aussichtsreichste Funktionsprinzip eines NOx- starke Ammoniak-Querempfindlichkeit hervorgeru-
Sensors basiert auf der Zersetzung von Stickoxid fen durch eine Oxidation von Ammoniak zu Stick-
mittels einer katalytisch aktiven Elektrode bestehend stoffmonoxid in der ersten Sensorkavität.
aus einer Mischung aus Platin und Rhodium; die Die notwendigen Ströme an der NOx-Messelektrode
Messung des dabei produzierten Sauerstoffs ist von liegen bei einigen μA für einen Messbereich von
der amperometrischen linearen Lambda-Sonde her be- einigen 100 ppm. Eine elektromagnetisch sichere
kannt. Der Aufbau von der mehrlagigen ZrO2-Sensor- Integration in das Motormanagementsystem ist nur
keramik beinhaltet zwei Kammern (Bild 18-10). In mit einer elektronischen Ansteuerung des Sensors in
der ersten wird der im Abgas enthaltene Sauerstoff seiner unmittelbaren Nähe möglich. Es gibt zwei
durch Anlegen eines Pumpstroms auf einen konstan- Möglichkeiten dies zu realisieren, entweder einen
ten Partialdruck von einigen 10 ppm reduziert (mage- Standalone beziehungsweise, sogenannten „Smart“
res Abgas) oder erhöht (fettes Abgas). Der notwendi- NOx-Sensor (Bild 18-12) mit der kompletten Ansteu-
ge Strom ist proportional zum Kehrwert des Luft- erung (Heizungsregelung und Pumpstromregelung)
Kraftstoff-Verhältnisses. In der zweiten Kammer fin- sowie digitaler Kommunikation zur Motorsteuerung,
det die NOx-Reduktion an der Messelektrode statt. Der oder nur eine Auslagerung der Pumpstromregelung
Strom, der notwendig ist, um die Umgebung der bei analoger Ansteuerung.
Elektrode sauerstofffrei zu halten ist proportional zur
Stickoxidkonzentration und bildet das Messsignal
18.5 Drucksensoren
(Bild 18-11). Durch eine zweistufige Einstellung des
Restsauerstoffs in der ersten und zweiten Kammer Um den verschiedenen Anforderungen der zu mes-
mittels einer zusätzlichen Elektrode kann die Quer- senden Drücke gerecht zu werden, werden verschie-
empfindlichkeit des Sensors auf Sauerstoff reduziert dene Sensortypen eingesetzt.
werden.

Hauptpumpelektrode (+) P+
Zweite Kammer
Hauptpumpelektrode (–) P–
Hilfspumpelektrode M1
Erste Kammer Ip1 Ip2
Messelektrode M2
Ip0

Gas
Luftkanal

Vref ZrO2 laminiertes Substrat


Heizer V1 V
V2 Referenzelektrode Bild 18-10 Messprinzip
REF
V0 eines NOx-Sensors (NGK
Insulators LTD)
18.5 Drucksensoren 785

O-Ring

Druckanschluss

Temperatursensor (NTC)

Drucksensorelement

Gehäuse mit integriertem Stecker

Bild 18-13 Aufbau eines MAP mit integriertem


Temperatursensor
Bild 18-12 NOx-Sensor mit Steuerelektronik
Kompensation des Luftdrucks in unterschiedlichen
Diese Sensortypen können wie folgt unterschieden Höhen. Der typische Messbereich liegt hier bei 0,5
werden: bis 1,1 bar.
Sensortyp Druckbereich Der Turbo MAP dient zur Bestimmung des Lade-
Normaldrucksensoren circa 0 – 5 bar drucks bei Motoren mit Turbolader. Der typische
Mitteldrucksensoren circa 5 – 100 bar Messbereich liegt bei 0,5 bis 2,5 bar. Die Motorsteu-
Hochdrucksensoren circa 100 – 2.000 bar erung optimiert die Verbrennungsparameter mit Hilfe
Differenzdrucksensoren circa 0 – 1 bar bidirektio- der Ladedruck-Information. Ferner kann der Lade-
nal druck zur Regelung des Turboladers (VTG) verwen-
Druckschalter circa 0 – 1 bar (nur Schalt- det werden.
funktion) Folgende Messprinzipien sind in Anwendung:
Die Anwendungsgebiete und Sensorprinzipien für 18.5.1.1 Piezoresistives Messprinzip
diese Sensortypen sind in den folgenden Abschnitten
beschrieben. Traditionell werden piezoresistive Messzellen ver-
wendet. Unter einer derartigen Messzelle versteht
18.5.1 Normaldrucksensoren man eine Druckzelle bestehend aus einer Membran
mit aufgebrachten Piezowiderständen. Durch den
Normaldrucksensoren untergliedern sich in folgenden einwirkenden Druck dehnen sich die Piezowider-
Gruppen: stände. Dies führt zu einer druckabhängigen Wider-
x MAP: Manifold Absolute Pressure Sensor standsänderung. Mit Hilfe einer separaten Elektronik
(Saugrohr-Drucksensor) werden diese Widerstandsänderungen in eine analoge
x BAB: Barometric Absolute Pressure Sen- Spannung gewandelt. In neueren Ausführungen wird
sor (Umgebungs-Drucksensor) die Druckzelle mit „Volumen-Mikromechanik“ in
x Turbo MAP: Manifold Absolute Pressure Sensor den Chip integriert.
for turbocharged engines (Lade-
Drucksensor) 18.5.1.2 Kapazitives Messprinzip
Der MAP wird verwendet, um den Saugrohrunter- Eine grundsätzliche Neuentwicklung stellt der „ober-
druck, der nach der Drosselklappe herrscht zu be- flächen-mikromechanische“ Drucksensor dar. Hierbei
stimmen. Der typische Messbereich liegt bei 0,2 bis werden mit Standard-Halbleiterprozessen (BiCMOS)
1,1 bar. Zusammen mit der Temperatur kann daraus die Druckzelle sowie die zugehörige Auswerteelek-
die Ansaugluftmasse berechnet werden. Entsprechend tronik auf einem Chip hergestellt. Hierdurch entfällt
dem Fahrerwunsch bildet diese Information die die Verbindung mittels Bonddrähten zwischen
Grundlage für die Bestimmung der Benzineinspritz- Drucksensorzelle und Auswerteelektronik. Die Be-
menge und der Drosselklappenstellung. Mit Hilfe des stimmung des Druckes erfolgt durch spezielle kon-
Lambdasonden-Signals wird ein geschlossener Re- densatorähnliche ausgebildete Druckzellen. Der ein-
gelkreis aufgebaut, der das Luft-Kraftstoff-Gemisch wirkende Druck ändert den Abstand der beiden Kon-
im Bereich O = 1 regelt, um minimale Abgasemissio- densatorflächen und führt zu einer Änderung der
nen zu gewährleisten. Der MAP wird oft mit inte- Kapazität. Diese Kapazitätsänderung wird in eine
griertem Temperatursensor verwendet um den Mon- analoge Ausgangsspannung transformiert. Der Auf-
tageaufwand zu reduzieren, Bild 18-13. bau ist in Bild 18-14 schematisch dargestellt.
Der BAP wird verwendet, um den Umgebungsdruck Die Einstellung der gewünschten Kennlinie für die
zu bestimmen. Die erhaltene Information dient zur verschiedenen, oben erwähnten Anwendungen und
786 18 Sensoren

Messbereiche über 2.000 bar. Typischerweise wird


Druckzelle:
Auswerteelektronik mit Messprinzip kapazitiv ein Berstdruck des 1,5- bis 2-fachen Nenndruckes
elektrischer Kalibriereinheit gefordert. Der Druck deformiert die Membran, dies
Druckbeaufschlagung wird über eine Dehnungsmessbrücke auf der Memb-
bewirkt Membranauslenkung;
ran erfasst. Das Signal ist bei geeigneter Auslegung
n-MOS p-MOS
dem angelegten Druck proportional. Das elektrische
Signal wird in einer elektronischen Schaltung (ASIC)
verstärkt und mit den Kalibrierdaten für Druck und
Temperaturabhängigkeit kompensiert. Der Hoch-
drucksensor erreicht durch die Kalibration über
Druck und Temperatur eine Genauigkeit von typisch
Bild 18-14 Aufbau eines oberflächen-mikromechani- 1 bis 2 % des Messbereichs. Meistens ist das Aus-
schen Drucksensors gangssignal analog und ratiometrisch.

Druckbereiche erfolgt über eine Kalibration am Ende


der Herstellung des Sensors.
18.5.4 Druckschalter
Druckschalter werden verwendet, um Druckschwel-
18.5.2 Mitteldrucksensoren len in flüssigen oder gasförmigen Medien zu detektie-
Diese Sensoren werden zum Beispiel für Öldruck, ren. Die Schaltschwellen liegen bei einigen 100 mbar
Hydrauliköldruck in Automatikgetrieben sowie An- für Öldruck (Bild 18-16) und bis zu über 100 bar bei
wendungen außerhalb des Anstriebsstrangs (Klima- Hydraulikanwendungen.
kompressoren) verwendet. Für Flüssigkeiten oder Die Funktion des Druckschalters beruht im Wesentli-
aggressive Medien wird vorwiegend ein Aufbau chen auf einem mechanischen Kontakt der durch
verwendet der dem Hochdrucksensor ähnlich ist. Überschreiten des anliegenden Druckes geöffnet
wird. Eine Feder drückt eine Metallmembran gegen
das Metallgehäuse. Übersteigt der Druck im Medium
18.5.3 Hochdrucksensoren einen Schwellwert, entfernt sich die Metallmembran
Ab circa 100 bar beginnt die Zuordnung zu den vom Gehäuse; der Stromkreis Gehäuse – Metall-
Hochdrucksensoren. Allgemein üblich ist eine Bau- membran – Metallfeder wird unterbrochen (öffnender
weise mit Sechskantausführung und Bolzengewinde- Kontakt).
anschluss M12 (Bild 18-15). Typischerweise werden Es gibt auch die umgekehrte Variante, die bei fallen-
Stecker mit 3 Pins (Versorgungspannung, Masse, Aus- dem Druck den Schaltkreis öffnet (schließender
gang) verwendet. Die Kalibrierung erfolgt ebenfalls Kontakt).
über die drei Pins oder über zusätzliche Kontakte.
Die Hauptanwendungsbereiche lassen sich wie folgt
definieren:
100 – 200 bar HPDI-Benzindirekteinspritzsysteme
200 – 280 bar Bremsdrucksensoren
1.300 – 2.000 bar Common-Rail-Dieseleinspritzsysteme
Grundsätzlich wird für hohe Drücke die Medientren-
nung mittels einer Membran realisiert. Der Einsatz
hochfester Materialien für die Membran erlaubt

Bild 18-15 Ansicht eines Hochdrucksensors Bild 18-16 Ansicht eines Öldruckschalters
18.6 Luftmassensensor 787

18.6 Luftmassensensor 18.6.2 Mass-Airflow-Sensor


Um den vom Motor angesaugten Luftmassenstrom Der MAF besteht aus einem Sensormodul, dem
bestimmen zu können, setzt man heute entweder ei- Stecker und gegebenenfalls einem Rohr. Das Sen-
nen Saugrohr-Drucksensor (MAP = Manifold Abso- sormodul kann mit einem entsprechenden Stecker-
lute Pressure) oder einen Luftmassensensor (MAF = element auch als sogenannter Einsteckfinger verwen-
Mass Air Flow) ein. Das ausgegebene Signal dient als det werden. Der Rohrdurchmesser wird an den je-
Grundlage im elektronischen Motorsteuergerät für die weils benötigten Luftmassenbereich angepasst (siehe
Bestimmung des Lastzustandes. Bild 18-17). Im Sensormodul sind Sensorik, Elektro-
Bei Ottomotoren dient das Signal in erster Linie der nik und der Strömungskanal integriert.
Regelung der Kraftstoffmenge, als Eingangsgröße für
das Zündkennfeld sowie zur Bestimmung der Abgas-
rückführrate. Im Zusammenspiel mit der Lambda-
Sonde bildet der MAF beziehungsweise MAP einen Stecker

geschlossenen Regelkreis.
Da bei Dieselmotoren keine Drosselklappe vorhanden Sensormodul
ist und somit der Saugrohrdruck kein Maß für die
angesaugte Frischluftmasse ist, muss ein MAF einge-
setzt werden. Hier dient das Signal des MAF als
Regelgröße für die Abgasrückführung (AGR), bei Rohr
w
neueren Systemen auch als Steuergröße für eine Flo
kennfeldabhängige Dieseleinspritzpumpe. Da bei
Dieselmotoren keine Rückmeldung aus dem Abgas
vorhanden ist, sind die Genauigkeitsanforderungen an
den MAF höher als beim Ottomotor.
Somit ist die Messung der angesaugten Frisch-
luftmasse maßgebend für die Reduzierung des Bild 18-17 Aufbau eines Mass-Airflow-Sensors
Schadstoffausstoßes und die Erhöhung des Fahr-
komforts. Zwei temperaturabhängige Metallfilm-Widerstände
auf Glassubstrat (RS und RT), werden im Inneren des
18.6.1 Messprinzip Rohres direkt im Ansaugluftstrom angeordnet. Diese
zwei Widerstände sind, in Kombination mit R1 und
Neben den früher häufig eingesetzten Prinzipien zur R2, in einer Brückenschaltung verbunden (Bild
Massenstromermittlung, Stauklappe und Hitzdraht, 18-18).
wird heute das Verfahren der Heißfilm-Anemometrie Entsprechend dem angesaugten Luftmassenstrom
eingesetzt. wird RS mehr oder weniger stark gekühlt.
Diesem Prinzip folgen nahezu alle im Kraftfahrzeug Die Elektronik regelt den erforderlichen Heizstrom
eingesetzten Luftmassensensoren. Ein erhitzter Kör- durch RS so, dass an RS immer eine konstante Tempe-
per gibt Energie an die umliegende Luft ab. Die ab- raturdifferenz (zum Beispiel 100 K) zur an RT gemes-
gegebene Wärmemenge ist vom Luftstrom abhängig senen Lufttemperatur besteht. Der Heizstrom wird am
und kann als Messgröße verwendet werden. Widerstand R2 in ein Spannungssignal umgewandelt.

T(RS) – T(RT) = k

RS
RT
R2
R1
UFLOW

w
Flo
Messbrücke

Bild 18-18 Prinzip eines


Mass-Airflow-Sensors. Die
Spannung an R2 ist ein Maß
für den Massendurchfluss
788 18 Sensoren

Die Widerstände RS und RT sind so aufeinander zusätzlich eine erweiterte Diagnose des Systems
abgestimmt, dass die Kennlinie unabhängig von der durchführen zu können.
Lufttemperatur ist. Die Kennlinie weist zudem, phy-
sikalisch bedingt, eine vorteilhafte nichtlineare Cha- 18.7 Drehzahlsensoren
rakteristik auf, wodurch eine nahezu konstant propor-
tionale Auflösung ermöglicht wird. Es wird im Allgemeinen von Drehzahlsensoren ge-
Durch die speziell auf die Bedingungen im Fahr- sprochen; jedoch handelt es sich in diesem Fall um
zeugmotorraum abgestimmten Materialien, Strö- inkrementale Sensoren. Zur Steuerung des Antriebs-
mungsführung, Schaltungstechnik und den mechani- strangs sind häufig folgende Drehzahlgeber verwendet:
schen Aufbau, ist das MAF-Signal nahezu unabhän- x Kurbelwellensensor
gig von Temperatur, Druck und Verschmutzung. x Nockenwellensensor
Pulsationen im Ansaugtrakt und Rückstromkompen- x Getriebedrehzahlsensor.
sation: Elektronische Steuergeräte für Verbrennungsmotoren
Verbrennungsmotoren mit vier oder weniger Zylin- benötigen zur exakten Steuerung von Zündung und
dern erzeugen bei weit geöffneter beziehungsweise Einspritzung eine Information über die aktuelle
nicht vorhandener Drosselklappe (zum Beispiel bei Position der Kurbelwelle und Nockenwelle.
Dieselmotoren oder direkteinspritzenden Ottomoto- Für die Anwendung an der Kurbelwelle wird eine
ren) starke Pulsationen im Ansaugtrakt. Bei bestimm- hohe Genauigkeit im gesamten Funktionsbereich
ten Drehzahlen, am Resonanzpunkt, kommt es zu (Temperatur, Luftspalt, Drehzahl, mechanische Tole-
einer pulsierenden Rückströmung, welche bei her- ranzen) gefordert. Außerdem sollte der Sensor mög-
kömmlichen MAF einen positiven Messfehler verur- lichst kleine Drehzahlen erfassen können, um bei dem
sacht, da die Luft den Sensor mehrfach überstreicht. Start des Motors eine schnelle Positionserfassung zu
Durch die Gestaltung des Strömungskanals, die ermöglichen. Für Motoren mit bis zu 8 Zylindern
Positionierung der Sensoren in diesem Kanal und erfolgt die Zündaussetzerkennung (Misfire Detection)
eine zusätzliche Korrekturschaltung kann dieser durch die Auswertung des Kurbelwellensensors.
Effekt kompensiert werden. Daher wird eine sehr hohe Wiederholgenauigkeit
In vielen Anwendungen wird auch der Temperatur- gefordert (<0.03°).
fühler (NTC-Widerstand) zur Bestimmung der An- Mit dem Nockenwellensensor erfolgt die Synchroni-
sauglufttemperatur in den HFM integriert. sation zwischen Nocken und Kurbelwelle, dies be-
deutet eine Zuordnung des ersten Zylinders. Um eine
schnelle Synchronisation zu erreichen werden entwe-
18.6.3 Sekundär Luftmassensensor der speziell codierte Geberräder für die Nockenwelle
(SAF = Secondary Air Flow) verwendet oder Nockenwellensensoren mit einer
In der Startphase eines Motors werden bei den Ab- statischen Funktion. Bei Motoren mit variabler Ven-
gastestzyklen ein Großteil der CO- und HC-Emissio- tilsteuerzeit werden die Nockenwellensensoren auch
nen erzeugt. In den ersten Minuten geht der Wir- zur Steuerung der Nockenwellenversteller benötigt.
kungsgrad des Katalysators gegen Null, da die Tem- Für jede verstellbare Nockenwelle wird ein Nocken-
peratur noch unter der sogenannten „Ligh-Off“-Tem- wellensensor benötigt. Für die Anwendung als Positi-
peratur von circa 350 °C liegt. Um ein möglichst onssensor für die variable Ventilsteuerzeit ist die
schnelles Aufheizen des Katalysators zu erreichen, Genauigkeit von besonderer Bedeutung.
bläst man in den Abgastrakt Sekundärluft und das Mit Getriebedrehzahlsensoren wird die Geschwindig-
Abgas wird mit zusätzlichen Kohlenwasserstoffen keit des Fahrzeugs gemessen. Zur Steuerung von Au-
angereichert. Dies kann durch Anreicherung des tomatik- und CVT-Getrieben wird sowohl die Ein-
Gemisches oder durch nachträgliches Einspritzen von gangs als auch die Abgangsdrehzahl benötigt. Die
Kraftstoff in den Abgaszweig erfolgen. Der Sauer- Anforderungen von Getriebedrehzahlsensoren sind
stoff, der über die Sekundärluft zugeführt wird, wesentlich geringer, jedoch sollten diese Sensoren
ermöglicht durch die Nachverbrennung des fetten eine möglichst kleine Drehzahl erfassen können.
Gemisches somit ein schnelleres Aufheizen des Kata-
lysators und daraus resultierend eine deutliche Redu- Messprinzipien
zierung der Schadstoffmenge. Dies ist erforderlich, Die Messprinzipien lassen sich in passive und aktive
um strengste Abgasanforderungen zu erfüllen. Drehzahlsensoren unterteilen.
Basierend auf dem Messprinzip des Hauptstrom-
MAF misst der Sekundär Luftmassensensor die dem 18.7.1 Passive Drehzahlsensoren
Katalysator während der Startphase zusätzlich zum Als passive Drehzahlsensoren werden heute fast aus-
Abgas zugeführte Frischluftmasse. nahmslos induktive Sensoren, auch Variable Reluk-
Die Vorteile gegenüber einem ungeregelten System tanz (VR) Sensoren genannt, eingesetzt.
sind die Unabhängigkeit von System-Toleranzen so- Die induktiven Sensoren bestehen im Wesentlichen
wie die Möglichkeit, während der Sekundärluftphase aus einer Spule um einen magnetisch vorgespannten
18.8 Brennraumdrucksensoren für Dieselmotoren 789

Kern. Befindet sich der induktive Sensor in der Nähe


eines bewegten ferromagnetischen Geberrades, wird
eine Spannung induziert. Diese Spannung wird in
dem elektronischen Steuergerät ausgewertet. Jede
Flanke der Geberrades induziert eine elektrische
Spannung. Bei induktiven Sensoren ist die Höhe der
induzierten Spannung von der Drehzahl abhängig,
daher gibt es eine untere Drehzahl/Frequenz für die
Funktion des induktiven Sensors.

18.7.2 Aktive Sensoren


Drehzahlsensoren welche aktiv arbeiten, haben eine
integrierte Elektronik für die Signalverarbeitung.
Daher übertragen aktive Sensoren normierte Signal-
pegel, die ohne zusätzliche Signalverarbeitung in dem
elektronischen Steuergerät verwendet werden.
Aktive Sensoren auf der Basis des Hall-Effektes sind Bild 18-20 Aktiver Kurbelwellensensor
am weitesten verbreitet, zunehmend werden auch
MR-Sensoren und GMR-Sensoren eingesetzt. Bild 18-20 zeigt einen aktiven Kurbelwellensensor,
Bei den Hall-Sensoren werden am häufigsten Diffe- auf der Basis von Differential-Hallsensoren.
rential-Hallsensoren verwendet (Bild 18-19).

18.8 Brennraumdrucksensoren
VH2 für Dieselmotoren
VH1 Initiiert durch immer strengere Abgasgesetzgebung
werden für zukünftige Brennverfahren genauere In-
formationen über den Verbrennungsvorgang benötigt.
VH1 – VH2 Für qualitative Informationen, wie die Überprüfung
H1 H2
des Vorhandenseins von Vorabeinspritzungen, wer-
den derzeit bevorzugt Klopfsensoren als Körper-
schallsensoren eingesetzt. Meist wird jedoch eine
Output
quantitative Information zur freigesetzten Verbren-
nungsenergie über den jeweiligen Kurbelwinkel be-
nötigt. Hierfür bieten sich insbesondere Brennraum-
drucksensoren an. Auf ihrem Signal basierend, lassen
sich folgende Funktionen realisieren:
Bild 18-19 Messprinzip eines Differential-Hall-Sen-
x zylinderselektive Regelung des maximalen Ver-
sors
brennungsdrucks
x Detektion von Vor-, Haupt- und Nacheinspritz-
Der Flankenwechsel eines ferromagnetische Geberra-
vorgängen
des führt zu einer Differenz des Magnetfeldes an dem
x Ausgleich von Toleranzen im Einspritz- und An-
Differential-Hallelement. Durch das Differentialprin-
saugsystem
zip sind diese Sensoren weitgehend unempfindlich
x Regelung der Verbrennungsschwerpunktlage.
gegenüber Störeinflüssen wie Temperaturänderungen,
externe Magnetfelder. Dadurch zeichnen sich diese Der Einsatz konventionell arbeitender Drucksensoren
Sensoren durch eine hohe Genauigkeit aus. Mit dem mit druckempfindlichen Membranen gestaltet sich
Differentialprinzip lassen sich Sensoren mit einer äußerst schwierig. Um Druckschwingungseffekte im
unteren Drehzahl von 0 1/min (Zero-Speed) realisie- Verbrennungsgas zu minimieren muss die Membran
ren. Aufgrund des Differentialprinzips können diese möglichst direkt am Verbrennungsraum platziert
Sensoren nur in einer Einbaulage verwendet werden. werden. Da Zylinderköpfe moderner Pkw-Dieselmo-
Für eine statische Funktion werden sogenannte Ein- toren zumeist keinen oder nur sehr geringen Spiel-
zelelement Hallsensoren verwendet. Diese Sensoren raum für eine zusätzliche Bohrung für einen Druck-
erlauben die Erkennung von Zahn oder Lücke ohne sensor bieten, scheitert die Verwendung derartiger
Bewegung des Geberrades (True Power On). Durch Sensoren zumeist am Bauraum.
die Anordnung als Einzelelement ist eine beliebige Aus diesem Grund zielt die aktuelle Hauptentwick-
Orientierung zwischen Hallsensor und Geberrad lungsrichtung bei Brennraumdrucksensoren auf die
möglich. Integration in vorhandene Komponenten, insbeson-
790 18 Sensoren

dere in Glühkerzen ab. Die Glühkerze hat mit ihrem


Brennraumzugang eine ideale Einbauposition.
Ein Beispiel für einen glühkerzenintegrierten Brenn-
raumdrucksensor mit piezokeramischem Messele-
Kontaktierung Verspannung
ment zeigen Bild 18-21 und 18-22. Die Verformung Glühelement Sensorelement
des aus Glühkerzengehäuse und Glühkerzenelektrode
aufgebauten Messelementes wird mittels piezokera- Peizokeramisches
Sensorelement
mischem Sensorelement in eine elektrische Ladung
als Ausgangssignal gewandelt. Kontaktierungen
Glühkerzenintegrierte Brennraumdrucksensoren kön- Sensorelement
Glühkerzenelektrode
nen prinzipiell in zwei Messprinzipien unterteilt wer-
den: zum einen die Messung des Verbrennungsdrucks
über die Messung von Zylinderkopfverformungen Glühkerzengehäuse
und zum zweiten die Messung des Verbrennungs-
drucks über die Messung von sensorinternen Verfor-
mungen (Bild 18-23).
Die Messung des Verbrennungsdruckes über die
Messung von Zylinderkopfverformung stellt die ein-

Bild 18-22 Integration Sensorelement

fachere Lösung dar, da hier das gesamte Glühkerzen-


gehäuse als Messelement dienen kann. Untersuchun-
gen an aktuellen Common-Rail-Dieselmotoren zeigen
für dieses Messprinzip hervorragende Genauigkeiten
und in Verbindung mit einem piezoelektrischen
Sensorelement ein sehr gutes Signal-Rausch-Ver-
halten [1].
Treten am Zylinderkopf nicht verbrennungsbedingte
Verformungen auf oder sind diese zu klein, muss auf
das etwas aufwändigere Prinzip der Messung einer
sensorinternen Verformung zurückgegriffen werden.
Das Messelement ist in diesem Fall von den zylinder-
kopfinduzierten Verformungen des Glühkerzenge-
Bild 18-21 Glühkerzenintegrierter Brennraumdruck- häuses zu entkoppeln. Dem Nachteil höherer Kom-
sensor (Mitte) in Kombination mit Klopfsensor plexität steht diesem Messprinzip der Vorteil einer
(links) und Glühkerze (rechts) Kalibrierbarkeit in der Sensorfabrik gegenüber.

Glühkerzenintegrierter
Brennraumdrucksensor

Zylinderkopf

A
Gewinde
Zylinderkopf-
Zylinderkopf
verformung
verformung

Dichtsitz
Sensorinterne
Verformung
Verformung Bild 18-23 Brennraum-
druckmessung über Zylinder-
kopf vs. Sensor-Verformung
18.8 Brennraumdrucksensoren für Dieselmotoren 791

Neben dem hier vorgestellten piezoelektrischen Sen- Literatur


sorelement sind prinzipiell auch Verformungsmess- [1] Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Kraftfahrtechnisches Taschen-
elemente mit anderen Wandlungsprinzipien denkbar. buch. 26. Aufl. Wiesbaden: Vieweg Verlag, 2007
Das piezoelektrische Messelement überzeugt jedoch [2] Fiedeler, O.: Strömungs und Durchflussmesstechnik. R. Olden-
durch seinen einfachen Aufbau und dem hieraus fol- burg Verlag, 1992
[3] Niebuhr, J.; Lindner, G.: Physikalische Messtechnik mit Senso-
genden minimalen Bauraumbedarf. ren. R. Oldenburg Verlag, 1994
Ein zukünftiger Einsatz ähnlicher Konzepte beim [4] Tränkler, H.-R.; Obermeier, E.: Sensortechnik. Springer Verlag,
Ottomotor, beispielsweise durch Integration des 1998
Brennraumdrucksensors in eine Zündkerze, rückt mit [5] Last, B.; Ramond, A.; Goretti, S.; Burrows, J.: Integration of a
piezo ceramic sensing element in a glow plug in order to get a
den hier entwickelten Technologien in greifbare combustion pressure sensor for diesel engines. Hildesheim,
Nähe. Adaptronic Congress, 27. – 28. April 2004
19 Aktuatoren

19.1 Antriebe
In der Motormanagement-Aktuatorik finden bevor-
zugt pneumatische und elektrische Stellantriebe
Verwendung. Bild 19-1 zeigt eine Gegenüberstellung 6
der Vor- und Nachteile der am weitesten verbreiteten
Antriebe. 5

19.1.1 Pneumatische Antriebe 4


Pneumatische Antriebe werden in der Aktuatorik be-
3
vorzugt als Umschalter zwischen zwei Fixpositionen
2
verwendet (Bild 19-2). Pneumatische Stellantriebe
bestehen aus einer Unterdruckdose mit Membran, die 1 Resonanzklappe 1
2 Anlenkhebel
über ein Steuerventil mit der Unterdruckversorgung 3 Unterdruckdose
des Fahrzeugs verbunden ist. Das zu betätigende Stell- 4 Endanschlag
element ist entweder direkt oder über Hebel bezie- 5 Membran
6 Unterdruckanschluss
hungsweise Seilzüge mit dem Stellelement verbunden.
Im Nutzfahrzeug werden bevorzugt pneumatische An-
triebe mit Hubzylindern verwendet, die an die Fahr- Bild 19-2 Saugrohrresonanzklappe mit pneumati-
zeugdruckluftversorgung angeschlossen sind. schem Antrieb (Quelle: Continental Automotive GmbH)
Vorteil des pneumatischen Antriebs ist der geringe
Positionssteuerung des Antriebs. Eine absolute Be-
Preis in Kombination mit den zur Baugröße ver-
stimmung der Istposition ist jedoch nicht möglich.
gleichbar großen Stellmomenten und schnellen Stell-
Bei einfachen Anforderungen ist ein zusätzlicher
zeiten. Ein wesentlicher Nachteil des pneumatischen
Sensor zur Erfassung der Istposition nicht notwendig.
Antriebs ist die nur schwer umsetzbare Positionsrege-
Wesentlicher Nachteil ist das geringe Überschuss-
lung, die ein exaktes Anfahren von Zwischenposi-
moment des Schrittmotors zur Überwindung auftre-
tionen nicht ermöglicht. Dieser Nachteil hat dazu
tender Schwergängigkeit und die damit verbundene
geführt, dass früher weit verbreitete pneumatische
Antriebe inzwischen vermehrt durch elektrische An-
Rotor
triebe abgelöst werden.

19.1.2 Elektrische Antriebe Statorgehäuse 1

19.1.2.1 Schrittmotor Spule 1


Der Schrittmotor wird in der Aktuatorik bevorzugt
bei geringen Stellkraftanforderungen eingesetzt Spule 2
(Bild 19-3). Der Vorteil des Schrittmotors besteht in
seiner schrittweisen Bewegung und der entsprechen- Statorgehäuse 2
den Ansteuerung. Diese ermöglicht durch das Mit- Antriebswelle
zählen der Verstellschritte eine relative Positions-
bestimmung des Antriebs gegenüber der Position zu Bild 19-3 Schrittmotor (Quelle: Continental Auto-
Beginn der Bewegung und damit eine vereinfachte motive GmbH)

Antrieb pneumatischer Schrittmotor DC-Motor mit Torque- EC-Motor


Antrieb Getriebe Motor
Stellmoment ++ - ++ o ++
Stellzeit + - + ++ ++
Positionsregelung -- ++ + + +
Gewicht + - o - o
Kosten ++ + o + --
Lebensdauer o + - + +
++ sehr positiv, + positiv, o durchschnittlich, - negativ, - - sehr negativ
Bild 19-1 Vergleich verschiedener Antriebe (Quelle: Continental Automotive GmbH)
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_19
19.1 Antriebe 793

Möglichkeit eines nicht erkannten Fehlers in der zwei mechanischen Endanschlägen oder gesteuert
Positionssteuerung durch eine geforderte, jedoch über eine Position-Stromaufnahme-Charakteristik ge-
nicht erfolgte Verstellbewegung des Antriebs. gen eine Rückstellfeder. Eine exakte Positionierung
lässt sich durch die Stromaufnahmesteuerung jedoch
19.1.2.2 DC-Motor nicht erreichen.
Der Gleichstrommotor (DC-Motor) wird in der Aktu-
atorik bevorzugt in Verbindung mit Getrieben einge- 19.1.2.4 EC-Motor
setzt. Die Flexibilität der Getriebeausführung und EC-Motoren sind elektronisch kommutierte Gleich-
Übersetzung ermöglicht dabei den Einsatz des glei- strommotoren. Sie weisen im Gegensatz zu klassi-
chen DC-Motors für verschiedene Stellmoment- schen DC-Bürsten-Motoren keine bewegten Kontakt-
beziehungsweise Stellzeitanforderungen. stellen auf. Typisches Modell ist der Innenläufer mit
Wesentlicher Vorteil der DC-Motor/Getriebe-Kombi- Permanentmagneten auf der Rotorwelle und Wick-
nation ist das hohe Überschussmoment. Durch dieses lungen im Stator. EC-Motoren benötigen zusätzliche
können schnelle Stellzeiten erreicht werden und es Sensoren im Motor zur Lageerkennung des Rotors
ermöglicht die Überwindung kurzzeitig auftretender und der darauf aufbauenden Regelkreise zur Ansteue-
Schwergängigkeit. Eine Positionsregelung des DC- rung des Motors. Hierfür werden in der Regel Hall-
Motor-Antriebs ist nur in Kombination mit einem Element-Sensoren eingesetzt.
Positionssensor möglich. EC-Motoren finden in der Aktuatorik bevorzugt dort
Nachteile des DC-Motors sind sein vergleichsweise Anwendung, wo hohe Stellmomente in Verbindung
komplexer Aufbau und das Verschleißverhalten der mit schnellen Reaktionszeiten oder langen Laufleis-
Motorkohlen beziehungsweise des Getriebes im tungen gefordert werden, zum Beispiel bei Nutzfahr-
Vergleich zu kontaktlosen Antrieben. zeuganwendungen oder bei der Ventilhubverstellung.
19.1.2.3 Torque-Motor Ihr Vorteil liegt im geringen mechanischen Ver-
schleiß und der hohen Leistungsfähigkeit; wesentli-
Torque-Motoren werden in der Aktuatorik als Direkt- cher Nachteil sind die vergleichsweise hohen Kosten.
antriebe ohne zusätzliche Getriebe eingesetzt (Bild
19-4). Typische Einsatzgebiete sind Anwendungen
mit geringen Stellkraftanforderungen in Verbindung 19.1.3 Kommunikation
mit dem Wunsch nach kurzen Verstellzeiten. Wesent- mit der Motorsteuerelektronik
liche Vorteile des Torque-Motors sind der kontakt- 19.1.3.1 Gesteuerte Stellglieder
lose und damit verschleißfreie Antrieb und sein
einfacher Aufbau. Nachteile sind das gegenüber dem Gesteuerte Systeme werden bei einfachen Anwen-
DC-Motor mit Getriebe geringe Überschussmoment dungen eingesetzt (Bild 19-5). Die Motorsteuerelekt-
und das hohe Gewicht im Verhältnis zum Stellmo- ronik bestromt hierzu ein Stellglied oder ein Unter-
ment. Auch der Torque-Antrieb benötigt zur Positi- druckventil und bewirkt durch diese Maßnahme eine
onsregelung im Allgemeinen einen Positionssensor. Verstellbewegung. Eine „closed loop“ Rückmeldung
Vereinzelt findet man auch Anwendungen, bei denen der Verstellbewegung an die Motorsteuerelektronik
Torque-Antriebe ohne Rückmeldung betrieben wer- erfolgt nicht oder nur auf Umwegen über externe
den. Dies erfolgt dann als reine Verstellung zwischen Systeme.
Wesentliche Vorteile dieser Systeme sind die gerin-
gen Kosten und die vergleichbar einfache Integration
in ein vorhandenes System. Wesentlicher Nachteil ist
das Fehlen der Rückmeldung. Gesteuerte Systeme
ohne Rückmeldung sind daher für OBD-relevante
Funktionen in der Regel nicht einsetzbar.
Für gesteuerte Systeme werden bevorzugt pneumati-
sche Antriebe, Schrittmotoren oder Torque-Motoren
eingesetzt.

19.1.3.2 Extern geregelte Stellglieder


Geregelte Stellglieder liefern mit Hilfe eines Positi-
3
onssensors eine Rückmeldung der Istposition an die
Motorsteuerelektronik. Mit Hilfe dieses Positionssig-
2 1 Stator nals kann die Motorsteuerung den Antrieb regeln und
1 2 Rotor (2 polig)
3 Spule damit ein gezieltes Folgen der Istposition zum Soll-
wert erreichen. Im Vergleich zu gesteuerten Stellglie-
Bild 19-4 Torque-Motor (Quelle: Continental Auto- dern ist für extern geregelte Stellglieder ein Mehr-
motive GmbH) aufwand in Hard- und Software bei der Motorsteuer-
794 19 Aktuatoren

komplexer als bei extern geregelten Stellgliedern.


Abhängig von der verwendeten Elektroniktechnolo-
1 gie ist teilweise auch der zulässige Temperaturbereich
eingeschränkt. Wesentlicher Vorteil dieser Stellglie-
der ist die sehr einfache Integration der Stellglieder in
vorhandene Motorsteuerungssysteme auch bei exak-
ten Anforderungen an die Positionierung. Stellglieder
mit EC-Motor-Antrieben werden aufgrund der kom-
plexen Ansteuerung bevorzugt als intelligente Stell-
glieder ausgeführt.
2
19.1.4 Rückstellung/Default-Position
Abhängig von der Anwendung ist es teilweise not-
wendig, dass auch bei Ausfall des Stellantriebs eine
vorbestimmte Position des Stellorgans angefahren
wird. Dies wird auch als Default-Position bezeichnet.
Ein solches Stellgliedverhalten wird durch Integration
3 einer oder mehrerer Rückstellfedern am Stellorgan
1 Drive-by-wire
Drosselklappenstellglied
oder im Antrieb erreicht.
2 gesteuerter Torque-Aktuator zur Die Anforderung nach einer Default-Position stellt
Saugrohrlängenumschaltung eine deutliche Erhöhung der Ansprüche an die Leis-
3 gesteuerter Torque-Aktuator zur
Saugrohrresonanzumschaltung tungsfähigkeit des Antriebs dar und wird häufig
unterschätzt. Sie bedingt in der Regel deutlich größe-
re Antriebe und schließt selbsthemmende Antriebs-
Bild 19-5 Gesteuerte Torque-Aktuatoren zur Saug-
auslegungen aus.
rohrlängen- und Saugrohrresonanzumschaltung an
einem V6-Motor (Quelle: Continental Automotive
GmbH)
19.2 Drosselklappenstellglieder
elektronik notwendig. Als wesentliche Punkte sind 19.2.1 Kernfunktion Ottomotor
die Leistungsendstufe (H-Brücke) zur Ansteuerung
des Antriebs, sowie die zur Positionsregelung not- Die Leistungsregelung eines Ottomotors erfolgt quan-
wendige Rechenleistung des Prozessors zu nennen. titativ. Dies erfordert eine Beeinflussung der ange-
Für extern geregelte Stellglieder werden in der Regel saugten Luftmasse. Die am weitesten verbreitete
DC-Motor-Antriebe mit Getriebe verwendet. technische Lösung zur Veränderung des Luftmassen-
stroms ist das Drosselklappenstellglied. Die Drossel-
klappe bestimmt durch ihre Position im Luftkanal die
19.1.3.3 Intern geregelte Stellglieder
vom Verbrennungsmotor angesaugte Luftmenge und
(smarte Aktuatoren)
das Druckniveau im Saugrohr (Bild 19-6).
Intelligente („smarte“) Aktuatoren sind mit einer
integrierten Elektronik ausgestattet, die über eine
Leistungsendstufe zur Ansteuerung des Antriebs und
19.2.2 Kernfunktion Dieselmotor
eine Prozessoreinheit mit entsprechender Software Der Betrieb des Dieselmotors erfolgt über eine Quali-
zur Positionsregelung oder -steuerung verfügt. Die tätsregelung des Luft-Kraftstoff-Gemischs. Eine Dros-
Kommunikation dieser Stellglieder mit der Mo- sellung des Luftmassenstroms ist im Idealfall nicht
torsteuerelektronik reduziert sich auf Signale, das notwendig. Trotzdem kommen auch beim Dieselmo-
Sollwertsignal von der Motorsteuerelektronik an das tor in deutlichem Umfang Drosselklappenstellglieder
Stellglied und ein Rückmeldesignal in umgekehrter zum Einsatz. Die Hauptfunktion dieser Stellglieder ist
Richtung. Hierbei kommen sowohl Standardsignale die Erzeugung eines definierten Druckgefälles zur
(in der Regel digital) als auch BUS-Systeme (CAN- Einspeisung von Abgasen in die Ansaugluft des Mo-
Bus, LIN-Bus) zum Einsatz. Die Leistungsströme tors (Abgasrückführung), die zur Einhaltung der hohen
werden direkt dem Bordnetz entnommen, Leistungs- gesetzlichen Anforderungen an geringe Schadstoffge-
endstufen in der Motorsteuerung sind für smarte halte im Abgas notwendig ist (siehe auch 19.2.6 „Vor-
Antriebe nicht notwendig. drossel“). Zusätzlich kann durch Drosselung und
Basierend auf dem vorhandenen Rückmeldesignal verbrennungstechnische Maßnahmen die Abgastem-
können smarte Aktuatoren auch für OBD-relevante peratur des Verbrennungsmotors deutlich erhöht
Funktionen eingesetzt werden. Der Aufbau der Stell- werden, um die Partikelfilterregeneration zu unter-
glieder ist durch die integrierte Elektronik deutlich stützten.
19.2 Drosselklappenstellglieder 795

Typische Luftmassencharakteristiken in Abhängigkeit Typische Differenzdruckcharakteristik bei konstanter


von Fahrpedalposition und Luftkanalgeometrie Pumpleistung und zylindrischer Luftkanalgeometrie
Luftmasse Differenzdruck

2
1
3
4

1 Zylindrischer Luftkanal
2 Zylindrischer Luftkanal mit
progressiver C-Seilscheibe
3 Zylindrischer Luftkanal mit
degressiver C-Seilscheibe
4 Luftkanal mit
Kugelkalotte-Geometrie Bild 19-6 Diagramm Luft-
massen- und Differenzdruck-
Leerlauf Vollast geschlossen offen
charakterisik (Quelle: Conti-
Fahrpedalposition Drosselklappenwinkel
nental Automotive GmbH)

19.2.3 Zusätzliche Funktionen zum Sensorsignal Schalter am Drosselklappenstell-


glied eingesetzt.
19.2.3.1 Leerlaufregelung Ottomotor Bei elektrisch angetriebenen Drosselklappen ist der
Neben der Hauptfunktion der Füllungsregelung er- Positionssensor in der Regel in den Antrieb integriert.
füllt das Drosselklappenstellglied inklusive seiner Zur Erfüllung gestiegener Anforderungen an die Zu-
verschiedenen Anbauaggregate zusätzliche Funktio- verlässigkeit der Systeme werden die Potentiometer
nen. Die bedeutendste Nebenfunktion des Drossel- vermehrt durch kontaktlose Sensorsysteme abgelöst.
klappenstellglieds ist die Leerlaufregelung des Otto-
motors (Bild 19-7). 19.2.3.3 Lastschlagdämpfung
Die Leerlaufdrehzahl wird verbreitet über die Beein-
Die Dash-Pot-Funktion beschreibt eine Verlangsa-
flussung des Luftmassenstroms kontrolliert. Zusätzli-
mung der Rückstellung der Drosselklappe nach
che erfolgt eine Feinregelung über die Verschiebung
schlagartigem Zurücknehmen des Fahrpedals. Ohne
des Zündzeitpunkts.
Dash-Pot-Funktion wird die Drosselklappe in diesem
Die Regelung der Leerlaufluftmasse kann über ein
Fall durch Rückstellfedern schnell geschlossen. Dies
Stellorgan in einem Bypass zum Hauptluftkanal bei
führt zu einem Lastschlag und einem heftigen Ab-
geschlossener Drosselklappe erfolgen oder durch
bremsen des Fahrzeugs. Zur Verbesserung des Fahr-
direkte Positionierung der Drosselklappe im leicht
komforts wird der Lastschlag gedämpft. Dies erfolgt
geöffneten Arbeitsbereich.
über ein Öffnen des Bypassstellglieds zur Leerlaufre-
19.2.3.2 Positionssignal gelung oder über eine gegenüber der Fahrpedalrück-
stellung verlangsamte, unabhängige Rückstellung der
Ein Sensor am Drosselklappenstellglied erzeugt ein Drosselklappe (siehe auch 19.2.4 „Drive-by-Wire“).
Positionssignal und gibt dieses an die Motorsteuer-
elektronik weiter. Verbreitet werden Potentiometer
19.2.3.4 Tempomatfunktion
für diese Funktion eingesetzt.
Das Signal des Sensors dient zudem der Unterschei- Die Geschwindigkeitsregelung eines Fahrzeuges mit
dung zwischen Teillast- und Leerlaufbetrieb des Ottomotor (Tempomat) wird durch eine von Fahrer
Verbrennungsmotors. Teilweise werden zusätzlich unabhängige Betätigung der Drosselklappe realisiert.

Bild 19-7 Leerlaufregel-


Leerlaufregelung
Leerlaufregelung über Bypassventil
systeme im Vergleich
über Bewegung der bei geschlossener (Quelle: Continental Auto-
Drosselklappe Drosselklappe motive GmbH)
796 19 Aktuatoren

Diese Funktion ist mit mechanisch verbundenen Sys-


temen nur schwer realisierbar. Vereinzelt wird eine
zweite Drosselklappe (im Normalbetrieb offen), die
1 unabhängig vom Fahrpedal betätigt wird, vor der
eigentlichen Drosselklappe zur Darstellung dieser
Funktionen eingesetzt. Eine Motorschleppmomenten-
regelung ist mit diesen Systemen jedoch nicht mög-
lich. Weiter verbreitet ist die Verwendung von
„Drive-by-Wire“-Systemen (auch E-Gas genannt),
die eine komplett von der Fahrpedalstellung unab-
hängige Positionierung der Drosselklappe ermögli-
chen (Bild 19-8).
Bei diesen Systemen wird im Motorsteuergerät auf
1 Luftkanal 5 4 3 2 Basis verschiedener Kenndaten und Funktionen eine
2 DC-Motor Sollposition der Drosselklappe errechnet, die dann
3 Zweistufiges Getriebe
4 Positionssensor (Potentiometer) über eine Positionsregelung des Drosselklappenstell-
5 Rückstellfeder glieds realisiert wird. Die Positionsregelung erfolgt
über den Vergleich zwischen Soll- und Istposition der
Bild 19-8 Drive-by-Wire-Drosselklappenstellglied Drosselklappe und entsprechende Ansteuerung des
E-Gas 5 (Quelle: Continental Automotive GmbH) Antriebs durch die Motorsteuerelektronik. Teilweise
wird die Positionsregelung auch über eine Elektronik
Dies kann über separate Tempomatstellglieder erfol- im Drosselklappenstellglied realisiert. In diesem Fall
gen, die mit Seilzügen oder Hebelwerken an der wird nur der Sollwert in der zentralen Motorsteuer-
Drosselklappe angelenkt sind. Moderne Drosselklap- elektronik gebildet und an das Drosselklappenstell-
penstellglieder realisieren diese Funktion über einen glied gemeldet. Es existieren auch Anwendungen, bei
direkten Antrieb im Drosselklappenstellglied. denen die komplette Motorsteuerelektronik im Dros-
Die Tempomatfunktion erfordert eine Energiequelle selklappenstellglied integriert ist (Bild 19-9).
(zum Beispiel: elektrischer oder pneumatischer An- Durch die vom Fahrpedal unabhängige Position der
trieb), die die Drosselklappe gegenüber der Fahrpe- Drosselklappe werden zudem weitere Funktionen
dalstellung öffnen kann. ermöglicht oder vereinfacht. Die Öffnungskennlinie
der Drosselklappe kann je nach Wunsch gegenüber
der Fahrpedalstellung beschleunigt oder verlang-
19.2.4 „Drive-by-Wire“/E-Gas samt werden. Die Leerlaufregelung, der Tempomat-
Gegenüber dem Tempomatbetrieb ist es zur Unter- betrieb und die Lastschlagdämpfung erfolgen über
stützung der Antischlupfregelung (ASR oder Traction Software im Motorsteuergerät und erfordern keine
Control) und der elektronischen Stabilitätsregelung zusätzlichen mechanischen Teile. Dies ist ein deutli-
(ESP) notwendig, die Drosselklappe gegenüber der cher Vorteil des „Drive-by-Wire“ gegenüber mecha-
Fahrpedalstellung nicht nur zu öffnen sondern auch nisch mit dem Fahrpedal verbundenen Drosselklap-
zu schließen. penstellgliedern.

1
2

6
5 3 7 Bild 19-9 Drosselklappen-
4
stellglied E-Gas 7 mit inte-
1 Luftkanal 5 Positionssensor (Potentiometer)
2 Rückstellfedern 6 Beheizung (über Kühlwasserkreislauf) grierter Motorsteuerelektronik
3 DC-Motor 7 Motormanagement-Elektronik (Quelle: Continental Auto-
4 Zweistufiges Getriebe
motive GmbH)
19.3 Drall- und Tumbleklappen/Resonanzaufladung 797

1 2 5 4 6 3 9 7 8

1 Luftkanal 6 Magnetrad Bild 19-10 Vordrossel-


2 Drosselklappe 7 Hall-Sensor
3 DC-Motor 8 Elektronik für Positionsregelung stellglied mit integrierter
4 Zweistufiges Getriebe 9 Gerätestecker Elektronik (Quelle: Conti-
5 Rückstellfeder
nental Automotive GmbH)

Fehlfunktionen oder ein Ausfall des Drosselklappen- Die Drosselklappe der Vordrossel-Stellglieder (Bild
stellglieds können durch die Motorsteuerelektronik 19-10) ist im Normalbetrieb voll geöffnet und wird
erkannt werden und werden nicht als Fahrerwunsch nur dann geschlossen, wenn ein Druckgefälle, zum
fehlinterpretiert. Hierzu ist ein Sicherheitskonzept in Beispiel zur AGR-Einspeisung, benötigt wird. Die
die Software der Motorsteuerelektronik integriert. Anforderungen an solche Vordrossel-Stellglieder be-
Um eine Fehlfunktion des Drosselklappenstellglieds züglich Stellmoment und Stellzeit sind typischerwei-
eindeutig erkennen zu können, erfolgt die Rückmel- se etwas geringer als die Anforderungen an „Drive-
dung der Drosselklappenposition durch zwei redun- by-Wire“-Drosselklappenstellglieder.
dante Signale.

19.2.5 Waste-Gate-Funktion 19.3 Drall- und Tumbleklappen/-


Drosselklappenstellglieder werden auch zur Regulie-
Resonanzaufladung
rung oder Begrenzung des Ladedrucks aufgeladener Aufgrund stetig steigender Anforderungen zur Redu-
Motoren eingesetzt. Hierzu wird zusätzlich zur Dros- zierung des Kraftstoffverbrauchs finden zunehmend
selklappe, die den Füllungsgrad des Verbrennungs- auch Klappensysteme Anwendung, die die Qualität
motors reguliert, ein weiteres Drosselklappenstell- des Luft-Kraftstoff-Gemischs im Zylinder beeinflus-
glied in einem Bypass zum Verdichter eingesetzt sen. Hierbei ist zu unterscheiden in Systeme, die eine
(Waste-Gate-Funktion). Ist der Ladedruck in bestimm- sehr gute Verwirbelung des Gemischs und damit ein
ten Motorbetriebssituationen zu hoch, wird die Dros- besonders homogenes Gemisch erzielen sollen und in
selklappe im Bypass geöffnet und ein Teil der ver- Systeme, die eine gezielte Aufspaltung in Zonen
dichteten Ansaugluft strömt in den Bereich vor dem unterschiedlicher Kraftstoffkonzentration erreichen
Verdichter zurück. Der Ladedruck wird reduziert. sollen (Schichtladung).
Die Aktuatorik, die sowohl für Drall- und Tumble-
19.2.6 Unterdruck/Vordrosselstellglieder klappen als auch für die Resonanzaufladung einge-
setzt wird, ist vergleichbar. Die Unterschiede beste-
Durch die Drosselung des Luftmassenstroms entsteht hen im Wesentlichen in der Art des Antriebs (pneu-
im Saugrohr des Verbrennungsmotors ein Unterdruck matisch oder elektrisch) und in der Notwendigkeit,
gegenüber der Umgebung. Diese Druckdifferenz wird Zwischenpositionen zwischen den Endanschlägen
für verschiedene Funktionen eingesetzt. Die Druck- anzufahren. Elektrische Aktuatoren ersetzen auch bei
differenz dient dem Bremskraftverstärker als Energie- diesen Anwendungen zunehmend die pneumatischen
träger. Gesteuert von externen Stellgliedern (meist Antriebe.
Ventile) wird der Unterdruck zur Einspeisung der
„Blow-by-Gase“ (Kurbelwellengehäuseentlüftung)
und des Luftstroms zur Regenerierung des Aktiv-
19.3.1 Port-Deactivation
kohlebehälters im Kraftstofftank sowie zur Abgas- Moderne Mehrventilmotoren (2 oder mehr Einlass-
rückführung genutzt. ventile pro Zylinder) zeichnen sich durch eine opti-
Diese spezielle Funktion des Drosselklappenstell- male Füllung der Zylinder bei hohen Drehzahlen aus
glieds wird auch bei Dieselmotoren eingesetzt. (Bild 19-11). Oft führen die gewollten großen Ein-
798 19 Aktuatoren

ECU
ECU

Versorgungsspannung
und Positonsvorgabe

„Position erreicht“
Rückmeldesignal
Drallklappen
Drallklappen- -
Saugrohr V6 Motor
Stellglied
Stellglied

Einlasskanal

Einlassventile

Auslassventil

Bild 19-11 Port-Deactivation-System zur simultanen Verstellung von 2 Klappenbänken bei einem 3-Ventil-V6-
Motor (Quelle: Continental Automotive GmbH)
19.3 Drall- und Tumbleklappen/Resonanzaufladung

lassquerschnitte bei niedrigen Drehzahlen jedoch zu


einer unzureichenden Verwirbelung des Luftstroms 4

und einem inhomogenen Luft-Kraftstoff-Gemisch im 2


Zylinder. Um diese Situation zu verbessern, wird bei
1
geringen Drehzahlen ein Teil des Einlassquerschnitts
durch ein Klappensystem verschlossen. Dies führt zu 3 5
höheren Strömungsgeschwindigkeiten und, abhängig
von der Anordnung der Einlasskanäle, zusätzlich zu
einer Verwirbelung des Gemischs, einer homogeneren
Verbrennung und reduziertem Kraftstoffverbrauch.
Zur Steuerung der Port-Deactivation werden in der
1 DC-Motor
Regel Stellglieder eingesetzt, die zwischen zwei 2 Getriebegehäuse mit
Positionen des Klappensystems schalten. Positionsge- zweistufigem 5
Stirnradgetriebe
regelte Systeme sind nicht typisch. 3 Gerätestecker
Überwiegend werden daher pneumatische Antriebe 4 Rückstellfeder
verwendet. Aufgrund gestiegener Abgasanforderun- (Default-Position)
5 Schubstange
gen und OBD-Relevanz dieser Systeme, kommen 6 Tumbleklappenwelle
aber auch elektrisch angetriebene 2-Punkt-Stellglie-
der zum Einsatz.
Bild 19-12 Stellantrieb mit Tumble-Klappensystem
19.3.2 Schichtladung (4 Zylinder) (Quelle: Continental Automotive GmbH)
Zur Erzeugung einer Schichtladung werden Klappen-
systeme verwendet, die entweder die Richtung des Da es erforderlich ist, den Luftstrom bis in den
Luftstroms oder seine Geschwindigkeit oder beides Brennraum hinein zu beeinflussen, erfolgt die Strö-
so beeinflussen, dass der Luftstrom mit einer Drall- mungsbeeinflussung möglichst nahe vor dem Brenn-
und/oder Tumblebewegung in den Brennraum eintritt raum mit einer separaten Klappe für jeden Zylinder
(Bild 19-12). Teilweise werden zu diesem Zweck des Verbrennungsmotors. Diese Klappe ist möglichst
auch ein unbeeinflusster Luftstrom und ein durch ein nahe an den Einlassventilen positioniert.
Klappensystem beeinflusster Luftstrom unter einem Da im Allgemeinen eine gezielte zylinderselektive
gezielten Winkel gemischt. Positionsregelung der Klappen nicht notwendig ist,
19.5 Abgasrückführventile 799

schiedlichen Last- und Drehzahlverhältnisse werden


bewegliche Leitschaufeln verwendet. Diese Stellor-
gane werden durch Antriebe betätigt, die von der
Motorsteuerelektronik angesteuert werden.
Als Stellglieder werden sowohl pneumatische als
auch elektrische Antriebe eingesetzt. Bei den elektri-
schen Antrieben finden bevorzugt Stellglieder mit
integrierter Elektronik zur Positionsregelung Anwen-
dung.

19.5 Abgasrückführventile
Anfang der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts
wurde in Nordamerika erstmals die externe Abgas-
rückführung in Serienfahrzeugen eingesetzt, um die
damals neuen Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Bei
der Abgasrückführung wird ein Teil des verbrannten
Bild 19-13 ATL mit variabler Turbinengeometrie Abgases am Auspuffkrümmer entnommen und über
(Quelle: BorgWarner Turbosystems) eine Rohrleitung zum Ansaugkrümmer zurückge-
führt. Dort wird das verbrannte Abgas dem Ansaug-
werden die Drallklappen einer Zylinderbank über gemisch zugeführt, Bild 19-14.
eine gemeinsame Welle betätigt, die von einem Durch die Beimengung des verbrannten Abgases wird
Aktuator verstellt wird. Aufgrund der in bei verschie- die Verbrennungsspitzentemperatur abgesenkt und da-
denen Last- und Drehzahlsituationen sehr unter- mit eine Reduzierung der Stickoxid-Emissionen er-
schiedlichen Luftströme ist es oft notwendig, auch reicht. Zusätzlich kann im Teillastbereich durch Abgas-
Zwischenpositionen anfahren zu können. Der Aufbau rückführung der Kraftstoffverbrauch reduziert werden.
des Antriebs eines Schichtladungsstellglieds mit Da die Menge der rückgeführten Abgase in Abhängig-
Positionsregelung ist daher mit dem eines Drossel- keit von Motorlast und Drehzahl verändert werden
klappenstellglieds vergleichbar. Aufgrund der Stell- muss, benötigt man ein entsprechendes Regelorgan –
moment- und Stellzeitanforderungen werden bevor- das Abgasrückführventil (kurz AGR-Ventil).
zugt DC-Motor/Getriebe-Antriebe eingesetzt. Neben der externen Abgasrückführung gibt es noch
die interne Abgasrückführung, die durch Überschnei-
19.4 Turbolader mit variabler dung von Einlass- und Auslassventilen bei allen
Viertaktmotoren systembedingt vorhanden und in
Turbinengeometrie
Grenzen beeinflusst werden kann. Die interne Abgas-
Zur Optimierung des Turboladerverhaltens bei ver- rückführung hat die gleichen Auswirkungen auf die
schiedenen Drehzahlen und zum Verkleinern des Emissionen, wobei die AGR-Mengen konstruktions-
„Turbolochs“ werden zunehmend Turbolader mit bedingt relativ gering sind und erst bei Motoren mit
variabler Turbinengeometrie eingesetzt (Bild 19-13). variabler Ventilsteuerung last- und drehzahlabhängig
Zur Anpassung der Turbinengeometrie an die unter- beeinflusst werden können. Grundsätzlich werden

Engine Engine Computer Signal Sensor


Parameters

Driver PWM CPU

Solenoid
Sensor

Intake
Manifold

Mini EEGR
Bild 19-14 Abgasrückfüh-
Exhaust Manifold
Oxygen
rung schematisch (Quelle:
Sensor Continental Automotive
GmbH)
800 19 Aktuatoren

Bild 19-15 Elektrisch gesteu-


ertes Abgasrückführventil
(Quelle: Continental Auto-
motive GmbH)

variable Ventilsteuersysteme mit dem Ziel der Leis- denen das Unterdruckniveau ausreichte, um das
tungs- beziehungsweise Drehmomentoptimierung Tellerventil gegen die Federkraft beziehungsweise
eingesetzt. Die Abgasrückführung ist ein zusätzlicher wirkende Drücke zu öffnen.
Nutzen, der allein jedoch kaum die relativ hohen Der Wunsch, die Abgasrückführung in höheren
Kosten dieser Systeme rechtfertigt, und daher nur als Lastpunkten und unabhängig vom Saugrohrunter-
zusätzlicher Vorteil anzusehen ist. Trotz der begrenz- druck einzusetzen, leitete die Entwicklung der elekt-
ten Steuerbarkeit der internen Abgasrückführmengen rischen Abgasrückführventile ein, Bild 19-15.
wird an Motoren mit variabler Ventilsteuerung meis- Gleichzeitig wurden die Anforderungen an die Ge-
tens keine zusätzliche externe Abgasrückführung vor- nauigkeit erhöht, so dass man Sensoren integrierte,
gesehen. die die Ventilstellung anzeigen. Diese Abgasrück-
Für die ersten Systeme der externen Abgasrückfüh- führventile erlauben im Vergleich zu früheren Gene-
rung wurden Tellerventile mit einem pneumatischen rationen eine sehr genaue Regelung der Abgasrück-
Antrieb (Unterdruckdose) eingesetzt. Dabei wurde führmengen bei gleichzeitig reduzierten Stellzeiten.
die Unterdruckdose mit dem Saugrohrdruck beauf- Durch die Integration aller Baugruppen in eine Kom-
schlagt, was zu einer vom Betriebspunkt des Motor ponente wird die Adaption am Motor vereinfacht und
abhängigen Verstellung des AGR-Ventiles führt. die funktionsrelevanten Toleranzen werden reduziert.
Durch Zwischenschalten von pneumatischen Ver- Durch diese funktionalen Vorteile finden die elektri-
zögerungsventilen, Rückschlag- und Druckbegren- schen Abgasrückführventile eine immer häufigere
zungsventilen wurde dabei der Funktionsbereich Anwendung und werden bei neuen Motorgeneratio-
begrenzt, um negative Einflüsse von unangemessenen nen fast nur noch eingesetzt. Als elektrischer Aktua-
Abgasrückführmengen auszuschließen. Andere Re- tor werden heute neben Schrittmotoren, Hub- und
gelsysteme berücksichtigten zusätzlich den Abgasge- Drehmagneten auch verstärkt Gleichstrommotoren
gendruck als Regelgröße für die Unterdruckdose. vorgesehen.
Teilweise wurden auch Elektroumschaltventile in die Neben der Weiterentwicklung der Aktuatoren wurde
Steuerleitung integriert, um die Abgasrückführung in das eigentliche Regelventil oftmals verändert. Neben
bestimmten Betriebspunkten abzuschalten. In der Teller- und Nadelventilen unterschiedlichster Formen
nächsten Entwicklungsstufe wurden elektropneumati- und Abmessungen kommen heute auch Klappen- und
sche Druckwandler eingesetzt, mit denen es erstmals Drehschieberventile zum Einsatz. Grundsätzlich soll
möglich wurde, die Position des Abgasrückführven- das Ventil über der Lebensdauer eine gleich bleiben-
tils unabhängig vom Betriebspunkt des Motors zu de Funktion unabhängig vom Verschmutzungsgrad
steuern. Trotzdem blieb der Einsatzbereich der Ab- gewährleisten. Darüber hinaus sollte die Veränderung
gasrückführung auf Betriebspunkte begrenzt, bei des Differenzdruckes über dem Ventil, die sich bei
19.5 Abgasrückführventile 801

Fresh air/
Fresh air exhaust
downstream mixture
ETC to intake
manifold

Bild 19-16 AGR-Klappen-


Exhaust gas
ventil (Quelle: Continental
Automotive GmbH)

jeder Stellungsänderung ergibt, einen möglichst ge- ten NOx-Emissionen und wird in Europa bei allen
ringen Einfluss auf die eingestellte Ventilposition ha- Fahrzeugen bis 3,5 t und teilweise darüber eingesetzt.
ben. Dies ist besonders bei Übergang vom geschlosse- Am meisten Verbreitung finden gesteuerte Systeme
nen Zustand zu geringen Öffnungen wichtig, da hier- mit pneumatisch betätigten Ventilen, wobei für Neu-
bei der wirkende Differenzdruck einer großen Verän- applikationen verstärkt elektrisch geregelte Ventile
derung unterliegt. Gleichzeitig sind die Genauig- zum Einsatz kommen, Bild 19-17.
keitsanforderungen in diesem Betriebspunkt sehr Beim konventionellen Ottomotor mit Saugrohrein-
hoch. Um die Funktionalität in diesem Bereich zu spritzung finden elektrisch geregelte Systeme die
verbessern, gibt es Ventilentwicklungen mit nicht größte Verbreitung, wobei der Gesamtausrüstungs-
linearer Öffnungscharakteristik. Ebenso sollte die grad von AGR-Ventilen zur Zeit bei circa 50 % liegt,
Ventilkonstruktion möglichst unempfindlich gegen da die Emissionswerte auch mit alternativen Techni-
Druckpulsationen sein. Als bester Kompromiss er- ken eingehalten werden können.
weisen sich zurzeit Klappenventile, wobei in Abhän- Beim Ottomotor mit Direkteinspritzung kann man
gigkeit von geforderter AGR-Rate und der Motor- von einer 100 % AGR-Verbreitung ausgehen, da die
empfindlichkeit gegen Mengenveränderungen auch Vorteile dieses Motorenkonzeptes erst mit Abgas-
Tellerventile die Anforderungen erfüllen können, rückführung voll ausgenutzt werden können. Auf
Bild 19-16. Grund der hohen Genauigkeitsanforderungen werden
Beim Dieselmotor ist die Abgasrückführung eine sehr voraussichtlich verstärkt elektromotorisch betriebene
wirkungsvolle Methode zur Einhaltung der geforder- Klappenventile zum Einsatz kommen.

Bild 19-17 Elektromotorisch


betriebenes Klappenventil
mit Wasserkühlung (Quelle:
Continental Automotive
GmbH)
802 19 Aktuatoren

19.6 Verdunstungsemission, Die niederfrequenten Ventile sind in der Regel kos-


tengünstig, wobei die Regelgenauigkeit eingeschränkt
Komponenten ist und insbesondere bei Minustemperaturen eine ho-
19.6.1 Tankentlüftungsventile he Geräuschentwicklung entstehen kann. Die Ventile
mit kontinuierlichem Durchsatz sind aufwändiger
Mit der Verschärfung der Abgasgesetzgebung wurde gebaut, was bei den Abmessungen und Kosten Nach-
neben den Verbrennungsrückständen auch die Ver- teile verursacht, wobei gleichzeitig grundsätzliche
dunstungsemission des Tanksystems bei Fahrzeugen funktionelle und akustische Vorteile erreicht werden.
mit Ottomotor betrachtet. Dies führte dazu, dass die Um die Unempfindlichkeit gegen Druckschwankun-
Belüftung des Tanksystems nicht mehr direkt in die gen zu erhöhen, werden teilweise druckausgleichende
Atmosphäre erfolgt, sondern über einen sogenannten Ventilsitze beziehungsweise Düsen mit Überschall-
Aktivkohlebehälter. Die in diesem Behälter eingela- strömung verwendet.
gerte Aktivkohle kann große Mengen von Benzin-
dämpfen, die zum Beispiel beim Parken in der Sonne 19.6.2 Diagnose Verdunstungsemission
entstehen können, binden, so dass über die Tank-
belüftung im Normalfall keine Benzindämpfe mehr in Mit Einführung der OBD II Gesetzgebung (On-Board-
die Atmosphäre gelangen. Gleichzeitig muss der Diagnose der 2. Generation) in Nordamerika kam erst-
Aktivkohlebehälter regelmäßig regeneriert werden, mals die gesetzliche Forderung nach einer Dichtheits-
damit die Sättigungsgrenze nicht überschritten wird. überprüfung des kompletten Tanksystems auf. Diese
Zur Regenerierung werden die eingelagerten Benzin- Forderung basierte auf der Feststellung, dass bei einer
dämpfe vom Motor angesaugt und verbrannt. Diese weiteren Absenkung der Abgasemissionen die Ver-
zusätzliche Kraftstoffmenge muss jedoch genau do- dunstungsemissionen unbedingt stärker zu berücksich-
siert werden, damit es nicht zu einer Überfettung des tigen sind, da der Anteil an der Gesamtemission des
Gemisches kommt. Die Regelung erfolgt über ein so- Fahrzeugs sehr groß ist. Insbesondere stellte man fest,
dass nicht erkannte Leckagen im Tanksystem als auch
genanntes Tankentlüftungsventil. Hierbei handelt es
Bedienungsfehler (zum Beispiel verlorener/falscher
sich um ein getaktetes Magnetventil, welches vom
Tankdeckel) über die Zeit eine sehr hohe Verduns-
Motorsteuergerät unter Berücksichtigung der Lamb-
tungsemission bewirkten. Daher wurde per Gesetz ge-
da-Regelung gesteuert wird. Grundsätzlich muss da-
fordert, dass ein fahrzeugseitig zu installierendes Dia-
bei die dem Motor über die Einspritzanlage zuge-
gnosesystem alle Leckagen erkennt, die größer sind
führte Kraftstoffmenge um die Regeneriermenge
als der Durchsatz durch eine Kalibrieröffnung von
reduziert werden.
1 mm Durchmesser. Dabei muss das System zwischen
Die Funktion der Tankentlüftungsventile wird über Normalleck (zum Beispiel undichte Schlauchverbin-
die Regelbarkeit bei kleinen Durchsatzmengen und dung, Tankbeschädigung) und Grobleck (Tankdeckel
maximalem Durchsatz bestimmt. Das Regenerieren fehlt) unterscheiden können.
des Aktivkohlebehälters sollte schon bei Leerlauf- Bei der fahrzeugseitigen Umsetzung dieser Gesetzge-
drehzahl des Motors möglich sein, was jedoch auf- bung stellte sich heraus, dass der technische Aufwand
grund des hohen Differenzdruckes und der geringen wesentlich größer wurde, als zunächst angenommen.
Gesamtmenge des benötigten Kraftstoffes eine hohe Insbesondere bewirken die unterschiedlichen Klima-
Regelgenauigkeit des Tankentlüftungsventils erfor- und Einsatzbedingungen zusammen mit dem jeweili-
dert. Gleichzeitig möchte man auch große Regene- gen Tankfüllstand ein breites Band von zu adaptie-
riermengen im Teil- und Volllastbereich darstellen, renden Parametern. Trotz der Problematiken bei der
was aber aufgrund des in diesem Motorbetrieb gerin- Umsetzung im Fahrzeug wurde eine weitere Ver-
gen Unterdruckes einen großen Strömungsquerschnitt schärfung der Gesetzgebung durch die Herabsetzung
erfordert. Darüber hinaus sollten die Tankentlüf- des Durchmessers der Kalibrieröffnung von 1 auf
tungsventile klein bauen und eine möglichst geringe 0,5 mm beschlossen.
Geräuschabstrahlung haben. Die Montage erfolgt ent- Die Tankdiagnose kann mit Unterdruck- und Über-
weder an der Karosserie, dem Saugrohr oder auch drucksystemen ausgeführt werden. Beide Systemar-
dem Aktivkohlebehälter, soweit dieser motornah ten weisen unabhängig von den verwendeten Kom-
montiert ist. ponenten grundsätzliche Vor- und Nachteile auf. Die
Aufgrund unterschiedlicher Emissionsgesetzgebun- Gesetzgebung erlaubt die Diagnose sowohl bei Fahr-
gen sowie Funktions- und Applikationsanforderungen zeugbetrieb als auch im Stillstand, wobei die Über-
haben sich eine Vielzahl von verschiedenen Tankent- drucksysteme im Fahrzeugbetrieb einige Vorteile
lüftungsventilen entwickelt, Bild 19-18. Dabei unter- aufweisen und die Unterdruckmethode eher im Fahr-
scheidet man zwischen niederfrequenten Ventilen zeugstillstand bei der 0,5 mm Gesetzgebung favori-
(5 bis 20 Hz) mit pulsierendem Durchsatz und hoch- siert wird. Bei der Entscheidung zu Gunsten einer
frequenten Ventilen (> 100 Hz) mit kontinuierlichem bestimmten Diagnoseart können sowohl technische
Durchsatz.
19.6 Verdunstungsemission, Komponenten 803

Tankentlüftungsventil Druckausgeglichendes Ventil

Regelventil Regelventil
membrangesteuert stromgesteuert

Bild 19-18 Bauarten von Tankentlüftungsventilen (Quelle: Continental Automotive GmbH)

(zum Beispiel Tankvolumen, Tankform, Bauraum) 19.6.2.1 Tankdiagnose mit Überdruck


als auch marktbedingte Aspekte den Ausschlag geben
(zum Beispiel Fahrzeug wird nur mit OBD II System Bei der Siemens-Überdrucktankdiagnosepumpe
verkauft, Fahrzeug wird alternativ auch ohne OBD II (LDP I), Bild 19-19, wird mittels des Saugrohrunter-
System angeboten, Stückpreis pro System im Ver- druckes über ein getaktetes Dreiwegeventil und einer
hältnis zu Applikationskosten etc.). Darüber hinaus federbelasteten Membrane im Tanksystem ein Über-
werden die bisher gemachten Erfahrungen ebenso wie druck bis zu circa 20 hPa aufgebracht.
die Strategie des Fahrzeugherstellers die System- Über die Pumpmembrane wird mittels eines Schalters
auswahl maßgeblich beeinflussen. In Europa hat man die Positionsveränderung erfasst und die entspre-
im Übrigen von der Leckdiagnose Abstand genom- chende Abfallzeit mit den im Steuergerät hinterlegten
men, da der erforderliche Aufwand als unverhältnis- Sollvorgaben abgeglichen. Dabei kann durch einen
mäßig hoch angesehen wird. Als einziges System Soll-Ist-Vergleich die Dichtigkeit des Tanksystems
wird in Zukunft eine Diagnose für einen korrekt bewertet werden.
montierten Tankdeckel gefordert, wobei hier ein Bei der Erkennung eines undichten Tanksystems wird
mechanischer beziehungsweise elektrischer Schalt- die Diagnose nochmals wiederholt, um alle Umge-
kontakt ausreicht. bungseinflüsse auszuschalten. Erst nach der gleichen
804 19 Aktuatoren

bungstemperatureinflüsse unter Berücksichtigung des


idealen Gasgesetzes zur Tankdichtheitsdiagnose (Nor-
malleck). Die NVLD-Einheit ist dabei direkt mit dem
Tank beziehungsweise Aktivkohlebehälter verbun-
den. Über ein elektromagnetisch geschaltetes Ventil
wird bei Motorbetrieb die Belüftung zur Atmosphäre
geöffnet.
Bei nicht betriebenem Fahrzeugmotor wird das Ventil
geschlossen und damit ein zur Atmosphäre abgedich-
tetes Tanksystem erzeugt. Durch die unterschiedli-
chen Betriebszustände beziehungsweise Umgebungs-
einflüsse ergeben sich Temperaturunterschiede des
Tanksystems beziehungsweise des Kraftstoffs. Da das
Tanksystem nach außen komplett abgedichtet ist, be-
wirken diese Temperaturunterschiede Druckverände-
rungen im Tank. Diese Druckveränderungen wirken
auch auf die Diagnosemembrane, die wiederum mit
einem Kontaktschalter verbunden ist. Bei einem
dichten Tanksystem wird durch die Druckverände-
rung ein Schaltsignal erzeugt und von der Fahrzeug-
Bild 19-19 Überdruck-Tankdiagnosepumpe (Quelle: elektronik registriert. Bei Nichtauftreten des Schalter-
Continental Automotive GmbH) signals über eine bestimmte Zeit wird im Umkehr-
schluss auf eine Tankleckage geschlossen. Zusätzlich
Fehlererkennung bei zwei aufeinander folgenden besteht die Möglichkeit zur Erkennung der Grob-
Messungen wird über das Motorsteuergerät die OBD leckagen bei Motorbetrieb. Dabei wird das Magnet-
Warnlampe geschaltet. Durch zusätzlichen Software- ventil geschlossen und über das Tankentlüftungsven-
aufwand ist inzwischen auch bei der 0,5 mm Gesetz- til im Tank ein Unterdruck aufgebaut. Über die
gebung mit der LDP I eine zuverlässige Tankdia- Druckmembrane und den Kontaktschalter wird eine
gnose möglich (Bild 19-20). eventuell vorhandene Grobleckage erkannt. In die
NVLD-Einheit sind zusätzliche federbelastete Ventile
integriert, die sicherstellen, dass bestimmte Schwell-
19.6.2.2 Tankdiagnose mit Unterdruck
werte für das Druck- beziehungsweise Unterdruck-
Das Siemens-NVLD-System (Natural Vacuum Leak niveau bei geschlossenem Tanksystem nicht über-
Detection), Bilder 19-17 und 19-18, nutzt die Umge- schritten werden (Bild 19-21).

Motor-
steuer-
Saugrohrunterdruck gerät

Filter
LDP I
Tankent-
lüftungsventil
Saugrohr-
Bild 19-20 Schema Tank-
unterdruck diagnose mit Überdruck
Aktivkohle-
Tank
behälter
(Quelle: Continental Auto-
motive GmbH)
19.6 Verdunstungsemission, Komponenten 805

Saugrohrunterdruck

Magnetventil
(normal geschlossen) Tankentlüftungsventil

Unterdruckventil

Luftfilter Aktivkohle-
Überdruckventil Tank
behälter
Normal
offener Bild 19-21 Tankdiagnose mit
Unterdruck-
schalter Unterdruck (Siemens-NVLD-
System) (Quelle: Continental
NVLD Komponente
Automotive GmbH)

Literatur [5] Leonhard, W.: Control of Electrical Drives. Springer, 1985


[6] Luft, J.: Elektromotorischer Systembaukasten Ansätze zur Ge-
[1] Moczala, H. et al.: Elektrische Kleinstmotoren und ihr Einsatz. wichts- und Bauraumreduzierung. VDO, 1995
Expert-Verlag, 1979 [7] Mönch, L.: Überwachung im Verkehr befindlicher Fahrzeuge –
[2] Richter, C.: Elektrische Stellantriebe kleiner Leistung. VDE- AU – OBD – Wohin geht der Weg, IAV 5th Conference On-
Verlag, 1988 Board Diagnostics, April 2011, Braunschweig
[3] Kenjo, T.; Nagamori, S.: Permanent Magnet and Brushless DC [8] Netterscheid, M.: Konzept zukünftiger Diagnosen im Bereich
Motors, Oxford Science Publications der Abgasnachbehandlung beim Dieselmotor, IAV 5th Confe-
[4] Vogt, K.: Berechnung elektrischer Maschinen. VCH, 1996 rence On-Board Diagnostics, April 2011, Braunschweig
806 20 Kühlung von Verbrennungsmotoren

20 Kühlung von Verbrennungsmotoren

20.1 Allgemeines Energie des


Kraftstoffs
Die steigenden Anforderungen bezüglich Kraftstoff- 100,0 %
verbrauch, Abgasemissionen, Lebensdauer, Fahrkom-
fort und Package haben dazu geführt, dass moderne
Kühlanlagen von Verbrennungsmotoren im Kraft-
fahrzeug mit wenigen Ausnahmen die folgenden Auspuffgase 44,0 %
Merkmale aufweisen:
x Wasserkühlung der Motoren mit Zwangsumlauf
Kühlsystem 29,7 %
des Kühlmittels durch eine über Riemen ange-
triebene Kreiselpumpe Strahlung und
x Betrieb des Kühlsystems bei bis zu 1,5 bar Über- Konvektion 5,5 %
druck
x Einsatz einer Mischung von Wasser und Frost- Energie an der Kurbelwelle 20,8 %

schutzmittel, meist Äthylenglykol mit einem Vo-


lumenanteil von 30 bis 50 %
Bild 20-1 Energiehaushalt in einem wassergekühlten
x Aluminium in korrosionsbeständigen Legierungen
1,9-l-Ottomotor bei 90 km/h konstanter Fahrt im
als dominierender Kühlerwerkstoff
4. Gang
x Die Kühlmittel weisen zusätzlich Inhibitoren zum
Korrosionsschutz von Aluminiumkühlern auf
x Kunststoff als dominierender Werkstoff für Was-
Üblicherweise werden für die Auslegung von Kühl-
serkästen, Lüfter und Lüfterzarge
anlagen mehrere thermisch kritische Fahrzustände
x Regelungseingriffe über den Lüfterantrieb und
überprüft wie „Maximalgeschwindigkeit in der Ebe-
den Kühlmittel-Thermostaten
ne“, „schnelle Bergfahrt“ oder „langsame Bergfahrt
x Einsatz von Ladeluft-, Motoröl-, Getriebeöl-, Hy-
mit Anhänger“. Ebenso werden Einsätze in Europa
drauliköl- und Abgaskühlern je nach Motortyp,
oder in Heißländern unterschieden. Immer sind Fahr-
Motorleistung und Ausrüstungsmerkmalen
geschwindigkeit, Umgebungstemperatur, abzufüh-
x Vormontieren aller Kühlungskomponenten des
rende Wärmemengen und die Sollwerte für maximal
Frontendbereichs in einer funktionalen Einheit,
zulässige Kühlmittel-, Ladeluft- und Öltemperaturen
dem sogenannten Kühlmodul.
vorgegeben. Typische Faustformeln und Sollwerte für
Neben den zahlreichen Entwicklungsaktivitäten für die wesentlichen Kühlungsarten sind in Bild 20-2
noch kompaktere, leichtere und effizientere Kompo- zusammengestellt.
nenten bekommt vor allem die elektronisch geregelte Bandbreiten bei verschiedenen Betriebsbedingungen
Kühlanlage immer mehr Bedeutung im Hinblick auf von schwächster Pkw-Motorisierung bis zu stärkster
die eingangs erwähnten Anforderungen. Nkw-Motorisierung sind:

20.2 Anforderungen an das Kühlsystem Maximale Kühlmitteltemperatur 100 °C bis 120 °C


Maximaler Kühlmitteldurchsatz 5.000 bis35.000 l/h,
Im Zylinderinnern eines Verbrennungsmotors treten Maximaler Ladeluftdurchsatz 0,05 bis 0,6 kg/s,
kurzzeitig Spitzentemperaturen über 2.000 °C auf. Maximale Ladelufteintrittstemperaturen
Ladungswechsel, Expansionsvorgänge etc. zwischen 110 bis 260 °C
den Zündungen führen jedoch zu wesentlich geringe- (bei 25 °C Umgebungstemp.)
ren mittleren Temperaturen. Trotzdem muss durch
Kühlung der gasbeaufschlagten Bauteile deren ther-
mische Überlastung verhindert und die Schmier- 20.3 Berechnungsgrundlagen
fähigkeit des Ölfilms zwischen Kolben und Zylinder- und Simulations-Tools
fläche erhalten werden.
Bei wassergekühlten Verbrennungsmotoren wird, je Bei den in Fahrzeugen eingesetzten Kühlern wird
nach Brennverfahren, grob gerechnet etwa ein Drittel Wärme von einem strömenden Medium 1 durch eine
der zugeführten Kraftstoffenergie über die Kühlung feste Wand an ein zweites strömendes Medium 2 vom
abgeführt, ein weiteres Drittel geht über das Abgas höheren zum tieferen Temperaturniveau übertragen,
verloren und ein Drittel wird in Nutzarbeit umgesetzt, Bild 20-3.
Bild 20-1.

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_20
20.3 Berechnungsgrundlagen und Simulations-Tools 807

Pkw Nkw (Euro IV)


Maximal aus dem Kühlmittel (KM) bezie-
hungsweise Ladeluft (LL) abzuführende
Wärmemenge QKM = 0,4 – 0,6 Pmech
beim Ottomotor QKM = 0,55 – 0,70 Pmech , QKM + QLL = 0,70 – 0,85 Pmech
beim Dieselmotor DI QLL = maximal 0,15 Pmech mit Abgasrückführung
QKM + QLL = 0,60 – 0,75 Pmech
ohne Abgasrückführung
Maximal zulässige Werte für die Temperatur- circa 80 K circa 65 K
differenz zwischen Kühlmittel am Kühler-
eintritt und Umgebungstemperatur
Maximal zulässige Werte für die Temperatur- circa 35 K circa 15 K
differenz zwischen Ladeluft am Kühleraustritt
und Umgebungstemperatur

Bild 20-2 Sollwerte für Kühlungsarten

Die Wärmeübergangszahlen D können durch Rippen


gegenüber den glatten Flächen erhöht werden. Es ist
Wand

Luft Wasser aber darauf zu achten, ob mit dem dadurch erhöhten


Strömungswiderstand der Medien und der notwendi-
gen höheren Förderenergie insgesamt ein Vorteil
Wärmestrom erzielt wird.
t1 Grundsätzliches Ziel der Auslegung der Kühlanlage
t1′
ist, die geforderten Kühlleistungen mit möglichst
Temperaturgefälle kompakten, leichten und kostengünstigen Kühlern
t1 – t2 innerhalb des verfügbaren Bauraums zur Verfügung
t2′
zu stellen. Dafür ist ein Optimierungsprozess hin-
t2 sichtlich der Anordnung und Dimensionierung der
Wärmeübertrager im Modul, der Auswahl der Rip-
pen/Rohr-Geometrie der Kühler, der Leistungsauf-
nahme des Lüfters, der Abstimmung auf die fahr-
zeugseitigen Randbedingungen, oftmals auch des cw-
Wertes und des Crash-Verhaltens durchzuführen.
Gängiges Hilfsmittel für die Auslegung sind analy-
tische Programme zur Wärmeübertrager-Berechnung
nach der eindimensionalen Stromfadentheorie. Bei
Bild 20-3 Temperaturverlauf bei Wärmedurchgang Vorgabe der Kühlergeometrie, der Wärmeübergangs-,
von der Wasserseite mit der hohen Temperatur t1 Wärmeleitungs- und Druckabfallbeziehungen sowie
durch eine Wand an die Luftseite mit der niedrigen der Stoffströme können aus den Eintrittsgrößen
Temperatur t2, t1c und t2c sind die Oberflächen- Druck und Temperatur die gleichen Größen am Aus-
temperaturen auf beiden Seiten der Trennwand tritt des Wärmeübertragers berechnet werden. Unter-
stützt mit empirischen Daten aus langjähriger Messer-
fahrung mit einer großen Bandbreite von Ausfüh-
Diese Wärmemenge berechnet sich mit den in Bild rungen können mit diesen Korrelationen im Rahmen
20-3 dargestellten Größen nach: der Ähnlichkeitstheorie Rippen-/Rohr-Varianten in
O unterschiedlichen Abmessungen und für beliebige
Q D1 ˜ A ˜ (t1  t1c ) ˜ A ˜ (t1c  t2c ) D 2 ˜ A ˜ (t2c  t2 ) Betriebspunkte sehr zielgenau vorausgerechnet wer-
G
den.
Q Q ˜ G Q
(t1  t1c ) ; (t1c  t2c ) ; (t2c  t2 ) ; Heute sind fast nur noch Auslegungen ganzer Kühl-
D1 ˜ A O˜A D2 ˜ A module mit Voll- und Teilüberdeckungen von Wär-
Q § 1 G 1 · 1 Q (20.1) meübertragern, Lüftern und Zargen gefordert. Ent-
t1  t2 ˜¨   ¸ ˜ sprechend werden für diese Module sogenannte
A © D1 O D 2 ¹ k A Topologie-Modelle, Bild 20-4, mit mehreren Strom-
Q k ˜ A ˜ (t1  t2 ) pfaden erstellt, von denen jeder wieder nach der
808 20 Kühlung von Verbrennungsmotoren

DPF
LU Z
117
116
SV 1
115
KMK
1
114 Air
MÖK
112 SV 2
WIn
d 125
KMK KM 111
MÖK LU KMK
MÖL 124
2
MÖK KON EL1
1 224
123 SV 3
MÖL
AC 135
AC LU NT-K
M
134 K EL2
KM KON
KON 133
2 234
NT-KMK
QGÖ
KON KM 144 L
QAC
NT-KMK QMÖ 143
142 L
Refrigerant QMOT
154
Coolant
Oil

Bild 20-4 Topologie-Modell für eine eindimensionale Simulation einer Kühlanlage im Fahrzeug

Stromfadentheorie berechnet werden kann. Die ge- Windkanal erhält man ein zuverlässiges und schnelles
genseitige Beeinflussung der Komponenten wird von Simulationshilfsmittel, das den Bedarf an Fahrzeug-
den Berechnungscodes berücksichtigt. messungen deutlich reduziert.
Schließlich wird dieses Hilfsmittel um Elemente wie Die nächste Zukunft wird die Kopplung von analyti-
Fahrtwind, Lüfter und alle druckerhöhenden Systeme schen eindimensionalen Verfahren mit den nume-
im Fahrzeug wie zum Beispiel Kühlergrill und Mo- rischen dreidimensionalen CFD-Methoden bringen,
torraumdurchströmung ergänzt. Damit wird die itera- da von diesen die detaillierte Bestimmung der sehr
tive Berechnung des Kühlluftdurchsatzes im Fahr- komplexen Kühlluftströmung im Motorraum zu er-
zeug und folglich aller thermodynamischen Kenngrö- halten ist, Bild 20-5.
ßen der Kühlanlage möglich. Gekoppelt mit einer
breiten Erfahrung aus Kühlleistungsmessungen im
20.4 Subsysteme der Motorkühlung
20.4.1 Kühlmittelkühlung
Die früher üblichen Buntmetallkühler mit Kupfer-
rippen und Messingrohren sind in Europa fast völlig
verschwunden. Sie wurden bei Pkw seit 1975 und bei
Nkw seit 1988 durch immer weiterentwickelte Al-
Legierungen ersetzt, die einen Gewichtsvorteil von
bis zu 30 % bei hoher Druckfestigkeit durch die
Hartlötung und bessere Korrosionsbeständigkeit
bieten.
Rohre und Rippen bilden die sogenannte Kühler-
matrix. Man unterscheidet hier:
Mechanisch gefügte Rippen-Rohr-Systeme aus run-
den oder ovalen Rohren und darübergesteckten ge-
stanzten Rippen, die durch Aufweiten der Rohre
miteinander verbunden werden, Bild 20-6. Diese
Systeme decken typischerweise das untere Leistungs-
segment ab, reichen aber durch verbesserte Aufweit-
technik mit immer schmäleren Ovalrohren immer
weiter an das Leistungsspektrum gelöteter Systeme
aus lotplattierten Flachrohren und gewalzten Wellrip-
pen heran. Diese werden heute üblicherweise mit nur
einem Rohr in der Systemtiefe gefertigt, das zur
Bild 20-5 CFD-Simulation der Kühlluft-Strömung Festigkeitssteigerung mit Sicken versehen sein kann,
im Vorderwagen eines Pkw Bild 20-7.
20.4 Subsysteme der Motorkühlung 809

18 14.8

12

15

13 26

Bild 20-6 Mechanisch gefüg-


te Rippen-/Rohr-Systeme für
Ø6 Kühlmittelkühler mit runden
Rohren und Flachovalrohren

10

42

Bild 20-7 Gelötetes Flach-


2 rohr-System für Kühlmittel-
mit Turblenzblech ohne
kühler

Systemtiefen (Erstreckung in Kühlluftströmungsrich- identischen Rohrböden und Wasserkästen nur über


tung) reichen vom kleinsten Pkw- bis zum größten die Rohrlänge gebildet werden können, Bild 20-8.
Nkw-Kühler von 14 mm bis 60 mm, bei Buntmetall- Die Wasserkästen werden grundsätzlich aus glas-
kühlern sogar bis über 80 mm, die kühlluftseitigen faserverstärktem Polyamid hergestellt und mit einer
Stirnflächen von 15 dm2 bis 100 dm2. In Europa hat Dichtung und Bördelung auf den Kühlerblock
sich Aluminium als Kühlerwerkstoff weitgehend montiert.
durchgesetzt. In USA und Japan sind auch Buntme-
tall-Systeme weiterhin verbreitet. Als weitere regio- 20.4.1.1 Kühlerschutzmittel
nale Unterschiede werden Kühlmittelkühler für Pkw
in Europa hauptsächlich im Querstrom, also mit In einem flüssigkeitsgekühlten Verbrennungsmotor
horizontal verlaufenden Rohren, ausgeführt, Bild wird die Verlustwärme zur Vermeidung von Über-
20-8, in Japan häufig auch im Fallstrom. Im Nkw hitzung mit einem Kühlmittel an die Umgebung
sind innerhalb des Fahrzeugrahmens Anordnungen abgeführt. Kühlmittel sind wie die Schmier- und
im Fallstrom, also mit vertikal verlaufenden Rohren, Kraftstoffe Betriebsstoffe und müssen den folgenden
weiter verbreitet, da dann Leistungsvarianten bei Forderungen gerecht werden:
810 20 Kühlung von Verbrennungsmotoren

Bild 20-8 Kühlmittelkühler


für Pkw in Querstromanord-
nung sowie Nkw-Kühlmodul
mit Kühlmittelkühler in Fall-
stromanordnung

x optimale Wärmeübertragungseigenschaften Das Kühlerschutzmittel besteht aus circa 90 % Mo-


x hohe Wärmekapazität noethylenglykol (1,2-Ethandiol), 7 % Additiven und
x geringe Verdampfungsverluste 3 % Wasser. Das Monoethylenglykol führt in Mi-
x gute Frostschutzeigenschaften schung mit Leitungswasser unter anderen zu einer
x Korrosions-, Erosions- und Kavitationsschutz aller Gefrierpunkterniedrigung des Kühlmittels und schützt
metallischen Werkstoffe den gesamten Motorkühlkreislauf im Winter vor
x Verträglichkeit mit Elastomeren, Kunststoffen und Einfrieren, beispielsweise für eine übliche 1 : 1-Mi-
Beschichtungen schung bis circa  38 °C. In manchen Produkten ist
x Vermeidung von Ablagerungen (Fouling) und das Monoethylenglykol durch Monopropylenglykol
Verstopfungen (1,2-Propandiol) ersetzt. Die Additive umfassen Sub-
x Temperaturstabilität stanzen für den Korrosionsschutz (Inhibitoren) und
x geringer Wartungsaufwand die Pufferung, Antischaummittel und Farbstoffe. Da-
x hohe Lebensdauer bei sind die Inhibitoren von essentieller Bedeutung
x einfache Handhabung für die Lebensdauer des gesamten Motorkühlkreis-
x geringe Betriebsstoffkosten laufes und bestimmen maßgeblich die Qualität eines
x Verträglichkeit mit der Umwelt. Kühlerschutzmittels. Durch die Wirksamkeit der Inhi-
bitoren werden die in einem Motorkühlkreislauf be-
Im Allgemeinen besteht das Kühlmittel aus einer findlichen Werkstoffe zusätzlich vor Korrosion über
Mischung von Leitungswasser mit einem von den das Kühlmittel geschützt.
Automobil- und Motorenherstellern geprüften und Vor der Zulassung eines Kühlerschutzmittels wird
freigegebenen Kühlerschutzmittel, meist mit einem in umfangreichen Labor- und Technikumsprüfungen
Anteil von jeweils 50 Volumenprozent. Das Lei- insbesondere das Korrosionsschutzvermögen er-
tungswasser kann je nach Herkunft erhebliche Quali- mittelt. Nach dem erfolgreichen Abschluss der
tätsunterschiede aufweisen und die Wirksamkeit des wichtigsten Testverfahren wie Glaswarentest nach
Kühlmittels erheblich beeinflussen. Daher werden ASTM D 1384, Klopfkammertest nach MTU,
Mindestanforderungen an die Qualität des Leitungs- FVV-Heißkorrosionstest, FVV-Druckalterung, FVV-
wassers gestellt, Bild 20-9. Schwingversuch, Wasserpumpentest nach ASTM

Eigenschaft Maßeinheit Anforderung


Aussehen – farblos, klar
Bodensatz [mg] 0
pH-Wert – 6,5 – 8,0
Summe der Erdalkalien [mmol/l] 0,9 – 2,7
Hydrogencarbonat [mg/l] d 100
Chloridgehalt [mg/l] d 100 Bild 20-9 Mindestanforde-
rungen an die Qualität des
Sulfatgehalt [mg/l] d 100
Leitungswassers
20.4 Subsysteme der Motorkühlung 811

D 2809 und Umlauftest nach ASTM D 2570 erfolgt niedrigere Temperatur die thermische Belastung des
durch die Automobilhersteller der letztlich für die Motors und führt zu geringeren NOx-Anteilen im
Produktfreigabe entscheidende Fahrzeugflottentest. Abgas.
Bei diesem Praxistest unter den realen Bedingungen Ladeluftkühler sind vorzugsweise gelötete Flachrohr-
im Straßenverkehr werden die Motorkühlkreisläufe kühler aus Aluminium und direkt von Kühlluft ge-
der Versuchsfahrzeuge in der Regel nach einer Kilo- kühlt. Die Systemtiefen reichen von circa 30 mm bis
meterleistung von circa 100.000 km komplett zerlegt zu über 100 mm, die Stirnflächen von 3 dm2 bei Pkw
und auf mögliche Korrosions-, Erosions- und Kavita- bis zu 100 dm2 bei Nkw. Im Pkw sind viele Anord-
tionsschäden untersucht und bewertet. Auch die Ver- nungen gebräuchlich: großflächig vor dem Kühlmit-
träglichkeit mit Dichtungs- und Schlauchwerkstoffen telkühler, lang und schlank unter oder neben dem
sowie mit Kunststoffen spielt eine wichtige Rolle. Kühlmittelkühler oder ganz abseits des Moduls zum
Zusammen mit den gewonnenen Informationen zum Beispiel im Bereich des Radkastens; daher die große
Testverhalten des Kühlmittels ergibt sich ein aus- Bandbreite in den Systemtiefen. Die Luftkästen sind
sagekräftiges Gesamtbild über die Eignung des Küh- fast ausnahmslos aus Kunststoff. Im Nkw sind groß-
lerschutzmittels. flächige Querstromanordnungen vor dem Kühlmittel-
In Abhängigkeit der Fahrbetriebsbedingungen unter- kühler am weitesten verbreitet, an deren Luftkästen
liegt das Kühlmittel einer natürlichen Alterung. bevorzugt die Halterung des gesamten Moduls ange-
Daher ist es notwendig, die Service- und Wartungs- bracht ist, wodurch der Ladeluftkühler zum tragenden
vorgaben der Automobil- und Motorenhersteller ein- Element des Moduls wird. Die bisher üblichen Al-
zuhalten. Der vollständige Wechsel des Kühlmittels Guss-Ausführungen der Luftkästen werden mehr und
erfolgt üblicherweise nach 100.000 km oder nach mehr durch hochtemperaturfeste Kunststoffe ersetzt,
zwei Jahren für Pkw oder nach einem Jahr für Nkw. Bild 20-10.
Neuentwicklungen von Kühlerschutzmitteln auf der
Basis von organischen Inhibitoren erhöhen die
Gebrauchsfähigkeit des Kühlmittels und leisten einen
Beitrag zur Reduzierung von Kosten und Ressourcen.
Ihre Bedeutung am Markt nimmt ständig zu.

20.4.2 Ladeluftkühlung
Die Aufladung mit gekühlter Ladeluft wird vor dem
Hintergrund der Steigerung der Leistungsdichte, der
Verbrauchs- und Emissionsreduzierung mittlerweile
bei Nkw-Dieselmotoren immer, bei Pkw-Diesel-
motoren fast immer eingesetzt. Im Zuge der Weiter-
entwicklung von Ottomotoren findet sie auch dort
mehr Beachtung als bisher. Die mit der sinkenden
Ladelufttemperatur erreichte Dichtesteigerung kann
infolge einer verbesserten Zylinderfüllung in höhere Bild 20-10 Ladeluftkühler mit Luftkästen aus hoch-
Leistung umgesetzt werden. Außerdem verringert die temperaturfestem Kunststoff für einen leichten Nkw

Kühlmittel

Thermostat

Kühlluft Haupt-
Kühlmittel- Turbolader
kühler Motor

Pumpe

Nieder-
Temperatur- Ladeluft/ Ladeluft Bild 20-11 Schema eines
Kühlmittel- Kühlmittel- Kühlkreislaufs für Pkw mit
kühler Kühler
indirekter Ladeluftkühlung in
einem separaten Niedertempe-
Zusatzpumpe
raturkreislauf
812 20 Kühlung von Verbrennungsmotoren

Eine aktuelle Tendenz ist die Ladeluftkühlung per Nkw. Entsprechend groß ist die Bandbreite in den
Kühlmittel, Bild 20-11. Im Vergleich zu den heu- Abmessungen. Allein die Länge variiert von circa
tigen, luftgekühlten Systemen verringert sich bei ihr 100 mm bis zu circa 700 mm. Serieneinsätze gibt
der ladeluftseitige Druckabfall. Außerdem wird kost- es bereits bei Pkw und ihre Zahl ist zunehmend, Bild
barer Bauraum in der Fahrzeugfront gespart und die 20-13.
Fahrdynamik verbessert sich. Bisher findet diese
Technologie hauptsächlich in kleineren Stückzahlen 20.4.4 Ölkühlung
bei leistungsstarken Motoren für Oberklassen-Fahr-
zeuge Anwendung. Es ist aber damit zu rechnen, dass Ein Teil der Verlustwärme des Motors wird vom
die kühlmittelgekühlte Ladeluftkühlung bei zukünfti- Schmieröl aufgenommen. Bei stärkerer Motorisie-
gen Motor- und Fahrzeugentwicklungen verstärkt be- rung genügt zur Einhaltung der maximal zulässigen
rücksichtigt werden wird. Öltemperatur die Kühlung über die Ölwanne nicht
mehr, so dass ein Motorölkühler eingesetzt werden
muss.
20.4.3 Abgaskühlung Motorölkühler werden im Pkw bevorzugt motornah
Dieselmotoren müssen zunehmend schärfere Emissi- in Rundscheiben-, Stapelscheiben- oder Flachrohr-
onsgrenzwerte erfüllen, Bild 20-12. Diese Grenz- bauweise aus Aluminium ausgeführt, Bild 20-14,
werte, zurzeit als Euro-4-Stufe definiert, können
verbrauchsgünstig erreicht werden, wenn die vom 0.2
Pkw her bekannte Abgasrückführung (AGR) zusätz-
1993
lich eine Kühlung über einen Abgaskühler erhält.
Durch die Beimischung und Kühlung nicht brennba- 0.15
rer Abgasanteile zur Zylinderfüllung wird die Ver-
Partikel (g/km)

brennungstemperatur und damit der NOx-Gehalt des


Abgases verringert. 0.1
Da Abgaskühler vor allem bei Nkw sehr hohen Tem-
peraturen sowie starker Korrosionsbeanspruchung 1996

ausgesetzt sind, ist hier Edelstahl als Werkstoff un- 0.05


2000
umgänglich. Als Fügeverfahren sind das Laser-
Schweißen oder Nickel-Löten üblich. Konstruktiv 2005
sind diese Kühler als Rohrbündel ausgeführt, wobei 0
die abgasführenden Rohre einfache Rundrohre oder 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2
Rohre mit speziellen leistungssteigernden, aber ver- HC + NOx (g/km)
schmutzungsunanfälligen Maßnahmen sein können.
Die Leistungen reichen für die Gesetzgebungsstufe Bild 20-12 Emissionsgrenzwerte für Pkw-Dieselmo-
Euro 4 von circa 2 kW bei Pkw bis zu 80 kW bei toren Europa von 1993 bis 2005

Bild 20-13 Zweiflutiger


AGR-Kühler mit AGR-Ven-
tilen für einen Pkw-V8-Die-
selmotor
20.4 Subsysteme der Motorkühlung 813

Bild 20-14 Ölkühler in


Stapelscheibenbauweise

so dass die Kühlung indirekt mit Kühlmittel erfolgt.


Auch direkte Kühlung mit Öl-/Luft-Kühlern ist ge-
bräuchlich, wofür sehr druckfeste gelötete Flachrohr-
Ausführungen in Aluminium im Kühlmodul ange-
ordnet werden. Bei Nkw erfolgt die Kühlung immer
mit Kühlmittel, wobei die Kühler üblicherweise in
eine Öffnung des Kurbelgehäuses eingebaut werden,
wo sie dem Hauptstrom des Kühlmittels ausgesetzt
sind. Die verbreitetste Bauweise sind Plattenkühler
aus Edelstahl, die auf der Innenseite mit Turbulenz-
einlagen bestückt und von Öl durchströmt sind.
Neuerdings ist auch hier der Ersatz durch Al-Kühler
bei höherer Leistung, vergleichbarer Festigkeit, aber
etwa halbiertem Gewicht möglich.
Getriebeölkühler bei Pkw mit Automatikgetriebe
können wiederum luftgekühlte Flachrohr-Ausführun- Bild 20-15 Pkw-Lüfter mit gesichelten Blättern und
gen sein oder sie können als sehr schlanke, lang ge- Mantelring für Antrieb mit Elektromotor
streckte Flachrohrkühler im Wasserkasten von Kühl-
mittelkühlern eingebaut sein, wo sie vom Kühlmittel Bei Pkw werden Lüfter in einfacher oder doppelter
gekühlt werden. Die letztere Ausführung dominiert Anordnung meist saugend eingesetzt mit maximalen
heute, wenngleich auch im Modul montierte Stapel- Lüfterdurchmessern von circa 520 mm. Bis auf die
scheibenkühler mehr und mehr Verbreitung finden. leistungsstärksten Motorisierungen werden Elektro-
Hydrauliköl ist im Fall von Lenkhilfe- oder sonstigen motoren als Lüfterantrieb eingesetzt. Sie nehmen bis
Servosystemen zu kühlen. Dies erfolgt meist über zu 850 W elektrischer Leistung auf, wobei eine
einfache Rohrschlangen am Kühlmodul, in selteneren stufige Drehzahlvariation über Vorwiderstände oder
Fällen auch mit langen Rohrgabeln, die über mecha- eine stufenlose Drehzahlvariation mit bürstenlosen
nische Aufweitung mit einem Rippenpaket bestückt Elektromotoren vorgesehen wird. Das obere Leis-
sind. tungssegment bei Pkw sowie der ganze Bereich der
Nkw wird mit Viskositäts-Kupplungen als Lüfteran-
20.4.5 Lüfter und Lüfterantriebe trieb ausgestattet, Bild 20-16. Hierbei wird eine von
Lüfter für die Motorkühlung werden heute fast aus- der Kurbelwelle oder einer motorseitigen Überset-
nahmslos in axialer Bauart in Kunststoff ausgeführt. zung – meist die der Kühlmittelpumpe – vorgegebene
Zu der axialen Beschaufelung kommen je nach Be- Antriebsdrehzahl der Primärseite durch Ölreibung auf
triebszuständen im Fahrzeug noch Mantelringe und eine Sekundärseite übertragen, die mit dem Lüfter
Einlaufdüsen an den Blattspitzen hinzu. Weitere ty- verbunden ist. Über eine regelbare Ölfüllung der
pische Lüftermerkmale können gesichelte Blätter und Kupplung kann die Lüfterdrehzahl von einer Leer-
ungleichmäßige Blattteilung sein, Bild 20-15. Mit laufdrehzahl bis knapp unter die Antriebsdrehzahl
solchen Maßnahmen kann günstig auf den Lüfterwir- variiert werden. Der maximal bei Nkw eingesetzte
kungsgrad und die Geräuschemission eingewirkt Lüfterdurchmesser liegt bei 815 mm mit Leistungs-
werden. aufnahme bis circa 30 kW.
814 20 Kühlung von Verbrennungsmotoren

einheit mit Antrieb einschließen, Bild 20-17. Die


Modultechnik, die seit Ende der 1980er Jahre immer
mehr Verbreitung findet, bietet prinzipiell mehrere
technische und wirtschaftliche Vorteile:
x optimale Auslegung und Abstimmung der Kom-
ponenten
x dadurch besserer Wirkungsgrad im Fahrzeug oder
kleinere und billigere Komponenten möglich
x weniger Aufwand beim Fahrzeughersteller für
Entwicklung, Erprobung, Logistik und Montage.
In normalen Straßenfahrzeugen werden fast aus-
schließlich karosseriefeste Kühlmodule eingesetzt,
die an den fahrzeugseitig vorhandenen Längs- und
Querträgern befestigt werden. Meist dient einer der
Wärmeübertrager als tragendes Modulelement, an
seine Wasser- oder Luftkästen und Seitenteile werden
die anderen Komponenten mittels Rast-, Klemm-
oder Clipsverbindung befestigt. Je mehr Komponen-
ten ein Kühlmodul enthält, desto geeigneter stellt sich
der Einsatz eines Tragrahmens zur Aufnahme aller
Modulbestandteile dar.

20.6 Gesamtsystem Motorkühlung


Die Auslegung der Kühlanlage ist durch kühlleis-
tungskritische Betriebszustände bestimmt wie zum
Beispiel Fahrten mit Höchstgeschwindigkeit oder
Bergfahrten mit hoher Anhängelast im Hochsommer
und mit eingeschalteter Klimaanlage. Diese kühlleis-
Bild 20-16 Viskositäts-Kupplung für den Antrieb tungskritischen Fahrzustände treten während der
von Nkw-Lüftern Fahrzeuglebensdauer jedoch äußerst selten auf. Dies
hat zur Folge, dass für den überwiegenden Teil der
Nutzungsdauer des Fahrzeuges für die Motorkühlung
20.5 Kühlmodule entweder zu hohe Fluidströme gefördert werden oder
Kühlmodule sind Baueinheiten, die aus verschiede- dass die Temperaturen in Kühlmittel oder Ölen zu
nen Komponenten zur Kühlung und eventuell Klima- niedrig oder zu hoch sind. Dadurch werden der Kraft-
tisierung eines Fahrzeugs bestehen und eine Lüfter- stoffverbrauch und die Abgasemissionen erhöht, der

Bild 20-17 Kühlmodul für Pkw-Einsatz mit Kühlmittelkühler, Ausgleichsbehälter, Klimakondensator, Kälte-
mittelsammler sowie E-Lüfter mit Zarge
20.6 Gesamtsystem Motorkühlung 815

Fahrkomfort beeinträchtigt und die Lebensdauer von


Motor und Anbauteilen verschlechtert.
Die Zielsetzung für zukünftige Kühlanlagen besteht
darin, durch eine bedarfsgerechte Regelung der Mo-
torkühlung alle Fluidtemperaturen und Stoffströme so
zu regeln, dass der Energiebedarf minimal ist bezie-
hungsweise je nach Priorität Komfort-, Emissions-
oder Lebensdauervorteile erzielt werden. Hierfür sind
zukünftig Regelungseingriffe in der Motorkühlung
erforderlich.
In heutigen Kühlanlagen sind folgende Regelungs-
eingriffe auf die Fluidströme, die sich am Kühl-
leistungsbedarf orientieren, schon realisiert:
x Ein Thermostat, dessen Wachselement die Tem-
peratur des ihn umströmenden Kühlmittels auf-
nimmt, sorgt für eine Aufteilung des Kühlmittel-
stroms durch den Kühlmittelkühler hindurch oder
an ihm vorbei über eine Kurzschlussleitung. So
kann bei sehr niedrigen Kühlmitteltemperaturen
eine Kühlung weitgehend vermieden und bei sehr Bild 20-18 Kühlmittelthermostat mit elektrischer Be-
hohen Temperaturen für maximale Kühlung ge- heizung des Wachselementes
sorgt werden.
x Elektrisch betriebene Lüfter werden in Abhängig-
Für den Thermostaten wurde diese Möglichkeit durch
keit der Kühlmitteltemperatur im Wasserkasten in
eine elektrische Beheizung des Wachselementes
verschiedenen Drehzahlstufen oder stufenlos zu-
geschaffen, Bild 20-18. Dadurch kann die Thermos-
geschaltet.
tatstellung unabhängig von der aktuellen Kühl-
x Bei Lüftern mit Viskositäts-Kupplung wird die
mitteltemperatur durch Sollwerte aus einem Kennfeld
Ölfüllung und damit die Lüfterdrehzahl in Ab-
vorgegeben werden. Die Möglichkeit einer Tempera-
hängigkeit der Kühllufttemperatur vor der Kupp-
turanhebung im Teillastbetrieb des Motors senkt den
lung geregelt. Heiße Kühlluft entsteht nach
Kraftstoffverbrauch.
Durchströmen heißer Wärmeübertrager. Dies ist
Der Kühlmittelstrom wird bei heutigen Fahrzeugen
ein Zeichen für hohen Kühlungsbedarf und führt
durch eine Kühlmittelpumpe erzeugt, die über einen
über ein Bimetallelement zum Zuschalten des Lüf-
Riementrieb proportional zur Motordrehzahl angetrie-
ters.
ben wird. Um zum Beispiel bei geringem Kühlleis-
x Alle weiteren Systeme sind auf kritische Betriebs-
tungsbedarf den Kühlmitteldurchsatz zu reduzieren,
bedingungen ausgelegt, werden dann aber ungere-
aber auch zum Beispiel in der Warmlaufphase dem
gelt betrieben. So wird die Kühlmittelpumpe über
Heizkörper mehr Kühlmittel zur Verfügung stellen zu
einen Riementrieb von der Kurbelwelle angetrie-
können, ist der zukünftige Einsatz von schaltbaren oder
ben; die Ladeluftkühlung erfolgt fast ausnahmslos
regelbaren Pumpen sinnvoll. Diese können bei Pkw als
ungeregelt; die Ölkühlung ist nur teilweise ther-
Elektropumpen ausgeführt werden. Für stärkere Moto-
mostatisch geregelt.
risierungen ist ein Bordnetz mit 42 V erforderlich.
Solche Kühlanlagen waren bisher ausreichend und Durch die Entkoppelung vom Motorriementrieb bietet
zeichnen sich durch einen sehr zuverlässigen Betrieb die Elektropumpe neue konstruktive Freiheiten. Alter-
aus. Die Zukunft wird aber auch hier, wie in vielen nativ kann der Kühlmittelstrom auch durch Einsatz von
anderen Systemen des Fahrzeugs, der elektronischen regelbaren Drosselorganen oder schaltbaren Kupplun-
Regelung gehören. Über ein Netz von Sensoren, die gen in Kombination mit der mechanischen Pumpe
den thermischen Zustand von Motor und Kühlanlage beeinflusst werden.
erfassen, wird ein Steuergerät mittels der abgelegten Neben der Regelung des Kühlmittelstromes im
Regelungskonzepte Eingriffe an Förderorganen Hauptkühlkreislauf gibt es auch Ansätze zur Auftei-
(Lüfter, Pumpen) und Stellorganen (Ventile, Klappen, lung des Kühlmittelstroms in mehrere Kreisläufe.
Jalousien) auslösen, um über eine bedarfsorientierte Hierzu gehört die in Kapitel 20.4.2 beschriebene
Kühlung Antriebsenergie an Nebenaggregaten einzu- indirekte Ladeluftkühlung in separaten oder an den
sparen, Abgas- und Geräuschemissionen günstig zu Hauptkreislauf angehängten Niedertemperaturkreis-
beeinflussen und im Sinne einer Komfortsteigerung läufen. Auch für Getriebeöltemperierung werden
und einer Verschleißreduzierung Aufheizphasen zu Schaltungen eingesetzt, über die der Wärmeübertra-
verkürzen. Dafür müssen alle Förder- und Stellorgane ger entweder mit heißem Kühlmittel zur Beheizung
ansteuerbar sein. des Öls während der Warmlaufphase versorgt wird
816 20 Kühlung von Verbrennungsmotoren

oder mit kaltem Kühlmittel aus einem Niedertempe- erreicht, da durch eine Abschottung des Motorraumes
raturteil zur Kühlung des Öls. Ein Thermostat sorgt von der kalten Umgebung Wärmeverluste vermindert
für die Umschaltung von Heizen auf Kühlen. werden.
Auch die geregelte Förderung und Drosselung der
Kühlluft birgt ein großes Verbesserungspotenzial für
die Zukunft. Die stufig schaltbaren E-Lüfter bei Pkw
Literatur
werden zunehmend durch drehzahlregelbare Lüfter [1] Mollenhauer, K.; Tschöke, H.: Handbuch Dieselmotoren. Berlin,
mit EC-Motoren ersetzt. Viskositäts-Kupplungen für Heidelberg: Springer, 2007
[2] Knauf, B.; Pantow. E.: Auslegung eines Kühlsystems mit elek-
Nkw sind inzwischen elektrisch ansteuerbar, indem trischer Kühlmittelpumpe. In: MTZ 66 (2005) 11
die Regelung der Ölfüllung nicht mehr über ein [3] Kemle, A.; Manski, R.; Weinbrenner, M.: Klimaanlagen mit er-
bimetallisch, sondern ein elektromagnetisch betätig- höhter Energieeffizienz. In: ATZ 09/2009, S. 650
[4] Strehlow, A.; Leuschner, J.; Scheffermann, J.: CFD-Simulation
tes Ventil erfolgt. Hierdurch wird eine Regelung der
in der Entwicklung von Hochleistungs-Wärmeübertragern. In:
Lüfterdrehzahl sowie eine schnelle Zu- und Ab- MTZ 69 (2008) 4
schaltung ermöglicht. [5] Edwards, S. u. a.: Emissionskonzepte und Kühlsysteme für Euro
Bei vielen Fahrzuständen sind die Lüfter ausgeschal- 6 bei schweren Nutzfahrzeugen. In: MTZ 69 (2008) 9
[6] Heinz, M.: Prozessautomatisierung für Motorkühlmodule mit
tet. Dennoch wird bei hohen Fahrgeschwindigkeiten
CFD. In: MTZ 69 (2008) 12
ein hoher Kühlluftstrom gefördert, was den Luftwi- [7] Berger, C.; Troßmann, T.; Kaiser, M.: Heißkühlung – Kühlmit-
derstand des Fahrzeuges erhöht. Der Einsatz von telzusätze auf dem Prüfstand. In: MTZ 69 (2008) 2
aerodynamisch optimierten Kühlluftjalousien kann [8] Williams, D. J.: Vermeidung von Kavitation in Kühlmittelpum-
pen. In: MTZ 70 (2009) 2
hier den Kraftstoffverbrauch und gleichzeitig die
[9] Thumm, A. u. a.: Hochleistungs-Kühlsysteme als Beitrag zur Er-
Geräuschemission senken. Zusätzlich wird im Winter füllung zukünftiger Abgasnormen. Wiener Motorensymposium,
ein schnelles Aufheizen von Fahrgastraum und Motor 2007
21.1 Gesetzliche Vorschriften 817

21 Abgasemissionen

Seit den Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts gibt es Partikel PM für die Europäische Union, die Vereinig-
in Kalifornien systematische Bestrebungen, die Aus- ten Staaten von Amerika und Japan besprochen. Die
wirkungen auf die Luftqualität durch die Massen- gesetzlich bestimmten Abgasemissionsgrenzwerte sind
motorisierung zu reduzieren. In Europa erregte der in unterschiedlichen Einheiten angegeben ([g/km],
Verkehr in den Sechzigerjahren durch die für den [g/Test] oder [g/Meile] und wurden für eine abschlie-
Menschen unmittelbar schädliche Kohlenmonoxid- ßende Betrachtung zu diesem Kapitel auf [g/km]
emission Aufmerksamkeit. Daraus ergab sich eine umgerechnet. Deshalb ist ein direkter Vergleich der
Begrenzung der unverbrannten Abgasbestandteile wie Abgas-Grenzwerte nur dann zulässig, wenn die Emis-
Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe. Durch die sionen nach dem gleichen Testzyklus gemessen wer-
tendenziell weitere Zunahme, der aus Verbrennungs- den. Dies trifft in der Regel jedoch meist nicht zu.
prozessen resultierenden Spurengase und deren Zur Abgasmessung von fabrikneuen Personenkraft-
Fernverfrachtung entstanden in den 1970er und 80er fahrzeugen im Rahmen der Typprüfung existiert welt-
Jahren, unter anderem aufgrund von saurem Regen weit eine Vielzahl von vorgeschriebenen Verfahren.
sowie Photooxidantien Schäden an Baumbeständen. Für Personenkraftwagen (Pkw) seien hier die wich-
Da Stickoxide und unverbrannte Kohlenwasserstoffe tigsten angeführt:
zur Bildung dieser Stoffe beitragen, ergab sich ein
• US Prozedur in der Fassung von 1975 (FTP 75)
unmittelbarer Handlungsbedarf zur Begrenzung der
mit Zusatz Testzyklen SC03 (mit Klimaanlage)
Emissionen dieser Stoffe. Dem wurde in den Verei-
und US06 (aggressive Fahrweise), US Highway
nigten Staaten mit der Einführung von Abgasgrenz-
Testzyklus
werten für den Straßenverkehr, beginnend mit dem
• EG ECE 15/04, EG MVEG-A Testzyklus
Jahr 1961, in Japan beginnend 1966 und in Europa ab
• Japanischer 10.15-mode-Test, Japanischer 11-
1970, Rechnung getragen.
mode-Kalttest, von 2005 bis 2011 Einführung des
Die unmittelbar für den Menschen schädlichen Koh-
neuen Testzyklus JC08M.
lenmonoxidemissionen konnten durch die gesetzten
Maßnahmen in den industrialisierten Ländern auf ein
unschädliches Maß herabgesetzt werden. Die drasti- 21.1.1 Europa
sche Limitierung der Stickoxid- und Kohlenwasser- Die europäische Emissions-Regulierung für neue
stoffemissionen Anfang der 1980er Jahre in den USA Personenkraftwagen wurde ursprünglich in der euro-
und Japan, sowie zu Ende der 1980er Jahre in den päischen Direktive 70/220/EEC spezifiziert. Darin
mitteleuropäischen Staaten, haben ebenfalls zu einer sind die von der United Nations Economic Commis-
weitgehenden Verringerung dieser Spurengase aus sion for Europe (ECE) definierten Grenzwerte (ECE
Personenkraftwagen und Kraftwerken in diesen Län- R15) enthalten. Änderungen zu dieser Regulierung
dern geführt. Derzeit ist jedoch in Europäischen schließen die Euro 1 und 2 Standards ein, die unter
Ballungsgebieten wieder ein Anstieg der NO2-Kon- der Direktive 93/59/EC Gültigkeit erlangten. Die in
zentrationen zu verzeichnen. der Direktive 98/69/EC publizierten Grenzwerte
Anfang der 1990er Jahre wurde deutlich, dass weitere, gemäß Euro 3 und 4 (2000/2005), wurden von einer
für den Menschen unschädliche Abgase aus Ver- Einführung verbesserter Kraftstoffqualitäten beglei-
brennungsprozessen die Erdatmosphäre beeinflussen tet. Es wurde eine minimale Dieselöl-Cetan-Zahl von
können. Diese Effekte, unter dem Begriff „Treibhaus- 51 verlangt und eine deutliche Absenkung der
effekt“ zusammengefasst, lenkten nunmehr die Auf- Schwefelgehalte sowohl im Benzin als auch im
merksamkeit auf die Kohlendioxidemission. Obwohl Dieselkraftstoff vorgeschrieben. Derzeit ist der
am Verkehrssektor der Verbrauch des Einzelfahrzeu- Euro-5-Standard gültig, welcher 2015 von Euro 6
ges stetig reduziert wurde, kam es aufgrund des abgelöst wird. Für Benzinantriebe wurden die Grenz-
zunehmenden Fahrzeugbestandes zur Gesamtver- werte nicht nennenswert geändert. Es kam jedoch ein
brauchszunahme beim Individualverkehr. Nun gilt es Partikelgrenzwert hinzu. Die Abgrenzwerte für Die-
Wege zu sparsamer Verwendung von Primärenergie- selantriebe werden an jene der Ottomotoren ange-
trägern und kohlenstoffreduzierten Kraftstoffen zu glichen. Hinzu kommt ein Grenzwert für die Partikel-
finden. anzahl pro Kilometer.
Als Fahrzyklus für diese Regulierungen kommt jener
21.1 Gesetzliche Vorschriften gemäß ECE R83 (91/441/EEC) zum Einsatz. Die
In diesem Abschnitt werden die Abgasemissions- Testausführung erfolgt nach 98/69/EC. Die zeitliche
grenzwerte von Kraftfahrzeugen für Kohlenmonoxid Entwicklung der Standards für Personenkraftwagen
CO, Kohlenwasserstoffe HC, Stickstoffoxide NOx und bis 2010 ist in Bild 21-1 dargestellt.
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_21
818 21 Abgasemissionen

35
ECE-Fahrzyklus Neuer
CO-Grenzwerte [g/km]

28 Fahrzeugmasse 1200 kg Europäischer


Hubraum 1,4 bis 2,0 l Fahrzyklus
21
EU
14 Euro II
Euro III
7 Euro IV

0
10
(HC+NOx)-Grenzwerte [g/km]

8 CVS-Verfahren, FID-Messung

4 Euro II
Euro III
2 Euro IV Bild 21-1 Zeitliche Entwick-
lung der Abgasstandards für
0 Personenkraftwagen mit
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Benzinmotor in der Euro-
Jahr
päischen Union bis 2010

Antrieb Emissions- CO HC HC+NOx NOx PM


Kategorie [g/km] [g/km] [g/km] [g/km] [g/km]
Diesel Euro 5 0,50 – 0,23 0,18 0,005
Euro 6 0,50 – 0,17 0,08 0,005 Bild 21-2 Aktuelle Abgas-
Benzin Euro 5 1,00 0,10 – 0,06 0,005 grenzwerte für Personenkraft-
wagen in der Europäischen
Euro 6 1,00 0,10 – 0,06 0,005 Union

Die aktuell gültigen Grenzwerte für Benzin- als auch (ultra niedrig emittierende Fahrzeuge) und ZEV (null
Dieselantrieb enthält Bild 21-2. emittierende Fahrzeuge) definiert. In ähnlicher Form
wurden diese Emissionsstandards auch in die nationa-
21.1.2 Kalifornien und USA le Gesetzgebung als NLEF (National Low Emission
Der Bundesstaat Kalifornien hat bei der Emissions- Vehicle) Standard und als CFV (Clean Fueled Ve-
begrenzung aufgrund der speziellen klimatischen hicle) Standard aufgenommen. Die jährlichen Ver-
Lage immer eine Vorreiterrolle eingenommen und kaufszahlen der Automobilhersteller müssen einem
deshalb mit Ausnahme von CO, niedrigere Grenzwer- vorgeschriebenen Prozentsatz dieser Kategorien ge-
te vorgeschrieben als die restlichen amerikanischen nügen. Die aktuellen LEV III-Emissionsstandards,
Staaten. Nationale Abgasemissionsgrenzwerte für die den US-Tier-3-FTP-Standards entsprechen sind in
Fahrzeuge in ganz Amerika wurden erstmals im Bild 21-3 dargestellt.
„Clean Air Act“ von 1968 verfasst. 1977 wurden Die Bestrebungen zur Einführung von Null-Emis-
neue Grenzwerte festgesetzt, die eine 90-%ige Re- sions-Fahrzeugen ZEV in Kalifornien wurden mehr-
duktion bezogen auf 1973 bewirkten. Die Abgas- fach modifiziert. Der Zeitraum erstreckt sich nun-
Massenemissionen werden seit dieser Regulierung mehr bis zum Jahr 2018, wobei einerseits der Pro-
nach dem FTP-75-Testzyklus gemessen. Die neuen zentsatz von PZEV (Partial Zero Emission Vehicles)
Grenzwerte führten zur Einführung der Drei-Weg- erhöht und durch eine Kategorie AT-PZEV (Advan-
Katalysator-Technik. ced Technology PZEV) ergänzt wurde. Der Anteil
Eine weitere schrittweise Verschärfung erfolgte in der neu zugelassenen ZEV soll damit bis 2018 von
den Jahren 1994 und 1998. Vom California „Air 10 % auf 16 % steigen, wovon 50 % der Fahrzeuge
Resources Board“ (ARB) wurde 1996 ein Plan er- dem AT-PZEV Standard, der den SULEV (Super-
stellt, nach dem die Abgasemissionen von Pkw wei- Ultra-Low-Emission Vehicle) Abgasstandard bein-
terhin stark gesenkt werden sollen. Es wurden neue haltet, entsprechen können. Diese Modifikationen
Fahrzeugkategorien nach den Emissionskategorien dienen überwiegend einer Kostensenkung bei glei-
TLEV, LEV (niedrig emittierende Fahrzeuge), ULEV chen Umweltzielen.
21.1 Gesetzliche Vorschriften 819

LEV III Emissions- CO NMOG+NOx HCHO PM


Standard Kategorie [g/mi] [mg/mi] [mg/mi] [mg/mi]
LEV160 4,2 160 4 3
Pkw ULEV125 2,1 125 4 3
ULEV70 1,7 70 4 3
Haltbarkeit
ULEV50 1,7 50 4 3 Bild 21-3 Abgasgrenzwerte
150.000 mi
SULEV30 1,0 30 4 3 für Personenkraftwagen in
Kalifornien und USA gemäß
SULEV20 1,0 20 4 3 LEV III-Standard

21.1.3 Japan 21.1.4 Schwellenländer


Die ersten Kohlenmonoxid-Emissionsbeschränkun- Weitere wichtige Regionen übernahmen meist exis-
gen für Pkw wurden in Japan 1966 nach dem mitt- tierende Abgasstandards. Genannt seien China, Russ-
lerweile nicht mehr verwendeten 4-mode-Test einge- land, Indien und die Türkei, die in etwa die Euro-
führt. 1973 wurden HC und NOx zum ersten Mal Norm minus einer Stufe übernommen haben. Brasi-
beschränkt und auf den 10-mode-Test übergegangen. lien und Mexiko weisen eigene Emissionsstandards
Durch die 1975 eingeführten Grenzwerte konnten die auf, die aktuell in etwa Euro 4 entsprechen.
CO- und HC-Emissionen von Fahrzeugen um 90 %
reduziert werden. Bei den NOx-Emissionen wurde
21.1.5 Harmonisierung
diese 90-prozentige Reduktion durch die Vorschriften
in den Jahren 1976 beziehungsweise 1978 erreicht.
der Abgasvorschriften
Für Fahrzeuge innerhalb derselben Kategorie gelten Um den Entwicklungs- und Zulassungsaufwand von
je nach Antriebs- und Motorkonzept verschiedene Fahrzeugen nicht unnötig hoch zu halten, gibt es
Grenzwerte. So wurde nach Fahrzeugen mit Benzin Bestrebungen, Zertifizierungen in anderen Ländern
und Flüssiggas als Kraftstoff unterschieden. Bei Pkw anzuerkennen (UN-ECE 1958 Agreement). Dass dies
mit Dieselmotor erfolgte die Unterscheidung nach durchaus sinnvoll möglich ist, geht aus dem Ver-
Brennverfahren (Direkteinspritzung oder Kammer- gleich der letztgültigen NOx + HC-Grenzwerte aus
motor) sowie nach Herkunft der Fahrzeuge (Japan den vorangegangenen Punkten hervor. Zu beachten
oder Import). sind die etwas unterschiedlichen Anforderungen an
Die Emissionsstandards ab 1997 sowie die neuen die Abgasreinigungssysteme, da in Europa und Japan
Grenzwerte ab 2009 sind in Bild 21-4 aufgeführt. Die eher auf rasches Ansprechen der Katalysatoren nach
aktuelle Prüfmethode ist der JC08M-Zyklus, der den dem Kaltstart bei gleichzeitig niedriger Motor-
älteren 10-Modus-Zyklus und 10-15-Modus-Zyklus last geachtet werden muss und in den USA auch
ersetzt. Im Verlauf entspricht dieser Test in etwa dem das transiente Motorverhalten stärker berücksichtigt
europäischen ECE + EUDC-Zyklus, allerdings auf wird.
niedrigerem Geschwindigkeitsniveau.

Fahrzeug- Emissions- CO CO HC HC NOx NOx PM PM


Gewicht Kategorie max mean max mean max mean max mean
[g/km]
Diesel 1997 2,7 2,1 0,62 0,40 0,55 0,40 0,14 0,080
>1265 kg 2002 – 0,63 – 0,12 – 0,30 – 0,056
2005 – 0,63 – 0,0241 – 0,15 – 0,014
2009 – 0,63 – 0,0241 – 0,08 – 0,005
Benzin 1997 2,7 2,1 0,39 0,25 0,48 0,25 – –
2002 – 0,63 – 0,08 – 0,08 – –
2005 – 1,15 – 0,051 – 0,05 – –
2009 – 1,15 – 0,051 – 0,05 – 0,005
1
Non Methan HC

Bild 21-4 Japanische Abgasgrenzwerte für Personenkraftwagen. Die maximalen Limits galten für eine Produk-
tion von weniger als 2.000 Fahrzeugen pro Jahr, die Mean-Limits für größere Produktionen
820 21 Abgasemissionen

21.2 Abgasmesstechnik Erfassung der Stickstoffoxide (NO und NO2) werden


Messgeräte auf Basis der Chemolumineszenz-Detek-
21.2.1 Messtechnik für die Zertifizierung toren eingesetzt (CLD). Partikel als Massenemission
von Kraftfahrzeugen pro Kilometer werden mittels Teilstromfilterung und
gravimetrischer Auswertung bestimmt.
Generell ist der Zeit- und Kostenaufwand dieser Für Trübungsmessungen im Rahmen der wiederkeh-
Messverfahren aus den nachfolgend genannten Grün- renden Begutachtung von im Verkehr befindlichen
den sehr hoch. Sie alle benötigen einen Rollenprüf- Fahrzeugen werden in der Motorbetriebsart „Freie
stand, der auf das jeweilige Fahrzeug kalibriert wer- Beschleunigung“ Teilstrom-Opazimeter zur Bestim-
den muss, klimatisierte Prüfräume, um definierte mung des k-Wertes eingesetzt.
Kaltstartbedingungen zu erzielen, wie auch eine Insbesondere Abgasgrenzwerte, die dem ULEV, be-
Vielzahl hoch empfindlicher Abgasmessgeräte. ziehungsweise Euro-5-Standard entsprechen, stellen
Folgende allgemeingültige Merkmale von Typprüf- neue Anforderungen an die Abgasmesstechnik, da im
tests seien hervorgehoben: betriebswarmen Zustand der Motoren Konzentratio-
• Konditionierung des Fahrzeuges bei Raumtempe- nen erfasst werden müssen, die dem sehr niedrigen
ratur für circa zwölf Stunden Niveau von Immissionskonzentrationen entsprechen.
• Kaltstart und Erfassung der Startemissionen Aus diesem Grund werden auch neue Messmethoden
• dynamischer Testzyklus, mit Geschwindigkeiten vorgeschlagen, die von der bisher angewandten Ver-
von Null bis 120 [km/h] dünnungsmesstechnik abgehen [1] und direkt die
• zweiter Testzyklus mit Heißstart des Fahrzeuges Konzentrationen im Abgas messen. Die direkte Aus-
(US FTP 75 Test) wertung der Abgasmassenemissionen ist beispielhaft
• präzise Erfassung der Abgasemissionen. für die Kohlendioxidemissionen in Bild 21-6 darge-
stellt.
Bild 21-5 zeigt die prinzipielle Anordnung eines
Fahrzeugrollenprüfstandes für die Abgasmessung ge-
mäß Zertifizierungsbedingungen. Wichtig ist, dass
21.2.2 Messtechnik für die
bei den derzeit gültigen Zulassungsgesetzen für die Motorenentwicklung
Bestimmung der Abgasmassenemissionen die Ver- Die drastisch verschärften Abgasbestimmungen
dünnungsmesstechnik eingesetzt wird. erfordern mittels modernster Messtechnik eine detail-
Als Messprinzipien für die Abgaskomponenten Koh- liertere Analyse der Entstehung der Abgaskomponen-
lendioxid (CO2) und Kohlenmonoxid (CO) wird die ten und die Ausschöpfung sämtlicher Potenziale zu
molekülspezifische Absorption von Banden der deren weiterer Verringerung. Als Randbedingung für
Infrarotstrahlung eingesetzt. Für die Messung der die zukünftige Motorenentwicklung ist an führender
Kohlenwasserstoffe (HC) kommen Flammenionisa- Stelle die Absenkung der Flottenverbräuche zu nen-
tions-Detektoren (FID) zur Anwendung. Chemisch nen. Neben den limitierten Schadstoffkomponenten
betrachtet beruht das Messprinzip des Flammenioni- Summenkohlenwasserstoffe, CO und NOx treten bei
sationsdetektors auf der Ionisation von oxidierbaren der Verbrennung im Motor verschiedene andere,
Kohlenstoffverbindungen in einer Wasserstoff- sogenannte „nicht limitierte“ Schadstoffkomponen-
flamme. Primär ist das Detektorsignal der Anzahl der ten, auf, wie zum Beispiel Benzol, Toluol, Xylol,
zugeführten Kohlenstoffatome proportional. Zur Aldehyde oder Ammoniak. Diese Komponenten sind

Abgasanalysatoren
Abgas- Raumluft-
beutel CO COx NOx HC beutel

CVS-Anlage beheizte Leitung


HC
heiß

Frischluft

Verdünnungstunnel
Wärmetauscher Filter

Rollen-
prüfstand Abgas
Bild 21-5 Anordnung der
Rollen-Prüfstandstechnik für
Abgas-Zertifizierungstests
21.2 Abgasmesstechnik 821

CO2 Emissionen [g/km] Fahrzeuggeschwindigkeit [km/h]

CO2-Emissionen [g/km] Fahrzeuggeschwindigkeit [km/h]


1000 60
Toyota Prius
50
800
:
: 40
600
:
30
400
20

200
10

Bild 21-6 Zeitverlauf der


0 0
398 423 448 473 498 523 548 573 598 623 648
Kohlendioxid-Massen-
emissionen und der Fahr-
Messzeit [s]
zeuggeschwindigkeit [2]

entweder bereits im Kraftstoff enthalten und gelangen bei der Straßenfahrt oder beim Betrieb am Rollenprüf-
unverbrannt in das Abgas, oder sie werden bei der stand auftreten. Der Hauptvorteil liegt in der sehr
Verbrennung im Motor gebildet. Da bestimmte An- guten Reproduzierbarkeit der einzelnen Prüfläufe.
teile wie Benzol gesundheitsgefährdend und geruchs- Die Grafik in Bild 21-7 zeigt eine Messanordnung für
belästigend sind, erlangt die Erfassung dieser Kom- einen modernen Entwicklungsprüfstand, der auch die
ponenten zunehmend an Bedeutung. Erfassung des einzelnen Verbrennungszyklus zulässt.
Insbesondere zeigt die Optimierung transienter Mo- Der Aufbau gliedert sich typischerweise in Simulati-
torbetriebszustände und die damit mögliche verbes- onsrechner, hochdynamische elektrische Belastungs-
serte Anpassung an die Betriebsbedingungen des maschine, kurbelwinkelbezogenen Messdatenspeicher
Abgasreinigungssystems ein hohes Verbesserungspo- und Highspeed-Abgasmesstechnik.
tenzial bei den Abgasemissionswerten. Der Einfluss An diesen Prüfständen wird folgende Abgasmess-
auf den Kraftstoffverbrauch erscheint hingegen bei technik für die Motorenanalyse eingesetzt, die sich
anderen Maßnahmen, wie Auswahl des Brennverfah- auf Grund ihrer Ansprechgeschwindigkeit einteilen
rens und Antriebstrangmanagement, deutlich höher lässt:
zu sein.
Ziel zukünftiger Forschungsarbeit ist es somit, das • Standardmessgeräte mit einer Ansprechzeit im
Motormanagement so weiterzuentwickeln, dass Last- Sekundenbereich und darüber
und Drehzahländerungen keine nennenswerten Abwei- • instationäre Messtechnik mit Ansprechzeiten um
chungen vom optimalen Lambdaverlauf, der durch das 100 Millisekunden
Funktionsprinzip des Katalysators vorgegeben ist, be- • Messgeräte und Verfahren für Einzelzyklusana-
wirken. Um dieser Aufgabenstellung gerecht zu wer- lyse mit Ansprechzeiten um 1 Millisekunde.
den, ist es notwendig, zeitlich hochauflösende Messun- Eine weitere Einteilung der Messgeräte kann nach
gen im Brennraum – und an bestimmten Stellen des dem Einsatzort am Motor erfolgen:
Auspuffstranges durchzuführen, um die genauen Quel-
len der Emissionen feststellen zu können. • Messgeräte, die einen entnommenen und kondi-
Durch die Dominanz der instationären Betriebszustän- tionierten Teilstrom des Abgases analysieren.
de, ist es auch im Bereich der Motorenentwicklung Darunter fällt noch immer die Mehrzahl der
bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt notwendig, Messverfahren
zum Zwecke der Anpassung von Gemischbildungs- • Sensoren und Messgeräte, die im Auspuffstrang,
und Regelsystemen die experimentellen Untersuchun- in-situ, eingesetzt werden
gen auf den dynamischen Simulationsprüfstand zu • Messverfahren für die experimentelle Ermittlung
verlegen. Des Weiteren diente diese Maßnahme dazu, der Gaszusammensetzung im Brennraum.
vom hohen Aufwand der Bereitstellung eines kom-
pletten Fahrzeuges für den Rollenprüfstand los- Teilstrommessgeräte:
zukommen. Ziel der Simulation am dynamischen Die Anordnung am Motor mit den wichtigsten Abgas-
Motorenprüfstand ist es, möglichst den gleichen Dreh- messgeräten geht aus Bild 21-8 hervor. Betreffend die
zahl- und Drehmomentverlauf an der Motorkurbel- physikalischen Prinzipien der Abgasmessgeräte für
welle, aber auch eine Übereinstimmung von Tempe- limitierte Abgaskomponenten wird auf die Ausführun-
raturen, Kraftstoffverbrauch, etc. zu erreichen, wie sie gen unter Kapitel 21.2.1 verwiesen.
822 21 Abgasemissionen

Fahrprofile
Straßenparameter
Fahrzeugparameter
Fahrerparameter High Speed FID

Belastungsmaschine
elektrisch l-Sensor
Abgas
Druck-
Sensor

Kurbelwinkelbezogen
Drehmoment Messdatenerfassung
Messwert
Drehmoment
Vorgabe
Drehzahl-Messwert

Drosselklappenstellung
Simulationsrechner

Bild 21-7 Messanordnung für die kurbelwinkelbezogene Abgasmessung

Messung mehrerer Komponenten die Messzeit verviel-


Massen-
spektrometer Kraftstoff- facht. Wahlweise kann zur Erfassung der „nicht
messung
Partikelgröße limitierten Abgaskomponenten“ auch die Gaschroma-
Gemisch- Luft- tografie eingesetzt werden.
bildung massen-
messung Speziell die Erfassung von Größenklassen abhängi-
HC l gen Partikelemissionen stellt derzeit noch ein eher
zeitaufwändiges Unterfangen dar. Unterschieden wird
CO NOx nach Verfahren, die nach dem Impaktorprinzip arbei-
ten und somit aufgrund der aerodynamischen Eigen-
CO2 O2
schaften der Partikel gleichzeitig eine bestimmte
Anzahl von Größenklassen gravimetrisch bestimmen
Bild 21-8 Anordnung der Abgasmesstechnik für Teil- können und nach selektiven Verfahren, die jeweils
strommessung am Motorprüfstand nur eine Größenklasse erfassen können, wie in Bild
21-9 dargestellt. Diese Messgeräte beruhen auf der
Verknüpfung mehrerer Messprinzipien. Sie scheiden
Ergänzend soll die Messmethode für die prinzipiell einzelne Partikelgrößenklassen durch veränderliche
sehr wichtige Sauerstoffmessung angeführt werden, die elektrische Aufladung und anschließende aerodyna-
auf den paramagnetischen Eigenschaften der Sauer- mische Absaugung ab. Die Partikelfraktion wird in
stoffmoleküle beruht. Zu den klassischen Messgeräten der Folge einem Kondensationskernzähler zugeführt,
für limitierte Abgaskomponenten sind Massen- in dem die Anzahl der Partikel pro Volumeneinheit
spektrometer und Partikelgrößenbestimmung hinzu- ermittelt wird.
gekommen. Die Massenspektrometrie bestimmt für
Ionen beziehungsweise deren Bruchstücke das Ver- In-situ-Abgasmessung im Auspuffstrang:
hältnis von Masse zu Ladung. Dies geschieht durch Zur Luftverhältnis-Bestimmung mit hoher Ansprech-
Ablenkung der Ionen in magnetischen und elektrischen geschwindigkeit sowohl im „mageren“ – O größer als
Feldern oder der Bestimmung ihrer Bewegungsenergie. eins, als auch im „kraftstoffreichen“ Gemisch-
Theoretisch kann jede Abgaskomponente oder mehrere bereich – O kleiner als eins, werden im Abgasstrang
gleichzeitig über ihre Molzahl bestimmt werden. Dem montierte Sauerstoffsensoren verwendet. Diese soge-
stehen jedoch zwei Effekte entgegen. Erstens weisen nannten „Wide-Range-Sonden“ arbeiten nach dem
mehrere interessierende Abgaskomponenten dieselbe Sauerstoffionen-Pump-Prinzip und sind von ver-
Molzahl auf und zweitens wird durch die simultane schiedenen Herstellern verfügbar. Es beeinflussen je-
21.2 Abgasmesstechnik 823

Neutralisator Impaktor

Kondensationskernzähler

Bild 21-9 Mobilitätsanaly-


sator zur Bestimmung der
Beweglichkeitsanalysator Größenklassenverteilung
von Partikeln [3]

doch mehrere Faktoren in hohem Maße die Messge- Gemischzusammensetzung des einzelnen Zylinders
nauigkeit dieser Sonden. Bild 21-10 zeigt die wich- zu detektieren. Dies stellt insbesondere beim zylin-
tigsten Fehler, die bei Anwendung dieser Sensoren derselektiven Abgleich der Einspritzanlage unter
auftreten können. Der typische Fehler durch erhöhten Berücksichtigung der Füllung der individuellen
Auspuffgegendruck kann für Messwerte um O = 2 Brennräume einen erheblichen Fortschritt dar.
bereits 20 % betragen. Diesen Sonden kommt inso- Aufbauend auf einer ähnlichen Technologie wie bei
fern eine erhöhte Bedeutung zu, da sie auch im den in Bild 21-11 gezeigten Lambda-Sonden wurden
Motormanagement als Regelsonden für Magermotor- NOx-Sensoren für In-situ-Messungen hergestellt [4],
konzepte verwendet werden. die bei der Entwicklung und Regelung von Katalysa-
torsystemen für Magermotoren eine wertvolle Unter-
stützung bieten.
Abgastemperatur Abgasdruck

Abgasmessung im Brennraum:
Die Messung der Gaszusammensetzung beziehungs-
Modellbildung für NO-Konzentration weise einzelner Gaskomponenten kann mit Hilfe
Umgebungsluft im Abgas
Diffusion und verschiedener Verfahren, nach Bild 21-12, durchge-
thermodynamisches
Gleichgewicht führt werden, die in zwei Hauptgruppen einzuteilen
Diffusions-
schicht sind: in optische Messverfahren, die direkt im Brenn-
raum appliziert werden und meist an Experimental-
Abgas Katalytische
motoren, wie den „gläsernen Motoren“ angewendet
Reaktion an den werden, und in Verfahren, die Gas direkt aus dem
l-Sensor Platinelektroden Brennraum entnehmen.
Die optische Messtechnik verwendet verschiedene
Bild 21-10 Fehlereinflüsse auf die Bestimmung des physikalische beziehungsweise quantenmechanische
Luft-Kraftstoff-Verhältnisses mittels Lambda-Sonde Eigenschaften von Molekülen oder Atomen, um den
Anteil einer bestimmten Gaskomponente zu ermit-
Der prinzipielle Aufbau sowie das Ausgangssignal in teln. Diese Messverfahren sind im Allgemeinen in der
Abhängigkeit vom Lambda-Wert geht aus Bild 21-11 Lage, die Verteilung einer Vielzahl von Komponen-
hervor. ten gleichzeitig zu bestimmen.
Für zeitlich hoch aufgelöste Einzelzyklusanalysen Die auf Gasentnahme basierenden Verfahren arbeiten
bieten sich heute weiter Sensoren aus Strontium- entweder mit getakteten Gasentnahmeventilen oder
Titanat SrTiO3 an. Diese Sensoren weisen eine An- kontinuierlich durchströmten Kapillaren. Die Mess-
sprechzeit von circa 5 Millisekunden auf und gestat- geräte, die in Verbindung mit Gasentnahmeventilen
ten damit aus dem Summenabgas des Motors die einsetzbar sind, entsprechen im Wesentlichen jenen
824 21 Abgasemissionen

Abgas
5
4
3
O2–

Pumpstrom lp [mA]
Us ~ lp 2
1
0
Luft –1
–2
–3
≈ 450 mV
–4
–5
0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8
UH l

Betriebstemperatur ≥ 600 °C
IP : Pumpstrom
US : Sondenspannung
UH : Heizspannung

Bild 21-11 Prinzipieller Aufbau und Ausgangssignal einer Lambda-Sonde nach [4]

Gaskonzentrationsmessung
im Brennraum

Optische Messverfahren
Messverfahren mit Gasentnahme

Eigenleuchten Anregung Messung mit schnellem Kontinuierliche


der Flamme durch Laser Gasentnahmeventil Gasentnahme
Raman-Spectroskopie (CARS)
Fluoreszenz (LIF, LIPF)

Coherent Anti-Stokes
chemisch-thermische

Spectroskopie (SRS)
spontane Raman-
Laser-induzierte
Fluoreszenz

Bild 21-12 Mögliche Mess-


verfahren zur Ermittlung der
Gaszusammensetzung im
Brennraum [5]

Standardgeräten, wie sie zur herkömmlichen Abgas- raums, beziehungsweise der Entnahmestelle not-
analyse verwendet werden. Um ein genügend großes wendig ist, bestehen geringere Einschränkungen be-
Gasvolumen für die Analyse zu erhalten, ist es jedoch züglich der Wahl der Messposition. Eine weitere
erforderlich, über eine Vielzahl von Verbrennungs- Eigenschaft dieser Art der Probengewinnung ist die
zyklen zu mitteln. Einzelzyklusanalysen, speziell im gute örtliche Auflösung durch Entfall der Wandfilm-
Hinblick auf zyklische Schwankungen oder instatio- anlagerung am Entnahmeventil und der einfachen
näre Effekte bei Laständerungen, sind systembedingt geometrischen Form des Einströmquerschnitts.
nur mittels der kontinuierlichen Gasentnahme und Diese Messungen im Brennraum haben das Potenzial,
sehr rasch ansprechenden Gasanalysatoren möglich. eine Vielzahl von Informationen über den Ablauf der
Diese stehen heute für die Abgaskomponenten Koh- Gemischbildung und der Verbrennung bis hin zur
lenwasserstoffe und Stickstoffoxid zur Verfügung. Entstehung der Schadstoffe zu liefern. Die Ergebnisse
Der Zugang zum Brennraum gestaltet sich bei An- können sowohl bei der Emissionsreduktion als auch
wendung kontinuierlicher Gasentnahme relativ ein- bei der Optimierung verschiedener konstruktiver De-
fach, Bild 21-13. Da keinerlei mechanische Betä- tails eine wertvolle Hilfestellung sein. Eine sehr
tigung in der unmittelbaren Umgebung des Brenn- interessante Anwendung ergibt sich bei der Entwick-
21.3 Schadstoffe und ihre Entstehung 825

Druckquarz Auslassventile

Gasentnahme

Bild 21-13 Messanordnung


High Speed FID für die kontinuierliche Koh-
10 mm t90 < 3 [ms] lenwasserstoff-Indizierung
Einlassventile
am 4-Ventil-Ottomotor

lung von Verbrennungssystemen mit Direkteinsprit- mK = dem Motor zugeführte Kraftstoffmenge pro
zung und Magerkonzepten, bei denen dem veränder- Zeiteinheit
lichen Gemisch an der Zündkerze und damit dem mL, th = für die vollständige Verbrennung dieser Kraft-
zyklusselektiven Lambdawert eine verstärkte Bedeu- stoffmenge theoretisch benötigte Luftmenge
tung zukommt. Für die Verbrennung im Betriebsbereich mit Luft-
Neben gefeuerten Motorversuchen werden ebenso überschuss kann somit folgende allgemeine Reak-
solche im ungefeuerten Motorbetrieb durchgeführt. tionsgleichung angewendet werden:
Per Definition kann die HC-Konzentration im Brenn-
raum im ungefeuerten Betrieb zur Berechnung des 1 [CH\OM ] + 4,762 · (1 + \/4 – M /2) · O [Luft]
lokalen Luft-Kraftstoff-Verhältnisses herangezogen verbrennt zu
werden. Die Messungen geben darüber hinaus Auf- 1 [CO2] + (3,762 · (1 + \/4 – M/2) · O – n/2 [N2]
schluss über den Ablauf der Gemischbildung sowie
+ ((1 + \/4 – M/2) · (O – 1) – n/2) [O2] + n [NO]
den Restgasgehalt im Bereich der Zündkerze bezie-
hungsweise der Entnahmestelle. + \/2 [H2O] (21.2)
[ ] = Komponente
n = Mol Stickstoffoxid
21.3 Schadstoffe und ihre Entstehung
\ = Wasserstoff-Kohlenstoff-Atomverhältnis des
Bei der Verbrennung von Kraftstoffen mit dem Sau- Kraftstoffs
erstoff der Luft, die 21 [%-Vol.] O2, < 1 [%-Vol.] M = Sauerstoff-Kohlenstoff-Atomverhältnis des
Edelgase und Stickstoff N2 enthält, wird durch eine Kraftstoffs
exotherme Reaktion Energie als Wärme freigesetzt. Neben den Hauptbestandteilen des Abgases wie
Die Wärmefreisetzung wird bei Kraftstoffen auf Kohlendioxid, CO2 und Wasserdampf, sind die
Basis von Kohlenwasserstoffen, wie Benzin- und Hauptvertreter der Schadstoffe die gesetzlich limitier-
Dieselkraftstoff, durch eine Vielzahl unvollständiger ten Komponenten Kohlenmonoxid, CO, unverbrannte
Reaktionen, abhängig von der Zusammensetzung der und teilverbrannte Kohlenwasserstoffe, HC (Alde-
Kohlenwasserstoffe des Kraftstoffes, bestimmt. hyde, Ketone etc.) und Stickstoffoxide, NOx. Schad-
Wichtige Kraftstoffkomponenten sind Paraffine, stoffe entstehen hauptsächlich durch die Unterbre-
Olefine und Aromaten. chung der Reaktionsketten auf Grund der kurzen
Bei der vollständigen Verbrennung von Kohlenwas- Verweildauer im Brennraum. Es ist somit kein
serstoffen unter idealen Bedingungen oder bei Luft- Gleichgewichtszustand mehr gegeben. Inhomogenitä-
überschuss entstehen theoretisch lediglich Kohlendi- ten im Gemisch durch unterschiedliche Luft-Kraft-
oxid und Wasser und aus dem Sauerstoffträger Luft, stoff-Verhältnisse O, Brennwandeffekte und im Kraft-
Stickstoff. stoff enthaltene Verunreinigungen und Zusätze füh-
Aus diesem Grund stellt das Luft-Kraftstoff-Verhält- ren ebenfalls zur Entstehung von unerwünschten
nis Lambda (O) die wichtigste Kenngröße für den Nebenprodukten, Bild 21-14.
Verbrennungsprozess dar. Lambda ist definiert als das Zusätzlich sind in Abhängigkeit vom verwendeten
Verhältnis von tatsächlich vorhandener Luftmenge rela- Kraftstoff und Brennverfahren Feststoffe in Form von
Partikelemissionen möglich. Nichtlimitierte Abgas-
tiv zur idealerweise stöchiometrisch benötigten Menge.
komponenten, die beispielsweise aus thermischen
O = (mL/mK)/(mL/mK)stöch = (mL/mK)/(mL, th) = mL/mL, th Crackprozessen der Kohlenwasserstoffe sowie deren
Folgeprodukte entstehen, treten immer mehr in den
(21.1)
Vordergrund, da sie entweder gewisse Gefährdungs-
mL = dem Motor zugeführte Luftmenge pro Zeit- potenziale besitzen oder zur Geruchsbelästigung bei-
einheit tragen.
826 21 Abgasemissionen

gezählt werden, obwohl sie nicht toxisch sind. Ge-


setzliche Regelungen beschränken in zunehmenden
N2 Maße den CO2-Ausstoß. Kohlendioxid entsteht durch
Luft N2 NOx die vollständige Verbrennung des Kohlenstoffs aus
(N2, O2) O2
Luft- O2 H2O den Kraftstoffmolekülen. Die CO2-Emission ist im
reagierende
Kraftstoff-
Elemente
CO2 Wesentlichen vom Kraftstoffverbrauch und der
Gemisch C CO
R.CHO
Kraftstoffzusammensetzung abhängig und erreicht
Kraftstoff
(CxHy) Cx Hy bei vollständiger Umsetzung ihr relatives Maximum
H2 H2 bei einem Luft-Kraftstoff-Verhältnis von Eins.
Bild 21-15 zeigt die berechneten Abgaskonzentratio-
nen für den idealisierten Fall.
Bild 21-14 Reaktionsmechanismen im Brennraum [6] Kohlenmonoxid: CO entsteht als Zwischenstufe der
Kohlendioxidbildung und bei unvollständiger Ver-
21.3.1 Ottomotor brennung unter Sauerstoffmangel. Charakterisiert
Das ottomotorische Verbrennungsprinzip ist durch wird die Bildung durch die „Wassergasgleichung“.
folgende allgemeine Charakteristika gekennzeichnet: CO + H2O œ CO2 + H2 (21.3)
• Fremdzündung, ausgeführt als Einfach- oder
Im Wesentlichen wird die Kohlenmonoxidbildung
Mehrfachzündung
vom lokalen Luftverhältnis und der Temperatur, be-
• Verdichtungsverhältnis 8 bis 14, je nach verwen-
ziehungsweise dem Druck bestimmt. Bei Luftmangel
detem Kraftstoff
ist die CO-Emission nahezu linear vom Luft-Kraft-
• 4-Takt- und 2-Takt-Verfahren werden eingesetzt.
stoff-Verhältnis abhängig. Die CO-Emission resultiert
Ein wichtiger Parameter ist das Luft-Kraftstoff-Ver- aus einem Sauerstoffmangel. Im Bereich O > 1 (Luft-
hältnis O, das in eher engen Grenzen das Brennver- überschuss) ist die CO-Emission sehr niedrig und
fahren bestimmt. Je nach Verbrennungs- und Abgas- nahezu unabhängig vom Lambdawert. Die CO-
reinigungskonzept wird konstantes Luft-Kraftstoff- Emission ist darüber hinaus von anderen Parametern
Verhältnis im gesamten Brennraum oder geschichtete wie Verdichtungsverhältnis, Lastzustand, Zündzeit-
Ladung mit verschiedenen Verhältnissen im Brenn- punkt und Einspritzgesetz weitestgehend unabhängig.
raum gewählt. Indirekte Einspritzung in das Saugrohr Kohlenwasserstoffe: HC-Emissionen entstehen
und direkte Einspritzung in den Brennraum sind durch unverbrannte und teilverbrannte Kohlenwasser-
mögliche Gemischaufbereitungsverfahren. stoffe und entsprechende thermische Crackprodukte.
Diese Komponenten können sowohl aus dem Kraft-
21.3.1.1 Limitierte Abgaskomponenten
stoff als auch aus den verwendeten Schmiermitteln
Kohlendioxid: Die Kohlendioxidemissionen können stammen. Verschiedene Mechanismen sind für diese
in Europa zu den limitierten Abgaskomponenten Emissionen verantwortlich. Exemplarisch seien die

CO2, CO, HC, O2, H2 [%-Vol] trockenes Abgas, 20 °C

15

CO2
10 CO
O2
H2
HC

0 Bild 21-15 Berechnete Ab-


0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7
gaskonzentrationen über dem
Luft-Kraftstoff-Verhältnis
Luftverhältnis l
Lambda für einen Ottomotor
21.3 Schadstoffe und ihre Entstehung 827

n = 2500 [1/min], pme = 5 [bar], A/F: 14.7 [-]


0,25 4000
AÖ AS

0,20 3500

HC3-Konzentration [ppm]
HC3-Massenstrom [g/s]

0,15 3000
Abgas Massenstrom
HC3-Konzentration
0,10 HC3-Massenstrom 2500

0,05 2000

0,00 1500 Bild 21-16 Verlauf der mas-


senbezogenen Kohlenwasser-
–0,05 1000 stoffemissionen nach dem
0 90 180 270 360 450 540 630 720
Kurbelwinkel [°]
Auslassventil über dem Kur-
belwinkel [7]

unvollständige Verbrennung der Kohlenwasserstoffe (1946). Die wichtigsten Vertreter dieser Oxide sind
wegen Nichterfassens des gesamten Brennraumvolu- Stickstoffmonoxid NO und Stickstoffdioxid NO2. Es
mens sowie Wandanlagerung von Kraftstoff genannt. lassen sich im groben zwei wichtige Bildungsprozes-
Weitere Ursachen sind das Verbleiben von Kraftstoff se für NO unterscheiden: Die Bildung von thermi-
in Toträumen wie Spaltvolumen der Zylinderkopf- schem NO wird durch die Parameter Temperatur,
dichtung, Ventilsitze, Feuersteg, Kolbenringe, Zünd- Sauerstoffkonzentration, Luft-Kraftstoff-Verhältnis,
kerze und Quetschflächen. Fehlzündungen, Emission Verweilzeit und Druck beeinflusst. Das NO-Bil-
von Kohlenwasserstoffen aus dem Schmiermittel, dungsmaximum liegt bei rund 2.200 K bis 2.400 K
Absorption von Kraftstoffmolekülen am Schmiermit- und nimmt bei höheren Temperaturen rasch ab. Unter
telfilm der Zylinderlaufbahn und an Stellen mit 750 K ist für den Zerfall von NO eine hohe Aktivie-
Verunreinigungen führen ebenfalls zu erhöhtem rungsenergie notwendig. Promptes NO entsteht als
Ausstoß. Betrachtet man die massenbezogenen HC- Nebenreaktion in der Flammenfront durch OH-Ra-
Emissionen über dem Auspufftakt, dann zeigt sich in dikale, die mit Stickstoffmolekülen weitere Verbin-
deren Verlauf über dem Kurbelwinkel, kurz nach dem dungen bilden. Aus dem im Kraftstoff enthaltenen
Öffnen und vor dem Schließen des Auslassventils, Stickstoff können durch die hohen Temperaturen
erhöhter HC-Ausstoß, der überwiegend durch die ebenfalls Stickoxide gebildet werden. Dieser Entste-
zuvor genannten Wandphänomene bestimmt zu sein hungsprozess ist jedoch von untergeordneter Bedeu-
scheint, Bild 21-16. tung. Das NO/NO2 Verhältnis der Rohemission liegt
Durch das Erlöschen der Flammenfront bei Kontakt beim Ottomotor bei über 0,99. Die maximale NOx-
mit der kalten Wand (Flame Quenching) werden HC Konzentration tritt im leicht mageren Bereich,
freigesetzt, da das Gemisch an der Grenzschicht bis auf O = 1,05 – 1,1, auf.
Wandtemperatur abgekühlt wird und somit die Reakti- Ottomotoren mit Direkteinspritzung und Ladungs-
onen unterbrochen werden. Die Entstehung von teil- schichtung führen im Vergleich zur Saugrohreinsprit-
verbrannten Kohlenwasserstoffen ist im Wesentlichen zung wegen der geringeren Mitteltemperatur zu
abhängig von der Temperatur, dem Sauerstoffgehalt niedrigeren NOx-Emissionen. Auf Grund der La-
und in geringerem Maße auch von der Molekülstruktur. dungsschichtung entsteht durch die lokal vorhande-
Bei Luft-Kraftstoff-Verhältnissen unter 1 steigen die nen mageren Zonen aber eine Erhöhung der CO- und
HC-Emissionen stark an, da zu wenig Sauerstoff für HC-Emission.
eine vollständige Verbrennung im Brennraum zur
Verfügung steht. Das Gleiche gilt bei steigendem Luft- 21.3.1.2 Nichtlimitierte Abgaskomponenten
Kraftstoff-Verhältnis, wodurch die Zündgrenze des
Gemischs erreicht wird und dies bei homogener Ge- Partikel: Zu den Partikeln zählen alle Komponenten,
mischbildung zu Zündungsaussetzern führt. die unterhalb von 51,7 °C auf einem Filter ausge-
schieden werden können. Die Partikel bestehen aus
Stickstoffoxide: Unter diesen Sammelbegriff fallen festen organischen oder flüssigen und löslichen orga-
die sieben Oxide NO, NO2, NO3, N2O, N2O3, N2O4 nischen Phasen. Dazu zählen Ruß, diverse Sulfate,
und N2O5. Stickstoffoxide entstehen aus dem Stick- Asche, diverse Additive aus Kraftstoff und Schmieröl,
stoff und dem Sauerstoff der Luft während der Abrieb und Korrosionsprodukte. Chromabriebe ent-
Verbrennung. Eine Beschreibung der Vorgänge er- stehen, ebenso wie Nickelaerosole, durch Kolbenver-
folgt durch den erweiterten Zeldovich-Mechanismus schleiß. Das Chromaerosol weist eine Korngröße von
828 21 Abgasemissionen

1,6 bis 6,4 Pm auf [8]. Kondensierte Partikelemissi- meist im Zweitakt-Verfahren. Zur Gemischbildung
onen spielen beim Ottomotor eine eher untergeordne- kommen verschiedene Verfahren mit unterschiedli-
te Rolle. Sie gewinnen aber bei Einspritzsystemen mit chen Druckerzeugern wie Reiheneinspritzpumpen,
Direkteinspritzung vermehrt an Bedeutung. Verteilereinspritzpumpen, Pumpe-Düse, Pumpe-Rail-
Düse und Common-Rail-Systeme zum Einsatz. Die
Gasförmige Komponenten: Von Interesse sind derzeit wichtigsten Einspritzverfahren bei Pkw-
insbesondere Aromate, wie Benzol, Toluol, Xylol Motoren arbeiten mit luftverteilender Hochdruckein-
und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe spritzung durch Mehrlochdüsen.
(PAK) sowie Aldehyde, wie Formaldehyd, Acetalde-
hyd, Acrolein, Propionaldhyd, Hexanal und Benzal- 21.3.2.1 Limitierte Abgaskomponenten
dehyd. Aldehyde sind Zwischenprodukte bei der Kohlendioxid: Der spezifisch deutlich bessere Kraft-
Oxidation von Kohlenwasserstoffen und ihre Bildung stoffverbrauch sowie das nochmals günstigere Ver-
ist abhängig von der Temperatur [9]. Der mengen- brauchsverhalten im Teillastbereich führen zu real
mäßig größte Vertreter der BTEX-Komponenten ist 20 % niedrigerem CO2-Ausstoß pro gefahrenen
Toluol [8]. Ein direkter Zusammenhang der Kraft- Kilometer.
stoffzusammensetzung, der Schmierstoffzusammen-
setzung und der Qualität des Brennverlaufes mit der Kohlenmonoxid: Aufgrund der Inhomogenität des
Entstehung der nichtlimitierten Komponenten ist Gemisches durch Ladungsschichtung existieren
prinzipiell erkennbar. Zonen mit Luft-Kraftstoff-Verhältnissen kleiner als
Eins. In diesen Bereichen entstehen während der
21.3.2 Dieselmotor Umsetzung hohe CO-Konzentrationen, die durch
Nachoxidation zum größten Teil weiter zu CO2 oxi-
Der Dieselmotor ist durch folgende Charakteristika diert werden. Daraus resultieren, im Gegensatz zum
gekennzeichnet: Ottomotor, wesentlich niedrigere spezifische Koh-
• innere Gemischbildung lenmonoxidemissionen.
• Lastregelung über die zugeführte Kraftstoffmenge
bei ungedrosselt angesaugter Luftmenge Kohlenwasserstoffe: Hier kann auf ähnliche Mecha-
• Selbstzündung und großer Luftüberschuss. Integ- nismen und Parameter wie beim Ottomotor verwiesen
ral gesehen arbeiten Dieselmotoren je nach Last werden. Generell sind die HC-Emissionen beim
mit Luftverhältnissen zwischen 1,2 (hohe Last) Dieselmotor jedoch deutlich geringer. Zusätzliche,
und 7 (Leerlauf) bestimmende Größen sind die Gemischbildungsquali-
• Verdichtungsverhältnis 14 bis 22 tät des Einspritzsystems und die exakte Dosierung.
• höhersiedende Kohlenwasserstoffe als Kraftstoff. Nachspritzen führt zu erhöhten HC-Emissionen. Den
Einfluss von minimierten Schadvolumina bei Ein-
Kammermotoren (Vorkammer/Wirbelkammer) wei- spritzdüsen zeigt Bild 21-17 nach [10].
sen zwar günstige Rohemissionen und ein gutes
Geräuschverhalten auf, werden aber wegen des bis zu Stickstoffoxide: Die Bildungsvorgänge sind eben-
20 % höheren CO2-Ausstoßes in zunehmenden Maße falls vergleichbar mit jenen beim Ottomotor. Das NO
von Motoren mit Direkteinspritzung im Pkw- zu NO2-Verhältnis liegt beim Dieselmotor in Abhän-
Antriebsbereich abgelöst. Im Nutzfahrzeugbereich ist gigkeit von der Last bei 0,6 bis 0,9. Bei kleiner Last
in Europa der Dieselmotor mit Direkteinspritzung wird mehr NO2 gebildet. Dieses Verhältnis wird im
Hauptantriebsquelle. Großmotoren, die den höchsten Wesentlichen durch die Sauerstoffkonzentration und
Wirkungsgrad aller Wärmekraftmaschinen aufweisen, die Verweilzeit beeinflusst. NO2 wird im Wesentli-
bedienen sich ebenfalls dieser Technik, allerdings chen an der Flammenfront gebildet.

Sackloch-Düse

Motordrehzahl 2500 1/min


500

400
HC-ppm C1

300

Sackloch
200
Null-Sackloch-Düse
100

0
0 1 2 3 4 5 6 7
effektiver Mitteldruck [bar] Bild 21-17 Einfluss der
Einspritzdüsenkonstruktion
auf die HC-Emissionen [10]
21.3 Schadstoffe und ihre Entstehung 829

Dieselmotoren mit unterteiltem Brennraum liegen mit dungsphase, der Rußnachoxidation, große Aufmerk-
ihren Emissionen von NOx deutlich unter jenen von samkeit zu schenken. Unterstützend für die Rußnach-
Dieselmotoren mit Direkteinspritzung. Durch den oxidation ist generell eine hohe Gemischbildungs-
extremen Luftmangel bei hohen Temperaturen wäh- energie in der letzten Phase der Verbrennung, er-
rend der Einspritzung in die Vorkammer ist die NOx- reichbar durch gezielten Drall und Tumble im Brenn-
Bildungsrate deutlich kleiner. Beim Übertritt des raum, höherem Einspritzdruck, hoher Einspritzrate
aufbereiteten Gemisches in den Hauptbrennraum am Ende des Einspritzvorganges und hoher Gleich-
herrschen umgekehrte Bedingungen vor, also hoher verteilung. Diese Umstände führen jedoch leider auch
Luftüberschuss bei niedrigen Temperaturen. Da die zu guten Voraussetzungen für hohe Stickoxid-
Verträglichkeit für Abgasrückführung beim Diesel- emissionen.
motor mit Direkteinspritzung jedoch wesentlich In Bild 21-18 ist die Schadstoffbildung beim Diesel-
höher ist als bei Kammermotoren (circa doppelte motor zusammenfassend qualitativ dargestellt [13].
Menge), kehren sich die Verhältnisse um.
Partikel: Zum überwiegenden Teil bestehen die
Partikel von Dieselmotoren aus Kohlenstoffteilchen.
Den Rest bilden Kohlenwasserstoffverbindungen, die
teilweise am Ruß gebunden sind und in geringem
Umfang Sulfate in Form von Aerosolen. Bei der
Verbrennung der verschiedenen Kohlenwasserstoffe
bilden sich in einzelnen Teilschritten, genannt seien
Crack-, Dehydrierungs-, und Polymerisationsprozes- HC
se, mehrere Zwischenstufen. Die Rußentstehung ist NOx
im Wesentlichen durch die örtliche Temperatur (800
HC Russ
bis 1.400 K) und die Sauerstoffkonzentration be-
stimmt und erfolgt in zwei Phasen [9]. Die Reakti-
onen in der primären Bildungsphase erfolgen fast
ausschließlich durch Radikalkettenmechanismen im
Kern der Brennstoffstrahlen und hinter den Strahl- NOx
spitzen. Es werden O-, H- und OH-Radikale gebildet.
Durch Polymerisation und Ringschluss bilden sich
zyklische und polyzyklische aromatische Kohlenwas-
serstoffe. Durch Anlagerung weiterer Einheiten Bild 21-18 Qualitative Darstellung der dieselmotori-
bilden sich relativ stabile Zwischenprodukte, die sich schen Verbrennung und Schadstoffbildung [13]
durch Aggregation zu immer größeren Partikeln, den
sogenannten Primärpartikeln zusammenschließen. 21.3.2.2 Nichtlimitierte Abgaskomponenten
Durch Koagulation der Primärpartikel zu größeren
Einheiten entstehen Sekundärpartikel. An den Sekun- Wichtige nichtlimitierte Komponenten im Rohabgas
därpartikeln können sich durch die große spezifische des Dieselmotors sind Cyanid, Ammoniak NH3,
Oberfläche unverbrannte und teilverbrannte Kohlen- Schwefeldioxid SO2 und Sulfate. Bei den differenzier-
wasserstoffe, speziell Aldehyde, anlagern. Die sekun- ten Kohlenwasserstoffen sind speziell Methan, Ethan,
däre Bildungsphase im weiteren Verlauf der Ethen, Ethin, Benzol und Toluol von Interesse. Bei den
Verbrennung ist die Rußnachoxidation, die durch die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen
Verweildauer und Sauerstoffkonzentration bestimmt (PAKs) dominieren Phenanthren, Pyren, Fluoren,
wird. Fluoranthen und Anthracen in absteigender Reihenfol-
Der Durchmesser der Partikel variiert zwischen 1 und ge. Die Konzentrationen dieser Parameter liegen um
1.000 nm. Für homogene Gemische gilt, dass bei mindestens den Faktor sechs höher als die der anderen
einem Luft-Kraftstoff-Verhältnis unter 0,5 Ruß im PAK-Einzelsubstanzen und tragen zu circa 90 % zur
Abgas enthalten sein muss, bei Lambda über 0,6 und Summe der PAKs bei [8]. Phenole und verschiedene
optimalen Bedingungen keine Rußbildung nachweis- Aldehyde wie Formaldehyd, Acetaldehyd, Aceton
bar ist [11]. Neben der Rußbildung als Partikelquelle + Acrolein, und Propionaldehyd sind ebenfalls Gegen-
stellt auch das Schmiermittel eine bedeutende Quelle stand genauerer Untersuchungen [12]. Die Bildung der
von Partikelemissionen dar. genannten Komponenten erfolgt über Spurenstoffe im
Besonders zu beachten ist der Zielkonflikt Partikel – Kraftstoff, Schmierstoff und teilweise durch Nachreak-
HC - NOx. Die Bedingungen für niedrige Partikelbil- tionen im Auspuffsystem.
dung und niedrige HC-Emissionen stehen im Gegen- Werden die Partikelemissionen hinsichtlich ihres
satz zu den Voraussetzungen niedriger Stickoxid- massenbezogenen Kohlenstoffanteils differenziert be-
emissionen. Daher ist speziell der sekundären Bil- trachtet, so ergibt sich ein Verhältnis von 80 % ele-
830 21 Abgasemissionen

mentarer Kohlenstoff zu 20 % organischen Verbin- rohreinspritzung (ähnliche Zeitspannen wie bei Die-
dungen. Chrom- und Nickelaerosole stammen, wie sel-DE). Zusätzlich müssen für die jeweiligen Be-
bei den Ottomotoren, vom Abrieb. triebsmodi (Homogene oder geschichtete Ladung)
unterschiedliche Einspritzstrategien mit einer Ein-
21.4 Minderung von Schadstoffen spritzdüse erfüllt werden.
Ein anderer Ansatz zur Gemischaufbereitung ist die
Im Wesentlichen kann die Vorgehensweise zur Ver- Gemischeinblasung in den Brennraum. Dabei muss
minderung der Schadstoffe in Maßnahmen vor, im der Kraftstoff außerhalb des Brennraumes aufbereitet
und nach dem Motor unterschieden werden. Im ersten werden. Dieses Verfahren bietet speziell für die
Teilkapitel sollen die motorischen Maßnahmen vor Schichtladung bei extrem magerem Gemisch gute
und im Brennraum betrachtet werden, die eine wich- Voraussetzungen für einen ungedrosselten Betrieb
tige Rolle bei der Senkung der Rohemissionen und des Motors. Die meisten Schadstoffe können dadurch
des Kraftstoffverbrauches spielen. vermindert werden. Durch die hohe Magerlauffähig-
keit wird zusätzlich eine Kraftstoffersparnis in einem
21.4.1 Motorische Maßnahmen weiten Last/Drehzahl-Bereich möglich.
21.4.1.1 Ottomotor Brennverlauf und Brennverfahren:
Ein Großteil der Ausführungen ist sowohl für Moto- Die Brenngeschwindigkeit wird im Wesentlichen
ren mit Saugrohreinspritzung als auch für Ottomoto- durch den verwendeten Kraftstoff, das Luft-Kraft-
ren mit Direkteinspritzung gültig. Generell kann stoff-Verhältnis, den Druck und die Temperatur
angemerkt werden, dass minimale Rohemissionen während der Umsetzung und dem Strömungszustand
meist nicht zum besten Gesamtergebnis nach erfolg- im Brennraum beeinflusst. Der Brennverlauf bei der
ter Abgasnachbehandlung führen. Saugrohreinspritzung ist weitgehend abhängig von
der Einlassventilerhebung und dem Einspritzbeginn,
Gemischbildung: dem Gemischaufbereitungsgrad und dem Zündzeit-
Das Luft-Kraftstoff-Verhältnis des Gemisches im punkt. Kurze Verweildauern bei hohen Temperaturen
Brennraum hat den dominantesten Einfluss auf die verringern die NO-Bildung. Optimal sind Brennver-
motorischen Rohemissionen. Emissionen von CO und fahren, die eine Maximaltemperatur von 2.000 K
HC sind im leicht mageren Bereich O = 1,05 bis 1,1 nicht überschreiten.
am niedrigsten; die NOx-Rohemissionen sind in Die Direkteinspritzung bietet zusätzlich den Frei-
diesem Bereich jedoch am größten. heitsgrad des Einspritzzeitpunkts, jedoch ist die
Ein gleiches Luft-Kraftstoff-Verhältnis für alle Zy- Gemischbildungszeit sehr kurz [19]. Ladungsschich-
linder ist eine weitere Grundvoraussetzung für niedri- tung reduziert die NOx-Rohemissionen und den
ge Emissionen. Dies bedingt genaueste Zumessung Kraftstoffverbrauch. Es ist jedoch darauf zu achten,
des Kraftstoffes auf alle Zylinder. Eine Lambdastreu- dass es wegen der hohen Nichtlinearität der NOx-
ung führt speziell zu stark erhöhten CO-Emissionen Bildung keine zu heißen Bereiche in der Flammen-
und in geringerem Umfang zu erhöhten HC- front gibt. In der unmittelbaren Umgebung der Zünd-
Emissionen. Die NOx-Emissionen steigen bei gerin- kerze wird üblicherweise ein fettes Gemisch bereitge-
gen Lambdastreuungen stark an; bei weiterer Erhö- stellt, um eine sichere Entflammung zu gewährleis-
hung sinken sie jedoch wieder. Zur messtechnischen ten. Der Hauptteil der umgebenden Ladung ist jedoch
Erfassung der zylinderselektiven Lambdaunterschie- mager eingestellt. Es ist auf einen möglichst homoge-
de für Regelzwecke sei auf die Ausführungen in nen Verbrennungsablauf zu achten.
Kapitel 21.2.2 verwiesen.
Für die möglichst vollständige Umsetzung im Motor Ventilsteuerung:
ist eine gute Aufbereitung des Kraftstoffes erforder- Ventiltrieb/Ventilsteuerzeiten: Der Übergang von der
lich. Bei Saugrohreinspritzung wird üblicherweise der 2-Ventil- zur 4-Ventiltechnik hat speziell dem Motor
Kraftstoff unmittelbar vor den Einlassventilen einge- mit Saugrohreinpritzung einige Vorteile eingebracht.
spritzt. Diese Position führt unter Ausnutzung von Eine zentrale Kerzenlage und der durch 4 Ventile
Saugrohrdruck und Temperatur zu einer optimalen symmetrische Brennraum ist optimal für eine schad-
Aufbereitung bei minimaler Wandfilmbildung. Zu- stoffarme Verbrennung. Nur bei den Kohlenwasser-
sätzliche Luftumfassung des Einspritzstrahles, spe- stoffen sind teilweise höhere Emissionen feststellbar.
zielle Strahlgeometrien, Einspritzdüsen mit Flash- Durch variable Steuerzeiten können der Verbrauch und
Boiling-Effekt und Piezo-Injektoren, die eine sehr die Emissionen in einem weiten Bereich beeinflusst
genaue Dosierung bei kleinsten Einspritzmengen werden. Mit einem elektromechanischen Ventil-
gewährleisten, optimieren die Kraftstoffaufbereitung trieb [14], der eine Variation vieler Freiheitsgrade er-
zusätzlich. möglicht, ist eine weitere Verbrauchssenkung speziell
Bei der luftzerstäubenden Direkteinspritzung ist die beim Motor mit Direkteinspritzung möglich. Durch
Aufbereitungszeit wesentlich kürzer als bei der Saug- geringe Ventilüberschneidung bei kleinem Ventilhub
21.4 Minderung von Schadstoffen 831

und spätem Einlasszeitpunkt lassen sich im Teillastbe- Emissionsverhalten. Eine zentrale Lage der Zündker-
reich deutliche Emissionsreduzierungen darstellen. ze zwecks kurzer Flammwege, kompakte Brennräu-
Außerdem ist ein entdrosselter Betrieb des Motors im me mit kleiner Oberfläche, minimale Totvolumina
Teillastbereich möglich, der den Kraftstoffverbrauch von Spalten und gezielte Quetschflächen senken spe-
erheblich senkt. Die Zylinderabschaltung bei Motoren ziell die HC-Emissionen und den Kraftstoff-
mit großer Zylinderanzahl senkt ebenfalls den Kraft- verbrauch. Maßnahmen zur Verkürzung des Verbren-
stoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen. nungsablaufes senken teilweise auch die NOx-Emis-
sionen. Eine Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses
Abgasrückführung: führt zu geringerem Kraftstoffverbrauch, erhöht
Abgas wird aus dem Auslassbereich des Motors über jedoch die NOx-Emissionen. Die wichtigsten Maß-
ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt nahmen für den Ottomotor mit Saugrohreinspritzung
geleitet und ersetzt einen Teil der Frischladung. sind in der Grafik in Bild 21-19 qualitativ zusam-
Dieses Gasgemisch kann unter Dissoziierung eine mengefasst und die für Motoren mit Direkteinsprit-
beträchtlich höhere Wärmemenge aufnehmen und zung in Bild 21-20. Es wurde bewusst von Zahlenan-
senkt daher das Temperaturniveau während der gaben abgesehen, da die einzelnen Maßnahmen bei
Verbrennung und verhindert dabei die Bildung von verschiedenen Motoren oft zu merkbar unterschiedli-
thermischem NO. Die damit verbundene Entdrosse- chen Ergebnissen führen können und ein möglichst
lung des Motors führt auch zu einer Absenkung des allgemeingültiger Trend aufgezeigt werden soll.
Kraftstoffverbrauchs. Eine variable innere Abgas- Weitere Maßnahmen zur Senkung der HC-Roh-
rückführung kann durch entsprechende Ventilüber- emissionen sind variable Drallbildung im Einlass-
schneidungen mittels Phasenschieber erreicht werden. kanal und geregelte Temperaturführung des Motors.
Bei der Zuführung des Abgases in das Saugrohr ist
auf die Gleichverteilung auf alle Zylinder zu achten. Zündung:
Abgasrückführraten größer als 15 % führen zu etwas Führendes Verfahren zur Fremdzündung ist die
höheren HC-Emissionen und schlechterem Leerlauf- elektrische Zündung als Ein- oder Mehrfachzündung
verhalten. mittels Zündkerze im Brennraum. Die gewählte
Ausführung beeinflusst die Ausbildung der Flammen-
Verdichtungsverhältnis: Eine hohe Verdichtung
front und damit auch die Bildungsrate der Stickstoff-
führt zu einem besseren thermischen Wirkungsgrad
oxide. Ein weiterer wesentlicher Parameter ist der
des Prozesses. Damit wird aber auch die Verbren-
Zündzeitpunkt in Bezug auf den oberen Totpunkt.
nungsspitzentemperatur erhöht, die wiederum zu
Bekannterweise ermöglicht eine spät durchgeführte
höheren NOx-Emissionen führen. Wegen des höheren
Zündung niedrige NOx-Emissionen. Optimierte Zünd-
Druckniveaus steigen auch die HC-Emissionen be-
zeitpunkte durch adaptive Regelung unter Beachtung
dingt durch die relative Zunahme der Brennraum-
aller notwendigen Parameter sind mit den heutigen
spalte. Die CO-Emissionen sinken tendenziell mit
Motormanagementsystemen möglich. Um das Ge-
steigender Verdichtung. Variable Verdichtung ist in
misch sicher zünden zu können, ist ausreichende
Entwicklung und liefert zumindest beim Kraftstoff-
Zündenergie von 0,2 bis 3 [mJ] notwendig. Eine
verbrauch gute Ergebnisse.
lange Funkendauer mit stabiler hoher Brennspannung
Brennraumgestaltung: unterstützt die sichere und stabile Entflammung des
Neben den geometrischen Verhältnissen, die Hub/- Gemisches und führt zu niedrigen HC-Emissionen.
Bohrung, Oberfläche, Volumen und Quetschflächen- Weitere Fortschritte bringen der zusätzliche Einsatz
anteil betreffen, beeinflussen weitere Parameter das der Zündkerze als „Brennraumsensor“. Durch die

Übergang verstärkte
Erhöhen variable
2-Ventil zu Abgas-
der Verdichtung Ventilsteuerung
4-Ventil-Motor rückführung

CO NOx be HC CO NOx be HC CO NOx be HC CO NOx be HC


Bild 21-19 Maßnahmen zur
Schadstoffreduzierung beim
Ottomotor mit Saugrohrein-
spritzung. (+) bedeutet einen
Anstieg und (–) eine Absen-
kung des Abgasniveaus
832 21 Abgasemissionen

verstärkte vollvariable
bessere Gemisch-
Abgas- Ventilsteuerung
Kraftstoffqualität einblasung
rückführung und Einspritzung

NOx be HC NOx be HC PM NOx be HC NOx be HC


Bild 21-20 Maßnahmen zur
Schadstoffreduzierung beim
Ottomotor mit Direkteinsprit-
zung. (+) bedeutet einen
Anstieg und (–) eine Absen-
kung des Abgasniveaus

Messung des Ionenstromes an den Elektroden wäh- Formen ab, die eine ungehinderte Strahlausbreitung
rend der Verbrennung kann einerseits der Entflam- ermöglichen sollen. Begünstigt wird diese Ent-
mungsbeginn (Aussetzerdiagnose/CH-Emission) und wicklung durch Vielloch-Einspritzdüsen. Es kommt
der Brennfortschritt gemessen als auch auf Klopfer- somit zu einer verringerten Wandauftragung. Die
scheinungen Rücksicht genommen werden. Hier Füllungsverluste durch erhöhten Drall können redu-
ergibt sich im Zusammenhang mit der elektronischen ziert werden.
Verbrennungsregelung ein Potenzial zu einer effekti- Eine homogene Dieselverbrennung mit einer mageren
ven Diagnose und der daraus resultierenden niedrigen Vormischverbrennung und einer, gegen Ende der
Emissionen über längere Zeiträume. Umsetzung, höheren Einspritzrate könnte zu einer
Raumzündung, worunter die gleichzeitige Entzün- nahezu rußfreien Verbrennung mit minimalen NOx-
dung des Gemisches an theoretisch unendlichen Emissionen führen [11, 15]. Der praktischen Realisie-
Stellen im Brennraum verstanden wird, Laserzündun- rung dieses Verfahrens stehen derzeit einerseits
gen, bei denen ein, durch eine geeignete Optik ver- unzureichende Gemischbildung sowie inhomogene
breiterter Laserstrahl mit ausreichender Energie den Gemischverteilung und andererseits der begrenzte
gesamten Brennrauminhalt zündet und die Plasma- Betriebsbereich im Last-Drehzahlkennfeld entgegen.
zündung stehen noch immer in Entwicklung und Des Weiteren benötigt dieses Brennverfahren ein
zeigen meist bei einzelnen Abgaskomponenten Vor- vollvariables Einspritzsystem mit den Möglichkeiten
teile. Insbesondere Raumzündungs-Brennverfahren einer in weiten Bereichen variierbaren Vor-, Haupt-
haben ein sehr hohes Potenzial hinsichtlich einer und Nacheinspritzung und damit der Darstellung
deutlichen Absenkung der NOx-Rohemissionen. eines nahezu beliebigen Einspritzverlaufes. Dieses
Gleichzeitig können die Teillastverbräuche reduziert Verfahren steht in Konkurrenz zur Raumzündver-
werden. brennung beim Ottomotor.
Eine weiter verbesserte Kraftstoffqualität, um die
Verkokungsneigung bei Direkteinspritzungssystemen Aufladung:
zu vermeiden, führt zu einem stabileren Emissions- Die Turboaufladung stellt für den Dieselmotor mit
verhalten speziell von strahlgeführten Systemen. Direkteinspritzung nach wie vor die effizienteste
Möglichkeit dar, sämtliche Schadstoffkomponenten
21.4.1.2 Dieselmotor zu reduzieren. Wichtigste Parameter wie Ladedruck
Die emissionstechnische Optimierung von Dieselmo- und Ladelufttemperatur müssen für jeden Lastpunkt
toren betrifft in der Mehrzahl der Fälle den klassi- variiert werden können. Zusätzlich helfen variable
schen Zielkonflikt Kraftstoffverbrauch – Stickstoff- Turbinengeometrien, Registeraufladung und nach
oxide – Partikelemissionen. Lastbedarf geregelte Ladeluft-Temperatur, den Ver-
brauch zu senken und speziell die NOx-Emissionen zu
Brennverfahren und Brennverlauf: reduzieren. Elektrische Zusatzaufladung kann den
Bei den derzeit verwendeten Einspritzdüsen für Partikelausstoß bei transienten Vorgängen, wie An-
luftverteilende Direkteinspritzung ist der wichtigste fahrvorgängen aus der Leerlaufdrehzahl, merklich
Parameter der Spritzbeginn in Bezug auf den oberen senken.
Totpunkt OT. Der Zündverzug stellt eine relativ
konstante Größe dar. Übliche Konzepte auf Basis von Einspritzsysteme und Einspritzverfahren:
Vierventil-Zylinderköpfen verwenden einen Drall- Hochdruckeinspritzungssysteme wie Pumpe-Düse, be-
und einen Füllungskanal. Bei den Kolbenmulden ziehungsweise Common Rail führen durch den hohen
zeichnet sich ein Trend zu flacheren und weiteren Einspritzdruck von 1.500 bis 2.000 bar, in naher
21.4 Minderung von Schadstoffen 833

20
NOx [g/kWh]

15
10
5 Raildruck
500 bar
0 650 bar 1,5
800 bar
950 bar
110 bar 1,0

SZ [-]
0,5
spez. Verbrauch [g/kWh]

230 0,0
220
210
200
Bild 21-21 Einfluss des
190
Raildrucks und Spritzbeginns
–25 –20 –15 –10 –5 0 5 10
auf Verbrauch, Schwär-
Spritzbeginn [°KW]
zungszahl und NOx [16]

Zukunft über 2.000 bar, in Kombination mit neuen wünschten Einspritzverlauf auf Grund der kürzeren
Einspritzventilen zu einer optimierten Aufbereitung des Schaltzeiten näher kommen und bieten weitreichende
Kraftstoffes und senken speziell die Partikelemissio- Optimierungsmaßnahmen.
nen. Bild 21-21 zeigt die möglichen Verbesserungen Eine Wassereinspritzung führt bei Motoren mit zu
bei steigendem Einspritzdruck. Der Zielkonflikt Parti- hohem Verbrennungstemperaturniveau zu einer NOx-
kel versus NOx lässt sich deutlich besser beherr- Reduzierung um bis zu 25 %, jedoch ergibt diese
schen [16]. Maßnahme auch eine Verschlechterung der CO- und
Aus den wichtigsten Parametern wie Einspritzzeit- HC-Emissionen [11, 15].
punkt, Einspritzgesetz, Einspritzdruck, Düsenform
(Strahllage, Vorstehmaß, Anzahl der Düsen), Ein- Ventilsteuerung:
spritzmenge, Voreinspritzung, Spritzabstand, Nach- Durch die Mehrventiltechnik ist ein höherer Fül-
einspritzung, Einspritzdauer und Absteuerdauer lungsgrad möglich. Dies hat besonders positive
müssen im Versuchsstadium die besten Strategien Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch und das
herausgefiltert werden. Wie durch geeignete Ab- allgemeine Rohemissionsverhalten. Speziell die Vier-
stimmung der Motorsteuerung bei Common-Rail- ventiltechnik scheint auf Grund der günstigen Ein-
Einspritzung dieser Zielkonflikt umgangen werden spritzdüsenlage derzeit das optimale Konzept für den
kann, ist aus Bild 21-22 zu ersehen [17]. Dieselmotor zu sein. Variabler Ventilsteuerung und
Eine kleine Voreinspritzmenge mit einem Volumen Phasenschiebern kommt auf Grund der vorherrschen-
von weniger als 1 mm3 führt bei geeignetem Abstand den Turboaufladung bei Pkw-Dieselmotoren, derzeit
zur Haupteinspritzung zu minimaler NOx- und Parti- noch nicht die Bedeutung zu wie beim Ottomotor.
kelemission. Nacheinspritzung führt zu Verminde-
rung der Partikelemissionen bei gleich bleibenden Abgasrückführung:
NOx-Emissionen. Eine möglichst kurze Absteuerzeit Im Unterschied zum fremdgezündeten Ottomotor
senkt speziell die HC-Emissionen. Einspritzanlagen, sind beim Dieselmotor noch bedeutend höhere Rück-
die Piezo-Injektoren verwenden, können dem ge- führraten möglich. Es ist jedoch, wie aus Bild 21-23

0,10
0,09 n = 2000/min
AGR-Variation pe = 5,0 bar
0,08
Variation Abstand
0,07 Vor-/Haupteinspritzung
Partikel [g/kWh]

Raildruck-Variation
0,06
ansteigend
0,05
0,04
0,03 Auslegungspunkt
0,02 Bild 21-22 Zielkonflikt
0,01 Partikel- und NOx-
0 Emissionen bei V8-TDI-
0 1 2 3 4 5 6 7
Motor mit Common-Rail-
spezifische NOx-Emissionen [g/kWh]
Einspritzung nach [17].
834 21 Abgasemissionen

Partikel Konzentration d N/d log(d ) [Anzahl/cm3]


7.0E+07

6.0E+07 AGR: 0%
AGR: 30%
5.0E+07
AGR: 50%
4.0E+07

3.0E+07

2.0E+07

1.0E+07
Bild 21-23 Partikelkonzentra-
0.0E+00 tion über dem Partikeldurch-
10 100 1000 messer in Abhängigkeit von
Partikel Durchmesser d [nm]
der Abgasrückführrate [18]

Abgasturbo- verstärkte Übergang


Hochdruck-
aufladung + Abgas- 2-Ventil zu
einspritzung
Ladeluftkühlung rückführung 4-Ventil-Motor

NOx be PM HC NOx be PM HC NOx be PM HC NOx be PM HC

Bild 21-24 Maßnahmen zur


Schadstoffreduzierung beim
Dieselmotor. (+) bedeutet
einen Anstieg und (–) eine
Absenkung des Abgasniveaus

ersichtlich, eine deutliche Erhöhung der Partikelan- ohne den Einsatz verbrauchsverschlechternder Zu-
zahl und Partikelgröße mit zunehmender Abgasrück- satzaggregate scheint für bestimmte Motorfamilien
führrate festzustellen. Zusätzliche Kühlung des rück- möglich. Gleichzeitig sollen aber die mutigen Schritte
geführten Abgasteiles senkt die NOx-Emission und hin zu neuen Brennverfahren für das „schadstofffreie
auch tendenziell den Partikelausstoß, erhöht jedoch und ressourcenschonende Automobil“ getan werden.
die CO- und HC-Emissionen. Der Zielkonflikt NOx
zu Partikel ist durch eine gekühlte Abgasrückführung Danksagung
bis zu 15 % günstiger [15]. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dipl.-Ing. Michael
Tauscher und Herrn Dr. Stefan Humer für die Unter-
Brennraumgestaltung: stützung bei der Verfassung dieses Buchbeitrags.
Im Wesentlichen gelten ähnliche Gestaltungsregeln wie
beim Ottomotor. In Abhängigkeit vom Einspritzverfah-
ren und des Hubvolumens ergeben sich unterschied-
Literatur zu Kapitel 21.1 bis 21.4
liche Forderungen für die Brennraumgeometrie. Weite, [1] Staab, J.: Automobil-Abgasanalytik bei niedrigen Grenzwerten.
flache Brennräume mit niedrigem Drall werden bevor- In: MTZ 58 (1997) 3, S. 168 – 172
[2] Pucher, E.; Cachón, L.; Lengheim, A.: Real-Time In-Car Emis-
zugt bei größeren Hubräumen eingesetzt. Dagegen sion Measurement of a Hybrid Vehicle for Improved Eco-Dri-
werden in den Brennräumen von Pkw mit einem Zy- ving in Urban Areas, Paper 20. ITS World Congress Tokyo,
lindervolumen von 450 bis 550 cm3 eher tiefere Mul- 2013
den mit höheren Drallzahlen verwendet. [3] Mohr, M.: Feinpartikel in Verbrennungsabgasen und Umge-
bungsluft. Internetpublikation, http://www.empa.ch/deutsch/
In Bild 21-24 sind die wichtigsten Maßnahmen zur fachber/abt137/motor/partikel.html, 1998
Emissionsreduzierung für Dieselmotoren zusammen- [4] Neumann, H.; Hötzel, G.; Lindemann, G.: „Advanced Planar
gefasst. Oxygen Sensors for Future Emission Control Strategies“. SAE-
Durch zügige Weiterentwicklung bewährter Techno- Paper 970459, Detroit, 1997
[5] Pucher, E.; Weidinger, Ch.; Holzer, H.: Kontinuierliche HC-In-
logien können deutliche Fortschritte bei der Abgasre- dizierung am 4-Ventil Ottomotor. Tagungsband des 3. Interna-
duzierung erreicht werden. Das Erreichen besonders tionalen Indiziersymposium, AVL Deutschland GmbH, Mainz,
niedriger Abgasgrenzwerte, wie ULEV oder Euro 4, 1998
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 835

[6] Pachta-Reyhofen, G.: Wandfilmbildung und Gemischverteilung


bei Vierzylinder-Reihenmotoren in Abhängigkeit von Vergaser-
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor
und Saugrohrkonstruktion, Dissertation. TU Wien, 1985
[7] Pucher, E. 1; Dibble, R. W. 2; Girard, J. W.1: Real-Time Hydro-
21.5.1 Katalysatoraufbau
carbon Measurement for In-Cylinder Mixture Analysis of Ad- und chemische Reaktionen
vanced Combustion Systems. Paper F2004V257 der Fisita Con-
ference 2004, Barcelona, Spain.1 Vienna University of Techno- Die Basisfunktionen eines Automobilkatalysators
logy, Austria; 2 University of California at Berkeley, United können mit den nachfolgenden Reaktionsgleichungen
States (21.4) bis (21.9) beschrieben werden. Die Haupt-
[8] Puxbaum, H. et al.: Tauerntunnel Luftschadstoffuntersuchung
schadstoffkomponenten im Abgas des Ottomotors
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Cat 5. Emission Control 2010, Dresden, 10. Juni 2010 Bild 21-25 Schnittbild eines Katalysators
836 21 Abgasemissionen

Der katalytische Träger wird in wässriger Lösung mit tierung für die Schadstoffkomponenten HC, CO und
einem Feststoffgehalt von 30 bis 50 % produziert, der NOx in Abhängigkeit vom Luft-Kraftstoff-Verhält-
sogenannten Slurry. Diese Slurry wird auf wabenför- nisO Zur Einhaltung der derzeitigen strengen Ab-
mige Monolithe beschichtet. Dabei werden sowohl gasgesetzgebung in Europa und USA werden diese
keramische wie metallische Monolithe eingesetzt. Die Dreiwegekatalysatoren für O = 1-geregelte Ottomoto-
Wabenstruktur gewährleistet eine möglichst große ren eingesetzt.
Oberfläche für die katalytische Reaktion auf kleinem Neben der Konvertierung im betriebswarmen Zustand
Raum. Bild 21-25 zeigt beispielhaft einen Katalysator, ist das Anspringverhalten, der sogenannte Light Off,
der aus zwei keramischen Monolithen aufgebaut ist. des Katalysators von entscheidender Bedeutung zur
Charakterisierung seines Verhaltens. Im dynamischen
21.5.2 Katalysatorkonzepte Test spielen neben den katalysatorspezifischen Eigen-
stöchiometrisch betriebener schaften auch die substratspezifischen Eigenschaften
Motoren eine wesentliche Rolle, da diese die thermische Masse
des Katalysators über die geometrischen Parameter wie
21.5.2.1 Dreiwegekatalysator Zelldichte, Wandstärke beziehungsweise Folienstärke
Aus den im vorigen Kapitel beschriebenen Reaktio- und seine thermodynamischen Eigenschaften der Wär-
nen zur Umsetzung der Schadstoffkomponenten im mekapazität und Dichte bestimmen. Durch Reduzie-
ottomotorischen Abgas ergeben sich die Reaktions- rung der thermischen Masse kann die Zeit bis zum
bedingungen, unter denen diese Reaktionen möglich Anspringen beim Kaltstart deutlich reduziert werden.
sind. Zur Oxidation von HC und CO ist ein Sauer- Gleichzeitig muss eine hohe geometrische Oberfläche
stoffüberschuss erforderlich, während die Reduktion für die katalytische Reaktion zur Verfügung gestellt
der Stickoxide die Anwesenheit reduzierender Kom- werden. Substrate mit einer hohen Zelldichte in Ver-
ponenten verlangt. Da im Fahrbetrieb alle Schad- bindung mit einer niedrigen Wandstärke stellen ein
stoffkomponenten gleichermaßen umgesetzt werden geeignetes Mittel dar, das Anspringverhalten beim
müssen, ergibt sich hinsichtlich der Abgaszusammen- schnellen Aufheizen des Katalysators zu verbessern.
setzung und -konvertierung ein enges Betriebsfenster, Bild 21-27 zeigt die geometrischen Parameter ausge-
in dem die Verbrennung betrieben werden kann. wählter Standardsubstrate.
Durch die Regelung des Luft-Kraftstoff-Gemisches Die temperaturabhängige Wärmekapazität ist in Bild
mit Hilfe einer Lambda-Sonde im engen Bereich um 21-28 für Keramik im Vergleich zu Metallsubstraten
das stöchiometrische Verhältnis O = 1 ist es möglich, dargestellt.
sowohl die Oxidations- wie auch die Reduktionsreak- Entsprechend der Anordnung des oder der Katalysato-
tionen mit hoher Umsatzrate zu betreiben. Solche ren im Gesamtfahrzeug werden verschiedene Kataly-
Katalysatoren werden als Dreiwegekatalysatoren be- satorsysteme unterschieden, Bild 21-29. Zum einen ist
zeichnet, da alle drei Schadstoffkomponenten glei- eine motornahe Position möglich (motornaher Haupt
chermaßen umgesetzt werden. Aus dem Schnittpunkt katalysator), die durch thermische und mechanische
der CO und NOx Konvertierung, abhängig von Luft- Stabilität sowie den vorhandenen Bauraum begrenzt
Kraftstoff-Verhältnis O dem sogenannten Cross-Over, wird. Auf der anderen Seite ist die traditionelle Unter-
ergibt sich der optimale Betriebspunkt des Katalysa- bodenposition zu nennen, die durch eine niedrigere
tors. Bild 21-26 zeigt die Abhängigkeit der Konver- Abgastemperatur ungünstigere Randbedingungen für

100

80 HC
CO
NOx

60
Efficiency %

40

20

Bild 21-26 Konvertierung


Schadstoffkomponenten in
0 Abhängigkeit vom Luft-
0,96 0,97 0,98 0,99 1,00 1,01 1,02 1,03 l 1,04
Kraftstoff-Verhältnis
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 837

Keramik Metall
Zelldichte [cpsi] 400 600 900 400 600 800 1.000
Wand-/Folienstärke [mil/mm] 6,5 3,5 2,5 0,050 0,040 0,030 0,025
Geometrische Oberfläche [cm2/cm3] 27,3 34,4 43,7 36,8 42,9 51,6 56,0
Freier Querschnitt [%] 75 80 86,4 89,3 89,8 93,7 91,4
Hydraulischer Durchmesser [mm] 1,10 0,93 0,79 0,97 0,84 0,72 0,65
Dichte [g/cm3] 0,43 0,35 0,24 0,77 0,73 0,55 0,61
Bild 21-27 Substratparameter für Hochzeller- und Dünnwandsubstrate

1,2
besprochen. Es wurde auch erwähnt, dass die Oxida-
tions- und Reduktionsreaktionen nur gleichzeitig bei
Spezifische Wärmekapazität [J/gk]

1,1 Cordierit maximaler Konvertierung ablaufen können, wenn


1,0 sich das Luft-Kraftstoff-Verhältnis im stöchiometri-
0,9
schen Punkt befindet, also Lambda = 1. Die Mo-
torsteuerung löst dieses Problem, indem sie unter Zu-
0,8
hilfenahme einer Messsonde im Abgas, die Lambda-
0,7 sonde, und einem geschlossenen Regelkreis ständig
Metall eine dem Luft-Kraftstoff-Verhältnis proportionale
0,6
Größe misst. Misst nun die Sonde ein zu fettes oder
0,5
zu mageres Abgas, wird durch die Regelung in die
0,4 eine oder andere Richtung korrigiert. Das bedeutet
0 100 200 300 400 500 600
aber, dass das Luft-Kraftstoff-Verhältnis nur zeitlich
Temperatur in °C
gemittelt stöchiometrisch ist, in konkreten Lastpunk-
ten des Motorbetriebes jedoch sehr wohl deutlich
Bild 21-28 Wärmekapazität
verschieden von eins sein kann. Der Katalysator
würde darauf je nach Zustand des Abgases, fett oder
Motornaher Hauptkatalysator mager, mit HC-, CO- beziehungsweise NOx-Durch-
brüchen bezüglich der Konvertierung reagieren. Die
Oberflächenchemie des Cer bietet einen Ausweg aus
diesem Dilemma, da es die Eigenschaft besitzt, Sauer-
stoff zu speichern und wieder abzugeben.
Unterbodenkatalysator
Der Grundbaustein des Sauerstoffspeichers
Wie schon zuvor erwähnt befindet sich das Luft-Kraft-
stoff-Verhältnis nie genau bei eins, sondern schwingt
ständig um diesen Punkt herum. Das heißt, dass in
Vorkatalysator Hauptkatalysator der einen Hälfte der Schwingung mehr Sauerstoff vor-
handen ist, als zur Konvertierung benötigt wird, wäh-
rend in der anderen Hälfte Sauerstoffmangel herrscht.
Obwohl die Amplitude und Frequenz der Schwin-
gung inzwischen sehr genau kontrolliert werden kön-
Bild 21-29 Katalysatorkonzepte nen, würde die Konvertierung des Abgases darunter
leiden. Aus diesem Grunde bringt man in die katalyti-
sche Beschichtung ein Element ein, welches die Ei-
die Katalyse aufweist. Vielfach wird auch eine Kom-
genschaft hat, den Sauerstoff zu speichern. Kommt es
bination aus motornahem Vorkatalysator und Unter-
nun zu einem Halbzyklus, bei dem Sauerstoffüber-
bodenkatalysator eingesetzt. Dieses Katalysatorsystem
schuss herrscht, wird der überflüssige Sauerstoff ab-
vereinigt die Vorteile der schnellen Aufheizkurve
gespeichert und kann im darauf folgenden Halbzyk-
einer motornahen Anordnung mit dem notwendigen
lus, bei dem eigentlich Sauerstoffmangel vorliegt, zur
Bauraum der Unterbodenlage für größere Katalysator-
Konvertierung herangezogen werden. Formell kann
volumina bei höheren Systemkosten.
man folgende Reaktionsgleichung aufstellen:
21.5.2.2 Der Sauerstoffspeicher Ce 2 O 3 + 0,5 O 2 o 2 CeO 2 , (21.10)
In den vorangegangenen Kapiteln wurden die chemi- wobei Cer das Element ist, das den Sauerstoffspei-
schen Reaktionen des Dreiwegekatalysators im Detail cher bildet. Die ganz spezielle Eigenschaft der Ober-
838 21 Abgasemissionen

flächenchemie dieses Elementes macht diese Spei-

Standardisierte BET Oberfläche [%]


100
cherung möglich. Cer kann zwei unterschiedliche
Oxidationsstufen annehmen, wobei der Mechanismus 80
nach folgendem Zwischenschritt abläuft:
60
Ce 4+
O Ce4+  PM o Ce3 
' Ce3  PM  O (21.11)
40
Trifft nun ein Kohlenmonoxidatom auf die Oberflä-
che, kann es den gespeicherten Sauerstoff zur Oxida- 20 Stab. Ceria
tion aufnehmen und das Ceroxid wird dadurch redu- non Stab. Ceria
0
ziert, wie in folgender Reaktionsgleichung darge- 800 900 1000
stellt: Alterungstemperatur [°C]

2 CeO 2  CO o CO 2  Ce 2 O3 (21.12)
Bild 21-30 Vergleich von nicht stabilisiertem Cer zu
wobei sich auch hier ein durch das Edelmetall kataly- stabilisiertem. Alterung 4 Std bei 1.050 °C im Ofen
sierter Zwischenschritt ergibt:
CO + PM – O o PM + CO2 (21.13) Cer. Bild 21-30 zeigt den Vergleich von stabilisier-
tem und nicht stabilisiertem Cer nach einer Alterung
Die CO Konvertierung kann also direkt durch den
von vier Stunden bei 1.050 °C. Deutlich kann man
Sauerstoffspeicher verbessert werden. Das Gleiche
das unterschiedliche Alterungsverhalten der beiden
gilt auch für die NOx-Konvertierung, welche nach
Materialien erkennen.
folgendem Muster abläuft:
Erst durch diese Entwicklungsstufe konnten motor-
Ce3+
' Ce3+  NO o Ce 4 
O Ce 4  0,5 N 2 (21.14) nahe Katalysatoren mit einer dem Automobil entspre-
chenden Lebensdauer verwirklicht werden. Die Er-
Es wird allgemein angenommen, dass die Kohlen-
fahrung nach circa 30 Jahren Katalysatoreinsatz zeigt,
wasserstoffkonvertierung über den gleichen Mecha-
dass heute nicht mehr der Katalysator das schwächste
nismus abläuft. Dem ist jedoch nicht so. Das Koh-
Glied in der Kette Abgasreinigungssystem ist.
lenwasserstoffmolekül benötigt große Edelmetall-
oberflächen, um daran zu reagieren und wird somit
nicht wie CO und NOx durch das Cer katalysiert. 21.5.2.3 Kaltstartstrategien
Zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ab-
Die Entwicklung des Sauerstoffspeichers
gasnormen ist es von entscheidender Bedeutung, den
In den ersten Dreiwegekatalysatoren wurde Cer in Katalysator möglichst schnell auf Betriebstemperatur
löslicher Form eingebracht ohne spezielle Stabilisato- zu bringen. Um dies zu realisieren, werden die nach-
ren. Der Vorteil war eine im Frischzustand sehr hohe folgend beschriebenen Katalysatorheizmaßnahmen in
Oberfläche und damit Sauerstoffspeicherfähigkeit. verschiedenen Serienapplikationen verwendet. Bei
Sobald dieser Katalysator jedoch über einen längeren den eingesetzten Kaltstartstrategien sind aktive und
Zeitraum hohen Temperaturen ausgesetzt wird, passive Maßnahmen zu unterscheiden:
nimmt diese Oberfläche rapide ab. Zum Vergleich
besitzt Cer im Frischzustand eine Oberfläche von Elektrischer Heizkatalysator
circa 120 m2/g und nach vier Stunden Alterung im Zu den aktiven Maßnahmen zählt der sogenannte
Ofen bei 1.050 °C geht sie zurück auf weniger als elektrische Heizkatalysator, bei dem durch Einsatz
1 m2/g. Mit den immer härter werdenden Abgasge- elektrischer Heizelemente der Katalysator erwärmt
setzgebungen wird außerdem der Katalysator, um ein wird, Bild 21-31. Hierfür ist eine hohe elektrische
schnelles Anspringen zu unterstützen, immer näher Leistung vor oder während des Motorstarts notwendig,
zum Motorauslass gelegt. Bei diesen Einbaulagen, wo die vom Bordnetz bereitgestellt wird. Berücksichtigt
konstant hohe Temperaturen herrschen, kann es sehr werden muss, dass diese elektrische Leistung mit
schnell zu einem drastischen Verlust der Speicher- einem im Kaltstart niedrigen Motorwirkungsgrad und
fähigkeit kommen. einem typischerweise schlechten Generatorwirkungs-
Eine der bahnbrechenden Erfindungen im Dreiwege- grad bei 12-V-Bordnetzspannung erzeugt werden
bereich war deshalb die Entwicklung von stabilisier- muss. Aus diesem Grund bietet sich dieses System
ten Cer-Komponenten. Der Stabilisator besteht zum nur zur Erreichung strenger Abgasnormen für große
größten Teil aus Zirkonium, aber auch weitere Ele- Motoren an.
mente der Seltenen Erden werden dazu herangezo-
gen. Zwar ging die verfügbare Oberfläche im Frisch- Sekundärluft
zustand deutlich zurück, circa 80 m2/g, jedoch ist sie Neben innermotorischen Maßnahmen, die Abgasen-
nach Alterung bei ungefähr 30 bis 40 m2/g, also um thalpie zu steigern, bietet die Einblasung von Se-
ein Vielfaches höher wie beim nicht stabilisierten kundärluft in den Abgasstrang eine effektive Variante,
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 839

solange der Dreiwegekatalysator nicht arbeitet, von


einem Speicherkatalysator adsorbiert. Nach Ansprin-
gen des Dreiwegekatalysators werden diese wieder
freigegeben und anschließend konvertiert. Wesent-
liche Voraussetzung für die Wirksamkeit dieses Sys-
tems ist, dass die Desorptionstemperatur des Spei-
chers oberhalb der Anspringtemperatur des Dreiwe-
gekatalysators liegt, damit die gespeicherten Kohlen-
wasserstoffe auch wirklich konvertiert werden und
nicht nur zeitversetzt den Abgasstrang passieren.
Dazu ist es erforderlich, dass im Moment der Freiset-
zung der Kohlenwasserstoffe genügend Sauerstoff für
die Oxidation zur Verfügung steht. Dies ist durch
eine geeignete Regelstrategie des Motors (vorgesteu-
ertes O) möglich. Derzeit wird der Einsatz von Spei-
cherkatalysatoren durch die Temperaturstabilität der
Speichermaterialien begrenzt. Die Temperaturstabili-
tät der eingesetzten Zeolithe liegt deutlich unterhalb
der eines Dreiwegekatalysators.
Bild 21-31 Elektrischer Heizkatalysator
21.5.2.4 Deaktivierungseffekte
den Katalysator schnell zu erwärmen. Bild 21-32 und ihre Auswirkung
zeigt die Aufheizung des Katalysators bei Kaltstart Eine der Hauptursachen der Katalysatordeaktivierung
mit und ohne Sekundärlufteinblasung. Die Sekundär- ist die Atmosphäre, welcher der Katalysator ausge-
luft wird von einer elektrischen Pumpe in die Aus- setzt ist. Abgastemperaturen jenseits von 900 °C sind
lasskanäle des Motors eingeblasen. Der zusätzlich zur keine Seltenheit und werden vor allem durch motor-
Verfügung stehende Sauerstoff begünstigt die exo- nahe Einbaulagen gefördert. Weitere Deaktivierungs-
thermen Oxidationsreaktionen, so dass der Katalysa- effekte werden durch Kraftstoff oder Motoröl in das
tor in wenigen Sekunden auf Betriebstemperatur ge- Abgas eingebracht und sind, bis auf wenige Ausnah-
bracht werden kann. Da das Luft-Kraftstoff-Verhält- men, wie die thermische Alterung, nicht reversibel.
nis des Motors beim Warmlauf gleichzeitig leicht fett Für die Forschung ist es wesentlich, die Mechanis-
eingestellt werden kann, ergibt sich ein gutes Fahr- men zu verstehen, um, wenn immer möglich, resis-
verhalten bei Kaltabfahrt. tente Werkstoffe oder Regenerierungsmethoden zu
entwickeln.
HC-Speicherkatalysator
Eine weitere Möglichkeit, die HC Emissionen zu ver- Thermisch bedingte Deaktivierung
ringern, ist der Einsatz von HC-Speicherkatalysatoren Eines der wichtigsten Ziele der Katalysatorherstel-
(Trap), Bild 21-33. Die während des Kaltstarts emit- lung ist es, eine optimale Zugänglichkeit der Reaktan-
tierten unverbrannten Kohlenwasserstoffe werden, ten zu den aktiven Plätzen sicherzustellen wenn die

800

700

600

500
Temperatur [°C]

400

300

200 ohne Sekundärluft

100 mit Sekundärluft

0
0 50 100 150 200 250 Bild 21-32 Temperatur-
verlauf im Katalysatorbett
Zeit [s]
mit/ohne Sekundärluft
840 21 Abgasemissionen

Rohemissionen
Emissionen nach TWC
Emissionen nach TWC + HC Trap
HC Emissionen [a.u.]

0 10 20 30 40 50 60 70 80 Bild 21-33 HC-Emissionen


Zeit [s] mit HC-Trap

katalytischen Komponenten auf den Träger aufge- Die Edelmetall-Sinterung:


bracht werden. In einem perfekt dispergierten Kataly- Hochdispergierte katalytische Spezies unterliegen
sator ist jedes Atom (oder Molekül), welches an der dem natürlichen Zwang, sich unter Zuführung von
Umsatzreaktion teilnimmt, wie in Bild 21-34 darge- Wärme zu Kristallen zusammenzuschließen. Bei die-
stellt, leicht zugänglich. sem Prozess wachsen die Kristalle, das Verhältnis
Einige Katalysatoren werden in diesem hochaktiven Oberfläche zu Volumen wird kleiner und weniger ka-
Zustand gebaut; allerdings sind sie extrem instabil, da talytisch aktive Atome oder Moleküle sind an der
sie unter Wärmezufuhr leicht zu größeren Kristallen Kristalloberfläche für die Reaktanten verfügbar. Mit
zusammenwachsen. Aus diesem Wachstum resultiert anderen Worten, viele der aktiven Plätze liegen im
eine Verringerung der katalytischen Oberfläche. Des Kristallinnern vergraben, und da weniger aktive Stel-
Weiteren unterliegt der Aluminiumoxidträger mit sei- len an der Reaktion teilnehmen, geht die Leistungsfä-
ner enormen inneren Oberfläche, aufgebaut aus ei- higkeit zurück. In Bild 21-35 wird das Phänomen
nem Netzwerk von Poren, ebenfalls einem Sinte- durch eine einfache Prinzipskizze verdeutlicht. Das
rungsprozess. Die Folge daraus ist der Verlust an zuerst fein verteilte Edelmetall wächst unter Zufuhr
innerer Oberfläche. Ein weiterer Deaktivierungsme- von Wärme zu Kristallen oder Agglomeraten zu-
chanismus wird durch die Wechselwirkung der kata- sammen.
lytischen Spezies mit dem Trägermaterial beschrieben. Der Verlust der Leistungsfähigkeit auf Grund der
Die Legierungsbildung führt zu geringkatalytisch akti- Edelmetallsinterung im Bereich Automobilabgaskata-
ven Spezies. Alle zuvor beschriebenen Prozesse wer- lysatoren ist bedeutend. Ein Schwerpunkt der Kataly-
den durch die Natur der Edelmetalle, das verwendete satorforschung ist deshalb, die Zusammenhänge der
Trägermaterial und die Abgasumgebung beeinflusst, Sinterung exakt zu erforschen und Möglichkeiten der
vor allem aber durch hohe Temperaturen. Stabilisierung von fein verteilten Dispersionen bereit-

Edelmetall Gesintertes Edelmetall

Al2O3 Washcoat Al2O3 Washcoat

Substrat Substrat

Bild 21-34 Prinzipskizze eines ideal dispergierten Bild 21-35 Prinzipskizze der Edelmetallsinterung auf
Katalysators auf einem Aluminiumoxidträger einem Träger
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 841

zustellen. Der Einsatz verschiedener Elemente der Edelmetall Gesinterte Pole


Gruppe der Seltenen Erden wird im Bereich der
Automobilabgasnachbehandlung mit Erfolg zur Sta-
bilisierung der Edelmetalle eingesetzt. Der genaue
Mechanismus der Stabilisierung ist noch nicht voll-
Al2O3 Washcoat
kommen erforscht, es scheint jedoch, als ob die Sta-
bilisatoren das Edelmetall an der Oberfläche fixieren
und somit seine Mobilität vermindern.

Die Trägermaterial-Sinterung:
Innerhalb einer gegebenen Kristallstruktur (zum
Beispiel J-Al2O3) ist der Verlust an Oberfläche ver- Substrat

bunden mit dem Verlust von H2O und einem allmäh-


lichen Verlust der Porenstruktur, wie in Bild 21-37 Bild 21-37 Prinzipskizze der Trägermaterial-Sinte-
dargestellt. Wenn der Sinterungsprozess abläuft, rung
kommt es nach und nach zu einer Verkleinerung der
Porenöffnungen, was zu einer Erhöhung des Poren-
diffusionswiderstandes führt. Eine chemisch kontrol- Wenn zum Beispiel J-AL2O3 zu G-AL2O3 umgewan-
lierte Reaktion könnte somit allmählich durch die delt wird, erfolgt ein signifikanter schrittweiser Ver-
Porendiffusion limitiert werden. Das Auftreten dieses lust an innerer Oberfläche von circa 150 zu < 50 m2/g.
Phänomens ist entscheidend durch einen progressiven Gleiches beobachtet man bei einem von Anatase-
Verlust der Aktivierungsenergie der entsprechenden zur Rutil-Struktur umgewandelten TiO2, die Oberflä-
Reaktion geprägt. Im Konvertierungs-/Temperatur- che verringert sich von circa 60 m2/g zu < 10 m2/g.
Graph in Bild 21-36 nimmt die Steigung der Kurve Der Konvertierungs-/Temperatur-Graph unterliegt in
nach und nach ab. diesem Fall gewöhnlich einem Verlust an Aktivität.
In der Gegenwart bestimmter Elemente der 3. und
4. Hauptgruppe in oxidierter Form kann man den
100 Sinterungsprozess mancher Trägermaterialien ver-
langsamen. Man nimmt an, dass sie Feststoffverbin-
dungen mit dem Träger bilden und somit die, für die
80 Sinterung maßgeblich verantwortliche Oberflächen-
reaktivität vermindern.
CO-Conversion [%]

60 Edelmetall/Trägeroxid Wechselwirkung:
Die Reaktion der katalytisch aktiven Komponente mit
dem Träger kann der Grund einer Deaktivierung sein,
40 wenn das Produkt eine geringere Aktivität besitzt als
die ursprünglich fein verteilte Spezies. Unter Hoch-
temperatur und mageren Abgasbedingungen reagiert
20 Rh2O3 zum Beispiel an der großen, hochaktiven
Oberfläche des Al2O3 und bildet ein inaktives Misch-
oxid.
0 Dieser Vorgang beschreibt einen wichtigen Mecha-
100°C 150°C 200°C 250°C 300°C nismus bezüglich der Deaktivierung der NOx-Reduk-
Fresh / Regenerated tionsaktivität. Man nimmt an, dass die Reaktion prin-
Loss of Active Sites: Sintering zipiell nach folgendem Schema abläuft:
Pore Diffusion: Smaller Effective Pores
800q Luft
Masking: Surface Sites Covered, Pores Blocked Rh 2 O3  Al 2 O3  o Rh 2 Al 2 O4 (21.15)

Bild 21-36 Konvertierung als Funktion der Eintritts- Da die Aktivität des Katalysators beeinträchtigt ist,
temperatur für unterschiedliche Deaktivierungsme- verschiebt sich die Kurve in Richtung höherer Tem-
chanismen peraturen mit einer signifikanten Steigungsänderung.
Diese unerwünschte Reaktion führte zur Entwicklung
Im Extremfall sind die Poren vollkommen geschlos- alternativer Trägeroxide wie SiO2, ZrO2, TiO2 und
sen und die katalytisch aktiven Plätze im Innern der ihrer Kombinationen. Das Problem der negativen
Pore sind für die Reaktanten nicht mehr zugänglich, Wechselwirkung kann durch das Verwenden dieser
Bild 21-37. alternativen Trägeroxide gelöst werden; allerdings
Ein weiterer Mechanismus der Trägeroxidumwand- sind sie sehr oft nicht so stabil gegenüber dem Sinte-
lung basiert auf der Umwandlung der Kristallstruktur. rungsprozess.
842 21 Abgasemissionen

Deaktivierung durch Vergiftungseffekte Edelmetall Ablagerung


Eine weitere Ursache der Katalysator-Deaktivierung
ist gegeben durch schädliche Substanzen aus dem
Abgas oder den Maschinen, die die Katalysator-
schicht auftragen. Es gibt zwei grundsätzliche Vergif- Al2O3 Washcoat
tungsmechanismen: die selektive Vergiftung, bei der
ein chemischer Stoff direkt mit den aktiven Zentren
oder dem Trägermaterial reagiert und somit die Ak-
tivität beeinträchtigt oder gar zerstört und die nicht-
selektive Vergiftung, bei der sich Verunreinigungen
auf oder im Katalysatorträgermaterial ablagern und Substrat
aktive Zentren und Poren verschließen. Das Ergebnis
ist eine Abnahme der Leistungsfähigkeit auf Grund Bild 21-39 Prinzipskizze der nicht-selektiven Vergif-
schwer zugänglicher aktiver Zentren. tung von aktiven Zentren
Die selektive Vergiftung:
Reagiert eine chemische Spezies direkt mit den Reagiert jedoch das Trägeroxid mit einem Bestandteil
aktiven Zentren, spricht man von selektiver Vergif- aus dem Gasstrom und bildet eine neue Verbindung,
tung. Dieser Prozess hat direkten Einfluss auf die wie im Fall von Al2(SO4)3, werden die Poren im
Aktivität oder Selektivität einer gegebenen Reaktion Allgemeinen nahezu blockiert, was zu einer Erhö-
(Bild 21-38). Einige dieser Elemente oder Moleküle hung des Diffusionswiderstandes führt, Bild 21-39.
reagieren mit katalytischen Komponenten, indem sie Die Aktivierungsenergie sinkt und die Anspringkurve
chemische Verbindungen eingehen (zum Beispiel Pb, wird sich in Richtung höherer Temperaturen ver-
Hg, Cd, etc.); eine inaktive Legierung wird gebildet. schieben bei gleichzeitig geringerer Steigung, sprich
Dieser Vorgang ist irreversibel und führt zu einer schlechterem Umsatz Bild 21-36.
permanenten Deaktivierung des Katalysators. Andere
adsorbieren (oder genauer chemisorbieren) nur an der 21.5.3 Katalysatorkonzepte
katalytischen Komponente (zum Beispiel SO2 auf Pd) für Magermotoren
und blockieren sie somit für weitere Reaktionen. Die- Herkömmliche Ottomotoren werden mit einem ho-
se Mechanismen sind reversibel derart, dass durch mogenen Luft-Kraftstoff-Gemisch betrieben, das
Wärmezufuhr, waschen oder einfach indem die außerhalb des Brennraumes im Ansaugtrakt erzeugt
schädliche Komponente aus dem Prozessstrom ent- wird. Prinzipbedingt muss ein solcher Ottomotor bei
fernt wird, es zur Desorption kommt und die kataly- Teillast in der Gemischzufuhr gedrosselt werden.
tische Aktivität wieder herstellt. Sind aktive Zentren Diese Drosselverluste, sowie die anschließenden Aus-
direkt blockiert, führt das immer zu einer höheren wirkungen der geringeren Zylinderfüllung auf den
Anspringtemperatur; aber die Steigung der Kurve thermodynamischen Prozess, sind die Hauptursachen
bleibt unverändert, da die Funktionsfähigkeit der der starken Wirkungsgradabnahme beim Ottomotor
restlichen Stellen erhalten bleibt und sich die Aktivie- zu niedrigeren Motorlasten hin. Diese äußert sich im
rungsenergie nicht ändert. Das Konvertierung/Tem- deutlich höheren Teillastverbrauch des Ottomotors
peratur Diagramm wird ähnlich aussehen wie das für gegenüber dem Dieselmotor.
die Edelmetallsinterung. Der Wirkungsgrad des Ottomotors in der Teillast
lässt sich durch überstöchiometrischen Motorbetrieb
erheblich steigern. Um hierbei möglichst vollständig
Edelmetall G = Gift
auf eine Drosselung verzichten zu können, muss das
G G
G G
G Gemisch sehr stark abgemagert, das heißt der Motor
mit sehr hohem Luftüberschuss betrieben werden.
Die Zündfähigkeit der zylinderexternen homogenen
Al2O3 Washcoat
Gemischbildung setzt einer weitgehenden Abmage-
G rung und damit Entdrosselung Grenzen. Durch direk-
G
te Einspritzung des Kraftstoffs in den Brennraum, in
Kombination mit Ladungsschichtung, ist eine wei-
tere, nahezu vollständige Entdrosselung realisierbar.
Die mit dem Magerbetrieb verbundene Wirkungs-
Substrat
graderhöhung führt unmittelbar zu einer Verringe-
rung des Kraftstoffverbrauchs.
Bild 21-38 Prinzipskizze der selektiven Vergiftung Unabhängig davon, ob das Gemisch nun extern oder
von aktiven Zentren intern (Direkteinspritzung) gebildet wird, liegt im
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 843

Abgas des magerbetriebenen Ottomotors Sauerstoff- Plasma-Technologien


überschuss vor. Damit wird die Konvertierung von In seiner einfachsten Ausbildung arbeitet das Plasma-
Schadstoffen im mageren Abgas erheblich erschwert. System mit einer Wechselspannung, die zwischen
Bei konventionellen Ottomotoren, die stöchiometrisch zwei Metallelektroden anliegt, wovon eine mit einem
betrieben werden, ist eine nahezu vollständige Kon- nicht leitenden Material überzogen ist. Hierbei auftre-
vertierung der Schadstoffkomponenten wie Kohlen- tende stille Entladungen bestehen aus Mikroent-
wasserstoffe (HC), Kohlenmonoxid (CO) und Stick- ladungen im Mikrosekundenbereich, auf die durch
oxide (NOx) durch die bekannte Dreiwegetechnologie chemische Verbindungs- und Neukombinationspro-
möglich. Bei mager betriebenen Ottomotoren steht zesse ein Zerfall aller entstandenen reaktiven Grup-
dem die Reaktionskinetik entgegen, wodurch am pen folgt. Die dadurch entstehenden Plasmen weisen
Katalysator infolge der höheren Reaktionsgeschwin- einen Zustand innerer Energieungleichgewichtsver-
digkeiten bevorzugt HC und CO konvertiert werden. teilung mit hohen Elektronen-Temperaturen zwischen
Für die NOx-Reduktion fehlen dann die bereits zuvor 104 bis 106 K auf sowie ein niedrigkinetisches Gas,
umgewandelten Reaktionspartner. Aus diesem Grunde das sich typischerweise im Bereich von 300 bis
sind Technologien erforderlich, die eine effiziente 1.000 K bewegt.
Abgasnachbehandlung, insbesondere der Stickoxide, Das Plasma besteht aus einer Anreihung von Elektro-
in magerer Atmosphäre erlauben. Geringere Abgas- nen und aus angeregten Radikalen und Ionen sowie
temperaturen stellen hierbei eine zusätzliche Heraus- aus Photonen. Wegen der inneren Energieungleich-
forderung an die Abgasnachbehandlung dar. gewichtsverteilung in diesen Plasmen können chemi-
21.5.3.1 Möglichkeiten zur NOx-Reduktion sche Reaktionen über nicht-thermische Kanäle ablau-
in magerem Abgas fen, die stark endotherme Reaktionen erlauben [3].
Die zwei erwünschten Reaktionen zur Reduktion von
Derzeit sind unterschiedliche grundlegende Lösungs- NO in einem Plasma laufen dort neben einer Vielzahl
ansätze für die Umwandlung von Stickoxiden be- weiterer Reaktionen ab [4].
kannt, aus denen sich verschiedene Möglichkeiten der
NOx-Reduktion im mageren Abgas ableiten lassen. Reaktionspartner Produkte
Die einzelnen Technologien können in folgende
Gruppen eingeteilt werden und wurden unter anderem e + N2 o e + N + N (21.16)
in [1] diskutiert. N + NO o N2 + O (21.17)
• direkter NO-Zerfall Laborprototypen mit heterogenen Katalysatoren in
• Plasma-Technologien Plasmafeldern wurden mit unterschiedlichen Resulta-
• selektive Katalytische Reduktion (SCR) ten in Motorabgasen getestet. Inwieweit diese Tech-
• NOx-Speicherkatalysatoren. nologie zu einer serienreifen Anwendung beim Otto-
Magermotor gelangt, ist derzeit noch ungewiss. Ein
Direkter NO-Zerfall
wichtiges Kriterium für das Erfolgspotenzial des
Das Reaktionsschema des direkten Zerfalls von NO in Plasmaverfahrens ist unter anderem die benötigte
Stickstoff und Sauerstoff ist in Bild 21-40 dargestellt. Energie zur Erzeugung der Plasmen und der damit
verbundene Kraftstoffverbrauchsnachteil, sowie die
N=O N O NOx-Reduktion bei im Motorabgas herrschenden
Katalysator Raumgeschwindigkeiten.
+ +
Selektive Katalytische Reduktion (SCR)
N=O N O
Als „Selektive Katalytische Reduktion“ wird die
Bild 21-40 Reaktionsschema des direkten NO-Zer- NOx-Umwandlung in „magerer“ Atmosphäre über
falls speziell abgestimmte Katalysatoren bezeichnet. Die
notwendige Zugabe geeigneter Reduktionsmittel er-
Katalysatoren, die in der Lage sind, NO direkt in N2 gibt die Endprodukte N2, CO2 und H2O.
und O2 zu zersetzen, wären das ideale Produkt für Der Begriff passive SCR steht für Katalysatoren, die
eine Anwendung sowohl in Otto-Magermotoren als zur NOx-Reduktion ausschließlich im Abgas vorhan-
auch in Dieselmotoren. Zur Umsetzung dieser Tech- dene Bestandteile verwenden, also keine nachträgli-
nologie in einen praktischen Anwendungsfall bedarf che Einbringung von Reduktionsmitteln benötigen
es einer revolutionären Erfindung. Obwohl die NO- (Bild 21-41 oben).
Zersetzung thermodynamisch bevorzugt wird und Unter aktiven SCR-Katalysatoren werden dement-
obwohl die grundlegende Chemie in Forschungs- und sprechend solche verstanden, bei denen die Redukti-
Entwicklungslabors dargestellt wurde [2], ist die onsmittel nach der eigentlichen Verbrennung in den
Übertragung auf einen praktischen Motor- bezie- Abgasstrang vor dem Katalysator eingebracht werden
hungsweise Fahrzeugbetrieb bis heute nicht gelungen. (Bild 21-41 unten).
844 21 Abgasemissionen

Passive SCR

CO2
Reduktionsmittel
Motorabgas mit + Katalysator N2
NOx
H2O

Aktive SCR

Reduktionsmittel CO2

Motorabgas Katalysator N2 Bild 21-41 Unterscheidung


zwischen passiver und aktiver
H2O
SCR

Passive SCR-Katalysatoren:
Diese Katalysatoren verwenden die im Abgas vor-
handenen Kohlenwasserstoffe zur Reduktion von
Magermotor
Magermotor
NOx, wobei die Reaktionsprodukte N2, CO2 und
Wasser entstehen. Grundlagenarbeit auf diesem Ge-
CO2
biet ist in [2, 5] und [6] beschrieben. Die auf Cu-
ZSM-5-Zeolithen basierenden Katalysatoren zeigen N2
eine sehr gute Frischaktivität. Die Dauerhaltbarkeit ist
H2O
jedoch problematisch [7, 8]. Eine Verschlechterung
der NOx-Konvertierung ist hauptsächlich auf den im SCR-Kat. Drei-Wege-Kat.
Kraftstoff enthaltenen Schwefel und thermische Al-
terung bei Anwesenheit von Wasser zurückzuführen. Bild 21-42 Schema für ausgeführtes passives SCR-
Ein weiteres Beispiel ist ein passiver SCR-Iridium- System NOx
Katalysator mit nachgeschaltetem Dreiwegekatalysa-
tor, wie schematisch in Bild 21-42 dargestellt [9]. Zu keit und NOx-Konzentration stattfinden. Bei diesen
dem Ir-Katalysator ist zu erwähnen, dass im Neuzu- Anwendungen dient Ammoniak als Reduktionsmittel,
stand geringere NOx-Konvertierungsraten vorliegen welches N2 und H2O erzeugt.
als zum Beispiel bei Speicherkatalysatoren. Dafür ist Der Arbeitstemperaturbereich der gewünschten che-
eine deutlich größere Schwefeltoleranz vorhanden. mischen Reaktionen hängt vom jeweiligen Katalysa-
Weiterhin ist zu beachten, dass bei Anwendung eines tor ab. Vanadium-Titan-Katalysatoren arbeiten zwi-
passiven SCR-Katalysators kein krümmernaher schen circa 200 °C und 450 °C am effizientesten. Bei
Vorkatalysator zur Verringerung der Kaltstart HC- niedrigeren Temperaturen wird der Katalysator von
Emissionen verwendet werden kann, da dieser auch Ammoniumsulfaten beeinträchtigt und bei höheren
im betriebswarmen Zustand die zur NOx-Reduktion Temperaturen oxidiert der Katalysator Ammoniak zu
benötigten Kohlenwasserstoffe konvertiert [10, 11]. NO. Das obere Temperaturlimit bei Verwendung von
Den HC-Emissionen in der Nach-Kaltstart-Phase Ammoniak liegt bei circa 600 °C. Für den Einsatz in
muss daher durch andere geeignete Maßnahmen einem Ottomotor mit Direkteinspritzung wäre Harn-
begegnet werden. Einer Verringerung der Kat-An- stoff (eine NH3-Verbindung) das aussichtsreichste
springzeit im Testzyklus durch krümmernähere Reduktionsmittel, das bei Einspritzung in das Abgas
Anordnung sind in der Praxis Grenzen auf Grund der zu Ammoniak und Kohlendioxid zerfällt. Harnstoff
Temperaturstabilität des Ir-Katalysators [12] gesetzt. hätte den Vorteil, dass kein gasförmiges Ammoniak
im Fahrzeug mitgeführt werden müsste.
Aktive SCR-Katalysatoren:
Die aktive selektive katalytische Reduktion erfordert Ammoniak (NH3)
eine effiziente Vermischung der Stickoxide mit dem
zusätzlich eingebrachten Reduktionsmittel vor dem
Katalysatoreintritt (Bild 21-43). Als Reduktionsmittel
H2O
werden zum Beispiel Ammoniak oder Harnstoff NOx
NH3 N2
verwendet. Diese Technologie arbeitet mit hohem Abgas NOx
Katalysator
H2O
Wirkungsgrad bei stationären Anwendungen, wie NH3
N2
zum Beispiel energieerzeugenden Anlagen, bei denen
die chemischen Reaktionen in einem schmalen Ar-
beitsfenster aus Temperatur, Strömungsgeschwindig- Bild 21-43 Prinzipskizze für aktives SCR-System
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 845

MAGER FETT
NO2
O2
Kraftstoff N2
NO

NO2 NO2 NO2

NO CO HC
Speicher- Speicher-
material material
Pt Pt
Bild 21-44 Modellbeispiel
der NOx-Speicherung und
Speicherung Regeneration
Regeneration

Vor einem erfolgreichen Einsatz von SCR in Pkw mit lien verwendet werden, unter Bildung eines entspre-
Ottomagermotoren müssen noch viele Problempunkte chenden Speichermaterial-Nitrates.
gelöst werden [13]. Unter instationären Bedingungen
NO2 + MeO o Me – NO3 (21.19)
muss die richtige Menge an Reduktionsmitteln durch
ein Kontrollsystem bereitgestellt werden, ohne dass Da diese Reaktion nicht katalytisch, sondern stöchio-
„NH3-Durchbrüche“ auftreten. Die Eindüsung in das metrisch verläuft, wird das Speichermaterial dadurch
Abgas ist an den stark schwankenden NOx-Gehalt, die „verbraucht“. Mit zunehmender gespeicherter NO2-
Strömungsgeschwindigkeit und die Temperatur an- Menge sinkt die Effektivität der Nitratbildung ab. Es
zupassen und darf gleichzeitig nicht zu den Fahrzeug- wird ein Sättigungszustand erreicht. Zur Aufrechter-
Emissionen beitragen. Die maximale Temperaturfes- haltung einer hohen Speichereffektivität muss daher
tigkeit der Katalysatoren erscheint für eine Anwen- das Speichermaterial periodisch regeneriert werden.
dung im Otto-Magermotor nicht ausreichend. Sie Dazu schaltet man kurzfristig auf unterstöchiometri-
liegt zum Beispiel für den bereits erwähnten Vana- schen („fetten“) Motorbetrieb um. Unter „fetten“
dium-Titan-Katalysator bei circa 650 °C. Die Kosten Betriebsbedingungen ist die Temperaturstabilität des
des Gesamtsystems mit Einspritzdüsen, Speicherbe- Nitrates geringer als im Magerbetrieb, so dass es zu
hälter, Verschlauchung, On-Board-Diagnose und so einem Zerfall des Nitrates in NO und MeO kommt.
weiter müssen ebenso in Betracht gezogen werden,
Me – NO3 o MeO + NO + 1/2 O2 (21.20)
wie die noch nicht vorhandene Infrastruktur für die
Reduktionsmittelbetankung. Die Aussichten für eine Das dabei freigesetzte NO wird anschließend mithilfe
erfolgversprechende Umsetzung bei Benzin-Mager- der unter „fetten“ Betriebsbedingungen ebenfalls vor-
motoren sind daher eher niedrig bis mäßig. handenen Reduktionsmittel HC und CO zu N2 kon-
vertiert.
NOx-Speicherkatalysatoren
NO + HC/CO o 1/2 N2 + H2O/CO2 (21.21)
Die derzeit aussichtsreichste Methode zur Verminde-
rung der NOx-Emissionen im Magermotor-Abgas ist Für den praktischen Fahrzeugeinsatz sind Anforde-
die Verwendung von NOx-Speicherkatalysatoren, rungen an einen NOx-Speicherkatalysator ableitbar,
auch NOx-Adsorber oder NOx-Trap genannt [14 bis die bestimmte Eigenschaften erfordern. Wesentliche
17]. Da erste Serienanwendungen [18, 19] in der Kriterien zur Beurteilung der Qualität und der An-
Abgasnachbehandlung bei Pkw mit Otto-Magermotor wendbarkeit von NOx-Adsorbern sind:
auf dieser Technologie basieren, wird auf die NOx- • NOx-Speicherfähigkeit
Speicherkatalysatoren im folgenden Kapitel ausführ- • NOx-Regenerationsfähigkeit
licher eingegangen. • Arbeitstemperaturbereich für NOx-Speicherung/
Regeneration
21.5.3.2 Der NOx-Speicherkatalysator • HC-/CO-Konvertierung bei Magerbetrieb
Das Funktionsprinzip ist schematisch in Bild 21-44 • Konvertierungen im Lambda = 1 Betrieb
dargestellt und kann durch vier grundlegende Schritte • maximale Temperaturstabilität
zur Umwandlung von NOx in N2 beschrieben werden. • Schwefelresistenz/Schwefelregenerierbarkeit.
Während des Magerbetriebs wird das im Motorabgas NOx-Speicherfähigkeit, NOx-Regenerationsfähigkeit,
enthaltene NO am Edelmetall des Katalysators durch Arbeitstemperaturbereich und so weiter stellen zu-
Reaktion mit Sauerstoff oxidiert und bildet NO2. nächst Eigenschaften des NOx-Adsorbers hinsichtlich
seiner Konvertierungsleistung im Neuzustand dar.
NO + 1/2 O2 o NO2 (21.18)
Die maximale Temperaturstabilität und Schwefelre-
Das NO2 reagiert anschließend mit im Katalysator sistenz/-Regenerierbarkeit stellen darüber hinaus Ei-
eingelagerten Metalloxiden, die als Speichermateria- genschaften hinsichtlich der Dauerhaltbarkeit dar.
846 21 Abgasemissionen

100
Testbedingungen:
90
RG = 40 k/h
80 Temperatur
Kat-Eintritt = 350 °C
l = 1,30
70
NOx-Wirkungsgrad [%]

NOx-Konz = 350 ppm


Krst.-Schwefel = 50 ppm
60

50

40

30

20 Kat A

10 Kat B
Bild 21-45 NOx-Einspeicher-
0
verläufe zweier Katalysatoren
gespeicherte NOx- Masse
bei 350 °C

NOx-Speicherfähigkeit und -Regenerationsfähigkeit Temperaturbereich für NOx-Speicherung


Bild 21-45 zeigt die typischen Einspeicherverläufe und -Regeneration
zweier NOx-Adsorberkatalysatoren. Nach einer Spei-
Beim Einsatz eines NOx-Speicherkatalysators im
cherentleerung startet der Speichervorgang mit ho-
Fahrzeug-Unterbodenbereich sind im europäischen
hem Wirkungsgrad, der dann mit zunehmendem Fül-
Abgastest je nach Applikation Kat-Eintrittstempe-
lungsgrad absinkt. Um zwischen zwei Regeneratio-
raturen von unter 300 °C (ECE-Bereich) bis über
nen möglichst lange im verbrauchsarmen Magerbe-
500 °C (EUDC-Bereich) zur erwarten. Zur Einhal-
trieb fahren zu können, ist das Entwicklungsziel eine
tung der Euro-4-Gesetzgebung können, wie erwähnt,
möglichst hohe NOx-Speicherfähigkeit bei hohen
Wirkungsgraden. In Bild 21-45 zeigt Katalysator B je nach Applikation NOx-Wirkungsgrade von über
eine höhere Speicherkapazität als Katalysator A. 90 % notwendig sein. Daher ist der Temperatur-
Da zur Einhaltung der Euro-4-Abgasgrenzwerte je bereich, in dem sich mit NOx-Speicherkatalysatoren
nach Anwendung Wirkungsgrade von über 90 % not- im zyklischen Speicher- und Regenerationsbetrieb
wendig sind, kann der NOx-Speicher in der Praxis nicht solche Wirkungsgrade realisieren lassen, von beson-
bis zur Vollspeicherung ausgenutzt werden, sondern derem Interesse. Er begrenzt neben den motorseitigen
muss bereits vorher wieder regeneriert werden. Einschränkungen auch den Kennfeldbereich, in dem
Dazu wird, wie bei der Beschreibung der Funktions- der Motor verbrauchsarm mager betrieben werden
weise erwähnt, kurzzeitig auf Motorfettbetrieb umge- kann und soll daher aus Anwendersicht möglichst
schaltet, wobei das beim Nitratzerfall entstehende breit sein [18].
NOx mit Hilfe der Reduktionsmittel HC und CO zu In Bild 21-47 sind die unterschiedlichen NOx-Wir-
N2 konvertiert wird. Um den Fettbetrieb wegen des kungsgradverläufe zweier Katalysatoren im Neuzu-
entstehenden Kraftstoffverbrauchsnachteils möglichst stand (Edelmetallgehalt 125 g/cu.ft.) in einem Motor-
kurz zu halten, ist eine effiziente Ausnutzung der prüfstandstest mit 60 s-Mager- und 2 s-Fettphase über
Regenerationsmittel angestrebtes Entwicklungsziel. der Kat-Eintrittstemperatur dargestellt.
Bild 21-46 zeigt die NOx-Wirkungsgrade zweier Ka- Die Wirkungsgrade bei niedrigen Temperaturen wer-
talysatoren in einem Motorprüfstandszyklus mit 60- den durch das „Anspringen“ des Katalysators be-
Sekunden-Mager- und 2-Sekunden-Fettphase. Dabei grenzt, in diesem Fall die Fähigkeit des Edelmetalls,
wird ein gut regenerierbarer Katalysator aktuellen NO zu NO2 zu oxidieren. Die obere Temperaturgren-
Entwicklungsstandes mit einem schlechter regenerier- ze wird im Wesentlichen durch die Stabilität der
baren Katalysator älteren Entwicklungsstandes ver- gebildeten Nitrate beschränkt, das heißt die Eigen-
glichen. Der gut regenerierbare Kat kann trotz höhe- schaft des Speichermaterials auch bei höheren Tem-
rer NOx-Speicherfähigkeit, erkennbar am höheren peraturen thermodynamisch stabile Nitrate zu bil-
Wirkungsgrad im ersten Magerzyklus, in den 2 s den [16]. Da Barium als NOx-Speichermaterial nicht
Fettbetrieb vollständig regeneriert werden. Demge- so stabile Nitrate bildet wie Kalium, sinken die Wir-
genüber wird bei dem „schlechten“ Kat bei gleicher kungsgrade des Ba-Katalysators bei Temperaturen
Betriebsweise der NOx-Speicher während der Fett- oberhalb 400 °C bereits ab, während sich mit einem
spitze nur unvollständig ausgeräumt, was Zyklus für Kalium-Katalysator auch bei 500 °C noch über 90 %
Zyklus zu einem Wirkungsgradabfall führt. Wirkungsgrad ergibt, Bild 21-47.
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 847

100 10

90 9

80 8

70 7
NOx-Wirkungsgrad [%]

60 6

l [-]
50 5
schlecht
40 regenerierbar Testbedingungen: 4
gut Temperatur
30 regenerierbar Kat-Eintritt = 350 °C 3
60s mager, 2 s fett
l l = 1,30 / 0,85
20 2

10 1

0 0
Bild 21-46 NOx-Speicher-
0 100 200 300 400 500 600
regeneration verschiedener
Zeit [Sekunden] Katalysatoren

Vermessung ohne Vorkatalysator


Mittlerer NOx-Wirkungsgrad über 8-Zyklen mager/fett 60/2 s
100
90
80
NOx-Wirkungsgrad [%]

70
60
50
Testbedingungen:
40
Raumgeschw. = variabel
30 Zeit mager/fett = 60/2 s
60s mager, 2 s fett Barium- Kat
20
l = 1,30 / 0,80
Schwefelgehalt = 30 ppm Kalium- Kat
10
0
Bild 21-47 Arbeitstempera-
200 250 300 350 400 450 500 550 600 650
turbereich von NOx-Adsorbern
Kat- Eintrittstemperatur [°C]
im Neuzustand

Dreiwegeeigenschaften und HC/CO-Konver- Temperaturstabilität


tierung im Magerbetrieb In Bild 21-49 ist der Einfluss verschiedener Alte-
Grundsätzlich können NOx-Speicherkatalysatoren ver- rungsbedingungen auf einen NOx-Adsorberkatalysa-
gleichbar gute Dreiwegeeigenschaften und HC/CO- tor mit Barium als Speichermaterial dargestellt. Aus-
Konvertierungen im Magerbetrieb aufweisen wie gangsbasis ist ein eine Stunde bei 650 °C, Lambda
heutige Dreiwegekatalysatoren. Die HC-Aktivität = 1 stabilisierter Katalysator. Nach 25 Stunden stö-
wird allerdings negativ beeinflusst, wenn als NOx- chiometrischer Motorprüfstandsalterung bei 820 °C
Speicherkomponente sehr stark basische Werkstoffe, im Katalysatorbett zeigt sich eine Verringerung der
wie zum Beispiel Kalium, verwendet werden [20]. NOx-Aktivität über den gesamten Arbeitstemperatur-
In Bild 21-48 sind die Konvertierungen eines Bari- bereich, die jedoch bei Fortsetzung der Alterung auf
um- und eines Kalium-NOx-Speicherkats mit denen 50 Stunden nicht mehr weiter fortschreitet. Die Deak-
eines heutigen Dreiwegekatalysators verglichen. Im tivierung ist auf eine temperaturbedingte Sinterung
linken Teil des Bildes sind die Konvertierungen im des Washcoats, der darin enthaltenen Edelmetalle und
homogenen Magerbetrieb bei Lambda 1,5 und 350 °C der NOx-Speicherkomponente zurückzuführen.
Eintrittstemperatur dargestellt, im rechten Teil des Eine Alterung unter stöchiometrischen Bedingungen
Bildes die Konvertierungen im Lambda = 1 geregel- bei gleicher Temperatur aber mit periodischen Schub-
ten Betrieb bei 450 °C. abschaltungsphasen führt demgegenüber zu einer we-
848 21 Abgasemissionen

Katalysatoren 25 h gealtert, Schubabschaltung 820 °C


100
95
90
85
80
Conversion [%]

75 Dreiwege-Kat
70 Ba-NOx-Trap Kat
65 K-NOx-Trap Kat

60
55
50
HC CO HC CO NOx Bild 21-48 HC-/CO-Konver-
l = 1,5 l = 1,0 tierung im Magerbetrieb und
350 °C 350 °C
bei Lambda = 1-Betrieb

Vermessung ohne Vorkat


Mittlerer NOx-Wirkungsgrad über 8-Zyklen mager/fett 60/2 s
100
1 h Stab. 650 °C
90
25 h stöchiom. 820 °C
80 50 h stöchiom. 820 °C
NOx-Wirkungsgrad [%]

70 25 h Schubabschaltung 820 °C
60 50 h Schubabschaltung 820 °C
50
Testbedingungen:
40
Raumgeschw. = 40/60 k/h
30 Zeit mager/fett = 60/2 s
20 l = 1,30 / 0,80
Schwefelgehalt = 30 ppm
10
0
200 250 300 350 400 450 500 550
Kat- Eintrittstemperatur [°C]

Bild 21-49 Einfluss verschiedener Alterungen auf den Arbeitstemperaturbereich eines Barium NOx-Adsorbers

sentlich stärkeren Deaktivierung des Katalysators, die Die jeweilige Speicherkapazität der einzelnen Tech-
sich mit zunehmender Alterungsdauer auch weiter nologien im Neuzustand ist als Bezugsgröße auf
fortsetzt. Ursachen hierfür sind die unter Magerbe- 100 % gesetzt. Ausgehend vom Neuzustand zeigt die
dingungen verstärkte Sinterung der Edelmetalle und Ba-Technologie mit steigender Alterungsdauer eine
eine ebenfalls unter Magerbedingungen bei Tempera- stetige Abnahme der verbleibenden NOx-Speicher-
turen oberhalb von circa 700 °C stattfindende Reak- kapazität. Nach 50 Stunden ist der Barium-Kataly-
tion des Bariums mit dem Aluminiumoxid des Wash- sator weitgehend deaktiviert. Im Gegensatz hierzu
coats. Das Barium wird dadurch für die NOx- zeigt die Kalium-Technologie eine deutlich höhere
Speicherung irreversibel deaktiviert. Die Geschwin- verbleibende NOx-Speicherfähigkeit. Zwar zeigt diese
digkeit dieser Effekte erhöht sich mit steigender nach 25 Stunden Alterungsdauer auch einen deutli-
Temperatur [21]. chen Rückgang, entscheidend ist aber die weitgehen-
Eine Möglichkeit, die maximale Temperaturstabilität de Erhaltung der verbleibenden Speicherkapazität bei
zu erhöhen, ist der Einsatz eines NOx-Speicher- fortschreitender Alterungsdauer.
materials, das diese Wechselwirkung mit dem Wash- Zusätzlich zu diesem deutlichen Vorteil in der maxi-
coat nicht eingeht. Hierbei zeigen Ergebnisse mit malen Temperaturstabilität besitzen Kalium-Kata-
Kalium als Speichermaterial eine deutlich höhere lysatoren, wie im Abschnitt Temperaturbereich be-
Alterungsstabilität im Vergleich zu Barium-Katalysa- reits erwähnt, ein zu höheren Temperaturen erweiter-
toren. Bild 21-50 zeigt einen Vergleich beider Tech- tes Arbeitstemperaturfenster für die NOx-Speicherung
nologien in einer Hochtemperaturalterung mit Schub- und -regeneration.
abschaltung bei 850 °C Katalysatoreintritt.
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 849

Relative NOx-Speicherfähigkeit bei Schubabschaltungsalterung 850 °C


Vergleich Kalium- <> Barium-Katalysator
100
Ba-Tech. NS 50%, 350°C
Relative NOx-Speicherfähigkeit [%]
90
Ba-Tech., NS 50%, 400°C
80
K-Tech., NS 50%, 350°C
70
K-Tech., NS 50%, 400°C
60
50 Testbedingungen:
40 Eintrittstemp. = 350/400 °C
RG (NOx-Trap) = 40 k/h
30 l mager = 130
20 NOx-Konz. mager = 350 ppm
10 l fett (Vorkand.) = 0,80
Schwefelgehalt = 30 ppm
0
0 25 50 75
Alterungszeit [Stunden]

Bild 21-50 Speicherfähigkeit von NOx-Adsorbern mit Kalium und Barium nach Hochtemperaturalterung

Demgegenüber stehen aber auch Nachteile, die je diese Affinität nicht besteht. In der Entwicklung wird
nach Systemkonfiguration, Fahrzeugpackage und derzeit an Lösungen gearbeitet, die eine solche Be-
Kosten gegeneinander abzuwägen sind. Hierbei sind schichtung auch auf gegebenenfalls modifizierten
folgende Punkte zu nennen: Keramiksubstraten ermöglichen.
• geringere HC-Konvertierung (siehe Abschnitt HC, Schwefelvergiftung und -regeneration
CO-Konvertierung)
• höhere Entschwefelungstemperatur (siehe Ab- Die Problematik der Schwefelvergiftung von NOx-
schnitt Schwefelvergiftung) Adsorbern ergibt sich aus der Tatsache, dass alle
• Unverträglichkeit mit bestimmten Substratwerk- Werkstoffe, die zur NOx-Speicherung geeignet sind,
stoffen. auch zur „SO2-Speicherung“ durch Bildung eines ent-
Da die HC-Konvertierung eines kaliumhaltigen NOx- sprechenden Sulfates neigen. Die dabei stattfindenden
Adsorbers deutlich geringer als die von Barium-Kata- Reaktionen verlaufen analog zu den Reaktionen bei
lysatoren sein kann, muss diesem Sachverhalt mit der NOx-Speicherung und sind in Bild 21-51 schema-
entsprechender Systemauslegung begegnet werden. tisch dargestellt.
Eine Möglichkeit dazu ist der Einsatz größerer Vor- Im Magerbetrieb oxidiert der NOx-Adsorber das SO2
katalysatoren, die die HC-Konvertierung komplett zunächst zum sauren Gas SO3. Genau wie das NO2,
übernehmen. reagiert auch das SO3 mit dem Speichermaterial,
Höhere benötigte Temperaturen zur Entschwefelung wobei das entsprechende Sulfat entsteht. Der zu
von Kalium-Katalysatoren, hervorgerufen durch ther- Sulfat umgewandelte Speicherwerkstoff steht damit
misch stabilere Sulfate als bei Barium-Katalysatoren, für die NOx-Speicherung nicht mehr zur Verfügung.
stellen erhöhte Anforderungen an die Motorsteue- Das eigentliche Problem der Schwefelvergiftung ist
rung. Diese muss in der Lage sein, Kat-Eintritts- nun, dass diese Sulfate eine höhere thermische Stabi-
temperaturen von circa 750 °C für zwangsweise lität haben als Nitrate. Es gelingt daher mit den klas-
Entschwefelungen auch bei Fahrzuständen zur Ver- sisch verwendeten Speichermaterialien nicht, unter
fügung zu stellen, bei denen im Normalbetrieb des gleichen Bedingungen wie für die NOx-Regeneration
Motors geringere Temperaturen vorliegen würden. auch eine Sulfat-Regeneration durchzuführen. Mit der
Ein entscheidender Nachteil von Kalium-Katalysa-
toren ist die Affinität des Kaliums zu aktuell in Serie SO3
eingesetzten Keramiksubstraten. Kalium diffundiert
SO2 NO2
bei Temperaturen oberhalb von circa 750 bis 800 °C O2 NO2 SO3 SO3
zum Keramiksubstrat, lagert sich dort an und bildet NO NO2
mit diesem eine Verbindung. Hierbei wirken sich NOx-
Edelmetall
Speichermaterial
zwei Effekte negativ aus. Einerseits wird die Spei-
cherkomponente für die NOx-Speicherung inaktiv.
Andererseits verliert das Keramiksubstrat an mecha- • konkurrierende Adsorption • Sulfatbildung
nischer Stabilität. Dieser Vorgang wird durch hohe • verringerte NO2-Bildung • „Verbrauch“ von Speichermaterial
Temperaturen oberhalb 800 °C beschleunigt. Bei der
in Bild 21-50 gezeigten Alterung wurde ein Kalium- Bild 21-51 Reaktionsschema der Schwefelvergiftung
Katalysator auf Metallsubstrat verwendet, bei dem eines NOx-Speicherkatalysators
850 21 Abgasemissionen

Zeit wächst der Sulfatinhalt des NOx-Speichers so umgesetzt wird. Die Entwicklung von Entschwefe-
stark an, dass die NOx-Speicherkapazität auf ein lungsstrategien unter Vermeidung der H2S-Bildung
inakzeptables Niveau absinkt. ist Gegenstand der aktuellen Entwicklung. Auf eine
In Bild 21-52 ist das Absinken der NOx-Speicher- detailliertere Betrachtung der Reaktionen während
kapazität eines Barium-Katalysators bei 400 °C Ein- der Entschwefelung muss hier aus Platzgründen ver-
trittstemperatur ausgehend von einem unverschwefel- zichtet werden.
ten aber thermisch vorgealterten Zustand nach 10 Grundsätzlich erfolgt der Aktivitätsverlust eines NOx-
beziehungsweise 20 Stunden Verschwefelung im Mo- Speicherkatalysators durch Schwefelvergiftung umso
torbetrieb mit 40 ppm Kraftstoff-Schwefelgehalt er- schneller, je höher der Schwefelgehalt im Kraftstoff
kennbar. Durch weitere Verschwefelung wäre auch ist [22]. Die Einführung schwefelarmer Kraftstoffe
ein vollständiger Verlust der NOx-Speicherfähigkeit vermindert das Problem daher entsprechend der Ab-
erreichbar. senkung der Schwefelgehalte und macht damit eine
Der 20 Stunden verschwefelte Katalysator wurde an- für den Kraftstoffverbrauch nachteilige Entschwefe-
schließend einer Entschwefelungsprozedur unterzo- lung entsprechend seltener notwendig.
gen. Die Bedingungen dabei waren: 650 °C Kat- Eine hundertprozentige Schutzwirkung des NOx-Ad-
Eintrittstemperatur, Lambda 0,98, 15 Minuten Kon- sorbers vor Schwefelvergiftung durch Einsatz einer
stantbetrieb. Der Katalysator konnte hierdurch bezüg- vorgeschalteten Schwefelfalle ist nach bisherigem Er-
lich seiner NOx-Speicherfähigkeit wieder in den Aus-
kenntnisstand nicht gelungen. Ein offensichtlicher
gangszustand regeneriert werden, wie die Kurven in
Nutzen von Schwefelfallen besteht darin, dass die
Bild 21-52 zeigen.
Zeitspanne zwischen zwei Schwefelregenerationen
Die thermische Stabilität der Sulfate ist unter Fettbe-
des NOx-Speichers vergrößert werden kann [15, 16].
dingungen gegenüber Mager- oder Lambda = 1-Be-
dingungen herabgesetzt, so dass es zum Sulfatzerfall Auf Grund der Ausführungen hinsichtlich Arbeits-
und der damit verbundenen Speicherregeneration temperaturbereich und Temperaturstabilität in Kapitel
kommt. Der Sulfatzerfall erfolgt umso schneller, je 21.5.3.2 ist der NOx-Adsorber im Unterbodenbereich
höher die Temperatur und je fetter das Abgas ist. Für anzuordnen. Das bedeutet hinsichtlich der Kaltstart-
Bariumhaltige NOx-Speicherkatalysatoren sind Tem- emissionen, dass ein motornaher Vorkatalysator be-
peraturen von circa 650 °C zur Sulfatregeneration nötigt wird. Zur Einhaltung aktueller und zukünftiger
ausreichend. Bei Verwendung basischerer NOx-Spei- Abgasgesetzgebungen mit Ottomagermotorkonzepten
cherkomponenten, die in der Lage sind, bei höheren ist daher ein System aus Vorkatalysator und NOx-
Temperaturen als Barium stabile Nitrate zu bilden, Adsorber anzuwenden. In Bild 21-53 ist ein solches
sind auch höhere Temperaturen zur Entschwefelung System schematisch dargestellt.
notwendig. Neben der bereits erwähnten Konvertierung der
Während der Schwefelregeneration bei konstant fet- Kaltstartemissionen übernimmt der Vorkatalysator
ten Motorbetriebsbedingungen entsteht beim Sulfat- auch die Aufgaben der 3-Wege-Konvertierung unter
zerfall SO2, welches anschließend im Katalysator Lambda = 1-Bedingungen. Des Weiteren werden HC
zum unerwünschten Sekundäremissionsprodukt H2S und CO während des Magerbetriebs konvertiert.

100
Ausgangszustand
95
10 h verschwefelt
90 20 h verschwefelt
20 h verschwefelt u.
85 entschwefelt
NOx-Wirkungsgrad [%]

80

75

70 Verschwefelung:
Eintrittstemp. = 400 °C
65 Zyklus 56/4 Sek.
l = 1,4 / 0,85
60
Krst.-Schwefel = 40 ppm
55 Entschwefelung:
Eintrittstemp. = 650 °C
50
l = 0,98
45 Zeit = 15 min

40
Bild 21-52 NOx-Speicher-
0 200 400 600 800 1000
Gespeicherte NOx- Masse [mg]
fähigkeit bei Verschwefelung
und Entschwefelung
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 851

21.5.3.3 System mit Vorkatalysator Erst mit der Einführung eines Hochtemperatur-Löt-
und NOx-Adsorber verfahrens zum Verbinden der einzelnen Folienlagen
Diese Eigenschaft ist sehr hilfreich bei der NOx- sowie mit der Entwicklung einer neuen Wickeltech-
Einspeicherung im Adsorber. An den Adsorber ge- nik wurden die Hindernisse für einen Einsatz von
langende HC- und CO-Moleküle werden von diesem Metallträgerkatalysatoren in größerem Maßstab über-
in Konkurrenzreaktion zur NOx-Einspeicherung kon- wunden.
vertiert. Als Resultat wird weniger NOx bei höheren Die eingesetzten Metallfolien haben heute eine Stärke
Wirkungsgraden eingespeichert und die effektiv aus- von 0,05 bis 0,03 mm. Durch den Aluminiumgehalt
nutzbare Speicherkapazität wird geringer. Auf Grund der Folien zeigen diese Werkstoffe eine sehr gute
der motornahen Anwendung benötigt der Vorkataly- Korrosionsbeständigkeit und gleichzeitig vermittelt
sator eine minimale Temperaturstabilität von 950 °C. die sehr dünne Aluminiumoxidschicht auf der Me-
Zielwert für die Temperaturstabilität von NOx-Ad- talloberfläche eine gute Haftung des oxidischen
sorbern sind 900 °C. Dieser Wert wird nach heutigem Washcoats auf dem Trägermaterial.
Stand der Technik bisher nicht erreicht. Aus diesem Die sehr dünnen Metall-Zellwände verursachen nur
Grund ist die maximale Temperaturbelastung für geringe Anstiege des Abgasgegendrucks, Bild 21-56,
erste Serienanwendungen durch Kühlmaßnahmen zu was sich positiv auf Kraftstoffverbrauch und Motor-
begrenzen. Mögliche Einsatzorte für Kühlvorrichtun- leistung auswirkt.
gen sind beispielhaft in Bild 21-53 dargestellt. Wel-
che Art der Kühlung angewendet wird, hängt unter
anderem von den Platzverhältnissen, der benötigten
Kühlleistung und den Kosten ab. In Summe muss der
Aufwand des Systems durch den erzielbaren Ver-
brauchsvorteil gerechtfertigt werden können.

21.5.4 Metallische Katalysatorträger


Schon seit Beginn der Entwicklung von Automobil-
katalysatoren in den frühen 1960er Jahren gab es
Bestrebungen, neben den eingeführten Cordierit-
Extrudaten Metalle als Trägerwerkstoff einzusetzen,
Bild 21-54.
Zur Herstellung eines metallischen Trägers werden
glatte und gewellte Metallfolien zu Wabenkörpern
gewickelt und in ein Rohr eingebracht, Bild 21-55.
Über eine Periode von etwa 20 Jahren erwies es sich
für Metallträger jedoch als sehr schwierig, den An-
forderungen an die mechanische Haltbarkeit gerecht
zu werden, da spiralförmig gewickelte Träger unter Bild 21-54 Metallische (links) und keramische
dynamischer Belastung bei hohen Temperaturen tele- (rechts) Wabenstrukturen
skopierten.

Mögliche
Einsatzorte für
Abgaskühlung
Otto-DI-Motor
Unterboden:
NOx-Speicherkatalysator
Krümmernah: – NOx Speicherung/ Reduktion
TWC-Vorkatalysator – HC, CO-Konvertierung im Magerbetrieb
– l = 1 Konvertierung
– Kaltstart HC-Konvertierung
– Temp. Stabilität 900 °C
– l = 1 Konvertierung – Schwefelresistenz/ Desulfatierung
– HC, CO-Konvertierung im Magerbertrieb
– Temp. Stabilität > 950 °C

Bild 21-53 Katalysatorkonfiguration für Otto-Magerkonzepte für EU IV-Anwendungen


852 21 Abgasemissionen

• kleine Wärmekapazität
• große geometrische Oberfläche des Trägers.
Dafür bieten Metallträger auf Grund ihrer physikali-
schen Eigenschaften und ihrer großen Oberfläche
sehr gute Voraussetzungen. Das für das Aufheizver-
halten entscheidende Verhältnis Trägeroberfläche/
Trägerwärmekapazität nimmt mit der Erhöhung der
Zelldichte bei gleichzeitiger Abnahme der Zellwand-
stärke zu, wie auch in Bild 21-57 gezeigt wird.
Bild 21-58 demonstriert, wie der Einsatz von Kataly-
satorträgern mit höheren Zelldichten bei gleichen Ab-
messungen die Kohlenwasserstoffemissionen im
Bild 21-55 Entwicklung der Verfahren zur Fertigung Kaltstart senkt.
von Metallträgern Auch nach Erreichen der Betriebstemperatur des Ka-
talysators kann durch den Einsatz von Trägern höhe-
Für eine effektive Abgasreinigung ist die Zeit, die bis rer Zelldichte die Schadstoffkonvertierung gesteigert
zum Erreichen der Arbeitstemperatur des Katalysa- werden, wie die Darstellung der Kohlenwasserstoff-
tors vergeht, von sehr großer Bedeutung, da in dieser konvertierung im Beutel 1 des FTP-Zyklus als Funk-
Zeit etwa 70 bis 80 % aller während eines Testzyklus tion der Zelldichte in Bild 21-59 belegt. Der Effekt
insgesamt gebildeten Schadstoffe emittiert werden. der Konvertierungssteigerung durch den Einsatz hö-
Die Verkürzung dieser Zeitdauer ist ein Schwerpunkt herer Zelldichten übertrifft dabei deutlich den Effekt
in der Entwicklung der Abgasreinigungstechnik. Für der Vergrößerung des Katalysatorvolumens.
eine möglichst gute Ausnutzung der Abgasenergie Die Erhöhung der katalytischen Effektivität beruht
zum Aufheizen des Katalysators sollten folgende dabei nicht nur auf der Vergrößerung der Trägerober-
konstruktive Merkmale angestrebt werden: fläche mit zunehmender Zelldichte. Mit der Verringe-

160
Keramikträger Massenstrom 100 kg/h
140 Temperatur 400 °C
Relativer Abgasgegendruck [%]

Druck nach Kat. 1 bar


120
Metallträger
100

80

60

40

20

0 Bild 21-56 Abgasgegen-


400 cpsi, 400 cpsi, 600 cpsi, 400 cpsi, 500 cpsi, 600 cpsi, druck verschiedener Kata-
8 mil 6.5 mil 4 mil 0.05 mm 0.04 mm 0.04 mm
lysatorträger [1]

0.025
Trägeroberfläche/Wärmekapazität [(m²K)/J]

0.02

0.015

0.01

0.005
Bild 21-57 Verhältnis Trä-
geroberfläche/Trägerwärme-
0 kapazität für Metallträger
400 cpsi, 0.05 mm 400 cpsi, 0.04 mm 600 cpsi, 0.03 mm 800 cpsi, 0.025 mm
verschiedener Zelldichten
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 853

0.6
Rohemission
Kumulierte HC-Emissionen [g]

400 cpsi, 0.05 mm


0.5
600 cpsi, 0.04 mm
0.4 800 cpsi, 0.03 mm
1000 cpsi, 0.025 mm
0.3

0.2
Bild 21-58 Kumulierte Koh-
0.1 lenwasserstoffemissionen
0
während der ersten 100 Se-
0 20 40 60 80 100
kunden des FTP-Zyklus
Zeit [s]
(Katalysatorabmessungen:
‡ 98,4 u 74,5 mm) [2]

2
100 cpsi
Kohlenwasserstoff-Emissionen [g]

1,5 0.21 l

Konstante Zelldichte (= 400 cpsi)


200 cpsi 0.28 l bei zunehmendem Volumen
1

300 cpsi
0.47 l
400 cpsi 0.64 l
0,5 0.81 l
500 cpsi 0.95 l
1.30 l Bild 21-59 Kumulierte Koh-
Zunehmende Zell-
dichte bei konstan- 600 cpsi
lenwasserstoffemissionen im
tem Volumen (= 0.47 l) 800 cpsi
1000 cpsi Beutel 1 des FTP-Zyklus als
0
0 1 2 3 4 5 Funktion des Verhältnisses
Verhältnis von Trägeroberfläche zu hydraulischem Durchmesser [m²/mm]
Trägeroberfläche/hydraulischer
Durchmesser (GSA/dh)

200 cpsi 600 cpsi


lienstärke nicht beliebig verringert werden und Leis-
tungsverluste durch steigenden Gegendruck sind in der
Regel nicht akzeptabel. Andererseits steigt mit strenge-
HC
CO ren Abgasnormen der Einfluss der Strömungsvertei-
Diffusion

NOx
HC lung über den Katalysatorquerschnitt auf das Konver-
CO
NOx
tierungsergebnis an.
Diffusion

HC
CO Der Einsatz perforierter Folien (PE-Design), wie sie
Diffusion

NOx
d1
in Bild 21-61 gezeigt werden, erlaubt einen Strö-
d2
mungsausgleich im Katalysator.
Stoffübergang von der Strömung an die Oberfläche der Dies führt zu einer gleichmäßigeren Ausnutzung des
Kanalwand durch Gasphasendiffusion gesamten Katalysatorvolumens und zu einer Verrin-
gerung des Abgasgegendrucks.
Bild 21-60 Schematische Darstellung der Diffusions- Der Verlust an geometrischer Oberfläche des Trägers
wege bei unterschiedlichen hydraulischen Durch- kann dabei durch die Erzeugung lokaler Turbulenzen
messern beziehungsweise Zelldichten beim Strömungsausgleich zwischen benachbarten Ka-
nälen kompensiert werden, so dass die Konvertie-
rung des Kanaldurchmessers mit wachsender Zell- rungsleistung konstant bleibt [3]. Das PE-Design
dichte verbessert sich auch der Stoffübergang aus der wird im LambdasondenkatTM mit der Anordnung des
Gasphase an die Kanalwände. Dieser Effekt ist in zweiten Sauerstoffsensors im Katalysator verbunden.
Bild 21-60 schematisch dargestellt. Der innere Strömungs- und Konzentrationsausgleich
Aus verschiedenen Gründen ist die Erhöhung der Zell- durch die PE-Struktur sorgt für die Beaufschlagung
dichte nur begrenzt möglich. Einerseits kann die Fo- des Sensors mit dem Abgas aller Zylinder.
854 21 Abgasemissionen

Bild 21-63 Blick auf die Stirnfläche eines Metallträ-


gers mit TS-Kanälen und schematische Darstellung
Bild 21-61 PE-Design
der TS-Mikrowellungen im Kanal [6]

Der für den Sensor benötigte Hohlraum im Träger


wird durch Stanzen der zu wickelnden Folien an
definierten Positionen erzeugt. Die so vorbereiteten
Metallfolien und die Sensorposition im Metallträger
sind in Bild 21-62 veranschaulicht.

Bild 21-62 Stapel aus gestanzten Folien und Sensor-


hohlraum im LambdasondenkatTM [4]

Durch die Position in der Metalit-Matrix ist der


Sauerstoffsensor beim Kaltstart des Motors vor Was-
serschlag geschützt. Deshalb kann er früher beheizt Bild 21-64 Blick auf eine Folie mit LS-Wellungen
werden, was zu einem schnelleren Schließen des und schematische Darstellung der Wirkung der LS-
Regelkreises führt [5]. Außerdem ist das Kontamina- Wellung
tionsrisiko geringer, was die Langzeitstabilität des
Sensors verbessert. Ein im Vergleich zur Einbringung von Mikrowellun-
Zur weiteren Steigerung der katalytischen Konvertie- gen noch intensiverer Stoffübergang kann durch
rung speziell von Metallträgerkatalysatoren können Gegenwellungen im Kanal erreicht werden. In Bild
Strukturen in die Kanalwände eingebracht werden. 21-64 ist die longitudinale (LS) Kanalstruktur sche-
Bild 21-63 stellt den einfachsten Fall strukturierter matisch dargestellt.
Kanäle dar, die transversale (TS) Struktur. Die TS- Durch derartige Kanalstrukturierungen kann die Kon-
Mikrowellungen stehen quer zur Gasströmung und vertierungsleistung im Vergleich zu Trägern identi-
verursachen einen intensiveren Stoffübergang aus scher Abmessungen, aber mit glatten Kanalwänden,
der Gasphase an die Trägerwände durch die Ausbil- verbessert werden. Als Alternative dazu besteht die
dung lokaler Turbulenzen. Möglichkeit, ohne Einbußen in der Konvertierungs-
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 855

leistung das Trägervolumen zu verringern bezie- Durch die Schaufeln in der Wellfolie wird ein Teil
hungsweise die Zelldichte zu senken und damit den des Abgasstroms durch die aus Sintermetallvlies
vom Katalysator benötigten Bauraum zu verkleinern bestehende Glattlage gedrückt, wobei sich im Gas-
beziehungsweise die durch den Katalysator verur- strom mitgeführte Partikel im Vlies abscheiden. Wird
sachten Leistungsverluste zu minimieren. der PM-Filter-Katalysator mit einem vorgeschalteten
In Bild 21-65 sind Konvertierungsergebnisse ver- Oxidationskatalysator betrieben, kann eine kontinuier-
schiedener Katalysatorsysteme an einem aufgela- liche Regeneration des Filters durch NO2 bereits bei
denen 2,7 Liter-V6-Dieselmotor dargestellt, die die Temperaturen von etwa 200 °C erreicht werden.
Vorteile der strukturierten Trägerkanäle belegen. Ein Gegenüber konventionellen Wall-Flow-Filtern hat
konstantes beziehungsweise sogar besseres Konver- dieser Filter den Vorteil, dass ein Verstopfen der
tierungsergebnis konnte mit einem um circa 25 % Gaswege nicht möglich ist. Das garantiert einen
reduziertes Konvertervolumen erreicht werden. wartungsfreien Betrieb mit nur marginaler Zunahme
Eine besondere Form von Kanalstrukturen ist in der des Abgasgegendrucks, der Motorleistung und Kraft-
sogenannten Mischerfolie (MX) realisiert. Wird die stoffverbrauch nicht signifikant beeinflusst.
MX-Wellfolie mit einer gasdurchlässigen porösen In Bild 21-67 sind durch den Einsatz von PM-Me-
Glattlage kombiniert, entsteht ein PM (Particulate taliten in Diesel-Pkw und Lkw erreichte Reduzierun-
Matter)-Filter-Katalysator, dessen Aufbau und Wir- gen der Partikelmasse und der Partikelanzahl zusam-
kungsweise in Bild 21-66 dargestellt sind. mengestellt.

0.3

FTP-72
0.25
US-06
Kumulierte THC-Emissionen [g]

0.2

0.15

0.1

0.05
Bild 21-65 Reduktion der
Gesamtkohlenstoff-Emissi-
0 onen eines 2,7-Liter-V6-Die-
Keramik TS-Metalit LS-Metalit LSPE-Metalit selmotors mit verschiedenen
3.8 ltr. 2.8 ltr. 2.7 ltr. 2.5 ltr. Katalysatorsystemen [7]

Bild 21-66 Aufbau und


Wirkungsweise des PM-
Metalit®-Systems
856 21 Abgasemissionen

PKW LKW
PM-Emissionen

PM-Emissionen
-45% -70%
-75% -80%

-64% -72%

Bild 21-67 Reduktion der


ESC ESC ESC
ETC ETC Partikelmasse und der Parti-
ETC
kelanzahl durch den Einsatz
Ohne Filter PM-Metalit: PM-Metalit: Ohne Filter PM-Metalit: PM-Metalit: von PM-Metaliten in Pkw
Masse Anzahl Masse Anzahl
und Lkw [8]

SCR1
Oxidationskatalysator Ø 230 ¥ 63.5 mm,
Ø 177.8 ¥ 114 ¥ 101.5 mm, 300/600 cpsi LS
200/400 cpsi LS Hochtemperatur-SCR-
Hydrolysebeschichtung auf Beschichtung
den letzten 20 mm

Adblue-Ein-
spritzung gegen
den Gasstrom
auf die Gasaus-
lassseite des
Oxidationskataly-
sators

SCR2
PM-Metalit Ø 230 ¥ 110 mm,
Ø 174.6 ¥ 176 mm, 300/600 cpsi LS
200 cpsi Tieftemperatur-SCR-
Mit Hydrolysebeschichtung Beschichtung Bild 21-68 Das Emitec-
SCRi-System [9]

Der PM-Metalit® reduziert die Partikelanzahl stärker Der konsequente Einsatz LS- und MX-strukturierter
als die Partikelmasse, was darauf zurückzuführen ist, Folien in allen Trägern erlaubt ein relativ kleines Ka-
dass vor allem kleine Partikel mit Durchmessern talysatorvolumen bei guten Konvertierungsleis-
<100 nm zurückgehalten werden. tungen.
Eine der größten aktuellen Herausforderungen der Außerdem kann durch inneren Strömungsausgleich
Abgasreinigung von Dieselmotoren besteht in der die Harnstoff- beziehungsweise die Ammoniakkon-
gleichzeitigen Reduzierung von Stickoxid- und Parti- zentration über dem Querschnitt vergleichmäßigt
kelemissionen bei möglichst geringem Kraftstoff- werden, was zu einer besseren Ausnutzung des zur
mehrverbrauch. Zur Anwendung kommende Abgas- Verfügung stehenden Konvertervolumens führt und
nachbehandlungssysteme sollten deshalb ein geringes Ammoniak-Durchbrüche vermeiden hilft.
Gewicht haben und den Abgasgegendruck möglichst In Bild 16-69 sind Konvertierungsergebnisse mit dem
wenig ansteigen lassen. Aufwändige Regenerations- SCRi-System zusammengestellt.
strategien auf der Basis von Kraftstoffnacheinsprit- Der Einsatz von Metall als Trägerwerkstoff bietet
zung sollten ebenfalls vermieden werden. Im Emitec- weiterhin die Möglichkeit, den Katalysator durch
SCRi-System, dessen Aufbau in Bild 21-68 schema- elektrisches Beheizen auf die erforderliche Arbeits-
tisch dargestellt ist, sind diese Forderungen beispiel- temperatur zu bringen. Der EHC (Electrically Heated
haft verwirklicht. Catalyst) ist in Bild 21-70 dargestellt.
21.5 Abgasnachbehandlung Ottomotor 857

800 6

700

Kumulierte NOx-Emissionen [g/kWh]


5
Kumulierte PM-Emissionen [mg]

600

4
500
-66%
-80%
400 3

300
2

200

1
100
Bild 21-69 PM- und
0 0 NOx-Minderung mit dem
Rohemission Nach SCRi Rohemission Nach SCRi
SCRi-System (ETC) [9]

motornaher Katalysatorsysteme zeitlich begrenzt war.


Die weitere Optimierung des motorischen Wirkungs-
grades zur Minderung des CO2-Ausstoßes führt spe-
ziell bei Dieselmotoren zu einer deutlichen Absen-
kung der Abgastemperatur [11]. Bild 21-71 stellt den
Verlauf der Abgastemperatur eines Diesel-Pkw im
NEFZ vor Oxidationskatalysator (DOC) dar.
Es wird deutlich, dass es zum einen relativ lange
dauert, bis die Arbeitstemperatur (Light Off) des
DOC erreicht wird und zum zweiten fällt die Tempe-
ratur im dynamischen Betrieb immer wieder unter
diesen Wert ab. Außerdem können HC- und CO-Roh-
Stützkatalysator emissionen durch NOx-optimierte Brennverfahren
(erodiert)
Heizscheibe mit ansteigen.
elektrischen Unter diesen Bedingungen kann der EHC zur Anhe-
Anschlüssen
bung der Katalysatortemperaturen zum Einsatz kom-
men. Der Energiebedarf für die Heizphasen (und da-
Bild 21-70 Emitec-EHC mit der Mehrverbrauch an Kraftstoff) hängt stark von
der gewählten Heizstrategie ab, wie Bild 21-72 ver-
Der erste Serieneinsatz des EHC erfolgte mit dem deutlicht. Durch optimale Verknüpfung von Funktio-
Ziel, die Kaltstartphase von Ottomotoren zu verkür- nen wie Energierekuperation und Start-Stopp mit den
zen [10], wo sein Einsatz durch Einführung motori- motorischen Parametern ist ein effizientes Thermo-
scher Katalysatorheizmaßnahmen und Applikation management möglich.

300

250
Zieltemperatur = 180 °C
Temperatur [°C]

200

150

Light-Off-Area DOC
100

50 Temperatur vor DOC Bild 21-71 Abgastempera-


tur eines Diesel-Pkw im
0 NEFZ und Light-Off-Be-
0 100 200 300 400 500 600 700 800
reich des Oxidationskata-
Zeit [s]
lysators [12]
858 21 Abgasemissionen

120 106

100 104

Kraftstoffverbrauch [%]
CO-Emissionen [%]

80 102

- 60 % +3%
- 43 % +1%
60 100

40 98

20 96
Bild 21-72 Einfluss unter-
schiedlicher Heizstrategien
auf CO-Emissionen und
0 94
0 sec 0-200 sec 0-60 sec 60-120 sec 60-120 sec + fuel
Kraftstoffmehrverbrauch
cut off [12]

Das Recycling von Fahrzeugkomponenten hat in Literatur


jüngster Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen.
[1] Faltermeier, G.; Pfalzgraf, B.; Brück, R.; Kruse, C.; Maus, W.:
Ein speziell für Metallträgerkatalysatoren entwickel- Katalysatorkonzepte für zukünftige Abgasgesetzgebungen am
tes Verfahren erlaubt die nahezu vollständige Rück- Beispiel eines 1.8 l 5V-Motors. 17. Internationales Wiener Mo-
gewinnung der eingesetzten Materialien. Der prinzi- torensymposium, 25.–26.4.1996, Wien
pielle Ablauf dieses Verfahrens ist in Bild 21-73 [2] Maus, W.; Brück, R.; Hirth, P.; Hodgson, J.; Presti, M.: Po-
tential von Katalysatorkonzepten zum Erreichen der SULEV-
dargestellt. Emissionsgrenzwerte. 20. Internationales Wiener Motorensym-
posium, 6.–7. Mai 1999
[3] Bollig, M.; Liebl, J.; Zimmer, R.; Kraum, M.; Seel, O.; Sie-
mund, S.; Brück, R.; Diringer, J.; Maus, W.: Next generation
catalysts are turbulent: development of support and coating. SAE
2004-01-1488, 2004
[4] Dahlgren, J.; Laurell, M.; Vollmer, N.; Brück, R.; Hirth, P.;
Maus, W.: Der Lambdasondenkatalysator; ein neues Konzept für
kompakte Hochleistungskatalysatorsysteme. 14. Aachener Kol-
loquium Fahrzeug- und Motorentechnik, 04. –06.10.2005
[5] Laurell, M.; Dahlgren, J.; Karlflo, M.; Althöfer, K.; Brück, R.: A
metal substrate with integrated oxygen sensor; Functionality and
influence on air/fuel ratio control. SAE 2003-01-0818, 2003
[6] Held, W.; Rohlfs, M.; Maus, W.; Swars, H.; Brück, R.; Kai-
ser, F. W.: Improved cell design for increased catalytic conver-
sion efficiency. SAE 940932, 1994
[7] Kent Dawson, E.; Kramer, J.: Faster is better: The effect of
internal turbulence on DOC efficiency. SAE 2006-01-1525,
2006
[8] Konieczny, R.: The PM MetalitTM: Experience with the partial-
flow particulate trap with regard to the reduction of particulate
number and mass. Vortrag auf der CTI München, 11./12.07.2006
[9] R. Brück; Hirth, P.; Rice, M.: NOx aftertreatment for passenger
cars and heavy duty truck applications for EU 6 and EU VI/US
2010 legislation. SAE 2009-01-0846, 2009
[10] Hanel, F. J.; Otto, E.; Brück, R.: Electrically heated catalytic
converter (EHC) in the BMW Alpina B12 5.7 Switch-Tronic.
SAE 960349, 1996
[11] Waldhelm, A.; Beidl, C.; Spurk, P.; Noack, H.-D.; Brück, R.;
Konieczny, R.; Brugger, M.: Aktives Thermomanagement in
SCR-Systemen – Anwendungsmöglichkeiten und Betriebsstrate-
gien des elektrisch beheizbaren Katalysators EmiCat®. Emission
Control Dresden, 10.06.2010
[12] Brück, R.; Konieczny, R.: Thermomanagement für Niedrigst-
emissionskonzepte moderner Antriebe; Der elektrisch heizbare
Katalysator. 19. Aachener Kolloquium Fahrzeug- und Moto-
rentechnik, 04.–06.10.2010

Bild 21-73 Schematische Darstellung des für Metall-


trägerkatalysatoren entwickelten Recycling-Verfahrens
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 859

21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor Stickoxide:


Bei Oxidationsreaktionen in Gegenwart von Stickstoff
21.6.1 Diesel-Oxidationskatalysatoren entstehen die Stickoxide NO und NO2. Da die Kon-
Gegenüber einem Ottomotor weist ein Dieselaggregat zentration beider Komponenten und ihr Mengenver-
einen besseren thermodynamischen Wirkungsgrad hältnis zueinander von der Reaktionstemperatur und
auf, was sich in niedrigeren Kraftstoffverbräuchen der Sauerstoffkonzentration während der Verbrennung
und geringeren CO2-Emissionen niederschlägt. Zur abhängen, lassen sich durch geeignete motorische
Abgasreinigung werden seit mehr als zehn Jahren bei Maßnahmen NOx-Emissionen senken, zum Beispiel
Diesel-Pkw-Oxidationskatalysatoren (DOC) einge- durch späte Einspritzung (Gastemperatur sinkt) und
setzt. Dieselmotoren werden unter Sauerstoffüber- Abgasrückführung (Sauerstoffkonzentration sinkt).
schuss betrieben. Ihre maximalen Abgastemperaturen Schwefeloxide:
liegen bei circa 850 °C und im Mittel deutlich unter Durch die Verbrennung schwefelhaltigen Kraftstoffs
denen vergleichbarer Ottomotoren. Das bedeutet: entsteht primär SO2, das bei Temperaturen > 300 °C
• günstigere CO- und HC-Emissionen durch Edelmetalle zu SO3 weiteroxidiert wird und in
• höhere NOx-Emissionen Anwesenheit von Wasser zu Schwefelsäure H2SO4
• deutlich höherer Partikelausstoß reagiert. Alle drei Verbindungen sind in der Lage,
• komplexere Emissionskontrolle, da zum einen auf den Katalysator zu deaktivieren, SO2 und SO3 durch
Grund des Partikelanteils nicht nur Gasphasenre- spezifische Anlagerung und damit Blockierung der
aktionen berücksichtigt werden müssen, zum an- Edelmetalle, H2SO4 durch Belegung der Washcoat-
deren aufgrund niedrigerer HC-Konzentrationen Oberfläche und Kondensation in den Washcoat-
weniger Reduktionsmittel zur Verfügung stehen. Poren.
Für die Abgasreinigung bedeuten diese Eigenschaften
21.6.1.2 Charakteristika von Diesel-
eine Beschränkung auf rein oxidative Reaktionen und
Oxidationskatalysatoren
den Einsatz von katalytisch aktiven Komponenten,
die vor allem den Niedertemperaturbereich (schnelles Aufbau
Anspringen) abdecken müssen. Ähnlich wie Dreiwegekatalysatoren bestehen DOC
aus folgenden Komponenten:
21.6.1.1 Schadstoffe im Diesel-Abgas
• Wabenkörper (Monolith) aus Keramik oder Metall
Kohlenwasserstoffe und CO: als Träger der katalytischen Beschichtung
Selbst unter Sauerstoffüberschuss können heterogene • Al2O3 für poröse thermisch-stabile Schichten mit
Brennraumbedingungen dazu führen, dass Oxidati- hohen Oberflächen (100 bis 200 m2/g)
onsreaktionen nicht vollständig ablaufen und sich • Edelmetalle und Promotoren als katalytisch-aktive
neben CO auch unverbrannte beziehungsweise nur Zentren, an deren Oberflächen die Oxidationsre-
teiloxidierte Kohlenwasserstoffe im Abgas finden. aktionen stattfinden.
Einige dieser Verbindungen sind auch für den typi-
schen Geruch von Dieselabgas verantwortlich. Alle Herstellung
motorischen Parameter, die zu einer besseren Aus- Ein mögliches Herstellungsverfahren umfasst folgen-
nutzung des im Brennraum vorhandenen Sauerstoffs de Schritte:
(zum Beispiel Gemischverwirbelung) beziehungs-
• Edelmetalle und Promotoren werden in Lösung
weise höheren Verbrennungstemperaturen führen,
gebracht.
können CO- und HC-Emissionen senken.
• Diese Lösung wird auf die Al2O3-Oberfläche auf-
Partikel: getragen (die entstehende Suspension wird als
Lokal fette Bedingungen während der Verbrennung Washcoat bezeichnet).
führen über die Zwischenstufen Acetylen und poly- • Die Wabenkörper werden in den Washcoat ge-
zyklische Kohlenwasserstoffe zur Bildung graphit- taucht.
ähnlicher Rußteilchen. Durch Koagulations- und • Anschließende Trocknungs- und Kalziniervorgän-
Agglomerationsprozesse entstehen aus diesen circa ge entfernen das Wasser aus dem Wabenkörper
1 bis 10 nm großen Primärpartikeln Rußteilchen von und fixieren den Washcoat.
circa 100 bis 300 nm Durchmesser (Median). Da
diese Teilchen auf Grund ihrer hohen Oberfläche (bis 21.6.1.3 Deaktivierung der Katalysator-Oberfläche
zu 200 m2/g) eine hohe Adsorptionsfähigkeit besit- Während des Fahrbetriebs kann die Katalysator-
zen, lassen sich in Dieselruß neben Kohlenstoff auch Oberfläche durch chemische beziehungsweise physi-
hohe Anteile (> 50 Gewichts-%) von Kohlenwasser- kalische Einflüsse reversibel oder irreversibel deakti-
stoffen, Sulfaten, Wasser und Schmierölbestandteilen viert werden. Bild 21-74 führt exemplarisch einige
nachweisen. Möglichkeiten auf:
860 21 Abgasemissionen

generation unter Sauerstoffüberschuss ist möglich;


a b allerdings werden hierzu Temperaturen > 600 °C be-
nötigt. Alternativ dazu kann auch die Konzentration
an Reduktionsmitteln (Kohlenwasserstoffe) durch
Anfetten auf O < 1 erhöht werden; dadurch werden
die auf der Oberfläche adsorbierten Schwefel-Ver-
bindungen zu H2S reduziert, das von der Oberfläche

100

80

CO-Konvertierung [%]
c d

60

40

20

0
100°C 150°C 200°C 250°C 300°C
Bild 21-74 Verschiedene Arten von Vergiftung des Frisch / regeneriert
Edelmetalls und der Washcoat-Poren, a) Sinterung Verlust aktiver Zentren: Sintering
Porendiffusion: kleinere effektivere Poren
von Poren, b) nicht-selektive Belegung der Oberflä- Belegung der Oberfläche, aktiver Zentren,
che, c) selektive Vergiftung aktiver Zentren, d) Kon- blockierte Poren
densation von Kohlenwasserstoffen
Bild 21-75 Light-Off-Kurven geben Hinweise auf
• Belegung der Washcoat-Oberfläche durch Rück- unterschiedliche Deaktivierungsmechanismen
stände aus der Oxidation beziehungsweise Weiter-
reaktion von Kohlenwasserstoffen (verkoken) 100
• selektive Vergiftung durch Belegung und Ab- ohne
schirmung aktiver Zentren, zum Beispiel Anlage- 90 Vorkonditionierung
mit 1h
rung von Schwefel-Verbindungen an Edelmetalle Vorkonditionierung
• Verengung von Porenöffnungen erschwert die 80 im Leerlauf
Zugänglichkeit zu aktiven Zentren (Sintern). Wie
70
Bild 21-75 zeigt, lassen Light-Off-Kurven, die an
CO-Konvertierung [%]

Modellsystemen gemessen wurden, Rückschlüsse 60


auf die jeweiligen Deaktivierungsmechanismen
zu. 50

Deaktivierung unter Niedertemperatur/Schwach- 40


lastbedingungen
Temperaturen bis etwa 250 °C und niedrige Lasten füh- 30

ren zu reversiblen Vergiftungen der Oberfläche durch


20
kohlenstoffhaltige Komponenten. Die in Bild 21-76
gezeigte Verschlechterung des CO-Light-Offs nach 10
1 h Leerlaufbetrieb (< 120 °C, < 20 Nm) lässt sich
durch eine kurzzeitige Erhöhung der Abgastempera- 0
tur (< 1 min, < 250 °C) wieder rückgängig machen, 100 120 140 160 180 200 220
das heißt die Aktivität lässt sich wieder vollständig Temp (vor Kat) [°C]

zurückgewinnen.
Bild 21-76 Als Light Off wird die Temperatur be-
Deaktivierung durch Verschwefelung zeichnet, bei der 50 % Konvertierung erreicht wer-
Eine Erhöhung der Abgastemperatur auf > 300 °C den. Vorkonditionierung im Leerlauf verschlechtert
führt zur Verschwefelung des Katalysators. Eine Re- den Light Off
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 861

700 2,50
mit Promotor
Std. Alterung:
600 > 750 ppm S,
2,00 100-150 h @ 200-300°C
500

1,50
H2S [ppm]

400

[g/km]
300
1,00
CO-Std. CO-mit Promotor
200 HC-Std. HC-mit Promotor

0,50
100

0 0,00
250 260 270 280 290 300 ECE MVEG

Zeit [s] CO-Std. CO-mit Promotor


HC-Std. HC-mit Promotor

Bild 21-77 Eine Modifikation der Washcoat-Ober-


flächen verringert die Affinität für Schwefel-Verbin- Bild 21-78 Verringerte Affinität für Schwefelverbin-
dungen dungen zeigt auch im MVEG-Zyklus verbesserte CO-
und HC-Performance
desorbiert und im Abgas detektiert werden kann.
Integriert man über die Fläche der jeweiligen H2S- 40 190
Peaks, erhält man einen Hinweis auf die Verschwefe-
lungsneigung des jeweiligen Katalysators. Als Schutz 35 185
vor irreversiblen Verschwefelungen können dem
30 180
Washcoat Promotoren zugefügt werden, die die
Pt-Dispersion [%]

CO-Light-Off [°C]
Affinität gegenüber Schwefelverbindungen wirksam 25 175
unterdrücken. Bild 21-77 zeigt einen Vergleich der
H2S-Signale eines Standard-Washcoats und der ent- 20 170
sprechenden geschützten Version. Der entsprechende
15 165
Fahrzeugtest (MVEG) ist in Bild 21-78 zu sehen.
Nach einer Alterung mit 1.000 ppm Schwefel im 10 160
Dieselkraftstoff zeigt die modifizierte Washcoat-
Oberfläche im ECE-Teil des Zyklus deutlich niedri- 5 155
fresh 30' 10h 20h 40h 60h
gere CO-Ergebnisse [g/km] als die Standard-Version. Alterungsdauer bei 750°C

Thermische Deaktivierung Bild 21-79 Hochtemperatur-Alterungen verringern


Höhere Abgastemperaturen führen zur Sinterung des die Dispersion der Pt-Partikel. Dadurch sinkt die
Edelmetalls, das heißt kleine Partikel agglomerieren zu Aktivität der CO-Oxidation
größeren Einheiten. Dies bedeutet einen Verlust der zur
Verfügung stehenden metallischen Oberfläche und 21.6.1.4 Beurteilung von Diesel-
damit ein Absinken der Oxidationswirkung. Dieser Oxidationskatalysatoren
irreversible Prozess ist in Bild 21-79 dargestellt. Pt- Light Off
Dispersion und CO-Light-Off sind invers miteinander
korreliert, das heißt je geringer die zur Verfügung Die Aktivität von DOC auf Motorenprüfständen wird
stehende Pt-Oberfläche (gemessen als [%]-Dispersion) hauptsächlich durch die Bestimmung des sogenann-
desto geringer auch die CO-Aktivität. ten Light Off festgelegt. Dabei wird die Konvertie-
Neben dem Edelmetall müssen auch alle anderen rung an definierten Temperatur-/Lastpunkten gemes-
Washcoat-Komponenten auf ihre Temperaturstabilität sen und der Punkt, an dem 50 % Konvertierung
hin überprüft werden. Analysen nach 50 h-Alterungen erreicht wird, als Light Off bezeichnet. Bild 21-82
bei 700 °C zeigen sowohl die gute Stabilität von zeigt den entsprechenden Temperatur- und Drehmo-
Al2O3-Oberflächen (Bild 21-80), als auch die un- mentenverlauf einer Messung an einem 1,9-l-Saug-
verminderte Funktionsfähigkeit eines Zeolithen (Bild motor, Bild 21-76 den zugehörigen Kurvenverlauf.
21-77) anhand dessen typischer HC-Desorptionskurve. Der CO-Light-off liegt hier bei circa 175 °C.
862 21 Abgasemissionen

110
300 100

280 Temp (vor Kat) 90


Vol strom

Drehmoment [Nm] Vp Luft [m³/h]


260 Drehmoment 80
100
240 70

Temp (vor Kat) [°C]


BET Surface Area [m2/cm3]

220 60
90 200 50

180 40

160 30
80
140 20

120 10

70 100 0
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28
Zeit[min]

60 Bild 21-82 Aktivitätsmessung von Katalysatoren


frisch 2h 24 h 48 h durch Light-off-Tests, hier Temperaturrampen und
Drehmomentverlauf eines 1,9 l-Saug-Dieselmotors
Al2O3 - 100/5 doped Al2O3 - 100/10 doped
Al2O3 - 70/5 doped Al2O3 - 70/10 doped
Al2O3 - 70 Al2O3 - 90/10 doped Unterboden-Katalysators (UF). Aus den Kurvenver-
läufen ergibt sich, dass in der krümmernahen Anord-
Bild 21-80 Temperaturstabilität von Al2O3 bis 900 °C nung stärkere kohlenstoffhaltige Ablagerungen im
Frontbereich zu finden sind, während sich die Ver-
schwefelung über die Länge des Monolithen erhöht.
100
Im Unterboden-Katalysator laufen beide Gradienten
90 parallel axial.
80

70 5,5 0,7

60 5 0,6
HC [%]

50
4,5 0,5

Kohlenstoff [Gew %]
Schwefel [Gew %]

40
4 0,4
30

20 3,5 0,3

10 3 0,2

0
100 120 140 160 180 200 220 240 260 280 2,5 0,1

Temp. [°C] mit Promotor 2 0


Frisch 0 2 4 6 8 10 12
Frisch + Leerlauf Sample (Front to Rear)
Alterung 10 h/750 °C + Leerlauf
Sulfur - CC Sulfur - UF
Carbon - CC Carbon - UF
Bild 21-81 Temperaturstabilität von Zeolithen bis
850 °C Bild 21-83 Post-Mortem-Analyse: C/S-Profile von
CC- und UF-Katalysatoren
Post-Mortem-Analysen
deaktivierter Katalysatoren Dauerhaltbarkeits-Tests
Mit Post-Mortem-Analysen werden gealterte Kataly- Dauerhaltbarkeiten werden sowohl in definierten
satoren physikochemisch analysiert, um festzustellen, Fahrzyklen als auch im normalen Fahrbetrieb ermit-
welche Deaktivierungsvorgänge während der Alte- telt. Bild 21-84 zeigt das Beispiel eines im AMA-
rung stattgefunden haben. Bild 21-83 zeigt Kohlen- Zyklus über 20.000 km gealterten DOC. In diesem
stoff- beziehungsweise Schwefel-Gradienten jeweils Zyklus werden hauptsächlich Niedertemperatur- und
eines krümmernahen (CC) beziehungsweise eines Schwachlast-Stabilität überprüft. Die Kurven des nach
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 863

0,200 2,000

0,160 1,600

0,120 1,200
HC [g/km]

CO [g/km]
0,080 0,800

0,040 0,400

Bild 21-84 Dauerläufe unter


Schwachlastbedingungen
0,000 0,000
geben Hinweise auf Dauer-
fresh 10000 km 20000 km
haltbarkeiten (hier Ausschnitt
HC-Bag1: 0–195 s HC-Bag2: 196–780 s einer Testreihe, die bis
HC-EUDC CO-Bag1: 0–195 s
CO-Bag2: 196–780 s CO-EUDC 80.000 km durchgeführt
wurde)

5.000, 10.000, 15.000 und 20.000 km im MVEG- soll auf die Eigenarten der Abgasreinigung von
Zyklus gemessenen Katalysators verlaufen nach etwa dieselgetriebenen Pkw näher eingegangen werden.
5.000 km horizontal, das heißt eine weitere Deakti- Die charakteristischen Unterschiede im Vergleich zu
vierung findet nach diesem Zeitpunkt nicht mehr Otto-DI-Applikationen liegen in den niedrigeren
statt; der Katalysator wird über die restliche Lebens- Abgastemperaturen, höheren Rußemissionen und
dauer stabile Konvertierungen zeigen. Die Daten zu Besonderheiten der motorischen Erzeugung von
Bild 21-84 stammen von einem Fahrzeug, das über „fetten“ Abgasbedingungen, wie sie zur Regeneration
80.000 km in normalem Fahrbetrieb regelmäßig ver- des Speicherkatalysators von adsorbiertem NOx und
messen wurde. Auch hier ergibt sich ein ähnlicher SOx erforderlich sind.
Verlauf wie in Bild 21-85. Nach anfänglicher Alte-
rung bleibt die Konvertierung über die gesamte Dauer 21.6.2.1 Arbeitsbereich des Speicherkatalysators
des Tests stabil. Das niedrige Abgastemperaturniveau von Diesel-Pkw
bedeutet für den Katalysator eine geringere thermi-
21.6.2 NOx-Adsorber für Diesel-Pkw sche Spitzenbelastung sowie eine Verschiebung des
Die Entfernung von Stickoxiden aus magermotori- Arbeitsfensters hin zu tieferen Temperaturen. Bild
schem Abgas mit Hilfe der NOx-Speicherkatalysator- 21-86 zeigt typische NOx-Emissionen eines Diesel-
technologie ist sowohl auf Otto- wie Dieselmotori- Pkws in Abhängigkeit der Katalysatorbetttemperatur
sche Antriebsaggregate anwendbar. Im Folgenden im MVEG-Fahrzyklus.

Bagresults MVEG EU2000


0,6
HC CO
HC,CO Emissions [g/km]

0,5

0,3

0,2

0,0 Bild 21-85 Nachweis der


5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 Dauerhaltbarkeit aus
Aging [1000 km] 80.000 km In-field-Tests
864 21 Abgasemissionen

0.1

Stadtbetrieb (ECE) Landstraße u nd Au tobahn (EUDC)

0.08
NOx-Emissionen,g

0.06

0.04

0.02

Bild 21-86 NOx-Emissionen


eines Diesel-Pkws mit EU III-
0
0 100 200 300 400 500
Motorkalibration als Funktion
der Katalysatorbetttemperatur
Temperature,°C
im MVEG-Zyklus

21.6.2.2 Entschwefelung
NOx-Emissionen im MVEG Zyklus, %

75
Kinetische Thermodynamische
Limitierung der NOx - Limitierung der NOx- Eine weitere Besonderheit beim Betrieb von NOx-
Konvertierung Konvertierung Speicherkatalysatoren in Diesel-Pkws liegt in der
50
Beschränkung der Desulfatisierungstemperatur bei
Keine NOx - Optimaler der motorischen SOx-Regeneration. Ein Fahrbetrieb
Konvertierung Arbeitsbereich
mit einem Lambda < 1 kann unter Hochlast auf Grund
25
erhöhter Rußemissionen und Drehmomenteinbußen
nur schwer oder gar nicht realisert werden. Typische
Entschwefelungstemperaturen von Dieselabgas liegen
0
25 °C–150 °C 150 °C–250 °C 250 °C–300 °C 300 °C–380 °C
im Bereich von 500 bis 550 qC.
Die Entschwefelbarkeit des Katalysators hängt ent-
Bild 21-87 Aufteilung der NOx-Emissionen im scheidend von der Wahl der NOx-Speicherkompo-
MVEG-Zyklus in vier katalysatorrelevante Tempe- nente (NSC: NOx storage component) ab. Je fester
raturbereiche NOx auf dem Katalysator gebunden ist, umso effi-
zienter wird die Speicherung von NOx bei hohen
Temperaturen. Eine hohe NOx-Bindungsstärke führt
Im Bereich unterhalb 150 qC erfolgt keine NOx-Kon- auch zu einer Verringerung von NOx-Durchbrüchen
vertierung, da der Katalysator noch nicht angesprun- während der Regenerationsphasen. Die Vorteile einer
gen ist. Im Bereich zwischen 150 qC und 250 qC kann stärkeren NOx-Adsorption gehen allerdings zu Lasten
NOx gespeichert und reduziert werden, jedoch gibt es höherer Entschwefelungstemperaturen. Bild 21-84
auf Grund der hohen Raumgeschwindigkeiten und veranschaulicht den Kompromiss zwischen der Ent-
hohen NOx-Konzentrationen Einbußen bei der Spei- schwefelbarkeit sowie der Effizienz der Speicherung
cherung von NOx. Im Bereich zwischen 250 qC und und Regeneration von NOx.
300 qC liegt der optimale Wirkungsgrad des Kataly-
sators. Bei Temperaturen oberhalb 350 qC kann, je
nach verwendetem NOx-Speichermaterial, die Spei- Effizienz der NOx-
Speicherung
cherung von NOx thermodynamisch limitiert sein.
Wie aus Bild 21-86 und Bild 21-87 ersichtlich ist,
liegt der Schwerpunkt der NOx-Emissionen im städti-
schen Fahrbetrieb bei 150 qC bis 200 qC. In diesem NOx-Durchbruch
Temperaturbereich ist die Speicherung und Reduk- bei Regeneration
tion von NOx kinetisch limitiert. Die Konvertierung
von NOx im städtischen Fahrbetrieb stellt daher
besondere Anforderungen an die Tieftemperaturakti- Effizienz der
Desulfatisierung
vität des Katalysators. Die Entwicklung moderner
Dieselmotoren mit niedrigerem Kraftstoffverbrauch Bild 21-88 Gekoppelte Eigenschaften der Effizienz
bringt eine weitere Absenkung der Abgastemperatur der Speicherung und Regeneration von NOx sowie der
im ECE-Zyklus mit sich. Entschwefelbarkeit von NOx-Speicherkatalysatoren
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 865

sind. Zudem kommt es bei der Eindüsung von Die-


selkraftstoff bei Abgastemperaturen unterhalb 250 °C
zur Kondensation von Kraftstoff. Alternative Metho-
den zur On-Board-Erzeugung gasförmiger Redukti-
Fahrstrecke

onsmittel mittels Reformierung von Dieselkraftstoff


werden untersucht, sind jedoch aufwändig.
Bei der internen oder motorischen Regeneration
werden reduzierende Bedingungen im Abgas durch
einen Motorbetrieb mit veränderten Einspritzparame-
tern realisiert. Die „schlechtere“ Verbrennung des
Schwefelgehalt im Kraftstoff Kraftstoffs im Brennraum führt zu einer Anhebung
der Abgastemperatur, die Drosselung des Ansaug-
Bild 21-89 Zurückgelegte Fahrstrecke bis zum Errei- luftvolumenstroms zu einer Verminderung des Ab-
chen eines Schwellenwerts der NOx-Konvertierung in gasvolumenstroms. Beide Maßnahmen steigern die
Abhängigkeit des Schwefelgehalts im Kraftstoff Effizienz der Regeneration.
Ein Nachteil der internen Regeneration besteht in
erhöhten Rußemissionen, die während fetter Be-
Ohne Desulfatisierungsmaßnahmen nimmt die NOx-
triebszustände des Motors bei höheren Lasten auftre-
Konvertierungsrate des Speicherkatalysators im
ten und zur Deaktivierung des Speicherkatalysators
Mager/Fett-Zyklus linear als Funktion der Fahrstre-
beitragen. Im Rahmen einer integralen Abgasreini-
cke oder Zeit ab. Die Fahrstrecke, die bis zum Errei-
gung von NOx und Partikeln werden daher kombinier-
chen einer gegebenen NOx-Konvertierungsrate zu-
te Abgassysteme mit Rußfilter und NOx-Speicher-
rückgelegt werden kann, nimmt umgekehrt proporti-
katalysator intensiv untersucht.
onal mit dem Schwefelgehalt im Kraftstoff ab. Bild
21-89 zeigt die Abhängigkeit der Fahrstrecke als
Funktion des Kraftstoffschwefelgehalts bei konstanter Literaturverzeichnis
NOx-Konvertierungsrate. zu Kapitel 21.6.1 bis 21.6.2
Das Ausmaß der Verringerung der NOx-Konver-
[1] Heck; Farrauto: Catalytic Air Pollution Control. Van Nostrand
tierungsrate bei Betrieb in schwefelhaltigem Abgas Reinhold, 1995
hängt auch von der Temperatur und der Häufigkeit [2] Farrauto; Voss: Monolithic Diesel Oxidation Catalysts, Applied
der Entschwefelungen ab. Hohe Abgastemperaturen Catalysis B: Environmental 10 (1996) 29
und lange Abstände zwischen den Desulfatisierungen [3] Bond: Heterogeneous Catalysis. Oxford University Press, 1990
führen zur Bildung von Volumensulfaten zwischen [4] Bode (Ed.): International Conference on Metal-Supported Auto-
dem SOx des Abgases und dem Speichermaterial des motive Catalytic Converters (MACC 97). Wuppertal Germany
1997, Werkstoff -Informationsgesellschaft, Frankfurt
Katalysators, die eine irreversible Schädigung des [5] Kruse; Frennet; Bastin (Eds.): 5th International Congress on
Speicherkatalysators mit sich bringen. Catalysis and Automotive Pollution Control (CAPOC 5, Brus-
Durch die Entwicklung neuartiger Speicherwerkstoffe sels/Belgium, April 2000), Vol. 1 and 2, Universite Libre de
ist es gelungen, die Desulfatisierungstemperatur zu Bruxelles
senken und eine Langzeitstabilität der NOx-Konver- [6] Guyon, M.; Blanche, P.; Bert, C.; Philippe, L.; Renault;
Messaoudi, CIRCA: Segime, NOx-Trap System Development
tierung mit Hilfe periodischer Desulfatisierungen im and Characterization for Diesel Engines Emission Control.
Mager/Fett-Zyklus in schwefelhaltigem syntheti- SAE2000-01-2910, Baltimore.
schem Abgas zu erzielen. Die erforderliche Schwefel- [7] Patent DE 196 26 835 A1, Patent DE 196 26 836 A1
toleranz in allen Betriebszuständen eines realen Fahr- [8] Beutel, T.; Dahle, U.; Punke, A.: Euro 4 – Abgasnachbehand-
betriebs ist jedoch nach wie vor unzureichend. Be- lungstechnologien für Magermotoren (Otto/Diesel). VDA
Technischer Kongress, IAA Frankfurt/Main, 1999
sonders kritisch sind längere Zeiträume von konstan-
[9] Cooper, B. J.; Thoss, J. E.: Role of NO in Diesel Particulate
ten Magerfahrten bei hohen Abgastemperaturen. Emission Control. SAE Technical Paper no. 890404, 1998
[10] Mul, G.: Catalytic Diesel Exhaust Purification, Proefschrift.
21.6.2.3 Regenerationsmethoden Technische Universiteit Delft, 1997
[11] Neeft, J. P. A.; Makkee, M.; Moulijn, J. A.: Diesel particulate
Bei den Methoden zur Regeneration des Katalysators emission control, Fuel Processing Technology 47, 1996
von gespeichertem NOx und SOx werden sowohl [12] Winkler, A.; Ferri, D.; Dimopoulos Eggenschiler, P.; Aguirre,
interne wie externe Verfahren untersucht. Bei der M.: Analyseverfahren zur Alterung von Dieseloxidations-Kata-
externen Regeneration wird ein Reduktionsmittel, lysatoren. In: MTZ 06/2010
zumeist Dieselkrafstoff, vor dem Speicherkatalysator [13] Fiebig, M.; Schönen, M.; Gütering, U.; Pischinger, S.: Einflüsse
motorischer Betriebsparameter auf die Reaktivität von Dieselruß.
eingedüst. Zur Verringerung des Sauerstoffmassen- In: MTZ 07/08, 2010
stroms wird zweckmäßig ein Abgasteilstrom über [14] Schröder, C.: Neuronales Netzwerk zur NOx-Sensierung im
dem Speicherkatalysator eingestellt [7, 8]. Diese SCR-System. In: MTZ 02/2010
Technik erfordert den Einsatz von Abgasklappen, die [15] Maroteaux, D.; Beaulieu, J.; D’Oria, S.: Entwicklung der NOx-
aus Gründen beschränkter Haltbarkeit unerwünscht Nachbehandlung für Renault-Dieselmotoren. In: MTZ 03/2010
866 21 Abgasemissionen

21.6.3 Partikel/Partikelfilter Anzahl der Feststoffpartikel zusätzlich zu ihrer Masse


in der Schweiz und in der EU mit Euro 6 bei Pkw,
P. Pott hat bereits 1775 über Krebs bei Kaminfegern
wobei sogar Benzinmotoren mit einbezogen sind und
berichtet; im Arbeitsschutz waren „Rauche, Stäube
mit Euro VI bei Nutzfahrzeugen sogar für CNG. Der
und Nebel“ von jeher ein wichtiges Thema; Tyndall
technische Stand ist somit etabliert und bestimmt die
hat 1868 den optischen Effekt zur Messung von
Emissionsgesetzgebung weltweit.
Feinpartikeln entdeckt; 1936 weist die Zeitschrift
„Staub“ in ihrer ersten Ausgabe auf die Bedeutung 21.6.3.1 Partikeldefinitionen
der Submikron-Partikel hin; 1958 beschreibt P. J. und Partikeleigenschaften
Lawther die starke Zunahme der Lungenkrebsmorta-
Der Luftschadstoff „Partikel“ wird in den Regelwer-
lität im luftverschmutzten Bereich und weist auf
ken auf unterschiedliche Weise definiert:
deren Anstieg ab etwa 1920 hin; 1959 legt die Johan-
nesburger Konvention die Größenfraktion lungen- • Nach der gesetzlich gültigen Definition für den
gängiger Partikel fest; ab 1980 werden Partikelfilter Straßenverkehr gilt als Partikelmasse alles, was
für Fahrzeuganwendungen vorgeschlagen; 1983 (ein bei <325 K filtriert und somit gewogen werden
Jahr nach der Einführung eines ersten Grenzwertes kann (gravimetrische Methode), unabhängig von
für die Partikelmasse PM durch die US EPA mit der Größe der Partikel und ihrer chemischen Zu-
0,6 g/Meile) findet der erste SAE-Kongress statt, der sammensetzung – eine für die toxikologische Ein-
sich diesem Thema widmet. 1987 erklärt die WHO stufung gänzlich ungeeignete Definition.
Dieselpartikel als „wahrscheinlich krebserzeugend für • Mit der EU-Verordnung 715/2007 [49] wird für
den Menschen“ und 2012 verstärkt sie dieses Urteil Pkw und leichte Nfz ein neuer Grenzwert nach der
zu „nachweislich krebserzeugend für Menschen“ und Gesamtzahl der Feststoffpartikel im Größenbe-
stuft damit Dieselabgas in die höchste Gefahrstoff- reich 23 nm bis 2,5 Pm eingeführt, wobei nach
klasse ein (wie Asbest) [59]. Feinpartikel gelten seit UNECE-PMP [38] als Feststoffpartikel alle Parti-
der 6-Städte-Studie [60] als wichtigster Luftschad- kel gelten, die bei einer Beheizung der Gasprobe
stoff mit hoher Mortalitätswahrscheinlichkeit, das bis 400 °C nicht verdampfen [49]. Auch für
Verhältnis der Krankheitskosten zum technischen schwere Nutzfahrzeuge ist dieser Schritt mit Euro
Aufwand von Minderungsmaßnahmen wurde 2002 VI vorgesehen [50].
mit > 4 ermittelt [61], heute spricht man von > 10 und • Am Arbeitsplatz zählt nach den meisten Regula-
es wird eine Immissionsbegrenzung der Nanoparti- rien die Gesamtmasse des elementaren Kohlen-
kel-Konzentration in der Atemluft gefordert [62]. Das stoffs EC (Ruß) im Größenbereich <5 μm; es be-
alles ist also nicht neu. Neu dagegen ist nach einer stehen starke Tendenzen, diese Grenze in den Be-
intensiven technologischen Entwicklung über drei reich <500 nm zu verschieben.
Jahrzehnte, an der viele Forscher und Industrieunter- • In der Umweltgesetzgebung und für Fragestellun-
nehmen beteiligt waren, die Tatsache, dass nun insge- gen im Immissionsbereich wird vermehrt der Be-
samt mehr als 30 Millionen Partikelfilter in Serie- griff „Feinstaub“ verwendet, um den Gehalt der
Nutzfahrzeugen und Personenwagen im Einsatz sind, Atemluft an Schwebestoffen mit potenziell patho-
in Europa beginnend mit dem Peugeot 607 im Mai genen Wirkungen zu quantifizieren. Potenziell pa-
2000, in USA mit Einführung EPA 2007, dass mehr thogen ist alles, was eingeatmet werden kann.
als 500.000 Partikelfilter in Baumaschinen und Ga- Während früher die Sinkgeschwindigkeit von
belstaplern, in Lokomotiven, Schiffen und Stationär- 10 cm/s (entsprechend dem aerodynamischen
motoren nachgerüstet wurden, dass in vielen Städten Durchmesser 57 ȝm eines kugelförmigen Teil-
die Busse des öffentlichen Verkehrs mit hochwerti- chens mit einer Dichte von 1 g/cm3) als Ober-
gen Partikelfiltern nachgerüstet sind, dass in Umwelt- grenze für einatembaren Schwebestaub angesehen
zonen zusätzlich Zehntausende von Nutzfahrzeugen wurde, wurde später mit Definitionen wie PM10
nachgerüstet wurden, dass Mautverordnungen als An- und PM2.5 auf die aerodynamische Größe der
reize zur Filternachrüstung herangezogen werden, Staubpartikel selbst Bezug genommen. Danach
dass Abscheidegrade für Feststoffpartikel (Ruß) über entspricht PM10 einer Probe atmosphärischer
99,9 % erreicht werden, dass der Einsatz sogenannter Schwebeteilchen, der ein Filter mit einem mittle-
offener Filter mit Abscheidegraden unter 50 % sogar ren Trenngrad (50 % der Masse) bei 10 ȝm vorge-
in China verboten sind, [63] dass für neue Abgasvor- schaltet ist. Die Trenncharakteristik dieser Vor-
schriften in Europa, USA und Japan die Einführung schaltfilter ist nach DIN EN 481 seit 1993 ge-
des BAT Partikelfilters (BAT = best available techno- normt. Entsprechend der gravimetrisch definierten
logy, heute über 99 %) vorausgesetzt wird und dass Trenncharakteristik können in einer PM10-Probe
die Erstausrüster nun konsequent das Element „Parti- durchaus auch Partikel mit 30 ȝm Durchmesser
kelfilter“ in das Fahrzeugkonzept und die Prozess- enthalten sein. Diese Definitionen orientieren sich
kontrolle des Motors einbeziehen. Neu ist auch die an der Depositionscharakteristik von Partikeln im
Einführung einer neuen Grenzwertdefinition nach der Atemtrakt [42], kommen aus der Arbeitsmedizin
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 867

und gehen auf die Johannisburger Konvention


1959 [43] zurück. PM10 wird als thoraxgängiger
Anteil und PM2.5 als alveolengängiger Anteil be-
zeichnet, wobei diese Zuordnung streng nur für
hydrophobe Partikel gilt. Die PM10-Definition
sagt somit lediglich etwas aus über die maximale
Größe der Partikel bei der Probenahme [44],
nichts über die stoffliche Zusammensetzung und
die Größenverteilung der Probe und ist daher für
die Zuordnung gesundheitlicher Wirkungen
schlecht geeignet. Während diese Definition am
Arbeitsplatz bei bekannter Quellencharakteristik
Sinn macht, finden sich in atmosphärischen Pro-
ben vielerlei Stoffe aus natürlichen Quellen, se- Bild 21-90 Dieselpartikel-Agglomerate (Burtscher)
kundär gebildete Aerosole, resuspendierte Stäube,
Salze und Wasser. Es handelt sich also um einen Substanzen, die den Filter gasförmig durchströmen
Summenparameter heterogener Natur. Eine nach- und erst bei weiterer Abkühlung durch Kondensation
trägliche Analyse von PM10-Proben ermöglicht (Tröpfchenbildung) partikulär in Erscheinung treten,
zwar eine Aussage über die stoffliche Zusammen- dürfen bei der physikalisch korrekten Betrachtung des
setzung und damit eine Quellenzuordnung, aber Heißgasfilters nicht als Partikel gewertet werden. Die
keine Aussage über die Größenverteilung im Zu- Definition muss vielmehr auf Substanzen begrenzt
stand der Atemluft. bleiben, die bei den Durchströmungsbedingungen
• Die Emissions-Messgröße PM bei Verbrennungs- des Filters bereits Partikelcharakter haben, das heißt
motoren ist mit der Feinstaubdefinition PM 10 im Wesentlichen auf Feststoffpartikel wie Ruß,
oder PM 2.5 nicht vergleichbar. Bei gleicher Metalloxide aus Schmieröl-Packages und Abrieb,
mineralische Partikel, die nicht im Ansaugfilter des
Maßeinheit zum Beispiel g/Nm3, also Masse der
Motors abgeschieden werden und Schwefelprodukte
Probe pro Probegasvolumen ist lediglich die Mas-
wie zum Beispiel Gips, der mit dem Ca-Gehalt des
senkonzentration gleich, die stoffliche Zusam-
Schmieröls gebildet werden kann. Beim Einsatz
mensetzung und die Partikelgrößenverteilung aber
hochsiedender Brennstoffe (Bio-Diesel) und hohem
unterscheiden sich stark; eine Korrelation ist somit
Schmierölanteil im Abgas (gemischgeschmierte Zwei-
unmöglich. Bisher ist bei der PM-Definition ledig-
taktmotoren) findet man zuweilen auch hohe Konzen-
lich die Temperatur bei der Probenahme nach trationen sehr kleiner, hoch siedender Kohlenwasser-
oben eingegrenzt, nicht die Partikelgröße. Erst mit stofftröpfchen, meist in Form bimodaler Größenvertei-
EURO 5/6 (Pkw) und Euro VI (Nfz) wird durch lungen [58], vermutlich mit winzigen Metalloxidker-
Einführung eines PM 2.5-Zyklons bei der Probe- nen. An Ruß angelagerte Kohlenwasserstoffe (OC =
nahme eine grobe Größenbegrenzung eingeführt, organic carbon) wie die bereits während der Verbren-
um Fehler durch große Partikel zu vermeiden. nung adsorbierten polyzyklischen Kohlenwasserstoffe
Mit diesen Messvorschriften lassen sich die Partikel PAK, die auch beim Eintrag in die Lunge fest gebun-
den bleiben, müssen mit berücksichtigt werden [58].
nicht befriedigend beschreiben; denn da weder über
Die Größe dieser in vielgestaltiger Form auftretenden
die Größenverteilung der Partikel im Aerosolzustand
Partikel ist schwer zu beschreiben. Sie bedarf einer De-
noch über ihre chemische Zusammensetzung noch
finition, da die wirkliche geometrische Form von kei-
ihre Phase (fest/flüssig) Aussagen gemacht werden,
ner Methode zur Charakterisierung in situ, also im Ae-
sind diese Messverfahren für eine toxikologische
rosolzustand, erfassbar ist. Eingebürgert haben sich
Bewertung unzureichend.
Vergleichsgrößen wie der aerodynamische Durchmes-
Die im verdünnten und abgekühlten Abgas aus dem ser für Partikel >500 nm und der Mobilitätsdurchmes-
Aerosol aufgefangenen Partikel zeigen im Elektro- ser für Partikel <500 nm. Die Partikel werden damit
nenmikroskop eine Agglomerationsstruktur, deren nicht nach ihrer eigentlichen geometrischen Größe, son-
Grundelement die nahezu sphärischen und recht dich- dern nach ihren Eigenschaften im Vergleich zu sphä-
ten (circa 1,8 g/cm3) [1] Primärpartikel sind, wie sie rischen Partikeln der Dichte eins bewertet. Die Bewer-
bei allen Verbrennungen von Kohlenwasserstoffen tung nach ihrem Trägheitsverhalten (aerodynamischer
gebildet werden, Bild 21-90. Durchmesser) oder ihrem Diffusionsverhalten (Mobili-
Diese oberflächenreichen Agglomerate (BET-Ober- tätsdurchmesser) führt zu unterschiedlichen Aussagen
fläche 100 bis 200 m2/g [1]) dienen bei der Abküh- über den „Durchmesser“. Da Partikel aus technischen
lung als Kondensationskerne und lagern Filme von Verbrennungen meist kleiner sind als 500 nm und die
Kohlenwasserstoffen und schwefligen Säureproduk- Abscheidemechanismen in der Tiefe der Lunge prak-
ten ein, die ihrerseits wiederum sehr viel Wasser bin- tisch ausschließlich durch das Diffusionsverhalten be-
den können. stimmt sind, ist die Definition des Mobilitätsdurchmes-
868 21 Abgasemissionen

sers für diese Betrachtung vorzuziehen [3, 4]. Als wei- • Zur Charakterisierung von Partikelfiltern werden
tere Parameter zur Charakterisierung der Gestalt wird nach der schweizerischen Norm SN 277206 [51]
häufig der fraktale Parameter angegeben, der in der neben der EC-Masse die Anzahlkonzentration von
Regel weit unter 3, häufig um 2 liegt, was auf ketten- Feststoffpartikeln [Partikelanzahl/cm3] größen-
förmige und flächige Strukturen rückschließen lässt. klassifiziert im Bereich 20 bis 300 nm (Mobili-
Die Größenverteilung (Bild 21-91) der Partikel aus tätsdurchmesser) zugrunde gelegt.
der motorischen Verbrennung zeigt bereits am Mo- • In der Schweizerischen Luftreinhalteverordnung
toraustritt einen Log-Normalcharakter mit Mittelwer- LRV wird zur Typenprüfung von Baumaschinen
ten um 60 bis 100 nm, der sich bis zum Auspuffende mit Partikelfilter ab 1.1.2009 die Gesamt-Parti-
nur unwesentlich verändert. kelanzahl >23 mm berücksichtigt und mit einem
Der überwiegende Anteil dieser Feststoffpartikel findet Wert von 1012 Partikel/kWh begrenzt.
sich also im unsichtbaren Bereich (<400 nm). Sicht- • Im UNECE-PMP-Programm wurde [38] als er-
barer Rauch wird durch relativ wenige, aber sehr große gänzende Messmethode für die Typenprüfung die
Agglomerate gebildet, wie sie vor allem bei älteren Mo- Bestimmung der Gesamtanzahl von Feststoffpar-
toren durch wandnahe Verbrennung, mangelnden Luft- tikeln im Größenbereich 23 nm bis 2,5 μm ge-
überschuss oder Anlagerung im Auspuffsystem entste- wählt (siehe Kapitel 21.6.3.12). und durch Euro 5
hen können und dann periodisch im sogenannten für Dieselmotoren ab 2011 auf 6x1011 P/km
„Store-and-Release“-Prozess ausgeblasen werden, ein (Ottomotoren erst ab 2017) sowie durch Euro 6 ab
2014 auf 6x1011 P/kWh begrenzt.
Phänomen, das sich auch häufig bei offenen Filtern
findet [47].
21.6.3.2 Zielsetzungen für die Partikelfiltration
Rußpartikel sind weitgehend inert, geruchlos, unlös-
lich in Wasser und organischen Lösungsmitteln. Die Zielsetzungen müssen sich an der gesundheit-
Treten Aschesubstanzen, Abrieb oder mineralische lichen Relevanz und am technischen Stand orientie-
Partikel in größeren Mengen auf, so bilden sich häu- ren, da für krebserzeugende Schadstoffe keine unge-
fig bimodale Verteilungen, mit deutlichem zweiten fährlichen Schwellenwerte existieren.
Maximum um 20 bis 30 nm. Gesundheitlich relevant sind vor allem Partikel, die in
Diese relativ neuen Erkenntnisse haben zusammen die Tiefe der Lunge eindringen, dort sehr lange verwei-
mit den Resultaten der medizinischen Wirkungsfor- len und weder von Makrophagen fagozytiert werden,
schung bezüglich des Eindringens in das Gefäß- noch sich in Körperflüssigkeiten lösen. Rußpartikel
system und die Nervenbahnen sowie der Bedeutung erfüllen alle diese Bedingungen. Das Partikelgrößen-
der Persistenz inerter Partikel im Organismus zu Maximum der Deposition im Alveolarbereich der
neuen Ansätzen zur Partikeldefinition und zur Fest- Lunge liegt je nach Atemvolumen bei etwa 10 bis
legung von Grenzwerten geführt: 20 nm; noch kleinere Partikel werden aufgrund ihrer

9,E+13
vehicle 1 vehicle 7
vehicle 2 vehicle 8
8,E+13
vehicle 3 vehicle 9
7,E+13 vehicle 4 vehicle 10
vehicle 5 vehicle 11
6,E+13 vehicle 6
dn/dlog(Dp) [1/km]

5,E+13

4,E+13

3,E+13

2,E+13

1,E+13

1,E+09

10 100 Dp [nm] 1.000

Bild 21-91 Größenverteilung von Feststoffpartikeln bei modernen Pkw-Dieselmotoren [5] Dp = Mobilitäts-
durchmesser (Messverfahren SMPS) [5]. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass Ottomotoren, insbeson-
dere direkteinspritzende Motoren durchaus ähnlich hohe Partikelanzahlemissionen aufweisen können wie Die-
selmotoren, wobei die Partikelgröße allerdings in der Regel deutlich geringer ist – was zu bisher unauffälligen
Masse-Emissionen PM geführt hat, während das gesundheitliche Risiko mit fallender Größe aber steigt. Mit der
Anzahlmessung PN sind nun auch die Partikelemissionen der Ottomotoren zu Recht in den Fokus der Gesetz-
gebung geraten.
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 869

10

B
750 ml
2150 ml
0.80

respiratory
deposition fraction

0.60 tract

nasal
pharyngeal

0.40
pulmonary

tracheal
bronchial
0.20

0 Bild 21-92 Deposition von


0.01 0.1 1.0 10 100
Feinpartikeln in Nase, Bron-
median diameter-micrometers
chien, Alveolen [3]

sehr hohen Beweglichkeit bereits in den oberen Atem- bereich von über 99 % erreicht – ein durchaus übli-
wegen abgeschieden und durch die sehr effizienten ches Ergebnis moderner Partikelfilter.
Reinigungsmechanismen der Lunge (Mukus-,-Zilien) Die Konzentration der Partikel im unverdünnten
wieder zum Rachen zurückbefördert, sofern sie nicht Reingas stromab eines solchen Filters liegt somit
schon in diesem Bereich in den Organismus eindrin- etwa im Bereich der heutigen atmosphärischen Kon-
gen, wie das im Falle des Riechnervs als direktem zentration, häufig niedriger. Aus dem gezeigten Cha-
Einfallstor ins Gehirn von Oberdörster nachgewiesen rakter der Raumluftkonzentration lässt sich schließen,
wurde [64]. dass diese im Wesentlichen durch die motorischen
Je kleiner die Partikel sind, umso leichter durchdrin- Emissionen in die Atmosphäre bestimmt ist.
gen sie die Gewebemembranen und gelangen aus den
Alveolen in die Gefäße und damit über Blut und 21.6.3.3 Anforderungen an Filtermedien,
Lymphe in den gesamten Organismus, ins Gehirn so- technische Lösungen
wie durch die Plazenta in den Organismus des unge-
borenen Kindes [6], Bild 21-92. Zudem transportie- Die Anforderungen an den Diesel-Partikelfilter sind
ren diese kleinen Feststoffpartikel adsorbierte toxi- hoch [9]:
sche Substanzen (zum Beispiel auch krebserregende • Abgastemperaturen bis 750 °C und Temperatur-
polyzyklisch-aromatische Kohlenwasserstoffe PAH) spitzen bei Regenerationen bis 1.400 °C
in den Organismus, was als „trojan-horse-effect“ be- • hohe thermische und thermomechanische Bean-
zeichnet wird. Das Ziel muss also darin bestehen, spruchungen bei raschen Temperaturwechseln
Partikel im Größenbereich 10 bis 500 nm effizient • Gefahr von Materialschädigung durch Schmieröl-
abzuscheiden – bevorzugt mit einem, zu kleinen Par- Asche und Additiv-Substanzen
tikeln hin steigenden Abscheidegrad, dafür zu sorgen, • hohe Speicherfähigkeit für Ruß und Asche
dass die abgeschiedenen Substanzen unter allen • geringer Druckverlust, damit geringe Rückwir-
Bedingungen sicher in der Filtermatrix gebunden kung auf Turbolader und Motor
bleiben und dass beim Regenerationsprozess weder • geringe thermische Masse (rasches Ansprechen)
Partikel noch adsorbierte Substanzen wieder freige- • Abscheidegrade >99 % für Partikel im Größenbe-
setzt werden. reich 10 bis 500 nm
Als Messlatte für den Vollzug gilt generell bei Schad- • keine Bildung zusätzlicher Schadstoffe – soge-
stoffen, die im Verdacht stehen, krebserzeugend zu nannter Sekundäremissionen
sein, die Umsetzung des „bestverfügbaren techni- • Schalldämpfung bei Nachrüstung mindestens
schen Standes“ (BAT = best available technology), gleichwertig der Ausgangsversion mit Schall-
charakterisiert durch Bild 21-93). dämpfer
Bei der Filterprüfung nach dem VERT-Eignungstest- • unempfindlich gegen Fahrzeug-Vibrationen (be-
Verfahren des Schweizerischen Bundesamtes für vorzugt motornaher Einbau)
Umwelt BAFU [8] werden in diesem Fall Abschei- • unempfindlich gegen Beschädigung beim Ausrei-
degrade für Feststoffpartikel im kritischen Größen- nigen von inerten Aschebestandteilen.
870 21 Abgasemissionen

1.00E+07

Rohemission
Partikelanzahl dN/dlogDp [1/cm3)

vor Partikelfilter
1.00E+06

1.00E+05
Reingas unverdünnt
nach Partikelfilter Raumluft im Labor
Bild 21-93 Abscheidegrad
1.00E+04 eines keramischen Zellen-
filters an einem Nutzfahr-
zeug DI-Dieselmotor [7]
1.00E+03 nach einem Feldeinsatz über
10 100 Partikelgröße [nm] 1000
2.000 Betriebsstunden

Bei alledem wird ein niedriger Preis gefordert (beim


OE-Nutzfahrzeug <10 €/kW, beim Pkw <5 €/kW),
ein geringes Einbauvolumen und eine Standzeit, die
der Motorlebensdauer entspricht.
Als Filtermedien kommen nur oberflächenreiche
Strukturen aus hochwarmfesten Werkstoffen in Frage
wie monolithisch-poröse keramische Strukturen in
Zellenform (Wall flow), Bild 21-94 und 21-95, oder
als Schäume, Bild 21-96, hochlegierte poröse Metall-
Sinterstrukturen und Metallschäume, Bild 21-97 so-
wie Faserstrukturen als Vliese, Bild 21-99, Garnwi-
ckel oder in textiler Bindung (Gestricke, Geflechte),
Bild 21-98, unter Verwendung von keramischen oder 500 μm

metallischen Fasern. Die für die Abscheidung maßge-


bende Größe, Porengröße oder Faserdurchmesser
sollte im Bereich um 10 Pm liegen, um die ge-
wünschte Abscheidung auch während und unmittel- Bild 21-95 Porenstruktur eines keramischen Filters
bar nach der Regeneration zu erzielen. (Corning) [9]; mittlere Größe und Größenverteilung
der Poren sind für die Abscheidung der ultrafeinen
Partikel entscheidend

Bild 21-96 Keramische Schäume als Filtermedium


(Alusuisse) [52] haben an Bedeutung verloren, da
Abscheidegrade >95 % schwer darstellbar sind und
die Gefahr des Abblasens von Rußdepots nicht aus-
Bild 21-94 Keramisch-monolithischer Zellenfilter geschlossen werden kann
(Corning SAE 830181) – heute die am weitesten ver-
breitete Substratstruktur in unterschiedlichen Werk-
stoffen
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 871

Im Folgenden einige Beispiele, die die Vielfalt dieser


Technologie zeigen. Nicht alle diese Systeme haben
Eingang in die heutige Anwendungspraxis gefunden:

• Keramisch monolithische Zellenfilter


Ähnlich aufgebaut wie ein Zellenkatalysator, je-
doch mit wechselweise verschlossenen Zellen bie-
tet dieser Filtertyp eine große spezifische Filter-
Oberfläche bei geringem Bauvolumen (1 bis
3 m2/l), damit geringem Gegendruck und hoher
Abscheiderate bei kleinen Gasgeschwindigkeiten
durch die Wände (einige cm/s). Die Filter wurden
ursprünglich (erstes Patent 1979, Robert, J. Out-
land/GM) vor allem aus Cordierit durch Extrusion
hergestellt (NGK, CORNING). Später kam Sili-
ciumcarbid SiC in unterschiedlicher Kristallstruk-
Bild 21-97 Filter aus porösen Sintermetall-Platten tur (NOTOX, IBIDEN, LIQTEC) und Alumini-
(SHW; HJS), zu einer Zellstruktur zusammengesetzt umtitanat hinzu, sowie weitere keramische Werk-
und verschweißt, vor allem in der Nachrüstung sehr stoffe. Intensive Weiterentwicklung der Werk-
erfolgreich stoffe hat zu thermoschockresistenten Strukturen
geführt. Mit Filtermedien dieser Art bestehen, ins-
besondere für den Werkstoff Cordierit, weltweit
seit drei Jahrzehnten umfangreiche Erfahrungen.
Rohgas Neu werden mehrstufige Wandstrukturen disku-
Reingas
tiert, beispielsweise mittels einer zusätzlichen auf
die eigentliche Filterwand aufgesinterten kerami-
schen „Membran“ – hochporös, mit sehr kleinen
Geschlossen
Filterporen, äußerst dünn – womit die Abschei-
Perforiertes Trägerrohr dung bei gleichzeitiger Absenkung des Druckver-
lustes weiter gesteigert werden kann. Dieser „wall
Keramisches Garn (Nextel)
rhombisch gewickelt flow filter“ bietet bemerkenswerte Möglichkeiten
als Trägersubstrat für die Katalyse der gasförmi-
Bild 21-98 Filterkerze (3M, MANN & HUMMEL), gen Schadstoffe auf beiden Wandseiten sowie in
nach Art einer Garnspule, in rhombischem Muster auf der Porentiefe bis hin zur Entstickung im SCR-
ein inneres Lochblech gewickeltes Hochtemperatur- Verfahren als „SDPF“.
Keramikgarn [10], heute nicht mehr eingesetzt
• Metall-Sinterfilter
In seiner Grobstruktur ursprünglich ähnlich auf-
gebaut wie der keramische Monolith, haben SHW
und HJS einen Filtertyp auf Basis metallischer
Werkstoffe entwickelt. Grundelement ist eine
dünne Sinterplatte aus Metallpulver mit einer
Drahtgewebe- oder Streckmetall-Trägerstruktur
(einige Zehntel-Millimeter). Diese Filter sind im
Vergleich zur Keramik relativ schwer, aber sehr
robust. Sie verfügen naturgemäß über eine gute
Wärmeleitung als ideale Voraussetzung für eine
vollständige Regeneration. In der Weiterentwick-
lung der Metall-Sinterfilter wurde vor allem die
Form von balgartigen Strukturen aus Filterplatten
(ähnlich dem Aufbau von Luftfiltern) bevorzugt,
die heute mit reduziertem Gewicht verfügbar sind
Bild 21-99 Faserstrickfilter (BUCK), eine plissierte und sich sehr bewährt haben. Ein besonderes
Struktur aus Hochtemperatur-Fasergestrick. Parallel Merkmal dieser Filterstruktur ist die Einlagerung
angeordnete Filterkerzen [13], hat wegen relativ ho- von Asche bei geringem Gegendruckanstieg
hen spezifischen Bauraums an Bedeutung verloren (HJS).
872 21 Abgasemissionen

• Faser-Wickelfilter allem die Verminderung der Baugröße, fahrzeugge-


Garne aus Hochtemperaturfasern (Werkstoff Mul- rechtes Design, Einbindung in den Gesamtprozess
lit) werden in einer speziellen Wickeltechnik zur und Verknüpfung mit anderen Abgasreinigungsver-
Erzeugung rhombischer Kanalstrukturen auf ein fahren angestrebt wird.
perforiertes Trägerrohr aufgewickelt. Filterkerzen
dieser Art wurden von 3 M und MANN + HUM- 21.6.3.4 Abscheidung und Haftung
MEL entwickelt sind aber heute kaum mehr im
Gebrauch. Im Allgemeinen werden in einem Filter drei Bereiche
mit physikalisch unterschiedlichen Abscheidemecha-
• Faser-Strickfilter nismen beobachtet, wie sie im folgenden Bild nach
Keramische Garne werden zu Rundgestricken Hinds [3] dargestellt und am Beispiel der Faserab-
verarbeitet und durch Plissierung zu Tiefenstruk- scheidung illustriert sind, Bild 21-100, Bild 21-101.
turen geformt. Die makroskopische Faseroberflä- Größere Partikel werden durch Impaktion infolge von
che erreicht typisch 200 m2/l, während die mikro- Massenkräften abgeschieden, etwas kleinere durch
skopische Oberfläche der Faser selbst mit 100 bis Abfangeffekte bei wandnaher Strömung. Für die Sub-
200 m2/g verfügbar ist. Dieser Filtertyp wurde von mikron-Partikel (Nanopartikel) jedoch, die hier zur
BUCK entwickelt und wird auch in Kombination Diskussion stehen, zeigt Bild 21-100, dass fast aus-
mit Drahtgestrick mit katalytischer Beschichtung schließlich die Diffusion wirksam ist. Sperr- oder
angeboten, hat sich aber in der Fahrzeuganwen-
dung nicht durchsetzen können.
• Faser-Flechtfilter
Hochtemperaturfasern werden auch als Geflechte
100
angeboten und können, über metallische Träger-
strukturen fixiert, für die Filtration eingesetzt
werden. Solche Systeme wurden von HUG und 80
Filterwirkungsgrad [%]

3 M entwickelt, haben sich aber in der Fahrzeug-


anwendung auch nicht durchsetzen können.
ED = Diffusion
60 E1 = Impaktion E0
• Filterpapiere/Filterfilze/Filtervliese (Trägheitswirkung)
Papierfilter, die ähnlich wie die Luft-Ansaugfilter ER = Abfangen aus wand-
naher Strömung
aufgebaut sind, kommen nur dann in Frage, wenn 40 E0 = Gesamt ED
die Abgastemperaturen zuverlässig niedrig gehal-
E1
ten werden können (zum Beispiel in Verbindung
mit Abgaskühlung bei Untertage-Motoren). Im- 20
merhin stehen Papiere bis zu Einsatztemperaturen ER
von circa 300 °C bereit (DONALDSON, PAAS,
AHLSTROM). Bei diesen Papieren handelt es
sich im Prinzip auch um Faserfilter, bei denen 10–2 10–1 100 101
Kurzfasern zum Einsatz kommen, die in regelloser
Partikeldurchmesser [mm]
Form angeordnet und durch Binder in ihrer Struk-
tur fixiert sind. Für höhere Temperaturen kommen Bild 21-100 Abscheidewirkungen in einem Filter-
auch Filze aus keramischen Fasern in Frage, wie medium in Funktion der Partikelgröße (3M)
sie bereits in der industriellen Heißgasfiltration
seit langem im Einsatz sind sowie Vliese aus wi-
derstandsgeschweißten Metall-Mikrofasern (BE- Rußpartikel Diffusion Abfangen
KAERT).
Im Gegensatz zu diesen, mit oberflächenreichen
Strukturen ausgestatteten mechanischen Filtern, ha-
ben sich strömungsdynamische, elektrostatische und
Plasma-Verfahren bisher nicht durchsetzen können
und Abgaswäscher, die in den Anfängen noch häufig
verwendet wurden, werden kaum mehr eingesetzt,
sind sie doch zur Abscheidung der Nanopartikel
gänzlich ungeeignet. Trägheitsabscheidung Filterfaser

Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend, zahlreiche


andere technische Lösungen sind in Entwicklung, Bild 21-101 Abscheidemechanismen an einer Einzel-
wobei neben Filterqualität und Druckverlust vor faser (3M)
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 873

L = Filtertiefe
V
B = Kanalbreite (Porengröße)
v = Durchströmgeschwindigkeit
cD = Diffusionsgeschwindigkeit
B Damit ein Partikel aus der Kanalmitte die Wand er-
CD reicht, bevor es den Kanal verlässt, muss die Zeit zur
Durchströmung des Kanals
CD
L L
t1
v
mindestens gleich (oder kleiner) sein als die Diffu-
sionszeit von der Mitte zur Wand
B
t2 .
2 ˜ cD
Für den Vergleich verschiedener Geometrien und
Durchströmungsbedingungen ergibt sich die Bedin-
Bild 21-102 Kanalmodell zur Diffusionsabscheidung gung
von Partikeln
B ˜v
= const. ~ Diffusionsgeschwindigkeit,
L
Siebeffekte sind bei derart kleinen Partikeln praktisch
eine Funktion des Partikeldurchmessers d und der
nicht wirksam.
Temperatur T.
Vergleicht man die Abscheidecharakteristik der Lun-
Für typische keramische Zellenfilter liegt die Filter-
ge gemäß Bild 21-88, so zeigt sich in sehr ähnlicher
tiefe (Wandstärke) bei 0,5 mm, die Porengröße bei
Weise ein Abscheideminimum im Bereich um 1 μm,
10 μm und die Geschwindigkeit bei wenigen cm/s.
wo die Impaktion bereits zu einem schwachen Effekt
Faserfilter, deren typische Porendimension größer ist
wird und die Diffusion erst zu wirken beginnt. Solche
und die mit erheblich größeren Geschwindigkeiten
Partikel werden zu einem großen Teil wieder ausge-
arbeiten, benötigen eine größere Durchströmungstie-
atmet, im Gegensatz zu den sehr viel größeren, die
fe, wie sich aus dieser Bedingung ergibt.
bereits in den oberen Atemwegen abgeschieden und
Da kleine Partikel höhere Diffusionsgeschwindigkei-
ausgereinigt werden und den wesentlich kleineren,
ten respektive höhere Beweglichkeit b aufweisen, ist
die bevorzugt im Alveolarbereich deponiert werden
zu erwarten, dass kleinere Partikel in solchen Struktu-
und in die Blutbahn penetrieren und damit in den
ren besser abgeschieden werden.
gesamten Organismus verteilt werden können.
Die Begriffe „Diffusionsgeschwindigkeit“ und „Be-
Bei diesen kleinen Partikeln ist das Verhältnis von
weglichkeit“ sind übrigens im Sinne der Einstein-
Schleppkraft zu Massenkraft im Stokes’schen Be-
Relation äquivalent:
reich, der die Verhältnisse im Filter gut beschreibt
[2], derart groß, dass die Teilchen den Stromlinien D =k·T·b (21.23)
um jedes Hindernis, auch um feinste Filterfasern, D = Diffusionskoeffizient
folgen. T = absolute Temperatur
k = Boltzmann-Konstante
Schleppkraft d ˜ P ˜v
~ (21.22) b = Beweglichkeit, definiert als
Massenkraft d 3 ˜ U ˜ v 2 b = v /F,
d = Partikeldurchmesser mit F als auf das Partikel wirkende Kraft (zum Bei-
v = Geschwindigkeit spiel elektrische Feldkraft, Schwerkraft, Stoßkräfte
μ = dynamische Zähigkeit durch Moleküle) und mit v als resultierende Ge-
U = Dichte schwindigkeit des Partikels.
Diese kleinen Partikel können also nur durch Diffu- Rechnerisch ergibt sich nach Hinds [3] die Diffusi-
sion abgeschieden werden. Diffusion aber braucht onsgeschwindigkeit für Partikel unterschiedlicher
Zeit; das heißt ausreichende Filtertiefe L und geringe Größe bei Raumtemperatur gemäß Bild 21-103. Zur
Durchströmgeschwindigkeit sind die Voraussetzun- Anschaulichkeit ist die theoretische Sinkgeschwin-
gen für ein gutes Abscheideverhalten. digkeit in [mm/h] mit angegeben.
Der Vorgang ist am anschaulichsten anhand einer Da die Zeit zur Durchströmung der Filterwände
Kanalströmung zu beschreiben, Bild 21-102, wobei keramischer Zellenfilter in der Regel im Bereich von
der Kanaldurchmesser in Anlehnung an die typische 0,01 s liegt, beträgt der Diffusionsweg eines 100 nm-
Porengröße solcher Feinstfilter mit 10 μ angesetzt Partikels nur 0,3 μm; eine Abscheidung in einem
werden soll, das heißt etwa 100-mal größer als ein solchen Kanal ist also nur für die unmittelbar wand-
typisches Rußpartikel. nahen Partikel gegeben – auch nicht bei höheren
874 21 Abgasemissionen

Partikel- Diffusions- Sink-


größe geschwindigkeit geschwindigkeit
[μm/s] [mm/h]
10 nm 260 0,2
100 nm 30 3

10 ... 25 Porenlagen
0.3 ... 0,5 mm
1000 nm 5,9 126

Bild 21-103 Zahlenbeispiel nach Hinds [3]

Temperaturen, obschon die Diffusionsgeschwindig-


keit mit der Temperatur steigt. Dies erklärt, weshalb
in üblichen Katalysator-Strukturen mit durchgängi-
gen, wenn auch sehr feinen Zellen, praktisch keine
Partikel abgeschieden werden können. 10 ... 20 μm
Filterstrukturen müssen somit gegenüber dem Ka-
nalmodell wesentlich labyrinthartiger und oberflä- Bild 21-104 Poröse Wand
chenreicher gestaltet werden, um die Abscheidung
feiner Partikel zu gewährleisten. Zur Beschreibung
werden zwei Wege beschritten, wobei die porösen
Wände der Wallflow-Filter eher durch ein Durch-
strömungsmodell, die Fasertiefenfilter durch ein
Umströmungsmodell beschrieben werden können,
Bild 21-104, Bild 21-105.

100 ... 500 Faserlagen


Bei der porösen Wand findet die Durchströmung in
Kanälen von Pore zu Pore statt. Es sind zahlreiche

2 ... 8 mm
Umlenkungen vorgesehen, Verweilzeiten in Porenka-
vernen und die Einführung neuer Wände bei den Ver-
zweigungen von Kanälen. Die Diffusion wird dadurch
erheblich verbessert, aber auch die Impaktion erhält
größere Chancen. Solche Filter zeichnen sich durch
vorzügliche Abscheidung gröberer Partikel aus, unter-
liegen aber infolge des zu Grunde liegenden Kanal-
Charakters einer Tendenz zur Verschlechterung des
Abscheidegrades für sehr kleine Partikel dann, wenn
die Kanalwände dünn, die Poren groß und die Durch- Bild 21-105 Faserbündel
strömungsgeschwindigkeiten groß – die Verweilzeit
der Partikel in der Filterstruktur also kurz ist.
Fall lässt sich aufgrund der hohen Empfindlichkeit
Im Umströmungsmodell werden ständig neue Grenz-
der Anzahl-Messtechnik der Abscheidegrad in Funk-
schichten gebildet, der Strömungskanal also immer
tion der Partikelgröße selbst für sehr kleine Partikel-
wieder unterteilt, so dass ein Partikel häufig in unmit-
größen erfassen. Man erhält damit die sogenannte
telbare Wandnähe gerät und dort durch Diffusion
Filtercharakteristik oder Trenncharakteristik. Bei De-
abgeschieden werden kann. Von derart reinen Tiefen-
finition nach der Partikelmasse PM ist diese Auflö-
filtern darf somit ein, zu kleinen Partikeln hin zu-
sung nach der Partikelgröße nicht möglich, da die
nehmender Abscheidegrad erwartet werden, während
Nachweisgrenze der gravimetrischen Messverfahren
aufgrund der vergleichsweise großen Poren die Ge-
im Bereich der fraglichen Partikelgrößen dazu bei
fahr besteht, dass große Partikel, insbesondere auch
weitem nicht genügt.
im Filter entstandene Agglomerate, die Filterstruktur
Abscheidegrad nach Partikelmasse PMAG:
wieder verlassen können. Zur Beschreibung der
Durchströmung solcher feinporigen Strukturen stehen PMvor PF  PMnach PF
PMAG = (21.24)
heute ausgefeilte Rechenmodelle zur Verfügung [65], PMvor PF
die auch für katalytisch unterstützte chemische Pro-
zesse wie die Regeneration an diesen Oberflächen Abscheidegrad nach Partikelanzahl PZAG:
genutzt werden.
PZvor PF  PZnach PF
PZAG = = f (d) (21.25)
Definitionen für den Abscheidegrad PZvor PF
Der Abscheidegrad kann nach der Gesamtmasse oder
nach der Partikelanzahl definiert werden. Im zweiten Penetration = 1 – Abscheidegrad (21.26)
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 875

Wenn Probenahme und Messung so ausgelegt sind,


dass nur die Feststoffmasse erfasst wird, respektive
nur die Feststoff-Partikel gezählt werden, so ergeben
diese beiden Definitionen in der Regel sehr ähnliche
Werte. Das muss nicht notwendigerweise so sein.
Verändert sich nämlich ein Spektrum vor allem im
Bereich sehr feiner Partikel, so wird die Situation
durch das Anzahlkriterium besser beschrieben als
durch das Massenkriterium. Zudem ist bei einem
Partikelgrößenspektrum, das durch Feinstpartikel do-
miniert ist, die Messung nach der Anzahl die wesent-
lich empfindlichere Methode [53]. Da weiter aus
Gründen der Gesundheitsrelevanz Größe, Oberfläche
und Anzahl bei der Messung zu berücksichtigen sind,
sollte auch der Abscheidegrad entsprechend definiert Bild 21-106 Dieselruß, abgeschieden als Feinstparti-
werden. Ganz problematisch wird die Definition nach kel auf einer Keramikfaser mit 10 μm Durchmesser
der Masse PM dann, wenn bei der Probenahme, also und ein großes Agglomerat, das im Filter gebildet
auf dem Weg, den das zu analysierende Aerosol wurde [13]
nimmt, die Kondensation gas- oder dampfförmiger
Substanzen nicht ausgeschlossen werden kann – und
Derartige Agglomerate bieten eine große Angriffsflä-
das ist im Verbrennungsgas bei Einsatz des gesetzlich
che für die Strömung, sie können sich also ablösen
vorgeschriebenen CVS-Verfahrens leider die Regel:
und den Filter wieder verlassen – dies ist das typische
Kühlung auf die geforderten 52 °C führt immer zu
Verhalten von grobporigen Tiefenfiltern oder soge-
Kondensaten, der errechnete Abscheidegrad wird
nannten Teilstromfiltern [45]. Man spricht geradezu
verfälscht. Ist Schwefel im Spiel (Treibstoff oder
von Agglomeratoren.
Schmieröl) so können diese Wirkungen so stark
Aufgrund der festen Haftung der Feinstpartikel an
werden, dass ein Filter, der einen Abscheidegrad für
Oberflächen werden beim Versuch der Reinigung von
Feststoffpartikel von über 99 % aufweist, nach der
Filtern durch Ausblasen lediglich Filterkuchen, große
Partikelmasse PM einen scheinbar negativen Ab-
Rußagglomerate und Ascheagglomerate entfernt. Die
scheidegrad zeigt [66].
Feinstpartikel können allenfalls durch Auswaschen,
Rückhaltung der Partikel das die Van der Waals’schen Bindungen lockert oder
Neben der Abscheidung ist als zweite Komponente durch Ausbrennen aus dem Filter entfernt werden.
der Filtration die zuverlässige Rückhaltung der Parti-
kel in der Filtermatrix, also die Haftung, von Bedeu- 21.6.3.5 Regeneration und
tung. Sieht man von Formeffekten, die weitgehend periodische Reinigung
vernachlässigt werden können, einmal ab, so ist bei Dank der hohen Abscheiderate für Feststoffpartikel
den trockenen Bedingungen der Heißgasfiltration die jeder Art belegen sich die Filter rasch. Die Belegung
Haftkraft eines Partikels an einer Oberfläche nach mit brennbaren Bestandteilen (Ruß) erfolgt in weni-
Van der Waals gegeben durch gen Stunden, mit inerten Feststoffpartikeln (Asche)
A innerhalb von einigen hundert bis tausend Stunden.
p (21.27)
6 ˜ S ˜ z3 Diese Zeiten können stark variieren, je nach Roh-
emission des Motors, Betriebsweise, Schmieröl-
p = Haftdruck verbrauch, Brennstoff- und Schmieröl-Eigenschaften
A = Konstante und Filter-Charakteristik. In allen Fällen aber muss
z = Kontaktabstand der brennbare Rückstand, aus elementarem Kohlen-
Kleine Teilchen, deren Schwerpunktsabstand zur stoff EC und organisch gebundenem Kohlenstoff OC
Oberfläche sehr gering ist, haften somit wesentlich zusammengesetzt, relativ häufig durch Verbrennung
besser als größere. Da zudem die Angriffsmöglichkeit entfernt werden. Dieser Vorgang wird als Regenera-
von Strömungskräften an kleinen Teilchen, die be- tion bezeichnet. Die Regeneration sollte, um rück-
reits im Grenzschichtbereich liegen, gering ist, standsfrei zu sein, möglichst so erfolgen, dass nur
besteht kaum eine Gefahr, dass Submikronpartikel, CO2 und Wasser entstehen. Dieser Idealfall wird
einmal an der Oberfläche abgeschieden, durch Strö- häufig nicht ganz erreicht. Gründe dafür sind, neben
mungskräfte wieder ausgetragen werden können. dem CO/CO2-Gleichgewicht, einerseits Effekte wäh-
An abgeschiedenen Partikeln aber können sich weite- rend der Aufheizphase, in der Substanzen durch
re Partikel anlagern, so dass in einem Filter schließ- Verdampfung aus dem Filter ausgetragen werden
lich große Agglomerate (dendritische Strukturen) können, andererseits Heizphasen bei geringem Sauer-
entstehen können, wie sie das Bild 21-106 illustriert. stoffgehalt, die zu Verkokungserscheinungen führen
876 21 Abgasemissionen

können (Pyrolyse) und damit zu fast nicht mehr die Wärmefreisetzung bei der Rußverbrennung ent-
regenerierbaren Rückständen. stehenden Wärmespannungen so gut kontrolliert wer-
Der komplexe Vorgang der Rußverbrennung, der den müssen, dass diesbezüglich empfindliche Struk-
nicht nur durch thermodynamische, sondern vor turen wie keramisch-monolithische Zellenfilter nicht
allem auch durch kinetische Bedingungen bestimmt überbeansprucht werden.
ist, lässt sich nach Lepperhoff [12] durch ein reakti- Zur Lösung dieser Aufgaben sind zahlreiche Regene-
onskinetisches Modell nach dem Arrhenius-Ansatz rationsverfahren entwickelt worden, die grob in pas-
wie folgt beschreiben: sive und aktive Verfahren unterteilt werden können:
E
dM • „aktiv“, wenn die Regeneration durch gesteuerte
k0 ˜ M m ˜ pOn 2 e RT (21.28) oder geregelte Eingriffe ausgelöst wird, die ent-
dt
weder eine Energiezufuhr oder eine Steigerung
M = relative Rußmasse der Temperatur oder eine Erhöhung des Sauer-
pO2 = Partialdruck des Sauerstoffs stoffgehaltes zum Zweck haben.
R = Gaskonstante • „passiv“, wenn durch katalytische Maßnahmen die
T = absolute Temperatur Aktivierungsenergie so weit abgesenkt wird, dass
E = Aktivierungsenergie die Reaktion bei den gegebenen Betriebstempera-
Aus dieser Beziehung geht die große Bedeutung der turen abläuft.
Temperatur und der ausreichenden Verfügbarkeit von Beides lässt sich natürlich kombinieren.
Sauerstoff hervor. Die Aktivierungsenergie E liegt In Sonderfällen (kleine Motoren, Kurzzeiteinsätze,
beim Filter ohne Regenerationshilfen im Bereich Innenraumbetrieb) kommen auch Wechselfilter oder
140 kJ/mol. Bei katalytischen Maßnahmen kann die- Einwegfilter in Frage, die extern regeneriert oder
ser Wert auf ein Niveau von 80 bis 90 kJ/mol abge- nach Belegung entsorgt werden.
senkt werden. Damit Ruß vollständig verbrennt, sind Unter den aktiven Systemen finden sich vor allem:
Temperaturen von über 600 °C und ein Sauerstoffge-
halt über 7 % erforderlich, also Bedingungen, die bei • Diesel-Brenner (Bild 21-107, Bild 21-108)
vielen Fahrzeugeinsätzen über längere Zeit, wie sie Es sind zahlreiche Varianten bekannt (DEUTZ,
für das Aufheizen des Filtersystems erforderlich ist, siehe Bild 21-107, HUG, TENNECO, CATER-
kaum je, und wenn, dann nur kurzzeitig erreicht PILLAR), die bei allen Betriebsbedingungen re-
werden. generieren, ferner finden sich in der Entwick-
Die Abbrandbedingungen können in relativ weiten lungsgeschichte der Partikelfilter Zwillings-
Grenzen variieren, einerseits abhängig von Ruß- systeme, die bei einstellbaren Bedingungen wech-
Charakter und Ablagerungsgeschichte, andererseits selweise regenerieren (EBERSPÄCHER, Bild
beeinflusst durch die Adsorption von Kohlenwasser- 21-108 IVECO) Brenner, die im Leerlaufbetrieb
stoffen aus Schmieröl und Kraftstoff sowie neugebil- oder bei Motorstillstand zugeschaltet werden
deten Substanzen. (HUG) und solche, die das Filterelement von der
Erschwerend kommt hinzu, dass während der Rege- Reinluftseite her beheizen (HJS). Die Aufgaben-
neration keine überhöhte Emission von Kohlenwas- stellung, einen Brenner unabhängig vom Motor zu
serstoffen und CO erfolgen soll und dass die durch betreiben, ist technisch weit einfacher, bedingt

Motoröltemperatur
Motordrehzahl
Abgastemperatur EKS
Dieselkraftstoff Druck vor Filter

Temp. nach Filter


Leistungssteuerung Brenner
Brenner Filtermonolith
Motor
Reinabgas

Mischkammer

Zündkerze
Zündfunkengeber
Abgas
Brennerluft

Kompressor alternativ
Bild 21-107 Partikelfilter-
Pressluft (Bordsystem)
system mit Vollstrombren-
ner (DEUTZ)
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 877

EMINOX, PIRELLI); Voraussetzung dafür ist die


Regenerationsphase
Brenner FBC-Technik durch Additivierung des Treib-
stoffs. Der eingelagerte Ruß ist dann mit winzigen
Metalloxidclustern durchsetzt und zündet dank de-
ren katalytischer Wirkung bereits bei Temperatu-
ren um 300 °C.
Das Hauptproblem der elektrischen Verfahren ist
die begrenzte Verfügbarkeit elektrischer Energie
an Bord von Fahrzeugen. Bisher haben sich elekt-
rische Regenerationsverfahren nur durchgesetzt,
wenn die Regeneration bei Motorstillstand durch-
Filterphase geführt und die dazu erforderliche elektrische
Brenner
Energie von außen zugeführt werden konnte
(HUSS, ERNST, JOHNSON MATTHEY, ECS,
DCL, CLEAIRE). Der Prozess kann dann langsam
geführt und das Filtermaterial dadurch geschont
werden. Mit diesem Verfahren bestehen besonders
Bild 21-108 Doppelfiltersystem mit Klappensteue- umfangreiche Erfahrungen, vor allem im Offroad-
rung (EBERSPÄCHER) und Untertage-Bereich.
• Regenerations-Energie aus der motorischen
aber auch einen Zusatzaufwand, weil die Ver- Verbrennung: Zu den aktiven Systemen sind
brennungsluft durch ein elektrisch betriebenes Ge- auch solche zu rechnen, bei denen die erforder-
bläse bereitgestellt wird (HUSS, ERNST, PHY- liche Energie vom Motor selbst durch spezielle
SITRON, EBERSPÄCHER). Auch extern betrie- Eingriffe während der Regenerationsperioden ge-
bene Brenner kommen zum Einsatz, einerseits zur steigert wird. Die üblichen Maßnahmen sind Spät-
Regeneration von Wechselfiltern, andererseits als einspritzung, Nacheinspritzung, Drosselung und
Heißluftlieferant zur Regeneration fest installierter Abgasrückführung. Mit diesen Eingriffen kann die
Partikelfilter im Fahrzeugstillstand. Abgastemperatur um 200 bis 300 °C gesteigert
Besondere Erwähnung verdienen katalytisch unter- werden, was in vielen Fällen, insbesondere bei
stützte, sogenannte flammenlose Verbrennungsver- Kombinationen mit katalytischen Maßnahmen für
fahren, die eine sehr feine Verteilung des einge- die Regeneration genügt. Alle diese Eingriffe ver-
spritzten Dieseltreibstoffs, voraussetzen (eventuell schlechtern den Kraftstoffverbrauch, was aber
durch Späteinspritzung noch im Motor), damit ei- kaum ins Gewicht fällt, da die Regenerationspha-
ne möglichst rückstandsfreie Verbrennung auf den sen in Relation zur Betriebszeit zwischen Regene-
katalytischen Oberflächen erfolgen kann (CO- rationen kurz sind, typisch 1 bis 3 %. Maßnahmen
MELA, PURITECH, GAT, DEUTZ, bei OE-Sys- dieser Art sind allerdings meist nur in der Erstaus-
temen CUMMINS und andere mehr). In manchen rüstung, bevorzugt bei Motoren mit elektronischen
Fällen wird das Verfahren durch eine Teil-Ver- Einspritzsystemen möglich. Drosselung des Gas-
gasung mit CO/H2-Anreicherung weiter verbes- stroms aber ist ein auch in der Nachrüstung ein-
sert, um ein Anspringen der katalytischen Reak- setzbares Verfahren, das sich zunehmender Be-
tion weit unter 200 °C zu ermöglichen. Die Ver- liebtheit erfreut [67]. Bei motorinterner Kraft-
wendung von leichter entzündbaren Brennstoffen, stoffeinspritzung ist wegen der Gefahr der Ver-
die eigens mitgeführt werden müssten, wurden bis- dünnung des Schmieröls Vorsicht geboten.
her nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen. Ebenso vielfältig sind die passiven Regenerationshil-
• Elektrische Beheizung: Elektrische Systeme sind fen durch Einsatz von Katalyse, die sich grob unter-
in vielfältiger Form entwickelt worden: Gesamt- teilen lassen in solche, die die Reaktion des Rußes
beheizung des Gasstroms und damit des Filters mit Sauerstoff unterstützen und andere, die die Reak-
oder gezielte Beheizung der Filtermatrix über tion des Rußes mit NO2 fördern. Natürlich sind auch
Ohm’sche Wärme bei elektrisch leitfähigen Werk- Kombinationen denkbar. Der Einsatz der katalytisch
stoffen (SiC) sowie sequenzielle Beheizungssys- aktiven Substanzen erfolgt entweder durch Additivie-
teme, bei denen eine Filterkerze nach der anderen rung des Brennstoffs oder durch Beschichtung der
[13] oder ein Filterkanal nach dem anderen [14] Filteroberflächen.
auf Regenerationstemperatur gebracht wird. Falls • Regenerations-Additive (FBC = fuel borne cata-
sich ein ausgeprägter Rußkuchen entwickelt hat, lysts) [54] sind Substanzen, die, meist in metallor-
kann es genügen, diese Schicht nur zu entzünden, ganischer Form, dem Kraftstoff in geringen Kon-
der Brand „frisst“ sich dann dank freiwerdender zentrationen (10 bis 20 ppm) zugemischt, die
Energie durch den gesamten Rußkuchen (HJS, Rußabbrandtemperatur durch katalytische Wir-
878 21 Abgasemissionen

kung bis auf circa 300 °C absenken können. Bei-


• Trapping of soot carbon
spiele für solche Substanzen sind Cer, Eisen, Kup- • Oxidation of soot carbon
fer und Strontium. Die Endprodukte dieser Addi- • Low temperature regeneration
• Oxidation of hydrocarbons from unburned fuel and tube oil
tive (Oxyde) tauchen im Abgas als äußerst kleine • Principle patented, lowest sulphur content needed (5–50 ppm)
Aschepartikel wieder auf (um 20 nm) [15]; die
Anwendung ist daher nur in Verbindung mit ent- P1 catalyst Soot filter
sprechenden Partikelfiltern zulässig [8]. Vorteil-
Exhaust
haft ist die Fähigkeit der Additive, durch ihre
Wirkung während der motorischen Verbrennung
die Ruß-Rohemissionen erheblich abzusenken und
damit die Filter zu entlasten. Weitere Vorteile be- 2NO + O2 2NO2 C + 2NO2 CO2 + 2NO
stehen darin, dass sie nicht altern, dass ihre Dosie- Scource: Johnson Mathey C + O2 CO2
rung in einfacher Weise an die Rußemission an-
gepasst werden kann und dass der Abbrand auf- Bild 21-110 CRT-Filter-System [Johnson Matthey]
grund der (meist) hohen Sauerstoffkonzentration
im Dieselabgas und des vorzüglichen Kontaktes turspitzen – sollte bei beschichteten Filtern die
des Katalyten mit dem Ruß sehr rasch und voll- Bildung dicker Rußkuchen vermieden werden, da
ständig abläuft [68]. Durch diese Eigenschaften die Wirksamkeit des auf die Wand aufgetragenen
zeichnet sich die FBC-Technik gegenüber kataly- Katalyten dadurch erheblich eingeschränkt werden
tischen Wandbeschichtungen und der recht lang- kann.
samen NO 2-Regeneration aus. An der gasförmigen Nebst Übergangsmetallen wurden derartige
Zusammensetzung des Abgases ändern FBC in Reaktionen auch mit Alkalimetallen und in
der Regel wenig. Bei manchen Additiven wird be- Kombination von Ubergangsmetallen mit Alkali-
obachtet, dass auch die motorische Verbrennung metallen erzielt und neuerdings werden edel-
verbessert und innermotorische Ablagerungen metallfreie sogenannte Nanobeschichtungen ange-
(Kolbenringpaket) vermindert werden. In einigen boten [69].
Fällen wurde sogar eine markante Verminderung Es bieten sich verschiedene Funktionsvarianten
des Kraftstoffverbrauchs beobachtet. durch Beschichtung auf der Rohgasseite an, die
Neuentwicklungen zeigen deutliche DeNOx-Wir- primär dem Rußabbrand dient und auf der Reingas-
kungen und eine fast vollständige Eliminierung seite, die bei Einsatz von Edelmetallen zu Nach-
der motorischen NO2-Emissionen, selbst im Be- oxidation von CO und HC benutzt werden kann.
reich tiefer Lasten, wo Dieselmotoren häufig hohe Bei besonders tiefen Temperaturen setzt die kata-
NO2-Konzentrationen aufweisen [46]. lytisch unterstützte NO2-Reaktion ein, wie sie
• Katalytische Beschichtung (Bild 21-109): Eine erstmals beim sogenannten CRT-System [16],
ähnliche Absenkung der Rußzündtemperatur wie Bild 21-110, (CRT = Continuously Regenerating
bei Additiven gelingt durch Beschichtung der Fil- Trap nach einem Patent von Johnson Matthey
ter mit Übergangsmetallen [12]. Voraussetzung ist 1988) zum Einsatz kam. Dabei wurde die Eigen-
dabei eine sehr große spezifische Oberfläche schaft eines dem Partikelfilter vorgeschalteten
(>100 m2/g) und damit eine sehr feine Verteilung edelmetall-beschichteten Oxidationskatalysators
der aktiven Zentren. benutzt, im motorischen Abgas vermehrt NO2 aus
Während bei Additiven auch massive Rußablage- NO zu erzeugen. NO2 ist bei diesen Temperaturen
rungen noch abgebrannt werden können – aller- aber nicht stabil. Im nachgeschalteten Partikel-
dings unter Gefahr der Erzeugung hoher Tempera- filter erfolgt daher der umgekehrte Vorgang und
das frei gewordene Sauerstoff-Radikal oxidiert
Einlasskanal-
den Kohlenstoff bereits bei Abgastemperaturen ab
Stopfen circa 230 °C.
Voraussetzung ist die Verwendung von schwefel-
Katalytische
Abgas, rußbeladen Beschichtung, freiem Kraftstoff, um die Sulfatierungsreaktion
Einlassseite (SO2 o SO3) zu vermeiden, die als bevorzugte Re-
aktion die NO2-Konversion inhibiert. CRT als pas-
Katalytische sives Verfahren hat einen eigentlichen Durchbruch
Beschichtung,
Auslassseite Gefiltertes Abgas der Filtertechnik bei der Nachrüstung gebracht, vor
Auslass-
kanal- allem bei Bussen des öffentlichen Verkehrs, die als
Stopfen erste schwefelfreien Treibstoff nutzen konnten.
Poröse Wand
des Filters
Das Verfahren wurde dann variiert und in unter-
schiedlichster Form auf den Markt gebracht.
Bild 21-109 Schematische Darstellung eines kataly- Gemeinsam ist all diesen, durch Edelmetall-
tisch beschichteten Rußfilters [ENGELHARD] beschichtung charakterisierten Regenerationsver-
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 879

fahren, dass sie vermehrt NO2 erzeugen und auch diese Elemente waren erforderlich, um auch unter
einen nicht unerheblichen Schlupf dieses Schad- widrigen Bedingungen, das heißt bei anhaltend niedri-
gases aufweisen. gerer Last, die Regeneration dann auszulösen, wenn
Vielfältige Kombinationen der Regenerationsverfah- die Grenze der Rußbeladung erreicht ist. Dieses kom-
ren wurden ausgeführt. Als Beispiel diene das von binierte Regenerationsverfahren, das leistungsfähige
Peugeot, Bild 21-111, für den Einsatz im Pkw entwi- Maßnahmen des „Temperature Managements“ mit
ckelte Verfahren: bei diesem System wurde zunächst einschloss, hat von Anfang an zuverlässig funktio-
Ceroxid (später Eisenoxid in Konzentrationen von niert und die weitere Einführung von Partikelfilter-
<10 ppm Metall) als Kraftstoff-Additiv eingesetzt, um systemen befruchtet und beschleunigt.
die Rußzündtemperatur um etwa 200 °C abzusenken – Der Kombination von Regenerationshilfen und deren
dies genügt beim Pkw allerdings bei weitem nicht. verfahrenstechnische Unterstützung durch elektroni-
Zusätzlich wird die Abgastemperatur durch Nachein- sche Mittel sind kaum Grenzen gesetzt. So wurde
spritzung um etwa 100 °C angehoben und der dabei versucht, durch Wärmetausch die bei der Regenerati-
nicht ganz verbrannte Kraftstoff in einem Vorkatalysa- on frei werdende Energie durch Rekuperation [54] zu
tor umgesetzt, was zu einer weiteren Temperaturstei- nutzen, Zündquellen zu bilden und sauerstoffreiche
gerung führt. Die Abgasrückführung, welche die Substanzen wie Acetylacetonat einzuspritzen.
Verbrennungstemperatur senkt, wird in der Regenera- Die Bedingungen, unter denen der Ruß bei ausrei-
tionsphase abgeschaltet, und das Bordnetz wird durch chendem Sauerstoffgehalt verbrennen kann, sind in
Zuschaltung elektrischer Verbraucher belastet. Alle dem Bild 21-112 zusammengefasst.

Pressure loss
Temperature Software:
sensor
sensors – Manager
– Regeneration strategy
– Dignosis
CAT SiC DPF – EOBD

engine
ECU
Engine

Common rail
Dosing
system
ECU
Hydrocarbo Gage
Bild 21-111 Schema des
Fuel delivery Fuel pump Peugeot-Rußfiltersystems für
Fuel tank Additive tank
Personenwagen [17]

In größeren zeitlichen Abständen muss der Filter aber


800
auch von inerten Substanzen gereinigt werden, die
700 aus Schmieröl-Additivsubstanzen, Motorabrieb,
Brennstoff-Additiven und mineralischen Stoffen her-
600
rühren, die dem Motor mit der Ansaugluft zugefügt
Temperatur [°C]

500 werden. Zu erwähnen sind insbesondere Metalloxide


aus den Verschleißschutz-Additiven des Schmieröls
400
wie Zinkoxid und Calcium als Hauptbestandteil von
300 Antikorrosions-Additiven, das mit dem Schwefel aus
Kraftstoff oder Schmieröl Gips bilden kann, der sich
200
ebenfalls im Partikelfilter ablagern und dessen Poren
100 verstopfen kann. Die Reinigung des Filters von die-
sen inerten Substanzen findet heute etwa alle
0
CRT DPX Satacen Eolys V2O5 EC 2.000 Stunden (100.000 km) statt. Der Filter muss
PT-Katalyt Additive
dazu ausgebaut werden. Das früher übliche Auswa-
schen hat sich nicht bewährt, da die für das Einpacken
Bild 21-112 Gleichgewichtstemperatur bei der Filter- der Filter (Canning) verwendeten Matten aus feuerfes-
Regeneration mit verschiedenen katalytischen Hilfen ten Werkstoffen, meist keramischen Fasern, feuchtig-
[18] keitsempfindlich sein können. Im maschinellen Reini-
880 21 Abgasemissionen

gungsprozess werden die Filter bei hohen Temperatu- peratur. Die Bilder 21-113 und 21-114 illustrieren die
ren zunächst von allen brennbaren Substanzen gerei- Problematik.
nigt und dann werden im Druckstoßverfahren mit Luft Bild 21-113, in dem die Verweilzeiten in bestimmten
die inerten Einlagerungen ausgeblasen. Diese Asche- Temperaturfenstern kumuliert sind, zeigt ein schein-
substanzen sind umweltgerecht zu entsorgen. bar ausreichendes Niveau für mehrere Regenerati-
Die nachteiligen Auswirkungen üblicher Schmieröle onsverfahren. Im Bild 21-114 wird allerdings darauf
auf die Filter, die neben der Belegung durch die hingewiesen, dass diese Temperatur-Episoden von
inerten Metalloxide aus dem Schmieröl (Ölasche) sehr kurzer Dauer sein können, das heißt nur ein
auch darin bestehen können, dass Schmieröl-Sub- Filtersystem mit kurzer Ansprechzeit kann diese
stanzen die Filtermaterialien durch Bildung von Glas- kurzen Phasen ausreichender Temperatur nutzen, um
phasen schädigen, führten dazu, dass für den Filter- die Regeneration einzuleiten, was auf die Notwen-
einsatz neue Schmieröle gefordert wurden, die einen digkeit einer geringen Wärmekapazität und einer
geringen Aschegehalt, einen niedrigeren Schwefel- guten Wärmeisolation hinweist.
gehalt sowie eine Absenkung des Phosphor- und Erd-
Alkali-Metallgehaltes aufweisen, sogenannte Low- 21.6.3.6 Emissionen während Regenerationen
SAPS-Schmieröle (niedriger Gehalt an Sulfatasche, und Sekundäremissionen
Schwefel und Phosphor). Ziel ist eine signifikante
Absenkung der Emission der Asche auf einen Maxi- Man muss den beladenen Partikelfilter als einen
malwert von 0,5 mg/kWh [19]. chemischen Reaktor auffassen, der mit sehr hoher
Die erfolgreiche Wahl der Regenerationsmethode Oberfläche ausgestattet ist, somit für katalytische
hängt vor allem von der Kenntnis des Betriebsverhal- Prozesse prädestiniert ist und in weiten Temperatur-
tens eines Motors ab, also seines Lastkollektivs unter bereichen mit ausgeprägten Adsorptions-/Desorptions-
typischen Einsatzbedingungen. Der wichtigste Para- zyklen arbeiten kann. Auch die Bildung von neuen
meter neben dem Sauerstoffgehalt ist dabei die Tem- Stoffen kann nicht ausgeschlossen werden.

4000 120

3500
100
3000
80
2500
Frequency

2000 60

1500
40
1000
20
500

0 0 Bild 21-113 Kumulative Ver-


75 100 125 150 175 200 225 250 275 300 325 350 375 400 425 450 475 500 525 550 575 600 625 650 teilung der Abgastemperatur
Temperature Class beim Reisebus, 268 kW [20]

30
25
Frequency

20
15
10
5
0
100 1
200 37
73
Tem
300 109 Bild 21-114 Verteilung der
p c.]
era
ture
400 181 [ Se Abgastemperatur nach Zeit-
[°C] 500 145
Time
600 217 ell- Episoden beim Reisebus,
253 Dw
268 kW [20]
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 881

Die große Vielfalt von Edukten aus der motorischen An den im Motor gebildeten gesetzlich limitierten
Verbrennung ermöglicht chemische Reaktionen, die gasförmigen Schadstoffen CO, HC und NOx ändert
zur Emission toxischer Substanzen in kritischen das Partikelfiltersystem in der Regel nur dann etwas,
Konzentrationen führen können. Durch Beschichtung wenn katalytisch unterstützte Prozesse mit im Spiel
oder Einlagerung katalytisch aktiver Substanzen kann sind; so wird beim Einsatz von Edelmetallen eine
die Bildung solcher Stoffe beschleunigt und ihre starke Verminderung von CO und HC um etwa 90
Konzentration erheblich erhöht werden. Hinzu bis 95 % beobachtet, eine Erhöhung der NO2-
kommen Emissionsrisiken durch das sogenannte Emission, jedoch keine Änderungen bei Gesamt-
Store-and-Release-Verhalten solcher Systeme sowie Stickoxiden. Bei Beschichtungen mit Übergangsme-
Reaktionen, die beim Rußabbrand auftreten können. tallen ist die Verminderung von CO und HC in der
Es sind grob unterteilt drei Prozessgruppen zu Regel weniger groß, jedoch werden kaum Sulfat-
beachten: Reaktionen beobachtet und NO2 kann abgesenkt
werden.
• Bei der Regeneration können Emissionsspitzen Eine Aufwertung erfahren die Partikelfiltersysteme
von HC und CO auftreten: HC, wenn adsorbierte generell dadurch, dass die Gruppe der nach EPA als
Kohlenwasserstoffe in der Aufheizphase abge- kanzerogen eingestuften polyzyklisch aromatischen
dampft werden, CO, wenn die Regeneration sehr Kohlenwasserstoffe in der Regel im Maß des Fest-
rasch oder bei geringem Sauerstoffgehalt abläuft. stoffpartikel-Abscheidegrades vermindert das heißt
• „Store-and-Release“-Phänomene sind bei adsor- fast eliminiert werden. Dies lässt sich nur dadurch
bierenden Systemen mit wechselndem Tempera- erklären, dass die PAKs bereits während der Rußbil-
turcharakter immer möglich. Bei Verwendung von dungsphase in der oberflächenreichen Struktur adsor-
Kraftstoffen mit hohen Schwefelgehalten werden biert werden, in dieser festen Bindung bleiben und
zum Beispiel ausgeprägte Sulfatzyklen beobachtet bei der Regeneration zu Endprodukten CO2 und H2O
[47]. Bei großporigen Tiefenfiltern und sogenann- konvertiert werden. Dieser Vorgang ist auch durch
ten Teilstromfiltern wird dieses „Store-and-Re- die Time-of-flight-Analytik [15] nachgewiesen.
lease“-Verhalten zum typischen Merkmal, das in
der „store“-Phase Abscheidung vortäuscht [45], 21.6.3.7 Druckverlust
was dazu führt, dass viele bisher übliche Testver-
Infolge des unvermeidlichen Druckverlustes bei der
fahren mit relativ kurzen Testzyklen und vorge-
Durchströmung dieser feinporigen Strukturen haben
schalteter Konditionierung völlig falsche Parti-
Partikelfilter grundsätzlich negative Rückwirkungen
kelminderungsraten liefern, wie dies typischer-
auf den Motor, die beim aufgeladenen Motor stärker
weise beim Filterprüfverfahren der StVZO Anlage
ausgeprägt sind als beim Saugmotor: Die Ausschie-
XXVI auftritt, da es einerseits nur nach der Masse
bearbeit steigt, Abgasrückhaltung wird erhöht, bei
PM urteilt und andererseits Abblasesequenzen
steigendem Gegendruck wird schließlich die Ver-
nicht registriert [45].
brennung beeinflusst und die Bauteiltemperaturen
• Unter eigentlichen Sekundäremissionen wird die
können steigen. Bei zunehmender Belegung durch
Freisetzung von Substanzen verstanden, die vor-
Ruß und Asche steigt der Druckverlust weiter, und
her im System nicht existiert haben, also im Par-
zwar interessanterweise bei Oberflächenfiltern durch
tikelfilter gebildet werden. Solche Reaktionen
Filterkuchenbildung progressiv bis zum vollständigen
kommen vor allem durch katalytische Unterstüt-
Verschluss, gleichzeitig steigt der Abscheidegrad –
zung zustande, wobei schon die Einlagerung von
bei Tiefenfiltern nach dem Faserwachstums-Modell
Schmieröl-Asche zu spürbaren katalytischen Wir-
degressiv [22], das heißt eine bestimmte Grenzbela-
kungen führen kann. Bei Edelmetall-Beschichtung
dung wird nicht überschritten [13]. Gleichzeitig sinkt
wird eine starke Sulfatreaktion beobachtet (SO2 o
der Abscheidegrad.
SO3), sowie eine erhebliche Verschiebung des
Der Druckverlust im feinporigen Filterelement und im
NO/NO2-Gleichgewichtes. In Verbindung mit
Rußkuchen genügt dem laminaren Gesetz, da die Rey-
Kupferadditiven wurde eine massive Erhöhung
noldszahlen mit Bezug auf die Porengröße <1 sind.
der Emission von Dioxinen und Furanen um meh-
Der Druckverlust wird üblicherweise wie folgt ange-
rere Größenordnungen beobachtet [21], die auch
geben:
bei Kalium in verminderter Form nachgewiesen
wurde [70]. Auch eine Verschiebung des PAK- Für den Faserfilter nach Jodeit [22]:
Spektrums ist denkbar, Nitro-PAK können gebil- 1 H ·
K1 ˜ L ˜ §¨
1
'p v˜P˜ 2
© H ¸¹
det werden und Aldehyde. Es ist daher erforder- (21.29)
d
lich, bei der Typenprüfung katalytisch beschichte-
ter oder katalytisch unterstützter Systeme auf Se- L = Filtertiefe
kundäremissionen zu achten, ein wichtiges Ele- H = Porosität = Hohlraumvolumenanteil
ment, das bisher nur im VERT-Filtertest nach Porenvolumen
=
SN 277206 [72] berücksichtigt wird. Filtervolumen
882 21 Abgasemissionen

v = Anströmgeschwindigkeit Bei einem mit relativ hoher Last betriebenen Nutz-


μ = dynamische Zähigkeit fahrzeugmotor wird der Druckverlust somit den
d = Faserdurchmesser Kraftstoffverbrauch um 1 bis 2 % verschlechtern, bei
U = Dichte des Strömungsmediums Fahrzeugen mit geringen Lastfaktoren wie Pkw ist
Für Porenstrukturen nach Ergug und Orning [23]: der Einfluss größer, gegen 3 bis 5 %. Steigt der
Druckverlust über dieses Maß hinaus, so werden ab
1  H 2
2
§O · etwa 400 mbar Verbrennung und Aufladung negativ
'p K2 ˜ L ˜ ˜ μ ˜X ˜ ¨ p ¸ (21.30)
H 3
© Vp ¹ beeinflusst, so dass in nichtlinearer Weise stärkere
Auswirkungen auftreten, wie sie das Bild 21-115 in
Op = Porenoberfläche der Simulation eines hoch aufgeladenen modernen
Vp = Porenvolumen DI-Nutzfahrzeugmotors zeigt.
Hinzu kommt ein nicht vernachlässigbarer Anteil für Die Auswirkungen in dieser Grafik berücksichtigen
die Strömung in den Gehäusen und den Filterzu- nicht, dass eigentlich nur die Differenz gegenüber
strömkanälen, der turbulent, also proportional Uv 2 dem Schalldämpfer bewertet werden darf, wenn
anzusetzen ist. dieser durch den Filter ersetzt wird, was bei Nachrüs-
Der Druckverlust neuer Filter liegt bei Motornennlast tung üblich ist. Schalldämpfer sind bei Nutzfahrzeu-
meist im Bereich von 20 bis 40 mbar, das heißt in gen mit etwa 60 mbar Druckverlust ausgelegt, beim
ähnlicher Höhe wie beim Nutzfahrzeug-Schalldämp- Pkw findet man häufig Werte über 200 mbar bei
fer, der in der Regel durch den Filter ersetzt wird. Für maximalem Durchsatz.
den maximal zulässigen Druckverlust des voll bela- Eine stärkere Auswirkung des Filterdruckverlustes
denen Filters (Ruß + Asche) hat sich ein Grenzwert auf den aufgeladenen Motor kommt einerseits da-
von 200 mbar (bezogen auf Nenndrehzahl und Nenn- durch zustande, dass der Druckverlust des der Turbo-
last) eingebürgert. laderturbine nachgeschalteten Filters für den Motor
Dieser Druckverlust wirkt sich über die Ausschie- im Maß des Expansionsverhältnisses erhöht wird,
bearbeit negativ auf den Kraftstoffverbrauch und die andererseits durch die Verminderung der Ent-
Leistung aus, wobei bis zu einem Gegendruck von spannungsenthalpie und in deren Folge durch eine
circa 300 mbar (bei Volllast und Nenndrehzahl) von Verringerung des Ladedruckes und des Gesamtwir-
einem proportionalen Einfluss ausgegangen werden kungsgrades.
kann. Für den nicht aufgeladenen Motor gilt: Bei Zweitaktmotoren und bei Viertaktmotoren mit
'b 'p
großer Ventilüberschneidung ist die Grenze des zu-
(21.31) lässigen Gegendruckes des Filters deutlich niedriger
b pe  pr anzusetzen als bei üblichen Viertaktmotoren. Vor-
b = Kraftstoffverbrauch sicht ist auch geboten bei Motoren mit ungeregelter
'p = Filterdruckverlust Abgasrückführung, da eine Steigerung des Gegen-
pe = effektiver Mitteldruck druckes in diesem Fall sehr rasch zu einer Erhöhung
pr = Reibmitteldruck der AGR führen kann, damit zu einer Erhöhung

Spezifischer Brennstoffverbrauch in Abhängigkeit des


Abgasgegendruckes (pUmgebung = 957 mbar)
232
230
228
Spezifischer Brennstoffverbrauch [g/kWh]

226
224
222
220
218
216
214
212 N = 1380 U/min
210 N = 1750 U/min
208 N = 2120 U/min Bild 21-115 Modellierung
206 N = 2400 U/min der Verschlechterung des
204
202
Kraftstoffverbrauchs für vier
200
Volllastdrehzahlen infolge
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 Steigerung des Abgasge-
Abgasgegendruck relativ zur Umgebung [mbar]
gendruckes beim aufgela-
denen Motor [24]
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 883

der Partikelemission bei gleichzeitiger Absenkung 21.6.3.9 Schadensmechanismen/Erfahrungen


der Abgastemperatur, womit die Verhältnisse für den Monolithische keramische Zellenfilter sind spröde,
Betrieb des Filters progressiv schlechter werden empfindliche Bauteile. Niedrige mechanische Festig-
können. keit dieser porösen Werkstoffe und geringe Wärme-
leitfähigkeit machten die ursprünglich verwendeten
21.6.3.8 Bauraum und Systemintegration Strukturen anfällig für thermomechanische Beanspru-
chungen, wie sie bei Regenerationsvorgängen typisch
Der Bauraum für ein Partikelfiltersystem entspricht
auftreten. Da die Grenztemperatur bereits bei circa
etwa dem 4- bis 8-fachen des Motor-Hubvolumens. Ein
1.400 °C lag, sind Schäden infolge unkontrollierter
derartiges Bauteil, das auch nicht beliebig geformt
Regenerationen in großer Zahl aufgetreten.
werden kann, im Abgasstrang unterzubringen, ist vor
Mehrere Richtungen wurden verfolgt, um dieses
allem bei Nachrüstungen nicht immer einfach.
Problem technisch zu überwinden.
Immerhin haben einige Hersteller ihre Systeme kon-
struktiv bereits soweit anpassen können, dass sie Fil- • Weiterentwicklung der Werkstoffe und Neuent-
ter in den Austauschdimensionen der Schalldämpfer wicklung festerer und temperaturbeständigerer ke-
anbieten, dies selbst für CRT-Systeme, die einen ramischer Werkstoffe wie beispielsweise poröses
Katalysator plus ein Filterelement enthalten. SiC
Bei der Erstausrüstung dürfte das Problem leichter zu • Entwicklung von keramischen Strukturen mit ge-
lösen sein. ringerer Rissausbreitungs-Tendenz (segmentierte
Die bauliche und funktionelle Systemintegration bie- Filter)
tet viele interessante Optionen: • Optimierung der geometrischen Auslegung des
Filters, um Wärmespannungen zu minimieren
• Optimale Verbindung der Funktionen Filtration +
• Einsatz von metallischen Werkstoffen als Sinter-
Katalyse + Schalldämpfung.
platten oder Faservliese
• Verbindung der Funktionen Partikel-Filtration + • Maßnahmen zur Kontrolle der Regeneration mit
Entstickung – wird heute bereits bei mehreren dem Ziel einer Begrenzung der Temperaturgra-
Fahrzeugen in der Serie eingesetzt und dürfte sich dienten und der Spitzentemperatur.
auch in der Nachrüstung bald einführen.
• Platzierung des Filters auf der Hochdruckseite vor Mit diesen Ansätzen, die in den Systemen verknüpft
Turbolader und damit erhebliche Erleichterung der genutzt werden, liegen inzwischen Erfahrungen über
Regeneration sowie Verminderung der Rückwir- große Stückzahlen bei der Nachrüstung von Bussen
kung des Druckverlustes auf den Motor im Ver- und Baumaschinen mit Schadensraten unter 1 % pa
hältnis des Turbolader-Expansionsgefälles [25]. vor, sowie Laufzeiten bei Fahrzeugen von > 1 Mil-
lion km und > 50.000 Betriebsstunden.
• Mit dem Einsatz des Partikelfilters entfällt der
Nicht zu unterschätzen ist die Belastung der fragilen
bisherige Zwang zum Trade-off NOx/PM bei der
Keramikkomponenten durch Vibrationen, wie sie vor
Motorabstimmung. Der Motor kann also unter In-
allem bei motornaher Bauweise auftreten können. Die
kaufnahme etwas höherer Partikelemission für ge-
Filterelemente müssen wegen der großen Ausdeh-
ringere NOx-Emission ausgelegt werden.
nungsunterschiede über eine keramische Matte isoliert
• Das Abgas nach Filter ist derart partikelfrei, dass und vorgespannt in ein metallisches Gehäuse eingebaut
es sogar in die Ansaugung vor Turbolader geleitet werden. Wenn sich diese Vorspannung lockert, ist ein
werden kann. Befürchtung wegen Verschmutzung Schaden unvermeidlich. Schäden dieser Art sind bei
des Turboladerverdichters und Verschleiß des anderen Filterstrukturen, insbesondere bei Faserfiltern
Motors durch Abgasrückführung entfallen. oder Filtern aus metallischen Komponenten wie Sinter-
• Maßnahmen des Motor-Managements können filtern und Metall-Vliesfiltern weniger zu erwarten.
genutzt werden, um die Abgastemperatur kurzfris- Eine weitere Klasse von Schädigungen, auch hier vor
tig so weit zu steigern, dass der Filter regeneriert – allem bei den monolithischen Keramiken, kann durch
die dabei auftretende höhere Partikelbildung wird die Schmieröl-Asche oder auch durch Additivasche
nach außen nicht sichtbar. ausgelöst werden: Die Endprodukte dieser Substan-
• Zur Systemintegration gehört auch, dass Kraftstof- zen sind ja Metalloxide, es bestehen vielfältige Mög-
fe und Schmieröle verwendet werden, die auf den lichkeiten. Es bestehen vielfältige Möglichkeiten der
Betrieb mit Partikelfiltern abgestimmt sind, und Phasenbildung dieser Substanzen mit der Keramik,
dass die Filtration der Ansaugluft so weit verbes- die in der Regel zu einer Schwächung führen. Schä-
sert wird, dass der wesentlich feinporiger ausge- den dieser Art sind grundsätzlich auch bei Fasern
legte Partikelfilter nicht durch angesaugte Mine- möglich, jedoch ist die Faserstruktur durch ihre hohe
ralstäube belegt wird, die den Ansaugfilter durch- Elastizität und Redundanz weniger empfindlich als
dringen dürfen, wenn sie so klein sind, dass sie eine monolithische Struktur.
dem Motor nicht schaden.
884 21 Abgasemissionen

Im Fall der Verwendung von Additiven führt ein ner bestimmten Größe zu einem bestimmten Pro-
Filterschaden dazu, dass diese Substanzen in der zentsatz abzuscheiden, unabhängig von der che-
Atmosphäre freigesetzt werden. Dies ist zu vermeiden; mischen Zusammensetzung dieser Partikel [27],
daher müssen Filterschäden durch die OBD, die bei Partikeln <200 nm sogar unabhängig von ihrer
zwingend zu jedem Partikelfilter gehört, erkannt und Dichte, wenn ihre Größe durch den Beweglich-
die Additiv-Dosierung sofort abgestellt werden. keitsdurchmesser charakterisiert ist. Durchsatz,
Befürchtet wurden lange Zeit auch negative Auswir- Temperatur und Beladungsgrad müssen als Rand-
kungen durch den Einsatz von Kraftstoff-Additiven bedingungen eingehalten werden, da mit steigen-
auf die motorische Verbrennung und den Verschleiß. dem Durchsatz die Impaktion zunimmt, aber die
Nun sind diese Stoffe aber beim Zustand der Additi- Diffusionsabscheidung abnimmt, der Beladungs-
vierung in der Regel metallorganischer Natur, mi- grad sich somit in unterschiedlicher Weise auf die
schen sich also auf molekularer Basis. Tatsächlich Abscheidungsrate auswirkt und die Temperatur
konnten bisher keine negativen Auswirkungen auf sowohl über die Diffusionskonstante als auch über
den motorischen Verschleiß nachgewiesen werden; die Haftbedingungen Einfluss nehmen kann.
im Gegenteil wird darauf hingewiesen, dass die Mo- Es genügt daher, einen Filter bei maximaler
toren geringere Ablagerungen im Ringbereich haben, Raumgeschwindigkeit und maximaler Temperatur
was sich eher positiv auf den Verschleiß auswirken im Neuzustand (worst case) zu vermessen, um
dürfte [26]. seinen in der Praxis zu erwartenden Mindest-
Abscheidegrad in weitgehender Allgemeingültig-
21.6.3.10 Qualitätskriterien keit zu bestimmen. Der Filter ist somit gekenn-
zeichnet durch einen einzigen Wert für den Ab-
Neben den betriebswirtschaftlichen Kriterien wie scheidegrad pro Partikel-Größenklasse (Trennkur-
Investitionskosten, Infrastrukturkosten und Service- ve); dieser Abscheidegrad kann benutzt werden,
aufwand sind es vor allem die folgenden Kriterien, um bei einem beliebigen Motor durch Multiplika-
die für die Bewertung eines Filtersystems herangezo- tion mit der Feststoffpartikel-Rohemission auf die
gen werden müssen: Reinemission an Feststoffpartikeln zu schließen.
• Abscheidegrad anzahlbasiert PZAG, respektive Dieser Test könnte im Prinzip auf einer Filter-
Penetration P = 1 – PZAG im gesamten relevanten prüfmaschine mit einem Test-Aerosol durchge-
Partikel-Größenbereich 10 bis 500 nm. führt werden, wie dies bei vielen industriellen Fil-
• Druckverlust 'p, besser in Relation zum mittle- teranwendungen auch gehandhabt wird (DIN
ren indizierten Druck des Motors 'p/pi für den 24184, 24185). Vorzuziehen ist die Messung auf
Lastfall, der die Anwendung am besten charakteri- einem repräsentativen Dieselmotor, vor allem we-
siert gen der Frage der Haftbedingung und der Agglo-
• Volumendurchsatz im Verhältnis zur Baugröße, meratbildung im Filter.
also die Raumgeschwindigkeit V/B = S [1/s] Transiente Prozesse, wie im Extremfall die freie
• Thermische Ansprechzeit t1, die Zeit, die nach Beschleunigung eines Motors vom Tiefleerlauf
einem ausreichenden Sprung der Abgastemperatur auf den Hochleerlauf, führen erwartungsgemäß
vergeht, bis der Filter zu regenerieren beginnt, der nicht zu neuen Erkenntnissen, da sich angesichts
Druckverlust also sinkt der sehr niedrigen Geschwindigkeiten (außeror-
• Speicherzeit für Inertmaterial bis zur notwendigen dentlich kleine Reynolds- und Machzahlen) im
Reinigung des Filters: t2. Filtermedium keine strömungsdynamischen Ef-
fekte ausbilden.
Man kann diese Qualitätsparameter im Sinne einer Ein Filter kann somit bezüglich seiner wesentli-
Mehrkomponenten-Bewertung zu einem einzigen chen Funktion, nämlich der Rückhaltung von
Filter-Parameter zusammenfassen: Feststoffpartikeln, durch ein einfaches Testverfah-
§ P[  ] ' p/ pi 20 t [ S ] t2 [h] · ren charakterisiert werden.
1/ 5 ¨    1  1
© 0.01 0.02 S[1/s ] 100 2000 ¸¹ Sollte der Filter neben der Filtration noch andere
Funktionen erfüllen wie zum Beispiel Katalyse, so
Wenn dieser Wert wesentlich über eins liegt, dann ist muss er zusätzlichen Prüfungen unterworfen wer-
mindestens einer der wichtigen Parameter oder mehre- den. Beispielhaft für eine solche Filterprüfung ist
re außerhalb der bereits heute erzielbaren Werte. die VERT-Prüfung nach der Schweizer Norm
SN 277206 [72].
21.6.3.11 Eignungstest, Typenprüfung, OBD,
Feldkontrolle • Typenprüfung eines Fahrzeugs mit Filter
Die Typenprüfung erfolgt in Fahrzyklen unter
• Eignungstest [48] transienten Bedingungen. Bestimmt wird nicht ein
Man darf in erster Näherung davon ausgehen, dass Abscheidegrad, sondern der Emissionsfaktor
ein Filter die Eigenschaft hat, Feststoffpartikel ei- (g/km, g/kWh, Partikelanzahl/km) des entspre-
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 885

chenden Fahrzeuges. Als Besonderheit für regene- 21.6.3.12 Partikelmesstechnik


rierende Systeme ist festgelegt, dass die Typen-
prüfung auch während der Regeneration durchge- Da die gesundheitsschädigenden Wirkungen dieser
führt werden muss und dass dieses Ergebnis in das verbrennungsgenerierten Feinstpartikel mit ihrer
Gesamtresultat zeitlich gewichtet einzubeziehen Größe, Oberfläche, Anzahlkonzentration und Subs-
ist (ECE/324/Add.82/Ref. 2/Amend.1). Da der tanz in Verbindung gebracht werden, müssen konse-
Partikelgehalt im Reingas nach modernen Parti- quenterweise die Technik der Probenahme und die
kelfiltern um Größenordnungen niedriger sein Messung so gewählt werden, dass diese Größen zu-
kann als die Nachweisgrenze gravimetrischer Me- verlässig charakterisiert werden können.
thoden, dies insbesondere im Blick auf kleine Par- Die Messtechnik muss weiter geeignet sein, den
tikelgrößen, und zudem die Auswirkungen auf die Partikelgehalt im Reingas nach Partikelfiltern auch
menschliche Gesundheit weit stärker mit der An- während transienter Fahrzyklen mit ähnlicher Genau-
zahl als mit der Masse korrelieren, wurden ergän- igkeit und zeitlicher Auflösung zu erfassen, wie dies
zende Messverfahren gesucht. Im Rahmen des heute bereits bei der Messung gasförmiger Substan-
UNECE-PMP-Programms wurde ein Verfahren zen Stand der Technik ist.
entwickelt und für die zukünftige Typenprüfung Das gravimetrische Verfahren zur Bestimmung der
vorgeschlagen, wonach die Gesamtanzahl von Gesamt-Partikelmasse PM, wie es derzeit für die
Feststoffpartikeln im Größenbereich 23 nm bis Typenprüfung weltweit angewendet wird, genügt
2,5 μm während des gesamten Fahrzyklus integ- diesen Kriterien nicht, insbesondere dann nicht, wenn
rierend erfasst und ein mittlerer Grenzwert für die Menge der Feinstpartikel unter 50 nm adäquat
den Pkw als [Partikelanzahl/km], für das Nutz- mitberücksichtigt, allenfalls sogar nach ihrer Korn-
fahrzeug als [Partikelanzahl/kWh] definiert wird größe klassiert werden müsste [31].
(www.unece.org/trans/doc/2003/wp29grpe) [49]. Wesentlich empfindlicher sind einige in der Aerosol-
physik seit langem übliche Verfahren der In-situ-
• On-Board-Kontrolle (OBD) Messtechnik, um:
Als wesentlicher Input für die Systemsteuerung
wird die Belegung des Filters respektive der • während der Probenahme nach Phasen (fest/flüs-
Druckverlust kontinuierlich gemessen. Diese Mes- sig) zu trennen
sung wird benutzt, um drei kritische Druckniveaus • nach Mobilitätsdurchmesser oder aerodynami-
zu überwachen: ein oberes Niveau zur Einleitung schem Durchmesser zu klassieren
der Regeneration bei aktiven Systemen, ein ma- • die Schadstoff-Konzentration pro Größenklasse
ximales Niveau, das auf die Notwendigkeit zur als Partikelanzahl oder aktive Oberfläche zu
Reinigung des Filters von inerten Stäuben auf- bestimmen.
merksam macht, und ein unteres Niveau, das ei- Die Verfahren sind in [2, 3, 32, 33] beschrieben.
nen Schaden des Filters signalisiert. Bei Nachrüs- Bei Messungen im motorischen Abgas wird heute
tungen ist es inzwischen üblich, solche Messun- bereits häufig das sogenannte SMPS-Verfahren ein-
gen über mehrere Wochen zu speichern, eventuell gesetzt, kombinierbar mit vorgeschaltetem Thermo-
auch durch Messung der Temperaturen und Dreh- desorber oder Thermoverdünner zur wahlweisen
zahlen zu ergänzen, um im Falle von Motorschä- Trennung der flüchtigen Substanzen von den Fest-
den die Schnittstelle gegenüber dem Partikelfilter stoffpartikeln.
zu überwachen. Die Messkette stellt sich wie folgt dar:
• Periodische Feldkontrolle • Entnahmesonde, wobei für diese Feinpartikel iso-
Bei Nutzfahrzeugmotoren bis zur Emissionsgene- kinetische Absaugung nicht zwingend ist.
ration Euro 3 ist eine Kontrolle nach der Methode • Beheizte Leitung aus elektrisch leitendem Werk-
der freien Beschleunigung mit opazimetrischer stoff zur Verminderung thermophoretischer Effek-
Messung brauchbar, um eine sichere Aussage über te, Vermeidung nachträglicher Kondensatbildung
die zuverlässige Funktion des Systems zu machen. und elektrostatischer Abscheidung.
Bei Motoren mit wesentlich niedrigeren Rohemis- • Möglichst rasch nach der Entnahme hohe Verdün-
sionen und sorgfältiger Ausregelung des Rauch- nung, um Veränderungen des Aerosols durch Ag-
stoßes genügt die Empfindlichkeit des einfachen glomeration und Rekondensation zu vermeiden.
opazimetrischen Verfahrens nicht mehr. Dies gilt • Erzeugung eines statistisch einheitlichen elektri-
für Motoren ohne Partikelfilter. Mit Partikelfiltern schen Beladungszustandes.
ist die Opazität der gereinigten Abgase derart • Klassierung in einem differenziellen Mobilitäts-
niedrig, dass Messungen mit üblichen Opazime- analysator DMA, Bild 21-116.
tern nicht mehr aussagekräftig sind. Ausreichend • Zählung der Partikel pro Größenklasse mit einem
empfindliche Messverfahren sind bekannt, [28] Kondensationskernzähler CPC (nicht im Bild ge-
und durch eine Schweizerische Messgeräteverord- zeigt) oder aber mit einem Elektrometer.
nung spezifiziert [71].
886 21 Abgasemissionen

Sheath-air in
nal liefert und in Abhängigkeit der Art der elektri-
schen Beladung Informationen zur Partikelzusam-
aerosol in
mensetzung liefern kann, Bild 21-117. Dabei ist zu
unterscheiden zwischen einer Ionenbeladung durch
85
Kr-charger eine klassische Koronaentladung, die alle Partikel
gleicher Größe einheitlich belädt und einer photo-
elektrischen Beladung durch energiereiche UV-Be-
strahlung, die wegen unterschiedlicher photoelektri-
scher Eigenschaften der Partikeloberflächen Unter-
-
+
schiede zwischen Rußpartikeln, Aschepartikeln und
Flüssigkeitströpfchen im Signal erkennen lässt.
Die Partikel werden dabei in den Abfanggittern ab-
geschieden, und zwar die feinsten Partikel in Stufe 1
mit der geringsten Gitterzahl. Sie geben dort ihre
elektrischen Ladungen ab. Die Gittergeometrie be-
stimmt physikalisch eindeutig die Trenn-Charakteris-
monodisperse excess air tik, also den Mobilitätsdurchmesser-Bereich von Parti-
aerosol out out keln, die in einer bestimmten Gittergeometrie abge-
schieden werden. Die Zahl der elektrischen Elementar-
ladungen ist durch die Partikelgröße bestimmt; sie ist
Bild 21-116 Differenzieller Mobilitätsanalysator DMA
ein Maß für die aktive Oberfläche der Partikel, die
sogenannte „Fuchs“-Oberfläche. Der gemessene
Im DMA driften die elektrisch geladenen Partikel auf Strom pro Stufe ist somit ein transient verfügbares
eine Trajektorie, die durch das Verhältnis von aero- Signal für die Gesamtoberfläche der abgeschiedenen
dynamischer Schleppkraft und elektrischer Feldkraft Partikel und, da der mittlere Durchmesser pro Stufe
gegeben ist, im Ringraum zur Mittelelektrode. Bei bekannt ist und somit die durchschnittliche Zahl von
einem bestimmten Durchsatz und vorgegebener Elementarladungen, kann daraus die Zahl der abge-
Feldstärke erreicht nur eine bestimmte, recht schmal- schiedenen Partikel pro Stufe abgeleitet werden.
bandige Klasse den Austrittsschlitz. Durch Variation Ein weiteres Messverfahren, das häufig zur Anwen-
der Spannung können in 1 bis 3 Minuten etwa dung kommt, ist der in Bild 21-118 dargestellte
60 Größenklassen abgescannt werden. elektrische Niederdruck-Impaktor ELPI.
Dieses Verfahren ist systembedingt nicht für dynami- Auch dieses Gerät liefert eine Online-Information,
sche Messungen geeignet. Es bleibt die Möglichkeit, eignet sich somit für die Messung während dynami-
eine Größenklasse nach der anderen zu messen oder scher Fahrzyklen. Allerdings erfolgt die Klassierung
mehrere Geräte mit fest eingestellten Größenklassen wie in jedem Impaktor nach dem aerodynamischen
parallel zu schalten [34] oder diese Art der Parallel- Durchmessern. Verglichen mit SMPS bietet ELPI
messung in einem einzigen Gerätetyp zu vereinen, eine geringere Auflösung bei den kleinsten Partikel-
was von Herstellern wie TSI, GRIMM und CAM- größen, jedoch einen erweiterten Messbereich für
BUSTION [35] bereits angeboten wird. große Partikel.
Die Aerosolphysik bietet weitere Messprinzipien an. Die Bemühungen zur Einführung einer Messtechnik
Eine besonders interessante Alternative für die Grö- für die Typenprüfung, die sich auf die Anzahlkonzen-
ßenklassierung ist die elektrische Diffusionsbatterie, tration als wichtigsten Parameter für die gesund-
die allerdings gegenüber dem DMA eine wesentlich heitlichen Wirkungen stützt, haben im Rahmen des
flachere Trennkurve aufweist, dafür ein Online-Sig- UNECE-PMP-Projekts [36] nach sorgfältiger Analyse

Amplifier

Insulator Filter
Screens

Bild 21-117 Elektrische


Stage 1 Stage 2 Stage N Backup-Filter
Diffusionsbatterie
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 887

Corona charger High voltage source

Ion trap voltage source

+5 kV Electrometers
400 V
Computer
A/D and control
Impactor with electronics
Insulators and
contact needles
RS-323 serial

External computer,
data logging,
user interface
Vacuum pump Bild 21-118 Elektrischer
Niederdruck-Impaktor ELPI
(DEKATI)

aller verfügbaren Methoden [37] zu einer Messmetho- gebildet haben, werden dabei verdampft [38], und
de geführt, die auf die Größenklassierung verzichtet. infolge der Verdünnung im Verhältnis von etwa
Ziel ist die Erfassung der Gesamtzahl aller Feststoff- 1 : 100 wird der Partialdruck gleichzeitig so stark
partikel (pro km oder pro kWh oder pro m3) im Grö- abgesenkt, dass Rekondensation nicht mehr möglich
ßenbereich von 23 nm bis 2,5 μm. Der Feststoff- ist. Nach Abkühlung des Gases (zum Schutz des Ins-
Charakter ist dabei dadurch definiert, dass die Probe- trumentes), die mit weiterer Verdünnung verbunden
nahme-Einrichtung in der Lage sein muss bei Behei- sein kann, erfolgt die Zählung der Partikel im soge-
zung auf 400 °C und Verdünnung, flüchtige Substan- nannten Kondensationskernzähler, ein allgemein übli-
zen bis zu C40 zu mindestens 99 % verdampfen und ches Instrument. Die Partikelgröße ist nach oben
in der Gasphase zu halten, gleichzeitig aber nicht mehr durch einen hier nicht gezeigten Impaktor bei 2,5 μm
als 10 % der Feststoffpartikel unkontrolliert zu verlie- begrenzt, nach unten bei 23 nm durch die Zählcharak-
ren (Bild 21-119). teristik des Kondensationskernzählers CPC.
Für die Verdünnung sind neben dem hier gezeigten
rotierenden Verdünner auch andere Verfahren, wie
Ejektor-Verdünner zugelassen. Zur Kalibration der
Messkette müssen der Verdünnungsgrad, die Qualität
der Verdampfung, der gesamte Verdünnungsverlust
und die Zählqualität überprüft werden. Für diese
Kalibrationsaufgaben kommen Standard-Aerosole
oder auch der CAST (Combustion Aerosol Standard)
CVS- in Frage, mit dem Partikel bestimmter Größenvertei-
Tunnel
lung und Konzentration bereitgestellt werden, die
Partikeln aus der dieselmotorischen Verbrennung
sehr ähnlich sind [39].
54321

CPC 21.6.3.13 Penetration oder Abscheidegrad

Verdünnung Heizung Zählung


Im Allgemeinen werden Partikelfilter heute nach
ihrem Abscheidegrad oder Wirkungsgrad beurteilt.
Hat ein Filter 99,9 % Abscheidegrad, ein durchaus
Bild 21-119 PMP-Messanordnung zur Erfassung der
üblicher Wert bei modernen Wandstromfiltern, so
Gesamt-Anzahlkonzentration bei der Typenprüfung
bewertet man ihn als etwa dreimal besser als einen
von Diesel-Personenwagen
sogenannten offenen Filter, der 33,3 % abscheiden
möge. Für die Umwelt aber zählt nicht der Abschei-
Beim Pkw wird die Probe dem CVS-Tunnel ent- degrad, sondern die Penetration, das heißt die Frage,
nommen, für den Lkw oder andere Motoren ist auch wie viele Partikel die Atemluft erreichen.
eine direkte Entnahme aus dem Abgasstrang möglich.
Die Abgasprobe wird sofort verdünnt und anschlie- Penetration = 1 – Abscheidegrad
ßend beheizt. Kondensate, die sich im CVS-Tunnel (genauer 1 – Abscheidegrad u Regenerationsgrad [47])
888 21 Abgasemissionen

Bei dem genannten Wandstromfilter erreicht somit len: die Emission von beispielsweise 0,2 g/kWh wird
eines von 1.000 Partikeln die Atmosphäre, bei einem völlig eliminiert; bei einer Restlaufzeit von 5.000 Be-
offenen Filter 667 – sofern er alles regeneriert, was er triebsstunden und durchschnittlicher Leistung von
abgeschieden hat und nicht nur zwischenspeichert 100 kW entspricht dies der Vermeidung der Emission
[47]. Die Anwendung eines Wandstromfilters hat also von 100 kg Ruß. Bei Nachrüstkosten plus Betriebs-
im Verhältnis 667/1 einen ungleich größeren Nutzen kosten von 8.000 € ergibt sich ein Kosten/Nutzen-
für die Umwelt als sich aus der Betrachtung der Faktor von 80 €/kg. Bei älteren Fahrzeugen im Off-
Abscheidegrade ergibt. road-Bereich errechnet man 30 bis 50 €/kg [55]. Da
der externe Gesundheitsschaden, den 1 kg feinparti-
21.6.3.14 Global Warming durch Rußpartikel kulär emittierter Ruß verursacht, mit etwa 300 €
Die rasche Steigerung des Dieselanteils in der euro- beziffert wird [57], ergibt sich somit ein erheblicher
päischen Pkw-Flotte wird vor allem damit begründet, volkswirtschaftlicher Nutzen. Im Sinne eines maxi-
dass Dieselfahrzeuge wegen ihres besseren ther- malen Umweltnutzens empfiehlt es sich daher, Filter
modynamischen Wirkungsgrades und damit geringe- mit hohen Wirkungsgraden bei Nutzfahrzeugen mit
rer CO2-Emission weniger zum Treibhauspotenzial langer Laufzeit nachzurüsten, während beim Pkw
beitragen als Ottomotoren und somit helfen, die Ziele anstelle von nachgerüsteten Filtern mit geringen Ab-
der Automobil-Wirtschaft zur Minderung der CO2- scheidegraden ganz auf die Erstausrüstung mit Voll-
Emission zu verwirklichen. Dabei ist unberücksich- stromfiltern gesetzt werden sollte.
tigt, dass auch Rußpartikel in der Atmosphäre ein
sehr hohes Potenzial zur Erwärmung der Atmosphäre 21.6.4 Katalytischer Partikelfilter
darstellen, indem sie Sonnenlicht aufnehmen und
Eine Maßnahme zur Verbesserung der Rußregenera-
dieses im Infrarotbereich an ihre Umgebung weiter-
tion ist die Verwendung von katalytischen Partikelfil-
geben, die Atmosphäre also aufheizen. Das GWP von
tern, die für Diesel-Pkw neben den in Kapitel 21.6.1
BC(= black carbon)-Partikeln in feiner Verteilung in
der Atmosphäre ist laut [56] pro kg der Substanz um erläuterten Systemen auf Kraftstoff-Additiv-Basis
etwa 600.000-mal höher als das Potenzial von CO2 eine Alternative darstellen. Eine schematische Dar-
zur Erhöhung der Atmosphäre durch Verminderung stellung für einen wanddurchströmten Partikelfilter
der Erdabstrahlung. Um Dieselmotoren heutiger zeigt Bild 21-109.
Bauart bezüglich ihres Gesamt-Treibhauspotenzials Der Katalysator wird durch ein Beschichtungsverfah-
gleichwertig zu Ottomotoren mit ihrer wesentlich ren ähnlich wie bei Dieseloxidationskatalysatoren
geringeren Partikelemission zu machen, müssen sie oder Dreiwege-Katalysatoren auf den Partikelfilter
mit Partikelfiltern mit einem Abscheidegrad von aufgebracht und ermöglicht katalytische Reaktionen
mindestens 99 % ausgerüstet sein. Ohne Filter oder an der Grenzfläche zwischen den Festkörpern der
mit Filtern, die diesen Wert unterschreiten, tragen Rußpartikel und der Katalysatorbeschichtung. Unter-
Dieselmotoren auch bei weiterer Steigerung ihres schiede in dem Beschichtungsverfahren ergeben sich
Wirkungsgrades in höherem Maß zur Erderwärmung allerdings durch die wechselseitig verschlossenen
bei als Ottomotoren, sofern deren Partikelemission Kanäle, die ein einfaches Durchströmen wie bei
vernachlässigt werden kann. Durchfluss-Strukturen behindern und damit den Auf-
wand bei der Herstellung erhöhen. Es ist möglich,
21.6.3.15 Kosten/Nutzen-Betrachtung die Ein- und Auslasskanäle mit unterschiedlichen Ka-
zur Nachrüstung von Partikelfiltern talysatormaterialien zu beschichten, um verschiedene
Nachrüstmaßnahmen zur Emissionsminderung haben Funktionen zu gewährleisten.
keine unmittelbare betriebswirtschaftliche Rechtferti- Die Regeneration wird durch Oxidation des Rußes
gung, sie bedingen vielmehr erhebliche Investitions- durchgeführt. Als Oxidationsmittel steht sowohl der
kosten und Betriebskosten. Es ist daher üblich, das Restsauerstoff aus dem Motorenabgas als auch der an
Verhältnis dieser Kosten zum Umweltnutzen, also den Stickstoff gebundene Sauerstoff als NO2 zur
des investierten Geldes im Verhältnis zur Verminde- Verfügung, der als Schadstoff NOx im Motorenabgas
rung der Partikelemission als €/kg Ruß darzustellen. enthalten ist. In Bild 21-120 sind die wichtigsten
Bei der Nachrüstung eines Pkws mit einer Restlauf- chemischen Reaktionen aufgeführt, die für den Ruß-
zeit von 100.000 km kann bei durchschnittlicher abbrand von Bedeutung sind.
Emission von 0,04 g/km und dem Abscheidegrad Das im Motorenabgas nur in geringen Konzentratio-
eines Teilstromfilters von 30 % die Emission von nen zur Verfügung stehende NO2 kann sowohl von
1,2 kg Ruß vermieden werden. Wenn die Investiti- einem vor den Filter geschalteten Dieseloxidations-
onskosten für den Filter plus Einbau und Betrieb mit katalysator, als auch über die katalytische Schicht im
1.000 € anzusetzen sind, liegt die Kosten-Nutzen- Rußfilter erzeugt werden. Eine weitere technische
Effizienz bei 833 € pro kg Ruß. Variante verzichtet auf den vorgeschalteten Oxida-
Die Kosten/Nutzen-Betrachtung beim Nutzfahrzeug tionskatalysator. In diesem Falle müssen die zum Be-
mit Vollstromfilter liefert wesentlich günstigere Zah- stehen der Abgasgesetzgebung notwendigen Reduk-
21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 889

Dieseloxidations-
Dieseloxidations Katalytischer
katalysator Rußfilter

HC (SOF) + O2 CO2 + H2O


C (Ruß)
(Ruß + O2 CO/CO2
2CO + O2 2CO2
2NO + O2 2NO2
2NO + O2 2NO2
(Ruß + NO2
C (Ruß) CO/CO2 + NO

2CO + O2 2 CO2

Bild 21-120 Chemische Reaktionen bei Rußabbrand über einen katalytischen Rußfilter [ENGELHARD]

Bild 21-122 illustriert den Einfluss der Temperatur


O2 Katalysator NO2 C und die Möglichkeit, an den Ruß angelagerte Koh-
lenwasserstoffe zur Temperaturerhöhung zu nutzen.
NO NO2 Das Bild zeigt, dass sich der oben beschriebene
O O CO2 Abbrand über NO2 nur im Bereich circa 250 bis
CO 450 °C darstellen lässt. Die untere Temperatur-
Katalysator schwelle ist durch das Anspringverhalten des Kataly-
sators gegeben, der die NO-Oxidation katalysiert.
Bild 21-121 Kreisprozess der NO-Oxidation bei Zwischen 250 °C und 450 °C dominiert die NO2/C-
Rußabbrand [ENGELHARD] Reaktion die Rußabbrandrate. Bei einem NO2 : NO-
Verhältnis von 1:1 muss entsprechend der Stöchio-
metrie der NO2/C Reaktion das NO2 : C-Massenver-
tionen des Kohlenmonoxid und der Kohlenwasser-
hältnis im Abgas mindestens acht betragen, um einen
stoffe mittels des im Rußfilter vorhandenen Katalysa-
quantitativen Rußabbrand zu erzielen. Bei 450 °C
tors durchgeführt werden. Der Katalysator im Ruß-
erfolgen die NO2/C- und O2/C-Reaktion mit gleicher
filter ist darüber hinaus in der Lage, das aus dem
Geschwindigkeit (isokinetischer Punkt). Oberhalb
Rußabbrand gebildete NO mehrfach zu oxidieren,
450 °C dominiert die höher aktivierte O2/C-Reaktion,
was auch als NO2-Turnover bezeichnet wird. Die
und der Rußabbrand wird unabhängig von der NOx-
schematische Darstellung in Bild 21-121 verdeutlicht
Konzentration.
solch einen Kreisprozess.
Für den Betrieb eines Diesel-Pkws können diese
Mit dieser Mehrfach-Nutzung des NO kann bei
Randbedingungen (NO2 : C, T) nicht immer eingehal-
richtiger Systemauslegung ein deutlich verbesserter
ten werden, so dass Ruß im Filter akkumuliert, der
Rußabbrand erzielt werden. Eine weitere wichtige
Abgasgegendruck ansteigt und ein Abbrand des
zusätzliche Funktion des katalytischen Rußfilters
Rußes über Sauerstoff notwendig wird. Die hierzu
besteht in der Oxidation des neben dem NO ebenfalls
erforderliche Temperatur kann durch den katalyti-
aus dem unvollständigem Abbrand des Rußes entste-
schen Rußfilter um circa 150 K verringert werden.
henden CO, das bei Nicht-Konvertierung zu erhebli-
Der notwendige Temperaturbereich von 450 bis
chen Schadstoffemissionen führen kann.
600 °C kann im praktischen Fahrbetrieb nicht ausrei-
Die bestimmenden Größen bei der katalytischen
chend gewährleistet werden, so dass motorseitige
Rußregeneration sind die Abgastemperatur und die
aktive Maßnahmen ergriffen werden müssen. Unter
Konzentrationen des O2 und des NO2. Jedoch kann
zusätzlicher Beachtung des Zustands des Rußes im
die Rußregeneration noch durch weitere Parameter
Filter, der O2-Konzentration im Abgas und des Ab-
beeinflusst werden:
gas-Volumenstroms kann die vollständige Rußrege-
• Abgastemperatur neration unterschiedlich schnell erzielt werden. Hier-
• Sauerstoffgehalt des Abgases (O2, NO2) bei steigt die Geschwindigkeit des Rußabbrands mit
• Brennbare Restbestandteile des Abgases der Temperatur, dem Anteil angelagerter Kohlenwas-
• Abgasmassenstrom serstoffe („feuchter Ruß“), der O2-Konzentration und
• Partikelzusammensetzung, zum Beispiel Masse mit der Abnahme des Abgas-Volumenstroms. Bild
der angelagerten HC’s 21-114 zeigt insbesondere, wie gegebenenfalls vor-
• Partikelcharakteristik (zum Beispiel Möglichkeit handene HCs, die allerdings nicht in der flüssigen
zur Bildung von aktiven O2-Zentren). Phase vorliegen dürfen, durch exotherme Reaktionen
890 21 Abgasemissionen

10 C+O2 thermisch
9 C+O2 katalytisch
8 Temperaturerhöhung II
7 NO-Oxidation
6 C+NO2
5 Temperaturerhöhung I
4 Motoröl-Oxidation
3 Motoröl-HC flüssig
2 Kraftstoff-Oxidation
1 flüssiger Kraftstoff
Bild 21-122 Temperatur-
0 100 200 300 400 500 600 700 bereiche der Rußregeneration
Abgastemperatur °C [ENGELHARD]

den Rußabbrand begünstigen können. In diesem Fall [3] Hinds, W. C.: Aerosoltechnology John Wiley, 1989
[4] Siegmann, K.: Soot Formation in Flames. J. Aerosol Scie. 31,
liefert die katalytische Verbrennung des SOF-Anteils
Suppl. 1
die zur Zündung des Rußes notwendige Aktivie- [5] ACEA-Programme on the Emissions of Fine Particles from
rungsenergie. Passenger Cars, Dezember 1999
Der katalytische Rußfilter muss hinsichtlich eines [6] Wichmann, E.; Peters, A.: Epidemiological evidence of the
effects of ultrafine particle exposure, The Royal Society,
unkontrollierten Abbrands, der bei zu hohen Massen- 10.1098/rsta.2000.0682, Phil. Trans. R. Soc. Lond. A (2000)
beladungen brennbarer Bestandteile im Filter, also 358, 2751 – 2769
Ruß und angelagerten HC’s auftreten kann, besonders [7] Mayer, A. et al.: Particulate Traps for Retro-Fitting Construction
geschützt werden, da die Beschichtung Temperaturen Site Engines VERT: Final Measurements and Implementation.
SAE 1999-01-0116
>1.000 °C nicht standhält. Allerdings sind hier den [8] Geprüfte Partikelfiltersysteme für Dieselmotoren, Vollzugsunter-
Werkstoffen des wanddurchströmten Filters ebenfalls lagen Suva/BUWAL Schweiz, http.//www.BUWAL.ch/Projekte/
Grenzen gesetzt, auch im Hinblick auf mögliche Luft/Partikelfilter/d/Index.htm
örtliche Temperaturdifferenzen, wie sie durch einen [9] Ebener, S. et al.: Parallele Reduktion von Partikel und NOx – ein
neues Abgasnachbehandlungskonzept. Wiener Motorsymposium
unkontrollierten Abbrand leicht entstehen, die zu 2001
Rissbildung des Materials führen können. [10] Hardenberg, H.: Wickelrußfilter für Stadtomnibusse in der
Ein weiterer Aspekt bei der Verwendung katalyti- Erprobung im Verkehrsbetrieb, Der Nahverkehr 4/86
scher Rußfilter ist das Abgasgegendruckverhalten. [11] Baraket, M.: Das dynamische Verhalten von Faserfiltern für
feste und flüssige Aerosole, Dissertation ETH Zürich Nr.
Hier ist eine Abstimmung des Filtermaterials und der 9738/192
katalytischen Beschichtung notwendig: Der Zielkon- [12] Mayer, A. et al.: Passive Regeneration of Catalyst Coated
flikt besteht in einem hohen Filterwirkungsgrad bei Knitted Fiber Diesel Particulate Traps. SAE 960138
gleichzeitig hoher Regenerationsfähigkeit und mi- [13] Buck et al.: Gestrickte Strukturen aus Endlosfasern für die Ab-
gasreinigung. In: MTZ 56 (1995)
nimalem Abgasgegendruck. Der Filterwirkungsgrad [14] Dürnholz, M.; Krüger, M.: Hat der Dieselmotor im Pkw eine
kann sowohl durch die Filterparameter Porengröße, Zukunft? 6. Aachener Kolloquium Fahrzeug und Motortechnik,
Porösität und Porenstruktur, als auch durch die Art 1997
und Masse der aufgebrachten Katalysatorbeschich- [15] Kasper, M.: Ferrocene, Carbon Particles, and PAH, Dissertation
Nr. 12 725/1998. ETH Zürich
tung beeinflusst werden. [16] Europäisches Patent CRT EP 0835684
Im Betrieb wird der katalytische Filter durch Asche [17] Salvat, O.; Marez, P.; Belot, G.: Passenger Car Serial Applica-
aus dem Motoröl belastet. Für den Filterwirkungsgrad tion of a Particulate Filter System on a Common Rail Direct
positiv wirkt sich im Vergleich zu kraftstoffadditiv- Injection Diesel Engine. SAE Paper 2000-01-0473, PSA Peugeot
Citroen
gestützten Systemen allerdings aus, dass keine Asche
[18] Herzog, P.: Exhaust Aftertreatment Technologies for HSDI
aus dem Kraftstoffadditiv anfällt. Trotzdem muss das Diesel Engines. Giornale della „Associazione Tecnica dell’Auto-
System so ausgelegt werden, dass Motorölasche den mobile“, Torino, ATA vol. 53, n. 11/12/2000, p. 389.
Katalysator über angestrebter Laufzeit nicht in seiner [19] Jacob, E.: Einfluss des Motorenöls auf die Emissionen von
Funktion einschränkt. Dieselmotoren mit Abgasnachbehandlung. Wiener Motorsympo-
sium 2001
[20] Mayer, A. et al.: Particulate Trap Selection for Retrofitting Vehi-
Literatur cle Fleets based on Representative Exhaust Temperature Profi-
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21.6 Abgasnachbehandlung Dieselmotor 891

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22 Betriebsstoffe

Der Begriff Betriebsstoffe ist heute in der Auto- den betreffenden Kraftstoff die Massenanteile von
mobiltechnik als Dachbegriff für Kraftstoffe, Kohlenstoff und Wasserstoff, gegebenenfalls auch
Schmierstoffe, Kühlmittel und Hydraulikflüssigkeiten von Sauerstoff, bekannt sind. Er wird mit L bezeich-
gebräuchlich. Seine Behandlung beschränkt sich hier net und in kg/kg angegeben. Die Berechnung für
gezielt auf anwendungstechnische Gesichtspunkte. schwefelfreie Kohlenwasserstoffgemische ist nach
Auf eine Erörterung von Aufsuchung, Gewinnung folgenden Beziehungen vorzunehmen:
und Verarbeitung von Mineralöl- beziehungsweise
Syntheseprodukten wird daher verzichtet. O
L (22.1)
0,23
22.1 Kraftstoffe O 2,67 ˜ 0,01 C  8 ˜ 0,01 H2  0,01 O2 (22.2)
(Zur Kraftstoffchemie siehe auch Kapitel 14) Vorab sei Rechenbeispiel für SuperPlus:
hier kurz auf einige grundlegende Eigenschaften von
Kraftstoffen, die in der Normung nicht erscheinen, O 2,67 ˜ 0,01 C  8 ˜ 0,01 H2  0,01 O2
eingegangen, weil sie zu den Grundlagen der Verbren-
O 2,67 ˜ 0,847  8 ˜ 0,133  0,02
nung gehören. Eine Kenntnis der damit verbundenen
Zusammenhänge ist jedoch nicht unwichtig. O 2,261  1,064  0,02
O 3,305 kg
C/H-Verhältnis, Luftbedarf
und Luft-Kraftstoff-Verhältnis L = 3,305/0,23 = 14,369 kg Luft/kg Kraftstoff
Kraftstoffe bestehen im Wesentlichen aus Kohlen- (vergleiche Bild 22-1).
wasserstoffen mit den Elementen C und H. Die zu In Bild 22-1 sind für einige wichtige Kohlenwasser-
ihrer vollständigen Verbrennung erforderliche Min- stoffe und Kraftstoffe die Massenanteile von C und
destluftmenge L – der theoretische Luftbedarf – lässt H2 sowie O2, das daraus resultierende C/H-Verhältnis
sich berechnen, wenn aus einer Elementaranalyse für und der theoretische Luftbedarf angegeben.

Kraftstoff [% (m/m)]* [kg/kg]


C H O C/H L
Methan ~ 75,0 ~ 25,0 – ~ 3,0 ~ 17,4
Propan ~ 81,8 ~ 18,2 – ~ 4,5 ~ 15,8
Butan ~ 82,8 ~ 17,2 – ~ 4,8 ~ 15,6
n-Heptan ~ 84,0 ~ 16,0 – ~ 5,25 ~ 15,3
i-Oktan ~ 84,2 ~ 15,8 – ~ 5,33 ~ 15,2
Cetan ~ 85,0 ~ 15,0 – ~ 5,67 ~ 15,1
Xylol ~ 90,6 ~ 9,4 – ~ 9,64 ~ 13,8
Toluol ~ 91,3 ~ 8,7 – l10,5 ~ 13,6
Benzol ~ 92,3 ~ 7,7 – l12,0 ~ 13,4
Normalbenzin ~ 85,5 ~ 14,5 – ~ 5,9 ~ 14,9
Superbenzin ~ 85,1 ~ 13,9 ~1 ~ 6,1 ~ 14,6
SuperPlus ~ 84,7 ~ 13,3 ~2 ~ 6,5 ~ 14,4
Bild 22-1 C/H-Verhältnis und
Dieselkraftstoff ~ 86,3 ~ 13,7 – ~ 6,3 ~ 14,8 Luftbedarf [1]
* % (m/m) entspricht Massen-%

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


R. van Basshuysen, F. Schäfer (Hrsg.), Handbuch Verbrennungsmotor, ATZ/MTZ-Fachbuch,
DOI 10.1007/978-3-658-04678-1_22
22.1 Kraftstoffe 893

Das Verhältnis der tatsächlich der Verbrennung auflagen sowie durch Entwicklungen der Verar-
zugeführten Luftmenge zum theoretischen Luftbedarf beitungsprozesse in der Mineralölindustrie zu hoch-
nennt man Luft-Kraftstoff-Verhältnis (O). Bei Luft- komplexen Produkten geworden. Durch Zugabe von
überschuss – also O > 1 – arbeitet der Motor mit ma- Additiven mussten unter anderen die motorisch rele-
gerer (armer) Einstellung, bei Luftmangel mit O < 1 vanten Eigenschaften des Basisproduktes stark verbes-
mit fetter (reicher) Einstellung. Bei O = 1 spricht man sert werden. Additivierte Dieselkraftstoffe werden seit
vom stöchiometrischen Luft-Kraftstoff-Verhältnis. 1987 im Markt angeboten. Seit diesem Zeitpunkt
Die Höchstleistung erzielt ein Ottomotor mit kraft- entwickelten sich Dieselkraftstoffe und Heizöl in
stoffreichen Luftgemischen im Bereich von O = 0,85 unterschiedliche Richtungen. Darüber hinaus werden
bis 0,90, für niedrigen Verbrauch kann man bis zu seit 2004 auch sogenannte „Designerkraftstoffe“, zum
O = 1,1 abmagern, beim Ottomotor mit Direktein- Teil mit synthetischen Komponenten angeboten, die
spritzung bis über O = 2. Der Dieselmotor arbeitet insbesondere für hochentwickelte und zukünftige
prinzipbedingt mit Luftüberschuss und liegt im Voll- Motorenkonzepte geeignet sind. Der früher oft ver-
lastbereich bei O | 1,2 und im Leerlauf bei O > 8. wendete Begriff „Gasöl“ gilt anwendungstechnisch als
Man unterscheidet heute zwischen Kraftstoffen zur veraltet, obwohl er in der Raffinerietechnik intern für
Energieumsetzung in Verbrennungsmotoren, Treib- Mitteldestillate noch immer Verwendung findet.
stoffen zur Schuberzeugung in der Luftfahrt und
Brennstoffen für Heizzwecke. Sie können flüssig 22.1.1.1 DK-Komponenten
oder gasförmig sein. Die in Kraftstoffen chemisch und Zusammensetzung
gebundene Energie wird zunächst durch Verbrennung DK gehört zu den leichten Mitteldestillaten des
in Wärme und unmittelbar anschließend in derselben Erdöls. Er ist ein Gemisch aus vorwiegend paraffini-
Maschine in mechanische Arbeit umgesetzt. Der schen Kohlenwasserstoffen (Alkane), deren jeweilige
heute in den Medien und umgangssprachlich oft Anteile Einfluss auf das motorische Verhalten haben.
verwendete Begriff „Sprit“ ist seriös betrachtet unzu- Während früher vornehmlich Fraktionen aus der
lässig, da er eigentlich nur auf Spiritus (Ethylalkohol) atmosphärischen Destillation verwendet wurden,
zutrifft. Er stammt aus der Wirtschaftskrise nach dem kommen heute durch den ständig steigenden DK-
1. Weltkrieg, als zur Behebung der drastischen Ben- Bedarf vermehrt Crackkomponenten zum Einsatz. In
zinknappheit seitens der Monopolverwaltung für Bild 22-2 sind die Eigenschaften der für DK typi-
Branntweine „Kraftspiritus“ (Ethanol aus Kartof- schen Raffineriekomponenten aus der Destillation
feln = Sprit) vermehrt beigemischt werden musste. aufgeführt.
Zum weiteren Ausbau des Absatzes wurde 1925 die Die Eigenschaften der für DK typischen Raffinerie-
„Reichskraftsprit GmbH, Berlin“ gegründet, deren komponenten aus den heute zunehmend eingesetzten
Produkte Monopolin hießen und in Anteilen bis zu Crackverfahren sind in Bild 22-3 dargestellt.
65 % mit Benzin und/oder Benzol vermischt wurden. Der steigende DK-Bedarf führt zunehmend zu einer
Verschiebung unter den Kraftstoffsorten. Bild 22-4
22.1.1 Dieselkraftstoff (DK) zeigt das bisherige Verhältnis von Dieselkraftstoff
Dieselkraftstoffe liegen im Siedebereich von etwa (DK)- zu Ottokraftstoff (OK)-Verbrauch in Deutsch-
180 °C bis 380 °C und sind für den Betrieb von land. Der Anteil von DK am Gesamt-Mineralölver-
schnelllaufenden Dieselmotoren, insbesondere Fahr- brauch beträgt in Deutschland derzeit rd. 55 %.
zeugdieselmotoren (Pkw und Nkw), vorgesehen. Sie Neben konventionellem DK auf Basis Erdöl ist noch
bestehen aus rund 300 verschiedenen Kohlenwasser- eine Reihe anderer, synthetisch herstellbarer Stoffe
stoffen, die in Raffinerien mittels verschiedener Ver- zur Verbrennung in Dieselmotoren geeignet. Bereits
arbeitungsverfahren aus Erdöl der verschiedensten 1925 wurde die Fischer-Tropsch-Synthese entdeckt,
Provenienzen gewonnen werden. Während sie früher bei der zum Beispiel aus Kohle oder Naturgas zu-
relativ einfache Destillationsprodukte waren, sind sie nächst Synthesegas gewonnen wird. Daraus lassen sich
in den letzten Jahren durch die seitens der Motoren- dann mit Hilfe von Katalysatoren synthetische Koh-
hersteller stark gestiegenen Anforderungen, Umwelt- lenwasserstoffe herstellen, die zu Otto- oder Diesel-

Produktbezeichnung Dichte Siedebereich Cetan-Zahl


[kg/m3] [°C]
Kerosin 805 150 – 260 45
Leichtes Gasöl 840 210 – 320 55
Schweres Gasöl 860 200 – 400 55
Bild 22-2 DK-Komponenten
Vacuum-Gasöl 870 250 – 400 56
aus der Destillation [1]
894 22 Betriebsstoffe

Produktbezeichnung Dichte Siedebereich Cetan-Zahl


[kg/m3] [°C]
Hydrocracker 860 170 – 400 52
Thermische Cracker 857 180 – 400 40
Bild 22-3 DK-Komponenten
Katalytische Cracker 953 195 – 410 40
aus Crackverfahren [1]

Kraftstoff 1975 1980 1985 1990* 1995 1998 2000 2001 2002
DK 10.333 13.099 14.556 21.464 26.208 27.106 28.922 28.545 28.631
OK 20.174 24.463 23.131 31.779 30.306 30.281 28.807 27.948 27.195
DK/OK 0,5120 0,5400 0,6290 0,6970 0,8650 0,8950 1,0060 1,0210 1,0530
* ab 1990 Gesamtdeutschland
Bild 22-4 Verhältnis von Diesel- zu Ottokraftstoff-Verbrauch in Deutschland in Mio.-t [2]

kraftstoff raffiniert werden können. Das mit einem seit 2003 rund 5 % und ab Februar 2009 sogar 7 %
relativ schlechten Wirkungsgrad arbeitende Verfahren (V/V) FAME dem Dieselkraftstoff zugemischt. Im
wird heute nur vereinzelt angewendet. Zwei synthe- Kapitel 22.1.1.4 „Alternative DK“ wird hierauf noch
tisch hergestellte Produkte sind zumindest als Misch- näher eingegangen werden. Beim DK stehen die
komponenten für DK interessant, auch wenn sie nur Anforderungen aus Anwendungstechnik und aus
sehr begrenzt verfügbar sind, nämlich SMDS (Shell Produktion in starkem Widerspruch. Bild 22-5 zeigt,
Middle Distillate Synthesis) aus Naturgas gewonnen wie zum Beispiel Paraffinanteil, Dichte, Siedeende,
und XHVI (Extra High Viscosity Index), als Neben- Crackanteil und Schwefelgehalt jeweils vorteilige oder
produkt bei der synthetischen Schmierstoffherstellung nachteilige Eigenschaften entweder in der motorischen
in geringer Menge anfallend. Beide Produkte weisen Anwendung oder bei der Herstellung bewirken.
eine sehr hohe Cetan-Zahl mit >70 auf (vergleiche
„Zündwilligkeit“) und sind praktisch schwefelfrei. 22.1.1.2 Kennwerte und Eigenschaften
Wegen der hohen Herstellungskosten und der geringen Die an DK gestellten Mindestanforderungen sind in
Verfügbarkeit kommen sie nur als Mischkomponenten der DIN EN 590 festgelegt. Sie betreffen haupt-
für DK in Betracht. Seit geraumer Zeit wird auch aus sächlich Dichte, Zündwilligkeit (Cetan-Zahl), Siede-
Biomasse, unter anderen aus Rapsöl, sogenannter „Bio- verlauf, Kältebeständigkeit und Schwefelgehalt. Die
Diesel“ (FAME von Fatty Acyd Methyl Ester) durch Norm-Kennwerte von Dieselkraftstoffen und ihre
Veresterung mit Methanol hergestellt. Bedingt durch praktische Bedeutung zeigt Bild 22-6.
die Bioquotengesetzgebung in der EU und der darüber Der 1998 zwischen Automobil- und Mineralölin-
hinausgehenden nationalen Anstrengungen, werden dustrie bei der EU-Kommission gefundene Kom-

Kennwert Forderungen Vorteile Nachteile Nachteile


an Produktion für Anwendung für Anwendung für Produktion
Paraffinanteil Hoch Zündwilligkeit Kälteverhalten Kosten
Dichte Niedrig Abgasemission Motorleistung Ausbeute; Kosten
Verbrauch
Siedeende Niedrig Abgasemission Kälteverhalten Ausbeute; Kosten
Crackanteile Niedrig Zündwilligkeit Ausbeute; Kosten
Alterung
Schwefelgehalt Niedrig Emission Pumpenverschleiß Ausbeute; Kosten

Kennwerte-Bandbreite Schmal Abstimmung Ausbeute; Kosten

Bild 22-5 Anforderungen aus Anwendungstechnik und Produktion im Widerspruch [3]


22.1 Kraftstoffe 895

Kennwert Einheit Anforderungen Einfluss auf Fahrbetrieb


Dichte bei 15 °C [kg/m3] 820 – 845 Abgas/Leistung/Verbrauch
Cetan-Zahl – min. 51,0 Start- und Verbrennungsverhalten,
Cetan-Index – min. 46,0 Abgas- und Geräuschemission
Destillation Abgasemission/Ablagerungen
bis 250 °C [% (V/V)]* <65
bis 350 °C [% (V/V)] min. 85
95 % Punkt [°C] maximal 360
Viskosität bei 40 °C [mm2/s] 2,00 – 4,50 Verdampfbarkeit/Zerstäubung/
Schmierung
Flammpunkt [°C] über 55 Sicherheit
Filtrierbarkeit (CFPP) Kälteverhalten
15. 04. bis 30. 09. [°C] maximal 0
01. 10. bis 15. 11 und
01. 03. bis 14. 04. maximal –10
16. 11. bis 28.(29.) 02. maximal –20
Schwefelgehalt [mg/kg] maximal 10** Korrosion/Partikel/Katalysator
Polycyclische aromatische [% (m/m)] maximal 11 Abgasemissionen, Ablagerungen
Kohlenwasserstoffe
Fettsäure-Methylestergehalt [% (V/V)] maximal 5 Schmierfähigkeit
(FAME)
Koksrückstand [% (m/m)] maximal 0,30 Brennraumrückstände
Aschegehalt [% (m/m)] maximal 0,01 Brennraumrückstände
Wassergehalt [mg/kg] maximal 200 Korrosion
Lubricity (WSD 1,4) [μm] maximal 460 Verschleiß
bei 60 °C
* % (V/V) entspricht Volumen-%
** Schwefelgehalt in Deutschland seit Anfang 2003 maximal 10 mg/kg (Steuerpräferenzierung); ab 2009 verbindlich in der gesamten EU

Bild 22-6 DK-Mindestanforderungen nach DIN EN 590 und deren Bedeutung (Auszug) [1]

promiss für das sogenannte Auto-/Öl-Programm lassung einer höheren Menge an FAME als nach
(EPEFE/vergleiche 22.1.2.2) hatte folgende Ver- EN 590 gestattet. Vor diesem Hintergrund setzte der
änderung einiger umweltrelevanter Kennwerte der deutsche Gesetzgeber Anfang 2009 eine nationale
DIN EN 590 zur Folge (Bild 22-7). Dieselkraftstoffnorm (DIN 51628) in Kraft, die bis zu
Die Bestrebungen der deutschen Bundesregierung um 7,0 % FAME in Diesel erlaubt. Voraussichtlich Ende
einen erhöhten Anteil an Kraftstoffen aus nachwach- 2009 wird die europäische Norm angeglichen werden
senden Rohstoffen erforderte unter anderen die Zu- und dann die nationale Norm wieder ersetzen.

Kennwert Einheit DIN EN 590 Euro 3 Euro 4


(1993 – 1 9 99) (ab 2000) (ab 2005)
Schwefel (maximal) [mg/kg] 500 350 50
Cetan-Zahl (minimal) – 49 51 51
3
Dichte (maximal) [kg/m ] 860 845 845
T95 (maximal) [°C] 370 360 360
Polyaromaten (maximal) [% (m/m)] – 11 11

Bild 22-7 Ergebnis EU-Auto-/Öl-Programm für DK [1]


896 22 Betriebsstoffe

Neben diesen Normen hat die weltweite Automobil- Zündwilligkeit


industrie die sogenannte Fuel Charter (WWFC) Sie wird durch die Cetan-Zahl (CZ) gekennzeichnet.
erarbeitet, in der die Anforderungen an Kraftstoffe in Derzeit ist sie in der europäischen Norm auf mindes-
vier Qualitätsstufen festgelegt sind. In der Einhaltung tens 51,0 festgelegt. Die Motorenhersteller fordern
der höchsten Qualitätsstufe (Category 4) sieht die deren Erhöhung auf min. 55. Im Markt liegt sie heute
Automobilindustrie Potential für die Entwicklung bereits zwischen 51 und 56, vereinzelt sogar bis über
zukünftiger Motorenkonzepte. 60 (seit 2004), mit der Tendenz zu höheren Werten
im Sommerkraftstoff. Beim Winterkraftstoff muss
Dichte
teilweise auf die höhersiedenden Komponenten
Die Dichte ist eine wesentliche Kenngröße, da mit verzichtet werden, um ausreichende Kälteeigenschaf-
zunehmender Dichte der Energiegehalt je Volumen- ten zu sichern. Grundsätzlich gilt, dass die CZ der
einheit steigt. So steigt der Heizwert im normseitig einzelnen Fraktionen mit der Siedetemperatur an-
zulässigen Dichtebereich von 34,8 bis 36,5 MJ/l steigt. Für die Einleitung der Verbrennung des in die
(Mega Joule/Liter). Bei gleicher Einspritzmenge heiße Luft eingespritzten Kraftstoffs ist bekanntlich
steigt also mit zunehmender Dichte die dem Motor ein gewisser Zeitbedarf erforderlich – der Zündver-
zugeführte Energie, wodurch der Motor mehr Leistung zug. Diese Größe hängt neben der Motorkonstruktion
abgibt. Allerdings werden dann bei Volllast durch das und den Betriebsbedingungen ganz wesentlich von
fettere Gemisch die Abgasemissionen, besonders die der Zündwilligkeit des verwendeten DK ab. Die
Partikel, erhöht. Andererseits steigt mit abnehmender hierfür maßgebende Cetan-Zahl ist der volumetrische
Dichte der volumetrische Kraftstoffverbrauch. Die Anteil von Cetan C16H34 (n-Hexadecan), dem paraffi-
Motorenhersteller wünschen sich daher eine weitere nischen Bezugskraftstoff mit der CZ = 100, in einer
Einengung des Dichtebereiches in der Norm. Dies Mischung mit D-Methyl-Naphtalin C11H10, einer
würde aber den Einsatz der prinzipiell schwereren aromatischen Doppelringbindung und dem Bezugs-
Crackkomponenten begrenzen, womit die Verfügbar- kraftstoff mit der CZ = 0. Die CZ hat wesentlichen
keit bei ständig steigendem Bedarf deutlich einge- Einfluss auf den Verbrennungsablauf und damit auf
schränkt und die Herstellungskosten erhöht würden. die Abgas- und Geräuschemission. In Bild 22-8 ist
Als hilfreicher Ausweg aus diesem Zielkonflikt käme die Verbesserung des Verbrennungsverhaltens durch
die Einführung eines Dichtesensors im Tank in Be- Erhöhung der Zündwilligkeit dargestellt.
tracht, der die Kraftstoffzumessung entsprechend der Eine hohe CZ wirkt sich auch positiv auf das Startver-
dort gemessenen Dichte dosiert. Grundsätzlich liegt die halten und die Emission unverbrannter Kohlen-
Dichte bei Winter-DK niedriger als bei Sommer-DK, wasserstoffe (HC) aus. Da die natürlich gegebene CZ
und zwar zwischen fünf und zehn Einheiten. Der oft nicht ausreicht, muss sie durch Zugabe von organi-
Grund hierfür wird beim „Kälteverhalten“ behandelt. schen Nitraten, zum Beispiel Amylnitrat oder Ethyl-
Im modernen Motormanagement ist eine Dichtekorrek- Hexyl-Nitrat (EHN) erhöht werden. Die hierfür erfor-
tur, zumindest temperaturabhängig, vorgesehen. derliche Dosierung bleibt meist unter 0,1 % (V/V),

Verbesserte Diesel-Verbrennung durchverbesserte Zündwilligkeit

Zündwilligkeit = wesentliche DK-Eigenschaft

niedrig • Maß ist Zeit zwischen Einspritzbeginn und Selbstzündung


Cetanzahl

• Ausgedrückt als Cetanzahl, gemessen als relativer Vergleich


in genormtem Prüfmotor
hoch
• Gute Zündwilligkeit (geringer Zündverzug) = hohe Cetanzahl
Zylinderdruck

• Bessere
• Mindestanforderung DIN EN 590 CZ 49, ab 2000 min. 51
Energieumsetzung
• Besserer Kaltstart
Zündverzug • Saubereres Abgas • CZ (Zündverzug) kann u.a. durch Additivierung mit
• Leisere Verbrennung Zündbeschleuniger verbessert werden

Einspritz- Selbst-
beginn zündung

Zeitablauf [°KW]

Bild 22-8 Verbrennungsverhalten als Funktion der Zündwilligkeit


22.1 Kraftstoffe 897

lung des Kraftstoffs im Brennraum stören würde. Eine


DK- CZ CZ Gewinn
von der Fahrzeugindustrie angestrebte Einengung des
Muster ohne EHN mit EHN
Siedeverlaufs – wie zum Beispiel in Schweden bei
1 48,5 51,0 2,5 „Class 1“ (200 °C bis 290 °C) – würde die Verfügbar-
2 49,0 53,5 4,0 keit von DK erheblich einschränken, in Deutschland
um circa 40 % (V/V). Hieran ist insbesondere die
3 50,0 53,3 3,3 gewünschte Absenkung des Siedeendes schuld, die
4 51,3 53,0 1,7 verständlicherweise einige Probleme der Motorenher-
5 52,5 56,6 4,1 steller erleichtern würde.

6 55,4 58,0 2,6 Viskosität

Bild 22-9 CZ-Erhöhung durch EHN [12] Die Zähigkeit oder innere Reibung des DK nimmt
allgemein mit steigender Dichte zu. Sie darf den
vorgegebenen Mindestwert nicht unterschreiten, da-
wobei je nach Grundkraftstoff bis zu fünf Einheiten mit eine ausreichende Schmierung der gleitenden
Verbesserung erreicht werden können. In Bild 22-9 Teile des Einspritzsystems gewährleistet ist. Ist sie zu
ist die Wirkung von EHN in unterschiedlichen DK- hoch, so würde bei dem vorgesehenen Einspritzdruck
Mustern dargestellt, wobei das unterschiedliche die Tröpfchengröße ansteigen. Die Folge wäre eine
Ansprechen sichtbar wird. Der neben der Cetan-Zahl schlechtere Gemischbildung und damit schlechtere
in der Norm angegebene Cetan-Index CI wird er- Energieausnutzung, niedrigere Leistung und höhere
satzweise aus Dichte und Siedeverhalten errechnet. Rußemission. Die Viskosität nimmt mit ansteigender
Er korreliert nur bedingt mit der im Prüfmotor ermit- Temperatur zunächst rasch und dann langsamer stetig
telten CZ, weil er die heute durchweg verwendeten ab. Daraus folgt, dass eine erhebliche Aufheizung des
Zündbeschleuniger nicht darstellen kann. Die CZ- Dieselkraftstoffs im Tank, in den Kraftstoffleitungen
Bestimmung erfolgt im CFR- oder BASF-Prüfmotor und im Kraftstofffilter, wenn möglich durch kon-
durch Verändern des Verdichtungsverhältnisses H, struktive Maßnahmen, vermieden werden sollte.
beziehungsweise durch variable Drosselung der
Ansaugluft. Eine hohe CZ erfordert eine Absenkung Flammpunkt
des Verdichtungsverhältnisses beziehungsweise eine
Verminderung der Luftmenge. Für den Normwert ist Der Flammpunkt ist diejenige Temperatur, bei der
die Prüfung im CFR-Motor vorgeschrieben. Der sich Kraftstoffdämpfe durch Fremdzündung erstmals
BASF-Motor bewertet in der Regel um 1,5 Einheiten entflammen lassen. Er ist für die Beurteilung der
höher als der C/FR-Motor, die Messwerte müssen Feuergefährlichkeit und der daraus abzuleitenden
daher entsprechend korrigiert werden. Sicherheitsmaßnahmen im Lager- und Verteilungs-
system wichtig. In der dafür definierten Gefahrklasse
Siedeverlauf (Destillation) ist DK als A III – also wenig gefährlich (OK ist A I)
– eingestuft und muss deshalb im Flammpunkt über
Da Kraftstoffe ein Gemisch aus vielen Kohlen-
55 °C liegen. Schon geringe Vermischungen mit
wasserstoffen sind, haben sie keinen eigentlichen Sie-
Ottokraftstoff führen zu unzulässigen Unterschrei-
depunkt wie reine Kohlenwasserstoffe, sondern einen
tungen dieses Grenzwertes. Für Markenkraftstoffe ist
Siedebereich. Dieselkraftstoff beginnt bei etwa
sichergestellt, dass bei Lagerung und Transport selbst
180 °C zu verdampfen und endet bei etwa 380 °C.
geringe Vermischungen mit OK ausgeschlossen
Dieses Verhalten ist im Vergleich zum Ottokraftstoff
werden können. Wie gravierend sich eine Ver-
nicht so sehr von Bedeutung, weil im Dieselmotor die
mischung mit OK auswirkt, zeigt Bild 22-10. Bei der
Gemischaufbereitung unmittelbar im Brennraum er-
DK-Herstellung begrenzt der Flammpunkt übrigens
folgt.
die Verwendung von leichtflüchtigen Komponenten.
Die nach DIN EN 590 festgelegten drei Punkte,
nämlich bei 250 °C, 350 °C sowie der 95 % (V/V)
Kälteverhalten
Punkt charakterisieren lediglich den oberen Siede-
bereich. Ein zu großer Anteil an Hochsiedern, ins- Es beschreibt die Fließfähigkeit und Filtergängigkeit
besondere an Aromaten – also ein zu hohes Siedeende von DK. Die für DK wegen ihres guten Selbstzünd-
– würde die Tröpfchen im Einspritzstrahl vergrößern. verhaltens besonders geeigneten paraffinischen Koh-
Der dadurch ausgelöste erhöhte Zündverzug beeinflusst lenwasserstoffe haben bei abnehmender Temperatur
leider die unerwünschte Eigenschaft, Kristalle zu
den Ablauf der Verbrennung negativ, was zu höherem
bilden. Diese fallen aus und ballen sich zu einem
Geräusch und erhöhter Rußneigung führt. Andererseits wachsartigen „Gatsch“ zusammen. So beeinträch-
ist eine gewisse Leichtflüchtigkeit für das Kaltstartver- tigen sie die Pumpfähigkeit des Kraftstoffes und
halten vorteilhaft, während ein zu hoher Anteil an können das Kraftstofffilter verstopfen. Wenn es
Leichtsiedern eine Verdampfung unmittelbar an der einmal soweit gekommen ist, ist die Fahrbarkeits-
Einspritzdüse zur Folge hat, was die gezielte Vertei- grenze erreicht. Sie wird neben den fahrzeugtech-
898 22 Betriebsstoffe

Vermischung mit Ottokraftstoff führt zu Geografische Provenienz Schwefelgehalt


Flammpunktunterschreitung
Lage [% (m/m)]
0
Nordsee Allgemein 0,6 – 2,2
Flammpunktabsenkung °C

Brent 0,4
10
Mittlerer Iran schwer 1,7
20 Osten Arabien leicht 1,9
Arabien schwer 2,9
30 Afrika Libyen leicht 0,4
Nigeria 0,1 – 0,3
40 Südamerika Venezuela 2,9
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8
% Ottokraftstoff im Dieselkraftstoff Russland Sibirien 1,5

Bild 22-10 Auswirkung von OK in DK auf den Bild 22-11 Typische Schwefelgehalte einiger Rohöle
Flammpunkt [12]

nischen Merkmalen und den Fahrbedingungen we-


Neben dem im Dieselabgas vorhandenen Ruß, der im
sentlich von den Kraftstoffeigenschaften beeinflusst.
Verdacht steht, krebserregend zu sein, sind auch po-
In der DIN EN 590 dient die Filtrierbarkeit im CFPP-
lyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH)
Test als Kriterium für die Kältefestigkeit des DK.
vorhanden. Entsprechend der Analysenvorschrift
Neben dem CFPP (Cold Filter Plugging Point) setzen
werden aber nicht nur diese kritischen Substanzen als
die Markenanbieter unter anderen auch das Kriterium
„Partikel“ erfasst, sondern auch die aus dem Schwefel
der „beginnenden Paraffinausscheidung“ zur Be-
gebildeten Sulfate und das daran angelagerte Wasser.
stimmung des CP (Cloud Point), früher auch BPA
Dieser Anteil der Partikelmasse kann durch weitere
(Beginn der Paraffin-Ausscheidung) genannt, ein.
Absenkung des Schwefelgehalts reduziert werden.
Man hat so zwischen Sommer-DK und Winter-DK zu
Die Euronorm, EN 590, wurde daher in den letzten
unterscheiden. Zur Bereitstellung einer geeigneten
beiden Jahrzehnten immer weiter verschärft. Gegen-
Winterqualität werden „maßgeschneiderte“ Additive
über dem seit 1996 gültigen Euro-2-Grenzwert von
eingesetzt. Als besonders effektiv hat sich eine Kom-
maximal 0,05 % (m/m) erfolgte ab 2000 als Euro 3
bination aus Fließverbesserern und „Wax Anti Sett-
ling Additiven (WASA) erwiesen, wobei sich WASA eine Absenkung auf 350 mg/kg (350 ppm), dann ab
bereits im Lager- und Verteilungssystem vorteilhaft 2005 als Euro 4 auf 50 mg/kg (50 ppm).
auswirkt. Das Zusammenballen der Wachskristalle Durch die immer weitere Verbreitung von Oxida-
kann verhindert werden. In der Praxis erreichen tionskatalysatoren im Abgassystem von Dieselmotoren
einzelne Dieselsorten im Winter infolge optimaler stieg der Anteil des zu SO3 (Sulfat) umgesetzten
Kombination von Siedelage und Additivierung CFPP Schwefels deutlich an, so dass die Partikelemissionen
Werte von bis zu –33 °C und unterschreiten damit die zunahmen. Auch aus diesem Grund forderte die euro-
in der Norm geforderte Grenze von –20 °C deutlich. päische Fahrzeugindustrie (ACEA) eine noch weiter-
Die Kältebeständigkeit von Kraftstoffen wird euro- gehende Schwefelabsenkung. Die heutige Kraftstoff-
paweit entsprechend der jahreszeitlichen Anforderun- produktion wurde für diese verschärften Anforderun-
gen angepasst (siehe Bild 22-6). Ein ganzjährig gen immer weiter angepasst, was in den Raffinerien
besonders kältebeständiger Premiumkraftstoff wird zusätzliche kostenträchtige Anlagen und Arbeits-
im deutschen Markt seit 2007 angeboten. Sofern die schritte erforderlich machte. Die von Dieselkraftstoff
Fahrzeuge mit einer eingebauten Kraftstoff- verursachten SO2-Emissionen stellen durch die in den
Filterbeheizung ausgerüstet sind, lassen sich weitere letzten 30 Jahren in den Raffinerien durchgeführten
deutliche Verbesserungen erreichen. drastischen Entschwefelungsmaßnahmen kein Um-
weltproblem mehr dar. Eine deutliche Partikelre-
Schwefelgehalt duzierung ist nur in Verbindung mit entsprechenden
Erdöl enthält naturgemäß je nach Provenienz mehr oder Abgasnachbehandlungssystemen wie Partikelfilter
weniger Schwefel, wie aus Bild 22-11 hervorgeht. realisierbar, da die kritischen Partikelanteile durch die
Er liegt in chemisch gebundener Form vor und wird alleinige Absenkung des Schwefelgehaltes nicht
bei der Verbrennung zu >95 % zu gasförmigem wirksam reduziert werden, wie man aus Bild 22-12
Schwefeldioxid SO2 umgewandelt. Der verbleibende entnehmen kann.
Rest geht größtenteils in die Partikelmasse der Abga- Eine weitere Wechselwirkung besteht darin, dass
se ein. Er enthält schwefelige Säure und Sulfate. Als durch die für die Entschwefelung erforderliche Was-
Folge treten Korrosion und Abgasbelastung auf. serstoffbehandlung in der Raffinerie zwar die CZ
22.1 Kraftstoffe 899

„Kritische“ Partikelanteile werden durch Kraftstoff Heizwert Hu


niedrigen Schwefelgehalt nicht reduziert
[MJ/l] [MJ/kg]
Sulfat ca. 5 %
Wasser Dieselkraftstoff 35,7* 43,0*
Rapsölmethylester 32,7* 37,2*
Ottokraftstoff (Super) 30,8* 41,0*
Partikelemissionen

Sonstige
Ethanol 21,17 26,80
PAH
* Mittelwert

Bild 22-13 Vergleich der Heizwerte von DK mit


SOK, Ethanol und RME [12]
Gelten
Ruß als Krebs-
erreger
der Kennwerte der DIN EN 590 sei noch kurz auf
einige weitere interessante Kennwerte eingegangen.
max. 0,20 max. 0,05 Heizwert
Schwefel im Dieselkraftstoff (Gew.-%) Man unterscheidet zwischen dem oberen Heizwert
Ho, der die Verbrennungswärme des Kraftstoffs
Bild 22-12 Kritische Partikelanteile werden durch
einschließlich der Kondensationswärme des Wassers
weitere Entschwefelung nicht reduziert [12]
angibt und dem unteren Heizwert Hu, der tatsächlich
nutzbaren Wärmemenge. Für die Praxis ist nur Hu
wünschenswert erhöht wird, jedoch auf Kosten einer (nur noch Heizwert genannt) von Bedeutung. Er gibt
abgesenkten Dichte mit ihren zuvor beschriebenen Aufschluss über die Energiedichte. Während für
Folgen. wissenschaftliche Zwecke generell Hu in MJ auf die
Die in modernen Konzepten zur Abgasnachbehand- Masseeinheit kg bezogen wird, ist für die praktische
lung vorgesehenen SCR-Katalysatoren (mit Harn- Anwendung der auf die Volumeneinheit bezogene
stoff = AdBlue als Reduktionsmittel) sind sehr emp- Heizwert in MJ/l maßgebend. Daneben ist auch noch
findlich gegenüber Schwefel. Die Motorhersteller der Gemischheizwert für das Gemisch aus Luft und
fordern daher weltweit praktisch schwefelfreie Kraft- Kraftstoff interessant. Er hängt vom Heizwert des
stoffqualitäten mit einem S-Gehalt von weniger als Kraftstoffs und dem Luft-Kraftstoff-Verhältnis ab.
10 mg/kg, die schon seit Anfang 2003 im deutschen Für die Leistungsabgabe des Motors ist nicht der Hu
Markt flächendeckend auf freiwilliger Basis an- maßgebend, sondern der Gemischheizwert des zünd-
geboten werden. Die EU-Regelung fordert dies erst fähigen Luft-Kraftstoff-Gemisches. In Bild 22-13
mit dem 1. Januar 2009. In diesem Zusammenhang wird Hu von DK mit Superbenzin, Methanol und
sei noch an die bereits vor Jahrzehnten versuchsweise RME (Rapsölmethylester) verglichen.
eingesetzten „Rauchunterdrücker“ erinnert. Diese Es zeigt sich, dass DK einen um circa 15 % höheren
Additive, vornehmlich Bariumverbindungen (auch Energieinhalt als Super OK hat, während RME cir-
Mangan und Calcium), konnten die Partikelemissio- ca 9 % weniger als DK bietet. Bei Methanol muss
nen, die man damals noch nicht messtechnisch erfas- bekanntlich mit dem fast doppelten volumetrischen
sen konnte, nicht reduzieren, sondern lediglich den Verbrauch gerechnet werden. Interessant ist auch ein
optischen Eindruck einer Rauchminderung durch Vergleich der Heizwerte und Elementaranalysen
Aufhellung der Partikel (Maskierung) bewerkstelli- von drei verschiedenen Dieselkraftstoffen, wie er in
gen. In Ergänzung zu der Erläuterung der Bedeutung Bild 22-14 wiedergegeben ist. Daraus geht hervor,

DK-Probe Dichte/15 °C Elementaranalyse Heizwert


[kg/m3] [% (m/m)]
Ho Hu Hu
C H O [MJ/kg] [MJ/kg] [MJ/l]
A (kein FAME) 829,8 86,32 13,18 – 45,74 42,87 35,57
B (5% FAME) 832,31 85,86 13,12 – 45,55 42,70 35,43
C (7% FAME) 833,31 85,68 13,10 – 45,51 42,65 35,38
Bild 22-14 Heizwerte und Elementaranalyse handelsüblicher DK [12]
900 22 Betriebsstoffe

Probleme bei Dieselfahrzeugen, die durch Additive gelöst werden können

DIESEL

Niedrige CZ des DK Korrosion im Kraftstoffsystem Schaumbildung


stört Verbrennungsablauf stört Betriebsverhalten stört Tankvorgang

Zündbeschleuniger für hohen Korrosionsinhibitoren Schaumverhinderer (anti foam)


Cetanzahlbedarf des Motors verhindern Korrosion verhindert Schaumbildung

Düsenverkokung Schwefelarmer Diesel kann


stört Gemischbildung Pumpenverschleiß erhöhen

Detergents reduzieren Verschleißschutz schmiert


Bild 22-15 Additive lösen
Düsenverkokung Kraftstoffpumpen Probleme bei Dieselfahr-
zeugen [4]

dass sich auch bei etwas größeren Unterschieden in die die Oberflächen- beziehungsweise Grenzflächen-
der Dichte, wie zwischen Kraftstoff B und C der Fall, spannung verringern sollen. Meistens ist ihre Wir-
keine nennenswerten Unterschiede im Heizwert kung mit einem Dispersanteffekt gekoppelt. Sie
ergeben. haben die Fähigkeit, Fremdstoffe in einer Flüssigkeit
am Zusammenballen zu hindern. Als DK-Deter-
Koksrückstand gents/Dispersants ist eine Reihe von organischen
Er wird von den letzten 10 % der Destillationsmenge Substanzen geeignet und bewährt. Es sind dies Ami-
von DK durch Verschwelen ermittelt. Er enthält im ne, Imidazoline, Amide, Succinimide, Polyalkyl-
Wesentlichen organische und auch wenige anorga- Succinimide, Polyalkyl-Amine sowie Polyetherami-
nische Bestandteile. Es ergeben sich Hinweise auf die ne. Ihre Aufgabe ist es, Ablagerungen an den Ein-
Verkokungsneigung von DK an den Einspritzdüsen. spritzdüsen und im Brennraum zu vermindern bezie-
Da Zündbeschleuniger den Koksrückstand leicht hungsweise ganz zu verhindern. Ihr Einsatz ist für die
erhöhen können, ist seine Bestimmung nur bei unad- Aufrechterhaltung der Funktion der besonders fein
ditiviertem DK sinnvoll. Während die DIN EN 590 einspritzenden Düsen bei Direkteinspritzern und für
maximal 0,3 % (m/m) zulässt, sind in den handelsüb- die genaue Einhaltung der Pilot-Einspritzphase über
lichen DK deutlich niedrigere Werte festzustellen. Sie längere Laufzeit unerlässlich. Ihre Wirksamkeit mit
liegen durchschnittlich bei 0,03 % (m/m). Bezug auf den Nadelhub ist besonders wichtig. Eben-
so interessant ist die positive Wirkung dieser Additi-
22.1.1.3 Additive für DK ve auf die Partikelemission über der Laufzeit.
Additive sind Zusätze, die als Wirkstoffe die Eigen-
Korrosionsinhibitoren
schaften von Kraft- und Schmierstoffen verbessern
und üblicherweise in Konzentrationen im ppm-Be- Sie sichern durch Oxidationsinhibitoren und Me-
reich zugegeben werden. Bei ihrer meistens sehr talldeaktivatoren die Alterungsstabilität des DK, die
kostenintensiven Entwicklung geht es vor allem je nach Rohöl und Herstellungsverfahren recht unter-
darum, bei möglichst geringer Dosierung deutliche schiedlich ausfällt. Oxidationsinhibitoren (Antioxi-
Wirkung in der gewünschten Richtung zu erzielen, dants) verhindern den korrosiven Angriff des Luft-
ohne unerwünschte Nebenwirkungen in Kauf nehmen sauerstoffs. Zusammen mit den Metalldeaktivatoren
zu müssen. Die für DK in Betracht kommenden bilden sie mit Hilfe organischer Verbindungen einen
Additive wurden bereits bei der Beschreibung der auf der Metalloberfläche physikalisch oder chemisch
einzelnen Kennwerte und deren praktischer Bedeu- haftenden, katalytisch inaktiven Schutzfilm.
tung erwähnt, zum Teil auch eingehender behandelt.
Hier noch einige Ergänzungen. Bild 22-15 gibt die Lubricity-Additive
verschiedenen Probleme bei Dieselfahrzeugen wie- Dies sind Schmierfähigkeitsverbesserer, die dem DK
der, die durch Additive gelöst werden können. zugegeben werden, wenn infolge der starken Absen-
kung des Schwefelgehalts die Schmierung der me-
Detergent-/Dispersant-Additive chanisch hochbelasteten Teile der Einspritzpumpe
Detergents (Detergentien) sind seifenfreie, oberflä- durch den Kraftstoff selbst nicht mehr gewährleistet
chenaktive Netz- beziehungsweise Reinigungsmittel, ist. Ohne Additiv tritt schon nach kurzer Laufzeit ein
22.1 Kraftstoffe 901

hoher Pumpenverschleiß ein. Hiervon sind insbeson- Pkw-Dieselfahrer beim Tanken, können Aromastoffe
dere die kraftstoffgeschmierten Verteilereinspritz- eingesetzt werden. Allerdings wird die Effektivität
pumpen, Pumpe-Düse- und Common-Rail-Systeme solcher Maßnahmen gegensätzlich eingeschätzt. Die
betroffen. Bereits beim bis 1999 gültigen Grenzwert zunehmende Entschwefelung von Dieselkraftstoff hat
von 0,05 % (m/m) Schwefel trat Langzeitverschleiß inzwischen dazu geführt, dass zum Teil sehr milde
auf. Zur Messung des Verschleißschutzes benutzt riechende Kraftstoffe im Markt anzutreffen sind.
man den HFRR-Test (High Frequency Reciprocating
Wear Rig). Er simuliert den Gleitverschleiß in der Abbrennhilfen für Partikelfilter
Einspritzpumpe, wobei eine Kugel mit 6 mm Durch-
Für die Regenerierung neuerdings eingesetzter Parti-
messer unter konstanter Anpresskraft auf einer polier-
kelfilter wird in manchen Systemen zur Erleichterung
ten Stahlplatte unter Flüssigkeit gerieben wird. In der
des Abbrennens der im Filter gesammelten Partikel
DIN EN 590 ist ein Grenzwert (WSD) von 460 μm
ein metallhaltiges Additiv verwendet. Bei Versuchen
Verschleiß am Kugeldurchmesser bei 60 °C Prüftem-
hat sich unter anderen die Eisenverbindung Ferrocen
peratur festgelegt. Als Additive kommen Hochdruck-
als besonders wirksam erwiesen. Eine Zusammenfas-
additive als polare Verbindungen zur Anwendung.
sung der wichtigsten Additive für DK und ihrer
Enthält ein Dieselkraftstoff FAME, so kann auf die
Zweckbestimmung ist in Bild 22-16 zu finden.
Zugabe eines Lubricity-Additivs verzichtet werden.
Der HFRR wird bereits durch Zugabe von geringen
Marken Diesel Additivpaket
Mengen an FAME (unter 1 %) deutlich verbessert.
Führende Markenanbieter setzen seit 1987 Additiv-
Schaumverhinderer pakete zur Qualitätsverbesserung ein, die ständig auf
Das lästige Schäumen des DK beim Betanken kann neue Erfordernisse angepasst werden. Wesentlich ist
durch Schaumverhinderer (Anti-foam-Additive) weit- hier neben sogenannten Detergentadditiven, die die
gehend unterdrückt werden. Sie verändern unter Einspritzdüsen sauber halten, der Einsatz von soge-
anderen die Oberflächenspannung der Schaumbläs- nannten Zündbeschleunigern, die die Cetan-Zahl zum
chen, das heißt, sie lockern oder zerstören die zwi- Teil deutlich über die Mindestgrenze von 51,0 hinaus
schen ihnen liegenden Grenzschichten. Es handelt anheben. Hierdurch wird neben der Verringerung der
sich meistens um flüssige Silicone, die in sehr gerin- Geräuschemissionen auch das Betriebsverhalten bei
ger Menge (~0,001 %) dem DK zugegeben werden. Kaltstart, während des Warmlaufs und während des
typischen täglichen Fahrverlaufs weiter verbessert.
Geruchsverbesserer Ferner wurde der Schutz gegen den Verschleiß der
Um den eher penetranten Geruch von DK zu min- Einspritzsysteme weiter erhöht. Dieselkraftstoffe
dern, insbesondere wegen der Geruchsbelästigung der verschiedener Hersteller sind grundsätzlich mischbar,

DK-Additiv Wirkstoff Verbessert Kennwert Vorteil bei Anwendung


Zündbeschleuniger, organische Nitrate Cetan-Zahl Kaltstart, Weißrauch,
Verbrennungsver- zum Beispiel Ethyl-Hexyl- Verbrennungsgeräusch,
besserer Nitrat Abgasemission, Verbrauch
Detergents Amine, Amide, Succi- Düsensauberkeit, Verbrauch
nimide, Polyetheramine
Fließverbesserer Ethyl-Vinyl-Acetate Kälteverhalten Betriebssicherheit bei niedrigen
Temperaturen, dadurch Einsatz
von paraffinischen Komponenten
mit hoher CZ möglich
Wax-Antisettling Alkyl-Aryl-Amide Kälteverhalten Start, Kaltlauf, Lagerung
Lubricity Fettsäurederivate Pumpenverschleiß
Antischaum Siliconöle Tanken
Korrosionsschutz Ölsäure-Amide, Petroleum- Schutz des Kraftstoffsystems, bei
sulfonate, Aminoverbin- der Lagerung und im Fahrzeug
dungen

Bild 22-16 Zusammenfassung der wichtigsten DK-Additive und ihrer Zweckbestimmung [4]
902 22 Betriebsstoffe

allerdings kann dabei die jeweils ausgewogene Wir- der Motoren und der Motoröle erwies sich als erfor-
kung der Additive unter Umständen verloren gehen. derlich. Untersuchungen im Auftrag des Bundesmi-
nisteriums für Forschung und Technologie haben
22.1.1.4 Alternative Dieselkraftstoffe ergeben, dass die Masse der in Deutschland vorhan-
Jede Pflanze ist nachwachsender Rohstoff, Biomasse denen Dieselmotoren nicht unmittelbar für den Be-
genannt. Einige davon enthalten besonders viel ver- trieb mit Rapsöl geeignet ist. Die anwendungs-
wertbare Energie, wie zum Beispiel Zuckerrüben, technischen Probleme sind vor allem durch die hohe
Zuckerrohr, Weizen und Raps. Durch geeignete Um- Viskosität bestimmt, die zur Verkokung von Ein-
wandlungsverfahren kann aus diesen sonnengespeis- spritzdüsen und Kolbenringnuten führt, den Betrieb
ten Primärenergiequellen flüssige Sekundärenergie bei niedrigen Temperaturen erschwert und die Zer-
wie zum Beispiel Ethylalkohol (Ethanol) und Rapsöl stäubung des eingespritzten Kraftstoffs verschlech-
gewonnen werden. Außerdem kann man Biogas tert. Die dadurch bedingte schlechtere Verbrennung
erzeugen. Das aktuelle Interesse an solchen in Moto- führt – außer geringfügig beim NOx – zu deutlich
ren verwendbaren „Bio-Kraftstoffen“ hat mehrere erhöhten Schadstoffemissionen im Abgas. Hinzu
Gründe. Primär besteht die Forderung, die Abhängig- kommt die bekannte „Fritten“-Geruchsbelästigung
keit von fossilen Energiequellen wie Rohöl zu verrin- durch die Abgase, die eventuell durch Katalysatoren
gern. Durch den Einsatz von Biokraftstoffen kann gemildert werden könnte. Des Weiteren ist die Emis-
auch der CO2-Eintrag in die Atmosphäre über den sion von Aldehyden und polyzyklischen Aromaten
geschlossenen Kohlendioxidkreislauf verringert wer- (PAK) größer als bei DK. Weitere Probleme ergeben
den. Zusätzlich ergibt sich durch den Anbau von sich unter anderen durch mangelnde Stabilität, ge-
Energiepflanzen eine alternative Nutzungsmöglichkeit ringe Kältefestigkeit und schlechte Elastomerver-
für die in der europäischen Landwirtschaft aufgrund träglichkeit. Darüber hinaus können die enthaltenen
der Überproduktion stillgelegten Anbauflächen. Zur Glyceride/Glycerine zu erheblichen Ablagerungen im
Erleichterung dieses Weges sieht die EU entsprechen- Bereich der Einspritzdüsen und der Brennräume
de Steuerbegünstigungen für Bio-Kraftstoffe vor. beitragen. Für eine allgemeine Anwendbarkeit von
Die gezielte Minderung der Treibhausgasemissionen Rapsöl in modernen Motoren ist seine generelle
ist derzeit vorrangig zu sehen. Diese Gase, hier haupt- Umwandlung erforderlich. Dies kann entweder durch
sächlich Kohlendioxid (CO2), werden als Ursache für Veresterung zu RME (Rapsöl-Methylester) erfolgen,
Klimaveränderungen angesehen. Neben den seit jeher durch Hydrocracken in der Raffinerie in Mischung
vorhandenen natürlichen Emissionsquellen für CO2 mit Kohlenwasserstoff-Raffinerieprodukten oder aber
stehen die aus jeglicher Verbrennung fossiler Energie- durch Hydrieren der Pflanzenöle selbst (HVO). Für
träger herrührenden CO2-Emissionen im Blickpunkt. DK aus PME (Pflanzenöl-Methylestern) allgemein
Als derzeit für den Dieselbetrieb grundsätzlich geeig- sind die in Bild 22-17 zusammengestellten wichtigs-
neter Bio-Kraftstoff stehen Ölsaaten wie Rapsöl als ten Mindestanforderungen zu beachten.
Ausgangsprodukt für Bio-Diesel im Vordergrund. Die Umesterung von Rapsöl erfolgt über Methanol.
Durch die Umwandlung werden im Wesentlichen die
Bio-Diesel Kälteeigenschaften, die Viskosität und die thermische
Seiner Anwendung liegt der Gedanke zu Grunde, Stabilität verbessert. Außerdem werden unerwünschte
dass bei dessen Verbrennung jeweils nur so viel CO2 Nebenbestandteile entfernt. Damit eignet sich RME
entsteht, wie beim Wachstum der Pflanze aus der deutlich besser als alternativer Kraftstoff für Diesel-
Luft entnommen wird. Man spricht hier idealisiert motoren als reines Rapsöl. Für die Umwandlung
von einem geschlossenen CO2-Kreislauf, ohne Anhe- muss allerdings zusätzliche Energie aufgewendet
bung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. werden, was die energetische Bilanz von RME ge-
Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen genüber dem reinen Rapsöl ungünstiger gestaltet. Das
werden, dass landwirtschaftlicher Anbau und Um- als Kraftstoff eingesetzte RME muss die Anforderun-
wandlung der Biomasse Energie erfordern. Hinzu gen der DIN EN 14214 erfüllen. Daneben ist fahr-
kommt, dass Bio-Kraftstoffe sehr kostenintensiv sind. zeugseitig noch die Elastomerverträglichkeit sicher-
Bei der Betrachtung der Kosten je Tonne CO2- zustellen. In den einschlägigen Emissionstests weist
Absenkung für verschiedene Kraftstoffe aus Biomas- RME gegenüber DK niedrigere Partikel-, PAK-, HC-
se beziehungsweise Präventivmaßnahmen zeigt sich, und CO-Emissionen auf. Höhere Emissionen sind für
dass andere Maßnahmen, wie zum Beispiel Wärme- NOx und Aldehyde festzustellen. Nachteilig sind
dämmung und Windkraft, wesentlich kostengünstiger ferner geringere Leistung, höherer volumetrischer
sind. Die Eignung von Rapsöl als Ausgangsstoff für Verbrauch und deutlich höhere Herstellungskosten.
die motorische Verwendung ist in ausgedehnten So erfordert RME erhebliche staatliche Subventionen,
Versuchen nachgewiesen worden. Es stellte sich um zu Gleichpreisigkeit an der Tankstelle zu gelan-
schnell heraus, dass reines Rapsöl nicht ohne Weite- gen. Ohne Subventionen liegen die Herstellungskos-
res angewendet werden kann. Eine mehr oder weni- ten von RME im Vergleich zu DK derzeit um etwa
ger umfangreiche Anpassung der Kraftstoffsysteme, den Faktor 2 bis 3 höher. Die wichtigsten Kennwerte
22.1 Kraftstoffe 903

Eigenschaften Einheit Grenzwert Prüfverfahren


minimal maximal
Dichte bei 15 °C [kg/m3] 860 900 EN ISO 3675
2
Kinematische Viskosität bei 40 °C [mm /s] 3,50 5,00 EN ISO 3104
Flammpunkt [°C] 120 prEN ISO 3679
CFPP-Filtrierbarkeit [°C] DIN EN 116
15. 04. bis 30. 09. 0
01. 10. bis 15. 11 und –10
01. 03. bis 14. 04. –20
16. 11. bis 29. 02. –10
Schwefelgehalt [mg/kg] 10,0 prEN ISO 20846
Cetan-Zahl – 51,0 EN ISO 5165
Aschegehalt (Sulfatasche) [% (m/m)] 0,02 ISO 3987
Wassergehalt [mg/kg] 500 EN ISO 12937
Säurezahl [mg KOH/g] 0,50 EN 14110
Methanolgehalt [% (m/m)] 0,20 EN 14110
Phosphorgehalt [mg/kg] 10,0 EN 14107
Bild 22-17 Mindestanforderungen an Fettsäure-Methylester (FAME) für Dieselmotoren. Auszug aus DIN
EN 14214 [12]

von RME im Vergleich zum typischen DK sind in Methyl Esters) beigemischt werden. Vor dem Hinter-
Bild 22-18 wiedergegeben. Positiv ist dabei eine hohe grund einer EU-Biofuels-Richtlinie, die die Zugabe
Cetan-Zahl und die gegenüber reinem, schwefelfreien von bio-stämmigen Komponenten zu Kraftstoffen
Diesel bessere Schmierfähigkeit (HFRR). fordert und einer entsprechenden steuerlichen Sub-
Beim vorerwähnten, alternativen Weg der Verarbei- ventionierung, werden seit Ende 2003 Dieselkraft-
tung von Rapsöl durch Hydrocracken in der Raffine- stoff in Deutschland erst vereinzelt, seit 2005 jedoch
rie in Mischung mit Kohlenwasserstoff-Raffi- generell bis zu 5 % FAME beigemischt. Großen
nerieprodukten ist ebenfalls eine eindeutige Verbes- Anteil hieran hat das seit 2007 in Kraft befindliche
serung der Kennwerte in Richtung DK festzustellen. deutsche Bioquotengesetz. Im Vergleich zur EU-
Bild 22-19 zeigt die Eigenschaften von reinem Raps- Richtlinie fordert es höhere Bioanteile für alle Kraft-
öl und DK im Vergleich zu drei Kraftstoffen, die stoffe. Seit 2009 wird die Einhaltung einer Gesamt-
durch unterschiedliche Zugabe von Rapsöl zum quote gefordert, deren Einhaltung mit dem in EN 590
Vacuum-Gasöl mit anschließender Hydrierung im festgelegten maximal FAME-Gehalt von 5 % nicht zu
Hydrocracker hergestellt wurden. Hierbei bedeuten erreichen war. Daher wurde Anfang 2009 die natio-
R10, R20 und R30 den Rapsölanteil im Endprodukt. nale Dieselnorm DIN 51628 in Kraft gesetzt, die eine
Auffällig sind die graduelle Absenkung des Schwe- Beimischung von bis zu 7,0 % FAME gestattet.
felgehalts und die Verbesserung der CZ. Lt. Diesel- Analog kann Rapsöl auch in der Mitteldestillat-
Anforderungsnorm DIN EN 590 dürfen konventio- Entschwefelungsanlage (MDE) zugegeben werden.
nelle Dieselkraftstoffe bis zu 5 % FAME (Fatty Acid Bild 22-20 zeigt die Eigenschaften solcher Kraft-

Kraftstoff Zusammensetzung Dichte bei 15 °C Heizwert Hu Cetan-Zahl


[% (m/m)] [kg/m3] [MJ/l] (CFR)
C H O
RME (typisch) 77,2 12,0 10,8 880 32,8 51 bis 54
Diesel (typisch) 86,6 13,4 0,4 835 35,5 51 bis 55

Bild 22-18 Kennwertevergleich eines rapsölstämmigen FAME zu DK [12]


904 22 Betriebsstoffe

Kennwert Einheit DK DK-R10 DK-R20 DK-R30 Rapsöl


Dichte [kg/m3] 841,5 835,7 830,5 824,9 920,0
Schwefelgehalt [% (m/m)] 0,19 0,13 0,09 0,04 0,01
CFPP [°C] –9 –7 –5 –2 16
Cetan-Zahl – 54,5 59 63 66,5 41
Heizwert Hu [MJ/kg] 42,82 42,98 42,84 43,23 37,40
Viskosität/20 °C [mm2/s] 4,90 4,99 5,01 5,01 73,5
Bild 22-19 DK-Rapsöl-Mischungen (Rapsöl zum Vacuum-Gasöl/hydriert) [12]

stoffe mit 10 %, 20 % und 30 %. Rapsölanteil. Auch Beispiel bei dem 24 h Rennen in LeMans oder Mara-
hier ergeben sich Vorteile für den S-Gehalt und die thon-Rallyes kommt es daneben auf eine besondere
CZ sowie Nachteile im Kälteverhalten. Es zeigt sich, Sauberhaltung des Einspritzsystems an, um auch in
dass die Umesterung von Rapsöl zu RME insgesamt der Endphase der Veranstaltung noch maximale Leis-
das bessere Endprodukt liefert. Eine weitere Variante tungswerte zu erzielen. Herausfordernd ist in diesem
der Umwandlung von Pflanzenölen zu Kraftstoff ist Zusammenhang der Einsatz von ausgewählten alter-
die direkte Hydrierung. Die Endprodukte, sogenannte nativen/biogenen Komponenten, die heute in gewis-
Hydrierte Pflanzenöle (HVO) weisen ausgezeichnete sem Umfang verfügbar sind (zum Beispiel GTL,
anwendungstechnische Eigenschaften auf und sind hydrierte Pflanzenöle (HVO) oder raffinierte Fett-
daher hinsichtlich ihrer Beimischung zu konventio- säure-Methylester.
nellem Diesel nicht begrenzt.
Alkohol-DK-Mischungen
Ergänzend sei noch erwähnt, dass auch Dimethyl-
Ether (DME)(CH3)2O als Komponente für DK geeig- Die Verwendung von Methanol oder Ethanol allein
net ist. Er entsteht bei einem weiteren Verfahrens- als alternativer „DK“ weist prinzipielle erhebliche
schritt aus Methanol oder neuerdings direkt aus Erd- Nachteile gegenüber DK auf und macht erhebliche,
gas oder auch Synthesegas aus anderen Primärener- kostspielige Anpassungsmaßnahmen am Motor und
gien. DME wird derzeit – unter Druck verflüssigt – be- beim Kraftstoff erforderlich. So erfordert die Anpas-
sonders als Ersatz von FCKW als Treibgas in Sprüh- sung von Dieselmotoren an reinen Alkoholbetrieb
dosen verwendet. zum Beispiel die Anordnung einer zweiten Einspritz-
Abschließend sei festgestellt, dass die technische anlage für den Zweistoffbetrieb. Hierbei erfolgen
Machbarkeit des Rapsöleinsatzes als Alternativ-DK, Kaltstart, Leerlauf und Warmlauf mit DK, während
wenn auch mit erheblichem Aufwand, erwiesen ist. mit zunehmender Last und Drehzahl sukzessive Al-
Die Herstellungskosten sind allerdings prohibitiv kohol zugegeben wird. Andere Möglichkeiten beste-
hoch. Sein wirtschaftlich sinnvoller Einsatz ist letzt- hen in Zündhilfen mit Glüh- oder Zündkerzen. Auch
endlich über beträchtliche staatliche Subventionen chemische, dem Kraftstoff zugemischte Zündwillig-
möglich. Darüber hinaus ist aus Gründen der einge- keitsverbesserer, sind erprobt worden. Sie sind aller-
schränkten Verfügbarkeit von Kraftstoffen auf Pflan- dings teuer. Alkohole erfordern unter anderen wegen
zenölbasis nur die teilweise Substitution von fossilem ihrer geringen Zündwilligkeit und hohen Ver-
Dieselkraftstoff zu realisieren. dampfungswärme entsprechend aufwändige kraft-
stoffseitige Anpassungen. Nachteilig für den Betrieb
DK-Rennkraftstoff ist der deutlich niedrigere Heizwert (vergleiche
Heute werden auch für Hochleistungs-Dieselmotoren Bild 22-10), was zu geringerer Leistung und höherem
spezielle Rennkraftstoffe hergestellt, die durch ihre Verbrauch führen muss. Vorteilhaft sind insbesondere
Zusammensetzung die Leistungsabgabe des Motors die Abnahme der Partikel- und NOx-Emission. Mi-
fördern können. Bei Langstreckenrennen, wie zum schungen von Methanol oder Ethanol mit DK

Kennwert Einheit DK-R10* DK-R20* DK-R30*


Dichte [kg/m3] 836,7 832,1 827,5
Schwefelgehalt [% (m/m)] 0,13 0,09 0,04
CFPP [°C] –5 –4 –2
Cetan-Zahl – 58 63 69 Bild 22-20 DK-Rapsöl-
Mischungen nach Umfor-
Heizwert Hu [MJ/kg] 42,92 43,06 43,11 mung in MDE [12]
* %-Anteil Rapsöl in der MDE
22.1 Kraftstoffe 905

sind leichter anwendbar. Da jedoch Methanol und schleißschutz für das Einspritzsystem notwendig wird;
Ethanol bei Umgebungstemperatur praktisch nicht mit besonders kritisch sind hier moderne Hochdruckein-
DK mischbar sind, erfordert dieses Konzept den spritzanlagen. Gerade die Hersteller von modernen
gleichzeitigen Einsatz größerer Mengen von Lösungs- Hochdruckeinspritzanlagen lehnen den Einsatz von
vermittlern, zum Beispiel Ethylacetat. Aus Dreipha- Emulsionen in ihren Systemen ab. Des Weiteren muss
sen-Löslichkeits-Diagrammen für Methanol mit DK die mangelnde Langzeitstabilität der Emulsion insbe-
lassen sich die Bereiche stabiler Mischungen ablesen. sondere bei niedrigen Temperaturen durch Additive
Die Alkoholkonzepte sind technisch erprobt, jedoch ausgeglichen und dem Befall von Mikroorganismen
bei der heutigen Kostenstruktur und steuerlichen entgegengewirkt werden. Zusammen mit dem erforder-
Belastung nicht wettbewerbsfähig. Ein nicht zu unter- lichen Emulgator entstehen zusätzliche Kraftstoffkos-
schätzender Nebenaspekt ist die Änderung der Gefah- ten, die für einen breiten Einsatz solcher Produkte
renklasse, wenn Dieselkraftstoff mit Alkohol versetzt bisher hemmend gewesen sind. Heutzutage vereinzelt
wird, wodurch sich der Flammpunkt und die Explosi- im stationären Einsatz und im Großmotorenbau (zum
onsgrenzen deutlich ungünstiger darstellen. Außerdem Beispiel Marinebereich).
gilt zu beachten, dass die gesamte Infrastruktur inkl.
der Fahrzeuge nicht für ein solches Produkt ausgelegt CNG in Dieselmotoren
ist, was sich unter anderen in möglichen Undichtigkei- CNG (Compressed Natural Gas; Methan) ist für den
ten aufgrund ungünstiger Elastomerverträglichkeit Fahrzeugeinsatz auf 200 bar komprimiertes Erdgas.
äußern kann. In Bild 22-21 sind die Stoffwerte von CNG im Ver-
gleich mit DK dargestellt.
DK-Wasseremulsion Man sieht, dass selbst bei 200 bar nur eine geringe
Die Einbringung von Wasser in den Verbrennungs- Energiedichte im Tank vorhanden ist. Die geringe
prozess bringt prinzipiell Vorteile. Insbesondere sinkt Zündwilligkeit von Methan macht eine Energiezufuhr
durch die Verminderung der Spitzentemperatur durch zur Entflammung im Dieselmotor erforderlich. Hier
den Innenkühlungseffekt bei der Verdampfung des kann das Zündstrahlverfahren mit zwei Kraftstoffen
Wassers die Bildung von Stickstoffoxiden. Die Was- in Betracht kommen. Trotzdem zieht man es vor, die
sereinbringung kann entweder mit Hilfe eines zweiten Dieselmotoren der Stadtbusse auf Ottomotoren um-
Einspritzsystems oder durch DK-Wasser-Emulsionen zurüsten, auch um die Vorteile der einfacheren Kraft-
erfolgen. Während der erstere Weg einen erheblichen stoffbevorratung (Monofuel) zu nutzen. So wurden
baulichen Aufwand an Motor und Fahrzeug erfordert, Zylinderkopf und Kolben geändert, die Einspritzdüse
aber der wirkungsvollere Weg ist, sind DK-Wasser- durch eine Zündkerze ersetzt und an Stelle der Ein-
Emulsionen fahrzeugseitig wesentlich einfacher zu rea- spritzpumpe eine Hochspannungszündung vorgese-
lisieren. Versuche haben ergeben, dass mit steigendem hen. Das Verdichtungsverhältnis wird von 17,5 : 1 auf
Wassergehalt zwar, wie erwartet, die NOx-Emissionen 11,0 : 1 reduziert. Der Einsatz derartiger Nfz-Kon-
und der Schwarzrauch deutlich reduziert werden, je- zepte in Ballungsgebieten ist vor dem Hintergrund
doch HC- und CO-Emissionen zunehmen. Der Anstieg der Emissionsvorteile durchaus sinnvoll. Inwieweit
der HC-Emission kann besonders im niedrigen Lastbe- sich dieses Konzept jedoch auf breiter Basis durch-
reich stark ausgeprägt sein, so dass die Vorteile bei der setzten kann, ist, bedingt durch den höheren Energie-
Partikelemission mehr als aufgezehrt werden können. verbrauch gegenüber dem Dieselmotor, fraglich.
Demnach würden deutlich realistische Vorteile für
Emulsionen ein je nach Betriebspunkt variables Ver- Literatur
hältnis von DK zu Wasser erfordern, was mit einem zu [1] Reinauer, B.: Erdgas im schweren Nutzfahrzeug am Beispiel des
großen Aufwand verbunden wäre. Insoweit wäre ein ECONIC, IAV 3. Tagung Gasfahrzeuge, Berlin, 18. Sept. 2008
[2] Werner, M.; Wachtmeister, G.: Dimethylether – Dieselalter-
erfolgreicher Einsatz von Emulsionen eher in stationä- native der Zukunft. In: MTZ 07. – 08.2010
ren Motoren zu suchen. DK-Wasseremulsionen sind [3] Esch, T.; Funke, H.; Roosen, P.; Jarolimek, U.: Biogene Auto-
auch kraftstoffseitig teurer, weil zusätzlicher Ver- mobilkraftstoffe in der allgemeinen Luftfahrt. In: MTZ 01.2011

Stoffwert DK CNG
Aggregatzustand im Tank flüssig gasförmig
Druck im Tank Atmosphäre 200 bar
Dichte 830 kg/m3 170 kg/m3
Heizwert Hu Volumen 34,7 MJ/l 7,2 MJ/l
Bild 22-21 Stoffwerte von
Heizwert Hu Masse 42,0 MJ/kg 47,7 MJ/kg CNG im Vergleich zu DK [1]
906 22 Betriebsstoffe

Komponente Dichte Oktanzahlen E 70* E 100**


Einheit [kg/m3] MOZ ROZ % (V/V) % (V/V)
Destillatbenzin 680 62 64 70 100
Butan 595 87 – 94 92 – 99 100 100
Pyrolysebenzin 800 82 97 35 40
Crackleichtbenzin 670 69 81 70 100
Katalyt.Crack leicht 685 80 92 60 90
Katalyt.Crack schwer 800 77 86 0 5
Hydrocrack leicht 670 64 90 70 100
Full Range Reformat 94 780 84 94 10 40
Full Range Reformat 99 800 88 99 8 35
Full Range Reformat 101 820 89 101 6 20
Isomerisat 625 87 92 100 100
Alkylat 700 90 92 15 45
Polymerbenzin 740 80 100 5 10
Methyl-Tertiär-Butyl-Ether 745 98 114 100 100
Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether (ETBE) 751 105 118 –10 120
Methanol/TBA 1 : 1 790 95 115 50 100
Ethanol 789 96 115 0 100
* verdampfter Anteil bei 70 °C
** verdampfter Anteil bei 100 °C

Bild 22-22 Die wesentlichen OK-Komponenten [12]

22.1.2 Ottokraftstoff (OK) Explosionsgrenze von circa 1 % (V/V) und eine obere
von circa 8 % (V/V) Kraftstoff in Luft. Bei der Lage-
Ottokraftstoffe liegen im Siedebereich von etwa rung von OK bildet sich üblicherweise über dem
30 °C bis 210 °C und sind für den Betrieb von Otto- Kraftstoff ein sehr fettes Kraftstoff-Luft-Gemisch,
motoren, hauptsächlich im Fahrzeugsektor, vorgese- weit über der oberen Explosionsgrenze. Es ist durch
hen. Sie bestehen aus einer Vielzahl von Kohlen- Untersuchungen festgestellt worden, dass bei Kraft-
wasserstoffen, die als Grundbenzin in Raffinerien stoffen mit minimalem Dampfdruck und geringer
mittels verschiedener Verarbeitungsverfahren aus Flüchtigkeit in Verbindung mit niedrigen Umge-
Erdöl der verschiedensten Provenienzen gewonnen bungstemperaturen die obere Grenze unter Umstän-
werden. Daneben enthalten sie geringe Mengen von den unterschritten werden kann, womit das Kraft-
anderen organischen Verbindungen und Additive. stoffdampf-Luft-Gemisch im Fahrzeugtank zündfähig
Der über viele Jahrzehnte verwendete Begriff VK für wäre.
Vergaserkraftstoff ist angesichts der heute allgemein
angewendeten Kraftstoffeinspritzung überholt. 22.1.2.1 OK-Komponenten und Zusammensetzung
Explosionsgrenzen OK gehört zu den leichtsiedenden Bestandteilen des
Von allgemeiner Bedeutung für OK sind die Explo- Erdöls. Er ist ein Gemisch von Reformaten, Crack-
sionsgrenzen. Sie beschreiben für Luft-Kraftstoff- benzinen (Olefinen), Pyrolyse-Benzinen, Iso-Paraf-
Dampf-Gemische die Grenzen, innerhalb derer bei finen, Butan, Alkylaten und sogenannte Ersatzkom-
Aktivierung einer Zündquelle eine schlagartige Ver- ponenten, wie Alkohole und Ether. In Bild 22-22 sind
brennung stattfindet. Man unterscheidet eine untere die wesentlichen Kennwerte wie Dichte, Oktanzahl
(wenig Kraftstoffdampf) und eine obere (viel Kraft- und Siedeverhalten der heute verwendeten Ottokraft-
stoffdampf) Grenze. Bei Konzentrationen sowohl stoff-Komponenten zusammengestellt. Besonders sei
unterhalb der unteren als auch oberhalb der oberen auf die Komponenten Methyl-Tertiär-Butyl-Ether
Grenze kann nach der Zündung keine Verbrennung (MTBE) sowie Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether (ETBE)
stattfinden. OK-Luftgemische haben eine untere hingewiesen, die zur Herstellung von SuperPlus er-
22.1 Kraftstoffe 907

Komponente Paraffine* Olefine Aromaten


Einheit % (V/V) % (V/V) % (V/V)
Destillatbenzin 94 1 5
Butan 100 – –
Pyrolysebenzin circa 20 circa 10 circa 70
Crackleichtbenzin circa 57 circa 40 circa 3
Katalyt.Crack leicht 61 26 13
Katalyt.Crack schwer 29 19 52
Hydrocrack leicht 100 0 0
Full Range Reformat 94 45 – 55
Full Range Reformat 99 38 – 62
Full Range Reformat 101 29 1 70
Isomerisat 98 – 2
Alkylat 100 – –
Bild 22-23 OK-Komponenten
Polymerbenzin 5 90 5 in der Elementaranalyse [12]
* einschließlich Naphthene

forderlich sind. Die in den 1980er Jahren eingesetzte Typische Komponentenanteile im Ottokraftstoff
Alkohol-Mischung aus Methanol und Tertiär-Butyl- aus deutschen Raffinerien
Alkohol (TBA) ist heute durch den Einsatz von Bio- Ersatzkomponenten
Ethanol abgelöst worden. Auf eine Behandlung der (Alkohole/Ether)
früher so wichtigen Bleiverbindungen als Klopfbrem-
sen, die die Kraftstoffforschung über Jahrzehnte
intensiv beschäftigt hatten, wird wegen des inzwi-
schen fast weltweiten Verbots ihrer Verwendung
verzichtet, da Bleiverbindungen toxisch sind.
Bild 22-23 zeigt die mit der FIA-Analyse (Fluores-
zenz-Indikator-Absorptionsverfahren) ermittelte ele- Crackbenzine
mentare Zusammensetzung der dargestellten Kompo- Reformat
nenten nach Paraffinen, Olefinen und Aromaten.
Über die verwendeten Größenordnungen der einzel-
nen Komponenten eines typischen OK aus deutschen
Raffinerien gibt Bild 22-24 Aufschluss. Zu etwa
Pyrolyse
gleichen Teilen werden hauptsächlich Reformat- und Benzin
Crackbenzine eingesetzt. Einen wesentlich kleineren Alkylat i-Pentan
Anteil haben alle übrigen Komponenten, ohne dass Butan

man auf jede einzelne verzichten könnte.


Ersatzkomponenten Alkohole und Ether Bild 22-24 OK-Komponenten in Deutschland [4]
Als Ausgleich für den durch das Verbleiungsverbot
eingetretenen OZ-Verlust wurden zusätzlich zu den Methanol und Ethanol sind in der Historie der Moto-
weiterentwickelten hochoktanigen klassischen Kom- risierung zu verschiedenen Zeiten und an verschie-
ponenten und den Alkoholen verschiedene Ether als denen Orten im Einsatz gewesen. Ihre Verwendung
prinzipielle neue OK-Komponenten gefunden. Es als alternative Kraftstoffe wird in Kapitel 22.1.2.3
handelt sich dabei um sauerstoffhaltige Kohlenwas- ausführlich behandelt. Ether zeichnen sich durch gute
serstoffverbindungen, in denen eine CH2-Gruppe Mischbarkeit mit OK ohne azeotrope Erhöhung der
durch ein Sauerstoffatom ersetzt ist. Für OK geeignet Flüchtigkeit bei geringer Wasserempfindlichkeit aus.
sind Ether mit mindestens fünf C-Atomen. In Auffällig sind die hohen Oktanzahlen und der nied-
Bild 22-25 sind die wichtigsten Stoffwerte für die als rige Dampfdruck. Wegen des gegenüber Methanol
Komponenten in Betracht kommenden Alkohole mit und Ethanol niedrigeren Sauerstoffgehalts hält sich
denen von Super-OK verglichen. auch die Absenkung des Heizwertes gegenüber
908 22 Betriebsstoffe

Bezeichnung Abkürzung Siede- Dichte Dampfdruck ROZ MOZ Heiz- Verdamp- O2-Gehalt
punkt 20 °C wert fungs-
Hu wärme
Einheit [°C] [kg/m3] [Kpa] [MJ/l] [kJ/kg] [% (m/m)]
Methylalkohol Methanol 64,7 791,2 32/81* 114,4 94,6 15,7 1170 49,93
Ethylalkohol Ethanol 78,3 789,4 17/70* 114,4 94,0 21,2 880 34,73
Isopropyl Alk. Isopropanol 82,3 775,5 14/72* 118,0 101,9 23,6 700 26,63
Sec.Butyl Alk. SBA 99 806,9 27,4 21,59
Isobutyl Alk. IBA 107,7 801,6 4/63* 110,4 90.1 26,1 618 21,59
circa circa
Tert.Butyl Alk. TBA 82,8 786,6 7/64* 26,8 589 21,59
105 95

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