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Aufladung von
Verbrennungsmotoren
Grundlagen, Berechnungen, Ausführungen
4. Auflage
Mit 348 Abbildungen
Helmut Pucher Karl Zinner
Berlin, Deutschland Augsburg, Deutschland
Springer Vieweg
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1975, 1980, 1985, 2012
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht
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Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk be-
rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann
benutzt werden dürften.
Das seit 1975 bislang in drei Auflagen erschienene Buch von Karl Zinner über die
Aufladung von Verbrennungsmotoren ist längst zu einem „Klassiker“ der Literatur
über die Aufladetechnik geworden. In Forschung und Entwicklung zu aufgeladenen
Motoren Tätige stützen sich auch heute noch auf den „Zinner“, wenn es um Fragen
der Grundlagen zur Aufladetechnik geht.
Wenn nunmehr nach 27 Jahren die 4. Aufl. erscheint – Karl Zinner ist 1991 ver-
storben –, so nicht, weil die von ihm beschriebenen Grundlagen der Aufladetechnik
keine Gültigkeit mehr besäßen, sondern weil sich die Welt des Verbrennungsmotors
und mit ihm die Aufladetechnik seither so enorm weiterentwickelt haben, dass deren
Behandlung in einem Fachbuch einer Neuausrichtung und so mancher Ergänzung
bedarf.
Neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Aufladung bei Großmotoren,
die, nicht zuletzt dank der Aufladung, inzwischen effektive Wirkungsgrade bis zu
55 % erreichen können, hat seit der 3. Aufl. insbesondere die Aufladung von Fahr-
zeugmotoren den größten Entwicklungsschub erfahren. So sind Nutzfahrzeug- und
Pkw-Dieselmotoren heute praktisch alle aufgeladen, und auch bei Ottomotoren setzt
sich dieAufladung immer weiter durch. Durch Downsizing, also die Darstellung einer
gewünschten Nennleistung durch einen Motor möglichst kleinen Hubvolumens, der
dazu entsprechend hoch aufgeladen werden muss, gelingt es bei Pkw-Motoren, den
Kraftstoffverbrauch und damit die CO2 -Emission immer weiter zu senken. Der Ein-
satz neuer Aufladetechniken, insbesondere der geregelten zweistufigen Aufladung,
macht es möglich, zusätzlich zur Steigerung von Wirkungsgrad und Leistungsdichte
auch die seit dem Erscheinen der 3. Aufl. drastisch verschärften Abgasgesetze zu
erfüllen. Da auch Großmotoren inzwischen immer strengeren Umweltauflagen zu
genügen haben, ihre bereits hohen Wirkungsgrade aber unbedingt erhalten bleiben
bzw. sogar noch weiter gesteigert werden sollen, werden derzeit auch für diese Mo-
torenkategorie zweistufige Aufladesysteme entwickelt. Entsprechend werden in der
vorliegenden Neuauflage neben den Grundlagen der Aufladung diese neuen Auflade-
techniken und Aufladestrategien behandelt und ihr Einfluss auf Kraftstoffverbrauch
und Abgasemission anhand praktischer Anwendungsbeispiele verdeutlicht.
Das Buch wendet sich auch in seiner 4. Aufl. in erster Linie an Ingenieurinnen und
Ingenieure, die sich mit Forschung, Konstruktion und Entwicklung von aufgeladenen
V
VI Vorwort
A m2 Querschnitt
AK m2 Kolbenfläche
AT m2 Turbinen (ersatz)querschnitt
ATeff m2 effektiver Turbinenquerschnitt
AW m2 Wandfläche
a – Anzahl der Kurbelwellenumdrehungen je Arbeitsspiel
a m/s Schallgeschwindigkeit
B s Beschleunigungswert
b m Breite
be g/kWh effektiver spezifischer Kraftstoffverbrauch
c m/s Absolutgeschwindigkeit
c0 m/s isentrope Ausströmgeschwindigkeit an der Turbine
cm m/s Meridiankomponente der Absolutgeschwindigkeit
cm m/s mittlere Kolbengeschwindigkeit
cp J/(kg · K) spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck
cu m/s Umfangsgeschwindigkeit
cu m/s Umfangskomponente der Absolutgeschwindigkeit
cv J/(kg · K) spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen
D m Durchmesser
D m Bohrung des Zylinders
g m/s2 Schwerebeschleunigung der Erde
HA kJ technische Arbeitsfähigkeit des Abgases nach dem Auslass
HZ kJ technische Arbeitsfähigkeit des Abgases im Zylinder
Hu kJ/kg Heizwert
h m geodätische Höhe
h J/kg spezifische Enthalpie
hsL J/ kg spez. isentrope Enthalpiedifferenz des Laders
hsT J/ kg spez. isentrope Enthalpiedifferenz der Turbine
ht kJ/kg spezifische technische Arbeitsfähigkeit
VII
VIII Formelzeichen und Abkürzungen
I A Stromstärke
i – Übersetzungsverhältnis
k – Koeffizient allgemein
k W/(m2 · K) Wärmedurchgangskoeffizient
L m Länge
L min kg/kg Mindestluftbedarf des Kraftstoffs, massebezogen
M Nm Drehmoment
Md Nm Drehmoment
mA kg ausgeströmte Masse
mB kg Kraftstoffmasse im Zylinder
mE kg eingeströmte Masse
mLZ kg Luftmasse im Zylinder
mZ kg Masse im Zylinder
ṁ kg/s Massenstrom
ṁB kg/s Kraftstoffmassenstrom
ṁLZ kg/s Luftmassenstrom je Zylinder
NOx g/kWh spezifische NOx -Emission
n – Polytropenexponent
n min−1 , s−1 Drehzahl
na min−1 Arbeitsspielfrequenz
nL min−1 Laderdrehzahl
nM min−1 Motordrehzahl
nP min−1 Propellerdrehzahl
PA kW/m2 Kolbenflächenleistung
Pe kW effektive Motorleistung
Pi kW innere (= indizierte) Motorleistung
PL kW Laderleistung
PT kW Turbinenleistung
p bar Druck
pA bar Abgasdruck
pE bar Einlassdruck
pe bar effektiver Mitteldruck
pi bar indizierter Mitteldruck
pr bar Reibmitteldruck
pL bar Ladedruck
pZ bar Zylinderdruck
pZmax bar maximaler Zylinderdruck
Q J Wärme
QB kJ zugeführte Verbrennungsenergie je Arbeitsspiel
QW kJ Wandwärme je Arbeitsspiel
q J/kg spezifische Wärme
R J/(kg · K) (spezifische) Gaskonstante
r – Reaktionsgrad
r kJ/kg Verdampfungsenthalpie
S J/K Entropie
Formelzeichen und Abkürzungen IX
(Griechische Buchstaben)
◦
γ Winkel
ε – Verdichtungsverhältnis des Motors
ε – Geschwindigkeitsverhältnis
ηA – Ausströmwirkungsgrad
ηe – effektiver Wirkungsgrad des Motors
ηi – innerer (= indizierter) Wirkungsgrad des Motors
ηm – mechanischer Wirkungsgrad des Motors
ηsT – isentroper Turbinenwirkungsgrad
ηsL – isentroper Laderwirkungsgrad
ηmL – mechanischer Wirkungsgrad des Laders
ηmT – mechanischer Wirkungsgrad der Turbine
ηmTL – mechanischer Wirkungsgrad des Turboladers
ηT – Turbinenwirkungsgrad
ηTm – mittlerer Turbinenwirkungsgrad
ηTL – Turboladerwirkungsgrad
ηTLK – Aufladewirkungsgrad
ηρ – Gütegrad des Ladeluftkühlers
κ – Isentropenexponent
λ – Luftverhältnis
λ W/(m · K) Wärmeleitzahl
λa – Luftaufwand
λf – Füllgrad
λl – Liefergrad
λs – Spülgrad
λV – Verbrennungsluftverhältnis
μ – Durchflussbeiwert
ν – Laufzahl der Turbine (= u/c0 )
π – Druckverhältnis
πL – Laderdruckverhältnis
πT – Turbinendruckverhältnis
◦
ϕ KW Kurbelwinkel
ϕ – relative Feuchte der Luft
– Druckziffer
– Durchflussfunktion
ρL kg/m3 Dichte der Luft
σth N/mm2 thermische Spannung
ψ J/kg spezifische Dissipation
kg · m2 polares Massenträgheitsmoment
ω s−1 Winkelgeschwindigkeit
1D eindimensional
3D dreidimensional
A Abgas
Formelzeichen und Abkürzungen XI
A Auslass
AGR Abgasrückführung
AL Auslassleitung
AÖ Auslass-Öffnet
AS Auslass-Schließt
ATL Abgasturbolader
AV Auslassventil
a Austritt
a außen
B Brennstoff, Kraftstoff
CFD Computational Fluid Dynamics
CVT Continuously Variable Transmission
const. konstant
D Düse, Leitrad
DWL Druckwellenlader
E Einlass
EL Einlassleitung
EÖ Einlass-Öffnet
ES Einlass-Schließt
e Eintritt
e effektiv
eq äquivalent
F Fahrzeug
FES Frühes Einlass-Schließen
ges gesamt
i innen, indiziert
HD Hochdruck
HDA Hochdruckabgas
HDL Hochdruckluft
HDL Hochdrucklader
HDT Hochdruckturbine
HDV Hochdruckverdichter
K Kolben
K Kühlmittel
KSM Kennfeld-stabilisierende Maßnahme
L Luft
L Lader
Lauf Laufzeit
LLK Ladeluftkühler
LP Ladepumpe
LTV Lufttaktventil
M Motor
m mechanisch
m mittel
m Meridiankomponente
XII Formelzeichen und Abkürzungen
max maximal
MCR maximum continuous rating
min minimal
ND Niederdruck
NDA Niederdruckabgas
NDL Niederdruckluft
NDL Niederdrucklader
NDT Niederdruckturbine
NDV Niederdruckverdichter
NEDC New European Driving Cycle
NOx Stickoxide
NT Nutzturbine
n nach
nenn Nenn-
OT Oberer Totpunkt
R Laufrad
red reduziert
ref Referenz
rev reversibel
SES Spätes Einlass-Schließen
SiC Siliziumkarbid
SiN Siliziumnitrid
Stau Stauaufladung
Stoß Stoßaufladung
s isentrop
sp Spalt
spül Spülung
T Turbine
TL Turbolader
t technisch
t total
th theoretisch
th thermisch
u Umgebung
u in Umfangsrichtung
v vor
UT Unterer Totpunkt
V Verdichter
VTG variable Turbinengeometrie
VÜ Ventilüberschneidung
W Wand
WG Wastegate
Z Zylinder
ZK Zwischenkühler
ZOT Zünd-OT, Totpunkt am Ende der Kompressionsphase
Inhalt
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
XIII
XIV Inhalt
8 Motorprozess-Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
8.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
8.2 Zylinderprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
8.3 Zustandsänderungen in den Gaswechselleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . 123
8.3.1 Nulldimensionale und eindimensionale Simulation . . . . . . . . 123
8.3.2 Dreidimensionale Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
8.4 Dynamischer Motorbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
Kapitel 1
Einleitung
In den vorangegangenen Auflagen wurde jeweils in der Einleitung zunächst der Frage
nachgegangen, ob auch in Zukunft in genügender Menge für Verbrennungsmotoren
geeignete Kraftstoffe zur Verfügung stehen würden. In der dritten Auflage (1985)
wird dazu festgestellt, dass seit 50 Jahren der Verbrauch von Erdöl und die Ent-
deckung neuer Erdölquellen sich ungefähr die Waage gehalten hätten. Wenngleich
dies bislang weitgehend immer noch zutrifft, so gehen doch die aktuellen Progno-
sen der Ölkonzerne dahin, dass in den Jahren 2020–2030 der weltweite Hochpunkt
der Erdölförderung (Peak-Oil) erreicht wird, unabhängige Experten halten diese
Situation sogar schon jetzt für gegeben [1, 2].
Auf Basis der Daten von 2008 wird die statische Reichweite der Erdöl-Reserven1 ,
d. h. unter Annahme eines gleich bleibenden jährlichen Verbrauchs, mit 41 Jahren
prognostiziert. Berücksichtigt man hingegen eine jährliche Wachstumsrate im Erd-
ölverbrauch von 2 %, beträgt die zugehörige dynamische Reichweite 31 Jahre. In
[3] wird unter Berücksichtigung der (konventionellen) Reserven und zusätzlich der
Ressourcen2 , jeweils vom Datenstand Ende 2004, eine statische Reichweite von ins-
gesamt 146 Jahren genannt, was bei jährlich 2 % Mehrverbrauch einer dynamischen
Reichweite von immerhin noch rund 70 Jahren entspricht.
Bezüglich Erdgas wird in [3], basierend auf dem Datenstand Ende 2004, die
statische Reichweite von Reserven plus Ressourcen mit 137 Jahren angegeben, was
unter der Annahme einer jährlichen Verbrauchszunahme von 2 % eine dynamische
Reichweite von rund 67 Jahren ergibt. Laut [4] schätzt die (deutsche) Bundesanstalt
für Geowissenschaften die statische Reichweite von Erdgas, auf Basis der Daten
von 2006, sogar auf 487 Jahre, was bei 2 % jährlicher Verbrauchszunahme einer
dynamischen Reichweite von 120 Jahren gleichkommt.
Demgemäß kann davon ausgegangen werden, dass auch zum Betrieb von Ver-
brennungsmotoren noch über viele Jahrzehnte Kraftstoffe aus fossilen Quellen
1
Reserven umfassen die sicher nachgewiesenen und mit bekannter Technologie wirtschaftlich
gewinnbaren Vorkommen in der Erdkruste [3].
2
Ressourcen sind Vorkommen, die noch nicht wirtschaftlich zu fördern sind oder die noch nicht
sicher ausgewiesen sind, aber aufgrund geologischer Indikatoren erwartet werden. Preissteigerun-
gen an den Weltrohstoffmärkten und neue Explorationsergebnisse können Ressourcen in Reserven
überführen [3].
auch von Politikern zu hören ist. Sofern der Strom für den Elektromotor aus einem
kalorischen Kraftwerk kommt, so konnte dieser allenfalls mit einem Wirkungsgrad
vergleichbar dem eines Verbrennungsmotors bereitgestellt werden und dabei sind
auch Abgasemissionen frei geworden. Wenn dieses zwar nicht auf den elektrischen
Strom aus erneuerbaren Energien, wie Wasserkraft, Wind und Sonne, zutrifft, so
bleibt auf alle Fälle aber das größte Problem der Elektrofahrzeuge bestehen, nämlich
das der Speicherung von elektrischer Energie in einem Fahrzeug. Da solche Energie-
speicher, in der Regel Batterien, sehr schwer und vor allem sehr teuer sind, verfügen
von Oberleitungen oder sonstigen Stromabnehmern unabhängige Elektrofahrzeu-
ge (Elektroauto) im Vergleich zu verbrennungsmotorisch angetriebenen Fahrzeugen
über sehr geringe Reichweiten, ihr entscheidender Nachteil. Dieser lässt sich über
einen als Range-Extender fungierenden, zusätzlich ins Elektroauto eingebauten Ver-
brennungsmotor etwas mindern. Dieser Verbrennungsmotor treibt dabei nicht direkt
das Fahrzeug an, sondern einen elektrischen Generator, der im Bedarfsfall für einen
ausreichenden Ladezustand der Fahrbatterie zu sorgen hat. Eine weiter gehende,
wenn auch relativ teure, Lösung des Problems der geringen Reichweite von Elek-
trofahrzeugen stellen die Hybridfahrzeuge dar. Diese verfügen sowohl über einen
elektrischen als auch über einen verbrennungsmotorischen Antrieb und ermöglichen,
wie alle elektrisch getriebenen Fahrzeuge, auch eine Bremsenergie-Rückgewinnung.
So kann ein Hybridantriebskonzept beispielsweise bei einem Stadtbus deutlich den
Kraftstoffverbrauch verringern, weil dessen Fahrprofil davon geprägt ist, dass er
in kurzen Abständen jeweils unter Bremsen in eine Haltebucht einfährt und kurz
darauf unter Beschleunigung wieder aus dieser ausfährt. Aus der beim Einfahren zu-
rückgewonnenen Bremsenergie kann ein Teil der beim Ausfahren aufzuwendenden
Beschleunigungsenergie gedeckt werden.
Das reine Elektrofahrzeug, insbesondere das Elektroauto, wird für den (emis-
sionsfreien!) Betrieb in Großstädten und als Fahrzeug für die tägliche Fahrt zur
Arbeitsstätte und zurück sicherlich seinen Stellenwert finden. Es ist aber nicht abzu-
sehen, dass es für einen Allround-Einsatz, als Stadtfahrzeug und für die Urlaubsreise
mit der ganzen Familie, geeignet sein wird, wie er mit Fahrzeugen mit verbren-
nungsmotorischem Antrieb oder auch mit Hybridantrieb heute Praxis ist. Erst recht
in allen anderen bisherigen Anwendungsbereichen des Verbrennungsmotors, zum
Antrieb von Nutzfahrzeugen (Lkw, Bus), von Lokomotiven auf nicht-elektrifizierten
Strecken, von Schiffen und von Fahrzeugen in der Landwirtschaft, im Bauwesen und
in der Bergwerkstechnik, wird der Verbrennungsmotor seine dominierende Stellung
behaupten können, und es wird bald nur noch aufgeladene Motoren geben. Allerdings
setzt dies voraus, dass kontinuierlich an der Weiterentwicklung des Verbrennungsmo-
tors gearbeitet wird, die in hohem Maße gemeinsam mit der Entwicklung alternativer
Kraftstoffe betrieben werden muss.
Entsprechend muss die Beschäftigung mit dem Verbrennungsmotor eine wichti-
ge Disziplin in der Ingenieurausbildung an Hochschulen und Universitäten bleiben.
Kaum eine andere Disziplin bietet Studierenden so sehr die Möglichkeit, ihr im
Studium erworbenes Grundlagenwissen zu Mathematik, Physik, Mechanik, Ther-
modynamik, Strömungslehre, Informationstechnik und Konstruktionstechnik im
4 1 Einleitung
Literatur
Die effektive Motorleistung Pe eines Verbrennungsmotors ergibt sich gem. Gl. (2.1)
Pe = ṁB · Hu · ηe (2.1)
VH = z · Vh (2.4)
cm = 2 · s · n M (2.8)
2.1 Zusammenhang zwischen Motorleistung und Aufladung 7
bereits dem Stand der Technik entsprechend festgelegt, so lässt sich die Motor-
nenndrehzahl nM nur noch in dem Maße zur Leistungssteigerung heranziehen,
als es gelingt, die oszillierenden Triebwerksmassen (Kolben, Kreuzkopf, Pleu-
el) umgekehrt proportional zum Quadrat der Drehzahlsteigerung zu verringern.
Dementsprechend müssten für eine Drehzahlsteigerung um 10 % die oszillierenden
Triebwerksmassen um rund 20 % verringert werden können.
Der Liefergrad λl (Gl. (2.3)) eines bestehenden Motors ist für die Nenndrehzahl
durch entsprechende Optimierung der Einlasskanal- und der Einlassventilgeometrie
in der Regel bereits soweit ausgereizt, dass er für eine nennenswerte Steigerung der
Nennleistung nicht mehr herangezogen werden kann. Gleichwohl bieten Ladungs-
wechselmaßnahmen, wie Variable Ventilsteuerzeiten und Variable Saugrohrlänge,
Möglichkeiten, nicht nur bei Nenndrehzahl, sondern im gesamten Drehzahlbereich
jeweils gewünschte (maximale) Liefergrade zu erreichen.
Der effektive Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors
ηe = ηi · ηm (2.9)
lässt sich steigern, wenn es gelingt, den inneren Wirkungsgrad ηi zu erhöhen – etwa
durch eine intensivierte Verbrennung –, und/oder durch einen erhöhten mechanischen
Wirkungsgrad ηm .
Über alle bis hierher diskutierten Einflussgrößen auf die Leistung eines gegebenen
Motors kann eine tendenzielle Steigerung der Nennleistung erreicht werden, auf
keinen Fall aber ihre Verdopplung. Diese und noch mehr lässt sich jedoch über eine
entsprechend hohe Dichte ρL der Luft vor Motoreinlass erreichen. Damit liegt die
Definition der Aufladung vor:
Alle Verfahren, die einem Verbrennungsmotor die Luft vor Einlass mit einer Dichte höher
als die der Umgebungsluft zur Verfügung stellen, können als Aufladung bezeichnet werden.
2.2.1.1 Fremdaufladung
Der Laderantrieb erfolgt über einen Hilfs- oder Elektromotor, wobei die Antriebs-
leistung nicht dem Energiehaushalt des aufzuladenden Motors entstammt. Diese
Aufladeart kommt vornehmlich bei Einzylinder-Forschungsmotoren zur Anwen-
dung, bei denen ein frei wählbarer Ladedruck fahrbar sein muss, unabhängig von
den momentanen Werten von Drehzahl und Abgasleistung des Motors. Bei der Dar-
stellung der Motorbetriebswerte eines fremdaufgeladenen Motors, insbesondere des
effektiven Wirkungsgrads bzw. des spezifischen Kraftstoffverbrauchs, ist darauf zu
achten, dass die „fremd gelieferte“ Laderleistung in der Auswertung berücksichtigt
wird. Im Falle der Nachbildung eines abgasturboaufgeladenen Motors ist über eine
Abgasdrosselklappe der Abgasgegendruck des Motors soweit anzuheben, bis dieser
und die mit angestiegene Abgastemperatur im Zusammenspiel mit dem eingestellten
Ladedruck einem gewünschten Wert für den Turboladerwirkungsgrad entsprechen –
s. Gl. (7.18).
2.2.1.2 Selbstaufladung
Darunter sind alle Aufladeverfahren zu verstehen, bei denen die Aufladeleistung aus
dem Energiehaushalt des Motors stammt, was auf die überwiegende Mehrheit der
Aufladeverfahren zutrifft.
Natürliche Aufladung Es kommt dabei kein Lader zum Einsatz, und auch die
Abgasenergie wird nicht genutzt.
Durch abgestimmte Rohrlängen des Saugsystems werden die darin ablaufenden
gasdynamischen Wellenvorgänge so beeinflusst, dass während der jeweiligen Ein-
lassphase der Motorzylinder vor deren Einlassorganen (Einlassventilen) ein Druck
2.2 Überblick über die verschiedenen Aufladeverfahren 9
anliegt, der oberhalb des mittleren Saugdrucks liegt. Da mit dem erhöhten Ein-
lassdruck auch eine erhöhte Luftdichte verbunden ist, stellt sich ein besonders
hoher Liefergrad ein, wofür sich der Begriff Natürliche Aufladung eingebürgert hat,
wenngleich es sich nicht um eine Aufladung im eigentlichen Sinne handelt.
Auf diese „Überdruckphase“ während der Einlassphase des Zylinders, welche bei
einem Viertaktmotor nur rund ein Viertel des Arbeitsspiels beträgt, folgt zunächst
eine „Unterdruckphase“ und dann ein Ausschwingen auf den mittleren Saugdruck
während der restlichen drei Viertel des Arbeitsspiels.
Für solche abgestimmten Saugsysteme sind auch die Bezeichnungen Resonanz-
aufladung und Schwingsaugrohraufladung in Verwendung. Sie kommen auch in
Kombinationen mit „echten“ Aufladesystemen, insbesondere mit der Abgasturboauf-
ladung, zum Einsatz – s. Abschn. 10.12.
Mechanische Aufladung Die mechanische Aufladung (Abb. 2.1) ist wie folgt
gekennzeichnet:
• Der Lader L wird („mechanisch“) von der Kurbelwelle des Motors angetrieben,
über ein Zahnrad- oder ein Riemengetriebe.
• Es erfolgt keine Abgasenergienutzung.
Meist sind Lader- und Motordrehzahl über ein festes Übersetzungsverhältnis i
miteinander gekoppelt, so dass gilt:
nL = i · nM (2.11)
• Der Lader L und die Turbine T arbeiten auf einer gemeinsamen Rotorwelle
und bilden zusammen den Abgasturbolader ATL, vielfach vereinfacht auch als
Turbolader TL bezeichnet.
• Der Abgasturbolader TL ist freilaufend, das heißt, die Turboladerdrehzahl nTL
und die Motordrehzahl nM sind nicht mechanisch gekoppelt; es besteht jedoch
eine thermodynamische Kopplung.
Druckwellenaufladung (COMPREX-Aufladung) Die kennzeichnenden Merk-
male der Druckwellenaufladung sind (Abb. 2.3):
• Der Druckwellenlader ist kein Verdichter, sondern nur ein rotierender Steuer-
schieber.
• Die Verdichtungsleistung wird aus der Abgasenergie des Motors entnommen,
durch direkte Energieübertragung vom Hochdruckabgas (HDA) auf die Nieder-
druckluft (NDL). Die Niederdruckluft wird dadurch zur Hochdruckluft (HDL),
welche zum Motoreinlass strömt. Das Hochdruckabgas verlässt nach der Ener-
gieübertragung auf die Einlass-Luft als Niederdruckabgas (NDA) das Zellenrad
und saugt dabei Niederdruckluft in das Zellenrad (s. Abschn. 11.4).
Verbundverfahren Von einem Verbundverfahren oder auch Turbocompound-
Verfahren spricht man, wenn ein abgasturboaufgeladener Motor über eine weitere
Abgasturbine (= Nutzturbine NT) verfügt, deren mechanische Leistung zusätzlich
zur effektiven Leistung der Motorzylinder als Nutzleistung zur Verfügung steht
(Abb. 2.4).
2.3 Resümee 11
2.2.2 Laderbauart
2.3 Resümee
Hier sollen nur die Anfänge der historischen Entwicklung behandelt werden.
3.1 Ottomotoren
Schon Gottlieb Daimler befasste sich mit der Aufladung seiner Motoren. Die Patent-
schrift des ihm erteilten Patents DRP 34 926 vom Jahre 1885 beginnt mit folgenden
Sätzen:
Bei diesem Motor kommen der Menge nach größere und von Verbrennungsrückständen
freiere Gemischladungen als bisher üblich zur Verwendung. Dies wird dadurch erzielt, dass
in dem Verbrennungsraum, in welchem nur auf jeden zweiten Hub eine Ladung und Verbren-
nung stattfindet, durch die auf der anderen Seite des Zylinders gebildete Pumpe zu obiger
Hauptladung auf jeden Hub je eine Ladung Gemisch oder Luft beigepresst wird.
Abb. 3.1 Aufgeladener Gas- bzw. Petroleummotor nach der Patentschrift DRP 34 926 von Gottlieb
Daimler (1885), Patentzeichnung (links) und Wirkschema (rechts)
den dabei starken Liefergradabfall benötigte. Dieser hing mit dem offensichtlich als
zu klein ausgelegten Einlassventil zusammen. Die Leistungssteigerung durch dieses
Aufladeverfahren scheint nicht groß gewesen zu sein, und Daimler selbst hat dieses
bald wieder aufgegeben.
Diese Misserfolge mögen mit ein Grund dafür gewesen sein, dass Aufladeversu-
che an Fahrzeugmotoren durch die Firma Daimler erst nach dem Ersten Weltkrieg
wieder aufgegriffen wurden, als die im Ersten Weltkrieg gewonnenen Erfahrungen
mit der mechanischen Aufladung von Flugmotoren auf Rennmotoren, später auch
auf Motoren für Sportfahrzeuge übertragen wurden [1].
1921 wurden die ersten Rennwagenmotoren mit „Kompressor“ in Automo-
bilrennen eingesetzt. Die Bezeichnung Kompressor hatte bei Ottomotoren im
Automobil und bei Dieselmotoren damals unterschiedliche Bedeutung. Beim Au-
tomobilmotor bedeutet diese Bezeichnung bis zum heutigen Tag „Lader“, beim
Dieselmotor bedeutete sie damals „Verdichter zur Erzeugung der Pressluft zur
Kraftstoffzerstäubung“.
Auf Grund der Erfolge mit den Rennmotoren wurden auch Tourenwagen mit
Kompressor-Motoren ausgerüstet, siehe das Beispiel nach Abb. 3.2. In diesem
Fall wurde der Kompressor (Lader) in Roots-Bauart mit lotrechter Welle über eine
Schaltkupplung und ein Getriebe von der Kurbelwelle aus angetrieben.
Die aufgeladene Leistung konnte nicht als Dauerleistung genutzt werden, son-
dern nur als vorübergehende Spitzenleistung für hohe Geschwindigkeiten und auf
Steigungen. Der Lader wurde dazu durch volles Durchtreten des Gaspedals über eine
3.2 Dieselmotoren 15
3.2 Dieselmotoren
Rudolf Diesel hat sich während der Entwicklungszeit seines Motors auch schon mit
der Aufladung befasst [2, 3]. Anfang 1896 reichte er als Zusatz zum Hauptpatent Nr.
67 207 eine Patentanmeldung ein, deren erster Anspruch lautet:
Eine Ausführung des in Patent Nr. 67 207 gekennzeichneten Verfahrens, bei welchem zwecks
mehrstufiger Kompression an dem Verbrennungsraum der Einzylindermotoren eine Vor-
kompressionspumpe mit Zwischenbehälter angeschlossen wird, wobei die Leistung durch
Verändern des Druckes in dem Zwischengefäß geregelt werden kann.
Das Patent wurde unter der Nummer DRP 95 680 mit Priorität vom 06.03.1896 erteilt.
In der Beschreibung wird erwähnt, dass die Luft im Zwischenbehälter gekühlt werden
kann – eine Form von Ladeluftkühlung.
Im Jahr 1896 wurde ein neuer Einzylindermotor konstruiert und gebaut, mit dem
Ende 1896 die Versuche aufgenommen werden konnten.
Bei diesem im Viertaktverfahren arbeitenden Kreuzkopfmotor (Abb. 3.3) war die
Kolben-Unterseite als Ladepumpe ausgebildet. Diese arbeitet im Zweitakt, so dass
16 3 Die Anfänge der Aufladung
dem Zwischenbehälter also nahezu doppelt so viel Luft zugeführt wird, wie der
Arbeitszylinder selbst ansaugen würde. Das verhältnismäßig kleine Saugventil und
das Druckventil der Unterseiten-Ladepumpe waren gesteuert, da Diesel automatische
Ventile wegen der (hohen) Drehzahl nicht für vorteilhaft hielt.
Diesel hatte gehofft, mit diesem Verfahren die indizierte Leistung anheben und
damit den Einfluss der mechanischen Reibung verringern zu können, denn diesen
hatte er bei seinen theoretischen Überlegungen zu gering eingeschätzt.
Tabelle 3.1 zeigt die Ergebnisse der an demselben Motor mit und ohne Ladepum-
pe durchgeführten Versuche. Die Drücke sind hier bewusst nicht in SI-Einheiten,
sondern in kp/cm2 angegeben, um die Original-Zahlenwerte übernehmen zu können.
Die Ursache des Misserfolgs dieses Aufladeverfahrens lag zwar im deutlich ge-
ringeren mechanischen Wirkungsgrad von jetzt nur noch 65 % gegenüber 75 % beim
Motor ohne Aufladung, was jedoch nicht etwa auf erhöhte Triebwerksreibung zu-
rückzuführen war, sondern auf die aufzubringende indizierte Arbeit der Ladepumpe.
3.2 Dieselmotoren 17
Tab. 3.1 Betriebswerte des Versuchsmotors 250/400 mit und ohne Ladepumpe (1896), Umrech-
nung: 1 kp/cm2 = 98066, 5Pa = 0,980665 bar
Motor 250/400 @ 170 min−1 Mit Ladepumpe Ohne Ladepumpe
2
pi,Arbeitszylinder kp/cm 9,6 6,5 . . . 7,0
pi,Ladepumpe kp/cm2 1,996 –
pr exkl. pi,LP kp/cm2 1,35 1,6–1,7
inkl. pi,LP 3,35
ηm exkl. pi,LP % 82 75,6
inkl. pi,LP 65
ηi % 24,0 31,9
ηe % 15,7 24,2
pe kp/cm2 6,25 4,9 . . . 5,3
Abb. 3.4 Indikator-Diagramm des Versuchsmotors 250/400 (1896), handschriftlicher Eintrag von
Rudolf Diesel
Diese war mit pi,Ladepumpe = 1,996 kp/cm2 viel zu hoch im Vergleich zum indi-
zierten Mitteldruck des Arbeitszylinders pi,Arbeitszylinder = 9,6 kp/cm2 (s. Abb. 3.4).
Weil das Volumen des Luftaufnehmers zu klein gewählt worden war, wurde beim
Expansionstakt des Arbeitszylinders, bei dem ja das Einlassventil des Arbeitszy-
linders geschlossen ist, die Luft im Luftaufnehmer bis auf 2,1 kp/cm2 Überdruck
aufgepumpt, wofür eine große Verdichtungsarbeit erforderlich ist. Hingegen wurde
beim Saughub des Arbeitszylinders, weil nun das Einlassventil des Arbeitszylin-
ders geöffnet ist, die Luft im Luftaufnehmer nur bis auf 1,1 kp/cm2 (Überdruck)
verdichtet (Abb. 3.5). Diese auf ein Arbeitsspiel des Arbeitszylinders entfallenden
beiden ungleichen Arbeitsprozesse der Vorverdichtung, mit den zugehörigen indi-
zierten Mitteldrücken von 1,094 kp/cm2 und 0,902 kp/cm2 , ergeben in Summe die
aufzubringende indizierte Arbeit der Ladepumpe pi,Ladepumpe = 1,996 kp/cm2 .
Diese Aufladeversuche wären erfolgreicher verlaufen, wenn man zusätzlich zur
Wahl eines größeren Luftaufnehmer-Volumens den Schadraum der Ladepumpe
und die Querschnitte ihrer Ventile größer ausgeführt hätte. Dass diese Maßnah-
men zum Erfolg führen, wurde durch die späteren Motoren mit Aufladung durch
Kolbenunterseiten-Ladepumpen bestätigt [4].
18 3 Die Anfänge der Aufladung
Abb. 3.6 Erster Otto-Flugmotor mit Abgasturbolader, Bauart Rateau a Eintritt Ansaugluft,
b Ladeluftleitung, c Ladeluftkühler, d Lader, e Abgasturbine, f Abgas-Austritt, g Druckvergaser,
h Abgasleitung, i Abblase-Regelventil
3.3 Flugmotoren
Bewährung [5]. Während die mechanische Aufladung mit Hilfe von Radialverdich-
tern über Getriebe, die zum Teil mit mehreren Schaltstufen, dann sogar stufenlos
regelbar ausgeführt wurden, auf einen sehr hohen Entwicklungsstand gebracht wur-
de, erreichte die Abgasturboaufladung von Otto-Flugmotoren erst kurz vor Beginn
des Zweiten Weltkriegs ihre Betriebsreife.
Der erste Zweitakt-Diesel-Flugmotor mit Abgasturboaufladung von Junkers
(Abb. 3.7) wurde 1939 in der praktischen Flugerprobung eingesetzt [6]. Zwischen
der Turbine und dem einstufigen Lader war ein schwach ins Schnelle übersetzendes
Getriebe geschaltet.
Die Entwicklung der Abgasturboaufladung für Dieselmotoren ist eng mit dem Na-
men und den Patenten des Schweizer Ingenieurs Alfred Büchi verknüpft. 1905 erhielt
Büchi ein Patent auf eine Maschinenanlage (DRP Nr. 204630), bei der ein mehrstu-
figer Axialverdichter, ein Viertakt-Dieselmotor und eine mehrstufige Abgasturbine
durch eine gemeinsame Welle miteinander verbunden sind (Abb. 3.8).
Die von außen angesaugte Luft sollte im Axialverdichter auf 3-4 bar verdichtet,
die Auspuffgase hinter dem Motor sollten auf den Expansionsenddruck im Zylin-
der, etwa 16 bar, aufgestaut werden. Hierdurch sollte die gesamte Arbeit gewonnen
werden, die sonst beim Verbrennungsmotor durch unvollständige Expansion verloren
geht. Dieser Gewinn ist auf dem von Büchi angegebenen Weg zwar theoretisch mög-
lich, dem Aufstauen bis auf den Expansionsenddruck stehen aber zwei praktische
Hinderungsgründe entgegen. Zum einen wird dadurch die Ausschiebearbeit stark er-
höht, womit ein großer Teil des Leistungsgewinns in der Turbine wieder aufgezehrt
wird, zum anderen vergrößert das Aufstauen – wenn keine besonderen Maßnahmen
getroffen werden – die Restgasmenge im Zylinder und verkleinert damit wesentlich
die Ladungsmenge. Auf die thermodynamischen Zusammenhänge wird in Kap. 7
näher eingegangen.
20 3 Die Anfänge der Aufladung
Die ersten Versuche führte Büchi in den Jahren 1911 bis 1925 in der Maschi-
nenfabrik Gebrüder Sulzer in Winterthur durch [7], wobei der Verdichter fremd
angetrieben war und die vom Abgas des Dieselmotors getriebene Abgasturbine ge-
trennt vom Motor gebremst werden konnte. Diese Grundlagenversuche führten zu
einem weiteren Patent Büchis (DRP Nr. 454107 von 1915), welches bereits dadurch
gekennzeichnet ist, dass nur die Turbine und der Lader eine gemeinsame Welle be-
sitzen und diese nicht mehr mit der Motorwelle gekoppelt ist. Der Motor verfügt
über eine Ventilüberschneidung, welche am Ende des Ausschiebehubs das Ausspü-
len der Restgase aus dem Zylinder ermöglichen soll, vorausgesetzt, dass ein positives
Druckgefälle vom Ladedruck zum Druck vor Turbine vorliegt.
Praktische Verwirklichung fanden die Verfahren Büchis erst nach dem Ersten
Weltkrieg, als im Jahre 1923 vom deutschen Verkehrsministerium zwei Passagier-
schiffe für den Ostpreußen-Dienst in Auftrag gegeben wurden [8, 9]. Jedes Schiff
verfügte über zwei Zehnzylinder-Viertaktmotoren, die von der Vulkan-Werft Stettin
in M.A.N.-Lizenz gebaut waren. Jeder Motor war mit einem von der Vulkan-Werft
Hamburg nach den Angaben Büchis gebauten Abgasturbolader ausgerüstet, der ge-
trennt vom Motor auf dem Flur aufgestellt war (Abb. 3.9). Vom Motor führte eine
einzige, nicht unterteilte Auspuffleitung zur Turbine. Durch eine Umschaltklappe in
der Auspuffleitung konnten die Abgasturbolader außer Betrieb gesetzt, die Motoren
also auch ohne Aufladung gefahren werden.
Bei dieser ersten erfolgreichen Anwendung der Abgasturboaufladung überhaupt
konnte die Motorleistung von 1750 PS auf 2500 PS, also um mehr als 40 % gestei-
gert werden. Man gewann auch die wichtige Erkenntnis, dass der Turbolader sich
selbst regelt. Man musste aber auch feststellen, dass aufgrund des zu geringen Wir-
kungsgrads des Abgasturboladers das für die Ausspülung der Restgase erforderliche
positive Spülgefälle im überwiegenden Betriebsbereich des Motors gar nicht erreicht
wurde.
Dieses letztgenannte Problem konnte durch die Merkmale des Patents gelöst
werden, welches Büchi für das so genannte Druckwellenverfahren im Jahre 1925
3.4 Die Anfänge der Abgasturboaufladung 21
anmeldete (Schweizer Patentschrift Nr. 122664 und DRP Nr. 568855) und den
eigentlichen Beginn der Abgasturboaufladung im heutigen Sinne darstellt. Nach
diesem Patent sollen die Abgasleitung zwischen dem Verbrennungsmotor und der
Abgasturbine sowie der Eintrittsquerschnitt der letzteren so bemessen sein, dass
nach Beginn des Auspuffens eines Verbrennungszylinders der Druck vor der Turbine
ansteigt und gegen Ende desselben absinkt. Das wird durch Unterteilung der Aus-
puffleitung in einzelne Stränge verhältnismäßig kleinen Querschnitts in der Weise
erreicht, dass nur Zylinder mit einem bestimmten Mindest-Zündabstand in densel-
ben Leitungsstrang auspuffen. Die einzelnen Leitungsstränge werden in getrennte
Düsenkammern der Abgasturbine geführt, s. Schema in Abb. 3.10.
Durch diese Maßnahme wird zweierlei erreicht. Erstens werden durch den sich
beim Auspuffstoß aufbauenden hohen Druckberg und die dadurch geringe Druckdif-
ferenz zwischen Zylinder und Auspuffleitung die Drosselverluste beim Ausströmen
aus dem Zylinder gering gehalten, wodurch der Abgasturbine mehr technisch nutz-
bare Abgasenergie zugeführt wird, als dies bei einem gleich bleibenden Druck
entsprechend dem Mittelwert des pulsierenden Druckverlaufs der Fall wäre. Zwei-
tens wird gerade während der Ventilüberschneidung ein tiefes Drucktal in der
22 3 Die Anfänge der Aufladung
Dieser wurde dadurch erreicht, dass die Aufladegruppe aus einer 5-stufigen Axial-
turbine und verdichterseitig aus einem 9-stufigen Axialverdichter und einem dazu
in Reihe nachgeschalteten Radialverdichter bestand, die zudem auch noch einen
Zwischenkühler umfasste (Abb. 3.13). Heute wird bei einem Mittelschnellläufer
mit D = 300 mm ein Turboladerwirkungsgrad in dieser Höhe schon von einem
einstufigen Abgasturbolader erreicht.
Abb. 3.13 Aufladegruppe am Motor M.A.N. K6V 30/45 m.H.A. bei den Versuchen zur Hochaufla-
dung. (Aus [12])
24 3 Die Anfänge der Aufladung
Literatur
4.1 Allgemeines
als positive Arbeit, so entspricht sie in den Teilbildern von Abb. 4.1 für den
Viertakt- und den Zweitaktmotor jeweils der Differenz aus der positiven Arbeits-
fläche während der Hochdruckphase und der negativen Arbeitsfläche während der
Ladungswechselphase. Diese entsteht beim Viertakt-Saugmotor dadurch, dass infol-
ge der Drosselverluste am Einlass- bzw. am Auslassventil der Zylinderdruck beim
Saughub unterhalb bzw. beim Ausschiebehub oberhalb des Außendrucks p0 ver-
läuft. Die (negative) Ladungswechsel-Arbeitsfläche des Zweitaktmotors ergibt sich
dadurch, dass die Einlass- und Auslassorgane des Zylinders bereits vor dem unteren
Totpunkt geöffnet werden müssen, damit mit dem Spüldruck pS (> p0 ) von der Zy-
lindereinlassseite her die verbrauchte Ladung gegen den Außendruck p0 ausgespült
Abb. 4.1 Schematische Darstellung der Indikatordiagramme für den Viertakt- (links) und den
Zweitaktmotor (Mitte) sowie für den Seiliger-Prozess (rechts), jeweils für Saugbetrieb
werden kann. Schon beim unaufgeladenen Zweitaktmotor ist zum Aufbringen des
Spüldrucks pS ein vom Motor anzutreibendes Spülgebläse erforderlich, was sich
negativ auf die indizierte Arbeit auswirkt.
Die grundsätzlichen Zusammenhänge bei der Aufladung von Verbrennungsmo-
toren und so auch die prinzipbedingten Unterschiede zwischen der mechanischen
Aufladung und der Abgasturboaufladung, den beiden wichtigsten Aufladeverfahren,
lassen sich gut anhand des jeweiligen idealisierten Motor-Arbeitsprozesses darstel-
len. Da zudem in der Praxis dem Viertaktmotor die größere Bedeutung zukommt, soll
für diesen, mit dem Seiliger-Prozess als dem idealisierten Motorprozess, die nachfol-
gende vergleichende Betrachtung angestellt werden. Der Seiliger-Prozess soll dazu
um eine fiktive Ladungswechselphase ergänzt werden, bei der das Ansaugen und das
Ausschieben von Zylinderladung allerdings jeweils ohne Drosselverluste erfolgt. Da
damit für den Saugmotor die Ladungswechselarbeit nach wie vor identisch Null ist,
bleibt auch bei dieser erweiterten Definition des Seiliger-Prozesses die Darstellung
in Abb. 4.1 (rechts) gültig.
Im Fall der mechanischen Aufladung liefert der vom Motor angetriebene Lader L
(Abb. 4.2) den Zylindern Z Luft vom Druck p2 = pL , mit dem während des Saughubs
(8Z – 1Z) der Zylinderdruck identisch ist, so dass der Verdichtungshub bei einem
gegenüber dem Saugmotor erhöhten Druck einsetzt (1Z). Nach Abschluss des Ex-
pansionshubs (5Z) öffnet das Auslassventil, wodurch infolge des Ausströmens des
Abgases der Zylinderdruck auf den Außendruck p1 abfällt (5Z – 6Z), und nun die bis
dahin noch im Zylinder verbliebene Ladung gegen den bzw. bei Umgebungsdruck
p1 ausgeschoben wird. Die am Ende des Ausschiebehubs (7Z) – das Zylindervo-
lumen besteht nur noch aus dem Kompressionsvolumen – im Zylinder verbliebene
Ladung stellt das Restgas dar. Durch Öffnen des Einlassventils strömt Frischgas vom
Druck p2 = pL in den Zylinder und erhöht den Zylinderdruck auf denselben Wert
4.2 Mechanische Aufladung 27
(7Z – 8Z). Es ergibt sich eine, im Sinne einer vom Motor abgegebenenArbeit, positive
Ladungswechselarbeit WLDW , repräsentiert durch die Fläche 8Z – 1Z – 6Z – 7Z – 8Z.
Die vom Motor aufzubringende (negative) Laderarbeit WL ist allerdings betragsmä-
ßig größer als seine (positive) Ladungswechselarbeit. Die Laderarbeit WL entspricht
dem Flächeninhalt des p,V-Diagramms des Laders, wenn dieser die dem Zylinder zu
liefernde Ladung vom Druck p1 auf den (Lade-)Druck p2 verdichtet. Im Zustands-
punkt 2 dieses Diagramms entspricht das Volumen dem maximalen Zylindervolumen
V h + V C.
Die senkrecht schraffierte Arbeitsfläche entspricht dem Arbeitsverlust, der da-
durch entsteht, dass die Zylinderladung nach Erreichen des Zustands 5Z – der Kolben
hat seine UT-Stellung erreicht – durch schlagartiges Abströmen von Abgas aus dem
Zylinder auf den Druck p1 (nach Auslassventil) gebracht wird und nicht durch wei-
teres isentropes Entspannen innerhalb des Zylinders. Dieser Arbeitsverlust durch
unvollkommene Dehnung ließe sich vermeiden, wenn es gelänge, den Expansionshub
des Kolbens über die Stellung V 5Z hinaus (bei noch geschlossenem Auslassventil)
zu verlängern, bis der Zylinderdruck auf den Druck p1 entspannt ist. Erst jetzt würde
das Auslassventil geöffnet, und die Zylinderladung beim Druck p1 aus dem Zylinder
geschoben, bis der Kolben den oberen Totpunkt OT erreicht hat (7Z).
Diese Idee, den Expansionshub effektiv länger als den Saug- bzw. den Kom-
pressionshub zu gestalten, findet in gewisser Weise heute bereits Anwendung bei
Viertaktmotoren, die nach den Verfahren Frühes Einlass-Schließen (FES) oder Spätes
Einlass-Schließen (SES) arbeiten – s. Abschn. 11.1.2.
28 4 Der theoretische Motorprozess bei Aufladung
4.3 Abgasturboaufladung
Im Falle der Abgasturboaufladung mögen der gleiche Ladedruck p2 und die gleiche
Hochdruckphase des Motorprozesses wie bei der mechanischen Aufladung vorlie-
gen. Damit ist auch die gleich große Laderarbeit WL aufzubringen und es liegt auch
der gleiche Zylinderzustand bei Expansionsende (5Z) vor. Die Laderarbeit WL wird
nunmehr jedoch nicht von der Motor-Nutzarbeit abgezweigt, sondern von der (flä-
chengleichen) Turbinenarbeit WT abgedeckt, die aus der Abgasenergie entnommen
wird. Da die Abgastemperatur T 3 vor Turbine höher ist als T 2 , liegt unter der Bedin-
gung WT = WL der Abgasdruck p3 vor Turbine niedriger als p2 , so dass sich auch
hier eine positive Ladungswechselarbeit WLDW einstellt. Darüber hinaus ist wegen
des höheren Gegendrucks am Auslass der Arbeitsverlust infolge unvollkommener
Dehnung der Zylinderladung (senkrecht schraffierte Fläche) geringer als im Falle
der mechanischen Aufladung. Dass ein Teil dieses zylinderseitigen Arbeitsverlustes
von der Abgasturbine sogar zurückgewonnen wird, kommt darin zum Ausdruck,
dass T 3 größer ist als die Temperatur T 3 , welche sich bei isentroper Expansion der
Zylinderladung auf den Abgasdruck p3 einstellen würde.
Auch wenn Abb. 4.2 nur idealisierten Zustandsänderungen entspricht, so deutet
sich doch bereits an, dass bezüglich des Motorgesamtwirkungsgrads die Ab-
gasturboaufladung wohl günstigere Voraussetzungen bietet als die mechanische
Aufladung.
Theoretische Auspufftemperatur Wie zu den p,V-Diagrammen zur Abgastur-
boaufladung in Abb. 4.2 bereits ausgeführt, liegt die (mittlere) Auspufftemperatur T 3
in der Abgasleitung höher als die Temperatur T 3 , welche sich einstellen würde, wenn
die Zylinderladung noch im Zylinder über V 5Z hinaus isentrop expandiert werden
könnte, bis der Abgasdruck p3 erreicht ist, und erst dann das Ausschieben der Ladung
(beim Druck p3 ) erfolgte.
Die wesentlichen Zusammenhänge dieses Phänomens lassen sich für den hier
betrachteten idealisierten Motorprozess wie folgt erläutern. Dazu sei der Vorgang
für ein Ersatzsystem entsprechend Abb. 4.3 in a–c Teilschritte die zerlegt, wobei der
Expansionsendzustand im Zylinder „5Z“ nachfolgend nur noch mit „Z“ bezeichnet
wird.
Teilbild 4.3a Der Arbeitskolben K1 steht in UT, das Auslassventil ist noch geschlos-
sen. Die Zylinderladung von der Masse mZ , dem Druck pZ und der Temperatur TZ
repräsentiert die innere Energie UZ innerhalb des Zylindervolumens VZ.
Teilbild 4.3b Bei Öffnen des Auslassventils und noch ruhendem Arbeitskolben K1
expandiert das Zylindergas in die Abgasleitung und verdrängt dabei den Kolben K2
gegen den Druck p3 so weit, bis der Druck im Zylinder bis auf p3 abgefallen ist. Die
genaue Lage dieser Zwischenstellung des Kolbens K2 ist für die weitere Erklärung
ohne Belang.
Teilbild 4.3c Nunmehr wird der Arbeitskolben K1 von seiner UT-Lage in seine
OT-Lage geschoben, wodurch der Kolben K2 noch weiter verschoben wird. Die
4.3 Abgasturboaufladung 29
gesamte Zylinderladung ist nun in der Abgasleitung angekommen und nimmt nach
der Vermischung die Zustandsgrößen p3 und T 3 an. Sie nimmt dort das Volumen V 3
ein und repräsentiert die innere Energie U 3 .
Beim Ausströmen aus dem Zylinder (Abb. 4.3b) und beim anschließenden
Überschieben (Abb. 4.3c) verrichtet das Arbeitsgas gegen den Kolben K2 die Ver-
schiebearbeit p3 · V 3 . Zum Ausschieben des Arbeitsgases aus dem Zylinder muss
vom Arbeitskolben K1 die Verschiebearbeit p3 . VZ aufgebracht werden. Die vom
Arbeitsgas insgesamt aufgebrachte Arbeit ist demnach p3 · (V 3 − VZ ).
Da das System als adiabat, also ohne Wärmeaustausch mit der Umgebung,
angesehen wird, gilt nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik
UZ = U3 + p3 · (V3 − VZ ). (4.2)
Dies heißt, dass die ursprünglich vorhandene innere Energie UZ des Arbeitsgases sich
aufteilt in die Verschiebearbeit p3 · (V 3 −VZ ) und die dann noch verbleibende innere
Energie U 3 . Unter der Voraussetzung, dass kein Restgas im Zylinder verbleibt, gilt
für beide Seiten von Gl. (4.2) die gleiche Gasmasse mZ , so dass man beide Seiten von
Gl. (4.2) durch mZ teilen und damit über die entsprechenden spezifischen Größen
darstellen kann.
uZ = u3 + p3 · (v3 − vZ ) (4.3)
hz − pZ · vZ = h3 − p3 · v3 + p3 · (v3 − vZ )
und weiter
hZ − h3 = pZ · vZ − p3 · vZ . (4.4)
hZ − h3 = cp · (TZ − T3 )
und
pZ · vZ = R · TZ
Abb. 4.3 Schema des Auspuffvorgangs zur Ermittlung der theoretischen Auspufftemperatur T 3
(s. dazu Abb. 4.2)
diesem Zeitpunkt aus n gleichen, sehr kleinen Teilmengen, die alle den Zustand Z
aufweisen. Beim Öffnen des Auslassventils strömt während eines sehr kleinen Zeit-
intervalls eine dieser Teilmengen durch das Auslassventil und wird dabei auf den
Druck p3 in der Abgasleitung gedrosselt. Unter den Annahmen, dass das System
adiabat (= wärmedicht) und das Arbeitsgas (Abgas) ein ideales Gas ist, kommt diese
erste Teilmenge mit der Temperatur TZ in der Abgasleitung an.
Da das Ausströmen von Ladungsmenge aus dem adiabaten Zylinder in diesem die
gleiche Zustandsänderung bewirkt wie eine adiabate Expansion der Zylinderladung,
sinken infolge des Ausströmens der ersten Teilmenge der Druck im Zylinder von pZ
auf pZ,a und die Temperatur im Zylinder von TZ auf TZ,a . Mit der Temperatur TZ,a
strömt nun die zweite Teilmenge durch das Auslassventil in die Abgasleitung und
wird dabei ebenfalls auf den Druck p3 gedrosselt. Ihr Abströmen aus dem Zylinder
bewirkt ein Absinken der Zylindertemperatur auf TZ,b , mit der nun das dritte Teil-
element aus dem Zylinder in die Abgasleitung abströmt. Dieser Vorgang setzt sich
immer weiter fort, bis der Zylinderdruck schließlich auf den Druck p3 abgesunken
ist, wodurch die Temperatur der im Zylinder verbliebenen Ladung den Wert T 3 er-
reicht hat. Die mit unterschiedlichen Temperaturen nacheinander in der Abgasleitung
eingetroffenen Teilmengen haben sich dort vermischt, so dass sich schließlich eine
(mittlere) Abgastemperatur T 3 einstellt, deren Wert zwischen der Zylindertemperatur
TZ bei Auslassbeginn und der Temperatur T 3 liegt. Die während dieser Auslassphase
insgesamt aus dem Zylinder ausgeströmte Gasmasse entspricht einem zeitlich mitt-
leren Gas-Massenstrom, der mit den Zustandsgrößen p3 und T 3 die Abgasturbine
beaufschlagt.
Da in der Regel mehrere Zylinder, mit zeitlichem Versatz (Zündabstand) und in
periodischer Abfolge, in dieser Weise ihr Abgas in die Abgasleitung liefern, entsteht
ein weitgehend kontinuierlicher Abgasmassenstrom. Damit ist auch eine gedankliche
Kopplung der intermittierenden Arbeitsweise der Kolbenmaschine Verbrennungs-
motor und der kontinuierlichen Arbeitsweise der Strömungsmaschine Abgasturbine
erreicht.
32 4 Der theoretische Motorprozess bei Aufladung
Mit p4 als dem Druck nach Turbine kann diese gem. Abb. 4.4 im Idealfall – bei
isentroper Expansion – die spezifische isentrope technische Turbinenarbeit
⎡ ⎤
κTκ −1
p4
ws T = cpT · T3 · ⎣1 − ⎦
T
(4.7)
p3
Aus den Gln. (4.7) und (4.8) lässt sich auch die Bestimmungsgleichung für den
isentropen Turbinenwirkungsgrad ηsT ableiten, welche die Kenntnis der totalen Grö-
ßen von Druck und Temperatur vor Turbine (p3t , T 3t ) sowie die entsprechenden
statischen Größen nach Turbine (p4 , T 4 ) voraussetzt.
T4
1−
T3t
ηsT = κTκ −1 (4.9)
p4 T
1−
p3t
Kapitel 5
Laderbauarten und Laderkennfelder
Die prinzipielle Aufgabe des Laders besteht darin, dem Motor einen bestimmten
Luft- bzw. Frischgas-Massenstrom zu liefern, der im Lader zuvor vom Laderein-
trittszustand (p1 , T 1 ) auf den Austrittsdruck p2 verdichtet worden ist.
Anmerkung: Die nachfolgenden Angaben zu Drücken (p), Temperaturen (T ) und
spezifischen Enthalpien (h) sind als ihre jeweiligen Totalgrößen zu verstehen.
Die im Lader stattfindende Zustandsänderung des Arbeitsmediums lässt sich
im h,s-Diagramm darstellen (Abb. 5.1). Dabei kommt der isentropen Verdichtung
(1–2S) eine besondere Bedeutung zu, weil die damit verbundene Enthalpieerhöhung
im Lader
⎡ ⎤
κLκ −1
p
hsL = cpL · (T2S − T1 ) = cpL · T1 ⎣ − 1⎦
2 L
(5.1)
p1
in sehr vielen Fällen als Referenzgröße dient. Eine isentrope Verdichtung im Lader
setzt voraus, dass dieser adiabat ist, also kein Wärmeaustausch mit seiner Umgebung
stattfindet, und keine inneren Verluste (Reibungs- und Stoßverluste der Strömung)
auftreten.
Bei der analytischen Beschreibung des Verdichtungsvorgangs im Lader ist es
zweckmäßig, den I. Hauptsatz der Thermodynamik in seiner Formulierung für sta-
tionäre Fließprozesse zu verwenden, unter Verwendung spezifischer, d. h. auf die
Masse bezogener, Größen.
dq = dh − dwt (5.2)
In Gl. (5.2) und nachfolgend wird jeweils die einem thermodynamischen System zu-
geführte Energie als positiv bezeichnet und umgekehrt. Dementsprechend bedeuten,
auf den Lader angewandt, die in Gl. (5.2) verwendeten Größen:
dwt = v · dp + dψ (5.3)
mit v als dem spezifischen Volumen und ψ als der spezifischen Dissipation. Diese
ist definiert gemäß
dψ = T · ds (5.4)
und stellt ein Maß für die inneren Strömungsverluste dar und kann niemals abnehmen,
so dass gilt
dψ ≥ 0. (5.5)
dq = 0.
Demgemäß vereinfacht sich der I. Hauptsatz der Thermodynamik in Gl. (5.2) in die
Form
dwt = dh (5.6)
wt1,2 = h2 − h1 . (5.7)
Gleichung (5.7) besagt, dass die dem adiabaten Lader zuzuführende spezifische
technische Arbeit gleich der Erhöhung der spezifischen Enthalpie vom Eintritt zum
Austritt des Laders ist.
5.1 Thermodynamik und Verdichtung 35
Abb. 5.2 Verdichtung im adiabaten Lader, dargestellt im h,s-Diagramm und im p,v-Diagramm, bei
isentroper (1 – 2S) und bei polytroper (1 – 2) Verdichtung
Nach Gl. (5.9) bietet sich an, die Zustandsänderung bei isentroper Verdichtung
nicht nur im h,s-Diagramm darzustellen, in dem nach Gl. (5.7) die isentrope
Verdichterarbeit
wt1,2S = hsL
als die Strecke hsL erscheint, sondern auch im p,v-Diagramm. Dort entspricht sie
gemäß Gl. (5.9) der schräg schraffierten Fläche (Abb. 5.2).
Dass bei verlustbehafteter adiabater (= polytroper) Verdichtung die Austritt-
stemperatur T 2 und damit auch die Austrittsenthalpie h2 höher liegen als die
entsprechenden Werte bei isentroper Verdichtung, ist aus dem h,s-Diagramm in
Abb. 5.2 unmittelbar zu erkennen, und es kann auch die zugehörige (polytrope)
spezifische Verdichterarbeit als die Strecke
wt1,2 = hL
aus dem Diagramm entnommen werden.
36 5 Laderbauarten und Laderkennfelder
Vorsicht ist bei der Diskussion zum p,v-Diagramm (in Abb. 5.2) geboten. Un-
strittig ist, dass die Zustandslinie bei verlustbehafteter Verdichtung (1 – 2) rechts
der isentropen Zustandslinie (1 – 2S) verläuft. Falsch ist allerdings die in manchen
Büchern zu findende Aussage, die zwischen diesen beiden Zustandslinien liegen-
de Zwickelfläche repräsentiere die bei der realen Verdichtung auftretenden inneren
Verluste. Tatsächlich entspricht die Fläche 1-2-b-a nämlich nicht der polytropen Ver-
dichterarbeit, sondern nur dem ersten Term ihrer Bestimmungsgleichung (Gl. (5.10)),
der Integration von Gl. (5.3),
p2
wt1,2 = v · dp + ψ1,2 (5.10)
p1
und bedarf noch der Ergänzung um die aus den Verlusten resultierende Dissipation
ψ1,2 . Da sich diese nicht im p,v-Diagramm darstellen lässt, kann – anders als die
isentrope Verdichterarbeit – die Arbeit bei verlustbehafteter adiabater Verdichtung
nicht im p,v-Diagramm veranschaulicht werden.
Lader mit Wärmeaustausch Definitionsgemäß gilt für den Lader mit Wärmeaus-
tausch, auch diabater Lader genannt:
dq = 0
Einen für die Aufladetechnik durchaus erstrebenswerten Sonderfall stellt die isother-
me Verdichtung dar, also dass T 2 = T 1 gilt.
Gemäß dh = cp · dT und dT = 0 geht die für Verdichter allgemein gültige Glei-
chung, Gl. (5.2), über in
dq = −dwt (5.11)
und nach Integration in
q1,2 = −wt1,2 (5.12)
Aus Gl. (5.12) wird klar, dass zur Realisierung einer isothermen Verdichtung der
gleiche Betrag an Wärme (q1,2 ) abzuführen ist, wie an technischer Verdichterarbeit
(wt1,2 ) zugeführt wird.
Für die spezifische technische Verdichterarbeit bei isothermer Verdichtung gilt
nach Gl. (5.10)
p2
wt1,2T = v · dp + ψ1,2 = −q1,2
p1
und lässt sich als Fläche (1-2T-b-a-1) im p,v-Diagramm darstellen (Abb. 5.3).
Die in Abb. 5.3 schraffierte Zwickelfläche entspricht der Arbeitseinsparung bei
reversibler isothermer Verdichtung gegenüber isentroper Verdichtung. Folgendes
Zahlenbeispiel soll diese Arbeitseinsparung verdeutlichen.
Mit den Eingangsdaten
p2 /p1 = 3
T 1 = 15 ◦ C = 288 K
R = 0,287 kJ/(kg · K)
κ = 1,4
sowie mit
κ kJ
cp = R · = 1,0045
κ −1 kg · K
ergibt sich für die
Reversible Adiabate
κ−1
p2 κ kJ
(wt1,2S )rev = cp · T1 · − 1 = 106,7
p1 kg
cp , cv und κ zählen zu den kalorischen Stoffgrößen eines Gases und sind im Allge-
meinen von Druck und Temperatur abhängig, wobei die Temperaturabhängigkeit im
Vordergrund steht. Die Druckabhängigkeit spielt erst bei Drücken ab etwa 100 bar ei-
ne zunehmende Rolle [1]. Bei idealen Gasen sind cp , cv und κ konstante Stoffgrößen,
ein wesentliches Merkmal der idealen Gase.
Um auch bei nicht-isentroper, also polytroper Verdichtung die Austrittstempera-
tur einfach aus dem Eintrittszustand (p1 , T 1 ) und dem Austrittsdruck p2 berechnen
zu können, ist der Polytropenexponent n eingeführt worden. Mit der gleichen
Formelstruktur wie in Gl. (5.15) gilt nun für die nicht-isentrope Verdichtung
n−1
T2 p2 n
= . (5.16)
T1 p1
5.2 Laderbauarten
5.2.1 Allgemeines
Über das Verhalten des Laders gibt das Laderkennfeld Aufschluss. In diesem ist im
Allgemeinen das Totaldruckverhältnis p2t /p1t des Laders über dem geförderten Volu-
menstrom V̇1 (bei p1 und einer Referenztemperatur T 1 ) in Linienscharen, einmal für
konstante Drehzahl nL und das andere Mal für konstanten isentropen Wirkungsgrad
ηsL , aufgetragen – als Beispiel s. Abb. 5.13.
Auch wenn innerhalb jeder der beiden Gruppen von Laderbauarten die un-
terschiedlichsten Konstruktionen vertreten sind, insbesondere in der Gruppe der
Verdrängerlader, so vereint die Vertreter einer jeden Gruppe ein gemeinsamer
charakteristischer Kennfeldaufbau.
Der einfachste Vertreter dieser Bauart ist der Hubkolbenverdichter, der früher
bei den großen Zweitaktdieselmotoren in Parallel- oder Reihenschaltung mit dem
Abgasturbolader-Verdichter eingesetzt wurde. Heute spielen Verdrängerlader prak-
tisch ausschließlich für dieAufladung von Fahrzeugmotoren eine Rolle. Nachfolgend
seien einige ausgeführte Bauformen gezeigt.
Rootslader Zwei gleiche zwei-, drei- oder vierflügelige Drehkolben laufen, ähnlich
dem Prinzip einer Zahnradpumpe, mit gleich großer, aber gegenläufiger Dreh-
zahl in einem Gehäuse um. Die Drehkolben sind entweder zylindrisch ausgeführt
(Abb. 5.5) oder in tordierter Ausführung (Abb. 5.6).
Für den berührungslosen Umlauf der beiden Drehkolben sorgen die beiden Zahn-
räder auf den Drehkolbenwellen. Heute kommt – vor allem wegen des geringeren
Geräuschs – praktisch ausschließlich die Bauform gem. Abb. 5.6 zum Einsatz.
Drehkolben- und Kreiskolbenverdichter Dazu zählen unter anderen der Wittig-
Verdichter (Abb. 5.7) und der von der Firma KKK (heute BorgWarner Turbo Systems)
auf der Basis von Wankel-Patenten entwickelte Ro-Lader (Abb. 5.8).
5.2 Laderbauarten 41
Spirallader Der Spirallader arbeitet nach dem Prinzip, dass eine von einer Exzen-
tersteuerung bewegte Spirale auf der gehäusefesten Spirale abrollt und dabei die
dazwischen befindliche Luft komprimiert bzw. verdrängt. Die Firma Volkswagen
entwickelte den nach diesem Prinzip arbeitenden G-Lader, der in den 1980er Jahren
zur mechanischen Aufladung von Pkw-Ottomotoren zum Einsatz in der Serie kam
(Abb. 5.9).
Abb. 5.9 Spirallader, in der Ausführung als G-Lader von Volkswagen: 1 Lufteintritt in den zweiten
Arbeitsraum, 2 Antriebswelle, 3 Führung des Verdrängers, 4 Lufteintritt in den ersten Arbeitsraum,
5 Gehäuse, 6 Verdränger. (Nach [6])
Abb. 5.10 Schraubenlader. links konkaver und konvexer Schraubenkolben mit Synchronisations-
Zahnrädern, rechts Integration der Schraubenkolben im Gehäuse, mit Antriebs-Riemenscheibe –
Twin-Screw Charger der Firma Opcon Autorotor AB
Schraubenlader Zwei Schraubenkolben, ein konvexer und ein konkaver, mit in der
Regel unterschiedlichen Zähnezahlen und damit unterschiedlichen Drehzahlen, lau-
fen berührungsfrei in einem Gehäuse um (Abb. 5.10). Wie beim Rootslader sorgen
zwei Zahnräder auf den Wellen der Schraubenkolben für deren berührungsloses Zu-
sammenspiel. Die Luft, welche die konkaven Schraubengänge ausfüllt, wird durch
die konvexen Schraubengänge von der Einlass- zur Auslassseite gedrückt und auf
diesem Wege verdichtet.
Der Verlauf einer Laderkennlinie im Laderkennfeld, das ist der Verlauf des Lader-
Druckverhältnisses p2 /p1 über dem geförderten Volumenstrom V̇1 = ṁ/ρ1 bei einer
bestimmten Laderdrehzahl nL – s. Abb. 5.12–, lässt sich für Verdrängerlader beson-
ders anschaulich anhand des Kolbenverdichters erklären – s. dazu Abb. 5.11.
Ausgehend von der Kolbenstellung in UT, beim Druck p1 , wird mit der Auf-
wärtsbewegung (Verdichtungshub) des Kolbens das Arbeitsmedium bis zum Druck
p2,1 verdichtet, wenn das Verdichter-Druckventil auf diesen Wert eingestellt ist, und
5.2 Laderbauarten 43
dann bei diesem Druck ausgeschoben, bis der Kolben seine OT-Stellung erreicht hat.
Mit der anschließend beginnenden Abwärtsbewegung des Kolbens wird zunächst das
im schädlichen Raum noch befindliche (verdichtete) Arbeitsgas entspannt, so dass
das druckgesteuerte Verdichter-Druckventil schließt. Da das ebenfalls druckgesteu-
erte Verdichter-Saugventil allerdings erst öffnet, wenn der Druck im Zylinder den
Saugdruck p1 erreicht bzw. unterschritten hat, ist das Füllvolumen V f kleiner als das
Hubvolumen V hL des Laders.
Dieser Effekt der Rückexpansion verstärkt sich mit zunehmendem Austrittsdruck
p2 – in Abb. 5.11 wird entsprechend V f,2 < V f,1 weil p2,2 > p2,1 .
Mit der Definition des Füllgrads,
Vf
f = , (5.17)
VhL
der außer vom Lader-Druckverhältnis auch noch etwas von der Drehzahl nL
(Drosselverluste!) abhängt, ergibt sich für den Fördervolumenstrom des Laders
V̇1 = VhL · nL · f (5.18)
und damit der für alle Verdrängerlader charakteristische Verlauf der Laderkennlinien
im Laderkennfeld (Abb. 5.12).
Die einzelne Laderkennlinie im Laderkennfeld entspricht weitgehend einer steil
ansteigenden Geraden, die in Richtung kleineren Durchsatzes V̇1 geneigt ist. Der
44 5 Laderbauarten und Laderkennfelder
ηL = ηsL · ηmL
zu verstehen ist und außer dem isentropen Laderwirkungsgrad ηsL auch noch den
mechanischen Wirkungsgrad ηmL des Laders umfasst.
Die charakteristischen Eigenschaften der Lader nach der Verdrängerbauart lassen
sich wie folgt zusammenfassen:
5.2 Laderbauarten 45
Als Lader der Strömungsbauart ist der Turboverdichter zu verstehen, der als Axial-
oder Radialverdichter ausgeführt sein kann. Dass zur Aufladung von Verbrennungs-
motoren praktisch ausschließlich der Radialverdichter zum Einsatz kommt, hängt
vor allem damit zusammen, dass dieser schon in einstufiger und damit kompakter
Bauweise Druckverhältnisse > 3 (bis zu 5), bei dennoch gutem Wirkungsgrad, liefern
kann. Demgegenüber liegen die Stufendruckverhältnisse von Axialverdichtern nur
bei 1,1 bis 1,3, so dass Axialverdichter im Allgemeinen mehrstufig ausgeführt sind
und ein dementsprechend größeres Bauvolumen aufweisen als der Radialverdichter
mit gleichem (Gesamt-)Druckverhältnis und gleichem Durchsatz.
Die Energiewandlung im Radialverdichter (Abb. 5.14) erfolgt in der Weise, dass
die über die Rotorwelle eingetragene mechanische Energie von den Laufschaufeln
des Laufrades durch Impulsübertragung auf das Arbeitsmedium (Luft) übertragen
und dabei in kinetische Energie gewandelt wird. Die die kinetische Energie reprä-
sentierende Strömungsgeschwindigkeit des Arbeitsmediums wird zum Teil schon
46 5 Laderbauarten und Laderkennfelder
im Laufrad, weiter dann im Diffusor und zuletzt in der Spirale in Druck (potentielle
Energie) umgesetzt.
Für Lader verwendet man vorzugsweise die so genannten halboffenen Laufräder,
Abb. 5.14 und 5.15, bei denen der Strömungskanal durch die Laufschaufeln und die
Laufrad-Rückwand auf der einen und durch die Gehäusewand auf der anderen Seite
gebildet wird.
Die Strömungsverhältnisse (Geschwindigkeitsdreiecke) an Laufradein- und
-austritt gehen schematisch aus Abb. 5.16 hervor, in der unteren Bildhälfte für den
Laufrad-Eintritt, in der oberen für den Laufrad-Austritt, und zwar links für rückwärts
gekrümmte Schaufeln (β2 < 90◦ ), rechts für radial endende Schaufeln (β2 = 90◦ ).
Allein aus Festigkeitsgründen wurden früher radial endende Schaufeln bevorzugt,
heute sind praktisch alle als Lader verwendeten Radialverdichter, wegen des dabei
günstigeren Wirkungsgrads, mit rückwärts gekrümmten Schaufeln ausgeführt.
Die Luft strömt mit der Geschwindigkeit c0 axial auf den Lader zu. Für den
Fall, dass dieser mit einem Vorleitrad ausgestattet ist, wird die Strömung zunächst
5.2 Laderbauarten 47
im Vorleitrad umgelenkt und tritt aus diesem unter dem Winkel α1 > 90◦ mit der
Geschwindigkeit c1 aus (s. Abb. 5.16 unten).
Unter diesem Winkel α1 und mit derAbsolutgeschwindigkeit c1 trifft die Strömung
auf die Laufradeintrittskante. Das mit der Winkelgeschwindigkeit ω umlaufende
Laufrad weist am mittleren Laufrad-Eintrittsdurchmesser D1m – s. Abb. 5.14 und
5.16 oben – die Umfangsgeschwindigkeit u1 auf. Ein fiktiver Beobachter, der sich
unmittelbar am Laufradeintritt befindet und mit dem Laufrad umläuft (Beobachter
im Relativsystem), sieht die Strömung am Laufradeintritt mit der Geschwindigkeit
w1 (Relativgeschwindigkeit) und unter dem Winkel β1 eintreten.
Der für Strömungsmaschinen allgemein geltende Zusammenhang von Absolut-
geschwindigkeit c, Relativgeschwindigkeit w und Umfangsgeschwindigkeit u am
Eintritt bzw. am Austritt des Laufrads lässt sich als Vektoraddition
c = w
+ u (5.19)
oder grafisch als Geschwindigkeitsdreieck (Abb. 5.16 und 5.17) darstellen. Die ge-
meinsame Darstellung von Eintrittsdreieck und Austrittsdreieck im selben Diagramm
ergibt den Geschwindigkeitsplan des Laufrads (Abb. 5.17).
Um die Strömung mit möglichst geringen Strömungsverlusten in das Laufrad ein-
zuführen, ist der Schaufeleintrittswinkel gleich dem Winkel der Relativgeschwindig-
keit w1 , also mit β1 zu wählen. Die Strömung wird dann in den von den Laufschaufeln
gebildeten Strömungskanälen entsprechend der Schaufelkrümmung geführt und tritt
entsprechend dem Schaufel-Austrittswinkel β2 mit der Relativgeschwindigkeit w2
aus dem Laufrad aus. Ein Beobachter unmittelbar am Laufradaustritt, aber nun wie-
der im ortsfesten System (Absolutsystem), sieht die Strömung am Laufradaustritt
48 5 Laderbauarten und Laderkennfelder
Abb. 5.17 Geschwindigkeitsplan zum Laufrad des Radialverdichters, links bei Gegendrall, rechts
bei Gleichdrall
Für den Fall, dass zudem die Laufschaufeln radial endend ausgeführt sind (β2 = 90◦ ),
wird c2u = u2 und die spezifische (theoretische) Laufradarbeit hängt damit nur noch
von der Umfangsgeschwindigkeit u2 ab.
Für die bereits genannte Laufradausführung (α1 = 90◦ und β2 = 90◦ ) lässt sich
bei bekannter Lader-Eintrittstemperatur T 1t das theoretisch mögliche Lader-
Totaldruckverhältnis somit allein aus der Umfangsgeschwindigkeit u2 wie folgt
berechnen.
κ−1
κ
u2 2
(πL,t )th∞,α1 =90◦ ;β2 =90◦ = +1 (5.28)
cp · T1t
Mit den Werten T 1t = 288 K und cp = 1008 J/(kg · K) liefert Gl. (5.28) folgende
Werte für (πL,t )th∞ – s. Tab. 5.1:
Das in Tab. 5.1 mit eingetragene tatsächlich erreichbare Laderdruckverhältnis
πL,t liegt aufgrund der inneren Verluste des Laders niedriger als das theoretisch
mögliche, (πL,t )th∞ . Dies lässt sich über die entsprechenden Werte der Druckziffer
50 5 Laderbauarten und Laderkennfelder
u2 2
(th∞ )α1 =90◦ ;β2 =90◦ = =2
u2 2 /2
demnach den Wert 2. In der Praxis werden Werte bis zu ψ = 1,5 erreicht, wie dies
für die Werte zu πL,t in Tab. 5.1 in etwa auch zutrifft.
Laderkennlinie Die Laderkennlinie, also der Verlauf der spezifischen Laufradar-
beit Y (des adiabaten Laders) über dem Laderdurchsatz, soll für den praxisnahen
Fall der drallfreien Zuströmung (c1u = 0 wegen α1 = 90◦ ) und für rückwärts ge-
krümmte Schaufeln (β2 < 90◦ ) hergeleitet werden. Dabei soll zunächst wieder vom
theoretischen Fall der idealisierten Laufradströmung („th∞“) ausgegangen werden.
Nach Abb. 5.18 links ergibt sich der Volumenstrom V̇2 am Laufradaustritt zu
V̇2 ∼ c2m
und wegen nL = const. auch u2 = const., so dass Gl. (5.32) zu folgender Geradenglei-
chung wird.
In einem Y,V̇2 -Diagramm bildet k 1 den Ordinatenabschnitt und k 2 den Anstieg dieser
Geraden.
Dass die theoretische Laderkennlinie Yth∞ (V̇2 ) mit zunehmendem Durchsatz
V̇2 abfällt (Abb. 5.19), wird aus Abb. 5.18 deutlich, weil mit erhöhtem Durchsatz
(c*2m > c2m ) die Umfangskomponente abnimmt (c*2u < c2u ) und bei u2 = const. sich
gem. Gl. (5.30) damit ein kleinerer Wert für Yth∞ ergibt.
Dass die tatsächliche Laderkennlinie Y (V̇2 ) auf niedrigerem Niveau verläuft als
die theoretische Kennlinie Yth∞ (V̇2 ), hat folgende drei Ursachen:
• Minderleistung
• Reibungsverluste
• Stoßverluste
links–, so dass der Strom des Arbeitsmediums im Schaufelkanal auf einen kleineren
Strömungsquerschnitt zusammengedrängt wird, und damit der über die Stromfäden
gemittelte Ausströmwinkel β2 kleiner ist als der theoretische Ausströmwinkel, der
mit dem geometrischen Schaufelaustrittswinkel β2∞ übereinstimmt.
Aus Abb. 5.20 rechts wird deutlich, dass bei c2m = c2m∞ , also bei praktisch glei-
chem Durchsatz, die Umfangskomponente der Absolutgeschwindigkeit bei endlicher
Schaufelzahl kleiner ist als bei unendlicher Schaufelzahl (c2u < c2u∞ ), und damit nach
Gl. (5.30) auch die zugehörige spezifische Laufradarbeit (Y th <Y th∞ ). Die Differenz
Y th∞ −Yth wird als Minderleistung Y mind (s. Abb. 5.19) bezeichnet und ist bei
endlicher Schaufelzahl immer größer Null. Der Betrag der Minderleistung ist umso
größer, je kleiner die Anzahl der Schaufeln und je größer der Schaufelaustrittswinkel
β2 ist.
Reibungsverluste Die mit zunehmendem Durchsatz steigenden inneren Verluste
infolge Strömungsreibung lassen sich über den Ansatz
hReib = kReib · c2m
2
(5.34)
analytisch formulieren und sind in Abb. 5.19 grafisch von der Funktion Y th zu
subtrahieren. k Reib stellt dabei einen Reibungskoeffizienten dar.
Stoßverluste Strömungsmaschinen werden grundsätzlich für einen bestimmten
Durchsatz ausgelegt. Nur für diesen Auslegungsdurchsatz stimmt der Winkel, unter
dem die Strömung in das Laufrad eintritt, mit dem Schaufeleintrittswinkel überein.
Weicht der Durchsatz vom Auslegungsdurchsatz ab (c1 = c1,A ), so ergibt sich bei
α1 = const. und u1 = const. ein vom Schaufel-Eintrittswinkel β1 abweichender
Einströmwinkel in das Laufrad, die Strömung „stößt“ gegen die Schaufel. Für die
dadurch entstehenden Stoßverluste lässt sich der Ansatz
hStoβ = kStoβ · (c2m − c2m,A )2 (5.35)
formulieren, mit k Stoß als einem Stoß-Koeffizienten. Diese Verlustfunktion, die bei
Vorliegen des Auslegungsdurchsatzes V̇2,A definitionsgemäß zu Null wird, ist zu-
sätzlich zur Funktion, welche die Strömungsreibung beschreibt (Gl. (5.34)), von Y th
5.2 Laderbauarten 53
Unter Bezug auf Abb. 5.1 und unter der Annahme, dass cpL = const. und die
Temperaturen und Drücke ihre jeweiligen Totalwerte darstellen, liefert Gl. (5.37) die
Bestimmungsgleichung für den isentropen Laderwirkungsgrad
κLκ −1
T1 · p2
p1
L
−1
hsL T2S − T1
ηsL = = = . (5.37)
h2t − h1t T2 − T 1 T2 − T1
Betrachtet man die Betriebspunkte entlang einer Laderkennlinie, ausgehend vom
größten Durchsatz – in Abb. 5.21 von rechts nach links–, so stellt man bezüglich
des isentropen Laderwirkungsgrads fest, dass dieser zunächst zunimmt bis zu einem
Maximalwert und von da ab wieder abnimmt. Verbindet man den für eine Laderkenn-
linie geltenden Betriebspunkt maximalen isentropen Laderwirkungsgrads mit dem
entsprechenden Betriebspunkt der jeweils benachbarten Laderkennlinie, erhält man
die so genannte Optimalparabel. Fällt die Kennlinie eines an den Radialverdichter
angeschlossenen Verbrauchers mit der Optimalparabel zusammen, arbeitet dieser
Verdichter bei jedem Durchsatz mit dem ihm dabei bestmöglichen Wirkungsgrad.
Das, gegenüber einem Lader der Verdrängerbauart – siehe Abb. 5.13 – recht
unterschiedliche, Kennfeld eines Laders der Strömungsbauart lässt sich wie folgt
charakterisieren:
1. Die Laderkennlinie weist eine veränderliche Neigung auf. Beim Radialverdichter
verläuft sie – in Richtung zunehmenden Durchsatzes betrachtet – ab der Pump-
grenze zunächst flach (nahezu horizontal, bisweilen sogar leicht ansteigend), dann
nach unten gekrümmt. Bei Axialverdichtern verläuft die Kennlinie schon ab der
Pumpgrenze steil nach unten gekrümmt.
2. Das erreichbare Druckverhältnis hängt von der Drehzahl ab. Bei niedriger Lader-
drehzahl und damit kleinem Fördervolumenstrom ist kein hohes Druckverhältnis
erreichbar.
3. Es existiert ein instabiler Kennfeldbereich (links der Pumpgrenze), der nicht zur
Aufladung genutzt werden kann.
4. Längs der Optimalparabel – sie entspricht in etwa der Kennlinie einer Drossel –
ist der Fördervolumenstrom der Laderdrehzahl in etwa linear proportional, die
spezifische isentrope Laderarbeit bzw. das Laderdruckverhältnis hingegen verhält
sich ungefähr dem Quadrat der Laderdrehzahl proportional.
Phänomen des Pumpens Das mit Erreichen bzw. Überschreiten der Pumpgrenze
eintretende Phänomen des Pumpens lässt sich für den Radialverdichter in Anlehnung
an [3] und mithilfe von Abb. 5.22 wie folgt erklären.
Es gelte die Versuchsanordnung, dass der Radialverdichter von einem Elektro-
motor M mit konstanter Drehzahl nV angetrieben wird. Die zugehörige Verdichter-
kennlinie ist gegenüber Abb. 5.21 jetzt bis in den negativen Förderbereich hinein
verlängert dargestellt. Der Verdichter fördere in ein Speichervolumen, aus wel-
chem der Verbraucher, über eine Drosselklappe gesteuert, den von ihm benötigten
Fördervolumenstrom V̇x entnimmt.
5.2 Laderbauarten 55
im Speichervolumen, bis der Betriebspunkt C erreicht wird. Da nun (πV )C < (πV )A
ist, wird der Verdichter zu wiederum positiver Förderung angeregt. Dabei durch-
läuft er instationär so schnell die Betriebspunkte auf der Verdichterkennlinie von C
bis D, dass dies einem Sprung von C nach D gleichkommt. Der Verdichter fördert
nunmehr wieder einen Volumenstrom größer als der vom Verbraucher gewünschte
Volumenstrom V̇2 . Wenn der Verbraucher seine Anforderung inzwischen nicht er-
höht hat, wandert der Verdichterbetriebspunkt von D nach A und der beschriebene
Pumpzyklus wiederholt sich.
Die Pumpfrequenz hängt vor allem vom Verhältnis der Verdichtergröße (Nenn-
volumenstrom) zur Speicherfähigkeit des angeschlossenen Verbrauchersystems ab,
je größer dieses Verhältnis ist, umso höher ist die Pumpfrequenz. Sie liegt bei den
Radialverdichtern von Abgasturboladern im Bereich von 5–30 Hz.
Es sei noch eine Anmerkung zum Verlauf der Verdichterkennlinie im negativen
Förderbereich des Verdichterkennfelds gemacht (Abb. 5.22). Verlängert man die
Verdichterkennlinie von B aus noch weiter in den negativen Förderbereich hinein,
so ist dies wiederum ein stabiler Abschnitt der Verdichterkennlinie. Dieser lässt
sich versuchstechnisch darstellen, indem man den zu untersuchenden Verdichter
unter Konstanthaltung seiner Drehzahl mit einem entsprechend stärkeren zweiten
Verdichter umgekehrt durchströmt. Der zu untersuchende Verdichter stellt dann eine
Drosselstelle dar, so dass der zugehörige Kennlinienast auch einen parabelförmigen
Verlauf aufweist.
Pumpen gilt es auf alle Fälle zu vermeiden, in erster Linie deshalb, weil es
zu einer stark pulsierenden Luftversorgung des Verbrauchers (Verbrennungsmotor)
führt, aber auch, weil es Schaufelschwingungen anregt, die sogar zum Schaufelbruch
führen können.
Ein Verdichter kann aus dem Pumpen herausgeholt werden, indem ihm – der Ur-
sache entsprechend – ein weiterer „Verbraucher“ zugeschaltet wird, im einfachsten
Fall durch Abblasen von verdichtetem Arbeitsmedium. Dieses wird zweckmäßi-
ger Weise durch Umblasen erreicht, über einen Bypass vom Verdichteraustritt zum
Verdichtereintritt.
Diese Maßnahme kann beispielsweise bei einem abgasturboaufgeladenen Pkw-
Ottomotor erforderlich werden, wenn bei schneller Fahrt und der dabei hohen
Motorleistung und der entsprechend hohen Turboladerdrehzahl der Fahrer plötzlich
vom Gas geht, was ein schlagartiges Schließen der Drosselklappe bedeutet (Abb.
5.23). Aus der Sicht des Turbolader-Verdichters bedeutet dies, dass sein Verbraucher
(der Motor!) die Mengenstromanforderung schlagartig so stark reduziert, dass er
ins Pumpen geraten würde. Um dieses zu vermeiden, öffnet ab einer bestimmten
Differenz des Drucks vor der Drosselklappe zum Druck im Luftverteiler (Abb. 5.23)
das federbelastete Umluftventil (Abb. 5.24), so dass Ladeluft zum Verdichtereintritt
umgeblasen wird.
Beim Abblasen bzw. Umblasen bleiben das Verdichterkennfeld und damit auch
die Lage der Pumpgrenze im Kennfeld unverändert. Letztere lässt sich durch Ein-
führung bzw. Ändern eines Vor- oder eines Nachleitapparats verschieben, wobei
dann allerdings auch die Verdichterkennlinien ihre Lage verändern (Abb. 5.25). Für
die Verdichter von Fahrzeugturboladern legt dies nahe, einen Nachleitapparat mit
5.2 Laderbauarten 57
Literatur
Um das Zusammenwirken eines Laders mit dem Motor beurteilen zu können, ist es
zweckmäßig, den Motor als Verbraucher des Laders im Laderkennfeld darzustellen.
Diese Kennlinie des Motors wird als Schlucklinie bezeichnet.
Beim Viertaktmotor erfolgt der Ladungswechsel des Zylinders im Wesentlichen
durch den Ansaughub und den Ausschiebehub des Kolbens und, bei Vorhanden-
sein einer Ventilüberschneidung, zudem zu einem gewissen Anteil durch Spülung.
Während der Ventilüberschneidung befindet sich der Kolben im Bereich des oberen
Totpunkts und bewegt sich dabei so langsam, dass er praktisch keine Ansaug- bzw.
Ausschiebewirkung ausüben kann. Eine Spülung kann daher nur stattfinden, wenn
ein positives Spülgefälle vorliegt, also der Druck vor Zylinder-Einlass höher als der
Druck nach Zylinder-Auslass ist. Bei Viertakt-Saugmotoren entsteht dieses positive
Spülgefälle durch den Sog, den das während der vorangegangenen Ausschiebephase
aus dem Zylinder abgeströmte Abgas, bei immer noch geöffnetem Auslassventil,
auf die verbliebene Zylinderfüllung ausübt. Diese gasdynamische Saugwirkung hält
nur über eine sehr kurze Phase an, so dass allenfalls ein Ausspülen des Restgases
aus dem Zylinder erreicht wird, nicht aber ein massives Durchspülen von Frisch-
gas durch den Zylinder. Dementsprechend klein ist die Ventilüberschneidung bei
Saugmotoren (10–60 ◦ KW) gegenüber der Ventilüberschneidung von hoch aufgela-
denen Großdieselmotoren (60–120 ◦ KW) zu wählen. Bei letzteren ermöglicht die
Abgasturboaufladung in einem weiten Betriebsbereich ein positives Spülgefälle und
damit ein Durchspülen von Frischgas durch den Zylinder, und zwar in einem so
hohen Maße, dass dabei über die Restgasausspülung hinaus auch eine Kühlung der
brennraumbegrenzenden Bauteile erreicht wird. Zudem lässt sich dadurch auch die
Abgastemperatur nach oben begrenzen, was bei Schweröleinsatz zur Vermeidung
von Heißkorrosion an den Auslassventilen und insbesondere an der Abgasturbine
erforderlich ist.
Während beim Viertaktmotor mehr als eine ganze Kurbelwellenumdrehung bzw.
zwei Kolbenhübe für den Ladungswechsel zur Verfügung stehen, muss der Ladungs-
wechsel beim Zweitaktmotor innerhalb der kurzen Phase erfolgen, in der sich der
Kolben im Bereich des unteren Totpunkts befindet. Wegen der dabei wiederum nicht
Abb. 6.1 Steuerdiagramme, für einen (längsgespülten) Zweitaktmotor (links) und für den Viertakt-
motor (rechts)
ergibt sich unter Berücksichtigung von Abb. 6.2 für den Spülmassenstrom:
√ √ √
ṁ ∼ AE (ϕ) · pE − pZ = AA (ϕ) · pZ − pA = Ared (ϕ) · pE − pA = C
(6.2)
C2
p E − pZ = (6.3)
AE 2
C2
p Z − pA = (6.4)
AA 2
C2
pE − p A = (6.5)
Ared 2
Durch Addition von Gl. (6.3) und (6.4) ergibt sich
C2 C2
pE − p A = 2
+ · (6.6)
AE AA 2
Da die linke Seite von Gl. (6.6) mit derjenigen von (6.5) übereinstimmt, müssen
auch deren rechte Seiten gleich sein,
C2 C2 C2
= +
Ared 2 AE 2 AA 2
woraus sich schließlich der reduzierte Querschnitt Ared (ϕ) berechnen lässt –
s. Abb. 6.1.
AE 2 (ϕ) · AA 2 (ϕ)
Ared (ϕ) = (6.7)
AE 2 (ϕ) + AA 2 (ϕ)
Aus diesem reduzierten Querschnitt Ared (ϕ), der periodisch während eines Arbeits-
spiels nur einmal öffnet, lässt sich eine gleichwertige Öffnung, der Äquivalente
Spülquerschnitt Aeq , definieren, die während des gesamten Arbeitsspiels geöffnet
62 6 Druckverhältnis-Volumenstrom-Kennfeld des Motors
ist, indem man das Flächenintegral von Ared (ϕ) gleichmäßig über das Arbeitsspiel
aufteilt:
Ared (ϕ) · dϕ Ared (ϕ) · dϕ
Aeq = für Zweitakt bzw. Aeq = für Viertakt (6.8)
360 720
Aeq ist demnach nur von der Geometrie der Ladungswechselorgane und dem Verlauf
ihrer Öffnungsflächen über dem Kurbelwinkel ϕ (Abb. 6.1), nicht aber von der
Motordrehzahl abhängig.
Unter Verwendung des Äquivalenten Spülquerschnitts und eines Durchflussbei-
werts μ kann man nun den Spülmassenstrom ṁL,spül nach der üblichen Durchfluss-
gleichung – Gl. (6.1) – berechnen, mit der Durchflussfunktion gemäß
⎡ ⎤
2 κEκ +1
pA κE ⎣ pA κE pA E
⎦.
= − (6.9)
pE κE − 1 pE pE
6.2 Zweitaktmotor
Aus Abb. 6.3 geht zudem der Einfluss von TE hervor. Aber auch dann, wenn, etwa
bei Fehlen eines Ladeluftkühlers, TE mit pE ansteigt, bleibt der charakteristische,
einer quadratischen Parabel ähnliche Verlauf der Schlucklinie erhalten.
Wenn der Druck pA hinter dem Auslassorgan des Zylinders mit der Motorlast
zunimmt, wie insbesondere bei einem Motor mit Abgasturbine, verändert sich das
wirksame Spülgefälle (Abb. 6.4). Die Motorschlucklinie verläuft dann entsprechend
dem steigenden Gegendruck hinter dem Motor etwa nach der dick gezeichneten
parabelähnlichen Kurve in Abb. 6.4.
Die Aussage, dass der Luftdurchsatz bei Zweitaktmotoren nur vom Luftzustand
vor dem Einlass (pE , TE ) und vom Gegendruck pA , nicht aber von der Drehzahl
abhängt, darf nicht auf die jeweils am Ende des Ladungswechsels im Zylinder ver-
bleibende Luftmenge erweitert werden. Bei gleichem Luftdurchsatz und fallender
Drehzahl steigt der Luftaufwand, da die gleiche Luftmenge auf eine kleinere Anzahl
von Arbeitsspielen bezogen wird. Größerer Luftaufwand bedeutet aber zunächst nur
eine größere dem Zylinder zugeführte Luftmenge. Die davon im Zylinder verblei-
bende Luftmenge hängt in erster Linie vom Ladeluftzustand (pE , TE ) ab und wird
durch den Luftaufwand nur im Maße des veränderten Spülerfolgs beeinflusst.
64 6 Druckverhältnis-Volumenstrom-Kennfeld des Motors
6.3 Viertaktmotor
Beim Viertaktmotor setzt sich der Luftdurchsatz ṁL aus dem vom Motor angesaugten
und auch in den Zylindern jeweils verbliebenen Anteil ṁLZ und dem durchgespülten
Anteil ṁL,spül zusammen.
Der Übersichtlichkeit halber soll zunächst die Motorschlucklinie für den Motor ohne
Ventilüberschneidung hergeleitet werden. Die rechte Seite von Gl. (6.15) vereinfacht
sich entsprechend zu
ṁL pE T1 nM
V̇1 = = l · VH · · · . (6.16)
ρ1 p 1 TE 2
Unter der Annahme, dass pE ≈ p2 , und aufgelöst nach p2 /p1 , geht Gl. (6.16) über in
p2 2 TE 1
= · · · V̇1 . (6.17)
p1 l · V H T1 nM
Die Schlucklinie des Viertaktmotors stellt den Luftdurchsatz des Motors bei
konstanter Motordrehzahl nM im Laderkennfeld p2 /p1 = f (V̇1 , nM = const.) dar.
Für einen gegebenen Motor (VH = const.) und gegebenen Ladereintrittszustand
(p1 , T1 ) gilt bei nM = const., dass auch der Liefergrad l praktisch konstant ist, so
dass Gl. (6.17) übergeht in
p2
∼ TE · V̇1 . (6.18)
p1
Geht man weiter davon aus, dass über eine Ladeluftkühlung TE konstant gehalten
werde, so gilt
p2
∼ V̇1 , (6.19)
p1
6.3 Viertaktmotor 65
was bedeutet, dass die Motorschlucklinie im Laderkennfeld eine Gerade durch den
Ursprung darstellt – Abb. 6.5. Mit zunehmender Drehzahl nM nimmt gem. Gl. (6.17)
die Neigung der Schlucklinien ab. Praktische Bedeutung hat diese Geradenschar
in Abb. 6.5 allerdings nur für Druckverhältnisse p2 /p1 ≥ 1, wobei p2 /p1 = 1 dem
Saugmotor entspricht.
Ist eine mit dem Ladedruckverhältnis ansteigende Zylinder-Einlasstemperatur TE
zu berücksichtigen, etwa bei Fehlen eines Ladeluftkühlers, ergibt sich die in Abb. 6.6
gestrichelt eingetragene Motorschlucklinie. Weist der Motor eine Ventilüberschnei-
dung auf, die eine Spülung ermöglicht, so nimmt die Motorschlucklinie den in Abb.
6.7 gestrichelt eingetragenen Verlauf an, wobei unterstellt ist, dass der Druck pA auf
der Auslassseite gleich dem Ladereinlassdruck p1 sei.
Kapitel 7
Zusammenwirken von Lader und Motor
Obwohl das Abgestimmte Saugsystem ohne Lader arbeitet, außer bei der kombi-
nierten Aufladung – s. Abschn. 10.12 –, sei dennoch hier kurz darauf eingegangen,
da man praktisch bei allen Fahrzeugmotoren mit Schwingungen im Saugsystem
rechnen muss, und es sich dabei auch um ein Zusammenwirken mit dem Motor
handelt. Durch die periodisch öffnenden Einlassorgane des Motors werden im Saug-
system Schwingungen angeregt, die je nach Frequenz und Phase bei bestimmten
Motordrehzahlen eine Vergrößerung, bei anderen eine Verkleinerung des Liefergrads
bewirken.
Sowohl bei den frei in die Atmosphäre mündenden Einzelrohren eines Rennmo-
tors (Abb. 7.3) als auch bei den an einem kleinen Aufnehmer zusammengefassten
Einzelrohren bei den Motoren von Gebrauchsfahrzeugen hat man es im Wesentli-
chen mit einem aperiodischen Schwingungsvorgang zu tun. Das Funktionsprinzip
lässt sich, stark vereinfacht und unter Anwendung der akustischen Theorie, wie folgt
darstellen (Abb. 7.1).
Am Einlass des Zylinders sei ein glattes Rohr von der gestreckten Länge L ange-
schlossen, welches mit seinem offenen Rohrende mit derAußenatmosphäre bzw. dem
oben genannten Aufnehmer in Verbindung steht. Bis unmittelbar vor dem Zeitpunkt
Einlass-Öffnet (EÖ) sei die Luft im Rohr in Ruhe und vom thermischen Zustand
gleich dem der Außenatmosphäre bzw. demjenigen im Aufnehmer (p0 , T 0 ).
Durch die Abwärtsbewegung des Kolbens beim Saughub entsteht im Zylinder ein
Unterdruck (pZ < p0 ), so dass beim Öffnen des Einlassventils eine Saugwelle (p < p0 )
ausgelöst wird, welche mit der Schallgeschwindigkeit
a0 = κ · R · T 0 (7.1)
vom Einlassventil in Richtung offenes Rohrende läuft (Phase I). Am offenen Roh-
rende wird diese Saugwelle als Druckwelle reflektiert (Phase II), die nun ihrerseits
auch mit der Schallgeschwindigkeit a0 in Richtung Einlassventil läuft (Phase III).
Trifft sie dort rechtzeitig vor Einlass-Schließt (ES) ein, werden wegen p > p0 und
T ≈ T 0 auch ρ > ρ0 und ein dementsprechend höherer Liefergrad erreicht.
Die Wellenlaufzeit t Lauf für den Hin- und Rücklauf der Welle durch das Saugrohr
der Länge L
2L
tLauf = (7.2)
a0
lässt sich über die gegebene Motordrehzahl nM in eine Wellenlaufzeit ϕLauf in
◦
KW umrechnen,
12 · nM · L
ϕLauf = 6 · nM · tLauf = , (7.3)
a0
mit nM in min−1 , L in m und a0 in m/s.
Damit dieser Effekt der natürlichen Aufladung zustande kommen kann, muss
ϕ Lauf kürzer sein als die Einlassventil-Öffnungsdauer ϕ EV . Geht man für einen
gegebenen Motor von einem konstanten Wert für T 0 und damit auch für die
Schallgeschwindigkeit a0 aus, ergibt sich aus Gl. (7.3), dass die Saugrohrlänge
1
L∼ (7.4)
nM
Abb. 7.3 Rennmotor Ferrari 312B mit Schwingrohr-Aufladung. Die krümmungslosen Einzelrohre
münden frei in die Atmosphäre
70 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
kann. Die Abstimmung des Saugrohrs wird bei Rennmotoren in der Regel durch
abgestimmte Auspuffrohre unterstützt. Die beim Öffnen des Auslassventils in das
Auspuffrohr hineinlaufende Druckwelle wird am offenen Ende (oder in einem Auf-
nehmer) negativ reflektiert und wandert als Unterdruckwelle zum Zylinder zurück.
Die Leitungslänge muss so bemessen sein, dass diese Unterdruckwelle kurz vor
Auslass-Schließt (AS) am Zylinder eintrifft, also nach etwa einer halben Motorum-
drehung. Dadurch wird zum einen die Ausschiebearbeit verringert und zum anderen
Restgas aus dem Zylinder gesaugt, wodurch die Zylinderfüllung erhöht wird. Wegen
der höheren Schallgeschwindigkeit im Auspuffgas sind die Auspuffleitungen länger
zu gestalten als die Saugleitungen.
Von der Schwingrohr-Aufladung unterscheidet sich die Resonanzaufladung grund-
sätzlich, hier ist ein Aufschaukeln mit mehreren Schwingungen vorhanden. Hierbei
werden Gruppen von Zylindern mit gleichen Zündabständen über kurze Saugrohre
an Resonanzbehälter angeschlossen, die über Resonanzrohre mit der Atmosphäre
bzw. mit einem Aufnehmer in Verbindung stehen (Abb. 7.4).
Die Luftmasse in den Resonanzrohren bildet zusammen mit den als Federn auf-
zufassenden Luftvolumina in den Resonanzbehältern ein schwingfähiges System.
Am besten wirkt dasjenige System, dessen Eigenschwingungszahl sich aus Län-
ge und Durchmesser der Resonanzrohre, Volumen des Resonanzbehälters und der
Schallgeschwindigkeit berechnen lässt [2], bei Anschluss von drei Zylindern an
einen Resonanzbehälter. Für eine genaue Berechnung muss berücksichtigt werden,
dass auch die Luftmasse in den Leitungen Federungseigenschaften besitzt und dass
das Zylindervolumen – solange das Einlassventil geöffnet ist – die Vorgänge beein-
flusst. Eine exakte Erfassung der Vorgänge im Saugsystem allgemein ist nur über
eine numerische Berechnung z. B. mit einem 1D-Simulationsprogramm möglich –
s. Abschn. 8.3.1.
7.1.2 Impulsaufladung
Die Wirkung der abgestimmten Saugrohrlänge lässt sich noch verstärken, wenn im
Saugrohr stromaufwärts des Einlassventils ein gesteuertes, schnell schaltendes, als
Lufttaktventil (LTV) bezeichnetes Klappenventil angeordnet wird (Abb. 7.5). Die
7.1 Dynamische Aufladung 71
Arbeitsweise dieses als Impulsaufladung bezeichneten Verfahrens lässt sich wie folgt
beschreiben.
Mit Beginn des Ansaugtaktes wird das Lufttaktventil zunächst geschlossen ge-
halten. Durch die Abwärtsbewegung des Kolbens entsteht im Zylinder ein starker
Unterdruck. Erst zu einem relativ späten Zeitpunkt (ca. 60 ◦ KW vor UT) des Ansaug-
takts wird nun das Lufttaktventil über eine elektrische Ansteuerung (voll) geöffnet.
Aufgrund des großen Druckgefälles strömt Frischluft mit hoher Geschwindigkeit in
den Zylinder und gleichzeitig wird eine entsprechend massive Saugwelle ausgelöst,
welche in Richtung des Einlass-Sammlers läuft und dort (offenes Rohrende!) als
Druckwelle reflektiert wird. Diese Druckwelle sorgt für eine große Frischgasfüllung
im Zylinder.
Bevor die am Kolbenboden reflektierte Druckwelle ein Rückströmen aus dem
Zylinder auslösen kann, wird das Lufttaktventil geschlossen (bei UT). Dieses wird
als einmaliges Takten bezeichnet (Abb. 7.6).
Durch ein zweimaliges Takten der Einströmung während der Ansaugphase lässt
sich eine nochmalige Steigerung der Zylinderfüllung gegenüber dem nur einmaligen
Takten des Lufttaktventils erreichen [2].
Abbildung 7.7 zeigt für einen typischen 2 l-Vierzylindermotor, welcher Dreh-
momentverlauf und welcher Drehmomentzugewinn mit Impulsaufladung gegenüber
dem Betrieb ohne Lufttaktventil erzielt werden können.
Außer der bevorzugten Anwendung der Impulsaufladung bei Otto-Saugmotoren
lässt sich diese auch als Zusatzeinrichtung bei abgasturboaufgeladenen oder mecha-
nisch aufgeladenen Pkw-Motoren anwenden, um die Low-end-torque-Charakteristik
eines Motors zu verbessern. Letztlich verschafft das Lufttaktventil Motoren mit fes-
ten Steuerzeiten einen Teil der Freiheitsgrade, die eine vollvariable Ventilsteuerung
insgesamt zu bieten hat.
72 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
Bei der mechanischenAufladung wird der Lader vom Motor angetrieben, Motordreh-
zahl und Laderdrehzahl stehen – sofern kein schaltbares oder stufenlos regelbares
(CVT) Getriebe zum Einsatz kommt – in einem festen Übersetzungsverhältnis zu-
einander. Die Betriebspunkte im Laderkennfeld ergeben sich als die Schnittpunkte
der durch das Übersetzungsverhältnis jeweils zugeordneten Kennlinien des Laders
und des Motors (Motorschlucklinie).
In der Regel wird man das Übersetzungsverhältnis ü zwischen der Drehzahl eines
gegebenen Motors und der des zur Aufladung vorgesehenen Laders so festlegen, dass
im Nennleistungspunkt das gewünschte Ladedruckverhältnis erreicht wird. Alle wei-
teren Volllastbetriebspunkte ergeben sich dann entsprechend den Charakteristiken
(Kennfeldern) von Motor und Lader.
Abb. 7.9 Mechanische Aufladung eines Viertakt-Ottomotors (MINI Cooper S) mit einem Verdrän-
gerlader, Volllast-Motorbetriebslinien vor und nach Ladeluftkühler. (Aus [3])
74 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
Abb. 7.10 Mechanische Aufladung eines Ottomotors mit einem Verdrängerlader, Ladedruckrege-
lung durch einen Lader-Bypass
Punkte 1, 2 und 3, wodurch wunschgemäß der Laderdurchsatz V̇1 und damit die
Zylinderfüllung auch tatsächlich verringert werden. Nachteilig ist jedoch, dass
dabei der Ladedruck nach Lader bzw. vor der Drosselklappe sehr hoch ansteigt,
wofür der Motor eine entsprechend hohe Laderantriebsleistung aufbringen muss,
obwohl zielgemäß seine Last abnimmt, was sich entsprechend negativ auf den
Motorwirkungsgrad auswirkt. Vorteilhafter ist es daher, wiederum ausgehend vom
Betriebspunkt bei Volllast, zur Motorlastreduzierung zunächst allein die Bypass-
klappe entsprechend weit zu öffnen; die Lader-Betriebspunkte A–D stehen für zu-
nehmend geöffnete Bypassklappe, die gestrichelt eingetragene Kurvenschar stellt
die Schlucklinien des Gesamtverbrauchers (Motor + Bypass) bei verschiedenen
Bypassklappen-Stellungen dar.
Wenn die Bypassklappe beispielsweise soweit geöffnet ist, dass sich der Lader-
betriebspunkt B einstellt, fördert der Lader den (bezogenen) Volumenstrom (V̇1 )B .
Davon schluckt der Motor entsprechend seiner Schlucklinie bei voll geöffneter Dros-
selklappe anteilig den Volumenstrom (V̇1 )M,B , der Rest strömt durch den Bypass
zurück zum Ladereingang. Der Bypass kann theoretisch soweit geöffnet werden,
dass überhaupt kein Druckaufbau im Lader mehr erfolgt, praktisch muss aber auch
dann zumindest soviel Druck aufgebaut werden, dass die Druckverluste in der By-
passleitung gedeckt sind. Bei voll geöffneter Bypassklappe (pL /p1 = 1) entspricht
die Zylinderfüllung derjenigen bei Volllast im Saugbetrieb des Motors. Für noch
kleinere Motorlasten muss dann zusätzlich die Drosselklappe enger gestellt werden.
In der Praxis wird es einen Übergangsbereich geben, in welchem die Bypass-
klappe noch nicht ganz geöffnet ist, aber die Drosselklappe schon ein wenig enger
gestellt wird. Die dazu erforderliche Stellstrategie ist über geeignete Motorversu-
che festzulegen, bei denen neben dem Motorwirkungsgrad auch das dynamische
Lastannahmeverhalten des Motors ein Optimierungskriterium darstellt.
Eine zunächst als einfacher erscheinende Methode, bei einem mit einem Ver-
drängerlader mechanisch aufgeladenen Viertaktmotor den Ladedruck zu regeln,
besteht darin, die Drosselklappe vor dem Lader anzuordnen und allein über diese
die Mengensteuerung vorzunehmen.
Abbildung 7.11 zeigt dazu das Schaltschema und die Darstellung des Zusammen-
wirkens von Motor und Lader im Laderkennfeld entlang der Motorlast bei konstanter
Motordrehzahl nM . Alle bei nM = const. fahrbaren Motorlastpunkte liegen auf dersel-
ben Motorschlucklinie. Der Ansaugzustand des Gesamtsystems wird durch p1 und
T1 beschrieben. Der auf die zugehörige Dichte ρ1 bezogene Luftmassenstrom V̇1
bildet die Abszisse des Diagramms, das Ladedruckverhältnis pL /p1 dessen Ordinate.
Der Volllastbetriebspunkt A ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Motorschluck-
linie (nM = const.) mit der Laderkennlinie (nL = const.) bei voll geöffneter Dros-
selklappe. Der Fußpunkt dieser Laderkennlinie auf der Linie pL /p1 = 1 steht für
den maximalen Laderdurchsatz bei dieser Drosselklappenstellung. Wird die Drossel-
klappe etwas enger gestellt (Teillast-Betriebspunkt B), so fördert der Lader wegen
nL = const. zwar noch den gleichen Volumenstrom, aber wegen pvL < p1 und mit
TvL ≈ T1 auch ρvL < ρ1 einen entsprechend geringeren Massenstrom bzw. bezoge-
nen Volumenstrom V̇1 . Dadurch ist die zugehörige Laderkennlinie in den gegebenen
Diagrammachsen nach links verschoben. Wenn auf diese Weise bei weiterem
76 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
Abb. 7.11 Mechanische Aufladung eines Ottomotors mit einem Verdrängerlader, Ladedruckrege-
lung durch Anordnung der Drosselklappe vor dem Lader
Engerstellen der Drosselklappe sich der Betriebspunkt C einstellt, erreicht der Lade-
druck pL (nach Lader) genau den Wert des Ansaugdrucks p1 (vor Drosselklappe). Der
Betriebspunkt C entspricht daher demjenigen Luftzustand vor Motor-Einlass, den
der Motor als Saugmotor bei voll geöffneter Drosselklappe (Saugmotoren-Volllast)
aufweisen würde. Wird zur Darstellung einer noch geringeren Motorlast die Dros-
selklappe noch weiter geschlossen, etwa entsprechend dem Betriebspunkt D, liegt
nicht nur der Druck am Ladereintritt (pvL ), sondern auch der Druck am Laderaustritt
(pL ) unterhalb des Außendrucks p1 .
Hierin besteht die Problematik dieser Ladedrucksteuerungs-Methode. Unterdruck
im Lader kann nämlich eine Schmierölansaugung aus der Laderlagerung in die La-
deluft bewirken, die zu einer Laderverschmutzung führen und bei einem Ottomotor
zudem die Klopfgefahr erhöhen kann – Schmieröl ist imVergleich zu Ottokraftstoffen
ein zündwilliger und damit klopffreudiger „Kraftstoff“.
Die Vermeidung von Unterdruck innerhalb des Laders ist auch bei abgasturboauf-
geladenen Ottomotoren der Grund, warum heute allgemein noch die Drosselklappe
stromabwärts des Laders angeordnet wird.
gilt
VH
MM = · pe .
4π
Da es bei mechanischer Aufladung im Generatorbetrieb (nM = const.) nur einen
einzigen, von der Last unabhängigen Lader-Betriebspunkt gibt (Punkt A in Abb.
7.13), sind, von der Charakteristik her gesehen, Lader nach der Verdrängerbauart und
solche nach der Strömungsbauart gleich gut für diese Betriebsweise geeignet. Die
Wahl richtet sich nach Bauaufwand, zu erreichender Druckhöhe und Wirkungsgrad.
Bezüglich des Propellerbetriebs ist festzustellen, dass der Ladedruck mit fallen-
der Motordrehzahl bei der mechanischen Aufladung durch Strömungslader stärker
abnimmt als bei der Anwendung von Verdrängerladern. Dies ist kein Nachteil, da der
Ladedruck für Teillasten wegen des mit fallender Motordrehzahl stark abnehmenden
effektiven Mitteldrucks immer ausreicht, wenn er für Volllast hoch genug ist. Die
starke Abnahme des Ladedrucks ist in diesem Fall sogar erwünscht, da ein unnötig
hoher Ladedruck dem Motor eine entsprechend höhere Laderantriebsleistung abver-
langt, was sich negativ auf den spezifischen Kraftstoffverbrauch auswirkt. Für den
Propellerbetrieb bei mechanischer Aufladung ist daher ein Strömungslader besser
geeignet als ein Verdrängerlader.
Für den Fahrzeugbetrieb wird, ausgehend vom Nennleistungsbetriebspunkt
(Punkt A in Abb. 7.13), mit fallender Drehzahl zunächst sogar möglichst ein anstei-
gendes Drehmoment und auch bei niedriger Drehzahl noch ein hohes Drehmoment
(Low-end torque) verlangt, um das Fahrzeug ausreichend beschleunigen zu können.
Hierzu ist bei einem festen Übersetzungsverhältnis zwischen Motor und Lader ein
Lader nach der Strömungsbauart nicht, ein Lader nach der Verdrängerbauart auf alle
Fälle besser geeignet. Der Einsatz eines Strömungsladers bei der mechanischen Auf-
ladung – er wird wegen seines grundsätzlich günstigen Wirkungsgrads angestrebt –
wird allerdings möglich, wenn sein Antrieb über ein Getriebe mit variablem Über-
setzungsverhältnis, etwa einem CVT1 -Getriebe, realisiert wird [4]. Abbildung 7.14
zeigt zu solch einem Aufladesystem die Motorbetriebslinie bei Volllast.
7.2.3 Zweitaktmotor
1
CVT = continuously variable transmission
7.2 Mechanische Aufladung 79
annähernd wie eine quadratische Parabel verläuft, entsprechend bei etwa quadra-
tisch mit der Drehzahl ansteigenden Werten des Druckverhältnisses p2 /p1 . Da beim
Strömungslader schon von sich aus das Druckverhältnis in etwa quadratisch mit der
Drehzahl zunimmt, gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen Verdränger-
und Strömungslader hinsichtlich der Lage ihrer zu einer bestimmten Teildrehzahl
gehörenden Motorbetriebspunkte auf der Motorschlucklinie. Dieses gilt für die zu
Abb. 7.15 gehörige Annahme, dass der Druck nach dem Zylinder-Auslass (pA ) gleich
dem Druck am Lader-Einlass (p1 ) ist.
Bei veränderlichem Gegendruck (nach dem Zylinder) pA verhalten sich
Verdränger- und Strömungslader wegen der dann gänzlich anderen Lagen der Motor-
schlucklinie unterschiedlich, was bei abgasturboaufgeladenen Motoren, die zusätz-
lich mit mechanisch angetriebenen parallelen Kolbenpumpen (= Verdrängerlader)
mit Luft versorgt wurden, eine Rolle spielte.
80 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
7.3 Abgasturboaufladung
Die Drehzahl des Turboladers und damit der Ladedruck sind der Motordrehzahl nicht
unmittelbar zugeordnet, sondern hängen von der der Turbine zugeführten Abgasleis-
tung ab. Die vom Motor gelieferte Abgasleistung steigt im Allgemeinen mit der
effektiven Leistung des Motors. Es besteht also eine thermodynamische Kopplung
zwischen der Motor- und der Laderdrehzahl und nicht eine mechanische wie bei der
mechanischen Aufladung.
Viertaktmotor Abbildung 7.16 zeigt die Motorbetriebslinien für
1. Generatorbetrieb (nM = const.)
2. Propellerbetrieb (pe ∼ nM 2 )
3. Drehzahldrückung (pe = const.)
bei abnehmender Motorleistung, links im Motorkennfeld, rechts im Laderkennfeld,
und jeweils ausgehend vom Auslegungspunkt A, der mit dem Nennleistungspunkt
des Motors zusammenfallen möge.
In das Motorkennfeld sind zudem Linien konstanter effektiver Motorleistung Pe
eingetragen, die wegen
1
pe ∼ Pe · (7.5)
nM
eine Hyperbelschar bilden, wobei die für die Motornennleistung (Betriebspunkt A)
geltende Pe -Isolinie als Zugkrafthyperbel bezeichnet wird. Ließe sich ein Fahr-
zeugmotor mit einem Volllast-Drehmomentenverlauf gleich der Zugkrafthyper-
bel realisieren, so würde das damit angetriebene Fahrzeug kein Schaltgetriebe
benötigen.
7.3 Abgasturboaufladung 81
Abb. 7.16 Motorbetriebslinien in Motor- (links) und Laderkennfeld (rechts) bei abnehmender
Motorleistung, Viertaktdieselmotor mit ungeregeltem Abgasturbolader, schematisch
Für die nachfolgende Erklärung ist wichtig festzustellen, dass jeder Betriebspunkt
im Motorkennfeld, der unterhalb der Zugkrafthyperbel liegt – dies trifft beim realen
Motor für alle Betriebspunkte außer dem Nennleistungspunkt (A) zu – eine geringere
effektive Motorleistung Pe und damit auch eine geringere Abgasleistung liefert als
im Nennleistungspunkt. Mit abnehmendem Abgasleistungsangebot an die Turbine
sinken die Turboladerdrehzahl und damit auch der Ladedruck. Unterstellt man, dass
beim jeweils vorliegenden Brennverfahren ein bestimmter Mindestwert für das Ver-
brennungsluftverhältnis nicht unterschritten werden darf, lässt sich mit sinkendem
Ladedruck nur bedingt die Motorlast (pe ) konstant halten.
Dass der Nennleistungspunkt als Auslegungspunkt für den Motor und insbeson-
dere auch für den Turbolader gewählt wird, trifft weitgehend die Vorgehensweise bei
der Auslegung von mittelschnelllaufenden Viertaktdieselmotoren, welche außer als
Schiffsantriebe auch zum Antrieb von elektrischen Generatoren eingesetzt werden.
Bei Generatorbetrieb liegen die Betriebspunkte im Laderkennfeld auf der zur
Motordrehzahl nA gehörenden Schlucklinie. Mit fallender Motorlast (pe ) nimmt
proportional die (effektive) Motorleistung und damit auch in etwa proportional
die an die Abgasturbine gelieferte Abgasleistung ab. Der dadurch abnehmende
Ladedruck reicht aber immer dafür aus, das Verbrennungsluftverhältnis V des
Auslegungspunkts in etwa beibehalten zu können.
Wird im Propellerbetrieb eine gleich große pe -Absenkung vorgenommen (Be-
triebspunkt b) wie im Generatorbetrieb (Betriebspunkt a), so wäre zur Erfüllung der
Forderung nach gleichem Verbrennungsluftverhältnis auch der gleiche Ladedruck
erforderlich. Dieser nimmt bei Propellerbetrieb jedoch stärker ab als bei Generatorbe-
trieb, weil die Motor- und damit auch die Abgasleistung im Betriebspunkt b geringer
sind als im Betriebspunkt a. Gleichwohl lassen sich, bei ausreichend hoch gewähl-
tem Verbrennungsluftverhältnis im Auslegungspunkt (A), Schiffsmotoren entlang
82 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
gebildet wird, durch den der Motordurchsatz durchgesetzt wird, mit pE − pnT als
dem treibenden Druckgefälle (pE = Druck vor Zylinder-Einlass; pnT = Druck nach
7.3 Abgasturboaufladung 83
Turbine). Da es hier, abgesehen von sekundären Einflüssen, nur eine einzige Mo-
torbetriebslinie gibt, müssen alle möglichen Betriebspunkte (bei Generator- und
Propellerbetrieb sowie bei Drehzahldrückung) auf dieser liegen.
Abbildung 7.17 zeigt die Motorbetriebslinie bei Abgasturboaufladung und zum
Vergleich auch diejenige bei mechanischer Aufladung (pA = p1 ).
Allerdings bilden etwa die Betriebspunkte für 50 %-Generatorleistung und 50 %-
Propellerleistung zwei unterschiedliche Punkte auf der Motorbetriebslinie.
Bei stationärem Motorbetrieb stehen die vom Lader aufgenommene Leistung PL und
die von der Turbine abgegebene Leistung PT im Gleichgewicht.
PL = PT (7.7)
Da die Laufräder von Lader und Turbine auf einer gemeinsamen Welle angeordnet
sind und zusammen das so genannte Turbolader-Laufzeug darstellen, gilt für beide
Strömungsmaschinen die Turboladerdrehzahl nTL .
Für die Laderleistung gilt
1
PL = ṁL · hsL · , (7.8)
ηsL · ηmL
mit der isentropen Enthalpiedifferenz des Laders
⎡ ⎤
κLκ −1
p
hsL = cpL · T1t · ⎣ − 1⎦ ,
2t L
(7.9)
p1t
Unter Verwendung der Gln. (7.8–7.11) lässt sich Gl. (7.7) schreiben in der Form
⎡ ⎤
κLκ −1
p2t L
ṁL · cpL · T1t · ⎣ − 1⎦ = ηsL · ηmL · ηmT · ηsT · ṁT · cpT · T3t
p1t
⎡ ⎤
κTκ −1
p
· ⎣1 − ⎦.
4 T
(7.12)
p3t
84 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
Die Produktkette aus den Wirkungsgraden in Gl. (7.12) wird zum Turboladerwir-
kungsgrad ηTL zusammengefasst.
Da Turbine und Lader eine gemeinsame Welle besitzen, sind die zugehörigen
mechanischen Verluste im mechanischen Wirkungsgrad ηmTL zusammenzufassen.
In der Praxis werden die gesamten mechanischen Verluste des Turboladers dem
isentropen Turbinenwirkungsgrad ηsT zugeschlagen, so dass dieser übergeht in den
Turbinenwirkungsgrad ηT
Löst man Gl. (7.12) nach dem Lader-Druckverhältnis πL = p2t /p1t auf, erhält man
die so genannte
I. Turboladerhauptgleichung:
⎧ ⎡ ⎤⎫ κL
⎨ κTκ −1 ⎬κL −1
p2t ṁT cpT T3t p4 T ⎦
πL = = 1+ · · · ηTL · ⎣1 − (7.17)
p1t ⎩ ṁL cpL T1t p3t ⎭
ATeff = AT · μT
wird, so lässt sich der Massenstrom ṁT durch die Turbine über die Saint-Venantsche
Durchflussgleichung berechnen – Gl. (7.19).
2 p4
ṁT = μT · AT · p3t · · T (7.19)
R · T3t p3t
Die Durchflussfunktion ψT ist außer von der Stoffgröße κT des Abgases nur vom
Turbinendruckverhältnis p3t /p4 abhängig.
⎡ ⎤
κ2 κTκ +1
κT p4 p4
·⎣ ⎦
T T
T = − (7.20)
κT − 1 p3t p3t
Insbesondere für Turbolader von Fahrzeugmotoren ist die Darstellung des Turbinen-
schluckvermögens als reduzierten Turbinenmassenstrom
√
ṁT · T3t 2 p4
ṁTred = = ATeff · · (7.21)
p3t R p3t
über dem Turbinendruckverhältnis πT = p3t /p4 üblich. Setzt man in erster Näherung
ATeff konstant, stellt sich Gl. (7.21) entsprechend Abb. 7.19 dar.
Mit Erreichen des kritischen Druckverhältnisses
κ κT−1
p4 2 T
= (7.22)
p3t krit κT + 1
7.3 Abgasturboaufladung 87
für Abgas mit κT = 1,33 wird dieses bei p3t /p4 ≈ 1,85 erreicht – würde die Funktion
ṁTred (p3t /p4 ) unter der Annahme von ATeff = const. in eine Waagrechte übergehen.
Der tatsächliche Turbinendurchsatz
p3t
ṁT = ṁTred · √
T3t
würde
√ aber dennoch mit p3t /p4 > (p3t /p4 )krit weiter ansteigen, weil p3t stärker wächst
als T3t , und zudem auch der effektive Turbinenquerschnitt im Allgemeinen mit dem
Turbinendruckverhältnis zunimmt.
Der effektive Turbinenquerschnitt ATeff ist keine konstante Größe, sondern hängt au-
ßer von der Turbinengeometrie vom Anströmzustand der Turbine (p3t , T 3t ), vom
Turbinengegendruck p4 sowie von der Turboladerdrehzahl ab. Seine experimentelle
Bestimmung, wie sie bei der Aufnahme des Turbinenkennfelds auf einem Turbo-
laderprüfstand vorgenommen werden kann, basiert auf der nach ATeff aufgelösten
Gl. (7.19).
ṁT R · T3t 1
ATeff = · · ⎡ ⎤ (7.23)
p3t 2 κ2 κTκ +1
κT p4 T p4 T ⎦
·⎣ −
κT − 1 p3t p3t
Abbildung 7.20 zeigt dazu schematisch die Abwicklung der Schaufelgitter von
Leit- und Laufrad einer Axialturbine, Abb. 7.21 entsprechend für die Radialturbine.
In beiden Abbildungen steht der Index D für Düse, eine andere Bezeichnung für
Leitrad, und der Index R für Laufrad.
Bei der Axialturbine gilt an Ein- und Austritt des Laufrads die gleiche Um-
fangsgeschwindigkeit u, berechnet mit dem Durchmesser in halber Schaufelhöhe
(Mittelschnitt). Bei der Radialturbine sind die Umfangsgeschwindigkeiten an Ein-
und Austritt des Laufrads verschieden, am Eintritt berechnet mit dem Durchmesser
7.3 Abgasturboaufladung 89
ADeff = zD · hD · aD · μD
AR eff = zR · hR · a R · μR .
ADeff und AReff werden nachfolgend nur noch mit AD bzw. AR bezeichnet.
Der Massenstrom durch die Turbine ṁT lässt sich mit den Bezeichnungen nach
Abb. 7.20 und Abb. 7.21 wie folgt anschreiben.
ρsp ist die zunächst noch unbekannte Dichte am Leitradaustritt, ρ4 die Dichte nach
dem Laufrad und c0 die aus dem isentropen Gesamtgefälle hsT der Turbine gebildete
theoretische Geschwindigkeit
c0 = 2 · hsT
gebildet.
Setzt man
c1D 2
εD =
c0 2
90 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
und
w1R 2
εR = ,
c0 2
so lässt sich Gl. (7.26) umformen in
2 2 2
2 2
ṁT ρ4 1 u1 u2
c02 = · + − c02 · εD + εR − +
ρ4 AD · ρsp AR c0 c0
und weiter in
⎡ ⎤
2
2 ⎢
u1 u2 2
ṁT ⎢ 1 1 ⎥⎥
c02 · 1 + εD + εR − + = · ⎢ 2 + ⎥.
c0 c0 ρ4 ⎣ ρsp AR2 ⎦
AD ·
ρ4
(7.27)
Der Klammerausdruck auf der linken Seite von Gl. (7.27) wird gleich k 3 2 gesetzt.
2 2
u1 u2
k32 = 1 + εD + εR − + (7.28)
c0 c0
k3 2 = 1 + εD + εR .
In Abb. 7.22 ist das Verhältnis des effektiven Turbinenquerschnitts zum Laufradquer-
schnitt ATeff /k 3 · AR über dem Verhältnis Leitradquerschnitt zu Laufradquerschnitt
AD /AR für verschiedene Verhältnisse der Dichten ρ4 /ρsp nach Gl. (7.29) aufgetragen.
Das Dichteverhältnis ρ4 / ρsp hängt vom Druckverhältnis πT = p3t /p4 , vom
isentropen Turbinenwirkungsgrad ηsT und vom Reaktionsgrad r ab – s. Abb. 7.23.
hD
r= (7.30)
hsT
7.3 Abgasturboaufladung 91
Der Reaktionsgrad von Abgasturbinen liegt in der Regel im Bereich 0,50 ≤ r ≤ 0,55,
kleine Abweichungen beeinflussen die Bestimmung von ATeff nur sehr wenig.
Abbildung 7.22 und 7.23 sind für ηsT = 0,85 und r = 0,5 in Abb. 7.24 zu einem
einzigen Diagramm zusammengefasst.
Werden für die in Abb. 7.22 und 7.24 verwendeten (effektiven) Querschnitte von
Leit- und Laufrad, AD und AR , die meist nur bekannten geometrischen Querschnit-
te eingesetzt, ist der in Gl. (7.28) definierte Beiwert k 3 durch einen Beiwert k 3
zu ersetzen. Aus Messungen an einer Axialturbine über einen großen Bereich des
Turbinendruckverhältnisses zeigte sich, dass k 3 lediglich zwischen 1,03 und 1,04
schwankt, man für praktische Rechnungen daher k 3 getrost auf den Wert k3 = 1,035
konstant setzen kann.
Aus Abb. 7.24 geht hervor, dass für eine konkrete (Axial-)Turbine, und damit
AD /AR = const., der effektive Turbinenquerschnitt sich mit zunehmendem Turbi-
nendruckverhältnis p3t /p4 aufweitet. Die Zusammenhänge von Abb. 7.24 lassen
92 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
TK = 0,1035 · k1 · AD
mit
Radialturbinen Grundsätzlich lässt sich auch für Radialturbinen auf der Basis
der Gln. (7.23)–(7.28) ein effektiver Turbinenquerschnitt herleiten, worauf hier
allerdings verzichtet werden soll.
In Abb. 7.26 sind die wesentlichen Hauptabmessungen einer einflutigen Radi-
alturbine zusammengestellt. Für eine erste Grobauswahl des Spiralgehäuses ist der
Spiralgehäusequerschnitt AS im Zungenbereich für die realisierbare Turbinenleis-
tung eine entscheidende Größe. Zur Beschreibung des Querschnittsverlaufs der Spi-
rale dient die Angabe von A/R entlang der theoretischen Mittellinie der Spirale
(strichpunktierte Linie in Abb. 7.26), abhängig vom Spiralenwinkel δ, beginnend bei
AS . A ist der Spiralenquerschnitt zu einem bestimmten Spiralenwinkel δ und R der
zugehörige Radiusabstand von der Rotorachse zur Spiralen-Mittellinie. A/R stellt
deshalb auch ein Maß für das Durchsatzvermögen des Spiralgehäuses dar.
Das Verhältnis A/R ist zusammen mit dem Trimm der Radialturbine zu betrach-
ten. Unter Trimm wird die Abstimmung der Laufradkontur auf einen gewünschten
Durchsatzbereich verstanden. Er charakterisiert zusammen mit dem A/R-Verhältnis
das Schluckvermögen der Turbine bei konstantem Raddurchmesser D1 (Abb. 7.27).
Der Trimm T ist definiert als
Gegenüber der idealen Stauaufladung, mit zeitlich konstanten Werten von Druck
und Temperatur vor Turbine, sind in der Praxis die zeitlichen Verläufe von Druck
und Temperatur vor Turbine immer mehr oder weniger stark pulsierend. Dies führt
zu systematischen Fehlern, zum einen bei der Messung entsprechender Mittelwerte
dieser Größen, zum anderen bei der Verwendung von gemessenen Mittelwerten zur
Berechnung von Durchsatz, Leistung und Wirkungsgrad der Turbine. Ursache dafür
ist die Nichtlinearität von Strömungsvorgängen, wobei jedoch die Auswirkungen auf
die Messung auf der einen und auf die Berechnung auf der anderen Seite verschieden
und streng voneinander zu unterscheiden sind.
Fehler bei der Messung von Druck und Temperatur Ist der Drucksensor nicht di-
rekt am Auspuffrohr angebracht, sondern mit diesem durch eine längere Rohrleitung
verbunden, so liegt der Mittelwert am Sensor unterhalb desjenigen am Auspuff-
rohr, wenn der Druckanstieg schneller erfolgt als der Druckabfall, wie dies bei
der Stoßaufladung normal ist. Ursache dafür ist nicht etwa eine Leckage in der
Leitung, sondern die Tatsache, dass der Strömungswiderstand in der Leitung zwi-
schen Sensor und Messgerät nicht linear, sondern etwa proportional zum Quadrat
der Strömungsgeschwindigkeit wächst. Dies führt dazu, dass bei schnellem Druck-
anstieg die Luftsäule in der Leitung weniger beschleunigt wird als sie bei langsamem
Druckabfall verzögert wird. Dadurch stellt sich am Sensor zwar immer noch ein pul-
sierender Druck ein, dessen Mittelwert aber unterhalb desjenigen an der Messstelle
96 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
Abb. 7.30 Schlucklinien von Axial- und Radialturbine, Einfluss der pulsierenden Beaufschlagung
und der Drehzahl
liegt, gleichgültig, ob er mit einem trägen oder trägheitslosen Sensor bestimmt wird.
Der Fehler ist zwar nicht groß, er liegt im ein- bis zweistelligen Millibarbereich, je-
doch sollte immer auf eine möglichst messstellennahe Anordnung des Drucksensors
geachtet werden.
Auch der Messfehler bei der Abgastemperatur ist unabhängig von der Trägheit des
Messgeräts. Die gemessene Temperatur hat in jedem Fall einen zeitlichen Mittelwert,
der unter demjenigen des für die Berechnung benötigten, energetischen Mittelwerts
liegt. Grund dafür ist, dass die hohen Gastemperaturen, die während desAuspuff- und
Ausschiebevorgangs bei hohen Massenströmen herrschen, gegenüber den niedrigen
Temperaturen bei geschlossenem Auslassventil unterbewertet werden. Der Fehler
wird besonders augenfällig, wenn im Auspuffstutzen (kurz nach dem Auslassventil)
gemessen wird, wo die während der Ventilüberschneidungsphase durchgespülte Luft
etwa zu zwei Drittel der Dauer eines Arbeitsspiels stehen bleibt. Dadurch kann die
dort gemessene Mitteltemperatur um bis zu 100 K unter derjenigen vor Turbine lie-
gen, wo die Durchströmung bereits gleichmäßiger ist. Je mehr Zylinder vor Turbine
zusammengefasst sind, desto „richtiger“ ist die dort gemessene Mitteltemperatur.
Werden diese systematischen Fehler der Druck- und der Temperaturmessung nicht
berücksichtigt, ergibt sich daraus bei der Auswertung in beiden Fällen ein zu hoher
scheinbarer Wirkungsgrad der Turbine.
Abweichungen bei der Berechnung von Mittelwerten Im Folgenden soll unter-
sucht werden, ob und wie die Mittelwerte von Massenstrom und Leistung der Turbine
bei pulsierendem Druck von denjenigen Werten abweichen, die sich bei konstantem
(mittleren) Druck ergeben würden. Dabei soll angenommen werden, dass die Pe-
riodendauer der Pulsationen groß ist im Vergleich zur Durchströmungsdauer der
Turbine, so dass die quasistationäre Betrachtungsweise gerechtfertigt ist.
In erster Näherung ersetzt man die Turbine durch eine Düse mit konstantem
Querschnitt, durch die ein inkompressibles Fluid strömt. Abbildung 7.30 zeigt dazu
den parabolischen Zusammenhang zwischen Druckgefälle und Massenstrom, die so
genannte Schlucklinie der Turbine.
7.3 Abgasturboaufladung 97
Bei konstantem (mittlerem) Druck p 3 ergibt sich ein Massenstrom ṁ. Schwankt
der Druck jedoch um diesen Mittelwert, so liegt der Mittelwert ṁ des schwankenden
Massenstroms auf dem gewichteten Schwerpunkt der Schlucklinie, wegen der rechts
gekrümmten Schlucklinie also immer unter dieser.
Dazu sei der Massenstrombeiwert
α = ṁ/ṁ ≤ 1
definiert, der zwar von Form und Größe der Druckschwankung abhängt, bei
quasistationärer Betrachtungsweise aber nicht von ihrer Frequenz.
Bei einem rechteckigen Druckverlauf liegt der Schwerpunkt auf der Sehne,
welche die beiden Punkte auf der Schlucklinie miteinander verbindet. Für den in
Abb. 7.30 zur Axialturbine gezeigten Druckverlauf, in dem während der Hälfte der
Zeit ein hoher Druck p3max und während der anderen Hälfte ein niedriger Druck p3min
herrscht, ergibt sich
1 √ √
α= · p3max − p4 + p3min − p4 .
2· p 3 − p4
1 2 15 4
α =1− A − A ... (Sinus),
16 1024
und für dreieckige Druckpulse wird
1 2 3 4
α =1− A − A ... (Dreieck).
24 384
Wie erwartet, ist der Massenstrombeiwert immer < 1. Die Abweichung wächst etwa
mit dem Quadrat der relativen Druckamplitude A, und α ist umso näher am Wert 1,
je „fülliger“ der Druckverlauf ist.
Berücksichtigt man, dass das die Turbine durchströmende Gas in Wirklichkeit
kompressibel und seine Temperatur veränderlich ist, so ergeben sich zwar etwas
andere Werte für α, der Einfluss ist jedoch relativ gering [8].
Für den Massenstrom lässt sich also zusammengefasst sagen, dass sein Mittelwert
bei pulsierendem Druck kleiner ist als bei konstantem Druck gleichen Werts. Der
98 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
Geschwindigkeiten c1D , c2D , w1R und w2R gleich Null gesetzt werden, so dass die
isentrope Enthalpiedifferenz an der Turbine
1 2
hsT = · u 1 − u2 2 (7.33)
2
nur noch von der Abnahme der Umfangsgeschwindigkeit bewirkt wird. Sie lässt sich
auch ausdrücken als
⎡ ⎤
κTκ −1
p
hsT = cpT · T3t · ⎣1 − ⎦.
4 T
(7.34)
p3t
Mit
p3t
πT 0 =
p4
und
u1 = D1 · π · nT
u2 = D2 · π · nT,
wobei für nT die tatsächliche Turbinendrehzahl einzusetzen ist, lässt sich nunmehr das
Turbinendruckverhältnis, bei dem die Durchsatzkennlinie zu Null wird, berechnen.
1−κ
κT
π 2 · nT 2 2 T
πT 0 = 1− · D1 − D2 2 (7.35)
2 · cpT · T3t
Gleichung (7.35) gilt insofern auch für die Axialturbinen, als mit D1 = D2 und damit
auch u1 = u2 für alle Turbinendrehzahl en das Turbinendruckverhältnis πT0 = 1 wird.
Bei der Radialturbine ist also der Turbinenersatzquerschnitt ATeff drehzahlabhän-
gig. Er nimmt mit der Drehzahl ab, was zu einem stärkeren Aufstauen vor Turbine
und zu einem schnelleren Ansteigen des Ladeluftdrucks mit der Motorleistung führt,
oder umgekehrt, zu einem schnelleren Abfallen bei abnehmender Motorleistung.
Schwankt das Druckgefälle an der Turbine, so schwanken neben dem Massen-
strom auch das Energieangebot und die augenblicklich von der Turbine abgegebene
Leistung. Der Energiestrom Ė als Funktion des Druckgefälles ist quantitativ in Abb.
100 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
Abb. 7.34 Energieangebot, Wirkungsgrad und Drehmoment einer Turbine in Abhängigkeit vom
Druckgefälle bei pulsierender Beaufschlagung
7.34 dargestellt. Die Kurve ergibt sich als das Produkt aus Massenstrom (propor-
tional zur Wurzel aus dem Gefälle) und dem Gefälle selbst, also etwa als Parabel
mit dem Exponenten 3/2. Schwankt der Druck, so liegt der Mittelwert Ė des Ener-
giestroms auf dem gewichteten Schwerpunkt des gekrümmten Linienstücks, also in
jedem Fall oberhalb der Linie (Abb. 7.34 links). Das mittlere Energieangebot ist also
immer größer als das Energieangebot Ė(p 3 ) bei gleich großem, aber konstantem
(mittlerem) Druckgefälle, obwohl dabei der Massenstrom sogar noch um den Faktor
α reduziert ist. Bezieht man das Energieangebot auf gleichen Massenstrom, so könn-
te man einen Energiebeiwert β definieren, der bei schwankendem Druck immer > 1
ist [8]. Der der Turbine angebotene Energiestrom ist jedoch nicht unmittelbar mit
der von ihr abgegebenen Leistung gleichzusetzen.
Der Augenblickswert der abgegebenen Leistung ist bei praktisch konstanter Tur-
binendrehzahl durch das Drehmoment gegeben. Die Leistung erhält man durch
Multiplikation des Energiestroms mit dem Wirkungsgrad der Turbine. Selbst bei
quasistationärer Betrachtungsweise der Durchströmung (relativ langsame Druck-
schwankungen) ist der mittlere Wert des Wirkungsgrads immer kleiner als bei
konstantem (mittlerem) Druck. Dies ergibt sich aus einer Betrachtung des Turbi-
nenwirkungsgrads als Funktion des Druckgefälles (Abb. 7.34 Mitte). Diese Funktion
stellt bei konstanter Turbinendrehzahl eine nach unten geöffnete Kurve dar. Schwankt
das Druckgefälle, so schwankt auch der Wirkungsgrad. Sein Mittelwert liegt dann
auf dem gewichteten Schwerpunkt der gekrümmten Linie, also unterhalb des Werts
bei konstantem (mittlerem) Druck. Der mittlere Wert des Wirkungsgrads bei schwan-
kendem Druck ist also immer kleiner als der Wert bei konstantem (mittlerem)
Druckgefälle.
Einfacher ist es, den Einfluss schwankenden Drucks auf das Drehmoment der
Turbine zu untersuchen. Es lässt sich zeigen, dass das Drehmoment bei gegebener
Drehzahl praktisch linear mit dem Druckgefälle zunimmt [7]. Daraus ergibt sich, dass
das mittlere Drehmoment bei schwankendem Druck praktisch gleich dem Drehmo-
ment bei konstantem (mittlerem) Druck ist, weil der Schwerpunkt des Linienstückes
auf der ungekrümmten Linie liegt (Abb. 7.34 rechts). Das höhere Energieangebot
und der verminderte Wirkungsgrad der Turbine bei pulsierendem Druck heben sich
7.3 Abgasturboaufladung 101
demnach in etwa auf, so dass auf die Verwendung eines Energiebeiwerts β verzichtet
werden kann.
7.3.5 Turbinenkennfelder
Ein Turbinenkennfeld beschreibt das Betriebsverhalten der Turbine, zum einen über
ihr Schluckvermögen, also ihren Massendurchsatz, zum anderen über den Turbinen-
wirkungsgrad, beide abhängig vom Anströmzustand (p3t , T 3t ) und vom Druck p4 am
Turbinenaustritt. Zwei unterschiedliche Darstellungsweisen sind in Anwendung.
Darstellung über der Laufzahl u/c0 Die Laufzahl ν der Turbine, eine dimensions-
lose Kennzahl,
v = u/c0
u = D · π · nT ,
mit D als dem äußeren Laufraddurchmesser und nT als der Turbinendrehzahl, und
der theoretischen (isentropen) Ausströmgeschwindigkeit c0 , einem Maß für das tech-
nisch nutzbare Abgasenergieangebot an die Turbine. Die Geschwindigkeit c0 würde
sich einstellen, wenn das Abgas vor Turbine, vom Totalzustand p3t , T 3t auf den
statischen Druck p4 isentrop entspannt werden könnte. (Abb. 7.35).
Für c0 gilt gemäß Abb. 7.35
⎡ ⎤
κTκ −1
c0 2 c3 2 p ⎦ + c3
2
= cpT · T3 · ⎣1 −
4 T
= hsT +
2 2 p3 2
⎡ ⎤
κTκ −1
p
= cpT · T3t · ⎣1 − ⎦
4 T
(7.36)
p3t
102 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
und damit
⎡ ⎤
κTκ −1
p
c0 = 2 · cpT · T3t · ⎣1 − ⎦.
4 T
(7.37)
p3t
bezogen wird
ATeff
μT = , (7.39)
AT
mit ALeit und ALauf als den jeweiligen geometrischen Austrittsquerschnitten von Leit-
und Laufrad der Turbine.
Darstellung über dem Turbinendruckverhältnis πT Für die Turbinenkennfelder
von Fahrzeugmotor-Turboladern – es handelt sich dabei praktisch ausschließlich um
Radialturbinen – hat sich allgemein die Darstellung des Turbinenwirkungsgrads
ηT = ηsT · ηmTL
eingeführt. Gl. (7.40), gemäß SAE 9222, beruht auf der Machschen Ähnlichkeit,
wobei T 3tref die Totaltemperatur vor Turbine darstellt, bei der das Turbinenkennfeld
aufgenommen worden ist.
Die Vermessung eines Turbinenkennfelds auf einem Turboladerprüfstand erfolgt
im Allgemeinen unter stationären Bedingungen. Dabei wird die Turbine mit einem
kontinuierlichen (nicht pulsierenden) Heißgasstrom aus einer Brennkammer beauf-
schlagt. Die Werte von p3t , T 3t und p4 sowie die Turboladerdrehzahl nTL werden
während der Vermessung eines Betriebspunktes konstant gehalten. Der Verdichter
des Turboladers dient als Leistungsbremse für die Turbine, wobei über ein dem
Verdichter nachgeschaltetes, steuerbares Drosselventil die Bremsleistung eingestellt
werden kann. Da bei einer bestimmten Turboladerdrehzahl die Verdichterleistung
und damit auch die Turbinenleistung aber nur in einem gewissen Bereich verändert
werden kann, lassen sich auch die Kennlinien zum (reduzierten) Turbinenmas-
senstrom und zum Turbinenwirkungsgrad für eine bestimmte Turboladerdrehzahl
jeweils nur über einen bestimmten Bereich des Turbinendruckverhältnisses p3t /p4
ermitteln (Abb. 7.38).
Im praktischen Turboladerbetrieb am Motor kommen auch Betriebszustände vor,
bei denen die Turbine bei einer bestimmten Turboladerdrehzahl eine höhere Leistung
liefern muss, als sie ihr derVerdichter bei dieser Drehzahl maximal abverlangen kann.
Diese Situation kann beispielsweise bei der Volllastbeschleunigung eines Fahrzeug-
motors auftreten. Zu der dabei auch erforderlichen Beschleunigung des Turboladers
104 7 Zusammenwirken von Lader und Motor
Abb. 7.38 Kennfeld einer Radialturbine (schematisch), reduzierter Turbinenmassenstrom und Tur-
binenwirkungsgrad über dem Turbinendruckverhältnis und mit der reduzierten Turbinendrehzahl
als Parameter. (Nach [10])
muss die Turbine nicht nur die zur momentanen Turboladerdrehzahl gehörige Ver-
dichtungsleistung des Verdichters aufbringen, sondern zusätzlich die Leistung zur
Überwindung der Massenträgheit des Turboladerlaufzeugs.
Um eine entsprechende Kennlinienverlängerung für eine bestimmte Turbolader-
drehzahl messtechnisch darstellen zu können, bedarf es spezieller Turboladerprüf-
stände, wie er etwa an der Technischen Universität Berlin zur Verfügung steht –
Abb. 7.39 [11].
Dieser Turboladerprüfstand verfügt über die Möglichkeit, den Verdichter des Tur-
boladers in einem geschlossenen Kreislauf zu betreiben. Durch „Aufpumpen“ des
Kreislaufs, also durch Erhöhen des Drucks am Verdichtereintritt auf einen Wert
oberhalb des Umgebungsdrucks, erhöht sich die Dichte des Kreislaufmediums und
über den dazu proportional steigenden Massenstrom die Leistungsaufnahme des
Verdichters.
Die in das geschlossen umlaufende Kreislaufmedium kontinuierlich einfließende
Verdichterleistung muss als Wärmestrom über einen Rückkühler herausgeführt wer-
den. Damit gelingt es, wie dies im schematisierten Turbinenkennfeld in Abb. 7.40
für einen Kennlinienabschnitt gezeigt ist, die Kennlinien der Turbine in Richtung
höheren Turbinendruckverhältnisses verlängert aufzunehmen.
Entsprechend lassen sich durch Absenken des Kreislaufdrucks vor Verdichterein-
tritt gegenüber dem Umgebungsdruck die Kennlinien im Turbinenkennfeld weiter in
Richtung abnehmenden Turbinendruckverhältnisses messtechnisch erfassen.
Ein derart erweitertes Turbinenkennfeld, wie es Abb. 7.41 zeigt, sei es durch die
eben geschilderte Versuchstechnik erreicht oder auch durch ein mehr oder weniger
7.3 Abgasturboaufladung 105
Abb. 7.40 Erweiterung des Turbinenkennfelds durch Kreislaufbetrieb des Verdichters [11]
Aufladung bedeutet, den Zylindern eines Verbrennungsmotors Luft mit einer gegen-
über der Umgebungsluft erhöhten Dichte zuzuführen, um mit der dadurch größeren
Frischluftmasse eine größere Kraftstoffmasse verbrennen zu können und damit die
Leistung des Motors zu erhöhen. Abgesehen von der natürlichen Aufladung, erfolgt
die Dichtesteigerung der Luft durch einen Lader, über die Erhöhung des Drucks.
Nach der thermischen Zustandsgleichung für ideale Gase gilt für die Dichte
p
ρ=
R·T
und damit für das Dichte-Verhältnis des Laders
ρ2 p2 T1
= · . (7.41)
ρ1 p 1 T2
7.4 Einfluss der Ladeluftkühlung 107
Da im Lader mit dem Druck auch die Temperatur ansteigt, wenn auch unterpropor-
tional, nimmt die Dichte geringer zu als der Druck.
Für die Temperatur am Laderaustritt gilt
# κ−1
$
1 p2 κ
T2 = T1 · 1 + · −1 , (7.42)
ηsL p1
Abb. 7.42 Messtechnische Erfassung der Verdichterkennlinien im IV. Quadranten des Verdichter-
kennfelds [11]
7.4 Einfluss der Ladeluftkühlung 109
So beträgt gem. Tab. 7.1 für Benzin die theoretisch maximale Temperaturabsen-
kung infolge Verdampfung des Kraftstoffs in einem Kraftstoff/Luft-Gemisch von
= 1 rund 20 K.
Methanol weist gegenüber Benzin nur rund den halben Heizwert H u auf, so dass
für gleiche Kraftstoffenergie dem Motor die doppelte Kraftstoffmasse zuzuführen ist,
was bei gleicher Luftmasse aber dennoch praktisch gleiches Luftverhältnis bedeutet,
weil auch der Mindestluftbedarf von Methanol nur rund den halben Wert desjenigen
von Benzin beträgt. Wegen der um rund den Faktor 3 höheren (massebezogenen)
Verdampfungsenthalpie von Methanol gegenüber derjenigen von Benzin und der
erforderlichen doppelten Kraftstoffmasse ergibt sich für Methanol die rund sechsfach
größere Temperaturabsenkung. Die in Tab. 7.1 zusätzlich für Ethanol angegebenen
Werte liegen entsprechend dazwischen.
Um diesen Kühleffekt durch Kraftstoffverdampfung möglichst effizient zur Sen-
kung der Klopfneigung nutzen zu können, sollte die Verdampfung möglichst schon
zu Beginn der Kompressionsphase erfolgen bzw. erfolgt sein. Allerdings sollte im
Falle von Methanol die Gemischbildung auch nicht vor, sondern erst nach dem La-
der erfolgen. Der Verfasser erinnert sich in diesem Zusammenhang an Versuche mit
einem abgasturboaufgeladenen Pkw-Ottomotor im Methanolbetrieb, bei dem die
Gemischbildung durch einen Vergaser vor dem Turbolader-Verdichter erfolgte. Der
besagte hohe Kühleffekt von Methanol machte es damals erforderlich, das Spiralge-
häuse des Verdichters über Motorkühlwasser aufzuheizen, um Vereisung durch die
ausfallende Luftfeuchtigkeit der Ansaugluft zu vermeiden.
Weitere Ausführungen zur Ladeluftkühlung, zu den je nach Motorbauart und
Motoreinsatzart unterschiedlichen Ladeluftkühlersystemen sowie zu den unter-
schiedlichen Bauarten von Ladeluftkühlern, finden sich in Kap. 12.
Literatur
6. Pischinger F, Wunsche A (1977) The Characteristic Behaviour of Radial Turbines and its
Influence on the Turbocharging Process. CIMAC-Congress 1977, Tokyo, Paper A12
7. Winkler G (1977) Steady-State and Dynamic Modelling of Engine-Turbomachinery Systems.
Dissertation, University of Bath
8. Zinner K (1961/1962) Diagramm zur Bestimmung des Betriebspunktes einstufiger Abgastur-
bolader. M.A.N.-Forschungsheft Nr 19, S 16–28
9. Bulaty T (1974) Spezielle Probleme der schrittweisen Ladungswechselberechnung bei Ver-
brennungsmotoren mit Abgasturboladern. MTZ 35(6):177–185
10. Mayer M (2003)Abgasturbolader. Die Bibliothek der Technik, Bd. 103, 5. Aufl. verlag moderne
industrie, Landsberg/Lech
11. Pucher H, Eggert T, Schenk B (1997) Experimentelle Entwicklungswerkzeuge für Turbolader
von Fahrzeugmotoren. 6. Aufladetechnische Konferenz Dresden, Tagungsband S 227–240
Kapitel 8
Motorprozess-Simulation
8.1 Allgemeines
Bevor elektronische Rechenanlagen zur Verfügung standen, war man für die Be-
rechnung des Zusammenwirkens von Motor und Aufladeeinheit auf geschlossene
Rechenansätze angewiesen, die sich auf stationär vermessene Kennfelder des Motors
und der Aufladeeinheit stützten. Daraus abgeleitete Mehrquadranten-Diagramme,
so auch das Vierquadranten-Diagramm in der 3. Auflage dieses Buches, und ihre
rechnerisch-grafische Anwendung können die inneren Vorgänge im aufgeladenen
Motorsystem zwar qualitativ gut veranschaulichen, sind bezüglich des prakti-
schen Einsatzes wegen der größeren Realitätsnähe inzwischen aber vollständig
von den Methoden der Motorprozess-Simulation abgelöst worden. Entsprechende
Rechenprogramme bestehen im Wesentlichen darin, dass die im Motor ablau-
fenden instationären Zustandsänderungen und Teilprozesse darin in Form von
Differentialgleichungen mathematisch modelliert sind, welche numerisch integriert
werden.
Die numerische Berechnung allein der thermodynamischen Zustandsänderungen
in einem einzelnen Motorzylinder während eines einzigen Arbeitsspiels ist schon so
umfangreich, dass sie nur über einen elektronischen Rechner erfolgen kann. Sol-
che Rechenanlagen standen ab den 1960er Jahren zur Verfügung, so dass damals
auch die Motorprozessrechnung ihren Anfang nehmen konnte, die inzwischen einen
sehr hohen Entwicklungsstand erreicht hat, was wiederum durch die zeitgleiche
rasante Entwicklung der Rechner hinsichtlich Speicherkapazität und Rechenge-
schwindigkeit befördert wurde. Die Motorprozess-Simulation zählt heute zu den
unverzichtbaren Werkzeugen der Motorenentwicklung.
Den Kern der Motorprozess-Simulation, der Realen Arbeitsprozessrechnung, wie
sie auf einen Vorschlag von K. Zinner früher auch genannt wurde, bildet nach wie
vor die Berechnung der Zustandsänderungen des Arbeitsgases im Motorzylinder.
Schließlich findet im Zylinder die initiale Wandlung der im Kraftstoff chemisch
gebundenen Energie in mechanische Energie und Wärme statt (s. Abschn. 8.2).
Da der Ladungswechsel des Zylinders vom jeweiligen momentanen Gaszustand
vor dem Einlassventil bzw. nach dem Auslassventil entscheidend mitbestimmt wird,
gilt es auch die Zustandsänderungen in den Gaswechselleitungen parallel mit dem
8.2 Zylinderprozess
ϕ = 6 · nM · t (8.1)
wobei
8.2 Zylinderprozess 115
nM in min−1
ϕ in ◦ KW
t in s
einzusetzen sind.
Massenbilanz
dmZ dmE dmA dmB
= − + (8.2)
dϕ dϕ dϕ dϕ
Die Änderung der Arbeitsgasmasse im Zylinder dmZ /dϕ je ◦ KW entsteht durch die
dabei über den Einlass und den Auslass strömenden Gasmassen dmE /dϕ bzw. dmA /dϕ
und gegebenenfalls durch eine direkt eingespritzte Kraftstoffmasse dmB /dϕ.
Energiebilanz
d(mZ · uZ ) dQB dQW dVZ dmE dmA
= − − pZ · + · hE − · hA (8.3)
dϕ dϕ dϕ dϕ dϕ dϕ
Die Änderung der inneren Energie d(mZ · uZ )/dϕ im Zylinder kann dadurch
erfolgen – jeweils je ◦ KW –, dass Verbrennungsenergie dQB /dϕ freigesetzt wird,
Wandwärme dQW /dϕ über die Zylinderwandung fließt, Volumenänderungsarbeit
pZ · dV Z /dϕ mit dem Kolben ausgetauscht wird und Enthalpien (dmE /dϕ) · hE
und (dmA /dϕ) · hA über den Einlass bzw. den Auslass zu- oder abgeführt werden.
Thermische Gaszustandsgleichung
pZ · VZ = mZ · R · TZ (8.4)
Mit der spezifischen inneren Energie uZ des Arbeitsgases, abhängig von der Tempe-
ratur TZ sowie seiner Zusammensetzung, ausgedrückt durch die Molanteile ni , die
Molmassen Mi sowie die spezifischen Energien ui seiner Komponenten i,
1 %
uZ = · ni · Mi · ui (TZ )
mZ i
116 8 Motorprozess-Simulation
Abb. 8.2 Ermittlung des (realen) Brennverlaufs zum Betriebspunkt eines Dieselmotors aus dem
gemessenen Zylinderdruckverlauf und sein Ersatzbrennverlauf nach Vibe. (Nach [20])
Gleichung (8.5) in Gl. (8.3) eingesetzt und unter Berücksichtigung von cvZ =
∂uZ
∂TZ
nach dT
dϕ
Z
aufgelöst, ergibt die Differentialgleichung zur Berechnung der
Temperaturänderung im Zylinder (Gl. (8.6)).
dTZ 1 dQB dQW dVZ dmE dmA
= − − pZ + hE − hA
dϕ mZ · cvZ dϕ dϕ dϕ dϕ dϕ
&
dmZ % ∂uZ dni
− uZ − mZ · (8.6)
dϕ i
∂ni dϕ
Der Brennverlauf dQB /dϕ (ϕ) ist der Rechnung als Randbedingung vorzuge-
ben, entweder als Ergebnis einer so genannten Thermodynamischen Analyse eines
gemessenen Zylinderdruckverlaufs [3] oder über eine geeignete Ersatzfunktion,
beispielsweise nach dem Ansatz von Vibe [4]. Abbildung 8.2 zeigt zu einem Be-
triebspunkt eines Dieselmotors den gemessenen Zylinderdruckverlauf, den daraus
über die thermodynamische Analyse ermittelten (realen) Brennverlauf und den ent-
sprechenden Vibe-Brennverlauf sowie die mit diesem Vibe-Brennverlauf und dem
realen Brennverlauf rückgerechneten Zylinderdruckverläufe.
Es existieren zudem Verfahren [5], [6], wie man aus dem zu einem Betriebs-
punkt des Motors bekannten Brennverlauf auf den zunächst noch nicht bekannten
8.2 Zylinderprozess 117
Brennverlauf in einem anderen Betriebspunkt dieses Motors schließen kann. Für die
Motorprozess-Simulation zu einem Motor, zu dem bis dahin noch kein Brennver-
lauf messtechnisch ermittelt worden ist bzw. ermittelt werden konnte, etwa weil er
sich erst im Entwurfsstadium befindet, muss auf Erfahrungswerte von Motoren mit
vergleichbarem Verbrennungsverfahren zurückgegriffen und zunächst zu einem ein-
zelnen Motorbetriebspunkt iterativ ein plausibler Brennverlauf herausgefunden bzw.
festgelegt werden. Für weitere Betriebspunkte dieses Motors können dann wiederum
die schon erwähnten Brennverlaufs-Umrechnungsmethoden herangezogen werden.
Wandwärmeübergang Eine weitere wichtige Randbedingung bei der Berechnung
des Zylinderprozesses stellt die mit den Zylinderwänden ausgetauschte Wandwär-
me dQW /dϕ dar. Für deren Berechnung hat sich weltweit der Ansatz nach Woschni
[2] durchgesetzt, wenngleich später auch noch weitere, leicht modifizierte Ansätze
veröffentlicht worden sind [7,8]. Nachfolgend sei der ursprüngliche Ansatz nach
Woschni kurz gefasst vorgestellt.
Der zwischen dem Arbeitsgas und der Zylinderwand ausgetauschte Wandwärme-
strom Q̇W berechnet sich nach dem Ansatz von Newton zu
mit
αz konvektiver Wärmeübergangskoeffizient in W/(m2 · K)
AW am Wärmeaustausch beteiligte Wandfläche in m2
TZ momentane Gastemperatur im Zylinder in K
TW zeitlich und örtlich mittlere Wandtemperatur in K
Daraus lässt sich unter Berücksichtigung von Gl. (8.1) der auf den Kurbelwinkel
bezogene Wandwärmestrom berechnen (Gl. 8.8).
dQW 1
= · αZ · AW · (TZ − TW ) (8.8)
dϕ 6 · nM
Für die Formulierung des Wandwärmeübergangskoeffizienten αZ betrachtete Wosch-
ni den Motorzylinder als ein turbulent durchströmtes Rohr und formulierte αZ formal
als einen konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten, wohl wissend, dass neben Kon-
vektion insbesondere während der Verbrennungsphase auch verstärkt Strahlung zum
Wärmeübergang im Motorzylinder beiträgt. Den Strahlungsanteil interpretierte er als
zusätzlichen konvektiven Wärmeübergang, im so genannten „Verbrennungsglied“
seines Ansatzes – siehe Gl. (8.9).
⎡ ⎤0,8
⎢ Vh · T1 ⎥
⎢ ⎥
αZ = 130 · D −0,2 · pZ 0,8 · TZ −0,53 · ⎢c1 · cm + c2 · · (pZ − pZ0 )⎥ (8.9)
⎣ p1 · VZ1 ⎦
' () *
Verbrennungsglied
118 8 Motorprozess-Simulation
Darin bedeuten:
αZ konvektiver Wärmeübergangskoeffizient in W/(m2 · K)
D Zylinderdurchmesser (Bohrung) in m
pZ Zylinderdruck in bar
TZ örtlich mittlere Zylindertemperatur (Massenmitteltemperatur) in K
cm mittlere Kolbengeschwindigkeit in m/s
Vh Hubvolumen des Zylinders in m3
V Z1 Zylindervolumen (m3 ) bei einer beliebigen Kolbenstellung zu Beginn der
Kompressionsphase
p1 zu V Z1 gehörender Zylinderdruck in bar
T1 zu V Z1 gehörende Zylindertemperatur in K
pZ0 rechnerisch extrapolierter Schleppdruck(verlauf) ab Verbrennungsanfang, unter
der Annahme, die Verbrennung hätte nicht stattgefunden, in bar
Für den Koeffizienten c1 gilt
• während der Hochdruckphase: c1 = 2,28 + 0,307 · cu /cm
• während der Ladungswechselphase: c1 = 6,18 + 0417 · cu /cm
cu /cm berücksichtigt die Wirkung eines gegebenenfalls vorhandenen Einlassdralls,
mit cu als der Umfangsgeschwindigkeit eines zur Drallmessung eingesetzten Flü-
gelradanemometers, dessen mittlerer Flügelraddurchmesser gleich dem 0,7fachen
Zylinderdurchmesser ist.
Der Koeffizient c2 ist für
• Motoren mit nicht unterteiltem Brennraum (Direkteinspritzer) mit
c2 = 0,00324
und für
• Motoren mit unterteiltem Brennraum mit
c2 = 0,00622
einzusetzen.
In der Praxis ist es zweckmäßig, die gesamte brennraumseitige Zylinderoberfläche
in drei Abschnitte aufzuteilen, nämlich in
• Kolben(boden)fläche AW,1 (= konstant)
• Zylinderkopffläche AW ,2 (= konstant)
• Zylinderlauffläche AW ,3 (= f(ϕ)),
so dass Gl. (8.8) übergeht in
dQW 1 %3
= · αZ · AW ,i · (TZ − TW ,i ) (8.10)
dϕ 6 · nM i=1
mit einer für jede Teilwandfläche gesondert vorzugebenden zeitlich und örtlich mitt-
leren Wandtemperatur T W,i . Abbildung 8.3 (unten) zeigt für einen Motorbetriebs-
punkt die auf diese Weise berechneten Verläufe dieser drei Teilwandwärmeströme
über ein Arbeitsspiel hinweg.
8.2 Zylinderprozess 119
Einlass-Ausströmen (EA):
dmE 1 2 pE
=− · Aeff,EA · pZ · · (8.13)
dϕ 6 · nM R · TZ pZ
Auslass-Ausströmen (AA):
dmA 1 2 pA
= · Aeff,AA · pZ · · (8.14)
dϕ 6 · nM R · TZ pZ
120 8 Motorprozess-Simulation
Auslass-Einströmen (AE):
dmA 1 2 pZ
=− · Aeff,AE · pA · · (8.15)
dϕ 6 · nM R · TA pA
Dafür ist für jede der möglichen vier Strömungsrichtungen gesondert der Verlauf
des effektiven Querschnitts des Gaswechselorgans (Ventil, Schlitz) abhängig vom
Kurbelwinkel als Randbedingung vorzugeben, der auf einem (stationären) Durch-
flussprüfstand messtechnisch zu ermitteln ist. Zudem müssen die Verläufe des Drucks
pE (ϕ) und der Temperatur T E (ϕ) vor dem Einlass sowie die entsprechenden Werte
nach dem Auslass, pA (ϕ) und T A (ϕ), bekannt sein. Im einfachsten Fall sind diese als
zeitliche Mittelwerte oder aber als gemessene Verläufe der Rechnung vorzugeben.
Werden die Zustandsänderungen in den Gaswechselleitungen parallel mitgerech-
net (s. Abschn. 8.3) stehen diese ohnehin ständig aktuell für die Berechnung des
Zylinderladungswechsels zur Verfügung.
Kalorische Stoffwerte Die kalorischen Stoffwerte des jeweiligen Arbeitsgases, al-
so die spezifischen Wärmekapazitäten cp , cv und die daraus berechnete spezifische
Enthalpie h bzw. die spezifische innere Energie u sowie die spezifische Gaskonstante
R und der Isentropenexponent κ, hängen außer von der Gaszusammensetzung von der
Temperatur und vom Druck des Gases ab, wobei die Druckabhängigkeit allerdings
in den meisten Fällen vernachlässigbar gering ist.
Für Dieselmotoren kann die Gaszusammensetzung über das so genannte momen-
tane Luftverhältnis des immer als Verbrennungsgas interpretierbaren Arbeitsgases
ausgedrückt werden, mit den Grenzen = ∞ für reine Luft und = 1 für stöchio-
metrisches Verbrennungsgas. Besonders bewährt hat sich dafür ein auf den Arbeiten
von E. Justi [9] aufgebauter Ansatz für die spezifische innere Energie u (, T ) von
Verbrennungsgas, mit T 0 = 273,15 K als Bezugstemperatur.
0,0485
u = 0,1445 · − 0,0975 + 0,75 · (T − T0 )3 · 10−6
3,36 −4 0,464
+ 7,768 + 0,8 · (T − T0 ) · 10 + 4,896 + 0,93 · (T − T0 ) + 1356,8
2
(8.16)
in kJ/kg
Durch partielle Ableitung von Gl. (8.16) nach der Temperatur ergibt sich die
spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen
∂u
cv (,T ) = (8.17)
∂T
und mit der für den gesamten -Bereich geltenden spezifischen Gaskonstanten
R = 0,288 kJ/(kg · K) auch die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck
cp (,T ) = cv + R (8.18)
Abb. 8.4 Schaltschema eines Dreizylindermotors mit Abgasturboaufladung zur Berechnung nach
der Füll- und Entleermethode
in Abb. 8.4 eingetragen. Die Funktion des Ladeluftkühlers LLK – er ist in den Sys-
temgrenzen des Einlassbehälters eingeschlossen – wird als ein entsprechend hoher
Wärmeübergang über die Wände des Einlassbehälters berücksichtigt.
Der einzelne Motorzylinder (s. auch Abb. 8.1) stellt ebenfalls einen Behälter
dar, allerdings von besonderer Art, weil er zwar auch Masse und Enthalpie mit
dem Nachbarsystem, etwa dem Abgasbehälter, austauscht, aber darüber hinaus kein
konstantes, sondern ein zeitlich veränderliches Volumen aufweist und weil nicht nur
Wärme, sondern auch mechanische Arbeit über seine Systemgrenze fließt.
Für jeden Behälter des Gaswechselleitungssystems gelten, wie in Abschn. 8.2
bereits für den Motorzylinder gezeigt, die Massenbilanz und die Energiebilanz so-
wie die thermische Gaszustandsgleichung. Am Beispiel des zu Abb. 8.4 definierten
Abgasbehälters AL lautet die Massenbilanz wie folgt.
%3
dmAL dmA dmT
= − (8.19)
dϕ i=1
dϕ dϕ
i
Die Masse mAL im Abgasbehälter ändert sich je ◦ KW in dem Maße, wie Abgasmassen
je ◦ KW mit den angeschlossenen Zylindern i ausgetauscht werden, in der Regel
aus diesen zuströmen (Füllen), und Abgasmasse je ◦ KW über die Turbine abströmt
(Entleeren). Letztere berechnet sich abhängig von Druck pAL und Temperatur T AL
im Abgasbehälter zu
dmT 2 p0
= ATeff · pAL · · , (8.20)
dϕ R · TAL pAL
einen mit der (nulldimensionalen) Füll- und Entleermethode, zum anderen mit dem
(eindimensionalen) Charakteristikenverfahren erzielt worden sind, oben den Zylin-
derdruck während der Ladungswechselphase und unten den Abgasdruckverlauf nach
dem Zylinder 1. Für den Druck auf der Einlassseite war in den Berechnungen der kon-
stante Wert pE gesetzt worden. Für die nulldimensionale Füll- und Entleermethode
ergibt sich demnach durchaus eine gute Übereinstimmung mit den entsprechen-
den gemessenen Verläufen, wenngleich die Berechnung nach dem eindimensionalen
Charakteristikenverfahren die gemessenen Verläufe noch genauer nachbilden kann.
Abbildung 8.5 und Abb. 8.6 sind der Dissertation des Verfassers entnommen
[11], in der die Füll- und Entleermethode und das Charakteristikenverfahren ver-
gleichend betrachtet werden. Danach ist die mit der nulldimensionalen Füll- und
Entleermethode verbundene Grundannahme, dass nur zeitliche, aber keine örtli-
chen Änderungen im System stattfinden, dass also etwa eine von einem Zylinder
bewirkte Druckänderung im Abgasbehälter ohne Verzögerung an allen Orten der
Abgasleitung auftritt, und damit auch vor der Turbine, umso mehr zutreffend ist, je
kompakter das Leitungssystem und je geringer das Drehzahlniveau des Motors ist.
So sind die Rohrleitungsabschnitte zum in Abb. 8.5 betrachteten Motor im Vergleich
zu seinen Zylinderabmessungen (D = 520 mm, s = 550 mm) noch relativ kurz und
die Motordrehzahl (nM = 430 min−1 ) noch relativ niedrig.
Beim Motor mit Zweierstoß-Aufladung, der Abb. 8.6 zugrunde liegt, mit
D = s = 230 mm, sind die Rohrleitungsabschnitte relativ zur Zylinderbohrung deut-
lich länger und das Drehzahlniveau beträgt mehr als das Dreifache. Entsprechend
126 8 Motorprozess-Simulation
Abb. 8.8 Rechnungs/Messungs-Vergleich zum Druck vor Turbine sowie zu Drücken im Einlasssys-
tem des Motors gem. Abbildung 8.7, bei Volllast @ nM = 2000 min−1 , gerechnet mit PROMO.
(Aus [13])
solch differenzierte Betrachtung lässt sich nicht über eine nulldimensionale, son-
dern nur über eine eindimensionale Modellierung des Gaswechselleitungssystems
erreichen.
Abb. 8.10 Kopplung von 1D- und 3D-Simulation, 1D mit GT-Power; 3D mit STAR-CD. (Aus [23])
Abb. 8.11 Durchströmung eines Turboladers mit zweiflutiger Turbine für Nutzfahrzeugmotoren.
(Quelle: Voith Turbo)
dωM
(M + F ) · = Md − MF (8.26)
dt
mit
ωM Winkelgeschwindigkeit der Motorwelle (Kurbelwelle)
M d effektives Drehmoment des Motors
M F das durch den Fahrwiderstand des Fahrzeugs der Motorwelle aufgeprägte
Lastmoment.
Mit
dωM dωM dϕ dωM
= · = · ωM (8.27)
dt dϕ dt dϕ
lässt sich die aus dem Ungleichgewicht von Motor- und Lastmoment sich einstellende
Änderung der Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle je ◦ KW
Literatur 133
dωM Md − MF
= (8.28)
dϕ ωM · (M + F )
berechnen.
Im Fall eines abgasturboaufgeladenen Motors muss zur Beschleunigung des
Motors auch der Turbolader beschleunigt werden. Mit dem Drallsatz für den
Turboladerrotor
dωTL PT − PV
TL · = , (8.29)
dt ωTL
wobei
TL polares Massenträgheitsmoment des Turboladerrotors
ωTL Winkelgeschwindigkeit des Turboladerrotors
PT von der Turbine abgegebene Leistung
PV vom Verdichter aufgenommene Leistung
bedeuten, und dem Zusammenhang
dωTL dωTL dϕ dωTL
= · = · ωM (8.30)
dt dϕ dt dϕ
ergibt sich die aus einem Ungleichgewicht von Turbinen- und Verdichterleistung
einhergehende Änderung der Winkelgeschwindigkeit des Turboladerrotors je ◦ KW
zu
dωTL PT − PV
= . (8.31)
dϕ ωM · ωTL · TL
Im Falle eines mechanisch aufgeladenen Motors ist die rotatorisch zu beschleu-
nigende Masse des Laders und seines Abtriebs vom Motor als ein auf die Kur-
belwellendrehzahl umgerechnetes polares Massenträgheitsmoment dem polaren
Massenträgheitsmoment M des Grundmotors zuzuschlagen. Die vom Lader auf-
genommene Verdichterleistung wird im Allgemeinen als Teil der Motorreibleistung
interpretiert und ist dann bereits in Md berücksichtigt.
Literatur
Die erste in der Praxis erfolgreiche Ausführung der Abgasturboaufladung war eine
solche mit einer für alle Zylinder des Motors gemeinsamen Abgassammelleitung,
also eine mit Stauaufladung, jedoch ist der Durchbruch erst mit der Verwirklichung
der in der Schweizer Patentschrift Nr. 122 664 vom 30.11.1925 (DRP 568 855) von
A. Büchi niedergelegten Ideen gelungen. Nach diesem Druckwellen-Verfahren sollen
die Abgasleitung und der Eintrittsquerschnitt in die Abgasturbine so bemessen sein
und die Steuerzeiten des Motors so gewählt werden, dass der Druck pA in der Ab-
gasleitung nach Öffnen des Auslassventils über den Druck pE in der Ladeluftleitung
steigt, aber während der Spülphase dann unter den Ladedruck sinkt (s. Abb. 3.10) –
wir sprechen heute von Stoßaufladung.
Wie groß sollte demnach der Zündabstand (ZAB) zweier aufeinander folgend
auspuffender Zylinder sein, damit der nachfolgend auspuffende den ersteren bei
seinem Ladungswechsel, insbesondere bei dessen Spülung, nicht behindert? Bei
Viertaktmotoren öffnet das Auslassventil im Allgemeinen bei 40–70 ◦ KW vor UT
und schließt bei aufgeladenen Motoren, wenn ein Durchspülen ermöglicht werden
soll, bei 40–60 ◦ KW nach OT, woraus sich eine gesamte Öffnungsdauer von 260–
310 ◦ KW ergibt. Theoretisch dürfte also erst mit einem Zündabstand gleich dieser
Öffnungsdauer der nächste Zylinder in denselben Leitungsstrang auspuffen. Prak-
tisch darf der Zündabstand aber kleiner sein, da zum einen etwas Zeit zwischen dem
Öffnen des Auslassventils und dem deutlichen Druckanstieg in der Abgasleitung
verstreicht und zum anderen die Wellenlaufzeit vom nachfolgend auspuffenden zum
ersteren, jetzt spülenden, Zylinder in Abzug zu bringen ist.
In der Praxis entspricht daher ein Zündabstand von 240 ◦ KW für Viertaktmotoren
bzw. von 120 ◦ KW für Zweitaktmotoren sehr gut den genannten Anforderungen,
wie er bei allen Motoren mit durch drei teilbaren Zylinderzahlen im so genannten
Dreierstoß vorliegt.
Abb. 9.2) den zuvor auspuffenden Zylinder nicht während dessen Spülphase (ϕV Ü )
stört. Dieser längere Zündabstand ist sogar von Nachteil, weil der Abgasleitungs-
Teilstrang gleichsam „leerläuft“, das heißt, dass der Abgasdruck p3 schon fast bis
auf den Außendruck p0 abgefallen ist, ehe der andere Zylinder sein Abgas in den
Teilstrang liefert. Das in dieser Phase mit so geringem Druckgefälle der Turbine
angebotene Abgas kann von dieser nur mit extrem niedrigem Turbinenwirkungsgrad
verarbeitet werden.
Dieser Nachteil des (symmetrischen) Zweierstoßes gegenüber dem Dreierstoß
lässt sich gut anhand eines 6R-Viertaktmotors, der mit einem Turbolader mit Axial-
turbine ausgerüstet werden soll, verdeutlichen. Grundsätzlich ließe sich dafür sowohl
der Dreierstoß als auch der (symmetrische) Zweierstoß realisieren. Unterstellt man,
dass für beide Varianten entsprechend der gleichen Nennleistung auch die gleiche
Turbine eingesetzt würde, so müsste gemäß Abb. 9.3 der Düsenring der Turbine
beim Dreierstoß in zwei und beim Zweierstoß in drei Düsensegmente aufgeteilt wer-
den. Realisiert man den Dreierstoß, so ergibt sich ein Ladungswechsel entsprechend
Abb. 9.1. Für die Aufnahme des Abgases aus dem einzelnen Zylinder stellt die Turbi-
ne den halben Düsenringquerschnitt zur Verfügung. Entsprechend schnell baut sich
der mit Öffnen des Auslassventils entstehende Abgasdruckberg (p3 ) wieder ab und
ermöglicht ein ausgeprägtes positives Spülgefälle. Der Zündabstand ist nicht un-
nötig lang, so dass der Druck p3 nicht bereits bis auf p0 abgefallen ist, wenn der
nachfolgend auspuffende Zylinder sein Abgas in den Abgasleitungsstrang fördert.
Realisiert man hingegen den Zweierstoß, so kann die Turbine nur ein Drittel ihres
138 9 Besonderheiten der Abgasturboaufladung
Düsenringquerschnitts (s. Abb. 9.3) zur Aufnahme des Abgases aus dem einzelnen
Zylinder zur Verfügung stellen. Entsprechend langsamer baut sich der Abgasdruck-
berg ab und dementsprechend geringer fällt das (positive) Spülgefälle aus. Zudem
führt der gegenüber dem Dreierstoß um 120 ◦ KW längere Zündabstand zum be-
reits erwähnten „Leerlaufen“ des betrachteten Leitungsstrangs, was sich in einem
geringeren (mittleren) Turbinenwirkungsgrad niederschlägt.
Noch problematischer ist die Realisierung der Stoßaufladung für den 5R- und
den 7R-Motor, für die zwei bzw. drei Teilstränge mit jeweils unsymmetrischem
Zweierstoß und zudem noch ein Teilstrang, der nur von einem einzigen Zy-
linder beaufschlagt wird, erforderlich sind. So betragen beim 5R-Viertaktmotor
die Zündabstände im Teilstrang mit unsymmetrischem Zweierstoß 432 ◦ KW und
288 ◦ KW, im Teilstrang mit Einerstoß naturgemäß gar 720 ◦ KW. Entsprechend un-
günstiger als beim Dreierstoß verläuft denn auch der Abgasenergieumsatz in der
Turbine.
Beispiele von Leitungsaufteilung und Zylinderzusammenfassung für Viertakt-
Reihenmotoren – sie würden bei gleicher Zündfolge auch für Zweitaktmotoren
gelten – zeigt Abb. 9.4, Beispiele für V-Motoren sind Abb. 9.5 zu entnehmen.
Abb. 9.4 Beispiele für Leitungsaufteilung und Zylinderzusammenfassung für Stoßaufladung bei
Viertakt-Reihenmotoren
Ausströmen des Abgases aus dem Zylinder Es sei von der Annahme ausgegan-
gen, dass der betrachtete Motor bei Stoß- und bei Stauaufladung den gleichen
Nennleistungsbetriebspunkt und den gleichen Ladedruck fährt, so dass man wei-
ter näherungsweise annehmen kann, dass bei AÖ auch der gleiche Zylinderzustand
vorliegt.
Nachfolgend wird mit dem Begriff der spezifischen technischen Arbeitsfähigkeit
ht des Abgases argumentiert. Darunter wird die gewinnbare spezifische technische
Arbeit verstanden, wenn ein Gas vom Zustand
140 9 Besonderheiten der Abgasturboaufladung
Abb. 9.5 Beispiele für Leitungsaufteilung und Zylinderzusammenfassung für Stoßaufladung bei
Viertakt-V-Motoren
• statischer Druck p
• statische Temperatur T
• Strömungsgeschwindigkeit c
isentrop auf den Umgebungsdruck pu entspannt wird.
κ−1
pu κ c2
ht = cp · T 1 − + (9.1)
p 2
Unter der idealisierenden Annahme, dass beim Ausströmen durch das Auslassven-
til keine Wärmeabfuhr erfolgt, ist dieses (adiabate) Ausströmen ein isenthalper
(h = const.) Vorgang, was unter der weiteren idealisierenden Annahme, dass es sich
um ein ideales Gas (cp = const.) handelt, bedeutet, dass die Totaltemperatur des
Abgases beim Ausströmen aus dem Zylinder konstant bleibt, also gem. Abb. 9.7
TAt = TZ (9.3)
gilt. Das Abgas entspannt sich dabei vom momentanen Druck pZ im Zylinder auf den
momentanen statischen Druck pA in der Abgasleitung und weist unmittelbar nach
dem Auslassventil (Zustandspunkt A in Abb. 9.7) die statische Temperatur T A und
die Strömungsgeschwindigkeit cA auf.
142 9 Besonderheiten der Abgasturboaufladung
mA,AS
AS dmA
ht,A · · dϕ
HA AÖ
dϕ
ηA = = AS (9.7)
HZ dmA
ht,Z · · dϕ
AÖ
dϕ
144 9 Besonderheiten der Abgasturboaufladung
Abb. 9.10 Turbinenwirkungsgrad und Laufzahl über ein Arbeitsspiel eines mittelschnelllaufenden
Viertaktdieselmotors bei Stoß- und Stauaufladung. (Aus [1])
720
ηT · hsT · dmT
dϕ
· dϕ
0
ηT m = (9.9)
720
hsT · dmT
dϕ
· dϕ
0
lässt sich auch quantitativ zeigen (Abb. 9.9), dass die Turbine bei (idealer) Stauauf-
ladung die Abgasenergie am effizientesten verarbeitet und die Dreierstoß-Aufladung
diesbezüglich vor der Zweierstoß-Aufladung liegt.
Welcher Anteil der von den Zylindern mit dem Abgas gelieferten technischen
Arbeitsfähigkeit letztendlich von der Turbine als technische Arbeit bereitgestellt wer-
den kann, lässt sich über das Produkt ηA · ηTm , einen Abgasenergie-Nutzungsgrad,
146 9 Besonderheiten der Abgasturboaufladung
darstellen, s. Abb. 9.9 oben. Demnach kann die Stauaufladung für pe -Werte im Nenn-
leistungspunkt von pe =18–20 bar mit der Stoßaufladung gleichziehen und schneidet
für noch höhere pe -Werte zunehmend besser ab als die Stoßaufladung.
Zum Zeitpunkt, als diese Vergleichsstudie durchgeführt wurde (1977), konnte die-
se zeigen, dass beim damals für Großdieselmotoren gegebenen Stand der Technik
hinsichtlich des Nennleistungs-pe von etwa 18 bar die schon vollzogene Umstellung
von Stoß- auf Stauaufladung auch aus thermodynamischer Sicht gerechtfertigt war.
Inzwischen fahren mittelschnelllaufende Viertaktdieselmotoren im Nennleistungs-
punkt pe -Werte von 25 bar und mehr. Abbildung 9.11 zeigt die luft- und die abgas-
führenden Kanäle eines aktuellen mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotors mit
Stauaufladung. Dadurch, dass die Einlass- wie die Auslass-Sammelleitung des Mo-
tors aus Segmenten zusammengesetzt ist, die jeweils nur für einen einzelnen Zylinder
zuständig sind, lassen sich mit entsprechend vielen dieser Grundelemente die Sam-
melleitungen für beliebige Zylinderzahlen desselben Zylindertyps zusammensetzen.
Zwischen den Abgasleitungssegmenten und zwischen demjenigen unmittelbar vor
Turbineneintritt und der Turbine sind zur Kompensation von thermischen Dehnungen
Kompensatorelemente eingebaut. Dieser modulare Aufbau der Gaswechselleitun-
gen verringert den Konstruktions- und Bauaufwand (Kosten) und vereinfacht die
Ersatzteil-Lagerhaltung.
Die Entscheidung darüber, welchem Aufladeverfahren im jeweiligen konkreten
Fall der Vorzug zu geben ist, hängt aber nicht nur von den thermodynamischen
Gegebenheiten beiVolllast, sondern auch von denen bei Teillast und insbesondere von
den Einsatzbedingungen des Motors ab. So ist bei Fahrzeugmotoren grundsätzlich
die Stoßaufladung der Stauaufladung vorzuziehen, weil sie dem Motor das bessere
Beschleunigungsverhalten verleiht. Dieses lässt sich wie folgt erklären.
Unmittelbar vor Beginn der Beschleunigungsphase läuft der Motor in einem Be-
triebspunkt niedriger Last und niedriger Drehzahl. Wegen der dabei gegebenen relativ
9.1 Einfluss der Abgasleitung 147
niedrigen Werte des Abgasmassenstroms und der Abgastemperatur liegt auch der
Turbinenwirkungsgrad extrem niedrig, sowohl bei Stau- als auch bei Stoßaufladung.
Wenn nun zum Einleiten der Beschleunigung die Kraftstoffrate für den Motor erhöht
wird, und dieser daraus folgend eine erste erhöhte Abgasenergierate zur Turbine
schickt, so gelangt im Fall der Stoßaufladung auch die im Abgasstrom aus dem Zy-
linder enthaltene kinetische Energie zur Turbine, während sie bei Stauaufladung in
der Abgassammelleitung verwirbelt wird. Dementsprechend läuft die Turbine bei
Stoßaufladung schneller hoch und ein steilerer Aufbau von Ladedruck und Dreh-
moment ist die Folge. Zu einem gewissen Anteil rührt das grundsätzlich bessere
Beschleunigungsverhalten des stoßaufgeladenen Motors auch aus seinem kleineren
Abgasleitungsvolumen, weil dessen Abgasinhalt in Beschleunigungsphasen jeweils
schneller auf den energetisch höheren Zustand gebracht wird.
Da es mit den bei allen Motorenkategorien immer weiter gesteigerten Auflade-
graden bei einstufiger Aufladung grundsätzlich schwieriger wird, auch im unteren
Motordrehzahlbereich einen ausreichend hohen Ladedruck und damit ein entspre-
chend zufrieden stellendes Beschleunigungsverhalten zu realisieren, verfügen heute
praktisch schon alle Motorenkategorien über geeignete Unterstützungssysteme.
Genaueres ist Kap. 10 zu entnehmen.
Dass bei den langsamlaufenden Zweitakt-Großdieselmotoren schon früher
die Stauaufladung eingesetzt wurde als bei den mittelschnelllaufenden Viertakt-
Dieselmotoren, ist auf folgende Umstände zurückzuführen:
• Bei Zweitaktmotoren macht sich der Vorteil der Stauaufladung gegenüber der
Stoßaufladung schon bei niedrigeren Werten für den Mitteldruck bemerkbar.
• Zum Starten und in seinem untersten Leistungsbereich ist auch der abgastur-
boaufgeladene Zweitaktmotor auf ein Spülgebläse angewiesen, welches heute
als ein zum Turbolader-Verdichter in Reihe geschaltetes, zu- und abschaltba-
res, elektrisch angetriebenes Hilfsgebläse ausgeführt ist. Diese also ohnehin
vorhandene Hilfseinrichtung kann dann auch jeweils in Beschleunigungspha-
sen zur Unterstützung des Turbolader-Verdichters eingesetzt werden und so bei
einem stauaufgeladenen Motor die diesbezüglichen Nachteile gegenüber der
Stoßaufladung kompensieren.
• Große Motoren haben große Massen zu bewegen und zu beschleunigen. Die Be-
schleunigungszeit für große Massen, etwa für ein Containerschiff, hängen stärker
von der Höhe der maximalen Leistung des Motors ab als von der Zeitspanne, die
zum Erreichen der maximalen Motorleistung benötigt wird.
9.2 Beschleunigungsverhalten
Der bei der mechanischen Aufladung mit der Motorwelle verbundene Lader liefert
immer den zu der betreffenden Motordrehzahl gehörenden Ladedruck, es gibt kein
Nachhinken der Laderdrehzahl hinter der Motordrehzahl. Der Abgasturbolader dage-
gen ist mit dem Motor nur über das Ein- und Auslassleitungssystem verbunden, seine
Drehzahl und damit der Ladedruck sind nicht unmittelbar von der Motordrehzahl,
sondern in erster Linie von der ihm zugeführten Abgasleistung und damit letztlich
von der Motorleistung abhängig (thermodynamische Kopplung).
Im Leerlauf, insbesondere bei minimaler Motordrehzahl (kleiner Leerlauf), ist
der Ladedruck sehr niedrig. Wenn in diesem Motorbetriebszustand plötzlich ei-
ne höhere Motorleistung verlangt wird, muss der Abgasturbolader erst über einen
vergrößerten Abgasenergiestrom (größerer Abgasmassenstrom und/oder höhere Ab-
gastemperatur) auf höhere Drehzahl gebracht werden, so dass die Luftlieferung der
Leistungsanforderung nachhinkt.
Bezüglich der Beschleunigung können drei Grundfälle unterschieden werden. Da-
zu sind in Abb. 9.16 schematisch verschiedene Belastungsfälle in das Laderkennfeld
eingetragen.
Darin bedeuten:
nM1 minimale Motordrehzahl
nM2 Nenndrehzahl des Motors
nTL Turboladerdrehzahl
A kleiner Leerlauf
B Leerlauf bei Nenndrehzahl
C Volllast bei minimaler Motordrehzahl
D Volllast bei Nenndrehzahl (= Nennleistungspunkt)
9.2 Beschleunigungsverhalten 151
Abb. 9.17 Verlauf von Stromstärke I, Turboladerdrehzahl nTL , mittlerem Abgasdruck in der Abgas-
leitung pA und Motordrehzahl nM bei plötzlicher Lastaufschaltung eines Dieselmotors zum Antrieb
eines Gleichstrom-Generators
die volle Turboladerdrehzahl bis dahin noch lange nicht erreicht ist. Dies zeigt,
dass der Motor bereits ein Überschussdrehmoment gegenüber dem vom Generator
abverlangten Drehmoment liefert. Nach etwa 3 s wird die der Volllast entsprechende
Motordrehzahl und nach rund 6 s die volle Turboladerdrehzahl erreicht.
Dass bei dieser Lastaufschaltung von 0 auf 100 % der Motor so schnell den neuen
Beharrungszustand erreichte, vor allem hinsichtlich der Motordrehzahl, liegt daran,
dass es sich um einen noch relativ niedrig aufgeladenen Motor handelte, mit pe = 9
bar bei voller Leistung. Da dieser Motor schon im Saugbetrieb pe = 7,9 bar erreichen
konnte, eine Motorlast, die praktisch schon unmittelbar nach dem Aufschalten der
Belastung verfügbar war, galt es nur noch ein Leistungsdefizit entsprechend pe =
1,1 bar aufzuholen. Das im Vergleich zur Motordrehzahl langsamere Hochlaufen der
Turboladerdrehzahl wirkte sich im vorliegenden Fall deshalb weniger gravierend
aus.
Wenn heute Mittelschnellläufer maximale pe -Werte von ≥ 25 bar fahren, so
kommt es bei solch hohen Lastaufschaltungen, von 50 % und mehr, ganz wesentlich
auf ein gutes Beschleunigungsvermögen der beteiligten Abgasturbolader an. Auch
wenn entsprechende Vorausberechnungen zu einem wichtigen Anwendungsgebiet
der Motorprozess-Simulation geworden sind, soll auch in dieser vierten Auflage
noch auf den von K. Zinner eingeführten Beschleunigungswert B eingegangen wer-
den – s. Gl. (9.10) –, weil dieser sehr anschaulich das Zusammenspiel und die
Gesamtwirkung der Einflussgrößen auf die Beschleunigung aufzeigt. Für ein gutes
9.2 Beschleunigungsverhalten 153
T L ∼ D 5
1
ωT L ∼
D
V̇1 ∼ D 2
Für gleiche isentrope Laderförderhöhe ergibt sich schließlich für den Beschleuni-
gungsvergleichswert
B ∼ D.
Dies erklärt, warum bei den entsprechend auch größeren Laufrädern bei größe-
ren Motoren grundsätzlich die Beschleunigungszeiten höher liegen, geometrische
Ähnlichkeit vorausgesetzt. Mit Rücksicht auf die Beschleunigung ist es daher unter
Umständen günstiger, mehrere kleine Turbolader zu verwenden statt eines einzigen
großen – s. Registeraufladung in Abschn. 10.5.
Das polare Massenträgheitsmoment TL des Turboladerlaufzeugs wird außer
von seiner Geometrie auch von der jeweiligen Dichte der verwendeten Werkstoffe
154 9 Besonderheiten der Abgasturboaufladung
Abb. 9.20 Zwei-Motoren-Antrieb für ein Schiff (links), einfache und doppelte Propellerkurve im
Motorkennfeld (rechts)
9.3 Drehmomentverhalten
Wie bereits in Abschn. 7.3.1 ausgeführt, bestehen für den Motorbetrieb mit kon-
stanter Drehzahl (Generatorbetrieb) und auch für den Propellerbetrieb (Md ∼ n2M )
hinsichtlich der Zusammenarbeit desAbgasturboladers mit dem Motor keine Schwie-
rigkeiten, der Abgasturbolader liefert – zumindest im Beharrungszustand – immer
den benötigten Ladedruck. Schwieriger wird es schon, wenn etwa von einem Schiffs-
motor für eine gute Beschleunigung ein weit oberhalb der (einfachen) Propellerkurve
liegendes Drehmoment erwartet wird. So wird heute vielfach von mittelschnelllau-
fendenViertakt-Dieselmotoren verlangt, dass sie eine doppelte Propellerkurve fahren
können.
Diese Fähigkeit wird beispielsweise auch dann benötigt, wenn ein Schiffsantrieb
über zwei gleiche Motoren erfolgt (Vater-und-Sohn-Betrieb), die ihre Leistung über
ein Getriebe addieren, und wenn von dort die Gesamtleistung auf die Welle eines
Festpropellers übertragen wird (Abb. 9.20 links). Motordrehzahl nM und Propeller-
drehzahl nP sind proportional. Wenn nun einer der beiden Motoren ausfällt, muss der
andere Motor bei einer bestimmten Propellerdrehzahl bzw. der entsprechenden Mo-
tordrehzahl zusätzlich die Last (pe ∼ Md ) aufbringen, die der stillgelegte Motor im
Normalfall zu übernehmen hätte. Der aktive Motor muss dazu eine doppelte Propel-
lerkurve fahren können. Zudem ist dann auch noch eine mögliche Drehzahldrückung,
ausgehend vom MCR (= Maximum Continuous Rating)-Punkt, zu garantieren.
Noch wesentlich höhere Anforderungen werden, wie ebenfalls bereits in Abschn.
7.3.1 angesprochen, an abgasturboaufgeladene Fahrzeugmotoren gestellt. Von diesen
wird zum einen nicht nur eine Drehzahldrückung, sondern eine Drehmomentüberhö-
hung mit abnehmender Motordrehzahl, ausgehend vom Nennleistungsbetriebspunkt,
verlangt und zudem ein möglichst hohes Drehmoment auch schon im unteren Dreh-
zahlbereich (low-end torque). Dementsprechend erfordern abgasturboaufgeladene
9.3 Drehmomentverhalten 157
(ηsL < ηmax ) jedoch nur degressiv. Zudem wird der bei hoher Motordrehzahl
auftretende Ladedruck nicht voll ausgenutzt, das heißt, es wird nur so viel Kraft-
stoff eingespritzt, dass der gewünschte Drehmomentabfall vom Betriebspunkt
bei Mdmax hin zum Nennleistungs-Betriebspunkt entsteht. Der durch den an-
steigenden Ladedruck gegebene Luft-„Überschuss“ kann über das dabei relativ
hohe Verbrennungsluftverhältnis zur Verkürzung der Brenndauer und damit zur
Verbesserung der Verbrennung genutzt werden.
3. Abblasen von Abgas vor Turbine oder von Luft nach dem Lader, jeweils im oberen
Motordrehzahlbereich.
Während Nutzfahrzeug-Dieselmotoren im Drehzahlband von etwa 1000 min−1 bis
2500 min−1 arbeiten und dafür die oben genannte Maßnahme (2) für ein zufrieden
stellendes Drehmomentverhalten lange Zeit noch als ausreichend gesehen wurde,
galt dies von Anfang an auf keinen Fall für Pkw-Motoren. So reichen zum einen die
Nenndrehzahlen (n3 in Abb. 9.21) schon der Pkw-Dieselmotoren bis zu 5000 min−1 ,
die der Pkw-Ottomotoren bis zu 6000 min−1 und höher, zum anderen wird bei
Pkw-Motoren das maximale Drehmoment bereits bei etwa 40 % der Nenndreh-
zahl und darunter verlangt. Würde man für Pkw-Motoren lediglich die Maßnahme
(2) umsetzen, würde wegen der großen Drehzahlspanne von n2 (bei Mdmax ) bis
zur Nenndrehzahl (n3 ) der Ladedruck relativ stärker überhöht als bei Nfz-Motoren.
Der dazu in Abb. 9.21 rechts mit gepunkteter Linie eingetragene, rein geometrisch
extrapolierte Verlauf des Lader-Druckverhältnisses würde die maximal zulässige
Turboladerdrehzahl überschreiten und auch an die Stopfgrenze gelangen. Da Pkw-
Motoren in der Regel zudem weniger robust konstruiert sind als Nfz-Motoren, muss
der Ladedruck allein schon aus diesem Grund auch bei Pkw-Dieselmotoren nach
oben begrenzt werden.
Die Quantitätsregelung des Ottomotors verlangt in jedem Fall eine Ladedruck-
begrenzung. Diese könnte grundsätzlich entweder durch Abblasen von Abgas vor
Turbine oder von Luft nach dem Lader erfolgen. Aus thermodynamischer Sicht
ist das Abblasen von Abgas, über ein so genanntes Waste-Gate, günstiger als das
Abblasen von Luft, weil dabei nur so viel Abgas durch die Turbine und Luft durch
den Lader strömen, wie tatsächlich benötigt wird, und der Abgasdruck vor Turbine
und damit auch nach dem Zylinder vergleichsweise niedrig bleibt. Hingegen muss
beim Abblasen von Luft ein größerer Luftmassenstrom durch den Lader gefördert
und verdichtet werden, als er vom Motor dann tatsächlich benötigt wird. Dement-
sprechend liegt beim Abblasen von Luft ein höherer Abgasdruck vor Turbine an, so
dass der Motor eine größere Ausschiebearbeit aufbringen muss, was sich in einer
mangelhaften Restgasausspülung und insbesondere in einem höheren spezifischen
Kraftstoffverbrauch niederschlägt.
Neben diesen drei Grundmöglichkeiten zur Verbesserung des Drehmomentverhal-
tens von in ihrer Geometrie fixen Turboladern (Fixgeometrie-Turbolader) existiert
noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen und spezieller Verfahren, die gleichzeitig
der Verbesserung des Drehmomentverhaltens wie des Beschleunigungsverhaltens
abgasturboaufgeladener Motoren dienen. Als ein wichtiges Beispiel sei das heute
in allen Motorenkategorien anwendbare Verfahren der Variablen Turbinengeometrie
(VTG) genannt. Mehr dazu ist in Abschn. 10.3 zu finden.
Literatur 159
Literatur
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Kapitel 10
Maßnahmen zur Verbesserung von
Drehmoment- und Beschleunigungsverhalten bei
Abgasturboaufladung
Wie schon mehrfach ausgeführt, ist es für einen ungeregelten Abgasturbolader fi-
xer Geometrie nicht möglich, den im Auslegungspunkt gegebenen Ladedruck zu
halten, wenn der Motor bei geringerer Drehzahl als im Auslegungspunkt betrieben
wird. Um dennoch für einen Fahrzeugmotor einen geeigneten Ladedruck- und damit
Drehmomentverlauf über der Motordrehzahl (Volllastkurve) zu erhalten, ist eine La-
dedrucksteuerung erforderlich, im einfachsten Fall über ein Wastegate an der Turbine
(s. Abschn. 9.3).
Abbildung 10.1 zeigt für einen Fahrzeugmotor mit bestimmter Geometrie (VH ) die
Volllastkurve, die er ohne Turbolader erreichen würde (Saugmotor-Volllast) sowie
die Volllastkurve bei Abgasturboaufladung. Angenommen, die Ladedrucksteuerung
dieses Motors würde über ein Wastegate erfolgen, entspräche der Betriebspunkt
bei Mdmax dem Auslegungspunkt des Abgasturboladers. Dass, ausgehend von
diesem Auslegungspunkt − das Wastegate ist dabei geschlossen –, mit abnehmen-
der Motordrehzahl die Volllastkurve gegebenenfalls stärker abfällt als gewünscht
(Volllast-Sollkurve) und relativ stärker als die Saugmotor-Volllastkurve, liegt an
der entsprechenden Abnahme der vom Motor an die Turbine gelieferten Abgas-
energierate. Dieses Drehmomentdefizit zwischen Soll- und Istkurve des stationären
Volllastmoments könnte man als stationäres Turboloch bezeichnen. Demgegen-
über müsste man das im populären Sprachgebrauch als „Turboloch“ bezeichnete
Phänomen als dynamisches Turboloch bezeichnen. Dieses kommt wie folgt zustande.
Dazu sei zu Abb. 10.1 angenommen, dass das Motorkennfeld zu einem Fahr-
zeugmotor gehöre, und für das zugehörige Fahrzeug bei einer bestimmten, festen
Getriebeübersetzung die eingetragene Fahrwiderstandskurve gelte, die im übrigen
durch den Nennleistungspunkt (Punkt C) des Motors gehen möge. Ausgehend von
einem stationären Motorbetriebspunkt A, bei sehr geringer Motordrehzahl und ent-
sprechend niedriger Fahrgeschwindigkeit, soll nun das Fahrzeug bzw. sein Motor
einer Volllastbeschleunigung unterworfen werden, bis der Betriebspunkt C erreicht
ist. Wenn es sich um einen Ottomotor handelt, ist beim Betrieb im (stationären)
Betriebspunkt A die Drosselklappe sehr weit geschlossen. Zur Einleitung der Voll-
lastbeschleunigung wird schlagartig die Drosselklappe geöffnet, so dass dem Motor
2. in kurzen zeitlichen Abständen, also beliebig oft, benötigt wird, aber keinen zu-
sätzlichen Raumbedarf erfordern soll. Dazu zählen beispielsweise die Methoden
der Variablen Turbinengeometrie (VTG).
3. in kurzen Zeitabständen benötigt wird, ein gewisser Raum- und Bauaufwand
aber zulässig sind, beispielsweise ein dem Turbolader-Verdichter vorgeschalteter
mechanisch angetriebener Verdrängerlader.
Nachfolgend soll eine Gliederung konkreter möglicher Maßnahmen gegeben werden,
zum Teil mit Hinweisen auf Abschnitte, in welchen jeweils eine konkrete Maßnahme
detaillierter behandelt wird.
Regeleingriffe am Abgasturbolader
• Abblasen von Luft oder Abgas − s. Abschn. 10.2
• Variable Turbinengeometrie (VTG) − s. Abschn. 10.3
• Variable Verdichtergeometrie − s. Abschn. 10.4
Gestufte Abgasturboladersysteme
• Registeraufladung − s. Abschn. 10.5
• Geregelte zweistufige Aufladung − s. Abschn. 10.6.2
Umschalten von Stau- (bei hoher Last) auf Stoßaufladung [1]
Anwendung eines fremd- oder vom Motor angetriebenen Zusatzverdichters
• dem Verdichter des Turboladers vor- oder nachgeschaltet − s. Abschn. 10.7
(eBooster), Abschn. 10.8 (Twincharger)
• dem Verdichter des Turboladers parallel geschaltet
Zusatzantrieb des Turboladers
• mechanisch, vom Motor aus über eine Überholkupplung
• durch einen Elektromotor, über eine Überholkupplung, oder auf der Turbolader-
welle angeordnet − s. Abschn. 10.9
• ölhydraulisch, über ein auf der Turboladerwelle sitzendes Peltonrad [2]
• durch Umblasen vom Lader in die Turbine, ohne oder mit Aufheizen der Umbla-
seluft durch einen Wärmetauscher oder eine Brennkammer − s. Abschn. 10.10
Zufuhr von fremd verdichteter Luft − s. Abschn. 10.11
• in die Ladeluftleitung
• in die Ansaugleitung des Turbolader-Verdichters
• in den Laufradkanal des Turboladerverdichters (Jet-Assist)
• in die Abgasleitung oder direkt in die Turbine
• direkt in den Zylinder
Kombinierte Aufladung − s. Abschn. 10.12
Variable Steuerzeiten In den nachfolgenden Abschnitten (Abschn. 10.2 − 10.12)
wird auf die wichtigsten Maßnahmen näher eingegangen.
164 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
Abb. 10.2 Ladedruckbegrenzung durch ein ungeregeltes Waste-Gate, Steuerung über den Lade-
druck
10.2 Waste-Gate
Abb. 10.6 links: Schnittbild eines Fahrzeugturboladers mit VTG-Turbine, aus [5]; rechts:
Verstellmechanismus (schematisch). (Quelle: Volkswagen)
Während bei der Ladedruckregelung über ein Waste-Gate an der Turbine diese für
den Motordurchsatz im unteren Motordrehzahlbereich auszulegen ist, wodurch dann
im oberen Motordrehzahlbereich zur Vermeidung eines zu hohen Ladedrucks ein Teil
des Abgasmassenstroms abgeblasen werden muss, wird kein Abgas „verschwendet“
(engl.: waste = verschwenden), wenn der effektive Turbinenquerschnitt im Betrieb
an den jeweiligen Ladedruckbedarf angepasst werden kann. Entsprechende Verfah-
ren werden allgemein als Variable Turbinengeometrie (VTG) bezeichnet, wenngleich
darunter meist im Besonderen die Anordnung verstellbarer Turbinenleitschaufeln
verstanden wird.
Durch Verkleinern des effektiven Turbinenquerschnitts bei relativ kleinem Durch-
satz des Motors steigt das Enthalpiegefälle an der Turbine, und damit steigen auch
ihre Leistung und ihre Drehzahl und letztendlich der Ladedruck. Im Bereich großen
Durchsatzes kann der effektive Turbinenquerschnitt entsprechend weiter bis ganz
geöffnet und damit auch der Abgasgegendruck niedrig gehalten werden.
Obwohl die Leitschaufelverstellung für Abgasturbinen schon relativ früh be-
schrieben wurde [6, 7], kam sie bei Fahrzeugmotoren erst Anfang der 1980er Jahre
zur praktischen Anwendung, zunächst an einem Nutzfahrzeugmotor [8].
Abbildung 10.6 zeigt links einen VTG-Turbolader, wie er heute in Fahrzeugmo-
toren eingesetzt wird. Entsprechend der schematischen Darstellung des Verstellme-
chanismus auf der rechten Bildseite sind die Leitschaufeln der Radialturbine jeweils
168 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
Abb. 10.8 Turbinenkennfeld eines VTG-Turboladers für einen Pkw-Dieselmotor für vier VTG-
Stellungen. (Aus [9])
Kennfeld handelt. Die Ursache dürfte darin liegen, dass die jeweilige Definition des
isentropen Verdichterwirkungsgrads ηsL und des Turbinenwirkungsgrads ηT unter
der Annahme steht, dass Verdichter und Turbine adiabate Maschinen seien, und zu-
dem darin, dass der Turbinenwirkungsgrad nicht direkt aus den Zustandsgrößen an
Turbinenein- und -austritt entsprechend Gl. (4.9) bestimmt wird, sondern indirekt,
gem. Gl. (7.16, 10.1)
ηT = ηT L /ηsL (10.1)
immer mehr durchsetzt, liegt für Fahrzeug-Ottomotoren bislang erst eine einzige
Serienanwendung vor (Abb. 10.12), wenngleich hinsichtlich der thermodynami-
schen Prozessführung die gleichen Vorteile wie für Dieselmotoren gelten. Die
Ursache liegt im höheren zu treibenden Entwicklungsaufwand und den höheren
Herstellungskosten, die damit verbunden sind, bei den deutlich höheren Tur-
bineneintrittstemperaturen des Ottomotors (bis 1050 ◦ C) die Beweglichkeit des
Verstellmechanismus auch im Serienbetrieb gewährleisten zu können. Dementspre-
chend stellt die Ladedruckregelung mit geregeltem Waste-Gate nach wie vor die
Standardlösung für den abgasturboaufgeladenen Fahrzeug-Ottomotor dar.
Abb. 10.10 Verstellbarer Leitapparat vor der Hochdruckturbine des zweistufigen M.A.N.-
Turboladers. (Nach [11])
172 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
Abb. 10.11 Turbolader mit verstellbarem Leitapparat an der Axialturbine, VTA-System von MAN
Diesel & Turbo. (Aus [13])
führen kann. Wenn es durch geeignete konstruktive Maßnahmen gelingt, dieses Phä-
nomen zu vermeiden, ist jedenfalls die Anordnung der Drosselklappe vor dem Lader
günstiger als ihre Anordnung nach dem Lader.
Verdichter im Kaltluftturbinenbetrieb Das verzögerte Ansprechverhalten des
Abgasturboladers von Fahrzeugmotoren bei plötzlicher Lastanforderung hat unter
anderem in der großen Drehzahlspanne des Turboladers, die es dabei zu durchlaufen
gilt, seine Ursache. Eine interessante Alternative zu Verfahren, die Zeit zur Über-
windung dieser gerade bei Ottomotoren relativ großen Drehzahlspanne, etwa durch
Verringern des polaren Massenträgheitsmoments des Turboladerrotors, zu verkürzen,
könnte darin bestehen, die Drehzahl des Turboladers während der nicht aufgelade-
nen Betriebsphasen auf einem deutlich höheren Niveau als üblich zu halten. Dadurch
könnte die Zeit bis zum Aufbau des maximalen Ladedrucks verkürzt werden.
In einer Patentanmeldung der heutigen Daimler AG [17] wird eine Konstruktion
vorgestellt (s. Abb. 10.17), bei der im Ansauggehäuse des Verdichters ein axia-
ler Schieber (9) angeordnet ist, und welche ohne die herkömmliche Drosselklappe
auskommt.
Figure 10.17a stellt den Normalbetrieb des Verdichters dar, wobei die Ansaugluft
über den Ringkanal (8) axial dem Verdichterlaufrad zuströmt. Bei sehr niedriger
Motorlast, bei der im konventionellen Fall, infolge der dabei weit geschlossenen
Drosselklappe, die Turboladerdrehzahl sehr weit abfallen würde, wird gemäß der hier
betrachteten Erfindung der Axialschieber (9) in Richtung Verdichterlaufrad verscho-
ben (Fig. 10.17b), so dass der Ringkanal (8) verschlossen und die vom Motor durch
den Verdichter hindurch angesaugte Luft über den Ringkanal (15) und ein radiales
Vorleitgitter (17) als Mitdrall auf dasVerdichterlaufrad geleitet wird, welches dadurch
nunmehr als „Kaltluftturbine“ arbeitet. Während das Druckverhältnis, welches im
konventionellen Fall an einer vor dem Verdichter angeordneten Drosselklappe an-
stünde, durch Drosselung energetisch ungenutzt bliebe, liefert das erfindungsgemäße
Verfahren eine bestimmte Turbinenleistung am Verdichterrad ab, was dazu führt, dass
der Turbolader auf einer höheren Drehzahl läuft. Durch ein noch weiteres Verschie-
ben des Schiebers (9) gegen die Feder (19) und damit auch der Hülse (14) lässt sich
der Querschnitt des radialen Vorleitgitters (17) verkleinern.
10.4 Variable Verdichtergeometrie 177
Weiterentwicklungen dieses Systems [18, 19] haben gezeigt, dass eine Anhebung
der unteren Turboladerdrehzahl von 20000 min−1 bis auf 80000 min−1 möglich ist,
aber darauf geachtet werden muss, dass dem Kaltluftturbinen-Betrieb entgegenkom-
mende Modifikationen am Verdichterrad nicht den Normalbetrieb (Aufladebetrieb)
des Verdichters beeinträchtigen. Zudem ist auch hier, wie bei der Anordnung der
konventionellen Drosselklappe vor dem Verdichter und bei der Turbo-Throttle, eine
zuverlässige Abdichtung der Turboladerlagerung gegen Ölaustritt zu gewährleisten.
Variables Nachleitgitter Wie bereits in Abschn. 5.2.3 zu Abb. 5.25 ausgeführt,
lassen sich durch veränderte Anstellung der Schaufeln in einem beschaufelten Aus-
trittsdiffusor (Nachleitgitter) die Lage der Pumpgrenze und die zu jeweils einer
bestimmten Verdichterdrehzahl gehörenden Verdichterkennlinien verändern. Je we-
niger steil die Leitschaufeln gestellt sind, umso weiter werden die Pumpgrenze und
die Optimalparabel des Verdichters nach links verschoben, aber auch bei einem umso
geringeren Durchsatz erreichen die Verdichterkennlinien die Stopfgrenze.
Das Wissen um diese Zusammenhänge wird bei der Auslegung und insbesondere
bei der Abstimmung von Turboladerverdichtern für Großmotoren bereits seit langem
benutzt, wobei dann aber das Nachleitgitter mit fester Geometrie ausgeführt wird.
Bei Turboladerverdichtern von Fahrzeugmotoren ist der Austrittsdiffusor in der Re-
gel unbeschaufelt ausgeführt, und schon gar nicht finden verstellbare Schaufelgitter
bislang in der Serie Anwendung.
In [20] wird über den Einsatz eines verstellbaren Nachleitgitters an einem Turbo-
laderverdichter für Nutzfahrzeugmotoren berichtet. Abbildung 10.18 zeigt dazu die
prototypische Ausführung dieser Verstelleinrichtung.
Jede einzelne dieser keilförmigen Leitschaufeln ist an ihrer Eintrittskante drehbar
gelagert und umgreift gabelartig einen Zapfen auf dem Verstellring. Durch Verdrehen
des Verstellrings werden die Leitschaufeln auf den gewünschten Winkel gestellt.
Versuchsergebnisse lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von [20] nur zu nicht
verstellbaren Varianten unterschiedlichen Leitschaufelwinkels vor. Diese bestätigen
178 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
grundsätzlich die schon aus Abb. 5.25 erkennbaren Möglichkeiten, insbesondere die
Pumpgrenze weiter nach links verschieben zu können.
Kennfeld stabilisierende Maßnahme (KSM) Bei Turboladerverdichtern von Pkw-
Motoren findet sich die konstruktive Variante eines Verbindungskanals zwischen dem
Arbeitsraum des Verdichterlaufrads und dem Ansaugstutzen des Verdichters, die so
genannte Kennfeld stabilisierende Maßnahme − Abb. 10.19.
Bei Annäherung des Verdichterbetriebspunkts an die Pumpgrenze kommt es zu
Ablösungen der Strömung innerhalb der Schaufelkanäle des Laufrads und einem
teilweisen Rückströmen in Richtung Ansaugstutzen. Das Abführen des rückströmen-
den Massenstroms über den KSM-Verbindungskanal (Rezirkulationskanal) zurück
in den Ansaugstutzen bewirkt eine scheinbare Durchsatzerhöhung und in der Fol-
ge eine verbesserte Laufradanströmung. Dadurch wird die Pumpgrenze in Richtung
kleineren Durchsatzes verschoben.
Der KSM-Kanal wirkt aber auch positiv an der Stopfgrenze. Wenn nämlich
die Strömung am Laufradeintritt Schallgeschwindigkeit erreicht und der Verdichter
damit eigentlich an der Stopfgrenze angelangt ist, transportiert der KSM-Kanal zu-
sätzliches Frischgas am Laufradeintritt vorbei und erhöht so den maximal möglichen
Durchsatz des Verdichters.
Diese Kennfeld stabilisierende, eigentlich den Nutzbereich des Verdichterkenn-
felds erweiternde, Maßnahme (engl.: ported shroud) stellt demnach keine (aktive)
Verdichtervariabilität im engeren Sinne dar, sondern übt eine selbstregulierende
Funktion aus.
10.5 Registeraufladung
Bei der Registeraufladung werden an einem Motor, der mit mehreren parallel ge-
schalteten und im Stauverfahren arbeitenden Abgasturboladern ausgerüstet ist, die
einzelnen ATL mit steigender Last sowohl luft- als auch abgasseitig stufenweise
(= registerartig) zugeschaltet, bzw. mit fallender Last stufenweise abgeschaltet. Die
Registeraufladung wird auf Englisch als Sequential Turbocharging bezeichnet.
Die Registeraufladung ist seit Beginn der 1980er Jahre besonders erfolg-
reich bei MTU-Friedrichshafen entwickelt worden [22–25] und wird für deren
10.5 Registeraufladung 179
Abb. 10.20 Schema der einstufigen Registeraufladung (System MTU), T Turbine, C Lader.
(Aus [26])
Abb. 10.21 Schema der zweistufigen Registeraufladung (System MTU), Legende wie inAbb. 10.20.
(Aus [26])
Abb. 10.22 MTU-Registeraufladung, Abgasturbolader mit Klappen vor Luft- und vor Abgaseintritt.
(Aus [26])
abgeschaltetem ATL abdichtet. Diese Rückschlagklappe wird durch den sich rück-
wärts durch das inaktive Laderlaufrad fortpflanzenden Ladedruck zugedrückt − s.
Abb. 10.22.
Bei den zweistufig aufgeladenen schnelllaufenden Hochleistungs-Dieselmotoren,
wie MTU sie baut − sie fahren effektive Mitteldrücke bis pe ≥ 30 bar –, ist
die Registeraufladung besonders wirksam, aber auch besonders notwendig, da oh-
ne Ladedruckregelung das Drehmoment- und das Beschleunigungsverhalten umso
ungünstiger werden, je höher der Aufladegrad des Motors ist.
Grundsätzlich lässt sich auch schon mit zwei parallel geschalteten Turboladern ei-
ne Registeraufladung realisieren. Wenn aber schon bei sehr niedriger Motordrehzahl
ein hoher Ladedruck gewünscht wird, und wenn die Ladedruck-Einbrüche beim Zu-
und Abschalten eines ATL klein gehalten werden sollen, sind mehr als zwei parallele
ATL von Vorteil.
Worin bestehen die Vorteile der Registeraufladung und wie werden diese erreicht?
Hätte man einen Motor ausschließlich in seinem Auslegungsbetriebspunkt (Nenn-
leistung) zu betreiben, so wäre seine Ausstattung mit einem einzigen Turbolader,
der genau für diesen Durchsatz ausgelegt ist, die richtige Entscheidung. Würde man
diesen so ausgerüsteten Motor dann aber doch auch im unteren Last- und Drehzahlbe-
reich betreiben, so würde der Turbolader weitab von seinem Auslegungsdurchsatz ar-
beiten müssen, was einen entsprechend niedrigen Turboladerwirkungsgrad und damit
einen zu geringen Ladedruck zur Folge hätte. Der niedrige Turboladerwirkungsgrad
wirkt sich zudem in einem ungünstigen Kraftstoffverbrauch aus.
10.5 Registeraufladung 181
Realisiert man für diesen Grundmotor jedoch eine Registeraufladung, wobei der
einzige, große Turbolader nunmehr durch mehrere (2–4) entsprechend kleinere,
parallel geschaltete Turbolader ersetzt wird, so kann mit abnehmender Motorleis-
tung stufenweise jeweils ein Turbolader abgeschaltet und der Motor im Extrem-
fall nur noch mit einem einzigen (kleinen) Turbolader betrieben werden. Der dann
noch gegebene, aus Motorsicht zwar relativ kleine Durchsatz kann aber durchaus
noch dem Auslegungsdurchsatz dieses einzigen kleinen Turboladers entsprechen,
so dass dieser mit gutem Wirkungsgrad arbeitet und einen ausreichend hohen La-
dedruck liefert. Wird für diesen Motor ein Beschleunigungsvorgang eingeleitet, so
kann der eine kleinere Turbolader wegen des auch entsprechend kleineren polaren
Massenträgheitsmoments seines Laufzeugs schneller hochdrehen als ein einziger
großer.
Abbildung 10.23 stellt den Hochlaufvorgang eines mit einer 4-Turbolader-
Registeraufladung ausgerüsteten schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors im
Propellerbetrieb dar. Dass es dabei jeweils beim Zuschalten eines weiteren Tur-
boladers zu einem leichten Einbrechen der Drehzahl der bis dahin schon aktiven
Turbolader kommt, hängt damit zusammen, dass der zum Schaltzeitpunkt gegebene
Abgasmassenstrom des Motors nunmehr auf eine um eins erhöhte Turboladeranzahl
verteilt wird. Am größten ist daher dieser Drehzahleinbruch beim Zuschalten des 2.
Turboladers, weil dabei die Turboladeranzahl verdoppelt und entsprechend die dem
einzelnen Turbolader zustehende Abgasration halbiert wird.
Abbildung 10.24 zeigt für einen MTU-Motor mit einstufiger Registeraufladung
die Motorbetriebslinie im Verdichterkennfeld, die sich im Propellerbetrieb bei Be-
schleunigung bzw. Verzögerung einstellt. Die Registeraufladung ermöglicht es
demnach, dass die Motorbetriebslinie dabei angenähert entlang der Optimalparabel
des Verdichters verläuft.
182 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
Abb. 10.25 Registeraufladung beim Motor des Porsche 959, Schaltbilder. a nur 1 ATL aktiv.
b Umschaltvorgang. c beide ATL aktiv. ([27])
der den Stand der Technik eines Motors hinsichtlich seiner mechanischen und ther-
mischen Belastbarkeit beschreibt. Mit pe steigt sowohl die mechanische Belastung,
mit der Zunahme des maximalen Zylinderdrucks pZmax , als auch die thermische Be-
lastung, über den erhöhten Wärmeeintrag in die brennraumbegrenzenden Bauteile.
Mit cm erhöht sich die mechanische Belastung des Motors infolge der Massenkräfte
des Hubkolbenmotortriebwerks, die dem Quadrat von cm proportional sind. Es steigt
mit cm aber auch die thermische Belastung, weil der mit pe = const. in etwa auch
konstante Wärmeeintrag je Arbeitsspiel in die brennraumbegrenzenden Bauteile in
der Zeiteinheit öfter erfolgt.
Soll nun ein Motor in seiner Leistungsdichte gesteigert werden, muss einer der bei-
den Faktoren, pe oder cm , vergrößert werden. Bei Großmotoren − bei diesen ist in der
Regel der cm -Spielraum bereits ausgeschöpft − kann die Steigerung der Leistungs-
dichte daher nur über eine pe -Steigerung erfolgen. Diese erfordert, ein bestimmtes
Verbrennungsluftverhältnis vorausgesetzt, eine pe -proportionale Ladedrucksteige-
rung. Für einstufig aufgeladene Großdieselmotoren galt bis in die 1980er Jahre der
näherungsweise empirische Zusammenhang
pe /pL = 6 . . . 7,
und ein Laderdruckverhältnis von πL ≈ 3 stellte eine mit noch gutem Laderwir-
kungsgrad darstellbare obere Grenze dar. Entsprechend wiesen diese Motoren bei
Nennleistung einen effektiven Mitteldruck von pe ≈ 20 bar auf.
Für die noch höheren spezifischen Motorleistungen, im Bereich von pe ≈ 30 bar,
wie sie von schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren schon Anfang der 1980er
Jahre gefahren wurden, musste daher damals auf alle Fälle auf zweistufige Auf-
ladung übergegangen werden. Bei dieser Motorenkategorie stand damals wie auch
heute noch die Darstellung höchster spezifischer Motorleistung im Vordergrund. Um
aber bei den dafür erforderlichen hohen Ladedrücken den Motor mechanisch nicht
zu überlasten und dazu den maximalen Zylinderdruck auf ein beherrschbares Maß
zu begrenzen, musste das Verdichtungsverhältnis deutlich abgesenkt werden. Diese
Maßnahme wirkt sich allerdings grundsätzlich ungünstig auf den spezifischen Kraft-
stoffverbrauch aus, einmal ganz abgesehen von den Zusatzmaßnahmen, die realisiert
werden mussten, um die mit der Senkung des Verdichtungsverhältnisses verbun-
dene verschlechternde Wirkung auf das Motorstartverhalten zu kompensieren − s.
Abschn. 11.3.
Für Mittelschnellläufer konnte sich damals die zweistufige Aufladung allerdings
noch nicht in der Serie etablieren, weil bei diesen ein möglichst niedriger spezifi-
scher Kraftstoffverbrauch vor der hohen spezifischen Leistung als Entwicklungsziel
rangiert und daher eine deutliche ε-Absenkung nicht in Frage kam. Andererseits
wurde aber auch eine mit dem Ladedruck in etwa proportionale Steigerung des ma-
ximalen Zylinderdrucks wegen der damit verbundenen Erhöhung der Konstruktions-
und Baukosten nicht akzeptiert. Inzwischen ermöglichen die (einstufigen) Turbola-
der von Mittelschnellläufern aber schon Laderdruckverhältnisse von πL > 4 bei noch
gutem Laderwirkungsgrad, so dass entsprechend die effektiven Mitteldrücke in der
Serie auf pe ≈ 25 bar gesteigert werden konnten.
186 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
Das jeweilige Gesamtdruckverhältnis auf der Lader- und auf der Turbinenseite
ergibt sich als Produkt der jeweiligen Stufendruckverhältnisse (Gl. 10.4):
Dieser Effekt der Zwischenkühlung schlägt sich dann weiter auch in einer Erhöhung
des so genannten Aufladewirkungsgrads (s. Abschn. 7.3.2) und, daraus folgend,
schlussendlich in einer Verringerung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs nieder.
Abbildung 10.29 zeigt die Anbausituation zweier zweistufiger Aufladeein-
heiten mit jeweils einem Zwischenkühler (ND-Ladeluftkühler) und einem HD-
Ladeluftkühler an einem schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotor (MTU 1163-
03).
Abbildung 10.30 stellt zur Ergänzung des oben gewählten Zahlenbeispiels
grafisch dar, wie durch immer intensivere Zwischenkühlung der Verdichtungs-
Gesamtwirkungsgrad ηsLges immer weiter angehoben wird. So lässt sich dieser
von ηsLges = 0,774 im Falle ohne Zwischenkühlung auf ηsLges = 0,862 erhöhen,
wenn die mit 412,3 K (≈ 139 ◦ C) aus dem Niederdrucklader austretende Luft im
Zwischenkühler auf T LnZK = 340 K (≈ 67 ◦ C) abgekühlt wird. Dieser Vorteil der Zwi-
schenkühlung kommt vor allem im Hochlastbereich eines zweistufig aufgeladenen
Motors zum Tragen, schwindet aber umso mehr, je weiter der Motorbetriebspunkt
in den Teillastbereich verlagert wird.
10.6 Zweistufige Aufladung 189
Abb. 10.31 Geregelte zweistufige Aufladung, Schaltschemata zum Nfz- und zum Pkw-Motor.
(Aus [35])
wird bei Fahrzeugmotoren eingesetzt. Hierbei geht es nicht darum, sehr hohe La-
dedrücke darzustellen, welche mit einstufiger Aufladung nicht mehr zu erreichen
wären, sondern darum, das Beschleunigungsverhalten des abgasturboaufgeladenen
Fahrzeugmotors zu verbessern. Allein aus Sicht des thermodynamischen Prozes-
ses übertrifft dabei die geregelte zweistufige Aufladung das VTG-Prinzip und die
einstufige Registeraufladung. Wie bei der konventionellen (ungeregelten) zwei-
stufigen Aufladung sind ein kleinerer (Hochdruck-)Turbolader und ein größerer
(Niederdruck-)Turbolader in Reihe geschaltet, deren Zusammenspiel aber nunmehr
über Steuerorgane „geregelt“ wird.
Anwendung beim Nutzfahrzeugmotor Abbildung 10.31 links zeigt das zugehö-
rige Schaltschema. Bei geringen Motordrehzahlen ist das Bypassventil der Hoch-
druckturbine komplett geschlossen. Dadurch wird praktisch die gesamte technische
Arbeitsfähigkeit des Abgases dazu verwendet, die Frischluft im Hochdruckverdich-
ter zu verdichten. Sobald bei steigender Motordrehzahl der geforderte Ladedruck
erreicht ist, wird zunehmend ein Teil des Abgasstroms über das HDT-Bypassventil
an der Hochdruckturbine vorbei der Niederdruckturbine zugeführt. Mit weiter stei-
gender Motordrehzahl wird das HDT-Bypassventil immer weiter bis voll geöffnet,
wodurch der Niederdruck-Turbolader, kontinuierlich geregelt, immer mehr am
Aufbau des Ladedrucks beteiligt wird. Dass mit diesem Aufladesystem ein sehr
gutes Beschleunigungsverhalten des Motors erreicht wird, liegt auf der Hand, weil
zu Beginn einer Beschleunigung der gesamte Abgasstrom der (kleineren) Hoch-
druckturbine zugeführt wird, und der Läufer des Hochdruck-Turboladers aufgrund
seines entsprechend kleinen polaren Massenträgheitsmoments entsprechend schnell
hochläuft.
Neben dem schnellen Drehmomentaufbau und der Möglichkeit zur Erhöhung
auch des maximalen Drehmoments gibt es noch einen weiteren wichtigen Grund
für die Anwendung der geregelten zweistufigen Aufladung. Der mögliche hohe
Ladedruck − nach [36] sind Aufladegrade > 4,5 darstellbar − erlaubt, dass auch
192 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
bei Volllast noch hohe Abgasrückführraten gefahren werden können, wie diese
zur Einhaltung der strengen zukünftigen Emissionsgrenzwerte für Nutzfahrzeug-
Dieselmotoren (EURO 6) erforderlich sind. Dann muss auch ein Zwischenkühler
Bestandteil des Aufladesystems sein, auf den in der Serie bislang aus Kostengrün-
den in der Regel verzichtet wird, wie er in den Untersuchungen zu [34] aber bereits
eingesetzt wurde.
Abbildung 10.32 zeigt daraus die gemessenen Verläufe des Drucks nach
dem Niederdruck- und nach dem Hochdrucklader in Gegenüberstellung mit
dem Ladedruckaufbau bei seriengemäßer einstufiger Aufladung des 12-Liter-
Nfz-Dieselmotors, und zwar jeweils gesondert die Verläufe vor und nach dem
Ladeluftkühler (LLK) bzw. dem Zwischenkühler (ZK).
Anwendung beim Pkw-Motor Die geregelte zweistufige Aufladung für Pkw-
Motoren besitzt imVergleich zurAnwendung beim Nutzfahrzeugmotor zusätzlich ein
Bypassventil (Wastegate) an der Niederdruckturbine und auch noch ein Bypassventil
am Hochdrucklader (s. Abb. 10.31 rechts).
Auch die Schaltstrategie zum Einsatz der beiden Turboladerstufen ist eine an-
dere. Da beim Pkw-Motor ein gutes Anfahr- und Beschleunigungsverhalten einen
hohen Stellenwert besitzt, wird für die Hochdruckstufe ein relativ kleinerer Tur-
bolader verwendet, der zum einen Bauraumvorteile bietet, vor allem aber wegen
seines kleineren polaren Massenträgheitsmoments Vorteile im transienten Motorbe-
trieb aufweist. Der für das hohe Anfahrdrehmoment erforderliche hohe Ladedruck
bei niedrigen Motordrehzahlen wird allein vom Hochdruck-Turbolader bereitgestellt,
das Hochdruckturbinen-Bypassventil ist dabei geschlossen. Im mittleren Motordreh-
zahlbereich wird mit zunehmender Motordrehzahl das HDT-Bypassventil immer
weiter geöffnet, so dass der Niederdruck-Turbolader immer mehr den Ladedruck-
aufbau übernimmt und schließlich ganz alleine für den Ladedruckaufbau sorgt.
Dabei wird durch Öffnen des Hochdrucklader(HDL)-Bypassventils die Hochdruck-
stufe praktisch vollständig umblasen, weil sonst die Hochdruckstufe laderseitig eine
10.6 Zweistufige Aufladung 193
Abb. 10.33 Schaltstrategie eines 2,0 l-Dieselmotors mit geregelter zweistufiger Aufladung im
Motorkennfeld. (Aus [37])
Volllast. Deutlich ist zu erkennen, wie ab der Motordrehzahl nM = 1500 min−1 die
Turboladerdrehzahl der Hochdruckstufe immer weiter abgeregelt wird − durch Öff-
nen des Hochdruckturbinen-Bypassventils − und schließlich ab nM = 3500 min−1
auf ganz niedrigem Niveau verläuft. Entsprechend verbleibt des Druckverhältnis
des Hochdruckladers auf dem Wert 1 − Effekt des Öffnens des Bypassventils am
Hochdrucklader.
Abbildung 10.35 zeigt das zweistufige Aufladeaggregat dieses Motors, wel-
ches diesem die Leistungsdichte von über 67 kW/l ermöglichte, was damals einen
absoluten Spitzenwert im dieselmotorischen Bereich darstellte.
Inzwischen konnte die Leistungsdichte dieses BMW-3l-Sechszylindermotors
durch zweistufige Aufladung, unter Ausführung der Hochdruckturbine als VTG-
Turbine, auf 75,2 kW/l erhöht werden [39].
Damit Pkw-Ottomotoren die anspruchsvollen Ziele hinsichtlich zulässiger CO2 -
Emission erreichen können, wird Downsizing um bis zu 50 % erforderlich sein, was
gleichzeitig sehr hohe Aufladegrade bedeutet. Um dabei aber auch ein Lastannahme-
und Beschleunigungsverhalten ähnlich wie beim leistungsgleichen Saugmotor dar-
stellen zu können, kann die Anwendung der geregelten zweistufigen Aufladung
zielführend sein.
Dass ein gutes Beschleunigungsvermögen beim abgasturboaufgeladenen Ottomo-
tor noch schwieriger zu erreichen ist als beim abgasturboaufgeladenen Dieselmotor,
hängt vor allem damit zusammen, dass bei niedriger Last die Drosselklappe weit
geschlossen ist und aufgrund des dadurch geringeren Durchsatzes (als beim un-
gedrosselten Dieselmotor) der Turbolader bei Einsetzen der Beschleunigung von
einer besonders niedrigen Drehzahl abgeholt werden muss und sein Hochlauf daher
entsprechend länger dauert.
In [40] wird die geregelte zweistufige Aufladung an einem Vierzylinder-DI-
Ottomotor mit 100 kW/l @ 5500 min−1 und pemax = 25 bar @ (1500 − 4500) min−1
untersucht. Aus Abb. 10.36 ist gut die Schaltstrategie zu erkennen, nach der bis et-
wa 1400 min−1 vor allem die Hochdruckstufe das hohe Ladedruckverhältnis bringt
und dann durch immer weiteres Öffnen des Bypasses an der HD-Turbine der
10.6 Zweistufige Aufladung 195
Abb. 10.36 Ottomotor mit geregelter zweistufiger Aufladung, Druckverhältnisse von HD- und
ND-Stufe bei Volllast, laderseitig oben, turbinenseitig unten. (Aus [40])
Abb. 10.37 Ein 1,8 l-Ottomotor mit zweistufiger Aufladung als Ersatz für einen 3,5 l-Saugmotor,
Drehmoment und Leistung bei Volllast. (Aus [41])
Abb. 10.40 Verbesserter Ladedruck- und Drehmomentaufbau durch einen eBooster. (Quelle:
BorgWarner Turbo Systems)
(Abb. 10.40). Die Grenzen dieses Verfahrens bestehen in der bei einem 12 V-Bordnetz
maximal möglichen Antriebsleistung sowie in der bei gegebener Batteriekapazität je
Beschleunigungsvorgang maximal entnehmbaren elektrischen Energie.
Volkswagen brachte 2005 seinen Motor TSI 1,4 l [44]. Dabei handelt es sich um
einen 1,4 l-Vierzylinder-Ottomotor mit Abgasturboaufladung, bei dem zur Verbes-
serung des Beschleunigungsverhaltens dem Turbolader-Verdichter ein vom Motor
angetriebener Kompressor, ein Rootslader der Eaton-Bauweise (s. Abb. 5.6), in Reihe
vorgeschaltet ist (Abb. 10.41).
Der Kompressor ermöglicht bereits im untersten Motordrehzahlbereich einen
hohen Ladedruck und ein entsprechend hohes Drehmoment und wird im oberen
Drehzahlbereich über eine Magnetkupplung abgeschaltet. Abbildung 10.42 zeigt im
unteren Bildteil die möglichen drei Schaltstellungen der Regelklappe und im oberen
Bildteil die zugehörigen Betriebsbereiche im Motorkennfeld.
In der Schaltstellung (a) der Regelklappe ist diese vollkommen geschlossen, der
gesamte Luftmassenstrom wird über den Kompressor geleitet, welcher im untersten
Motordrehzahlbereich entscheidend zum Ladedruckaufbau beiträgt.
In der Schaltstellung (c) ist die Regelklappe komplett geöffnet und der Kompressor
ist über die Magnetkupplung vom Antrieb getrennt. Der gesamte Luftmassenstrom
10.8 Mechanisch angetriebener Zusatzverdichter 199
Abb. 10.41 Schaltschema des Motors Volkswagen TSI 1,4 l, mit pe = 125kW@ 6000 min−1 und
Md = 240 Nm@ (1750 − 4500) min−1 . (Nach [44])
wird daher nur über den Turbolader-Verdichter geleitet, der im oberen Motordreh-
zahlbereich alleine für den Ladedruckaufbau sorgt. Die Ladedruckregelung erfolgt
in dieser Betriebsphase über das Wastegate der Turbolader-Turbine.
In den Zwischenstellungen (b) der Regelklappe übernimmt diese die Funktion
einer Bypassklappe für den Kompressor, so dass, je nach Klappenstellung, nur
ein Teil des vom Kompressor geförderten Luftmassenstroms (vorverdichtet) dem
Turbolader-Verdichter zugeführt wird.
Abbildung 10.43 macht deutlich, dass der Kompressor nur im untersten Motor-
drehzahlbereich aktiv ist und ab nM = 2500 min−1 bereits vollkommen abgeschaltet
bleibt.
Wie sehr mit Kompressorunterstützung das Beschleunigungsvermögen des Mo-
tors und damit letztlich des damit angetriebenen Fahrzeugs verbessert wird, geht aus
Abb. 10.44 hervor. Es zeigt Messergebnisse zur Anfangsphase einer auf dem Motor-
prüfstand simulierten Fahrzeugbeschleunigung von 1000 min−1 auf 5000 min−1 bei
Fahrt in der Ebene. Ausgehend von einem Teillastbetriebspunkt (pe = 2 bar), wird
ab dem Zeitpunkt t = 0 s die Drosselklappe voll geöffnet. Beim Betrieb des Motors
nur mit dem Turbolader wird nach ca. 0,5 s der zu dieser Motordrehzahl gehörige
Saugbetrieb-Volllastpunkt erreicht. Im Anschluss daran erfolgt der weitere Dreh-
momentaufbau wegen des relativ großen Turboladers nur schleppend. Der Zielwert
200 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
Abb. 10.42 Motor Volkswagen TSI 1,4 l, mögliche Schaltstellungen der Regelklappe (unterer
Bildteil) und ihr zugehöriger Betriebsbereich im Motorkennfeld (oberer Bildteil). (Nach [44])
Abb. 10.43 Motor Volkswagen TSI 1,4 l, Druckverhältnisse von Kompressor und Abgasturbolader
entlang der Volllast. ([44])
10.9 Elektrisch unterstützter Abgasturbolader (euATL) 201
Abb. 10.44 Motor Volkswagen TSI 1,4 l, Drehmomentaufbau bei Fahrbeschleunigung mit und ohne
Kompressor-Unterstützung. ([44])
des Drehmoments (100 %) wird erst nach 4,8 s erreicht, was im realen Fahrbetrieb
als unbefriedigend empfunden würde („Turboloch“). Wird hingegen zum Zeitpunkt
t = 0 s bereits der Kompressor zugeschaltet, so verläuft die Drehmomentkurve von
Anfang an steiler und erreicht schon nach 2,4 s, also nach nur der halben Zeit, den
100 %-Wert des Drehmoments. Damit entspricht das Beschleunigungsvermögen
dieses Downsizing-Motors durchaus demjenigen eines leistungsgleichen, aber damit
deutlich größeren und schwereren Saugmotors.
Ende der 1990er Jahre wurde ein möglicher Weg darin gesehen, dem Ladedruck-
defizit von abgasturboaufgeladenen Pkw-Motoren im untersten Drehzahlbereich
und dem entsprechend unbefriedigenden Beschleunigungsverhalten durch einen
elektrischen Zusatzantrieb des Turboladers zu begegnen [45, 46].
Dazu wird der Läufer der elektrischen Maschine zusätzlich zum jeweiligen Lauf-
rad von Verdichter und Turbine in den Turboladerrotor integriert, unmittelbar neben
dem Verdichterlaufrad angeordnet (s. Abb. 10.45). Dieses Verfahren war erst möglich
geworden, weil inzwischen Elektromotoren verfügbar waren, deren Drehzahlbe-
reich in denjenigen von Pkw-Motoren-Turboladern hineinreicht, also mindestens
bis 100000 min−1 .
Für den Betrieb eines euATL in einem Pkw gelten die gleichen, durch das 12 V-
Bordnetz gegebenen, Leistungsobergrenzen wie für den eBooster (s. Abschn. 10.7).
Der euATL weist allerdings gegenüber dem eBooster einen entscheidenden Nachteil
dadurch auf, dass der Läufer der elektrischen Maschine das polare Massenträgheits-
moment des Turboladerlaufzeugs vergrößert. Könnte nämlich in einer bestimmten
Betriebssituation des Motors der Basis-Turbolader, also ohne den Läufer der elektri-
schen Maschine auf seinem Rotor, allein über den momentan vom Motor gelieferten
202 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
Abb. 10.45 Elektrisch unterstützter Abgasturbolader (euATL) für Pkw-Motoren, links von Borg-
Warner Turbo Systems, rechts von Garrett. (Aus [47])
Beim Umblasen von Ladeluft wird, gesteuert und unter Umgehung des Ladeluft-
kühlers und des Motors, ein Teil des vom Lader gelieferten Ladeluftstroms direkt
vor die Turbine geleitet. Dieses ist allerdings nur in Motorbetriebsbereichen mög-
lich, in denen der Ladedruck höher ist als der Druck vor Turbine. Zur Verbesserung
des Beschleunigungsverhaltens kann diese Methode allenfalls dann beitragen, wenn
durch den vermehrten Durchsatz die Betriebspunkte von Lader und Turbine in Berei-
che höheren Wirkungsgrads gelangen. Da dabei der Betriebspunkt im Laderkennfeld
weiter weg von der Pumpgrenze zu liegen kommt (s. Abb. 10.46), ist dieses Verfahren
bislang insbesondere bei mittelschnelllaufenden Großdieselmotoren zur Anwendung
gekommen [49], weil deren Motorbetriebslinie im Laderkennfeld meist relativ nahe
der Pumpgrenze verläuft, Pumpen aber auf alle Fälle zu vermeiden ist.
Da bei hoher Last das Umblasen unnötig bzw. sogar nachteilig und bei sehr
niedriger Last nicht möglich ist, beschränkt sich die Anwendung dieser Methode auf
den mittleren Lastbereich dieser Motoren.
10.11 Zufuhr von fremdverdichteter Luft 203
Zunächst sei festgestellt, dass die Zufuhr fremdverdichteter Luft parallel zum
Turboladerverdichter direkt in die Ladeluftleitung sich bei Zweitakt- und bei
Viertaktmotoren unterschiedlich auswirkt.
In Abb. 10.47 sind die Pumpgrenze sowie die Durchsatzkennlinie (Motorbetriebs-
linie) eines abgasturboaufgeladenen Zweitaktmotors in den Koordinatenachsen des
Laderkennfelds aufgetragen. Abbildung 10.48 zeigt die entsprechende Darstellung
für einen Viertaktmotor, für die Motordrehzahlen nM1 < nM2 < nM3 . Die Strecken
a sollen den vom Turboladerverdichter geförderten Volumenstrom, die Strecken b
204 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
10.11.2 Jet-Assist
Abb. 10.52 Funktionsschema von Jet-Assist, System MAN B&W Diesel. (Aus [53])
10.11 Zufuhr von fremdverdichteter Luft 207
Fremdluft strömt durch die Rückschlagklappe (3) in den Ringkanal (4). Die Bohrun-
gen (6) im Verdichterschadraum sind so angeordnet, dass der Fremdluftstrom fast
senkrecht auf die Verdichterschaufeln trifft. Dadurch gelangt nicht nur zusätzliche
Luft in den Ansaugtrakt des Motors, sondern es wird durch den gerichteten Fremd-
luftstrahl zusätzlich ein Impuls auf das Verdichterrad ausgeübt und der Turbolader
dadurch beschleunigt.
Abbildung 10.53 zeigt, wie sich für einen mittelschnelllaufenden Viertaktdie-
selmotor bei einem Lastsprung von 0 % auf 50 % durch Einsatz von Jet-Assist
der Drehzahleinbruch und auch der Beschleunigungsrußstoß (Opazität) deutlich
verringern lassen.
Die Zufuhr von Fremdluft direkt in die Zylinder setzt allerdings ein zusätzlich
zu den Einlass- und Auslassventilen im Zylinder vorhandenes, gesteuertes Ventil
voraus. Großmotoren, die mit Pressluft angelassen werden, verfügen dazu über ein
Startluft-Ventil im Zylinderkopf, dessen Steuerung zur Übernahme auch dieser Be-
schleunigungsfunktion entsprechend zu modifizieren ist, und zwar derart, dass den
Zylindern während des Kompressionstaktes zusätzliche Luft (Fremdluft) zugeführt
werden kann. Eine frühere Anwendung dieses Verfahrens für einen Dieselmotor im
Generatorbetrieb ist in [54] dokumentiert.
In [55] wird auf der Basis der Motorprozesssimulation für einen Sechszylinder-
Dieselmotor mit 3000 kW Nennleistung die jeweilige Wirkung der Beschleu-
nigungshilfen Drucklufteinblasung über das Startventil und Jet-Assist für eine
Lastaufschaltung von 0 % auf 50 % vergleichend untersucht − Abb. 10.54.
Ohne Beschleunigungshilfe durch Zusatzluft würde demnach die Motordrehzahl
um mehr als 10 % einbrechen und das Verbrennungsluftverhältnis V während 6 s
unter dem Wert V = 1 bleiben. Mit Jet-Assist kann die Beschleunigungszeit des
Motors halbiert werden. Der Rauchstoß zu Beginn der Beschleunigung ist − zu sehen
an V < 1 − jedoch nicht zu vermeiden.
Wird die gleiche Menge Luft hingegen direkt in die Zylinder eingeblasen − durch
jeweiliges Öffnen des Startventils in der Phase 650 − 695 ◦ KW (mit Zünd-OT =
720 ◦ KW) − lässt sich die Beschleunigungszeit des Motors nahezu nochmals hal-
bieren. Da dabei das (berechnete) Verbrennungsluftverhältnis den Wert V = 1,5
nicht unterschreitet, darf von einer praktisch rauchstoßfreien Lastaufschaltung
ausgegangen werden.
10.12 Kombinierte Aufladung 209
Abb. 10.56 Schema der kombinierten Aufladung mit Ladeluftkühlung zum Nfz-Motor MAN
D2566 MK. (Aus [57])
210 10 Maßnahmen zur Verbesserung von . . .
Eine praktische Anwendung fand die kombinierte Aufladung unter anderem beim
Nutzfahrzeugmotor MAN D2566 MK [50, 57]. Abbildung 10.56 zeigt schematisiert
den Luftpfad dieses Motors. Dabei sei besonders auf dieAnordnung des Ladeluftküh-
lers vor dem Rückkühler des Motorkühlwassers hingewiesen. Dass sich dieses relativ
komplexe Einlassleitungssystem durchaus aber kompakt am Motorblock anordnen
lässt, kann Abb. 10.57 bestätigen.
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Kapitel 11
Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der
Abgasenergie
11.1.1 Turbokühlung
Wie in Abschn. 7.4 dargelegt, lässt sich bei gegebenem Aufladegrad (Ladedruck)
durch Ladeluftkühlung die Dichte der Ladeluft erhöhen und darüber die Motorleis-
tung steigern. Die theoretisch erreichbare minimale Ladelufttemperatur ist durch die
Kühlmitteltemperatur gegeben. In der Praxis liegt die Ladelufttemperatur, bei hoher
Motorlast besonders deutlich, oberhalb der Eintrittstemperatur des Kühlmittels in
den Ladeluftkühler.
Der doch sehr starke Einfluss der Ladelufttemperatur auf die Motorleistung,
aber auch auf den Wirkungsgrad des Motors − bei Ottomotoren über ein klopffrei
mögliches höheres Verdichtungsverhältnis –, legt den Gedanken nahe, durch einen
gesonderten Kältekreislauf, der die nach der Turboladerturbine bzw. gegebenenfalls
nach den Modulen zur Abgasnachbehandlung noch verfügbare Abgaswärme nutzt,
das Kühlmittel des Ladeluftkühlers auf eine besonders tiefe Temperatur zu bringen.
In [1] wird über entsprechende Arbeiten zu einem Pkw-Ottomotor berichtet.
Einen anderen Weg, die Ladelufttemperatur auf ein tieferes Niveau zu bringen, als
es bei gegebener Kühlmitteltemperatur durch herkömmliche Ladeluftkühlung mög-
lich ist, bietet die Turbokühlung [2], [3]. Das Schema der Turbokühlung, bei der ein
zweiter Turbolader als so genannte Turbokühlgruppe TK hinter dem Abgasturbolader
mit diesem in Reihe geschaltet ist, geht aus Abb. 11.1 hervor.
Die im ATL-Verdichter verdichtete Luft wird nach Zwischenkühlung im LLK I im
Lader der Turbokühlgruppe TK weiter verdichtet. Dieser Lader wird von der Turbine
der Turbokühlgruppe angetrieben, in der die Luft nach dem Durchströmen des Küh-
lers LLK II expandiert. Das Leistungsgleichgewicht zwischen Lader und Turbine
der (freilaufenden) Turbokühlgruppe bedingt, da sich die Eintrittstemperaturen von
Lader und Turbine nur wenig voneinander unterscheiden, dass das Druckverhältnis
der TK-Turbine erheblich größer ist als das Druckverhältnis des TK-Laders.
Angenommen, der Turboladerwirkungsgrad der Turbokühlgruppe würde 50 %
betragen, so müsste die isentrope Enthalpiedifferenz an der TK-Turbine genau dop-
pelt so groß sein wie diejenige am TK-Lader. Dies erfordert, dass der Druck nach
Abb. 11.1 Turbokühlung, Schaltschema (links) und Zustandsverlauf der Ladeluft (rechts)
dem ATL-Lader (Zustandspunkt 2) erheblich höher liegt als der Ladedruck am Zy-
lindereintritt (Zustandspunkt 6) − s. die schematische Darstellung im h,s-Diagramm
in Abb. 11.1 rechts.
Dieser hohe Druck p2 nach dem ATL-Lader kann wiederum nur durch ein entspre-
chend großes Druckgefälle an der ATL-Turbine erreicht werden, das heißt, durch ein
stärkeres Aufstauen des Abgases im Vergleich zur konventionellen Abgasturboaufla-
dung mit Ladeluftkühlung. Dieses wirkt sich, als Einzeleinfluss gesehen, prinzipiell
ungünstig auf den Motorwirkungsgrad und die Restgasausspülung aus.
Die aus [3] entnommene Abb. 11.2 gibt das Ergebnis eines Rechenbeispiels für
den Einfluss des Turboladerwirkungsgrads auf die Leistungssteigerung pe /pe0 und
11.1 Turbokühlung und Millerverfahren 217
die Änderung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs be /be0 wieder, wobei der zusätz-
liche Index „0“ die Werte des konventionell ladeluftgekühlten aufgeladenen Motors
mit gleichem Ladedruck (Motoreinlassdruck pE = 2,5 bar) und gleichem Verbren-
nungsluftverhältnis (V = 1,7) kennzeichnet. Die Rechnung bezieht sich auf einen
mittelschnelllaufenden Viertaktdieselmotor und beruht auf der Annahme, dass der
Turboladerwirkungsgrad ηTK der Turbokühlgruppe um fünf Prozentpunkte niedriger
ist als der des Abgasturboladers, also ηTK = ηATL − 0,05.
Mit einem Turboladerwirkungsgrad von ηATL = 0,65 lässt sich demnach eine Leis-
tungssteigerung von rund 12 % erzielen, die allerdings mit einer Erhöhung des spe-
zifischen Kraftstoffverbrauchs um etwa 1,7 % verbunden ist. Das Spülgefälle wird
mit pA /pE = 0,98 sehr klein. Abb. 11.2 zeigt jedenfalls klar, dass die Turbokühlung
auf höchstmögliche Turboladerwirkungsgrade angewiesen ist. Da selbst dann der
Nutzen im Vergleich zum (Kosten-)Aufwand sehr gering ist, hat sie keine praktische
Bedeutung erlangt. Auch wenn die Turbokühlung bei Gasmotoren eine größere Wir-
kung zeigen konnte als bei Dieselmotoren [4], wird sie auch da wegen ihres hohen
Bauaufwands vom Millerverfahren (Abschn. 11.1.2) übertroffen.
11.1.2 Millerverfahren
Das auch als Supairthermal-Verfahren bezeichnete, von R. Miller angeregte und auch
verwirklichte Verfahren [5], [6] unterscheidet sich von einem üblichen Aufladever-
fahren durch den variablen Schließzeitpunkt des Einlassventils, welcher damals noch
nicht zu einer möglichen serienmäßigen Ausstattung eines Motors zählte.
Durch Schließen des Einlassventils schon während des Ansaughubs, also schon
vor dem unteren Totpunkt (UT), erfährt die Zylinderladung während des verbliebe-
nen Kolbenhubs bis zum unteren Totpunkt eine Expansion, die neben der Abnahme
des Zylinderdrucks auch mit einer Abnahme der Zylindertemperatur einhergeht. Da-
mit weist zu Beginn des anschließenden Verdichtungshubs die Zylinderladung eine
tiefere Temperatur auf als bei einem konventionellen Schließen des Einlassventils
(nach UT) und gleicher Ladelufttemperatur vor Einlass. Dieser Effekt einer zylinder-
internen Expansionskühlung ist umso größer, je früher das Einlassventil geschlossen
wird. Da bei gegebenem Ladedruck dadurch aber auch die Zylinderladung und
damit die Motorleistung abnimmt, muss der Ladedruck gegenüber dem Wert bei
konventioneller Aufladung entsprechend angehoben werden.
Bei Abgasturboaufladung ist dafür aber auch ein höherer Turbineneintrittsdruck
erforderlich, der sich als Einzeleinfluss ungünstig auf den Motorwirkungsgrad
auswirkt.
In Abb. 11.3 ist der Zustandsverlauf beim Ladedruckaufbau nach dem Mil-
lerverfahren schematisch im h,s-Diagramm und im (idealisierten) p,V-Diagramm
dargestellt. Ins h,s-Diagramm ist, mit * und gestrichelter Linie gekennzeichnet, zum
Vergleich auch der Zustandsverlauf eingetragen, wie er sich bei konventioneller (ein-
stufiger) Aufladung ergeben würde, unter der Annahme, dass in beiden Fällen die
218 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
Abb. 11.4 NOx und be über dem Ladedruckverhältnis bei ein- und zweistufiger Aufladung eines
mittelschnelllaufenden Dieselmotors bei konstanten Werten von Pe , pZmax , V und TAvT . (Aus [8])
Vor dem Hintergrund, dass eine Motorneuentwicklung in der Regel mit einer Leis-
tungssteigerung verbunden sein muss, ist es bei einstufiger Aufladung schwie-
rig, dabei gleichzeitig auf das Millerverfahren überzugehen, weil diese selbst für
gleich bleibende Leistung einen erhöhten Ladedruck verlangt und der mit gutem
Laderwirkungsgrad einstufig darstellbare Ladedruckbereich selbst für konventionel-
le Aufladung dann meist schon weitgehend ausgeschöpft ist. Ganz anders ist die
Situation bei zweistufiger Aufladung. Mit dieser besteht dann noch ein großer Spiel-
raum hinsichtlich der maximal darstellbaren Ladedrücke, so dass alle von (1) bis (4)
genannten Entwicklungswege begangen werden können [7].
Die der Veröffentlichung [8] entnommene Abb. 11.4 zeigt für einen typischen mit-
telschnelllaufenden Dieselmotor den Einfluss des Gesamt-Ladedruckverhältnisses
πL auf den spezifischen Kraftstoffverbrauch be und die NOx −Emission bei ein- und
zweistufiger Aufladung. Dabei gelten jeweils die gleichen Werte für die Leistung,
den maximalen Zylinderdruck, das Verbrennungsluftverhältnis und die Abgastempe-
ratur. Die Ventilsteuerzeiten, insbesondere Einlass-Schließt, sowie der Förderbeginn
wurden als Einstellgrößen benutzt. Unter diesen Bedingungen stellt sich bei ei-
nem Gesamt-Ladedruckverhältnis von πL = 7−8 ein be -Minimum ein. Dieses hohe
Ladedruckverhältnis ist allerdings nur mit zweistufiger Aufladung darstellbar. Für
noch höhere Ladedruckverhältnisse würde zwar die NOx −Emission noch weiter
abnehmen, jedoch der spezifische Kraftstoffverbrauch bereits wieder ansteigen.
Die Hersteller von Großdieselmotoren bieten vielfach bestimmte Typen ihres
Motorenprogramms auch in einer Gasmotorenversion an, in beiden Fällen mitAbgas-
turboaufladung. In der Regel muss dann der Gasmotor mit einer geringeren Leistung
angeboten werden als der Dieselmotor. Im Falle eines Gasottomotors liegt dies vor
allem daran, dass dieser mit einem geringeren Verdichtungsverhältnis als der Die-
selmotor betrieben werden muss, um Klopfen zu vermeiden. Bekanntlich tritt ab
220 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
Abb. 11.5 Ventilhubkurven des Auslassventils und des Einlassventils, mit variablem ES. (Aus [4])
Abb. 11.6 Temperatur TZ und Druck pZ in UT-Nähe bei variablem ES und bei konstantem
Verdichtungsenddruck. (Aus [4])
Abb. 11.9 zeigt für nM = 5600 min−1 , die Nenndrehzahl des Referenzmotors, wie
sich die Volllast-Betriebswerte verändern, wenn unter Konstanthaltung der Zylinder-
füllung und des Verbrennungsluftverhältnisses () das Wastegate (hW ) immer weiter
geschlossen und die Steuerzeit Einlass-Schließt (ϕES ) entsprechend früher gelegt
wird. In dem Maße, in dem dabei die Ladungswechselarbeit (ausgedrückt als Mittel-
druck pm,LW ) günstiger wird, steigt der indizierte Mitteldruck (pmi ) und entsprechend
nimmt auch der indizierte Wirkungsgrad (ηi ) zu.
Für die in Abb. 11.10 im Laderkennfeld eingetragenen drei Motorbetriebslinien,
jeweils für nM = 5600 min−1 ,
KDS + WGK Referenzmotor (Drosselklappen-Steuerung + Wastegate mit Lade-
druckbegrenzung auf p2t p1t = 1,8)
KDS + WGV Drosselklappensteuerung + (Kennfeld-)geregeltes Wastegate
FES + WGK FES (ohne Drosselklappe) + Wastegate mit Ladedruckbegrenzung
auf p2t p1t = 2,3
zeigt Abb. 11.11 die entsprechenden Verläufe des inneren Wirkungsgrads ηi über
dem indizierten Mitteldruck pmi .
11.1 Turbokühlung und Millerverfahren 223
Abb. 11.9 Einfluss von ES auf die Motorbetriebswerte bei konstanten Werten für Zylinderladung,
Drehzahl und Verbrennungsluftverhältnis. (Aus [10])
224 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
Dabei schneidet die Variante FES + WGK am besten ab. Wie weit die in
[10] vorgestellten, im Wesentlichen thermodynamisch begründbaren Vorteile einer
Ladedruck- und Laststeuerung durch FES in der Praxis umgesetzt werden kön-
nen, hängt vor allem davon ab, ob ein Ventiltrieb realisiert werden kann, der zum
einen ein schnell-variables Einlass-Schließen ermöglicht und zum anderen dabei
keine allzu großen Einbußen im mechanischen Wirkungsgrad des Motors nach sich
zieht, welche unter Umständen die thermodynamischen Vorteile wieder aufzehren
würden.
11.2 Turbocompound-Verfahren 225
11.2 Turbocompound-Verfahren
11.2.1 Allgemeines
sich nicht rentierte, zum anderen damit, dass inzwischen die Turboladerwirkungs-
grade deutlich höhere Werte erreicht hatten, eine unbedingte Voraussetzung für das
Turbocompounding.
Dadurch nämlich, dass die Nutzturbine einen Teil der von den Motorzylindern
geliefertenAbgasleistung abzieht, kann die Turboladerturbine den Ladedruck und da-
mit die Leistung des Basismotors nur dann aufrecht erhalten, wenn sie entsprechend
enger ausgelegt wird. Damit steigen einerseits zwar erwartungsgemäß Druck und
Temperatur des Abgases vor der Turboladerturbine, andererseits verschlechtert sich
dadurch aber auch der Ladungswechsel des Motors und damit der allein auf die Mo-
torleistung (ohne NT-Leistung) bezogene Kraftstoffverbrauch. Von der Wirkung her
gesehen, kommt dies der Konfiguration gleich, dass dem gleichen Basismotor zwar
keine Nutzturbine zugeschaltet worden wäre, sich aber der Turboladerwirkungs-
grad seines Turboladers verschlechtert hätte. Nur wenn in der Ausgangssituation
(beim Basismotor) ein entsprechend hohes Turboladerwirkungsgrad-Niveau vorliegt,
kann die von der Nutzturbine gelieferte zusätzliche Nutzleistung die Auswirkung
der dabei verschlechterten Ladungswechselbedingungen des Motors überkompen-
sieren, so dass nicht nur eine Steigerung der Gesamt(nutz)leistung, sondern auch des
Gesamtwirkungsgrads der Motorenanlage erreicht wird.
11.2.2 Mittelschnellläufer
gesamte Nutzleistung (Pe + PNT ) bezogene spezifische Kraftstoffverbrauch be, tot ab-
nimmt. Dass dabei die thermische Belastung des Motors zunimmt, geht unmittelbar
aus dem steigenden Wandwärmeanteil (QW /QW ,0 ) hervor, ist aber auch aus dem
abnehmenden Verbrennungsluftverhältnis (V / V ,0 ) abzuleiten. Zudem steigt die
Abgastemperatur vor Turbine (TAvT ) an.
Die realisierbare Abgasabzweigrate zur Nutzturbine ist allerdings nach oben be-
grenzt, weil mit zunehmender Abzweigung die zugehörige Motorbetriebslinie im
Laderkennfeld immer näher an die Pumpgrenze heranrückt, gemäß dem kleinen
Teilbild in Abb. 11.17 wird bei einer Abgasabzweigrate von 16,9 % die Pumpgren-
ze erreicht. Wird bei Motorlasten Pe ≤ 75 % die Nutzturbine abgeschaltet, so dass
der gesamte Abgasstrom allein die Turboladerturbine beaufschlagt, hat dieses bei
gleicher Motorlast einen erhöhten Ladedruck und damit auch eine Verschiebung der
Motorbetriebslinie in Richtung Pumpgrenze zur Folge. Deshalb kann für den hier
betrachteten Motor maximal ein Abgasteilstrom von 12,7 % zur Nutzturbine geführt
werden.
Welche Motorbetriebswerte sich dabei im Vergleich zum Basismotor einstel-
len, zeigt Abb. 11.18. Den Abschaltpunkt für die Nutzturbine in den Bereich
Pe = 75–70 % zu legen, resultiert aus der Überlegung, dass dann der maximale
Zylinderdruck pmax und damit die mechanische Belastung des Motors in keinem
Betriebspunkt höher liegen als bei Volllast (Pe = 100 %). Allerdings liegt für den
230 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
Turbine wird in zwei Stufen auf 1800 min−1 oder 1500 min−1 an der Abtriebswelle
reduziert [19].
Die mechanische Addition der Nutzturbinenleistung zur Motorleistung ist bei
einer in [20] beschrieben Anlage wie folgt gelöst. Die Nutzturbinenabtriebswelle
treibt über eine Überholkupplung ein Getriebe an, welches die Drehzahl auf die
Kurbelwellendrehzahl reduziert. Zwischen diesem Getriebe und der Kurbelwelle ist
eine hochelastische Kupplung geschaltet, welche Getriebe und Nutzturbine vor der
Ungleichförmigkeit der Kurbelwellendrehzahl schützt. Wegen der im Vergleich zu
den langsamlaufenden Zweitaktdieselmotoren geringeren Leistungen und höheren
Drehzahlen der mittelschnelllaufenden Viertaktdieselmotoren ist für diese nur ein
erheblich kleineres Getriebe erforderlich als für Langsamläufer.
Solche mechanischen Störeinflüsse sind von vornherein ausgeschlossen, wenn die
mechanische Leistung der Nutzturbine über einen elektrischen Generator in elektri-
sche Leistung gewandelt und in dieser Form in das Gesamtsystem eingespeist wird.
Dieses ist besonders naheliegend, wenn der Dieselmotor ohnehin der Stromerzeu-
gung dient, aber auch im Falle eines Dieselmotors als Schiffsantrieb ist zusätzliche
elektrische Leistung unproblematisch in das Bordnetz des Schiffes einzuspeisen.
Dementsprechend wird aktuell die elektrische Einkopplung der Nutzturbinenleis-
tung bei Mittelschnellläufern bevorzugt und bei Langsamläufern ausschließlich
ausgeführt.
232 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
Wie E. Jenny in [21] berichtet, hat SEMT als erste Firma eine BBC-Nutzturbine
an mittelschnelllaufenden Viertaktdieselmotoren eingesetzt [22]. Abbildung 11.20
zeigt dazu gemessene Motorbetriebswerte bei Propellerbetrieb im Vergleich zum
Motor ohne Nutzturbine. Diese Messergebnisse bestätigen hinsichtlich des jewei-
ligen Trends die Aussagen der Studie mit der Motorprozesssimulation [16], man
betrachte dazu Abb. 11.18.
Tab. 11.1 Leistungsdaten zum Nutzturbinen-Programm 2011 von MAN Diesel & Turbo, max. zul.
Temperatur vor Turbine = 550 ◦ C, Abtriebsdrehzahl = 1800/1500 min−1 , schweröltauglich. (Aus
[19])
Max. Leistung (kW) Max. Durchsatz (kg/s) Max. Drehzahl
bei πT = 3,6 bei TAVT = 450 ◦ C min−1
Radialturbine
(TCS-) PTG 18 960 6,7 34 000
(TCS-) PTG 20 1400 9,7 28 000
(TCS-) PTG 22 2420 16,6 21 000
Axialturbine
(TCS-) PTG 55 3650 23,2 16 000
(TCS-) PTG 66 5140 32,7 13 500
11.2 Turbocompound-Verfahren 233
11.2.3 Langsamläufer
auch darauf, dass sie direkt, also ohne Zwischengetriebe, auf den Propeller arbeiten.
Dieser weist bei den Nenndrehzahlen dieser Motoren im Bereich von 100 min−1
und den dabei zu übertragenden hohen Leistungen einen sehr großen Durchmesser
und einen dementsprechend großen Propulsionswirkungsgrad auf. Schließlich zählt
der Schiffspropeller zu den Strömungsmaschinen und deren Wirkungsgrade neh-
men grundsätzlich mit deren Baugröße zu, gleichen Konstruktionsstand natürlich
vorausgesetzt.
Auch die Wirkungsgrade der Turbolader für langsamlaufende Zweitaktdieselmo-
toren konnten in den vergangenen Jahren immer weiter erhöht werden − sie bieten
heute Werte bis zu 72 % − und sind inzwischen höher als zum Aufbau des nöti-
gen Ladedrucks erforderlich. Der mit der Steigerung des Turboladerwirkungsgrads
einhergehende Abfall der Abgastemperatur nach dem Turbolader macht es zuneh-
mend schwieriger, die an Bord eines Schiffes installierten Abwärme-Dampfkessel
mit der erforderlichen Energie zu versorgen. Deshalb wurden auch langsamlaufende
Zweitaktdieselmotoren schon ab Mitte der 1980er Jahre mit Nutzturbinen ausge-
rüstet, die gleichsam einen Teil des Turboladerwirkungsgrads zur Erzeugung der
zusätzlichen Nutzleistung abschöpfen. Diese wurde anfänglich durch mechanische
Übertragung zur Kurbelwellenleistung des Motors addiert. Abbildung 11.21 zeigt
dazu das damalige Konzept der Firma BBC (heute ABB), mit einer zwischengeschal-
teten Kupplung, um den Eintrag von Ungleichförmigkeiten im Wellenstrang von
Kurbelwelle und Propellerwelle in die Nutzturbine zu verhindern. Nach [21] konn-
te damit der Gesamtwirkungsgrad des Motors um 2−5 Prozentpunkte gesteigert
werden.
Aktuell wird die Nutzturbinenleistung bevorzugt zunächst in elektrische Leistung
gewandelt und diese, je nach Einsatzart des Motors, in das jeweilige Stromnetz
eingespeist, sei es dasjenige eines Kraftwerks oder das elektrische Bordnetz eines
Schiffes. Dabei ist die Nutzturbine zusammen mit dem Reduziergetriebe und dem
elektrischem Generator auf einem gemeinsamen Rahmenfundament aufgebaut − s.
Abb. 11.22.
Lässt sich über eine Parallelschaltung einer Nutzturbine zu den Turboladern eines
großen Zweitaktdieselmotors der spezifische Kraftstoffverbrauch bereits um 4−5 %
senken, so kann die Kraftstoffverbrauchsverbesserung bis auf etwa 10 % gestei-
gert werden, wenn die Abgasströme aus den Turboladern und der Nutzturbine noch
zur Erzeugung von Dampf eingesetzt werden, mit dem eine Dampfturbine gespeist
wird, die gemeinsam mit der Nutzturbine auf einen elektrischen Generator arbeitet
[23], [24]. Abbildung 11.23 zeigt ein Schaltschema zu diesem von ABB und Wärt-
silä als Waste-Heat-Recovery (WHR) bezeichneten System [23], welches von MAN
Diesel & Turbo als Thermo Efficiency System (TES) angeboten wird [24]. Abbil-
dung 11.24 zeigt eine von ABB für dieses System angebotene Nutzturbine in axialer
Bauweise.
Mit diesem Abgaswärmenutzungssystem ergibt sich nach [25] für den Motor
Wärtsilä 12 RT-flex 96 T (68,64 MW @ 94 min−1 ) eine Erhöhung des Motorgesamt-
wirkungsgrads von 49,0 % auf 54,9 %, was einer Verbesserung um 12 % entspricht −
s. Abb. 11.25.
11.2 Turbocompound-Verfahren 235
Abb. 11.21 Nutzturbinen-Konzept von BBC (heute ABB) mit mechanischer Einkopplung der
Nutzturbinenleistung. (Aus [21])
MAN Diesel [24] gibt für ihren leistungsgleichen Motor 12 K98 ME/MC
(68,64 MW @ 94 min−1 ), wenn dieser mit dem TES-System ausgerüstet ist, die Er-
höhung des Gesamtwirkungsgrads von 49,1 % auf 54,8 % an, was eine Verbesserung
um 11,6 % bedeutet.
Unter der Annahme eines Kraftstoffpreises von US$ 150/Tonne und eines Be-
triebs des Motors bei 85 % MCR während 280 Tagen im Jahr entspricht diese
Kraftstoffeinsparung rund 1 Mio. US$ pro Jahr [24].
236 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
Abb. 11.22 Nutzturbinen-Generator-Anlage von MAN B&W (heute MAN Diesel & Turbo),
aus [35], aktuelle Leistungsbereiche gem. Tabelle 11.1
Abb. 11.23 Schaltschema des WHR [23]- bzw. TES [24]-Systems. (Aus [23])
11.2.4 Nutzfahrzeugmotoren
überhaupt, nur mit extrem niedrigem Wirkungsgrad möglich ist, so dass sich ein
entsprechendes Turbocompounding ausschließt.
Drei wesentliche Gründe sind dafür zu nennen. Erstens können die Spalte zwi-
schen den Schaufeln und dem Gehäuse einer Strömungsmaschine nicht unter ein
absolutes Mindestmaß verringert werden, was bei einer so sehr kleinen Turbine im-
mer noch sehr große relative Spalte und damit große Spaltverluste bedeuten würde.
238 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
Zweitens wäre das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen einer solch kleinen Tur-
bine sehr groß und demzufolge wären es auch die relativen Wärmeverluste an die
Umgebung. Drittens müssten bei üblichen Laufradumfangsgeschwindigkeiten (bis
500 m/s) so hohe Drehzahlen realisiert werden, dass diese lagertechnisch nur sehr
schwierig zu beherrschen sein dürften, und die Einkopplung der Nutzturbinenleis-
tung in die Kurbelwelle des Motors ein Reduziergetriebe mit einem überaus großen
Übersetzungsverhältnis erforderlich machte. Deshalb kommt für einen Nutzfahr-
zeugmotor nur die Reihenschaltung der Nutzturbine in Frage − Varianten (1) und
(2) in Abb. 11.12.
Weil bei Reihenschaltung auch die Nutzturbine mit dem gesamten vom Motor
gelieferten Abgasmassenstrom beaufschlagt wird, weist die Nutzturbine die glei-
che Größenordnung wie die Turboladerturbine auf und kann auch mit entsprechend
großen Wirkungsgraden arbeiten. Im Hinblick auf das Beschleunigungsverhalten des
Motors ist es vorteilhafter, die Nutzturbine der Turboladerturbine nachzuschalten.
Die Turboladerturbine stellt dabei die Hochdruckturbine dar und ist demzufolge die
kleinere der beiden Turbinen. So kann sie bei Beschleunigung des Motors schneller
hochlaufen und für einen entsprechend schnellen Ladedruckaufbau sorgen.
Die Firma SCANIA brachte 1991 mit ihrem 11 Liter-Motor DTC 12 den ersten seri-
enmäßigen Turbocompound-Motor mit mechanisch gekoppelter Nutzturbine. Dabei
wird von SCANIA eine Nutzturbine in radialer Bauweise verwendet (Abb. 11.26),
während VOLVO (Abb. 11.27) und Detroit Diesel [26] jeweils Nutzturbinen in
axialer Bauweise einsetzen. Letztere sind kompakter als radiale und lassen sich
11.2 Turbocompound-Verfahren 239
durch die Nutzturbine mit bis zu 10 % beziffert [26, 27]. Dies bedeutet für einen LKW
im Fernverkehr, bei einer jährlichen Fahrleistung von 160 000 km und einem durch-
schnittlichen Kraftstoffverbrauch von 35−40 l/100 km, abhängig vom Einsatzprofil,
eine jährliche Kraftstoffeinsparung von mindestens 1700 l.
Diese Angaben aus der Praxis stützen die in [11] veröffentlichten Untersuchungen
auf der Basis der Motorprozesssimulation, die für einen 16 Liter-Nfz-Motor mit
nachgeschalteter Nutzturbine eine Verbrauchseinsparung von bis zu 5 % ergaben −
s. Abb. 11.29.
Unterhalb von pe = 5 bar erhöht sich durch die Nutzturbine der spezifische
Kraftstoffverbrauch, insbesondere im oberen Motordrehzahlbereich. Dies hat sei-
ne Ursache darin, dass durch das feste Übersetzungsverhältnis zwischen Motor- und
Nutzturbinendrehzahl die Nutzturbine in diesem Motordrehzahlbereich zu schnell
dreht und wegen der dabei zu großen Turbinenlaufzahl u/c0 ihr Wirkungsgrad zu
weit abfällt. Dieser Nachteil könnte zwar durch Abschalten der Nutzturbine behoben
werden, jedoch haben in [11] auch durchgeführte Streckenverbrauchsrechnungen
ergeben, dass durch Abschalten der Nutzturbine die maximale Einsparung von 3 %
lediglich auf 3,3 % gesteigert werden kann, so dass dieser technische Mehraufwand
nicht gerechtfertigt ist.
Dass sich mit nachgeschalteter Nutzturbine ganz offensichtlich das Beschleu-
nigungsverhalten des Motors verbessert, weil dessen Turboladerturbine enger
ausgelegt sein muss als diejenige beim leistungsgleichen Betrieb des Motors ohne
Nutzturbine, zeigt Abb. 11.30.
11.3 Hyperbar-Verfahren
war und auch heute noch ist. Um etwa pe = 30 bar, wofür ein Ladedruckverhältnis
von πLges = 6 . . . 7 erforderlich ist, bei einem bis dahin üblichen Verdichtungsver-
hältnis von ε = 11 . . . 12 mit günstigem spezifischem Kraftstoffverbrauch darstel-
len zu können, hätte man einen maximalen Zylinderdruck von pZmax ≈ 200 bar
zulassen müssen. Da die damaligen Motoren hinsichtlich ihrer mechanischen Be-
lastbarkeit aber so ausgelegt waren, dass allenfalls maximale Zylinderdrücke bis
pZmax = 140 . . . 150 bar zulässig waren, musste das Verdichtungsverhältnis auf ε ≈ 7
abgesenkt werden, um dennoch einen ausreichend großen „Zündsprung“ pZmax /pC zu
ermöglichen. Ein derart niedriges Verdichtungsverhältnis bringt jedoch Startschwie-
rigkeiten mit sich, denn beim Startvorgang verhält sich ein abgasturboaufgeladener
Motor nicht anders als ein Saugmotor gleichen Verdichtungsverhältnisses.
Als eine mögliche Lösung des Startproblems und gleichzeitig auch als eine Mög-
lichkeit zur Verbesserung des Beschleunigungs- bzw. Lastannahmeverhaltens bei
solch hohen Aufladegraden entwickelte man damals das Hyperbar-Verfahren −
s. [28, 29] und Abb. 11.31.
Zum Starten des Motors wird zunächst der Elektromotor (2) gestartet und da-
mit der Abgasturbolader, im Falle einer zweistufigen Aufladung der HD-ATL, auf
242 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
eine bestimmte Mindestdrehzahl gebracht. Durch Umblasen der nun vom Lader ge-
lieferten Luft um den Motor (und den Ladeluftkühler (3)), durch Einspritzen von
Kraftstoff in die Brennkammer (8) und dessen Zündung (9) wird der Abgasturbola-
der bei noch stehendem Motor hochgefahren. Beim Anlassen des Motors wird die
vom Lader geförderte Luft unter Umgehung des Ladeluftkühlers den Zylindern des
Motors zugeleitet, ein Teil der Ladeluft wird aber weiterhin umgeblasen. Das aus den
Zylindern abströmende Abgas wird durch Zumischen von Heißgas aus der Brenn-
kammer weiter aufgeheizt, bevor es in die Turbolader-Turbine eintritt. Ab einem
bestimmten Leistungspunkt des Motors kann die Brennkammer abgeschaltet wer-
den, und ab einer bestimmten noch höheren Last wird die Ladeluft vor dem Eintritt
in den Motor durch den Ladeluftkühler geführt.
Die Betriebsstrategie der Hyperbar-Aufladung geht aus dem Motorkennfeld in
Abb. 11.32 hervor, wobei der Betriebspunkt A den Auslegungspunkt darstellt.
I Betrieb nur mit ATL und Zündflamme
II Betrieb mit Umblasen und Brennkammerbetrieb zur Sicherstellung der Selbst-
zündung im Motor
III Betrieb mit Umblasen und Brennkammerbetrieb zur Ermöglichung hoher Wer-
te für Ladedruck und Drehmoment, wie sie für ein gutes Lastannahme- und
Beschleunigungsverhalten erforderlich sind
IV Überlastbereich des Motors
Der wesentliche Nachteil des Hyperbar-Verfahrens ist sein hoher Kraftstoffver-
brauch, und zwar im gesamten Kennfeldbereich und nicht nur bei aktivierter
Brennkammer, allein schon wegen des niedrigen Verdichtungsverhältnisses. Das
Hyperbar-Verfahren kommt daher aktuell nicht mehr zur Anwendung.
11.4 COMPREX-Druckwellenaufladung 243
11.4 COMPREX-Druckwellenaufladung
Die von der Firma BBC (heute ABB) betriebene Entwicklung der als Comprex
bezeichneten Druckwellenmaschine begann in den 1960er Jahren und sollte eine
bessere Alternative zur Aufladung von Fahrzeugdieselmotoren bringen. Durch die
direkte Übertragung der Abgasenergie auf die zu verdichtende Ladeluft sollte ein
verzögerungsfreier Ladedruckaufbau erreicht werden.
Der Wortteil Druckwellen im Begriff Druckwellenmaschine bezieht sich im Üb-
rigen allein auf die gasdynamischen Druckwellenvorgänge innerhalb des Zellenrads
(Abb. 11.33) und nicht etwa auf Druckwellenvorgänge in der Einlass- und der
Auslassleitung des Motors, mit denen der Comprex kommuniziert. Diese Druck-
wellen, insbesondere im Abgas vor dem Comprex, sollten sogar möglichst gering
sein, weshalb die Einlass- und die Auslassleitung des Motors möglichst nach den
Gesichtspunkten der Stauaufladung gestaltet werden sollten.
Die Aufladeeinrichtung Comprex besteht aus einem Zellenrad (s. Abb. 11.33),
mit auf dem Umfang angeordneten, stirnseitig offenen Kanälen. Das Zellenrad ist
in einem Gehäuse gelagert und von einem Mantel berührungsfrei umschlossen. Es
wird über einen Keilriemen vom Motor aus angetrieben. Die Antriebsleistung ist
jedoch gering, ca. 0,2 % der Motorleistung, denn es müssen nur die Lager- und die
Ventilationsverluste überwunden werden. Die Luft- und Abgaskanäle münden an
den Stirnseiten des Gehäuses, und zwar Niederdruckluft NDL und Hochdruckluft
244 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
HDL auf der einen, Hochdruckabgas HDA und Niederdruckabgas NDA auf der
gegenüberliegenden Stirnseite.
Die Energie zur Verdichtung der Aufladeluft wird dem Auspuffgas entnommen.
Der Verdichtungs- und der Entspannungsprozess vollziehen sich unter dem Einfluss
von Druck- und Saugwellen in den Zellen (Kanälen) des Zellenrads, die sich an den
feststehenden Zu- und Abführungskanälen für die beiden Strömungsmedien vorbei
bewegen. Die Vorgänge innerhalb des Zellenrads lassen sich am besten anhand der
Abwicklung des Zellenradumfangs erklären, Abb. 11.34, die der BBC-Druckschrift
SK-TLT 55057/1D entnommen ist. Die Zu- und Abführkanäle des stillstehenden
Gehäuses sind eingezeichnet.
Der gasdynamische Zyklus beginnt in der Darstellung unten, bei 1 – der dort
eingetragene Pfeil gibt die Umlaufrichtung des Zellenrads an. Die an dieser Stelle
ankommenden Zellen sind mit Frischluft von Atmosphärendruck gefüllt, durch die
dicken senkrechten Striche soll angezeigt werden, dass sich das Gas an dieser Stelle
in Ruhe befindet. Die Auspuffgase vom Motor M werden in dem Abgasaufnehmer A
gesammelt und strömen dann mit (weitgehend) konstantem Druck bei HDA dem Zel-
lenrad zu. Sobald durch die Drehung des Zellenrads eine mit Luft niedrigen Drucks
gefüllte Zelle mit dem Hochdruckabgaskanal (HDA) in Verbindung gebracht wird,
läuft eine Druckwelle mit Schallgeschwindigkeit in diese Zelle hinein, verdichtet
die darin befindliche Luft und beschleunigt sie in Richtung Hochdruckluftaustritts-
öffnung (HDL). Hinter der Druckwelle strömt Hochdruckabgas in die Zelle ein, mit
11.4 COMPREX-Druckwellenaufladung 245
Der so entwickelte Comprex (Abb. 11.36) ermöglichte dann auch im Einsatz bei
Fahrzeugdieselmotoren den angestrebten Drehmomentverlauf − hohes (stationäres)
Drehmoment im unteren Drehzahlbereich und insbesondere schnelles Erreichen
des Volllast-Drehmoments bei hoher plötzlicher Lastaufschaltung oder schlagartiger
Volllastbeschleunigung eines Fahrzeugs − s. Abb. 11.37. Ab 1985 wurde der Com-
prex für kurze Zeit im 2,3 l-Dieselmotor des Opel Senator serienmäßig eingesetzt,
auch in einem Traktor der finnischen Firma Valmet Oy.
Viele weitere Fahrzeugdieselmotoren-Hersteller erprobten in den 1980er Jahren
den Comprex und konnten dessen aufladetechnische Qualitäten auch bestätigen, doch
blieb der serienmäßige Einsatz dann aber doch aus. Die Firma ABB, in welcher BBC
inzwischen mit ASEA aufgegangen war, verkaufte die Rechte am Comprex an die
Firma Mazda, die von 1988–1996 einen 2,0 l-Dieselmotor mit Comprex-Aufladung
in ihrem Diesel-Pkw Mazda 626 einbaute.
Abb. 11.38 Volllastkurven zum effektiven Mitteldruck und zum Spülgefälle eines 1,0 l-
Vierzylinder-Ottomotors bei Hyprex- und bei ATL-Aufladung, DWL Druckwellenlader. (Nach [32])
Was sind die Gründe, dass sich der Comprex nicht in einer breiten Serienan-
wendung neben dem Abgasturbolader behaupten oder womöglich gar gegen diesen
durchsetzen konnte?
• Er ist relativ schwierig auf einen Motor abzustimmen, was die Entwicklung sehr
teuer und aufwändig macht.
• Er ist gegendruckempfindlich auf der Saug- und der Abgasseite, so dass Luftfilter,
Partikelfilter und Oxidationskatalysator die Comprex-Funktion beeinträchtigen
können.
• Er hat ein größeres Bauvolumen und ist schwerer als ein Turbolader für gleiche
Motorleistung. Er kann daher nicht so flexibel an den Motor angebaut werden
wie ein Turbolader, der ohne eine gesonderte Konsole auskommt und einfach an
die Abgasleitung angeflanscht werden kann. Auch der erforderliche Antrieb des
Zellenrades durch den Motor schränkt die Freiheit der Einbaulage im Motorraum
ein.
• Höhere Herstellkosten als für einen vergleichbaren Turbolader
Hyprex − Druckwellenlader für Ottomotoren Inzwischen wird ein neuartiger,
vom Comprex abgeleiteter Druckwellenlader unter dem Namen Hyprex zur Hoch-
aufladung von Pkw-Ottomotoren erprobt, der von seinen Entwicklern als mögliche
Alternative zur geregelten zweistufigen Aufladung gesehen wird [32]. Er wird nicht
per Keilriemen vom Motor angetrieben, sondern über einen im Aufladeaggregat in-
tegrierten Elektromotor. Abb. 11.38 zeigt dazu die Volllastkurven für den effektiven
Mitteldruck und das Spüldruckgefälle p2 −p3 über der Motordrehzahl, jeweils für
dieATL-aufgeladeneAusgangsversion und beiAufladung mit dem Druckwellenlader
(DWL) Hyprex.
11.5 Turbobrake 249
Das extrem hohe Low-end-torque ermöglicht den in Abb. 11.39 gezeigten schnel-
len Ladedruckaufbau bei einem Lastsprung aus 20 Nm bei 1500 min−1 , bei dem
der Hyprex-aufgeladene Motor nach 1 s bereits den 1,5fachen Ladedruck des
ATL-aufgeladenen Motors erreichte.
11.5 Turbobrake
Abb. 11.40 Turbobrake, Prinzipschaltbild (links) und p,V-Diagramm des Motors im Bremsbetrieb
(rechts). (Aus [34])
250 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
Zur Aktivierung der Turbobrake wird außer der Abschaltung der Kraftstoffein-
spritzung und der Öffnung der Konstantdrossel nun vor allem ein Leitschaufelgitter in
Form einer axialen Schieberhülse (Axialschieber mit Turbobremsgitter inAbb. 11.42)
über das Turbinenlaufrad geschoben (Abb. 11.41).
Dieses Brems-Leitgitter verengt den Düsenquerschnitt der Turbine auf ca. 20 %
des Ausgangswerts. Dadurch wird das Abgas aus dem Motor − es besteht während
der Bremsphase praktisch nur aus Luft − vor der Turbine hoch aufgestaut und tritt mit
hoher Geschwindigkeit in das Turbinenlaufrad ein. Die Turbine bringt den Turbolader
dadurch auf eine sehr hohe Drehzahl, wodurch der Ladedruck und damit auch der
Zylinderdruck bei Kompressionsbeginn einen Wert > 2 bar annehmen.
Während des Kompressionshubs steigt der Zylinderdruck entsprechend auch auf
relativ hohe Werte, die dafür vom Motor aufzubringende Kompressionsarbeit wirkt
als Bremsarbeit. Dass die im nachfolgenden Expansionshub frei werdende Expan-
sionsarbeit − sie wirkt beschleunigend und nicht bremsend − betragsmäßig kleiner
ausfällt als die Kompressionsarbeit, dafür sorgt die während des Expansionshubs
über die Konstantdrossel abströmende Zylindergasmenge. Während des anschlie-
ßenden Ausschiebehubs wird die restliche Zylinderladung über die Auslassventile
und die Kostantdrossel in die Auslassleitung geschoben. Auf diese Weise ergibt sich
im p,V-Diagramm des Motors sowohl aus der Hochdruckschleife als auch aus der
Ladungswechselschleife jeweils eine negative Arbeit, die beide als Bremsarbeit zur
Verfügung stehen (Abb. 11.40).
Für die Formung der Motorbremsleistungslinie und für die Regelung der Motor-
bremsleistung, z. B. für die Tempomatfunktion des Fahrzeugs, wird eine Abblasevor-
richtung benötigt. Da im Motorbremsbetrieb hohe Druckpulsationen, mit Drücken
bis zu 12 bar, auftreten können, sind übliche Wastegate-Ventile nicht geeignet, die
daraus resultierenden hohen mechanischen Beanspruchungen in der Bremsphase
über längere Zeit ohne Schaden zu ertragen [34]. Wie dies aus Abb. 11.42 zu erse-
hen ist, wird diese Abblasefunktion von einem in das Turbinengehäuse integrierten
Abgas-Drehschieber übernommen.
Welch deutlich höhere spezifische Bremsleistung (in kW Bremsleistung je Liter
Motorhubvolumen) mit der Turbobrake im Vergleich zur Stauklappe, einer Mo-
torbremse, die in der Abgasleitung hinter der Turboladerturbine angeordnet wird,
erreicht werden kann, zeigt Abb. 11.43.
252 11 Besondere Aufladeverfahren unter Nutzung der Abgasenergie
In [34] wird auch der mögliche Einsatz einer VTG-Turbine als Turbobrake unter-
sucht, die an sich ja bereits ein verstellbares Leitgitter aufweist. Sie wird wegen ihrer
Komplexität, der höheren Kosten, dem Wirkungsgrad und wegen der problemati-
schen Dauerhaltbarkeit jedoch als zweitrangig hinter der Turbine mit einschiebbarem
Bremsgitter gesehen.
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Kapitel 12
Ladeluftkühlung und Ladeluftkühler
12.1 Grundlagen
Das Hauptziel der Aufladung, dem Motor Luft von gegenüber der Umgebungsluft
erhöhter Dichte zuzuführen, um damit entsprechend mehr Kraftstoff umsetzen und
dadurch die Leistungsdichte des Motors steigern zu können, wird in erster Linie über
die Erhöhung des Drucks der Luft erreicht. Da die Druckerhöhung im Lader aber
auch mit einer, wenn auch unterproportionalen, Temperaturerhöhung verbunden ist,
nimmt die Dichte ρ gemäß
p
ρ= (12.1)
R·T
geringer zu als der Druck.
Wie in Abb. 12.1 veranschaulicht, steigt in einem adiabaten Lader, ausgehend
vom Zustand p1 , T1 , bei einer Druckerhöhung auf den Druck p2 die Temperatur im
Idealfall (Isentrope) von T1 auf T2S , im Realfall (Polytrope) von T1 auf T2 − s. Gl.
(7.31).
Durch isobare Rückkühlung (bei p2 = const.) der Ladeluft vom Zustand 2
zum Zustand L, die Ladeluftkühlung, lässt sich die Dichte der Ladeluft weiter
steigern. Wie weit sich die Ladelufttemperatur im Ladeluftkühler absenken lässt
(TL, LLK ), hängt primär vom Temperaturniveau des Kühlmediums und zudem vom
Wirkungsgrad ηLLK des Ladeluftkühlers ab.
Die Vorteile der Ladeluftkühlung für alle Arten von aufgeladenen Motoren sind
in Abschn. 7.4 bereits dargelegt.
Der Ladeluftkühler ist ein rekuperativer Wärmetauscher, das heißt, die zu küh-
lende Ladeluft (Index L) und das Kühlmittel (Index K) werden, durch eine Wand
getrennt, aneinander vorbeigeführt und tauschen über diese Wand Wärme aus. Die
Austauschrichting verläuft immer vom heißeren zum kälteren Medium.
Für eine auf beiden Seiten glatte Wand gilt folgender Zusammenhang:
Der von der Ladeluft an ein Wandflächenelement AW abgegebene Wärmestrom
mit
T L Temperatur der Ladeluft, in K
T W,L ladeluftseitige Wandtemperatur, in K
αL ladeluftseitiger konvektiver Wärmeübergangskoeffizient, in W/(m2 · K),
der durch das Wandflächenelement AW , von der Wandstärke s (in m), durch
Wärmeleitung transportierte Wärmestrom
Q̇2 = · AW · (TW ,L − TW ,K ) in W, (12.3)
s
mit
T W,K kühlmittelseitige Wandtemperatur, in K
Wärmeleitzahl des Wandwerkstoffs, in W/(m · K)
sowie der vom Wandflächenelement AW an das Kühlmittel abgegebene Wärme-
strom
12.2 Ladeluftkühler-Bauarten
Rundrohr-Kühler Der Kühlerblock (Abb. 12.6) besteht aus einer Vielzahl von Rip-
penblechen, die von Rundrohren durchdrungen werden. Die Rundrohre sind mit den
Rippenblechen wärmeleitend verbunden, heute bevorzugt durch kraftschlüssiges und
dichtes Einwalzen (s. Teilbild rechts oben). Die Rundrohre weisen Außendurchmes-
ser zwischen 10 mm und 16 mm auf und sind aus CuZn-Legierungen oder rostfreiem
Stahl für geschlossene Kühlsysteme, aus CuNi10Fe für offene Kühlsysteme. Die
12.2 Ladeluftkühler-Bauarten 261
etwa 0,10 mm dicken Rippenbleche sind aus Kupfer. Die Gehäuseteile des Block-
kühlers (Abb. 12.7) werden, je nach Einsatzfall, aus unterschiedlichen Werkstoffen
gefertigt.
Flachrohr-Kühler Flachrohre als kühlwasserführende Kanäle verursachen wegen
ihrer strömungsgünstigen Form geringere Druckverluste auf der Ladeluftseite und
können daher dichter berippt werden. Sie lassen sich aber nur für geschlossene
Kühlsysteme einsetzen, weil die relativ engen Rohrkanäle sich sehr schnell zusetzen
würden, wenn verschmutztes Wasser durchgesetzt würde.
Flachrohr-Kühler gibt es in zwei Bauformen. Bei der Flachrohr/Lamellen-
Bauform (Abb. 12.8) sind die (wasserführenden) Rohre mit den Luftlamellen, den
Seitenteilen und den Rohrböden durch Verlöten verbunden. Diese Bauform erfordert
spezielle Stanzwerkzeuge, die nur bei großen Stückzahlen gerechtfertigt sind.
Bei der Stab/Platte-Bauform (Abb. 12.9) besteht der komplett hartverlötete Küh-
lerblock aus Blechen, Stäben und Stützlamellen, welche die Wasserkanäle führen,
und aus den luftseitigen Lamellen und Seitenwänden. An den Blockenden wer-
den Wassersammelkästen angeschweißt. Diese Bauform ist für kleine bis mittlere
Stückzahlen geeignet, da dafür keine Spezialwerkzeuge erforderlich sind.
262 12 Ladeluftkühlung und Ladeluftkühler
Mit Luft als Kühlmittel strömt, im Gegensatz zur Wasserkühlung, die Ladeluft
durch die Flachrohre, die nun aber berippt sind. Zwischen den Flachrohren sind
Kühlluftlamellen angeordnet – Abb. 12.10 und 12.11.
Die Luftsammelkästen bestehen aus Aluminiumguss oder Aluminiumblech, für
Pkw-Motoren auch aus Kunststoff, sofern die Ladelufttemperatur unterhalb von
190 ◦ C bleibt [3]. Abbildung 12.12 und 12.13 zeigen Ladeluftkühler-Systeme, bei
denen die Ladeluftkühler jeweils mit Luftsammelkästen aus Kunststoff ausgerüstet
sind.
12.3 Ladeluftkühlsysteme 263
12.3 Ladeluftkühlsysteme
Abb. 12.12 Ladeluft/Luft-Ladeluftkühlung mit zwei parallel geschalteten LLK bei einem Pkw-
Motor, Motor Audi 3,0 l V6-TDI. (Quelle: AUDI AG [4])
Abb. 12.13 Ladeluftsystem des Pkw-Dieselmotors Audi 3,0 l V6-TDI. (Quelle: AUDI AG [5])
Der vom Lader beim rechten LLK eintreffende Ladeluft-Gesamtstrom wird nur
zur Hälfte durch diesen Ladeluftkühler geschickt, die andere Hälfte über einen By-
pass um den (rechten) Ladeluftkühler herumgeleitet und dem linken LLK zugeführt.
Der im rechten LLK gekühlte Ladeluft-Teilstrom wird in einem Bypass um den lin-
ken LLK herumgeleitet und zusammen mit dessen gekühltem Teilstrom schließlich
als gekühlter Ladeluft-Gesamtstrom dem Motor-Einlass zugeführt.
In einer Weiterentwicklung des Motortyps, auf den sich Abb. 12.12 bezieht, wurde
dessen Luftpfad, der nach wie vor zwei parallel geschaltete Ladeluftkühler enthält,
um einen Bypass, der die Ladeluftkühler gänzlich umgeht, ergänzt – s. Abb. 12.13
aus [5].
Ein über Klappen gesteuerter Ladeluft-Mischer ermöglicht ein kontinuierlich ver-
stellbares Mischungsverhältnis von kalter Luft aus den beiden Ladeluftkühlern und
warmer Luft vom Ladeluft-Bypass. Damit lässt sich die Temperatur der den Zylin-
dern zugeführten Luft, ein wichtiger Parameter für eine emissions- und verbrauchs-
arme Verbrennung, kennfeldabhängig auf den gewünschten Sollwert einregeln.
Bei indirekter Ladeluftkühlung eines Pkw-Motors, durch einen Ladeluft/Wasser/
Luft-Ladeluftkühler, kann der (primäre) Ladeluftkühler unmittelbar hinter dem La-
der und damit ganz motornah angeordnet werden. Aufgrund des Kühlmittels Wasser
– es besitzt einen wesentlich höheren Wärmeübergangskoeffizienten als die Luft –
lässt sich dieser Ladeluftkühler zudem mit relativ kleinen Abmessungen darstellen
– s. Abb. 12.14.
Der Rückkühler des Ladeluftkühler-Wasserkreislaufs entspricht hinsichtlich Ar-
beitsprinzip und Bauform dem Motorkühlwasser-Rückkühler und wird in der Regel
vor diesem angeordnet – s. Abb. 12.15.
In der Umgebungsluft ist immer ein mehr oder weniger großer Anteil an Was-
ser(dampf) gelöst. Meist wird dazu die relative Feuchte ϕ angegeben, das Ver-
hältnis des tatsächlich in der Luft vorhandenen Wasser(dampf)-Anteils zu dem bei
266 12 Ladeluftkühlung und Ladeluftkühler
gegebenen Werten von Druck und Temperatur maximal möglichen Anteil, dem Sät-
tigungszustand ϕ = 1,0. Die bei diesem Druck gegebene Temperatur stellt die ihm
zugehörige Taupunkttemperatur dar. Wird die Luft, von diesem Zustand ausgehend,
abgekühlt, also die Taupunkttemperatur unterschritten, kondensiert ein Teil des zu-
vor in der Luft noch gelösten Wasserdampfs und fällt als (flüssiges) Wasser aus.
Welche Rolle dieses Phänomen bei der Ladeluftkühlung spielt, kann Abb. 12.16
verdeutlichen.
Das in Abb. 12.16 angegebene Zahlenbeispiel könnte für den Motor eines seege-
henden Schiffes gelten, welches in einer tropischen Region unterwegs ist. Bei den
Werten T1 = 35 ◦ C, p1 = 1 bar (Meereshöhe!) und ϕ = 0,8 für die vom Verdichter
angesaugte Luft beträgt die absolute Feuchte x = 0, 03 kg Wasser/kg Luft. Wird
diese Luft auf den Ladedruck p2 = 3,0 bar verdichtet, beträgt die Taupunkttem-
peratur Tt = 51,5 ◦ C. Die Ladelufttemperatur nach Verdichter, die bei ηsL = 0,85
den Wert T2 = 223 ◦ C betragen würde, darf demnach im Ladeluftkühler nicht unter
den Wert Tt = 51,5 ◦ C abgekühlt werden, wenn das Ausfallen von Kondenswasser
vermieden werden soll. Die Taupunkttemperatur Tt der Luft am Verdichteraustritt
liegt umso höher, je höher die Temperatur T1 und die relative Feuchte ϕ der Luft am
Verdichtereintritt und der Ladedruck sind.
Ein zweites Zahlenbeispiel soll zeigen, welch große Kondenswassermengen bei
Unterschreiten der Taupunkttemperatur im Ladeluftkühler ausfallen können.
Bei p1 = 1 bar, T1 = 40 ◦ C und ϕ = 0,8 für die Luft vor Verdichter beträgt die
absolute Feuchte x = 0,04 kg Wasser/kg Luft. Wird diese Luft auf den Ladedruck
p2 = 3,4 bar verdichtet, beträgt die Taupunkttemperatur Tt = 60 ◦ C. Wird die
Ladeluft im Ladeluftkühler auf 55 ◦ C abgekühlt, also die Taupunkttemperatur um
12.4 Taupunktunterschreitung im Ladeluftkühler 267
Abb. 12.16 Diagramm zur Bestimmung der Taupunkttemperatur der Ladeluft nach Verdichter
5 K unterschritten, kann die Luft nur noch maximal 0,03 kg Wasser/kg Luft, als
Wasserdampf gelöst, halten. Die Differenz Δx = 0,01 kg Wasser/kg Luft wird als
Wasser ausgeschieden.
Angenommen, es handelte sich dabei um einen mittelschnelllaufenden Die-
selmotor, der mit einer Leistung von Pe = 10 000 kW und einem spezifischen
Luftverbrauch von le = 7,5 kg/kWh unterwegs ist, so würden im Ladeluftkühler
dieses Motors 750 l/h an Kondenswasser anfallen. Dieses darf jedoch auf keinen Fall
in die Zylinder des Motors gelangen, weil es dort den Schmierfilm auf der Zylin-
derlauffläche teilweise zerstören würde, was lokale Festkörperreibung mit erhöhtem
Verschleiß nach sich ziehen würde.
Letzteres lässt sich über zwei mögliche Wege vermeiden. Der erste besteht darin,
das im Ladeluftkühler anfallende und vom Ladeluftstrom mitgerissene Wasser über
ein so genanntes Abscheidegitter abzuscheiden. Dieses ist ein Schaufelgitter, welches
die wasserbeladene Luft so stark umlenkt, dass nur die Luft dieser Umlenkrichtung
folgen kann, nicht jedoch das Wasser, welches dann gesondert abgeführt werden
268 12 Ladeluftkühlung und Ladeluftkühler
kann. So könnte immer eine für den Motorprozess günstige (niedrige) Ladelufttem-
peratur gefahren werden, unabhängig davon, ob dieses Schiff gerade in tropischem
oder arktischem Gewässer unterwegs ist, was auf ein und derselben Reise der Fall
sein kann.
Der andere Weg besteht darin, die Ladeluftkühlung abhängig vom Außenkli-
ma so zu regeln, dass die Ladelufttemperatur nie die jeweilige Taupunkttemperatur
unterschreitet. Die von Großdieselmotoren heute gefahrenen Ladedrücke gehen teil-
weise schon über 4 bar hinaus, so dass dem möglichen Kondenswasserausfall im
Ladeluftkühler vermehrt Bedeutung zukommt.
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Motorentechnik
Kapitel 13
Sonderfragen der Aufladung
Wird die Nennleistung eines gegebenen Motors gesteigert, sei es über den effektiven
Mitteldruck pe oder über die Drehzahl nM , so steigt in beiden Fällen sowohl die
mechanische als auch die thermische Belastung des Motors.
Bei einer pe -Steigerung (durch Aufladung) und nM = const. steigen mit dem La-
dedruck das Zylinderdruckniveau und insbesondere der maximale Zylinderdruck
pZmax und dadurch die mechanische Belastung. Durch die damit einhergehende hö-
here Wärmestromdichte an die Zylinderwandungen erhöht sich auch die thermische
Belastung des Motors.
Bei einer nM -Steigerung und pe = const. nehmen die freien Massenkräfte des
Motors (∼ n2M ) und damit seine mechanische Belastung zu. Dass dabei auch sei-
ne thermische Belastung steigt, hängt damit zusammen, dass wegen pe = const.
zwar die je Arbeitsspiel in die Zylinderwände einfallende Wärme ungefähr gleich
bleibt, wegen der erhöhten Drehzahl aber innerhalb einer bestimmten Zeitspan-
ne mehr Arbeitsspiele ablaufen. Zudem nimmt aber auch die je Arbeitsspiel in
die Zylinderwände eingetragene Wärme leicht zu, weil gem. Gl. (8.6) der Wär-
meübergangskoeffizient αZ über die mit nM proportional ansteigende mittlere
Kolbengeschwindigkeit cm anwächst.
Mechanische Belastung Durch eine pe -Erhöhung, wie sie über Aufladung möglich
ist, steigen für einen gegebenen Motor die mechanischen Bauteilspannungen. Da-
mit diese ein zulässiges Maß nicht überschreiten, müssen bestimmte Bauteile, wie
Zylinder- und Gehäusewandstärken, Triebwerkslager und Triebwerkskomponenten,
insbesondere die Kurbelwelle, auf ihre Festigkeit überprüft und gegebenenfalls ver-
stärkt werden. Dieses kann aber trotz nM = const. zu einer gewissen Erhöhung der
Massenkräfte führen, die dann auch zusätzlich zur pe -Anhebung zu berücksichtigen
ist. Für solche Festigkeitsuntersuchungen und auch zur Lagerauslegung stehen heute
sehr zuverlässige Programmsysteme zur Verfügung.
Es ist aber erwiesen, dass selbst unter der Voraussetzung eines konstanten
Verdichtungsverhältnisses und des damit verbundenen Anstiegs des maximalen
T = TZ − TW (13.2)
T ≈ TZ
274 13 Sonderfragen der Aufladung
angenommen werden kann, lässt sich die Gleichung für die Wärmestromdichte q
q ∼ α · (TZ − TW ) (13.3)
vereinfachen zu
q ∼ α · TZ . (13.4)
q ∼ TZ 0,5
Bei Saugmotoren kann man in erster Näherung davon ausgehen, dass unter Kon-
stanthaltung von Drehzahl und Verbrennungsluftverhältnis der indizierte Volllast-
Mitteldruck und damit auch die entsprechende indizierte Motorleistung der Dichte
ρu der angesaugten Umgebungsluft proportional sind – Gl. (13.8).
ρu pu Tu,0
(Pi )theor = Pi,0 · = Pi,0 · · . (13.8)
ρu,0 pu,0 Tu
In Gl. (13.8) stehen pu und T u für den Druck bzw. die Temperatur der Umgebungsluft,
der Zusatzindex „0“ steht für den Referenzzustand.
13.2 Motorbetrieb in großer Höhe (Höhenleistung) 275
Da die Umgebungsluft aber immer mehr oder weniger viel Wasserdampf enthält
(Luftfeuchtigkeit), müsste zur genauen Berechnung der Luft-Ladungsmenge der
Umgebungsdruck pu um den aktuellen Partialdruck des Wasserdampfes vermindert
werden. Kann man in der Praxis den Einfluss der Luftfeuchtigkeit in den überwie-
genden Fällen dennoch vernachlässigen, so sollte jedoch das Verhältnis T u,0 /T u in
Gl. (13.8) mit dem empirischen Exponenten 0,7 berücksichtigt werden, so dass Gl.
(13.8) übergeht in
pu Tu,0 0,7
Pi = Pi,0 · · . (13.9)
pu,0 Tu
Der Exponent 0,7 trägt der Tatsache Rechnung, dass die dem Zylinder zuströmende
Luft von der im Allgemeinen heißeren Einlasskanalwand aufgeheizt wird, was sich
liefergradmindernd auswirkt. Wenn die Umgebungstemperatur T u gegenüber T u,0
steigt, verringert sich das Temperaturgefälle zur Einlasskanalwand, die einströmende
Luft wird weniger aufgeheizt und es tritt weniger Liefergradminderung ein. Das
Umgekehrte gilt für ein Absinken der Umgebungstemperatur gegenüber T u,0 .
Die wohl stärkste Minderung der Saugmotor-Ladungsmenge ergibt sich, wenn
der Motor nicht unter Normalbedingungen, sondern in großer geodätischer Höhe
betrieben wird. So liegen in 3000 m Höhe der Luftdruck nur noch bei rund 70 %
und die Luftdichte bei rund 74 % des jeweiligen Wertes in Meereshöhe. Tabelle 13.1
zeigt entsprechende Werte, wie sie mit der
Internationalen Höhenformel
0,0065 · h 5,255
p(h) = 1013,25 1 − in hPa (13.10)
288,15
berechnet werden können. Dabei ist die geodätische Höhe h in m einzugeben und es
gilt die
Internationale Standardatmosphäre
15 ◦ C = 288,15 K
1013,25 kPa
als Referenzzustand. Die Formel ist bis 11 km Höhe gültig. Der Temperatureinfluss
ist nach dem empirischen Zusammenhang berücksichtigt, dass bei einer Zunahme
der geodätischen Höhe um 100 m sich die Lufttemperatur um 0,65 K verringert.
276 13 Sonderfragen der Aufladung
Darin bedeuten
p Luftdruck in der gegebenen Höhe
p0 Luftdruck in der Referenzhöhe
z Höhenintervall zur Referenzhöhe, in m
R Gaskonstante der Luft, mit 287 J/(kg·K)
g Schwerebeschleunigung der Erde, in m/s2
Tm Mittelwert aus den Lufttemperaturen bei gegebener Höhe und bei Referenzhöhe,
in K
Während Saugmotoren in 3000 m Höhe entsprechend der um rund 30 % geringeren
Außenluftdichte auch etwa 30 % in ihrer Maximalleistung gegenüber dem Betrieb
in Meereshöhe einbüßen – das Gleiche gilt für mechanisch aufgeladene Motoren
mit festem Übersetzungsverhältnis zwischen Lader- und Motordrehzahl – fällt die
Leistungsabnahme bei abgasturboaufgeladenen Motoren deutlich geringer aus.
Wird ein Motor, dessen Turbolader für den Betrieb bei Normzustand der Um-
gebungsluft ausgelegt ist, in größerer Höhe betrieben, so reagiert der Turbolader
wie folgt. Wegen des geringeren Umgebungsdrucks und damit auch kleineren
Turbinengegendrucks p4 vergrößert sich das Turbinendruckverhältnis. Mit der da-
durch ansteigenden Turbinenleistung erhöhen sich die Turboladerdrehzahl und damit
auch auch das Verdichterdruckverhältnis. Dadurch kann trotz des geringeren Ver-
dichtereintrittsdrucks der (absolute) Ladedruck einen Wert nahe demjenigen bei
Normzustand erreichen.
Abbildung 13.6 zeigt dies am Beispiel eines aufgeladenen Pkw-Ottomotors
[2]. Bei nM = 6000 min−1 beträgt das Laderdruckverhältnis im Normalbetrieb
p2 /p1 = 1,9. Damit in 2500 m Höhe – der Außenluftdruck ist auf das 0,73 fache gesun-
ken, dieAußenluftdichte auf das 0,78 fache – die gleiche Ladeluftdichte erreicht wird,
müsste das Laderdruckverhältnis auf etwa p2 /p1 = 2,4 steigen. Tatsächlich steigt es
im vorliegenden Fall nur auf p2 /p1 = 2,2, was einem Ladedruckdefizit von rund 8 %
entspricht. Das damit verbundene Defizit in der Motorleistung fällt mit ebenfalls
rund 8 % aber dennoch deutlich geringer aus als bei einem nennleistungsgleichen
Saugmotor, dessen Leistungsdefizit gem. Gl. (13.9) rund 23 % betragen würde.
Wie schon im Beispiel gem. Abb. 13.6 deutlich wird, nimmt bei einem Motor, des-
sen Turbolader für den Motorbetrieb bei Normbedingungen ausgelegt ist, bei Betrieb
in größerer Höhe die Turboladerdrehzahl zu und muss gegen die Überschreitung ei-
nes zulässigen Grenzwerts abgesichert werden. Weitere Grenzbedingungen können,
je nach Motorart, bestehen in der Höhe der Abgastemperatur (mit Rücksicht auf die
thermische Beanspruchung der Auslassventile oder der Turbinenschaufeln) oder der
thermischen Belastung der brennraumbegrenzenden Bauteile. Im Falle eines Die-
selmotors darf zudem das Verbrennungsluftverhältnis eine bestimmte untere Grenze
nicht unterschreiten, um eine unzulässig hohe Rußemission zu vermeiden. Dieses
13.2 Motorbetrieb in großer Höhe (Höhenleistung) 277
Abb. 13.7 Höhenprüfstand im EVZ der BMW Group. (Quelle: BMW AG)
13.3.1 Allgemeines
K und genügendem Anteil freien Sauerstoffs, wie dies bei der dieselmotorischen
Diffusionsverbrennung gegeben ist. Motorinterne Gegenmaßnahmen bestehen in
einem in Richtung „spät“ Verschieben der Verbrennung, einer Vergrößerung des
Verbrennungsluftverhältnisses – beide Maßnahmen senken das Temperaturniveau
während der Verbrennungsphase – und vor allem in einer (partiellen) Abgasrück-
führung (AGR). Dabei wird ein Abgas-Teilstrom (ṁAGR ), möglichst nach vorheriger
Rückkühlung in einem AGR-Kühler, der Motor-Einlassluft (ṁL ) zugemischt.
Abgasrückführraten
ṁAGR
xAGR = (13.12)
ṁL + ṁAGR
bis xAGR = 0,5 kommen zur Anwendung. Der AGR-Anteil in der Zylinderfüllung,
vorausgesetzt, dass es sich um gekühltes Abgas handelt, bewirkt eine Senkung des
Zylindertemperaturniveaus, ähnlich der Temperatursenkung durch Erhöhung des
Verbrennungsluftverhältnisses V , aber stärker NOx -senkend, weil die Tempera-
turabsenkung nicht mit einer Erhöhung des Gehalts an freiem Sauerstoff verbunden
ist, wie dies auf die V -Anhebung zutrifft.
Abgasrückführung und ein in Richtung „spät“ verschobenerVerbrennungsschwer-
punkt bewirken, als Einzelmaßnahmen gesehen, jeweils eine tendenzielle Erhöhung
der Partikelemission. Durch einen höheren Einspritzdruck lässt sich jedoch die Zer-
stäubungsgüte verbessern und, im Zusammenwirken mit einem gut abgestimmten
Drall der Einlassluft, darüber eine kurze Brenndauer erzielen. Über diese wird
außer einem höheren Motorwirkungsgrad auch eine Verringerung der Partikelemis-
sion erreicht, die allerdings, wegen der dabei erhöhten Zylinderspitzentemperaturen,
wiederum mit einem tendenziellen Anstieg der NOx -Emission verbunden ist.
Durch die unterschiedlichen motorinternen Maßnahmen zur Minderung der NOx -
und der Partikel-Emission lassen sich für einen gegebenen Grundmotor unter-
schiedliche Abgasemissionszustände einstellen, die zusammen eine so genannte
Trade-off-Kurve bilden, wie sie schematisch in Abb. 13.8 gezeigt ist.
Solange die Grenzwerte für NOx und Partikel noch so moderat sind, wie dies
durch die Abgasgrenzwerte A (gestricheltes Rechteck in Abb. 13.8) dargestellt ist,
kann der Motor sie mit allen Einstellungen, die von der Trade-off-Kurve zwischen
den Punkten 1 und 2 repräsentiert werden, erfüllen. Werden die Grenzwerte für
NOx und Partikel auf die Abgasgrenzwerte B (Rechteck mit gepunkteten Linien in
Abb. 13.8) verschärft, kann über motorinterne Maßnahmen entweder nur der NOx -
Grenzwert oder nur der Partikel-Grenzwert eingehalten werden, der jeweils andere
nur über eine zusätzliche Abgasnachbehandlung. Wird beispielsweise über eine hohe
AGR-Rate die NOx -Emission so weit verringert, wie es dem Abgaszustand im Punkt
3 entspricht, also der NOx -Grenzwert eingehalten wird, muss die dabei zu hohe
Partikelemission durch einen nachgeschalteten Partikelfilter auf ein zulässiges Maß
abgesenkt werden. Entsprechend gilt für den Abgaszustand im Punkt 4, in dem
zwar der Partikelgrenzwert eingehalten wird, der aber eine zu hohe NOx -Emission
aufweist, so dass eine spezifische Abgasnachbehandlung erforderlich ist, durch einen
SCR-Katalysator oder durch einen NOx -Speicherkatalysator.
13.3 Einfluss der Aufladung auf die Abgasemission 283
Durch Aufladung lässt sich auch bei höchsten AGR-Raten noch genügend
Frischluft in den Zylinder einbringen, so dass sich außer einer verbesserten Ab-
gasemission nach wie vor eine gewünschte (hohe) Motorleistungsdichte darstellen
lässt.Wegen des dabei relativ hohen Druckniveaus im Zylinder, kann trotz relativ
später Verbrennung diese dennoch ohne überhöhte Partikelemission ablaufen. Ins-
gesamt gesehen, kann der Einfluss der Aufladung auf die Abgasemission als positiv
bezeichnet werden.
13.3.2 Abgasrückführung
über das AGR-Ventil (2) gesteuert, hinter dem Ladeluftkühler in die Ladeluftlei-
tung eingebracht. Durch Schalten eines Bypassventils (4) kann gegebenenfalls der
AGR-Kühler umgangen werden.
Eine Hochdruck-AGR setzt allerdings voraus, dass der Abgasdruck vor Turbine
höher ist als der Ladeluftdruck nach dem Ladeluftkühler. Dieses ist bei abgastur-
boaufgeladenen Fahrzeugmotoren überwiegend gegeben, zumindest in den für die
Abgasgesetze relevanten Lastbereichen des Motors – in Abb. 13.10 dargestellt für
die Abgastestzyklen NEDC (= New European Driving Cycle) und US 06 + FTP75.
Demgegenüber würde eine Niederdruck-AGR, sie ist in Abb. 13.9 mit gestrichelten
Linien eingezeichnet, auch in den Motor-Lastbereichen mit positivem Spülgefälle
funktionieren, weil immer ein positives Druckgefälle von der Abgas- zur Luftseite
besteht. Damit dieses ausreichend hoch ist, wird nach dem Dieselpartikelfilter (DPF)
noch eine Abgas-Drosselklappe (5) geschaltet.
Ein Problem der Niederdruck-AGR besteht allerdings darin, dass das rückge-
führte Abgas durch den Verdichter des Turboladers strömt und in diesem neben
einer erhöhten thermischen Belastung, trotz der Entnahme erst hinter dem Die-
selpartikelfilter (DPF), unerwünschte Ablagerungen hervorrufen kann. In [8] wird
von einem neu entwickelten Verdichter für Fahrzeugmotoren-Turbolader berich-
tet, der über ein gefrästes und speziell beschichtetes Verdichterrad sowie ein
nanobeschichtetes Verdichtergehäuse verfügt, wodurch jetzt die Temperaturen des
rückgeführten Abgases beherrscht und Beschädigungen durch Ablagerungen verhin-
dert würden. Durch die neuartige Beschichtung würden zudem Partikeleinschläge
an den Verdichterschaufeln nicht mehr zur Werkstoffermüdung führen.
13.3 Einfluss der Aufladung auf die Abgasemission 285
13.3.3 Abgasnachbehandlungssysteme
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Kapitel 14
Konstruktionsmerkmale von Aufladeaggregaten
Aus Abb. 14.1, dem Schnittbild eines Abgasturboladers für einen Pkw-Motor, geht
der übliche Grundaufbau von Abgasturboladern für Fahrzeugmotoren hervor. Am
Lagergehäuse sind das Verdichtergehäuse und das Turbinengehäuse befestigt.
Verdichtergehäuse Das Verdichtergehäuse umschließt das Verdichterrad und um-
fasst zusätzlich den Lufteintrittsstutzen, den (meist unbeschaufelten) Diffusor und
das Verdichter-Spiralgehäuse sowie gegebenenfalls ein Umluftventil (s. Abb. 5.24)
und Rezirkulationskanäle als kennfeldstabilisierende Maßnahme (KSM –
s. Abb. 10.19). Das Verdichtergehäuse wird – bei großen Stückzahlen – im All-
gemeinen aus Aluminium oder Magnesium im Druckgussverfahren gefertigt, für
kleinere Stückzahlen werden aus Kostengründen das Sandguss- oder das Kokillen-
gussverfahren bevorzugt.
Turbinengehäuse Das Turbinengehäuse umschließt das Turbinenlaufrad, welches
nahezu immer als Radialturbine ausgeführt ist, und hat dementsprechend mit sei-
ner Innenkontur die Zuströmspirale zu bilden. Diese kann einflutig (single scroll –
s. Abb. 7.26) oder mehrflutig, meist zweiflutig (twin scroll – s. Abb. 7.28), ausgeführt
14.2 Abgasturbolader für Fahrzeugmotoren 289
sein. Die Zuströmspirale ist zudem so gestaltet, dass sie, im Falle einer Fixgeometrie-
Turbine, auf ihrer Abströmseite die Zulaufdüse zum Turbinenlaufrad bildet. Im Falle
einer VTG-Turbine (s. Abb. 10.6) ist in das Turbinengehäuse auch der Leitschaufel-
Verstellmechanismus (Leitapparat) integriert, im Falle einer Wastegate-gesteuerten
Turbine in der Regel auch das Wastegate (WG-Ventil oder WG-Klappe).
Gerade für Ottomotoren werden heute vielfach Turbinengehäuse mit integriertem
Abgaskrümmer eingesetzt (Abb. 14.2).
Diese Bauform, vielfach auch Integralturbine genannt, begünstigt die Strö-
mungsführung und erübrigt den Turbineneintrittsflansch. Die Abgasturbine kann
dadurch näher an die Auslassventile herangebracht werden, was sich günstig auf die
Abgasenergienutzung auswirkt.
Moderne Pkw-Ottomotoren stellen heute die höchsten Anforderungen an die
thermische Belastbarkeit von Abgasturboladern. Die maximal zulässige Tempera-
tur unter stationären Bedingungen beträgt heute am Turbineneintritt ca. 970 ◦ C [1].
Für Temperaturen bis ca. 750 ◦ C, diese gelten für die meisten dieselmotorischen
Anwendungen, wird nach [2] GGGX-SiMo 5 1als Werkstoff für das Turbinengehäu-
se verwendet, für Temperaturen bis ca. 850 ◦ C kommt dann meist GGG NiCr 20
2 (D2) und für höchste Temperaturen, bis maximal 1050 ◦ C, bislang überwiegend
GGG NiCrSi 35 5 2, auch als Niresist D5S bezeichnet, im Sandgussverfahren zur
Anwendung.
Für den Anwendungsfall 1050 ◦ C setzt BorgWarner Turbo Systems nur hitze-
beständige austenitische Stahlgusssorten mit hohen Ni- und Cr-Anteilen ein [1].
Wenngleich Stahlguss etwas schwieriger zu vergießen ist und auch höhere Schneid-
kräfte bei der Bearbeitung erfordert, so dass dessen Einsatz mit höheren Kosten
verbunden ist, so wird die höhere Zeitstandfestigkeit von Stahlguss gegenüber
Niresist D5S als entscheidender Parameter angesehen. Abbildung 14.3 zeigt für ver-
schiedene Stahlguss-Sorten das Zeitstandverhalten für 104 h im Vergleich zu Niresist
D5S.
Um das Gewicht des Turbinengehäuses und auch seine thermische Trägheit gering
zu halten, sind geringe Wandstärken anzustreben. Diese begünstigen ein schnelles
Anspringen des Katalysators während der Kaltstartphase des Motors, was die Ab-
gasemission des Fahrzeugmotors deutlich verbessern kann. In [1] wird dazu ein
290 14 Konstruktionsmerkmale von Aufladeaggregaten
als Versuchsträger eingesetzten Motor auch der der in den Zylinderkopf integrierte
Abgaskrümmer bei, ein klarer Trend bei Pkw-Ottomotoren.
Containmenttest Im Falle eines Verdichter- bzw. Turbinenrad-Berstens dürfen
Berstteile das Verdichter- bzw. Turbinengehäuse nicht durchschlagen. Im dazu
festgelegten Containmenttest wird der Turboladerrotor auf so hohe Drehzahlen
beschleunigt, bis das jeweilige Laufrad birst. Anschließend werden die Gehäuse
hinsichtlich ihrer Containment-Sicherheit beurteilt. Die Berstdrehzahl liegt ca. 50 %
oberhalb der maximal zulässigen Betriebsdrehzahl.
Lagergehäuse Das Lagergehäuse hat die Lagerung des Turbolader-Laufzeugs
aufzunehmen und beinhaltet die Schmierölzu- und -abfuhr, gegebenenfalls die Kühl-
kanäle zur Lagergehäusekühlung, die Wellenabdichtungen gegen die Gehäuse von
Verdichter und Turbine und den Wärmeschutz (s. Abb. 14.1).
Es besteht ein hoher Temperaturgradient zwischen Turbine und Lagergehäuse.
Zur Vermeidung eines zu großen Wärmeeinfalls in das turbinenseitige Lager, der zu
Ölverkokung führen könnte, dient zum einen ein Hitzeschild hinter dem Rücken des
Turbinenrads (s. Abb. 14.1), der den Kontakt zwischen dem heißen Abgas und dem
Lagergehäuse weitgehend vermeiden soll. Zum anderen wird der turbinenseitige
Lagerstuhl durch konstruktiv zu realisierende maximierte Wärmeleitwege möglichst
thermisch entkoppelt.
Für Turbolader von Ottomotoren werden meist wassergekühlte Lagergehäuse
eingesetzt (Abb. 14.1 und 14.7).
Während des Motorbetriebs ist das Lagergehäuse in den Kühlkreislauf des Mo-
tors integriert. Nach dem Abstellen des Motors wird die Stauwärme über einen
gesonderten kleinen Kühlkreislauf abgeführt, der von einer thermostatisch geregelten
elektrischen Wasserpumpe angetrieben wird.
Zur Abdichtung des Lagergehäuses, zum einen gegen das heiße Abgas in
der Turbine, zum anderen gegen Ölverlust aus dem Lagergehäuse, wird ein (im
14.2 Abgasturbolader für Fahrzeugmotoren 293
Lagergehäuse fest verspannter) Kolbenring (s. Abb. 14.1) in einer Nut der Läufer-
welle angeordnet, wodurch eine Art von Labyrinthabdichtung erreicht wird.
14.2.2 Laufzeug
Turboladerturbine als Radialturbine ausgeführt, weil sie in dieser Baugröße der Axi-
alturbine im Wirkungsgrad überlegen ist. Dies hängt zum einen damit zusammen,
dass der bei Axialturbinen konstruktiv erforderliche Spalt (Kaltspiel) zwischen Lauf-
schaufel und Gehäuse nicht unter ein bestimmtes absolutes Mindestmaß verringert
werden kann, welches aber bei einem sehr geringen Laufraddurchmesser dennoch
einen großen relativen Spalt bedeutet, der sich entsprechend ungünstig auf den Turbo-
laderwirkungsgrad und dann weiter auf den Motorwirkungsgrad auswirken würde.
Zum anderen wirkt sich wirkungsgradmindernd aus, dass die Durchströmung des
Schaufelgitters einer Axialturbine in den Schaufelschnitten nahe dem Kopf und dem
Fuß der Laufschaufel jeweils in einer gewissen (absoluten) Schichtdicke von (an
sich unerwünschten) Sekundärströmungen überlagert ist, und diese Schicht relativ
immer dicker wird, je kürzer die (absolute) Schaufellänge wird. Gleichwohl finden
sich aber doch auch Axialturbinen von relativ kleinem Durchmesser, etwa als Nutz-
turbine eines Nutzfahrzeug-Turbocompoundmotors (s. Abb. 11.27 und 11.28), wenn
die kompaktere Bauweise der Axialturbine einen platzsparenderen Anbau an den
Motor ermöglicht.
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich jedoch ausschließlich auf Radi-
alturbinen.
Das Turbinenrad ist das thermomechanisch höchst belastete Bauteil des Ab-
gasturboladers, da es neben der hohen thermischen Belastung durch eine hohe
Abgastemperatur am Turbineneintritt den hohen mechanischen Belastungen (Flieh-
kraftspannungen) aus der (hohen) Umfangsgeschwindigkeit ausgesetzt ist. Letztere
steigen quadratisch mit der Umfangsgeschwindigkeit.
Bezüglich der Turbinenradgeometrie kommen heute aus Wirkungsgradgründen
bevorzugt Räder mit einer bis zur Laufschaufeleintrittskante reichenden Rücken-
scheibe und mit über CFD-Methoden optimierten Schaufelkonturen zur Anwendung
(Abb. 14.9).
Die hohen Abgastemperaturen von Ottomotoren, heute bis zu 1050 ◦ C, verlangten
schon immer hochwarmfeste Nickelbasis-Legierungen mit hohem Chromanteil als
Werkstoff für das Turbinenrad. Überwiegend kommt Inconel 713 (73 % Ni, 13 %
14.2 Abgasturbolader für Fahrzeugmotoren 295
Cr) zum Einsatz. Bei Abgastemperaturen vor Turbine bis etwa 850 ◦ C, was für
Dieselmotoren zutrifft, wird meist die Nickelbasis-Legierung GMR 235 (72 % Ni,
15,5 % Cr) eingesetzt.
Die allesamt hochwarmfesten Nickelbasis-Legierungen werden im Vakuum
erschmolzen und nach dem Wachsausschmelzverfahren vergossen. Das (gegosse-
ne) Turbinenrad wird durch Reibschweißen mit der Turboladerwelle (aus Stahl)
verbunden.
Keramischer Turbolader Im Zusammenhang mit der Einführung der bis heute
immer noch weiter verschärften Abgasemissionsvorschriften in den 1980er Jahren
wurde damals die Fahrzeuggasturbine als eine mögliche Alternative zum Verbren-
nungsmotor als Fahrzeugantrieb gesehen, weil die stationäre Verbrennung in der
Brennkammer der Gasturbine schon im Rohabgas Schadstoffkonzentrationen, ins-
besondere auch von NOx , liefert, welche um eine Zehnerpotenz niedriger liegen als
diejenigen von (damaligen) Fahrzeug-Verbrennungsmotoren. Um den Hauptnachteil
der Gasturbine gegenüber dem Verbrennungsmotor, den geringeren Wirkungsgrad,
zumindest an das Wirkungsgradniveau der damaligen Ottomotoren heranzuführen,
sind Turbineneintrittstemperaturen von mindestens 1350 ◦ C erforderlich, was sich
aber nur über ein keramisches Turbinenlaufrad darstellen lässt. Innenkühlung ei-
nes metallischen Turbinenlaufrads scheidet wegen der Bauform (Radialturbine)
und vor allem wegen der kleinen Abmessungen aus. Als keramische Werkstoffe
kommen Siliziumnitrid (SiN) und Siliziumkarbid (SiC) in Frage, die sich durch
hohe Warmfestigkeit auch noch bei sehr hohen Temperaturen und durch geringe-
re Dichte als die von hochwarmfesten metallischen Superlegierungen auszeichnen.
Der Hauptnachteil dieser und letztlich aller keramischen Werkstoffe besteht in
ihrer grundsätzlichen Sprödbruchanfälligkeit und in ihrem Unvermögen, örtliche
Spannungsspitzen abzubauen. Ihr Einsatz setzt in jedem Fall eine entsprechend ke-
ramikgerechte Konstruktion voraus. Dazu zählen unter anderem die Vermeidung
von plötzlichen und großen Wandstärkenänderungen und auch das Konstruktions-
prinzip, ein Objekt so zu konstruieren, dass möglichst nur Druckspannungen und
keine Zugspannungen in den Bauteilen auftreten.
296 14 Konstruktionsmerkmale von Aufladeaggregaten
Abb. 14.10 Pkw-Turbolader mit keramischem Turbinenrad und keramischer Welle. (Aus [5])
Da der Turbolader auch als eine Sonderform einer Gasturbine gesehen wer-
den kann – der Verbrennungsmotor übernimmt dabei die Rolle der Gasturbinen-
brennkammer als Heißgaslieferant – und in großen Stückzahlen produziert wird,
wurden erste Versuche zu keramischen Gasturbinen vielfach auf der Basis von
Fahrzeugmotor-Turboladern durchgeführt, deren Turbinenrad aus einem kerami-
schen Werkstoff hergestellt war. Aber auch der Einsatz von Turboladern mit
keramischem Turbinenrad entsprechend der eigentlichen Bestimmung als Auflade-
aggregat wurde damals angestrebt [5, 6]. Der Keramikhersteller NGK lieferte, nach
eigenen Angaben, bereits 1986 keramische Turbolader-Rotoren an Nissan Motor
Co., Ltd.
Abbildung 14.10 zeigt einen prototypischen Pkw-Turbolader mit keramischem
Rotor der Firma KKK (heute BorgWarner Turbo Systems). Dabei bildeten das
Turbinenrad und die Rotorwelle ein monolithisches Bauteil aus Keramik. Die
Keramikwelle wurde an ihrem verdichterseitigen Ende über eine spezielle, kera-
mikgerechte Klemmverbindung mit einem metallischen Wellenstummel verbunden,
auf den dann in konventioneller Weise das Verdichterrad montiert werden konnte [5].
Später ging man allgemein dazu über, das keramische Turbinenlaufrad entwe-
der durch Löten oder durch eine spezielle Presspassung (Welle-Nabe-Verbindung)
mit einer metallischen Rotorwelle zu verbinden – dazu liegen zahlreiche Pa-
tentanmeldungen vor. Eine solche Welle-Nabe-Pressverbindung ist insofern pro-
blematisch zu realisieren, als die in Frage kommenden keramischen Werkstoffe
ein deutlich geringeres thermisches Ausdehnungsverhalten aufweisen, SiN mit
α = 3,2 · 10−6 /K und SiC mit α = 4,5 · 10−6 /K, als Stahl (α = 16 · 10−6 /K) oder Inco
713 C (α = 15 · 10−6 /K).
14.2 Abgasturbolader für Fahrzeugmotoren 297
sondern als eine Deckscheibe ausgeführt ist, was die Strömungsführung in den
Laufschaufelkanälen und damit den Turbinenwirkungsgrad verbessert.
Tendenziell führt die Einführung einer Radrückwand, ähnlich der bei den Ver-
dichterrädern, an sich zu einer Erhöhung des polaren Massenträgheitsmoments, was
dessen Senkung durch die geringere Dichte von TiAl zuwider läuft. Es gilt daher,
wie in jedem Fall mit gegenläufigen Einflussparametern, einen optimalen Kom-
promiss aus den Ansprüchen nach bestmöglicher Strömungsführung, ausreichender
Bauteilfestigkeit und minimalem polaren Massenträgheitsmoment zu finden.
der beiden Lagerstellen erfolgt über den Motorölkreislauf. Diese schwimmende Lage-
rung kann so abgestimmt werden, dass eine Festkörperberührung zwischen Welle und
Lagerung vermieden wird. Dem Ölfilm in den Lagerspalten – sie betragen nur wenige
Hundertstelmillimeter – kommt neben der Schmierfunktion auch eine Dämpfungs-
funktion zu, welche zur Stabilisierung der Wellenbahn der Turboladerwelle beiträgt.
Die Schmierfilmdicke zwischen Welle und Buchse wird hinsichtlich der Tragfunkti-
on ausgelegt, diejenige zwischen Buchse und Lagergehäuse hinsichtlich Dämpfung
der Lagerung. Mit zunehmender Spaltbreite nimmt die Dämpfungswirkung zu und
die Tragfähigkeit ab.
Eine andere Ausführung der Gleitlagerung stellt die Einbuchsenlagerung dar
(s. Abb. 14.15 unten). Die (lange) Buchse steht im Lagergehäuse fest und wird
von außen mit Öl umspült. Der äußere Spalt wird speziell auf die Funktion der
Lagerdämpfung ausgelegt. Der bei dieser Bauform mögliche kurze Lagerabstand
begünstigt eine kompakte Bauform des Turboladers.
Axiallagerung (Gleitlager) Die Durchströmung des Verdichter- und des Turbinen-
rads erzeugt auch axiale Gaskräfte, deren Resultierende auf die Turboladerwelle
wirkt und von einem Axiallager aufzunehmen ist. Dieses ist als so genanntes Keilflä-
chenlager ausgeführt, welches im Lagergehäuse fixiert ist. Als Anlaufflächen dienen
14.2 Abgasturbolader für Fahrzeugmotoren 301
zwei auf der Welle verspannte Scheiben. Ein Ölabweisblech verhindert, dass zu viel
Öl an die Wellenabdichtung gelangt (Abb. 14.15).
Schmierung (Gleitlager) Alle heutigen mit Gleitlagern ausgerüsteten Turbolader
sind in den Ölkreislauf des Motors integriert. Entsprechend gelangt das Schmieröl
mit etwa 4 bar in das Lagergehäuse, wird dort durch eine Drossel auf etwa 2 bar
entspannt und den Lagerstellen zugeführt (s. Abb. 14.1 und 14.15). Der Ölablauf
erfolgt drucklos, so dass für diesen ein größerer Querschnitt erforderlich ist als
für den Zulauf. Zudem ist dafür zu sorgen, dass der Ort der Ölrückführung in das
Kurbelgehäuse des Motors oberhalb des Motorölspiegels liegt. Der Öldurchsatz ist so
zu bemessen, dass das Öl außer seiner Schmierwirkung auch für eine entsprechende
Wärmeabfuhr aus dem Lagergehäuse (Kühlung) sorgen kann.
Kugellagerung War die Kugellagerung von Fahrzeugmotor-Turboladern zunächst
nur für Rennmotoren eingesetzt worden [9], so findet sie inzwischen auch schon
im oberen Pkw-Segment sowie in Motoren von leichten und schweren Nutzfahrzeu-
gen serienmäßigen Einsatz. Abbildung 14.16 zeigt den kugelgelagerten Turbolader
GTB22VR von Honeywell.
Wesentliches Element der Honeywell-Kugellagersysteme ist die Kugellager-
Kartusche (Abb. 14.17). Sie besteht aus zwei innenliegenden Lagerschalen aus
warmfestem Lagerstahl, die auf eine Präzisionswelle aufgepresst sind. Die Kugeln
sind aus Keramik und werden durch einen beschichteten Stahlkäfig voneinander
getrennt gehalten und geführt. Als keramischer Kugelwerkstoff wird allgemein
bevorzugt Siliziumnitrid (Si3 N4 ) eingesetzt. Neben seiner auch bei hohen Tempera-
turen noch hohen Festigkeit – die Kugeln werden „keramikgerecht“ nur auf Druck
beansprucht – verfügt Si3 N4 über eine ausgezeichnete Temperaturwechselbestän-
digkeit, hervorragende Verschleißbeständigkeit, niedrige Wärmedehnung, mittlere
Wärmeleitfähigkeit und gute chemische Beständigkeit.
302 14 Konstruktionsmerkmale von Aufladeaggregaten
Die äußere Lagerschale ist, wie die innere, ebenfalls aus einem hochvergüte-
ten Lagerstahl gefertigt. Das zugeführte Öl schmiert und kühlt und dient auch als
Dämpfungsfluid in den am Außenring befindlichen Dämpfungsspalten, welche die
Übertragung von Schwingungen des Laufzeugs auf das Lagergehäuse unterbinden.
Da es sich um Schrägkugellager handelt, ist nicht zusätzlich ein Axiallager erfor-
derlich, so dass eine kurze Turboladerwelle und damit eine kompakte Bauform des
Turboladers erreicht werden.
Der Hauptvorteil der Kugellagerung gegenüber der herkömmlichen Gleitlagerung
besteht in der geringeren Lagerreibung im unteren Last- und Drehzahlbereich des
Motors. Zum einen ist dieser Motorbetriebsbereich relevant für die meisten Pkw-
Abgastestzyklen, zum anderen starten eine Motor- bzw. Fahrzeugbeschleunigung
oder eine Lastaufschaltung aus diesem Betriebsbereich heraus. Bei geringerer Rei-
bung des Turboladerrotors läuft dieser schneller hoch. Abbildung 14.18 bringt den
Vergleich von Gleitlagerung und Kugellagerung hinsichtlich der Reibleistung bei
14.2 Abgasturbolader für Fahrzeugmotoren 303
Radialturbine) von MAN Diesel & Turbo sowie anhand von Turboladern von ABB
Turbo Systems behandelt werden.
14.3.2 Verdichter
14.3.3 Radialturbine
Abb. 14.24 Erreichbare Turboladerwirkungsgrade mit der Turboladerbaureihe TCA von MAN
Diesel & Turbo
Reibschweißen mit der Rotorwelle verbunden. Abbildung 14.26 zeigt ein Turbinen-
laufrad der Turboladerbaureihe TCR von MAN Diesel & Turbo.
Das Turbinenzuströmgehäuse dieser Turboladerbaureihe wird aus mit Si und
Mo legiertem Sphäroguss gefertigt. Über Varianten des Leitschaufelrings (Düsen-
ring), mit (festen) profilierten Schaufeln (s. Abb. 14.27), hinsichtlich seines freien
Strömungsquerschnitts kann die Turbine auf einen Motor abgestimmt werden. Die
Radialturbinen der Baureihe TCR von MAN Diesel & Turbo sind, ähnlich wie Ra-
dialturbinen aus dem ABB-Turboladerprogramm (s. Abb. 10.9), auch jeweils als
VTG-Version verfügbar.
308 14 Konstruktionsmerkmale von Aufladeaggregaten
14.3.4 Axialturbine
Die Laufschaufelgeometrie kann heute so gestaltet werden, dass auf den früher
obligatorischen Dämpfungsdraht (zur Dämpfung von Schaufelschwingungen)
zumindest bei Stauaufladung generell verzichtet werden kann, was sich positiv auf
den Turbinenwirkungsgrad auswirkt.
Bei erforderlicher Anwendung eines Dämpfungsdrahts sind die Laufschaufeln bei
etwa einem Viertel der Schaufellänge, vom Schaufelkopf her gesehen, durchbohrt,
und durch diese Bohrungen wird der Dämpfungsdraht gelegt (Abb. 14.30). Er ist mit
den Schaufeln nicht fest verbunden und nur durch Verformung gegen Herausfallen
gesichert. Er legt sich durch die Fliehkraft an die Schaufelbohrung an und dämpft die
Schaufelschwingung durch Reibung. Dass er die Durchströmung des Schaufelgitters
und damit auch den Turbinenwirkungsgrad grundsätzlich negativ beeinflusst, liegt
auf der Hand.
310 14 Konstruktionsmerkmale von Aufladeaggregaten
Das in Abb. 14.31 gezeigte Leitrad ist gegossen, die Leitschaufeln sind profiliert.
Dies ergibt im Vergleich zu Leitschaufeln aus Blech eine günstigere Durchströmung
des Leitrades, was dazu beiträgt, dass die Laufschaufelschwingungen auf niedri-
gem Niveau bleiben. Wie bereits zur Radialturbine ausgeführt, kann durch Variation
der Leitschaufelgeometrie (Austauschen des Leitschaufelrings) die Anpassung des
Turboladers an einen bestimmten Motor unterstützt werden. Darüber hinaus kann
der in Abb. 14.31 dargestellte Leitschaufelring mit fixer Geometrie gegen einen mit
variabler Geometrie ausgetauscht werden, so dass eine axiale VTG-Turbine entsteht
(s. Abb. 10.11).
Das Zuström- und das Abströmgehäuse der Turbine der Turboladerbaureihe
TCA sind aus Sphäroguss gefertigt, ungekühlt und gegenüber der Umgebung
wärmeisoliert. Die einzelnen Teilgehäuse solcher Großmotoren-Turbolader – Ver-
dichterzuströmgehäuse, Verdichtergehäuse, Lagergehäuse, Turbinenzuström- und
14.3 Abgasturbolader für Großmotoren 311
14.3.5.1 Innenlagerung
Abstellen des Motors zu sorgen, die neben der eigentlichen Schmierfunktion beim
Nachlauf des Turboladerrotors auch in der Kühlung der Lager besteht. Während des
Motorbetriebs ist das Rückschlagventil (11) geschlossen. Das aus dem Schmieröl-
system des Motors (1) kommende Schmieröl strömt über das Druck-Reduzierventil
(2) und ein Rückschlagventil (4) unter Systemdruck zu den beiden Radiallager-
Buchsen (7) und zum Axiallager (6). Der Rücklauf des Schmieröls erfolgt drucklos
über die Ablaufleitung (8), in den Servicetank bzw. das Kurbelgehäuse (9). Während
des (regulären) Motorbetriebs strömt über eine Bypassbohrung im (geschlossenen)
Rückschlagventil (11) ein sehr kleiner Ölvolumenstrom in den Tank des Sicherheits-
und Nachschmiersystems (16). Solange der Füllstand in diesem Tank noch unterhalb
des Überlaufs (15) liegt, ist der Tank „drucklos“ (d. h. bei Atmosphärendruck). So-
bald der Füllstand den Überlauf (15) erreicht, fließt Schmieröl über das Überlaufrohr
(15) ins Lagergehäuse. Eine Blende (14) im Überlaufrohr sorgt allerdings dafür, dass
ein geringerer Ölstrom zurück ins Lagergehäuse läuft, als über die Bypassbohrung in
(11) dem Tank zugeführt wird. Dadurch steigt der Füllstand im Tank weiter an, wo-
durch die darüber befindliche Luft nun komprimiert wird und damit auch der Öldruck
im Tank steigt, bis er die Höhe des Schmieröldrucks vor den Lagern erreicht hat.
Beim Abstellen des Motors oder einem Ausfall des Motorschmiersystems fällt
der Druck im Schmierölsystem des Motors und in dem des Turboladers ab. Dadurch
öffnet das Rückschlagventil (11) am Tank des Sicherheits- und Nachschmiersys-
tems (16) und es schließt das Rückschlagventil (4) am Schmierölzulauf zum Turbo-
lader. Zunächst fließt das Schmieröl aus dem Tank des Sicherheits- und Nachschmier-
systems unter Druck zu den Lagerstellen. Sobald allerdings das Schmierölniveau im
Tank die Mündung (14) des Überlaufs unterschreitet, bricht der Schmieröldruck im
Tank zusammen und das Schmieröl läuft nur noch durch die Schwerkraftwirkung
zu den Lagerstellen. Sobald das Schmierölniveau dann auch noch die Mündung des
Zulauf- bzw. Ablaufrohrs (13) im Tank unterschreitet, wird das restliche Schmier-
öl über eine kleine Bohrung (12) nur noch dem turbinenseitigen Lager zugeführt.
Dieses hier beschriebene Sicherheits- bzw. Nachschmiersystem läuft vollkommen
automatisch ab.
Sperrluftsystem Um zu verhindern, dass zum einen heißesAbgas aus der Turbine in
das Lagergehäuse strömt, zum anderen Schmieröl aus dem turbinenseitigen Lager in
die Turbine gelangt und dort verkokt, wird so genannte Sperrluft von der Verdichter-
Druckseite abgezapft und zum turbinenseitigen Gleitlager geführt (Abb. 14.35).
Ein Teilstrom der im Verdichter verdichteten Luft fließt aus dem Verdichterge-
häuse (1) in eine Ringleitung (2) im Lagergehäuse (11). Von hier gelangt dieser
Sperrluftstrom über eine Blende (3) in die in das Lagergehäuse integrierte Sperrluft-
leitung (4) und wird zur turbinenseitigen Ringleitung (5) im Lagergehäuse geleitet.
Von dort strömt ein Teil der Sperrluft über die Labyrinth-Ringe zurück ins Lagerge-
häuse und hält dort das Schmieröl zurück, der andere Teil des Sperrluftstroms wird an
der Turbinenlaufradscheibe vorbei ins Turbinen-Abströmgehäuse (12) geleitet und
sperrt dabei gegen das Eindringen von Abgas.
Beim Einsatz des Turboladers an einem Viertaktmotor kann es bei geringer Teillast
zu einem Unterdruck im Verdichter kommen, was auch einen Unterdruck in der
Sperrluftleitung (4) nach sich ziehen würde. Um zu vermeiden, dass dadurch Abgas
314 14 Konstruktionsmerkmale von Aufladeaggregaten
oder Schmieröl in den Verdichter gelangt, öffnet in diesem Fall das Rückschlagventil
(7) und es wird Außenluft über den Rohrbogen (8) und die Ausgleichsleitung (6) in
die Sperrluftleitung (4) gesaugt.
14.3.5.2 Außenlagerung
Der Turboladerhersteller ABB (bis 1989 BBC) baut seit 1946 die Turboladerbau-
reihe VTR, beginnend 1946 mit der Serie VTR.. 0, bis heute, mit der Serie VTR.. 4
[16]. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu anderen Axialturboladern ist die Au-
ßenlagerung mit Kugellagern und lagereigenem Schmierölsystem, unabhängig vom
Schmierölsystem des Motors (Abb. 14.36). Diese Turboladerbaureihe kommt bei
14.3 Abgasturbolader für Großmotoren 315
(d) in die Lager eingebracht wird. Auf der Verdichterseite wird das Schmieröl im
Schmierölsumpf durch die das Lagergehäuse umströmende Luft zum Verdichter –
Pfeil k in Abb. 14.37 – gekühlt. Auf der Turbinenseite sorgt ein Kühlwassermantel
um das Lagergehäuse (s. Abb. 14.36) für die Kühlung des Schmieröls, das
Turbinen-Zuströmgehäuse selbst ist ungekühlt. Der Kühlwassermantel am Turbinen-
Abströmgehäuse (s. Abb. 14.36) dient nicht primär der Kühlung des Bauteils selbst,
sondern hat die Umgebung vor zu heißen Oberflächen zu schützen.
Die Vorteile der Wälzlager liegen in der gegenüber Gleitlagern geringeren
Reibung, insbesondere bei niedrigen Drehzahlen, wodurch das Anfahren des Abgas-
turboladers auch bei noch geringer Turbinenleistung (Zweitaktmotoren) erleichtert
wird, im geringeren Schmierölbedarf, der geringeren Schmierölwärme und der
Möglichkeit, auf eine Vorschmierung zu verzichten. Da die Kugellager als Schräg-
kugellager bzw. Vierpunkt-Kugellager ausgeführt sind, die sowohl die radialen als
auch die axialen Lagerkräfte aufnehmen können, ist im Gegensatz zur Gleitlagerung
kein gesondertes Axiallager erforderlich.
14.3.6 Turbolader-Reinigung
Literatur
15.1 Motorrad-Motoren
Motorrad auf dem Markt, dem 1,4 l-Turbodiesel-Motorrad der Firma Neander
Motors [4] in Kiel (Abb. 15.4).
Bemerkenswert ist die Motorkonstruktion (s. rechtes Teilbild in Abb. 15.4). Es
handelt sich dabei um einen Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor mit zwei gegenläu-
figen Kurbelwellen, wobei jeder Kolben über zwei parallel angeordnete Kolbenbol-
zen und zwei Pleuel an jede der beiden Kurbelwellen angelenkt ist. Der Zündabstand
der beiden Zylinder beträgt 360 ◦ KW. Diese besondere Kurbeltriebkinematik sorgt
für einen Motorlauf mit extrem niedrigen Vibrationen.
Der Motor ist luft-/ölgekühlt, verfügt über eine Common-Rail-Direkteinspritzung
und einen Wastegate-gesteuerten Turbolader mit Ladeluftkühlung. Die wesentlichen
Kenndaten sind:
Hubvolumen: 1340 cm3
Nennleistung: 82 kW @ 4200 min−1
Max. Drehmoment: 214 Nm @ 2600 min−1 (entspricht pe = 20 bar)
Abb. 15.4 Neander-Dieselmotorrad mit 1,4 l-Dieselmotor (links), 3D-Motorbild (rechts) (Aus [4])
322 15 Anwendungsbeispiele von aufgeladenen Motoren
15.2 Pkw-Motoren
15.2.1 Pkw-Ottomotoren
Abb. 15.8 Drehmoment und Leistung bei Volllast über der Drehzahl, Motor M 270 von Mercedes-
Benz. (Aus [5])
15.2 Pkw-Motoren 325
1,6 l-Motor (M 270) am schnellsten erreicht wird, hängt nach [5] mit dem gerin-
geren polaren Massenträgheitsmoment des entsprechend optimierten Turboladers
zusammen.
Dass der Motor M 270 dem Downsizing-Anspruch voll gerecht wird, zeigt der
um 13 % geringere NEDC-Kraftstoffverbrauch des abgasturboaufgeladenen 1,6 l-
Motors M 270 gegenüber dem 2,0 l-Saugmotor M 266, was auch eine gleich große
prozentuale Minderung der CO2 -Emission bedeutet.
Als minimale Zylinderzahl eines Downsizing-Motors wird die Dreizylinder-
Variante bevorzugt. Sie ermöglicht bei Abgasturboaufladung den – aufladetechnisch
optimalen – Dreierstoß (s. Abschn. 9.1.1) und weist einen natürlichen Massenaus-
gleich hinsichtlich der (oszillierenden) Massenkräfte erster und zweiter Ordnung auf.
Abb. 15.10 zeigt als Beispiel den Ford-1,0 l-Dreizylinder-Ottomotor (EcoBoost),
mit einstufiger Abgasturboaufladung, der für kleine und mittlere Pkw zum Einsatz
kommt [6].
Aufladetechnisch bemerkenswert ist bei diesem Motor sein in den Zylinderkopf
integrierter Auslasskrümmer (Abb. 15.11). Diese konstruktive Lösung bewirkt in
zweifacher Hinsicht einen günstigen (NEDC-)Kraftstoffverbrauch. Zum einen wird
dadurch eine kürzere Motorwarmlaufphase erreicht, zum anderen lässt sich durch
die geringere (innere) Oberfläche der Abgasleitung zwischen den Auslassventilen
und dem Katalysator die Katalysator-Anspringzeit so sehr verkürzen, dass auf eine
gesonderte, mit einem Kraftstoffmehraufwand verbundene, Katalysatorheizung ver-
zichtet werden kann. Zudem kann durch die Integration des Auslasskrümmers in
den Zylinderkopf nahezu für den gesamten Motorkennfeldbereich auf eine Ge-
mischanfettung zum Zwecke der Bauteilkühlung, insbesondere zur Kühlung der
Turbine, verzichtet werden, weil über die Wasserkühlung des Auslasskrümmers im
Zylinderkopf die Abgastemperatur vor Turbine auf einem für die Turbine verträg-
lichen Maß gehalten werden kann. Außer der damit verbundenen Einsparung an
326 15 Anwendungsbeispiele von aufgeladenen Motoren
Kraftstoff kann auch auf den Einsatz von Werkstoffen mit hohem Ni-Anteil für das
Auslassleitungssystem verzichtet werden, ein wichtiges Kostenargument.
Zusammen mit noch weiteren motortechnischen Detailänderungen erreicht die-
ser Motor schließlich eine auf den Hubraum bezogene Leistung (Literleistung) von
88 kW/l sowie ein spezifisches maximales Drehmoment von 170 Nm/l @1500–
4500 min−1 . Als Vergleichsbasis mögen die entsprechenden spezifischen Werte des
zuvor vorgestellten Mercedes-Motors M 270 dienen, mit 72,1 kW/l bzw. 156,7 Nm/l
@ 1250–4000 min−1 .
Als Beispiel eines aufgeladenen Ottomotors für die Pkw-Oberklasse sei auf den
2,0 l-Vierzylinder-Ottomotor mitAbgasturboaufladung von BMW, alsAntrieb für den
15.2 Pkw-Motoren 327
Pkw BMW 528i, eingegangen [7]. Abb. 15.12 zeigt dieses als TVDI-Motor bezeich-
nete Aggregat. Dabei steht T für Turboaufladung, V für Valvetronic, den vollvariablen
Ventiltrieb von BMW, auf der Einlassseite, und DI für Direkteinspritzung.
Die aufladetechnischen Besonderheiten dieses Motorkonzepts bestehen in der
Geometrie des Abgaskrümmers und dessen Kopplung mit der Turbine.
Ähnlich wie beim oben geschilderten Vierzylinder-Mercedes-Motor M 270 wer-
den die Abgase, zum einen aus den Zylindern 1 und 4, zum anderen aus den Zylinder
2 und 3, jeweils in einer Teil-Leitung zusammengefasst, aber diese beiden Teil-
Leitungen werden nunmehr getrennt bis zur Turbine geführt, wo sie dann je einen
Kanal einer Twin-Scroll-Turbine beaufschlagen. In Abb. 15.12 kann man diese bei-
den Teil-Leitungen noch offen sehen, im Endmontage-Zustand sind sie von einer
gemeinsamen, Luftspalt-isolierten Verkleidung umgeben (Abb. 15.13).
Luftmassenstrom in den Lader, wird dort verdichtet und anschließend den beiden La-
deluftkühlern zugeführt. Bei (teilweise) geöffneter Bypassklappe (Abb. 15.20 oben)
wird ein Teil des auf der Laderdruckseite austretenden Luftmassenstroms über den
Bypass zum Ladereinlass zurückgeführt, so dass nur ein entsprechend geringerer
Luftmassenstrom von außen in die Aufladeeinheit einströmen und verdichtet zu den
Ladeluftkühlern strömen kann.
332 15 Anwendungsbeispiele von aufgeladenen Motoren
15.2.2 Pkw-Dieselmotoren
Lange Zeit galt der Dieselmotor als Pkw-Antrieb wegen seiner, im Vergleich zum
Ottomotor, geringeren Leistungsdichte (Literleistung) bei vielen Autofahrern als
unattraktiv, wenngleich er schon immer im Kraftstoffverbrauch günstiger lag als
der Ottomotor. Entsprechend gering war denn auch der Dieselmotoren-Anteil im
Pkw-Bereich.
Dies änderte sich mit der Serieneinführung der Abgasturboaufladung bei Pkw-
Dieselmotoren zu Beginn der 1980er Jahre, wodurch der Dieselmotor hinsichtlich
Leistungsdichte in den diesbezüglichen Bereich des Saug-Ottomotors eindringen
konnte (s. Abb. 15.21). Inzwischen beträgt der Anteil an Dieselfahrzeugen bei
Pkw in Deutschland bis zu 40 %, auf Westeuropa bezogen sogar bis zu 50 %.
Neben seinem nach wie vor gegebenen Vorteil im Kraftstoffverbrauch kann der
Pkw-Dieselmotor auch auf eine attraktive Drehmomentcharakteristik verweisen. Der
Nachteil der brennverfahrensbedingten Rußemission gilt seit der breiten Einführung
der Dieselpartikelfilter-Technik als beseitigt. Zur Einhaltung der NOx -Grenzwerte
trägt entscheidend die Abgasrückführung bei, erforderlichenfalls kann diese um
15.2 Pkw-Motoren 333
Tab. 15.1 Technische Daten des 2,0 l-TDI-Motors von Volkswagen. (Aus [11])
MOTOR-BAUART 4-Zylinder-Dieselmotor mit Common-Rail-Einspritzung
3
HUBRAUM cm 1.968
HUB/BOHRUNG mm 95,5 mm/81 mm
VERDICHTUNG 16,5
TURBOAUFLADUNG Variable Turbinengeometrie Zweistufige Aufladung mit
Wastegate (Biturbo)
LEISTUNGSSTUFEN kW 62 75 103 120/132
MAX. DREHMOMENT Nm 220 250 340 400
GEWICHT (DIN 70020-GZ) kg 143 153 162
Abb. 15.23 Aufladeschema des Volkswagen 2,0 l-TDI-Motors bei zweistufiger Aufladung.
(Aus [11])
Abb. 15.24 Kraftstoffverbrauchskennfeld des Volkswagen 2,0 l-TDI-Motors mit geregelter zwei-
stufiger Aufladung, mit Kennzeichnung der Bereiche unterschiedlicher Ladedruck-Regelstrategie.
(Aus [11])
336 15 Anwendungsbeispiele von aufgeladenen Motoren
Abb. 15.26 Aufladesystem des Audi 3,0 l-V6-TDI-Dieselmotors. (Quelle: AUDI AG [12])
gesondert für jeden einzelnen Zylinder, sondern bereits stromaufwärts, zentral für al-
le Zylinder. Dabei wird über eine, ebenfalls zentrale, Drallklappe die mengenmäßige
Aufteilung des Ladeluftstroms in Füll- und Drallmengenstrom gesteuert.
Ebenfalls 2011 bringt die BMW Motoren GmbH eine neue Generation ihrer 4-
und 6-Zylinder-Dieselmotoren mit geregelter zweistufiger Aufladung [13]. Für die
6-Zylinder-Motoren (VH = 3,0 l) ist dies bereits die 4. Generation, für die 4-Zylinder-
Motoren (VH = 2,0 l) die 2. Generation.
Die Motoren sind mit einem Piezo-Common-Rail-Einspritzsystem (max. Rail-
druck = 2000 bar) ausgerüstet und bringen als maximale Leistung 160 kW bzw.
230 kW und als maximales Drehmoment 450 Nm bzw. 630 Nm in der 4-Zylinder-
bzw. der 6-Zylinder-Version.
Das jeweilige maximale Drehmoment entspricht pe = 26,45 bar. Mit dem dabei ge-
gebenen maximalen Zylinderdruck von pZmax = 185 bar ergibt sich mit pZmax /pe ≈ 7
ein Wert, der bei mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotoren einen günstigen
spezifischen Kraftstoffverbrauch erwarten ließe. Entsprechend günstig liegt denn
338 15 Anwendungsbeispiele von aufgeladenen Motoren
Abb. 15.27 Schaltschema zum Gaswechselleitungs- und Aufladesystem des Audi 3,0 l-V6-TDI-
Dieselmotors. (Quelle: AUDI AG [12])
auch der NEDC-Kraftstoffverbrauch der hier vorgestellten Motoren, mit 4,8 l/100 km
beim 4-Zylinder-Motor (im Fahrzeug BMW 525d) und mit 5,4 l/100 km beim
6-Zylinder-Motor (im Fahrzeug BMW 535d).
Das Aufladesystem verfügt über eine VTG-Turbine beim HD-Turbolader und
neben der Abgas-Regelklappe und dem Wastegate der ND-Turbine insbesonde-
re an jedem der beiden Verdichter über einen Bypass (Abb. 15.28 und 15.29).
Eine Besonderheit stellt auch die Einführung einer Kühlung im Gehäuse des ND-
Verdichters dar (Abb. 15.30), wodurch nach Herstellerangabe [13] eine Erweiterung
des Verdichterkennfelds in Richtung niedriger Durchsätze erreicht wurde.
Mit welcher Schaltstrategie hinsichtlich des Aufladesystems der Motor in den
verschiedenen Bereichen seines Kennfelds betrieben wird, geht aus Abb. 15.31 und
Tab. 15.2 hervor.
15.3 Nutzfahrzeugmotoren 339
15.3 Nutzfahrzeugmotoren
Tab. 15.2 Schaltkombinationen beim Betrieb des BMW -Dieselmotors mit geregelter zweistufiger
Aufladung [13], s. dazu Abb. 15.31
NDV-Bypass VTG Abgas-Regelklappe HDV-Bypass Wastegate
1 offen geregelt geschlossen geschlossen geschlossen
2 geschlossen geregelt geschlossen geschlossen geschlossen
3 geschlossen offen geregelt geschlossen geschlossen
4 geschlossen offen offen offen geschlossen
5 geschlossen offen offen offen geregelt
15.3 Nutzfahrzeugmotoren 341
Beispiele aus dem Bereich der Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge seien dazu
vorgestellt.
Detroit Diesel, ein Tochterunternehmen der Daimler AG, liefert aktuell unter
anderem den 15,6 l-Dieselmotor DD16 (Abb. 15.32).
Dieser ist wie der Motor DD15, die 14,8 l-Version dieser Motorenfamilie [14],
als Turbocompound-Motor ausgeführt, mit einem einstufigen Abgasturbolader und
einer axialen Nutzturbine, die in Reihe der ATL-Turbine nachgeschaltet ist. Die
mechanische Leistung der Nutzturbine wird über ein mehrstufiges Getriebe zur Kur-
belwellenleistung des Motors mechanisch addiert. Das Getriebegehäuse beinhaltet
eine hydraulische Kupplung zur mechanischen Entkopplung von Turbinenrad und
Kurbelwelle sowie zur Dämpfung der Drehschwingungen – s. auch Abschn. 11.2.4.
Tab. 15.3 nennt aus [16] die wesentlichen Motordaten der leistungsstärksten Version
des DD16.
Dieser, mit Common-Rail-Einspritzung ausgerüstete, Motor verfügt über die so
genannte Bluetec-Technologie und erfüllt damit die EPA-10-Emissionsvorschriften.
Bluetec umfasst Abgasrückführung (AGR), Dieselpartikelfilter (DPF), Oxidations-
katalysator (DOC) sowie einen SCR-Katalysator.
Ein ebenfalls zum Antrieb von schweren Nutzfahrzeugen eingesetzter Motor ist
der 12,4 l-Dieselmotor D2676 LF21 von MAN Truck & Bus AG (Abb. 15.33).
Der Motor ist mit geregelter zweistufiger Aufladung, mit Zwischenkühlung und
Ladeluftkühlung, ausgerüstet. Die Regelung des Aufladesystems erfolgt über je ein
342 15 Anwendungsbeispiele von aufgeladenen Motoren
Wastegate an der HD- und an der ND-Turbine. ND- und HD-Verdichter sind hingegen
ohne eine Steuereinrichtung und unter Zwischenschaltung des Zwischenkühlers (ZK)
in Reihe geschaltet.
Die wesentlichen Motordaten gehen aus Tab. 15.4 hervor.
Der Motor verfügt über ein Common-Rail-Einspritzsystem (Einspritz-
druck = 1800 bar) und gekühlte Abgasrückführung (s. AGR-Kühler in Abb. 15.33)
und erfüllt die Euro 5-Abgasvorschriften.
Abbildung 15.34 zeigt den Verlauf des Volllast-Drehmoments über der Motor-
drehzahl. Das maximale Drehmoment entspricht dem effektiven Mitteldruck von
pe = 23,3 bar, die Nennleistung einer Literleistung von 28,46 kW/l.
Ladeluftkühler (LLK) geleitet und von dort auf die beiden Einlass-Sammelleitungen
des V-Motors aufgeteilt.
Die Regelung dieses zweistufigen Aufladesystems erfolgt über eine mit einem
Elektromotor angesteuerte Klappe in einer Bypassleitung um die HD-Turbine. Ist
diese Klappe vollständig geschlossen, wird der gesamte Abgasmassenstrom aus dem
Motor zunächst der HD-Turbine zugeführt, wie bei einer ungeregelten zweistufi-
gen Aufladung (s. Abschn. 10.6.1). Mit dieser Schaltvariante gelingt es, bereits im
unteren Motordrehzahlbereich einen hohen Ladedruck und damit das gewünsch-
te hohe Drehmoment zu erreichen. Mit zunehmender Motordrehzahl wird dann die
Bypass-Klappe an der HD-Turbine immer weiter geöffnet, so dass dann auch die bei-
den, parallel arbeitenden, ND-Turbolader immer mehr am Ladedruckaufbau beteiligt
sind.
Durch die Anwendung von Miller-Steuerzeiten (s. auch Abschn. 11.1.2) und von
Abgasrückführung, mit einer AGR-Rate von 25 % bei Nennleistung, gelingt es, den
verschärften NOx -Grenzwert einzuhalten. Damit bei Nennleistung, mit pe = 21,0 bar,
dennoch ein Verbrennungsluftverhältnis von V = 1,7 gefahren werden kann, so dass
die Partikelemission < 0,1 g/kWh beträgt, dafür sorgt der Ladedruck von 4,8 bar. Zur
Einhaltung des ab 2012 geltenden Partikel-Grenzwerts (s. Tab. 15.5) ist zwar dennoch
zusätzlich ein Dieselpartikelfilter erforderlich, der aber entsprechend weniger oft
regeneriert werden muss, wenn schon die Partikelrohemission relativ niedrig ist.
Wie aus Abb. 15.35 zu sehen ist, wird das rückgeführte Abgas in zwei parallel
15.5 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 345
geschalteten AGR-Kühlern, die auf den Ladeluftkühler aufgesetzt sind, gekühlt und
von dort über je eine AGR-Leitung zu den Einlass-Sammelleitungen der beiden
Zylinderbänke geleitet.
Wie in [18] ausgeführt wird, war in der Konzeptphase zu dieser Motoren-Baureihe
auch der Einsatz einer einstufigen Abgasturboaufladung geprüft worden, die jedoch
hinsichtlich Systemgewichts (Motor, DPF und Rückkühler) Nachteile gezeigt hat.
Die zweistufige Aufladung ermöglicht durch ihre geringere Gegendruckempfind-
lichkeit ein kompakteres DPF-Design. Zudem können Verbrennungsluftverhältnis
und Abgasrückführung abhängig von den Umgebungsrandbedingungen eingestellt
werden, was den Rückkühlbedarf und damit die Kühlergröße reduziert. Das zu-
sätzliche Motorgewicht durch den dritten Turbolader (HD-ATL) und die beiden
Zwischenkühler (ZK) wird dadurch überkompensiert.
Im Schiffsbereich kommt bei SHD-Motoren von MTU nach wie vor sowohl die
einstufige als auch die zweistufige Registeraufladung zur Anwendung [20] – s. dazu
auch Abschn. 10.5.
Abb. 15.36 Mittelschnellläufer-Motorenprogramm von MAN Diesel & Turbo. (Aus [21])
MAN Diesel & Turbo bietet für ihre Mittelschnellläufer, die mit mehr als ei-
nem Abgasturbolader ausgerüstet sind (V-Motoren), die Möglichkeit, diese nach den
Prinzipien der Registeraufladung (s. Abschn. 10.5) zu betreiben, wodurch sich ins-
besondere ein gutes Motor-Beschleunigungs- bzw. Lastannahmeverhalten erzielen
lässt.
Sowohl Wärtsilä [24] als auch MAN Diesel & Turbo [25] arbeiten an der
Entwicklung von Mittelschnellläufer-Motorkonzepten mit zweistufiger Aufladung.
Gemeinsames Merkmal ist dabei der Einsatz des Miller-Verfahrens zur Erfüllung der
Abgasemissionsvorschriften, die sowohl für stationäre wie für Marine-Anwendung
immer noch weiter verschärft werden. Die für das Miller-Verfahren erforderlichen
hohen Ladedrücke verlangen den Einsatz der zweistufigen Aufladung.
Der von MAN Diesel & Turbo für den Stationäreinsatz entwickelte zweistufig
aufgeladene Motor 18V48/60TS erreicht pe = 26,5 bar mit einem um 6 g/kWh ge-
ringeren spezifischen Kraftstoffverbrauch als der einstufig aufgeladene Basismotor
18V48/60B. Dazu trägt entscheidend der höhere Aufladewirkungsgrad des zwei-
stufigen Aufladesystems von ηTLK = 76 % gegenüber demjenigen der einstufigen
Aufladung von ηTLK = ηTL = 72 % bei, was ganz wesentlich auf den Effekt der Zwi-
schenkühlung zurückzuführen ist. Auch ein weiterer grundsätzlicher Vorteil der
zweistufigen Aufladung, die geringere Empfindlichkeit gegenüber einer erhöhten
Aufstellhöhe des Motors, konnte bestätigt werden. So kann der zweistufig aufge-
ladene Motor 18V48/60TS bis zur Aufstellhöhe von 3000 m seine Nennleistung
und dabei auch den spezifischen Kraftstoffverbrauch halten, während der einstu-
fig aufgeladene Basismotor 18V48/60B dabei eine Leistungseinbuße um 20 %, bei
einer gleichzeitigen Zunahme des spezifischen Kraftstoffverbrauchs um 2 g/kWh,
erfährt [25].
Bereits 1899, also schon zwei Jahre nach dem erfolgreichen Abnahmelauf des ersten
Dieselmotors, wurde – gegen den Rat von Rudolf Diesel – von Hugo Güldener ein
Zweitakt-Dieselmotor vorgeschlagen und auch konstruiert, der allerdings noch nicht
erfolgreich war [26]. Der erste lauffähige, als Schiffsmotor eingesetzte Zweitakt-
Dieselmotor wurde 1906 von der Firma Gebrüder Sulzer, Winterthur (Schweiz)
vorgestellt. Bald darauf folgten Motoren von den Firmen MAN, Krupp sowie
Burmeister & Wain. In den folgenden Jahrzehnten entstanden aus den genannten
und vielen weiteren Firmen Motoren mit unterschiedlicher Wirkungsweise (einfach-
wirkend, doppeltwirkend, Gegenkolbenmotor), mit unterschiedlichen Spülverfahren
(Querspülung, Umkehrspülung, Gleichstromspülung) und unterschiedlichen Auf-
ladeverfahren (mechanische Aufladung, Abgasturboaufladung, Kombination aus
mechanischer und ATL-Aufladung).
Nach einer Art „natürlicher“ Selektion existiert seit Anfang der 1980er Jahre
praktisch nur noch eine einzige Bauform, nämlich der einfachwirkende Zweitakt-
dieselmotor mit Gleichstromspülung ( = Längsspülung) und Abgasturboaufladung.
15.6 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 351
Abb. 15.43 Kennfelder von Leistung und Drehzahl für das Zweitakt-Dieselmotoren-Programm
von Wärtsilä. (Aus [27])
Auslassventils strömt das Abgas über den Auslasskanal, der zu seinem Ende hin
diffusorartig aufgeweitet verläuft, in die Abgassammelleitung. Diese führt als eine
Stauleitung entlang der Zylinderbank die Abgasteilströme aus den ihr zugeordne-
ten Zylindern zur Turbolader-Turbine bzw. zu den Turbolader-Turbinen. Je nach
Zylindergröße und Zylinderanzahl kann ein Motor mit bis zu vier (parallel arbei-
tenden) Turboladern ausgerüstet sein. Der Auslassventilhub wird bei diesem Motor
über einen Nocken gesteuert, der Nockenhub hydraulisch in den Ventilhub über-
setzt. Das Auslassventil verfügt über ein Flügelrad am Ventilschaft, über welches das
ausströmende Abgas dem Ventil eine Drehbewegung aufprägt. Wie auch schon in
Abschn. 15.5 zu den Mittelschnellläufern ausgeführt, wird über diese Ventildrehung
neben einer Vergleichmäßigung der thermischen Ventilbelastung eine Selbstreini-
gung des Ventilsitzes von Verbrennungsrückständen durch das schleifende Aufsetzen
des rotierenden Ventils erreicht.
Der vom jeweiligen Turbolader-Verdichter angesaugte und auf den Ladedruck
(= Spüldruck) verdichtete Luftmengenstrom wird dem mit Wasser gekühlten La-
deluftkühler (LLK) zugeführt, im Anschluss an den Ladeluftkühler das aus der
Ladeluft gegebenenfalls ausgefallene Kondenswasser (s. Abschn. 12.3) abgeführt,
und die so aufbereitete Spülluft schließlich in die Spülluftleitung eingeleitet. Von
dort strömt die Spülluft über die Einlassschlitze, sobald der Kolben diese freigibt, in
den jeweiligen Zylinder. Da die Einlassschlitze erst nach dem Auslassventil öffnen
15.6 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 353
Abb. 15.44 Motor MAN K98MC, mit D = 980 mm, s = 2660 mm, Pe /Zyl. = 6230 kW @ 97 min−1 .
(Aus [28])
– ein Steuerdiagramm für Gleichstromspülung zeigt Abb. 6.1 –, wirkt die Spül-
luft, die kälter und damit dichter als das abströmende Abgas ist, wie ein Kolben,
der das Abgas in Richtung Auslassventil schiebt (Verdrängungsspülung). Selbst bei
sehr großen Hub/Bohrungs-Verhältnissen kann dadurch bei vergleichsweise kleinem
Luftaufwand ( a ) ein sehr hoher Spülgrad ( s ) erreicht werden, der wesentliche Vor-
teil der Gleichstromspülung gegenüber der bis Anfang der 1980er Jahre auch noch
vertretenen Umkehrspülung.
Aus Abb. 15.44 ist auch die Einbaulage eines Hilfsgebläses zu erkennen. Abhän-
gig von der Zylinderzahl, können Motoren über bis zu vier, elektrisch angetriebene
Hilfsgebläse verfügen. Diese sorgen ab dem Start des Motors bis zu etwa 30 % Mo-
torlast (im Propellerbetrieb), zunächst alleine, dann die Turbolader unterstützend, für
354 15 Anwendungsbeispiele von aufgeladenen Motoren
eine ausreichende Spülluftversorgung des Motors (s. auch Abb. 10.39). Dazu sau-
gen sie die Luft hinter dem Ladeluftkühler an und fördern sie in die Spülluftleitung.
Wie schon in Abschn. 10.7 ausgeführt, können die Hilfsgebläse aber auch immer
dann zugeschaltet werden, wenn – etwa im Beschleunigungsfall – der vom Motor
an den Turbolader gelieferte Abgasenergiestrom nicht ausreicht, den gewünschten
Ladedruck darzustellen.
Das Aufladesystem eines Zweitakt-Dieselmotors kann noch über weitere spezielle
Funktionen verfügen, die hier auch anhand der Gegebenheiten beim Motorenpro-
gramm von MAN Diesel & Turbo aufgeführt werden sollen [29]. So können die
Turbolader-Turbinen mit einem verstellbaren Leitapparat (VTG) ausgerüstet sein
(s. auch Abb. 10.11). Ein Teil des Motorenprogramms wird mit variablem Aus-
lassventiltrieb ausgestattet. Auch wird die Einrichtung eines Exhaust Gas Bypass
(EGB) angeboten. Es handelt sich dabei letztlich um ein Abgas-Wastegate, wie es
bei Pkw-Motoren mit Fixgeometrie-Turboladern zur Anwendung kommt, allerdings
mit einer anderen Strategie der Turbolader-Anpassung (Matching). Während der
Wastegate-geregelte Turbolader des Pkw-Motors so an den Motor angepasst wird,
dass er mit geschlossenem Wastegate den für den Motorbetriebspunkt mit maxima-
lem Drehmoment erforderlichen Ladedruck erreicht, wird nach der EGB-Strategie
der Turbolader so an den Motor angepasst, dass er bei voll geöffnetem Wastegate
den für 100 % (Propeller-) Last erforderlichen Ladedruck liefert. Ab etwa 85 % Last
abwärts wird das Wastegate stetig enger gestellt und ist ab 70 % Last dann voll-
kommen geschlossen. Auf diese Weise wird im unteren (Propeller-) Lastbereich der
spezifische Kraftstoffverbrauch begünstigt, auf Kosten eines höheren spezifischen
Kraftstoffverbrauchs bei Lasten > 85 %, die im praktischen Schiffsbetrieb jedoch
jeweils nur kurzzeitig abgerufen werden.
Unter dem Verfahren Turbocharger Cut-out wird für Motoren, die mit mehr als
einem einzigen Turbolader ausgerüstet sind, die Möglichkeit zur Einrichtung einer
Art von einfacher Registeraufladung geboten. Dabei wird bei niedriger (Propeller-)
Last (nur) einer der Turbolader abgeschaltet, mit dem Effekt, dass die übrigen
Turbolader mit einem größeren Abgasenergiestrom versorgt werden und sich ihr
Betriebspunkt dadurch in den Bereich höheren Wirkungsgrads verschiebt.
Die Möglichkeiten der Abgaswärmenutzung nach Turbolader und gegebenenfalls
Nutzturbine, welche sowohl von MAN Diesel & Turbo als auch von Wärtsilä angebo-
ten wird, sind bereits unter Abschn. 11.2.3 behandelt worden. Auf die in Kooperation
von Wärtsilä und ABB Turbo Systems laufenden Entwicklungsarbeiten zur zweistu-
figen Aufladung von langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotoren [24] ist in Abschn.
10.6.1 hingewiesen worden.
Abbildung 15.45 zeigt den Querschnitt des Wärtsilä-Motors RT-flex 82C. Dass
dieser dem Querschnitt des in Abb. 15.44 gezeigten MAN-Motors sehr ähnlich ist, be-
stätigt die eingangs erwähnte „natürliche“ Selektion, was den konstruktiven Aufbau
der aktuellen Zweitakt-Dieselmotoren betrifft. Anders als beim Motor in Abb. 15.44
wird bei den Wärtsilä-RT-flex-Motoren das Auslassventil nicht über eine Nocken-
welle, sondern elektronisch gesteuert. Dabei wird das Hydrauliköl zum Betätigen
der Auslassventile zunächst von einer zentralen Pumpeneinheit einem Druckspei-
cher (Raildruck = 200 bar) zugeführt und von dort über je eine Steuereinheit zum
15.6 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 355
Abb. 15.45 Motor Wärtsilä RT-flex 82C, mit D = 820 mm, s = 2646 mm, Pe /Zyl. = 4520 kW @
76 min−1 . (Aus [27])
jeweiligen Auslassventil der Zylinder geleitet. Dadurch wird die Bewegung des
Auslassventils, so wie der Einspritzverlauf über das Common-Rail-System dieser
Motoren, vollkommen frei einstellbar.
Aus Abb. 15.45 lassen sich gut die beiden Ableitungsrohre erkennen, über die vom
tiefsten Punkt des Spülluft führenden Verbindungskanals zwischen LLK-Austritt
und Einlass-Sammelleitung das im Ladeluftkühler ausgefallene Kondenswasser
abgeführt wird.
Die absolut großen Abmessungen der langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotoren
werden in der Gegenüberstellung mit der Größe des Normmenschen auf der
Galerie des Motors in Abb. 15.44 deutlich. Als 14-Zylinder-Version wiegt dieser
Motor immerhin rund 2000 t. Betrachtet man andererseits solch einen Motor in sei-
ner Einbaulage im von ihm angetriebenen Containerschiff (Abb. 15.46), so stellt sich
der von ihm beanspruchte Einbauraum wiederum als relativ gering dar.
Die in Abb. 15.46 zusätzlich zur Hauptmaschine dargestellten (Schiffs-) Hilfsma-
schinen HM sind in der Regel abgasturboaufgeladene Viertakt-Dieselmotoren und
für die Stromversorgung des Schiffes im Hafen zuständig. Auf Fahrt wird in den
meisten Fällen die elektrische Energie über einen so genannten Wellengenerator
356 15 Anwendungsbeispiele von aufgeladenen Motoren
15.7 Flugmotoren
Einmotorige Propellerflugzeuge werden von Anfang an (s. Abschn. 3.3) mit Ver-
brennungsmotoren angetrieben und dabei lange Zeit praktisch ausschließlich mit
Ottomotoren. Seit einigen Jahren spielen auch dieselmotorische Antriebe eine zuneh-
mend wichtige Rolle. Als Flugmotoren aufgeladene Motoren einzusetzen, anstelle
von Saugmotoren, bringt zwei Vorteile. Zum einen ermöglicht die Aufladung, bis zu
einer bestimmten Flughöhe die gegenüber dem Betrieb am Boden gegebene Dich-
teabnahme der angesaugten Luft zu kompensieren und entsprechend damit auch die
Motorleistung konstant zu halten. Zum anderen wird durch Aufladung grundsätzlich
die Leistungsdichte eines Motors gesteigert bzw. das auf die Motorleistung bezogene
Motorgewicht verringert, was bei Flugmotoren in jedem Fall von Vorteil ist.
15.7 Flugmotoren 357
Abb. 15.48 Otto-Flugmotor Limbach L2400 DT/ET, Zusammenführung der vier Zylinder-
Abgasrohre vor der Turbine. (Quelle: Limbach)
Von jedem der vier Zylinder führt ein gesondertes Zylinder-Abgasrohr (s. Abb.
15.47) zur Turbolader-Turbine, vor deren Eintritt diese vier Einzelrohre entsprechend
einer Multi-Stoß-Aufladung zusammengeführt sind – Abb. 15.48. Dem Verdichter
des Turboladers ist ein Ladeluftkühler nachgeschaltet.
Die Anbaulage des Turboladers – sie liegt unmittelbar vor der Trennwand zur
Flugzeugkabine – bestätigt die Wichtigkeit des Turbolader-Containmenttests (s. Ab-
schn. 14.2.1). Würden nämlich bei einem Bersten des Turboladerrotors die Berstteile
nicht zuverlässig von den Turbolader-Gehäusen (Containment) zurückgehalten wer-
den, könnten sie unter Umständen die Trennwand zur Flugzeugkabine durchschlagen
und Insassen schwer verletzen.
Auf Abb. 15.47 sind auch die beiden Kühlluft-Kanäle, so genannte Lufthutzen, zu
sehen, welche Fahrtwind gezielt auf die zu kühlenden Oberflächen leiten.
Der Motor kann mit bleifreiem Benzin (min. ROZ = 98) oder mit Flugbenzin
(AVGAS 100LL) betrieben werden. Der Hersteller gibt 240 g/kWh als günstigen Wert
für den spezifischen Kraftstoffverbrauch des Motors (bei mittlerer Teillast) an.
Die Firma Centurion Aircraft Engines AG & Co. KG, in D-09356 St. Egidien,
baut Diesel-Flugmotoren, darunter auch ihren derzeit leistungsstärksten Typ, den
Centurion 2.0 S (s. Abb. 15.49). Die wichtigsten Motordaten gehen aus Tab. 15.9
hervor.
Dieser Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor verfügt über vier Ventile je Zylinder
und entsprechend über zwei (obenliegende) Nockenwellen (DOHC). Der Motor wird
um etwa 45◦ um seine Kurbelwellenachse zur Turboladerseite hin gekippt eingebaut,
wodurch sich seine Bauhöhe oberhalb der Kurbelwellenachse verringert. Zudem
15.7 Flugmotoren 359
und bei Betrieb in noch größerer Höhe die damit verbundene relative Leistungs-
reduzierung geringer zu halten, als dies bei einem Saugmotor der Fall wäre. Das
diesbezügliche Vermögen des hier betrachteten Flugmotors zeigt Abb. 15.52.
Demnach kann die Maximalleistung des Motors am Boden von 114 kW @
2300 min−1 bis zur Flughöhe von 2500 m gehalten werden. In 5000 m ist bei
nM = 2300 min−1 dann immerhin noch eine Motorleistung von 92 kW möglich, die
80 % der Maximalleistung entspricht.
Literatur 361
Literatur
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Sachverzeichnis
N R
Nachleitgitter, variables, 177 Rückexpansion, 43
Nachschmierung, 312 Rückkühlung, isobare, 255
NEDC-Kraftstoffverbrauch, 338 Rückschlagventil, 313
Nenndrehzahl, 158 Radiallagerung, 299
Nennleistungsbetriebspunkt, 78, 139 Radialturbine, 88, 93, 98, 155, 293, 306
Nennleistungspunkt, 77, 81 Radialverdichter, 23, 45, 54
Nennvolumenstrom, 56 Range-Extender, 3
Neuer Europäischer Fahr-Zyklus (NEFZ), 196 Rechenprogramm, 113
Neunzylindermotor, 136 Registeraufladung, 178, 189, 350
New European Driving Cycle, 284 Regulated Two-Stage Turbocharging, 190
Nickelbasis-Legierung, 295 Reibungskoeffizient, 52
Niederdrucklader, 187 Reibungsverlust, 52
Niederdruckluft (NDL), 10 Relativgeschwindigkeit, 47
Niederdruckturbine, Bypassventil, 193 Rennmotor, 69
Nimonic-Legierung, 308 Reserven, 1
Niresist D5S, 289 Resonanzaufladung, 9, 70, 209
NOx-Emission, 189, 339
Resonanzbehälter, 70
Nutzfahrzeugmotor, 204, 210, 236, 339
Resonanzrohr, 70
Nutzturbine, 225, 226, 228
Ressourcen, 1
Nutzturbinenabtriebswelle, 231
Restgas, 26
Nutzturbinenwelle, 239
Restgasausspülung, 59
Rezirkulationskanal, 178
O
Rootslader, 40, 44, 287
Optimalparabel, 54
Eaton-Bauweise, 198
Otto-Flugmotor, 18
Rundrohr-Kühler, 260
Ottomotor, 6, 13, 109
Runge-Kutta-Verfahren, 121
Abgasnachbehandlung, 281
Rußemission, 276
abgasturboaufgeladener, 166, 194
Registeraufladung, 182
Oxidationskatalysator, 281, 322, 341 S
Saint-Venantsche Durchflussgleichung, 86
P Sandgussverfahren, 290
Partikelemission, 282, 339 Saug-Ottomotor, 69, 319
Partikelrohemission, 344 Saugarbeit, 69
Peak-Oil, 1 Saugbetrieb-Volllastpunkt, 199
Phänomen des Pumpens, 54 Saugdruck, 43
Piezo-Common-Rail-Einspritzsystem, 337 Saugmotor, 195
Pkw-Dieselmotor, 332 Ladungsmenge, 275
Pkw-Ottomotor, 322 Ventilüberschneidung, 59
Pneumatic Booster System, 205 Volllast, 76, 329
Polytropenexponent, 38 Saugmotor-Volllastkurve, 161
Programmsystem Saugrohr, 69
nulldimensional modelliertes, 126 Saugrohrlänge, variable, 7
PROMO, 128 Saugsystem, abgestimmtes, 67
Propellerbetrieb, 78, 81, 156, 181 scavenge-air receiver, 197
Sachverzeichnis 369