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Zum Geleit

Eine Fundgrube für jeden Hundehalter


Der Weg vom Wolf zu den Hunden und Menschen wird hier auf das
Allerfeinste und in vielerlei Hinsicht so gelungen gezeichnet, dass es
begeistert. Die Tiefe der Inhalte hat mit der langjährigen
Beobachtung von Wölfen zu tun, mit dem empirischen Wissen über
Hunde und deren Probleme im Zusammenleben mit Menschen und
vice versa, insbesondere aber damit, dass Günther Bloch sich in die
Biologie von Wölfen und Hunden hineingearbeitet hat, kontrovers
Meinungen zu diskutieren vermag und eigene Standpunkte
entwickelt, revidiert, wenn er Neues erfährt – und voller
Begeisterung und Neugier forscht.
Ich danke Günther für seine verhaltensbiologische Betrachtung des
Hundes. Über die Biologie von Hunden wird heute ja kaum
reflektiert, es geht überwiegend um lerntheoretische
„Fingerübungen“, mehr oder weniger subjektiv variiert, um Hunde in
ihrem Verhalten zu verändern. Verhaltenstherapeutisch (ein
schwieriger Begriff, da er impliziert, was er nicht halten kann)
interessiert hundliches Verhalten meist nur insofern, als Reize und
Reaktionen in möglichst einfacher Beziehung zueinander
beschrieben werden, um Konditionierungen zu veranschaulichen.
Ihre Ursachengeflechte werden also kaum innerhalb des Tieres in
seinen situativen Kontexten gesucht, sondern äußerlich sichtbares
Verhalten und dessen Instrumentalisierung stehen im Zentrum des
Mühens.
Die Biologie des Wolfes und des Hundes als Schlüssel zum
Verständnis von Motivationen, Funktionen und Absichten des
Verhaltens gerade der Haushunde stößt hingegen oft auf
Missverständnis (der Wolf als „Idealhund“) bzw. der Biologie der
Hunde wird kaum Beachtung geschenkt. Für mich ist dieser
(biologische) Weg der „Königsweg“ – und dieses Buch beweist es.
Hier wird keine Methode als Nonplusultra der Hundeerziehung
angepriesen, nicht angelesenes Wissen zur Etablierung des
Hundetherapeuten drapiert, sondern aus dem vollen Wissen
geschöpft.
Gewiss, Günther Bloch ist eine Persönlichkeit, einer mit Ecken und
Kanten, der polarisiert. Wie gut, dass es so einen in unserer auf
„Gleichschaltung“ bedachten Welt ab und zu noch gibt ...
Günther beginnt mit Fug und Recht mit dem Verhalten von Wölfen.
Ohne Kenntnisse zum Wolfsverhalten ist der Hund in seiner
Verhaltensvielfalt einerseits und den grundsätzlichen
Übereinstimmungen mit seiner Stammart andererseits wohl kaum
einem Verständnis zuzuführen. Und nur so können tradierte
Märchen „entzaubert“ werden – etwa die „Macht“ von Wolfseltern,
die primär auf Erfahrung beruht (Zitat Günther Bloch). Wie sich die
Ergebnisse doch gleichen: Die an unseren Gehegewölfen in langen
Jahren und an verschiedenen Rudelkonstellationen gewonnenen
Daten und Günthers Erkenntnisse ergänzen einander wunderbar.
Die große Variabilität, fußend auf den jeweiligen
Beziehungsgeflechten, kennen wir auch, versuchten ihnen gerecht
zu werden.
Es gibt Jungwölfe, die enge Beziehungen zu den Elterntieren
etablierten, und andere, die wir herausnehmen mussten, um ihnen
einen eigenen Beginn zu ermöglichen. Es gibt ja auch nicht die
Gehege-Untersuchungen. Unsere Daten fußen auf Lebensdaten,
da ist viel aufeinander bezugnehmend zu analysieren. Und unsere
Hypothesen sind nicht unter Freilandbedingungen geprüft worden,
benötigen jedoch diese, um insgesamt ein dichtes Datennetz zu
ergeben. Die Rolle der Wolfseltern, beleuchtet aus unterschiedlichen
Blickwinkeln, erarbeitet an Wolfsgruppen in verschiedenen
Lebenssituationen, sieht bei Günther wie nach unseren Analysen
entsprechend variabel aus – und wird damit verständlicher. Eine
Gleichverteilung bezüglich verschiedener Verhaltensweisen in den
Wolfswelpen-Interaktionen fanden auch wir keineswegs. Vielmehr
ausgeprägte Individualitäten. Was sie für das Tier in seiner
Gruppenkonstellation jeweils bedeuten könnten, wird erarbeitet, ist
sicher nicht schlicht mit „dies oder jenes“ zu beantworten. Man wird
ja so vorsichtig im Laufe längerer Forschung – und genau das
zeichnet Günther aus! Er hat keine Probleme mit gehabten
Irrtümern. Das spricht für ihn, seine Neugier und sein ständiges
Infragestellen von „Fakten“ oder „Tradiertem“ – oder „Anekdoten“?
Es gibt somit viele Übereinstimmungen, natürlich nicht 1:1
übertragbar. Das wäre unzulässig und recht unklug. Wölfe haben
eine „Familienstruktur“. Sicher, es sind komplizierte soziale Gruppen.
Ich fand den „Alpha-Wolf“ auch nie so treffend, weil missverständlich
und reichlich missverstanden (insbesondere bezüglich der
Beziehung Mensch/Hund!). Verwenden wir ihn für die jeweilige
soziale Gruppe in einem definierten, durch Daten belegten Zeitraum,
macht er doch Sinn, übergeordnet wird er schlicht falsch.
Thesen und Überlegungen gibt es auch zum Themenkomplex Co-
Evolution/Domestikation. Der Mensch als „soziales Tier“ findet
Beachtung wie Vergleiche verschiedener Canidengesellschaften, vor
der Konzentration auf den heutigen Hund.
Zu Hunden und Menschen und den Problemen beider miteinander,
bietet Günthers Buch wiederum eine Fundgrube. Er listet Richtungen
und Arbeitsweisen mit Hunden auf, gewichtet klug und diskutiert
kontrovers, mit Abstand und Humor. Was er schreibt, liest sich leicht
und gut – und man kommt immer wieder ins Grübeln, weil er zu gern
in wahre „Wespennester der Widersprüchlichkeit“ sticht, nichts
einfach übernimmt.
Viele Therapeuten gehen heute, wie ehemals extreme
Behaviouristen, davon aus, dass jedes Verhalten durch eine
erworbene Konditionierung geprägt ist, ihre Verhaltenstherapie ist
dominiert von lerntheoretischen Prinzipien. Das jeweilige Symptom
wird zu sehr oder ausschließlich in Abhängigkeit von
Umweltbedingungen gesehen. So entfernen sich Hunde vom Hund
...
Schlecht angepasste Reaktionen sollen durch Lernen bzw. Wieder-
Erlernen überwunden werden. Durch operantes oder klassisches
Konditionieren, Modelllernen oder Gegenkonditionierung soll das
„falsch gelernte“ Verhalten geändert werden. Was „falsch“ ist,
bestimmt der Hundehalter oder sagt ihm der Therapeut.
Günther Bloch geht biologisch vor, natürlich erläutert er die
lerntheoretischen Möglichkeiten von Hunden in aller Vielfalt. Und er
holt etliche „geheimnisumwitterte Methoden“ auf den Boden zurück,
indem er sie schlicht und einfach benennt und erklärt. Aber das ist
nur ein Aspekt eines rundum gelungenen Buches über Wölfe und
Hunde.
Ich habe es mit großer Freude gelesen und ich wünsche ihm den
verdienten Erfolg!

Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen


Ethologin am Institut für Haustierkunde der Universität Kiel
© Günther Bloch

Ein Leben für die Wölfe


Das erste Mal traf ich Günther Bloch in den kanadischen Rocky
Mountains, wo ich als Verhaltensökologe an frei lebenden
Grauwölfen arbeitete. Hier lebte ich mit meinen beiden Hunden
Jesse und Shiba. Es begann eine spontane und bis zum heutigen
Tage andauernde Freundschaft, die durch ein gemeinsames Faible
geprägt ist: Wolfs- und Hundeverhalten.
Für mich war Günther Bloch eine Bereicherung, eine wandelnde
Enzyklopädie zu unseren Haushunden. Er forderte auch irgendwie
die etablierten Prinzipien der Hunde-Ethologie heraus. Ich erinnere
mich genau, wie ich damals dachte: Da ist jemand gekommen, der
meine Sprache spricht, allerdings ist diese Sprache mit einem viel
größeren Vokabular ausgestattet. Ich spreche in diesem
Zusammenhang nicht über die deutsche Sprache oder meine
Muttersprache Englisch.
Ich spreche vielmehr von jener multidimensionalen Sprache, die
Hunde im Umgang mit uns Menschen „sprechen“. Dann dachte ich:
Da kommt einer, der versteht nicht nur meine Passion für Caniden,
sondern sogar mein akademisches Interesse. Letztendlich traf ich
jemanden, von dem ich noch etwas lernen konnte.
Günther Bloch ist mit seinem Wissensstand niemals zufrieden. Er ist
stets motiviert, Feinheiten, welche schließlich die Hundewelt
charakterisieren, weiter analytisch zu erforschen. Sein nicht enden
wollender Durst nach Wissen zeigt sich besonders in der
disziplinierten Arbeit, während er frei lebende Wölfe in den Rocky
Mountains beobachtet. Er verbringt Stunde um Stunde völlig allein,
abgeschieden von jeglicher Zivilisation in der Wildnis, wo er
Verhaltensweisen, besonders aber die Interaktionen zwischen
erwachsenen Wölfen und ihren Welpen gewissenhaft und akribisch
genau notiert. Die Einsichten, die er bei seinen
Verhaltensbeobachtungen an Wölfen gewonnen hat, ermöglichen
uns das einmalige Verstehen, ob und wie erwachsene Wölfe ihre
Welpen „trainieren“ und wie sie in eine Wolfsgesellschaft
hineinwachsen. Günther Bloch hat seine Erkenntnisse in einer sehr
originellen und cleveren Weise in die von ihm propagierten
Hundeerziehungsmethoden integriert. Dies erlaubt uns allen, von
diesem Informationsreichtum zu profitieren.

Die Beziehung der Wolfseltern zu ihrem Nachwuchs


Ich glaube, dass die Entschlüsselung der Frage, wie sich Wölfe
gegenüber ihren Welpen verhalten, der Schlüssel zur
Hundeerziehung ist.
Artgerechte Trainingsmethoden für Hunde zu entwickeln erfordert
nicht nur einen detaillierten Wissensstand, sondern auch Intuition
und Respekt. Günther Blochs Fähigkeit, erfolgreich die Wissenschaft
des Hundeverhaltens (die Mechanismen, die erklären, warum Hunde
etwas tun) in die wesentlich abstraktere und auch wenig
verstandene Symbiose Mensch/Hund zu integrieren, ist sehr
beeindruckend.
Die Symbiose Mensch/Hund ist für mich äußerst schwer zu
beschreiben, weil sich die traditionelle Wissenschaft nicht mit
Emotionen beschäftigt. Wie auch immer, Emotionen sind
essenzieller Teil einer lang andauernden Partnerschaft zwischen
Mensch und Hund. Natürlich können wir Hunde leicht trainieren,
sodass sie sich wie Roboter verhalten.
Die Freude aber, einen Haus- und Familienhund an der Seite zu
haben, sollte eher einer Art Liebesbeziehung gleichen. Von einem
Computer können wir gleich bleibende, zuverlässige und
automatische Reaktionen auf zuvor vermittelte Signale erwarten. Ein
Hund aber, der sogar eine gewisse Abhängigkeit vom Menschen will,
würde sicherlich liebend gern nach Günther Blochs Richtlinien
trainiert werden, um ein glücklicher Hund zu sein.

Dr. Paul Paquet,


Verhaltensökologe mit Gastprofessur des Departments für Biologie
an der Universität Calgary in Alberta/Canada
© Günther Bloch

Für ein besseres Verständnis von Mensch und Hund


Hunde sind ein evolutionäres Phänomen. Sie sind sehr erfolgreiche
Säugetiere mit einer geschätzten Verbreitung von 100 Millionen
Exemplaren allein in den USA und Europa.
Vergleicht man diese Anzahl mit einigen tausend im gleichen
Verbreitungsgebiet lebenden Wölfen, die als Stammform gelten,
macht sich Erstaunen breit. Sowohl in den USA als auch in Europa
gilt der Wolf als bedrohte Tierart. In manchen Gebieten wird mittels
eines Millionenbudgets versucht, den Wolf wieder anzusiedeln bzw.
zu schützen. Die Amerikaner unterstützen viele Programme, um das
Überleben von Grau- und Rotwölfen wenigstens in Nationalparks
sichern zu können. Langzeitpläne bestehen auch für die
Wiedereingliederung des mexikanischen Wolfs in Teilen seines
ehemaligen Lebensraumes. Die Europäer haben begonnen, sich
über so genannte „Wanderkorridore“ Gedanken zu machen, um auf
Dauer keine isolierten und somit genetisch bedrohten Populationen
entstehen zu lassen. Wiedereinbürgerungsversuche oder
Schutzmaßnahmen kosten viel Geld, und die Spezies Wolf wird
auch zukünftig unsere Aufmerksamkeit brauchen.
Hunde haben solche Probleme nicht. Sie leben in unseren
Hausständen oder zumindest in der Nähe des Menschen. Sie leben
auf allen Kontinenten, sieht man von der Antarktik einmal ab.
Der Versuch, sie in bestimmten Gebieten auszurotten, ist nie
erfolgreich gewesen. So bedrohen sie z.B. auf den Galapagosinseln
dort lebende Tierarten, die zu den seltensten unseres Planeten
gezählt werden. Der Wolfsforscher Luigi Boitani nimmt an, dass halb
verwilderte Hunde für den frei lebenden Wolf Italiens durchaus eine
Gefahr darstellen können. Die ca. 800.000 streunenden bzw. halb
verwilderten Hunde sind teilweise Nahrungskonkurrenten des
Wolfes. Sie verpaaren sich mitunter und verändern sich dadurch
auch genetisch.
Auch Hund und Mensch konkurrieren um Nahrungsressourcen.
Gerade in unseren Industrieländern beinhaltet das kommerzielle
Hundefutter u.a. auch Beiprodukte menschlicher
Nahrungsgrundlagen. Eine Milliarden umsetzende
Hundefutterindustrie wird selbstverständlich auch von Landwirten
beliefert. Das bedeutet, dass ein Hund, Kilo für Kilo, in etwa doppelt
so teuer ist wie ein Mensch. Die etwa 65 Millionen Hunde
Nordamerikas verbrauchen die gleichen bzw. im Mittelwert sogar
mehr Kalorien als alle menschlichen Einwohner der Megastädte New
York und Chicago zusammen!
Unter Berücksichtigung ihrer Variabilität und ihrer weit verbreiteten
Lebensweise als Begleiter oder Assistent des Menschen wissen wir
nicht sehr viel über Hundeverhalten – besonders nicht, wenn wir das
Verhalten ihres Stammvaters Wolf im Vergleich sehen. Genau das
ist der Grund, warum Günther Blochs Buch so wichtig ist. Aufgrund
ihrer engen Verwandtschaft sind Wolf und Hund in unseren
Gedanken irgendwie miteinander in Verbindung zu bringen, denn wir
erkennen den Wolf innerhalb des Hundeverhaltensrepertoires immer
wieder.
So genannte Hundeexperten reden stets darüber, wie man einen
Hund nach Wolfsmanier zu dominieren hat. Es fällt auf, dass diese
„Experten“ in Wahrheit niemals Wölfe studiert haben. Auf der
anderen Seite kennen die meisten Wolfsforscher wiederum Hunde
nur in einer sehr unprofessionellen Weise. Viele Wolfsforscher, die
ich kenne, besitzen noch nicht einmal einen eigenen Hund.
Hier liegt uns nun ein neues Buch vor, dessen Autor einerseits
tausende von Hunden und deren Halter trainiert hat, andererseits
aber auch seit vielen Jahren Tage, Wochen oder Monate in der Nähe
der Höhlenkomplexe frei lebender Wölfe in Kanada verbringt. Er
bringt deshalb einmalige Erfahrungen ein, um Hundeverhalten
besser zu verstehen. Günther Blochs Buch ist für mich auch in einer
interessanten Weise gegliedert. Das erste Kapitel beschäftigt sich
zunächst mit den Freilandbeobachtungen, die der Autor an frei
lebenden Wölfen gesammelt hat. Dies vermittelt dem Leser
Hintergrundwissen, um die Basis von Verhaltensprinzipien eines
Caniden zu verstehen, der ein unverfälschtes Leben führt, indem er
seinen Nachwuchs aufzieht und beschützt.
Hier sehen wir Verhalten in Form einer adaptiven Strategie in Bezug
auf Nahrungsbeschaffung, Reproduktion und Gefahrenvermeidung.
Dies sind die notwendigen Prinzipien, die alle lebenden Kreaturen
motiviert.
Nachdem der Hund eine symbiotische Beziehung mit dem
Menschen eingegangen ist, haben sich die Regeln des
Überlebenskampfes drastisch verändert. Der Mensch stellt Nahrung
bereit, sodass die Strategien zur Nahrungsbeschaffung – wie
Aufspüren, Hetzen und Töten von Beute – wegfallen.
Auch die Reproduktion ist für den modernen Haushund gesichert,
sodass er auch hier nicht mehr mit Nebenbuhlern konkurrieren
muss. Die Gefahren des Lebens sind nicht mehr länger gefährliche
Braunbären oder etwa Steinadler, die mitunter Welpen erbeuten,
sondern liegen in der Auseinandersetzung mit dem Menschen, wenn
sich der Hund „verhaltensauffällig“ zeigt. Die Motivation frei lebender
Wölfe zu verstehen ist meist einfacher als zu verstehen, warum
Hunde tun, was sie gerade tun. Der Hauptteil des Buches
beschäftigt sich sehr detailliert mit dieser Fragestellung.
Später „bringt“ uns der Autor wieder zurück in die Wildnis und
vergleicht nochmals die umweltbedingten Verhaltensanpassungen
von Hund und frei lebenden Caniden. Wir erfahren etwas über die
Arbeit des großen russischen Genetikers Dmitri Belyaev und die
Domestikationserscheinungen seiner Füchse. Sind diese
Erkenntnisse auf das übertragbar, was wir über Hunde wissen? Und
was ist mit den Wölfen? Viele von ihnen schleichen um unsere
Müllhalden herum, und einige ernähren sich natürlich auch von
unseren Nutztieren. Sind diese Wölfe vielleicht schon Hunde im
Wolfspelz?
Dieses außergewöhnliche Buch von Günther Bloch wird dem Leser
helfen, unsere Hunde um einiges besser zu verstehen – und in
einem gewissen Sinne Verständnis wecken für die Sichtweise des
Hundes.

Ray Coppinger
Prof. der Biologie
Hampshire-College, Mass./USA
© Günther Bloch

Zu diesem Buch
Wir schreiben den 18. November 2003. Wie zu jedem Winteranfang
in den letzten fünfzehn Jahren landen meine Frau Karin, unsere
Hunde und ich auf dem Flughafen von Calgary in Kanada.
Dackelhündin „Kashtin“, mittlerweile fast elf Jahre alt, hat den Flug
im Passagierraum in ihrer Tragetasche problemlos überstanden.
Über die Jahre hinweg hat sie sich zum Flugprofi entwickelt.
„Jasper“, unser fast achtjähriger Laika-Rüde, verbrachte den Flug
notgedrungen wieder im Laderaum des Flugzeugs. Aber auch er ist
wie immer okay.
Einem weniger nervenstarken Hund hätten wir die Prozedur des
Fliegens nicht zugemutet.
Seit der ersten Veröffentlichung dieses Buches (1997) habe ich
während der letzten sieben Jahre unzählige
Fortbildungsveranstaltungen im In- und Ausland besucht. Man lernt
schließlich nie aus. Im gleichen Zeitraum habe ich selbst über
hundert Seminare in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen,
Spanien, den USA und Kanada abgehalten, mehrere große
Fachsymposien organisiert, mit etlichen tausend Hundehaltern
diskutiert und natürlich unzählige Vierbeiner kennen gelernt – alles in
allem: Ich habe eine Fülle neuer Erfahrungen gesammelt, die
selbstverständlich in dieser Neuauflage Beachtung finden.
So sitze ich nun an meinem Schreibtisch und überdenke noch
einmal, wie der weitere Textverlauf zu gestalten ist. Einige
Abschnitte des Originaltextes kann ich freilich übernehmen, weil sie
nach wie vor Gültigkeit besitzen. Andere Textpassagen fallen
gnadenlos dem Rotstift zum Opfer, weil sie entweder überholt sind
oder, wie beispielsweise die Verhaltensbeobachtungen an
Hundegruppen, separat publiziert werden. Ein paar Ansichten
musste ich zudem revidieren, auch mich kann keiner daran hindern,
mit der Zeit etwas klüger zu werden. Man mag argumentieren:
„Siehe da, jetzt hat der Bloch seine Meinung hinsichtlich der
Behandlung von Haushunden geändert. Wem kann man heute noch
trauen?“ Nun, zu meiner Verteidigung sei angeführt, dass die
beharrliche Beibehaltung der eingefahrenen Meinung in meinen
Augen nichts anderes als geistigen Stillstand bedeuten würde und
dass Verhaltensstudien an Wölfen und Hunden auch in Zukunft zu
neuen Erkenntnissen führen werden. Im Übrigen gilt der Grundtenor
meiner Aussage, dass nämlich Wolfs- und Hundeverhalten nicht zu
verallgemeinern sind, auch wenn ich heute einige Nuancen anders
bewerte. In der Konsequenz gestaltet sich dieses Buch dennoch
erheblich umfangreicher und übersichtlicher.
© Günther Bloch
Karin Bloch mit Jasper, Kashtin und Taiga

Wie viel Wolf steckt im Hund?


Der Buchtitel wirft in erster Linie die Schwerpunktfrage auf, die
derzeit in Deutschland und darüber hinaus heiß diskutiert wird: In
welchem Verhältnis stehen Urahn Wolf und unsere heutigen
Haushunde eigentlich noch zueinander?
Daran knüpft unmittelbar die Frage an, ob man Wolf und Hund –
respektive deren arttypische Verhaltensweisen – überhaupt
vergleichen kann und soll. Der Verhaltensvergleich zwischen Wolf
und Hund darf nicht gleich bedeutend sein mit einer Gleichsetzung,
die vielerorts Mode zu sein scheint. Da ist von Straßenhunden die
Rede, welche kaum noch auf die Jagd gehen und sich stattdessen
zu Nahrungsabstaubern entwickelt haben. Doch Straßenhunde
verhalten sich ebenfalls nicht alle gleich und verfügen über ein
Verhaltensrepertoire, das sich von dem bestimmter Haushundetypen
extrem unterscheidet. Betrachtet man beispielsweise eine
hochgezüchtete Rennmaschine wie den Greyhound, so sehen wir
einen Hetzjäger, der sowohl geistig als auch körperlich alles andere
als ein Nahrungsabstauber ist, sich vielmehr in vielerlei Hinsicht
besonders wölfisch verhält. „Hat man einen Wolf gesehen, kennt
man sie alle“, schreibt etwa der Biologe R. Coppinger (2003). Sofort
stürzt sich die Hundeszene gierig auf dieses Argument, weil es
gerade ins Modekonzept der aktuellen Hundeerziehung passt. „Der
Wolf, das unbekannte Wesen“, kann ich hier nur sagen. Leider
gehen viele Menschen von folgenden Klischees aus: Der „Alphawolf“
bestimmt das Tagesgeschehen, frisst immer zuerst und führt
jederzeit das Rudel an. So weit die gängige Meinung. Woher
stammen aber die Informationen über Wolfsverhalten? Primär von
Forschern und Enthusiasten, die Verhaltensauflistungen an
Gefangenschaftswölfen erstellt haben. Wir werden jedoch anhand
konkreter Beispiele erfahren, dass sich die Sozialstruktur einer
klassischen Wolfsfamilie in der Wildnis bei weitem nicht so extrem
am ungeschriebenen Gesetz der Hackordnung orientiert, wie wir
lange Zeit annahmen. Entschuldigung, liebe Anhänger des
„Alphawolf-Konzepts“!
Eine Wolfsfamilie als demokratisches Gebilde anzusehen oder die
enge Verwandtschaft zwischen Wolf und Hund grundsätzlich in
Frage zu stellen, wäre allerdings ebenfalls grundfalsch.
Entschuldigung, liebe „Softies“!
Was ich mit diesem Buch beabsichtige ist einerseits, auf die ohne
Zweifel vorhandenen gemeinsamen Wurzeln der Biologie zwischen
Wolf und Hund hinzuweisen, andererseits aber auch
Verhaltensunterschiede aufzuzeigen. Alle mir bekannten
Wissenschaftler stimmen in einem überein: Keine durch den
Menschen domestizierte Tierart zeigt ein solch breites Spektrum an
Größen, Farben, Fellstrukturen oder Ausdrucksformen. Selbst unter
Wurfgeschwistern der gleichen Rasse gibt es die verschiedensten
Temperamente und Charaktere zu beobachten. Die Gene des
Hundes veränderten sich im Laufe der Haustierwerdung sehr
ausgeprägt. Der Hund avancierte zu dem Sozialkumpan des
Menschen, weil er eine unglaubliche Flexibilität und
Anpassungsfähigkeit entwickelte.
Auch wenn Wolf und Hund heute unterschiedliche Lebensräume
besetzen, bleibt dennoch ein weiterer Fakt unbestritten: So mancher
Hundebesitzer beklagt eher generell eine typische Unart seines
Canis lupus familiaris „vagabundus“: Der verdammte Hund haut ab
und jagt! Und schon bricht wieder das angeblich zu bezweifelnde
Erbe des Wolfes durch: Eigennutz und momentane
Unkontrollierbarkeit. Die frohe Botschaft: Vagabundus ist lernfähig.
Die schlechte Botschaft: Eigenständig biologisches Wesen (Hund)
hin oder her, sein Sozialpartner Mensch ist erzieherisch gefordert
und damit mitunter völlig überfordert. Deshalb möchte ich unter
anderem zu einer wichtigen Frage, die Hundebesitzern mehr denn je
unter den Nägeln brennt, Stellung beziehen: Was mache ich bloß mit
einem schlechtführigen Hund? Wie kann ich das Verhalten meines
Hundes richtig deuten und ihn so halten, dass seine Bedürfnisse
nicht zu kurz kommen?
© Günther Bloch
Ob Leittier-Qualitäten vom Erbgut oder letztlich doch nur von Umwelteinflüssen
bestimmt sind, bleibt wissenschaftlich weiter umstritten. Eigene
Forschungsergebnisse legen den Schluss nahe, dass gerade die ranghöchsten
Jungtiere einer Wolfsfamilie ihre Eltern am frühesten verlassen, um schon im Alter
von ca. 20 Monaten nach einem eigenen Lebenspartner Ausschau zu halten.

Hundeerziehung aus heutiger Sicht


Womit wir beim Kern endloser Debatten unter Hundebesitzern,
Trainern, Tierärzten und Therapeuten angekommen wären:
Schlagworte wie „Alphatier“, „Rudelführer“, oder „Dominanz“ machen
die Runde. Jeder interpretiert diese Begriffe anders.
Manche Hundetrainer wollen sogar den ethologisch feststehenden
Begriff der Bindung – beziehungsweise deren Existenz generell – in
Frage stellen. Sie sprechen stattdessen von „Kontrolle“ oder im
Umkehrschluss von „Kontrollverlust“. Jedes in Gruppen lebende
Säugetier unterhält eine Fülle von Sozialbeziehungen, ohne die ein
Zusammenleben in der Gruppe nicht möglich wäre. Diese
Grundsatzregel gilt selbstverständlich auch für den Hund.
Was die praktische Umsetzung von Hundeerziehungsmethoden
anbelangt, diskutiert man in letzter Zeit noch eine wahre Schwemme
US-amerikanischer Weisheiten, die fast ausnahmslos auf rein
psychologischen Regeln fußen. Kein zeitgemäßer Hundetrainer
bestreitet die Richtigkeit psychologischer Lernregeln. Und kein
Mensch bezweifelt ernsthaft, jeden Hund unabhängig von Rasse,
Größe oder Geschlecht erziehen zu müssen. Bei der Erziehung
eines Hundes gilt es jedoch auch die mindestens genauso wichtigen
Regeln der Verhaltensbiologie zu beachten. Hunde haben nämlich
biologische Grundbedürfnisse, denen der verantwortliche
Hundehalter Rechnung zu tragen hat.
Ist die in den USA ziemlich einseitig propagierte „Hundeerziehung
ohne Strafen“ nun das Ei des Kolumbus? Nein. Auch wenn dies des
Öfteren behauptet wird, so handelt es sich nicht um die große
Revolution. Bevor der deutsche Hundebesitzer nordamerikanische
Philosophien kopieren möchte, sollte er wissen: Unsere Hunde
nehmen täglich am öffentlichen Leben teil. Sie begleiten uns in
Restaurants und Cafés, auf dem Weg zur Bank oder in die Post,
sitzen neben uns im Bus oder der Bahn. Sie bewegen sich
normalerweise frei innerhalb unseres Hausstandes.
In Nordamerika sind Hunde hingegen im öffentlichen Leben fast
überall unerwünscht, zumindest in den riesigen Ballungsräumen. In
Geschäfte oder Speiselokale dürfen Hunde nicht mitgebracht
werden. Man hat „hygienische“ Bedenken. Mit einem Hund
regelmäßig spazieren gehen? In Nordamerika fast schon utopisch.
Wenn überhaupt, rennt man schnell um den Block oder überträgt
eine solch lästige Aufgabe dem professionellen „Dog-Sitter“, der mit
etlichen, permanent angeleinten, Hunden durch die Landschaft läuft.
Signale aus der Umwelt, die zum Beispiel von einem Feldhasen oder
von einem Reh im Wald ausgehen, spielen für den Hund in Amerika
kaum eine Rolle. Ein Hotel zu finden, das auch Vierbeiner akzeptiert,
bedeutet für den Hundebesitzer fast immer einen wahren
Spießrutenlauf. Im Haus verbringt der überwiegende Teil der
Vierbeiner sein Leben in so genannten „home-kennels“, also in
kleinen Laufställen. Das macht weniger Arbeit. Eine Kastration steht
für fast jeden Hund schon als Welpe an. Manche Veterinäre raten
dazu, die Stimmbänder eines Hundes zu durchtrennen, wenn er zu
viel bellt. Sollte ein Hund zur Geräuschempfindlichkeit neigen, so
gibt es Ohrenschützer für ihn. Man verkauft Welpen ohne Bedenken
in Hundesupermärkten – tagaus, tagein sitzen die Kleinen dort in
winzigen Käfigen. Während der Hundeausstellung besprüht man das
Fell von Königspudeln mit den Farben der amerikanischen
Nationalflagge. Patriotismus hat in den USA einen extrem hohen
Stellenwert. Und zu allem Überfluss kann man in manchen
Großstädten unerwünschte und überflüssig gewordene Hunde in
speziellen Containern auf öffentlichen Plätzen „entsorgen“. Wollen
wir unseren Hunden in Deutschland ernsthaft „amerikanische“
Verhältnisse zumuten?
Auch wenn sich meine Ausführungen zugegebenermaßen teilweise
ein wenig überspitzt darstellen, sollte man doch ins Grübeln
kommen, oder?
Anstatt sich mit abstrusen Spekulationen auseinander setzen zu
müssen, denen fast immer völlige Verallgemeinerungen zugrunde
liegen, erfährt der interessierte Leser hier alles Wissenswerte über
Wolf und Hund sozusagen aus erster Hand. Wir haben zwölf Jahre
damit verbracht, kontinuierlich mehrere Wolfsfamilien in freier
Wildbahn zu beobachten. Zum ersten Mal überhaupt ist es uns
gelungen, frei lebende Wölfe an die Gegenwart und die Geräusche
eines Autos zu gewöhnen, sodass wir mobil folgend ihr
Familienleben im Sommer und im Winter über weite Strecken
begleiten und beobachten konnten. Ein Novum in der
Wolfsforschung! Wir waren überrascht, wie viele Klischees es zu
berichtigen gilt. Genau das wollen wir mit diesem Buch tun und
damit jedem Hundebesitzer die Fakten vermitteln, damit er – auch
gegenüber vielen Hundetrainern – präzise argumentieren kann.
Immer wieder wird behauptet, im Hund seien generell noch 70 bis
80% „wölfisches“ Repertoire vorhanden. Eine solch pauschale
Betrachtungsweise wird jedoch der unglaublichen Vielfalt unserer
Hunde nicht gerecht, keine Funktionskreiszuordnung wird hinterfragt
und der Einfluss des Menschen wird nur in ungenügender Form
reflektiert. Gleiches gilt für das andere Extrem, nämlich die engen
Verflechtungen zwischen Wolf und Hund grundsätzlich zu leugnen.
Auch zu diesem Thema nehme ich gern Stellung, denn ich führe nun
einmal seit etlichen Jahren sowohl Wolfs- als auch
Hundeverhaltensstudien durch.

© Uwe Brauns
© Uwe Brauns
Wölfe sind (wie Hunde) offensichtlich nicht nur in der Lage, Autos anhand von
visuellen Erscheinungsbildern und unterschiedlichen Motorengeräuschen
voneinander zu unterscheiden. Unter bestimmten Umständen legen sie ihre
natürliche Scheu ab und bauen gegenüber individuellen Fahrzeugen Vertrauen
auf. Uns kam die Präsenz der eigenen Hunde zugute, die uns stets im selben Auto
begleitet haben und deren Geruch die Wölfe anscheinend unwiderstehlich fanden.

Der Untertitel dieses Buches heißt bewusst: Hundeerziehung aus


unterschiedlichen Perspektiven. Das bedeutet vor allem eine
sachliche Auseinandersetzung mit konträren Meinungen. Ich war
zeitlebens bereit, meine Meinung aufgrund stichhaltiger Argumente
zu ändern, und hoffe inständig, dass gerade
„Glaubensfundamentalisten“ zumindest zum Nachdenken gebracht
werden.
Das ist der rote Faden dieses Buches.

Günther Bloch
Canidenexperte
Canmore/Canada, November 2003

‣ Definition Rudel
Laut deutschem Wörterbuch wird der Begriff Rudel wie folgt
definiert: „Gemeinsam lebende, streng hierarchisch organisierte
Gruppe von Tieren.“
Wolf wie Hund sind aber familienorientierte Soziallebewesen, die
nicht streng hierarchisch organisiert leben.
Der Wolf (Canis lupus)

© Günther Bloch
Sozialrangordnung bei Wölfen

Wölfe sind große Landraubtiere, die in so genannten Rudeln leben,


sich territorial verhalten und im koordinierten Verband große Huftiere
erbeuten. So weit die stark vereinfachte Beschreibung des Wolfes,
welche man in der Vergangenheit breiten Bevölkerungsschichten
vermittelte – inklusive Hundetrainern und meiner Person. Weil der
Mensch den verhassten Nahrungskonkurrenten Wolf über
Jahrtausende hinweg verfolgte und in vielen Gebieten der nördlichen
Hemisphäre sogar ausrottete, handelt es sich heute um ein scheues
Tier, das man in freier Wildbahn selten zu Gesicht bekommt. Wenn
überhaupt.
© Günther Bloch
Die Fellfärbung des nordamerikanischen Timberwolfes variiert, im Gegensatz zu
der des typischen Grauwolfes europäischer Breitengrade, von schneeweiß bis
pechschwarz.
© Günther Bloch
In den kanadischen Rocky Mountains haben wir mit einem Anteil von ca. 33%
vergleichsweise den höchsten Bestand an schwarzen Wölfen weltweit.

Wölfe in Gefangenschaft
Die überwiegende Mehrheit aller Publikationen zur
Verhaltenseinschätzung des Wolfes verbreitet meist nur
Informationen, die man an in Gehegen vergesellschafteten Tieren
sammelte. Nach Überprüfung von „Gefangenschaftsberichten“ wird
deutlich, dass die Gruppenkonstellation eines Wolfsrudels im
Gehege sehr oft aus einem Zusammenschluss von Alttieren vieler
Generationen nebst Nachwuchs besteht. Zur Aufrechterhaltung der
sozialen Gemeinschaft muss es anscheinend eine streng
hierarchisch geordnete Hackordnung (Alpha bis Omega) geben. Sie
macht Sinn, da der Lebensraum eines Geheges extrem
überschaubar ist und kein Tier das Rudel verlassen kann.
Auseinandersetzungen zwischen mehreren Alttieren, die alle
versuchen ihren Sozialstatus zu verbessern, bleiben zwangsläufig
nicht aus. Die Bezeichnung „Rudel“ steht also gedanklich in einem
engen Zusammenhang mit dem Begriff „Rangordnung“. Wie von den
Ethologen R. Schenkel (1946), D. Feddersen-Petersen (1992) oder
E. Klinghammer (2002) beschrieben, brechen außerdem
Streitigkeiten um die Nutzung von Ressourcen (z.B. Futter,
Schlafmulden oder erhöhte Liegepositionen) aus. So ist in der
Forschungsstation Wolf Park/USA die Trennung eines Rudels leider
fast schon an der Tagesordnung. Die Folge: immer mehr Einzelwölfe
in Einzelzwingern.

Frei lebende Wölfe


Laut den Biologen D. Mech (1999), D. Smith (2002) und unseren
eigenen Untersuchungsergebnissen (Bloch & Bloch, 2002) besteht
hingegen in der Wildnis die Tendenz, dass die Sozialstruktur einer
typischen Wolfsfamilie nur aus Elterntieren und deren Nachwuchs
der letzten zwei bis drei Jahren besteht.
Auch wenn es im ersten Moment verblüffend klingen mag, wandert
der mit Beendigung des zweiten Lebensjahres selbstständig und
selbstsicher handelnde Nachwuchs im Normalfall ab und verlässt
Vater und Mutter.
Natürlich handelt es sich bei Wolfsrudeln um komplexe Gebilde, die
in Bezug auf Geschlechterverteilung, Altersstruktur und Anzahl der
Nachkommen unterschiedlich strukturiert sind. Dennoch besteht bei
zwei bis drei Jahre alten Wölfen im Allgemeinen die Tendenz, mit
Beginn der Paarungszeit zum Zuge zu kommen. Der Versuch, diese
Bestrebungen in der eigenen Familie umzusetzen, ist in der Regel
zum Scheitern verurteilt. Ich spreche seit vielen Jahren bewusst von
Familien, weil Wölfen fälschlicherweise unterstellt wird, sie seien im
Gegensatz zu Haushunden „Rudeltiere“. Wölfe bilden unter
Freilandbedingungen aber Familiengebilde, deren Sozialstruktur und
Rangbeziehungsgeflecht denen von Mensch-Hund-Beziehungen
stark ähneln. Menschen genießen wie Wolfseltern normalerweise
bestimmte Vorrechte, weil sie alle wesentlichen Ressourcen
kontrollieren. Selbst hoch motivierte Jungwölfe müssen erkennen,
dass sie den hohen Sozialstatus der Eltern kaum infrage stellen
können. Man stößt an seine Grenzen und wandert ab, weil
gestandene Wolfseltern das „Zepter“ besonnen und souverän führen
und halten und somit natürliche Autorität besitzen. Eine streng
hierarchisch gegliederte Hackordnung nach altem Schema ist somit
eher die Ausnahme.

‣ Kurzinfo
Taktische Winkelzüge, inklusive vieler Streitigkeiten, die sich aus
einem Zusammenleben etlicher Generationen zwangsläufig
ergeben, sehen wir in der Wildnis sehr selten. In Wirklichkeit
müssen wir Wolfseltern oft als einzige Langzeitmitglieder eines
Rudels ansehen. Sie sind die eigentlichen „Alphatiere“.

Das etwas traurig anmutende Schicksal des frustrierten


„Jungspunds“ hat aus rein genetischer Sicht einen riesigen Vorteil:
Inzucht ist in freier Wildbahn fast unbekannt, was auch die
Untersuchungsergebnisse des Verhaltensökologen Paul Paquet
(1993) belegen!
Statt sich mit der Mutter zu verpaaren oder vom Vater gedeckt zu
werden, sucht sich der geschlechtsreife Jungwolf lieber einen
eigenen Fortpflanzungspartner und ein eigenes Territorium. Mit
etwas Glück wird er fündig. Womöglich ist der neue Lebensraum
sogar ganz in der Nähe der alten Heimat gelegen. Dann kann er sich
„qualmende Socken“ ersparen. Hat er Pech, muss er laufen, laufen,
laufen. Manche Individuen sind zwecks Familienneugründung
sowohl mehrere Monate als auch hunderte Kilometer unterwegs.
Statistiken des Feldforschers D. Mech (2001) belegen, dass ca. 20%
des gesamten Wolfsbestandes Einzeltiere sind. Kein Wunder bei so
viel „liebestollen“ Exemplaren.

© Günther Bloch
Während der Paarungszeit kommt es zwischen Wolfseltern und einzelnen Tieren
des geschlechtsreifen Nachwuchses mitunter zu massiven Konkurrenzsituationen.
Auch Jungwölfin „Hope“ stritt sich mit ihrer Mutter um das Recht auf Paarung,
unterlag aber deren Durchsetzungsvermögen und musste den Familienverband im
Alter von 20 Monaten endgültig verlassen.

Ausnahmen bestätigen die Regel


Wolfseltern zahlenmäßig großer Würfe wenden zum Erhalt ihrer
sozialen Kompetenz freilich mehr Zeit und Mühe auf als Eltern
überschaubarerer Familiengebilde. Zudem kommt es immer wieder
vor, dass einige (erwachsene) Jungwölfe enge Bindungen zu ihren
Eltern aufbauen. Tolerante und charakterlich gefestigte,
ausgeglichene Jungwölfe, die wenig Interesse an aggressiven
Auseinandersetzungen zeigen, bleiben eher Bestandteil eines
Familienverbandes, weil die sprichwörtliche „Chemie“ zwischen
ihnen und den Eltern stimmt. Für den statusbezogenen Nachwuchs,
besonders für „Kleinalphas“, wie der Zoologe E. Zimen (1986) die
ranghöchsten Zweijährigen gern nannte, bleibt es hingegen eher ein
Wunschtraum, sich innerhalb des Rangordnungsgefüges
spektakulär nach oben „kämpfen“ zu können. Für einen Jungwolf
macht das Leben in der Gruppe nur dann Sinn, wenn die Vorteile die
Nachteile überwiegen. Ist das nicht mehr der Fall, so sagt er schnell
„Servus“ und besetzt nebst neuem Fortpflanzungspartner einen
freien Lebensraum. Hat eine neue Generation „frisch vermählter“
Wölfe eigenen Nachwuchs hervorgebracht, befindet sich diese
gegenüber den Heranwachsenden automatisch wieder im so
genannten „Alpha-Status“.

Die Macht der Erfahrung


Wolfseltern kann man während der Aufzuchtphase ihrer Kinder in
erster Linie als „Problembewältiger“ ansehen. Sie leben vor, was
wann zu tun und zu unterlassen ist. Dabei ist es das Privileg der
Eltern, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen – nicht mit
Muskelkraft, sondern mit „Köpfchen“. Die „Macht“ von Wolfseltern
beruht primär auf Erfahrung. Ihr Wissensvorsprung gegenüber den
„Schnöseln“, wie wir Jungwölfe gern zu bezeichnen pflegen, ist
aufgrund ihrer reichen Lebenserfahrung naturgemäß enorm. Der oft
etwas konfus anmutende Nachwuchs setzt gezieltes
Beobachtungslernen um, kommt zu konkreten Schlussfolgerungen
und kopiert die Verhaltensweisen der Eltern – mal schneller, mal
langsamer. Bei der Umsetzung von Lernerfahrungen scheint es
geschlechtsspezifische Entwicklungsunterschiede zu geben. Bei
Rüden handelt es sich tendenziell um Spätentwickler. Bei
Wolfsweibchen ist der Prozess des Lernens über Lernerfahrungen
früher abgeschlossen. Die Leserinnen dieses Buches freuen sich
bestimmt über meine Erkenntnis.
© Günther Bloch
Junge Wölfinnen scheinen sich tendenziell erheblich schneller zu biologisch
ausgereiften und somit erfolgreichen Jägern zu entwickeln als Jungrüden. Sie sind
meist schlanker, wendiger und schneller und verfügen erheblich früher über jene
mentale Stärke, die für eine zielgerichtete Jagd notwendig ist.

Dass der Wolf sich als hoch komplexes Soziallebewesen so


„menschenähnlich“ verhält, braucht uns eigentlich gar nicht zu
wundern, oder? Man argumentiert heute sehr vorschnell, Vergleiche
zwischen Wolf und Hund seien aus dem Grund abzulehnen, weil
man ja auch nicht Menschen mit Primaten vergleichen würde. Ich
halte das deswegen für unsinnig, weil Naturvölker, die heute noch
Kannibalismus betreiben, deutliche Parallelen zum
Primatenverhalten zeigen und dennoch zur Spezies Mensch zählen.
Außerdem zeigt uns die Primatenforschung – wie die moderne
Wolfsforschung ebenso –, dass sich weder Menschenaffen noch
Menschen, Wölfe oder Hunde gleich verhalten, sondern die
Anpassung an einen bestimmten Lebensraum und individuelle
Persönlichkeitsentwicklungen zu berücksichtigen sind, will man
ernsthaft Verhalten beschreiben.

‣ Das bedeutet

‣ Der in der Ethologie allgemein verwandte Terminus „Alphawolf“


ist nicht besonders aussagekräftig, was auch von dem
Wolfsforscher D. Mech (1999) bestätigt wird. Er bedarf dringend
einer neuen Definition. Nach Abwanderung und
Familienneugründung erreichen auch ehemals rangniedrige Wölfe
gegenüber dem eigenen Nachwuchs quasi automatisch den so
genannten „Alpha-Status“!
‣ Das Familienkonzept des Wolfes gleicht dem des Menschen
ungemein. Auch wir leiten unsere Kinder zur Selbstständigkeit an
und kontrollieren bis zu einem gewissen Punkt ihre
Lebensführung. Auch Menschenkinder folgen anfangs der
ausgeprägten Motivation eines Beobachtungslernens. Danach
wird es problematischer. Auch die Einflussnahme von
Menscheneltern im Umgang mit Kleinkindern basiert auf einem
Wissensvorsprung, der langsam, aber sicher dahinschmilzt. Der
erste „Machtverlust“ droht, wenn der pubertäre Nachwuchs damit
beginnt, die Lebensweise seiner Eltern infrage zu stellen. „Teenie“
muckt auf und protestiert gegen Anordnungen „von oben“.
Biologisch gesehen kommen auch Menschenkinder ins
geschlechtsreife Alter und die „Abwanderung“ bahnt sich langsam
an.
Ausnahmen bestätigen erneut die Regel: Das „Muttersöhnchen“
lässt grüßen und „Hotel Mama“ erfreut sich großer Beliebtheit.
Welpen und ihre Interaktionen

Arten des Spielverhaltens


Anhänger der Vereinfachungstheorie postulieren gern, dass sich alle
Welpen in etwa gleich verhalten. Diese Annahme ist allein deshalb
unsinnig, weil sich die charakterlichen Grundzüge der Winzlinge
extrem unterscheiden: Da beobachtet man den etwas Schüchternen,
den Draufgänger, den Träumer oder den extrem Verspielten. Auch
das Temperament von Welpen variiert enorm: Da gibt es den
ruhigen, abwartenden Typus oder den ständig allgemeine Hektik
verbreitenden Irrwisch.
Auch mag sich der Hundefreund fragen, warum man dem
Spielverhalten von Welpen große Beachtung schenken soll. Wo sie
doch ohnehin alle nur ein wenig „rumtoben“. Das kennt man doch.
Ich habe den Eindruck, manche Menschen machen es sich zu
einfach.
Keine andere Verhaltenskategorie ist allgemein schwieriger
definierbar als Spielverhalten. Wenn Welpen interagieren, sollte der
Sozialpartner Mensch in der Lage sein, den unterschiedlichen Ablauf
von Sozialspielen, Kampfspielen, Kontakt-, Bewegungs- und
Rennspielen erkennen zu können. Er sollte wissen, dass mit dem
Spiel Verhaltensmerkmale und körpersprachliche Signale verbunden
sind: etwa das Niederbeugen des Vorderkörpers
(Vorderkörpertiefstellung), Bewegungs- und Mimikübertreibungen
(Spielgesicht), Wiederholungen einzelner Bewegungsabläufe (z.B.
Kreislaufen) oder das Spielbeißen. Letzteres ist unter Welpen
besonders beliebt. Da eine genaue Auslegung des Begriffs „Spiel“
breiten Raum für kontroverse Ansichten bietet, definiere ich ihn noch
genauer. Unsere Forschungsergebnisse bestätigten, dass
Wolfswelpen in ganz bestimmte Körperstellen wesentlich öfter
„beißen“ als in andere. Na und? Wie auch immer, damals maß ich
dieser Erkenntnis auch keine Bedeutung bei. Der Griff in Hals und
Nacken inklusive Schüttelbewegungen kommt im Welpenspiel
ebenfalls häufig vor. Auch das kennt jeder, der schon einmal ein
Hundekind aufgezogen hat.
Deshalb versteht der Welpe ja quasi instinktiv, wenn der Mensch
nach Wolfsmanier die ganze „Schüttelaktion“ kopiert. Auch das habe
ich jahrelang geglaubt und Hundewelpen im Nacken geschüttelt,
was das Zeug hielt. Dabei schauten mich die verängstigten Kleinen
mit weit aufgerissenen Augen an.
Bei der Beobachtung des „Hinterlauf-Beißens“ und dem
„Herunterreißen“ eines Spielpartners bei Rennspielen kamen mir
erste Zweifel.
‣ Dient Spiel etwa doch nicht nur angeborenen Verhaltensmustern
zum Testen der sozialen Rangordnung?
‣ Sind das alles nur Bewegungsintentionen zur Klärung des eigenen
Sozialstatus?
© Karin Bloch
Alle Wolfswelpen erblicken das Licht der Welt mit blauen Augen, deren Färbung
sich erst ab etwa der siebten Lebenswoche langsam verändert.
Wolfskinder verbringen sehr viel Zeit mit Kampf- und Sozialspielen. In
Abwesenheit der erwachsenen Tiere zeigen sie keine genetisch fixierte Angst vor
Menschen, sondern sind eher neugierig, unbedarft und höchst erkundungsfreudig.

Verhaltensentwicklung von Wolfswelpen


In einer Schutz bietenden Höhle geboren, öffnen Wolfskinder ihre
Augen zwischen dem neunten und 13. Tag, schlafen in engem
Kontakt und stillen ihr starkes Saugbedürfnis an den Zitzen ihrer fast
immer anwesenden Mutter. In der dritten Lebenswoche entwickeln
sich ihre Sinne recht schnell und sie krabbeln in der Höhle umher.
Mit etwa drei Wochen werden nach erstem zaghaftem Verlassen der
Höhle Schreckreaktionen und Fluchtverhalten deutlich. Die
Wolfsmutter säugt die Kleinen auch weiterhin. Zur gleichen Zeit lernt
der komplette Nachwuchs nun schrittweise von der Jagd
heimkehrende erwachsene Familienmitglieder kennen. Die Prägung
auf die eigene Art beginnt.
Wolfskinder praktizieren nach kurzer Orientierungsphase
Geschicklichkeitsübungen, die der Kräftigung der Muskulatur, dem
schnellen Ablauf motorischer Fähigkeiten und einer erfolgreichen
Anpassung sich langsam bildender Sozialbeziehungen dienen. Mit
Beginn der festen Nahrungsaufnahme ab etwa der sechsten
Lebenswoche untersuchen und entdecken Wolfskinder ihre neue
Umwelt etwas genauer. Noch hält man sich in unmittelbarer Nähe
zur Höhle auf. Ist Gefahr im Verzug, verschwindet der ganze Pulk
sofort in der Höhle. Getobt wird aber weiter vermehrt draußen,
geschlafen in engem Körperkontakt.
Die zuvor recht unkoordiniert wirkenden Bewegungsabläufe werden
verfeinert; man schleicht sich an Geschwister heran und die Rollen
von Jäger und Gejagtem wechseln ständig. Noch etabliert sich keine
feste Rangordnung! Vielmehr erscheinen viele Bewegungsabläufe
eher tollpatschig und biologisch gesehen völlig überflüssig.
© Karin Bloch
Auch wenn sich das Persönlichkeitsbild von kleinen Wolfswelpen krass
unterscheidet, kann man im frühen Entwicklungsstadium keine Aussage treffen, ob
sich der „Draufgänger“ später zum ranghohen Tier entwickelt oder der sanfte
Typus mit Vollendung seines ersten Lebensjahres automatisch zum
„Prügelknaben“ avanciert.

Hemmung von Aggressionen


Anfänglich treten aggressive Auseinandersetzungen sehr häufig auf.
Es kracht an allen
Ecken und Enden. Das Geschrei der Pimpfe ist manchmal zu laut,
um es selbst aus mehreren hundert Metern Distanz zu überhören.
So mancher Tierschützer würde sicher am liebsten eingreifen. Im
Vergleich zu allen Entwicklungsphasen eines Caniden verhalten sich
Welpen am aggressivsten! Zumindest so lange, bis sie eine
Beißhemmung über gegenseitig zugefügten Schmerz und Angst
aufgebaut haben. Jegliche Einmischung in das interaktive Verhalten
wäre kontraproduktiv. Aus diesem Grund halten sich Wölfe aus den
Rangeleien und Streitigkeiten ihres Nachwuchses heraus.
Die Hemmung von Aggression ist eine wichtige Lebenserfahrung!
Sie ist bis zu einem Alter von etwa drei bis vier Monaten
abgeschlossen. Danach verhält sich der Welpe wesentlich
vorsichtiger und insgesamt friedlicher. Ende des vierten
Lebensmonates kann man das Welpenstadium endgültig als
beendet betrachten. Die Kleinen sehen jetzt langsam wie „richtige“
Wölfe aus und beginnen spielerische und andere Verhaltensantriebe
separat zu zeigen.
Erstes zielorientiertes Jagdverhalten wird deutlich erkennbar.

Das Beiß-Schütteln
Wie schon erwähnt gab es hinsichtlich der Bedeutung des „Beiß-
Schüttelns“ unter Welpen lange Zeit die Erklärung, dass dieses
Verhalten später ausschließlich der sozialen Auseinandersetzung
(z.B. Kämpfen) dient. Nun kommt das große „Aber“: Intensiven
Untersuchungen des Zoologen J. Badridze (1994) ist es zu
verdanken, dass wir nicht nur nähere Einblicke in das allgemeine
Spielverhalten von Wolfswelpen, sondern auch spezifische
Informationen darüber erhalten, wohin Welpen beißen.
Badridze gestattete seinen „Versuchswelpen“ keinen Kontakt zu
erwachsenen Wölfen. So vermittelte uns der Biologe Ansätze einer
kleinen Revolution, die von der breiten Masse weitgehend
unbemerkt blieb. Leider, wie ich hinzufügen möchte.

‣ Das bedeutet
Auch ohne erwachsene Vorbilder testen Welpen über Versuch
und Irrtum nicht nur ihre soziale Stellung, sondern vor allem Teile
des Jagdverhaltensrepertoires!
Häufiges Packen und Schütteln muss also in direkter Beziehung
zum Beutefangverhalten stehen. Weil Welpen noch keine
„fertigen“ Jäger sind, verfeinern sie die Fertigkeit des
Beutestellens und Beutetötens an sich selbst.

Beißstellenvergleich
Die Illustration zeigt die starken Ähnlichkeiten der Beißstellen
während typischer Welpenspiele im Vergleich zu Beißstellen eines
durch erwachsene Wölfe erbeuteten Tieres.
Das Jagdverhalten ausgewachsener Wölfe ist vollständig und
funktional. Laut dem Biologen R. Coppinger (2003) handelt es sich
bei einer funktionellen Sequenz um eine Abfolge von
Bewegungsmustern, die zur Befriedigung eines biologischen
Bedürfnisses führt. Die Bewegungsmuster eines Raubtieres sind von
folgendem instinktivem Handlungsablauf geprägt: Beute orten –
fixieren – anpirschen – hetzen – packen/schütteln – töten –
zerreißen – fressen.

© Badrize
Der so genannte „Nackenschüttler“ tritt unter Wolfswelpen oft als spontane
Einzelsequenz des Jagdverhaltens auf, bis die Funktionskreise von Spiel und Jagd
von juvenilen Wölfen weitestgehend getrennt gezeigt werden.
‣ Fühlen sich Wölfe biologisch befriedigt, wenn sie ihre Welpen
packen und schütteln?
‣ So stellen sich zwei elementare Fragen: Möchten wir Wolfseltern
allen Ernstes unterstellen, dass sie ihre eigenen Welpen erbeuten
und töten wollen?
Wohl kaum. Nein, der viel gepriesene „Nackenschüttler“ kommt im
Umgang zwischen Alttieren und Welpen nicht vor. Der alte
Ratschlag, Hundewelpen durch Schütteln im Nacken „artgerecht“ zu
bestrafen, ist somit aus der Wolfswelt nicht abzuleiten. Es handelt
sich vielmehr um ein tradiertes Märchen, dessen Verbreitung sich
jahrzehntelang reger Beliebtheit erfreute und welches sich
hartnäckig bis heute hält.

‣ Definition Spiel
Spiel in der Verhaltensbiologie
nach U. Gansloßer (2001)
1. Beim Spiel gibt es weder „Gewinner“ noch „Verlierer“. Die
Rollen von „Jäger“ und „Gejagtem“ wechseln ständig.
2. Ein größeres oder schwereres Tier macht sich bewusst klein
und begibt sich ohne Zwang in die Rolle des „Unterlegenen“.
Dabei legt sich der Unterlegene freiwillig auf den Rücken oder rollt
sich hin und her.
3. Beim Spiel zeigen die Beteiligten übertriebene, sich oft
wiederholende Bewegungsabläufe. Es herrscht über einen
längeren Zeitraum hinweg eine gelöste und lockere
Spielatmosphäre. Gespielt wird nur in einer entspannten Situation.
4. Beim Spiel bedienen sich die Beteiligten starker „Gestik- und
Mimikübertreibungen“, wie etwa des typischen „Spielgesichtes“
oder typischer „Spiellaute“.
Vorsicht: Im Spiel kommen häufig auch Einzelsequenzen und
Bewegungsmuster aus dem Jagdverhalten (z.B. während eines
Rennspiels) oder dem Sexualverhalten (z.B. beim Aufreiten) vor.
Diese Vermischung von unterschiedlichen „Funktionskreisen“ birgt
mitunter ein Risiko.
(Die Definition gilt für den Hund gleichermaßen.)
Verhaltensökologie des Wolfes im
Sommer

Interaktionen mit Welpen und juvenilen Tieren


Nun wollen wir besprechen, warum Welpen und jugendliche Wölfe
ihren Eltern einen solch tief verankerten „Respekt“ zollen. Trotz
unterschiedlichen Temperamentes und bei aller Variabilität des
wölfischen Verhaltensinventars überwiegt das „kindliche“ Wesen
heranwachsender Wölfe im Normalfall mindestens anderthalb Jahre.
Einige benehmen sich sogar wie wahre Clowns, um bloß keinen
Unmut unter den Alttieren zu provozieren.
Im Allgemeinen erstaunt zunächst die relative Ruhe und
unglaubliche Harmonie, die trotz aller Hektik, die Wolfskinder hier
und da verbreiten, um einen Höhlenkomplex vorherrschen. Die
Eltern, besonders aber der Leitrüde, liegen meist auf einer Anhöhe.
Von hier aus überblicken sie das gesamte Areal und sind bestens in
der Lage Gefahr vorauszusehen. In den Rocky Mountains ist es
möglich, auf einen Braunbären oder Puma zu stoßen. Oder ein
Steinadler versucht, nach einem Welpen zu greifen. Vorsicht ist –
wie man so schön sagt – die Mutter der Porzellankiste. Allein
deshalb spielen Wolfseltern mit ihrem Nachwuchs nur dann, wenn
keinerlei Gefahr zu befürchten ist. Aber selbst in einer gelösten
Atmosphäre stehen Leittiere oft auf, den Kopf hoch erhoben oder
seitlich wegdrehend, wenn ein Welpe sie anspringt beziehungsweise
spielen will. Man ignoriert die Aufdringlichkeit der hemmungslos
agierenden „Rasselbande“ und legt sich lieber einige Meter entfernt
nieder.

‣ Info
Die zumeist gezeigte Zurückhaltung der Alttiere gegenüber dem
Nachwuchs ist durchaus erklärbar. Sie müssen teilweise bis zu
hundert Kilometer anstrengendes Gelände hinter sich bringen, um
ihre Kinder mit Nahrung zu versorgen. Dass nach so einem
anstrengenden Marathonlauf keine Begeisterung vorherrscht, sich
freudestrahlend mit dem Nachwuchs zu beschäftigen, dürfte
jedem einleuchten.

Spielbereitschaft der Elterntiere


Die Spielbereitschaft der Alten unterliegt ohne Zweifel
Tagesschwankungen. Erhöhter Handlungsbedarf besteht nach einer
ausgiebigen Ruheperiode, die wiederum von Länge und Erfolg eines
Jagdstreifzuges abhängt. Wurde Jagdbeute gemacht, gibt es unter
den Welpen kein Halten mehr. Immer hungrig stürmen sie heran und
schöpfen jedes Mittel aus, einen Teil der Nahrung zu erhaschen.
Legt sich ein Alttier zur Ruhe, ist jegliche Störung unerwünscht, auch
wenn sich der Nachwuchs größte Mühe gibt. Aus unseren
Unterlagen geht hervor, dass Wolfskinder insgesamt 15-mal mehr
miteinander spielen als mit den Erwachsenen. Wobei hier
Spielperioden, nicht Zeitintervalle Berücksichtigung fanden.
Manche Leute denken, dass Wolfskindern eine zielgerichtete
Erziehung zukommt. Wolfseltern konzentrieren sich aber nicht auf
das „gute“ oder „schlechte“ Benehmen ihrer Kinder, sondern achten
vielmehr ganz allgemein auf Durchsetzung ihres eigenen Willens,
ihrer Entscheidungen. Ein hungriger Welpe verhält sich ja nicht
zwangsläufig schlecht – aber er nervt bisweilen.

Die Rolle der Wölfin


Wie schon angedeutet ist die dominante Rolle einer Wolfsmutter
(Ende Mai, Welpen etwa vier Wochen alt) an der Höhle eindeutig.
Statistisch liegt ihre Präsenz nicht nur bei 80 bis 90 %, sondern
äußert sich auch dadurch, dass sich ein Wolfsvater anfangs der
Wolfsmutter sogar passiv unterwirft, indem er in Höhlennähe seinen
Blick von ihr abwendet. Jeder Wolfsvater weiß, dass seine „Gattin“
den Nachwuchs im Zweifelsfall auch ihm gegenüber wie eine Furie
verteidigen würde. Das ändert sich jedoch rasch. In der Folgezeit
nehmen so genannte Babysitter der Mutter viel Arbeit ab. E. Zimen
(1986) vertrat die These, dass alle jugendlichen Wölfe
gleichermaßen als Babysitter fungieren. Dieser Ansicht möchte ich
ausdrücklich widersprechen. Über verhaltensähnliche Abläufe kann
man streiten, auffällig ist aber, dass sich Wolfsmütter immer eine
unterwürfige Tochter als späteren Babysitter aussuchen. Das
erscheint logisch, denn sonst liefe sie Gefahr, den sozialen Status in
Richtung einer späteren Konkurrentin zu erhöhen.

‣ Info
Babysitter (bei unseren Beobachtungen kam dieser Job fast
immer jugendlichen, noch nicht geschlechtsreifen Weibchen zu)
signalisieren Welpen am häufigsten Spielbereitschaft. Je nach
Familienstruktur sind sie 60 bis 70% der Zeit anwesend.

Jagdstrategien im Sommer
Ein generelles Beispiel artspezifischen Verhaltens beim Wolf soll die
gemeinsame Jagd sein. Interessanterweise jagt eine Wolfsfamilie im
Sommer aber selten als Einheit!
Vielmehr verlassen einzelne Tiere (oder kleine Gruppen) die Höhle
sternförmig in unterschiedliche Richtungen. Warum? Ein näherer
Blick verrät: Jeder Wolf kann auf diese Art und Weise zeitgleich
mehr Fläche absuchen. Von einem solch cleveren Schachzug
profitieren die Wolfskinder, weil so deren Ernährung effektiver
umsetzbar ist. In den Sommermonaten ist die Jagdstrategie des
Wolfes nämlich primär darauf gerichtet, junge Huftiere (Hirschkälber,
Rehkitze) zu erbeuten. Und dazu ist die Koordination einer
Gruppenjagd nicht erforderlich.
Nach Abschluss einer erfolgreichen Jagd trägt jeder Wolf
unabhängig von Geschlecht, Alter oder Sozialstatus Futter zur
Höhle. Stimuliert durch das ständige Futterbettelverhalten der
Welpen entleert er seinen Mageninhalt und würgt Stoß um Stoß
breiige Nahrung hervor. Wolfskinder betrachten Erwachsene
zunächst als wandelnde „Futterautomaten“.
Reflexartig stürmen sie los, sobald in Höhlennähe auch nur ein
visuelles Wolfsschema auftaucht. Bedeutungsvoll ist die Tatsache,
dass Welpen einem Jagdheimkehrer stets entgegenlaufen! Somit
lernen sie offenkundig sofortige Folgebereitschaft mit
Futterbelohnung zu verknüpfen. Ein bemerkenswerter Fakt für die
Erziehung von Hundewelpen!
© Günther Bloch
Für Babysitterinnen sind ihre Mütter unentbehrliche Lehrmeisterinnen. Sie
schauen ihnen bei der Versorgung der Welpen im wörtlichen Sinn über die
Schulter, um zu lernen, wie und wo die Welpenfütterung vonstatten geht.
Wolfswelpen wird interessanterweise immer an der gleichen Stelle eines
Höhlenkomplexes Nahrung vorgewürgt, was zur Folge hat, dass sie diese
speziellen Futterstellen in Abwesenheit der Erwachsenen regelmäßig aufsuchen
und sich mitunter um einige übrig gebliebene Krümel heftig streiten.

Das „Eltern-Nachwuchs-Dominanz-System“
Ist positive Verstärkung aber die einzige „Erziehungsform“, die
Wolfseltern umsetzen? Bringen Wolfseltern ihren Kindern etwas bei?
Insgesamt scheint die Geduld der Alten im Umgang mit ihrem
Nachwuchs zunächst grenzenlos zu sein. Sie sind völlig aus dem
Häuschen, wenn ihre Kinder im Alter von drei Wochen erstmals aus
der Höhle kommen. Man scheint geradezu in einen wahren
Jungbrunnen gefallen zu sein und verhält sich jugendlich und albern.
Der Nachwuchs der eigenen Gruppe genießt in den ersten
Lebenswochen eine Art „Welpenschutz“.
Derweil finden die Kleinen über Versuch und Irrtum heraus, was sie
sich erlauben können. Langsam entsteht eine Art Regelwerk. Erste
Tabus tauchen auf. Der aufmerksame Beobachter kann bald
feststellen, dass sich schon unter sechs bis sieben Wochen alten
Welpen hier und da lautstarkes Gekreische breit macht, z.B. dann,
wenn Alttiere deren Hartnäckigkeit und Aufdringlichkeit mit einem
„Schnauzgriff“ quittieren. Noch überwiegt aber Toleranz.
Wolfskinder scheinen den Leitrüden eines Rudels besonders gern zu
umringen. „Daddy“ genießt Autorität. Aus dem Blinkwinkel der
Welpen handelt es sich bei ihm um eine Art „verehrungswürdigem
Weisen“. Er hat den absoluten Überblick und scheint instinktiv immer
das Richtige zu tun. Daddy verfügt über viel Lebenserfahrung und
wirkt auf den Nachwuchs unter anderem deshalb höchst
beeindruckend, weil er am häufigsten Nahrung heranschleppt. Falls
weder er noch die Mama zugegen sind, finden Wolfskinder auch die
jugendlichen Babysitter unwiderstehlich, besonders weil sich die
„Tante“ ohne große Gegenwehr so herrlich traktieren lässt.
Gänzlich unkontrollierte Temperamentsausbrüche können sich
Welpen hingegen nur in Anwesenheit der Mutter erlauben. Dann
wagt es kein Babysitter, etwas gegen die Kinder zu unternehmen.
Ohne direkte Präsenz der Mutter entfalten „Wolfstanten“ sich schon
einmal gern, erlauben sich mehr Spielraum und schlafen etwas
großkotzig in den „Lieblingsmulden“ der Ranghohen. Schlafen? Von
wegen! Man behält lieber das weitere Umfeld genau im Auge. Denn
wehe, die Mama kommt von der Jagd zurück. Dann ist man als
Babysitter besser gerüstet, springt auf, vermeidet direkten
Blickkontakt und räumt den Ruheplatz augenblicklich. Mamas
Schlafplatz ist nämlich für „Schnösel“ tabu. Kann man tief
verankerten Respekt besser beschreiben?

Toleranz gegenüber Welpen


Nach einigen scherzhaften Einlagen müssen wir uns jetzt mit
wichtigen statistischen Werten beschäftigen. Bisher haben wir
festgestellt: Wolfseltern verhalten sich gegenüber Welpen
überwiegend tolerant und fürsorglich. Auch der Fotograf J.
Brandenburg (1990) oder D. Mech (1988) und E. Zimen (1986)
gestehen Wolfskindern eine gewisse „Narrenfreiheit“ zu.
Ein Blick auf unsere Statistik zeigt: Während 399 Interaktionen
ignorierten erwachsene Wölfe jegliche Aktivität ihrer Welpen 232-
mal, setzten 98-mal zu einem leichten Schnauzgriff an und drückten
die Welpen 69-mal auf den Boden. Dieses zu über 58% besonnene
Verhalten hielt allerdings nur so lange an, bis die acht Wochen alten
Welpen endgültig an feste Nahrung gewöhnt waren (Tabelle 1).
Danach ignorierte man den neun bis 14 Wochen alten Nachwuchs
bei 428 Interaktionen nur noch zu 11% (Tabelle 2).

Tabelle 1
Verhalten von Alttieren gegenüber bis zu acht Wochen alten
Welpen
Interaktionen total (n = 399)
Ignorieren Schnauzgriff Auf-den-Boden-Drücken
58,14% (232) 24,56% (98) 17,30% (69)

Tabelle 2
Verhalten von Alttieren gegenüber Welpen ab neunter Woche
Interaktionen total (n = 428)
Ignorieren Schnauzgriff Auf-den-Boden-Drücken
11,21% (46) 49,53% (212) 39,72% (170)

Wolfskinder können Unmengen an Nahrung verschlingen. Auch


wenn der Wolf gemeinhin als Generalist gilt, mit anderen Worten
opportunistisch jagt, sind seine Bemühungen nicht immer von Erfolg
gekrönt. Kehren Wölfe ohne Jagdbeute zur Höhle zurück, fühlen sie
sich vom trotzdem bettelnden Nachwuchs schlicht und einfach
genervt. Und die Kleinen verfügen in der Tat über mannigfaltige
Fähigkeiten, auch einem gestandenen Wolf „auf den Geist zu
gehen“. Ohne Absicht, versteht sich. Während dieser Zeit wird das
Toleranzkonzept der Alten grundlegend neu organisiert. Dabei landet
ein Welpe auch einmal auf unkonventionelle Art und Weise auf dem
Boden der Tatsachen.
War die Jagd erfolgreich, schleppen die Alttiere ganze
Fleischbrocken oder komplette Hinterläufe von Huftieren heran.
Sozusagen als kleine „Belohnung“ für getane Arbeit erhält unter
Umständen auch der Babysitter ein Stück Fleisch.

© Günther Bloch
© Günther Bloch
Im Vergleich zu verwilderten Haushunden, die sich laut Studienergebnissen
mehrerer italienischer Verhaltensforscher mit Ausnahme der Hundemütter kaum
um den Nachwuchs kümmern, ist das Versorgungssystem beim Wolf stark
ausgeprägt. Auch wenn Wolfsväter prozentual am häufigsten zur Jagd
aufbrechen, steht die Motivation, Futter zur Höhle zu schleppen (mit Ausnahme
von jungen Babysittern), bei allen erwachsenen Familienmitgliedern an erster
Stelle.

Verhaltensbeobachtungen
Das hier veröffentlichte Datenmaterial basiert auf einer
Zusammenfassung direkter Verhaltensbeobachtungen von Paul
Paquet (1983/84: Riding Mountain Nationalpark/Manitoba) und
unseren eigenen Feldnotizen (1992 bis 2003: Banff
Nationalpark/Alberta und 1993: Starfishlake/Nordwest-Territorien).
Aus der sehr komplexen Verhaltensauflistung möchte ich jetzt die
markantesten Beispiele herausgreifen:
a) Kehrte ein Erwachsener ohne Jagderfolg zur Höhle zurück (n =
136), ignorierte er das Futterbetteln von Welpen 22-mal, setzte 65-
mal zum Schnauzgriff an oder drückte Welpen insgesamt 49-mal auf
den Boden.
b) Wollten Welpen die die Höhle verlassenden Erwachsenen
begleiten (n = 191), ignorierten diese die Absicht kein einziges Mal,
setzten 102-mal zum Schnauzgriff an oder drückten Welpen
insgesamt 89-mal auf den Boden.
c) Wollten Welpen die Individualdistanz von ruhenden Erwachsenen
unterschreiten (n = 101), ignorierten diese den Versuch 24-mal,
setzten 45-mal zum Schnauzgriff an oder drückten Welpen
insgesamt 32-mal auf den Boden.
Besonders amüsant war, wenn ein völlig überdrehter Welpe im
ersten Anflug überschäumender Begeisterung einen Babysitter mit
der eigenen Mutter verwechselte. Versuchte ein solcher
„Gierschlund“ mit seinen nadelscharfen Milchzähnen an den Zitzen
der ansonsten besonnenen Tante zu saugen, senkte sich deren
Toleranzgrenze augenblicklich.

‣ Wichtig
Der erste „Aha-Effekt“ des Welpen besteht darin, Verknüpfungen
zwischen bestimmten Verhaltensweisen und konkreten Signalen
der Körpersprache zu schaffen. Und die körpersprachliche
Signalgebung von Alttieren ist konkret! Da gibt es kein Vertun.
Nuanciert, aber auf den Punkt gebracht, wird vermittelt: „Nein, das
will ich jetzt nicht. Das geht mir zu weit.“ Unklarheiten kommen so
erst gar nicht auf. Kein erwachsener Wolf handelt nach dem
Motto: „Mal schauen, vielleicht, eventuell ...“ Und trotzdem verhält
er sich gegenüber Welpen liebevoll, besonnen, ruhig und
abgeklärt. Die Schnauze leckt, die Schnauze „straft“ – alles zu
seiner Zeit.

Auswertung der Beobachtungen


Die Auswertung unserer Feldnotizen ergibt ein klares Bild: In den
ersten acht Lebenswochen machen Wolfskinder anscheinend –
mehr oder weniger –, was sie wollen. Sie dürfen herumspringen,
hopsen, Unmut äußern und erwachsene Wölfe belästigen (auf deren
Rücken rutschen, sie am Schwanz ziehen oder sogar in die Ohren
beißen). Die Toleranz der Alttiere ist einfach bewundernswert.
Ab etwa der neunten Lebenswoche ändert sich das Leben für
Wolfskinder fast schlagartig. Das Konzept der Erwachsenen,
Toleranz und Ignoranz walten zu lassen, weicht ihrer Absicht, immer
mehr Entscheidungswillen zu demonstrieren und etwaiger
Hemmungslosigkeit der Welpen präzise Abbruchsignale
entgegenzusetzen. Irgendwann ist „Schluss mit lustig“. Spaß im
Leben hin oder her, auch dem letzten Racker wird verständlich: Das
Leben in einer Sozialgemeinschaft besteht nicht pausenlos aus
purer Freude! Nun heißt es, die diffizilen Kommunikationsregeln
einer Wolfsgesellschaft zu lernen und verschärft Gestik und Mimik
(z.B. Nasenrückenrunzeln, Lefzenanheben, Drohknurren) von
Erwachsenen zu beobachten und zu beachten.
Nach der ersten Lektion verhalten sich Wolfskinder zwar etwas
vorsichtiger, aber immer noch zu egoistisch. Man muss ihnen
unmissverständlich klar machen, den Höhlenkomplex nicht zu
verlassen, auch wenn es schwer fällt.
© Günther Bloch
In der Hundeszene argumentiert man gern, dass die Hand des Menschen nicht
liebkosen und strafen darf, da der Hund ein solch widersprüchliches Verhalten
nicht versteht. In der Wolfswelt ist diese „Regel“ jedoch außer Kraft gesetzt, weil
man unter anderem über den direkten Körpereinsatz einen momentanen
Dominanzanspruch durchsetzt.

Hinterherlaufen? Nicht gestattet. Wer nicht gehorchen will, muss


fühlen. Jetzt sind die Kleinen ungefähr drei Monate alt. In dieser
Lebensphase sind sie einfach noch zu jung, um Erwachsene bei der
Jagd zu begleiten, und zu unerfahren im Hinblick auf die vielen
Gefahren, die innerhalb eines Wolfsreviers überall lauern. Auch die
dringend erforderliche Einteilung von Energie hat sich unter den
Welpen noch nicht herumgesprochen. Warum auch? Noch lebt man
ja relativ sorglos. Genau diese Sorglosigkeit, gepaart mit einer
großen Portion Neugier, kann tödlich enden. Die Natur kennt keine
Gnade. Trotzdem wandert der ungebändigte Nachwuchs jetzt
zwischen Höhle und Rendezvousplatz (Spielplatz) hin und her.
Normalerweise liegen diese Orte nur etwa einen Kilometer
voneinander entfernt. Gezwungenermaßen wird abgewartet, bis die
Alten von der Jagd zurückkehren. Im weiteren Verlauf neigt der
„gemeine“ Schnösel dazu, sich eines vielschichtigen
„Beschwichtigungsprogramms“ zu bedienen. In einer Art fließenden
Übergangs geht das anfängliche Futterbettelverhalten nahtlos in
aktive Unterwerfung über. Dies dokumentiert sich in „Maulaufreißen“,
wenn man sich seiner Sache nicht sicher ist. Vorderkörper leicht
ducken, Ohren anlegen oder pföteln, wenn man sich „einschleimen“
will. Schnell auf den Rücken werfen, albern verhalten und die Beine
in die Luft strecken, wenn man über Umwege etwas zu erreichen
versucht.
Laut R. Schenkel (1946), D. Mech (1988), D. Smith (2003) oder E.
Zimen (2003) ist eine klare körpersprachliche Unterscheidung
zwischen einem um Futter bettelnden Welpen und der aktiven
Unterwerfung eines Jungwolfes nicht möglich. Es besteht ein
direkter Zusammenhang.

Vermeidung von Aggression


Wie schon einmal erwähnt zeigen junge Wölfe Unterwerfungsgesten
auch, wenn Erwachsene kein Droh- bzw. Imponierverhalten
demonstrieren. Die alte „Babynummer“ funktioniert ja meistens und
dient der Aggressionseindämmung. Ganz nebenbei entwickeln sich
erste gezielt und bewusst vorgetragene „Bluff-Aktionen“, die man im
späteren Leben als „gespieltes Spiel“ geschickt forciert. Selbst
Jungwölfe verfügen neben tief verankertem Respekt über ein
gewisses Talent an schauspielerischen Qualitäten. Auch die hat der
Haushund von seinem Urahn geerbt und erzielt damit eine große
Wirkung, fällt der Mensch unbeabsichtigt darauf herein. Das
Futterbettelverhalten von Wolfskindern ist ein typisches Beispiel für
eine deutliche Parallele zum Hund: Auch er drückt seine
Unterordnungsbereitschaft in Richtung Mensch durch intensives
„Maulwinkellecken“ aus, will uns auf diese Art und Weise nicht nur
begrüßen, sondern sozusagen milde stimmen. Alle Menschen, die
eine enge Verwandtschaftsbeziehung zwischen Wolf und Hund
generell verneinen, sind hiermit aufgerufen zu erklären, woher das
Unterwürfigkeitslecken bei Hunden stammt und warum sie so
handeln.
Auf die Frage, warum das Familienleben des Wolfes (mit Ausnahme
kleinerer Streitigkeiten um Ressourcen, die einem Wettstreit
zwischen Mensch und Hund um Ressourcen gleichkommen) ohne
andauernde aggressive Auseinandersetzungen auskommt, haben
wir jetzt eine wichtige, wenn nicht die Erklärung: Wolfseltern
befinden sich gegenüber dem Nachwuchs der ersten Generation fast
automatisch in einem „Alphastatus“. Das nennen wir in der
modernen Verhaltensforschung „Eltern-Nachwuchs-
Dominanzsystem“!
Verhaltensökologie des Wolfes im
Winter

Interaktionen adulter Wölfe mit dem heranwachsenden


Nachwuchs
In den kanadischen Rocky Mountains umfasst ein durchschnittliches
Wolfsrevier ungefähr 1000 qkm. Bei einem niedrigen Bestand an
Beutetieren kann es mitunter auch erheblich größer sein. Die
komplette Familie ist jetzt im Spätherbst gemeinsam unterwegs,
auch wenn der Nachwuchs erst sechs bis sieben Monate alt ist. Im
Hinblick auf die Nahrungsbeschaffung bedeutet das innerhalb von
24 Stunden 50, 80 oder sogar hundert Kilometer zurückzulegen,
primär im Trabgang, was am effektivsten ist. Jedem Tier steht ein
spezielles Energiebudget zur Verfügung, das einer umsichtigen
Haushaltsplanung unterliegen muss. Energie zu verschleudern, kann
sich in der Wildnis kein Wolf auf Dauer leisten. Juvenile Tiere neigen
allerdings dazu, unbekümmert herumzuwuseln, die eigene Neugier
zu befriedigen und miteinander zu spielen. Generell lernen
Jungwölfe durch Einsicht und verfolgen im Umgang mit Alttieren
individuelle Strategien zur Problemlösung. Jungwölfe pflegen
untereinander enge Beziehungen und etablieren nach und nach
feste Rangpositionen. Dabei setzen sie oft übermäßig viel Energie
um – wie kleine Kinder. Eigentlich leben es ihnen die Erwachsenen
deutlich vor. Sie scheinen auf die Beachtung ihres
Energiehaushaltes geradezu programmiert zu sein. Mit Rücksicht
auf die Jungen werden gemeinsame Wanderungen durch häufige
Pausen unterbrochen.
© Günther Bloch

Bindungen innerhalb des Rudels


Der Mensch ist leicht versucht zu behaupten, eine Wolfsfamilie
werde generell von einem „Rudelführer“ geleitet, und offensichtlich
meint man damit, „Rudelführer“ seien stets dem männlichen
Geschlecht zuzuordnen. Das ist aber eine kühne Behauptung ohne
jegliche Substanz.
Einem Argument R. Coppingers (2003) folgend geht es beim
„Rudelverhalten“ nicht nur um Rangordnung und Hierarchie, sondern
um wesentlich komplexere Zusammenhänge – wohl wahr. Laut
unseren Untersuchungen hat die Führung einer Wolfsfamilie nämlich
nichts mit Exklusivität zu tun. Im Gegenteil: Jugendliche Wölfe
hetzen große Huftiere auch gern ohne die Präsenz von
Erwachsenen. Dabei verhalten sie sich höchst motiviert und
draufgängerisch. Ein flüchtendes Tier als Beuteschema ist Antrieb
genug. Derweil sind Wolfseltern manchmal ganz froh, einmal ihre
Ruhe zu haben. Sie bekommen im Schlaf auch keine Albträume und
befürchten, nach dem Aufstehen an „Kontrollverlust“ zu leiden. Sie
zwingen die Jungen zu nichts und geben ihnen auch keine „Befehle“.
Wenn Jungwölfe den Eltern aus eigenem Antrieb folgen, dann nur
weil sie als Welpen eine enge Bindung aufgebaut haben. Bindung
entsteht unter anderem durch gemeinsames Spiel, gegenseitige
Pflegemaßnahmen und häufige Sozialkontakte. Infolgedessen
besteht eine hohe soziale Motivation, freiwillig zusammenzubleiben.
Der einzige Unterschied zum Hund besteht darin, dass sich Wölfe
exklusiv auf die eigene Spezies sozialisieren, während Hundewelpen
nicht nur eine Bindungsbereitschaft gegenüber dem Menschen und
Artgenossen aufbauen, sondern, je nach Lebenssituation,
Sozialbeziehungen zu Katzen, Meerschweinchen oder, wie
Herdenschutzhunde, zu Schafen oder Ziegen unterhalten. Dabei
verhalten sie sich allerdings wiederum allgemein „canidentypisch“,
indem sie Ressourcen wie Nahrung oder Individualdistanz auch
gegenüber anderen Haus- oder Nutztieren abgrenzen und notfalls
sogar verteidigen.
© Günther Bloch

© Günther Bloch
© Günther Bloch
Das Spiel ist die Lernessenz des Lebens. Im Gegensatz zu den Behauptungen
vieler Fachleute, beteiligen sich auch Wolfseltern hin und wieder am
gemeinsamen Spiel mit ihrem Nachwuchs, wenn eine lockere Atmosphäre
herrscht und der Energiehaushalt gesichert ist. Im Spiel werden häufig aber auch
Bewegungsabläufe blockiert oder nicht gewünschte Gruppenbildungen aufgelöst.

Instinktives Jagdverhalten
Der Jagderfolg ist bei eigenmächtig handelnden Jungwölfen
aufgrund mangelnder Erfahrung gleich null. Laut D. Smith (2002)
liegt er nur bei 3%. Jungwölfe können die für ein gesundes Beutetier
typischen Bewegungsmuster nicht vom Erscheinungsbild eines
geschwächten (z.B. humpelnden) und somit von der Norm
abweichenden Tieres unterscheiden! Erwachsene beherrschen
diese Kunst perfekt. Selbst auf eine Distanz von mehreren hundert
Metern registrieren geschickte „Strategen“ Unstimmigkeiten im
Fluchtschema eines verletzten Huftieres. Gesunde Beutetiere lässt
man aus Erfahrung links liegen.
Wolfseltern schlagen bestimmt oft die Pfoten über ihren Köpfen
zusammen, wenn sie das planlose Anrennen ihrer halbstarken
Kinder auf ein gesundes Huftier beobachten. Den Wissensstand
eines Raubtieres, genetisch bedingtes, instinktives Jagdverhalten in
einem komplexen Zusammenhang gezielt umzusetzen, hat der
Schnösel noch nicht erreicht. Das dauert mindestens elf bis zwölf
Monate! Deshalb tragen Jungwölfe zum Jagderfolg eines „Rudels“
nicht viel bei. Sie verhindern ihn eher gelegentlich.

‣ Fallbeispiel
Hoch motiviert umkreiste mein damals schon anderthalb Jahre
alter Lieblingswolf „Yukon“ eine Hirschgruppe sage und schreibe
20 Minuten lang. Schließlich gab er erschöpft und mit
heraushängender Zunge auf. Dann bemerkte er völlig
fassungslos, dass sein Vater „Storm“ bereits eine kränklich
erscheinende Hirschkuh abgesondert und getötet hatte. Der Film
war längst gelaufen, wie man so schön sagt. Allerdings ohne den
Nebendarsteller Yukon.
Das sind die Lektionen, die juvenile Wölfe zu lernen haben. Das
sind die Lehrstücke, die Wolfseltern vorleben. Beim nächsten
Versuch heißt es dann: Besser aufpassen und gezieltes
Beobachtungslernen umsetzen!

Diese Botschaft erklärt dem interessierten Hundebesitzer endlich,


warum sein domestizierter vierbeiniger Lebenspartner meistens
planlos, sozusagen im „Hurra-Stil“ in der Gegend herumhetzt. Wir
Menschen können schlechterdings nicht „Wolfseltern“ imitieren.
Würden wir z.B. hinter einem flüchtenden Reh herlaufen, gäben wir
uns eher der Lächerlichkeit preis, als unserem Hund ein festes
Beuteschema zu vermitteln. Also rennt das (durch Zuchtauslese
bedingt) ewig „kindliche Wesen“ Hund auf eigene Faust los. Beim
Hund kommt auch ohne Jagderfolg Freude auf. Hetzen bedeutet
Spaß. Zu allem Ärger ist uns der Hund nicht nur im
Geschwindigkeitsvergleich haushoch überlegen, er schüttet während
der Hetzphase dummerweise auch noch eine Menge
„Glückshormone“ aus – und das muss der Besitzer erst mal toppen
(können)!
Natürlich jagt der erwachsene Wolf zielgerichtet. Trotzdem sage
noch jemand, das prinzipielle, instinktive Jagdverhalten des
Haushundes habe (trotz aller genetischer Unterschiede) mit dem
seines Stammvaters aus grauer Vorzeit nichts mehr gemein! In
diesem Zusammenhang wird gern argumentiert, es sei unsinnig, den
prähistorischen Menschen mit dem Menschen moderner Prägung zu
vergleichen. Komisch: Fragt man einen Jäger, was ihn an der Jagd
am meisten fasziniert, kommt postwendend die Antwort: das
Anpirschen; die inneren Instinkte so zu aktivieren, um ein
potenzielles Beutetier auszutricksen und zu töten. Na, na, innere
Instinkte? Hätte ein Mensch der Steinzeit auf Nachfrage nicht
vergleichbar argumentiert und somit die gemeinsamen Wurzeln zum
modernen Menschen aufgezeigt? Nein, zum zivilisierten Menschen
besteht ja keine Parallele. Trotzdem gut, dass wir einmal darüber
gesprochen haben!
© Günther Bloch
© Günther Bloch
Das Jagdrepertoire des Wolfes variiert im Vergleich zu dem des Hundes
beträchtlich. Wölfe stimmen sich bei der Jagd auf Distanzen von mehreren hundert
Metern über den Austausch von Körpersignalen ab – sie hetzen ihre Beute nur
ganz kurz. Hunden ist diese Fähigkeit im Normalfall verloren gegangen, weshalb
ihre Hetzphase keinen kommunikativen Austausch von Signalen zeigt und vor
allem lang andauernd vorgetragen wird.

Die zentrale Positionsführung


Zurück zum Thema „Rudelführer“. Unter Berufung auf den Wolf hört
man in der Hundeszene neuerdings oft, zur Vermeidung von
„Dominanzproblemen“ habe der Hund stets hinter dem Menschen zu
bleiben. Ich bin da gänzlich konträrer Meinung, weil ich das
Führungsverhalten von Wölfen in der Wildnis sehr intensiv studiert
habe. Und hier zeigt sich, dass die Führung einer Wolfsfamilie noch
lange nicht pauschal dem „Alpha“ obliegt.
Vielmehr handeln die Tiere je nach Motivationsgrundlage:
Wolfsmütter folgen einem starken Antrieb, zwischen Dezember und
Februar die verschiedenen Höhlenkomplexe eines Reviers auf
Sicherheit zu überprüfen. Da die Auswahl der richtigen Höhle
„Frauensache“ ist, führt nur das Leitweibchen die gesamte Gruppe
an. Wolfsväter halten dagegen den Kopf hin, wenn es brenzlig
werden könnte. Das Erkennen und Vermeiden von Gefahren ist
deshalb „Männersache“.
Ein normal veranlagter Leitrüde führt die Gruppe, wenn er als
Beschützer „seiner“ Gattin und der Kinder auftritt. In einer solchen
Situation setzt er sich in Sorge um den Rest der Familie durch und
bestimmt den Handlungsablauf.
Selbst wenn der Leser staunen mag: Auch Jungwölfe übernehmen
zeitweilig Führungsaufgaben! Das hat mich ebenfalls verblüfft. Nach
langen Jahren geduldiger Beobachtung weiß ich heute, dass
Jungwölfe oft im Tiefschnee vorauslaufen. Dadurch sparen
Wolfseltern, die in der vorgefertigten Spur wie in einer Loipe laufen,
Energie, bis die ganze Jagdformation irgendwann auf ein
verwundbares Beutetier stößt. Alttiere können eine Gruppe also
auch aus einer zentralen Position heraus führen!
Basierend auf Untersuchungsergebnissen von D. Smith (2002)
treten Leittiere zu 68% als die eigentlichen „Killer“ von Beutetieren in
Erscheinung. Im entscheidenden Augenblick preschen sie vor und
töten das ausgemachte Opfer. In der Zwischenzeit macht sich beim
Nachwuchs Erstaunen breit: Aha, so setzen die Alten also eine
professionell organisierte Jagd in die Praxis um! Durch das
risikobereite Handeln von Leittieren haben jagdlich unerfahrene
Jungwölfe sogar den Vorteil, den eigenen Magen ohne große
Verletzungsgefahr füllen zu können.
Ja, lieber Leser, richtig gelesen!

‣ Wichtig
Das Führungsverhalten in Wolfsfamilien ist sehr komplex.
Wolfseltern, die nicht in jeder Lebenslage Führungsansprüche
anmelden, bleiben trotzdem „Rudelführer“!
© Carsten Heuer
Nach langen Jahren der Verhaltensbeobachtung wissen wir heute, dass die
Führung von Wolfsfamilien sehr individuell unterschiedlichen Lebensbedingungen
angepasst ist und deren Leittiere, wie Libero und Mittelfeldspieler eines
Fußballteams, als Dirigenten aus der Gruppenmitte agieren. Das Bild zeigt das
Leitweibchen (mit leicht erhobener Rute) und den Leitrüden der Jagdformation an
vierter bzw. fünfter Position (von links nach rechts).

Dominanz
Wenden wir uns als Nächstes dem neuen Lieblingswort der
bundesdeutschen Nation zu: „Dominanz“. Ich frage mich, warum so
viele Menschen diesen Begriff hauptsächlich in einen negativen
Kontext setzen. Durchsetzungsverhalten kann nämlich sowohl
positiv wie negativ sein. Drängt ein Wolfsvater alle anderen
Familienmitglieder in einer Gefahrensituation zur Seite, handelt er
aus Besorgnis und somit positiv dominant! Genau dieser positiven
Dominanz sollten wir Menschen uns im Tagesgeschehen bedienen,
wenn wir uns aus Sorge um unsere Haushunde in bestimmten
Lebenssituationen durchsetzen und Entscheidungen fällen. Will ein
Hund beispielsweise völlig unbedarft eine viel befahrene Straße
überqueren, müssen wir sein Handeln unterdrücken und
beherrschen, überlegen auftreten und uns „dominant“ verhalten.
Weiterhin möchte ich anregen, nicht in den Fehler zu verfallen, die
Begriffe „Dominanz“ und „Aggression“ gleichzusetzen. Der
Verhaltensbiologe U. Gansloßer (2002) stellte fest, dass es bei
Wölfen eine über lange Zeit stabile Dominanz gibt. Um aber keine
Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Termini „stabil“ und
„ständig“ dürfen keinesfalls verwechselt werden. Ich möchte
hinzufügen, dass genau diese Unsitte gerade in der Hundeszene
weit verbreitet ist und viele Hundebesitzer unnötig verunsichert.

Dominanzaggression
So entstand im Lauf der Jahre das Schlagwort
„Dominanzaggression“. Hundebesitzer berichten während eines
Gesprächs oft von ihrem „dominant-aggressiven Hund“. Wie bitte?
Diese angebliche Logik ist ein Widerspruch in sich! Wer tatsächlich
dominant ist, der setzt seine Interessenlage auch ohne
Aggressionsverhalten durch. Leider spricht auch H. Wachtel (2002)
in seinem „Buch vom Hund“ von Dominanzaggression. „Sollten
Hunde knurren oder nach dem eigenen Herrn schnappen“, geht es
seiner Meinung nach „um die Aufrechterhaltung oder Verbesserung
der Rangordnung“. Auch wenn ich Hellmuth Wachtel als den
herausragenden Genetiker Europas schätze, halte ich die obige
Aussage für zu pauschal. Aggression kann offensiv und defensiv
zum Ausdruck kommen. Sie kann im Zusammenhang mit Wut oder
Angst stehen und muss immer im individuellen und situativen
Zusammenhang gesehen werden. Natürlich braucht jeder Haushund
eine klare Rangeinweisung, wobei die Begriffe Rangordnung und
Rangbeziehung zu unterscheiden sind. Der Hundebesitzer ist sicher
falsch beraten, wenn er das vermeintlich dominant-aggressive
Verhalten seines Hundes ausgerechnet dann provozieren will, wenn
sein Vierbeiner Angst hat. Tut er es trotzdem, schmälert er eher die
eigene soziale Kompetenz. Deshalb tendiere ich dazu, Dominanz
und Angstaggression begrifflich strikt zu trennen. Wolfseltern
verhalten sich übrigens fast nie unsicher oder ängstlich. Sie sind
eher „cool“, um ein beliebtes neudeutsches Wort zu strapazieren.
Nur wer souverän auftritt, ist auch dominant. Wer versucht, sich
ständig dominant zu verhalten, verschwendet nicht nur Energie,
sondern scheint auch unter Furcht vor Machtverlust zu leiden.

Begriffserklärung „Dominanz“
Der Vater der Verhaltenstherapie Daniel Tortora schlussfolgerte
bereits 1977, also vor über zwei Jahrzehnten, dass
„Dominanzprobleme“ durch Signale von Wolf zu Wolf erledigt
werden. Dem stimme ich ausdrücklich zu und möchte hinzufügen,
dass auch Haushunde auf eine ausgefeilte Signalsprache
zurückgreifen und uns Menschen konsequenterweise stark
verhundlichen. Bei stabilen Rangordnungsverhältnissen reicht ein
fixierender Blick inklusive Stirnrunzeln völlig aus, um sich als
Leitrüde dominant durchzusetzen. Mir ist durchaus bewusst, hiermit
die Philosophie eines ganzen Hundeerziehungslagers ad absurdum
zu führen. Zur klaren Einordnung des Begriffs „Dominanz“ sollten wir
uns anschauen, wie er nach U. Gansloßer (2003) in der modernen
Verhaltensbiologie definiert wird:
1. Dominanz ist keine Eigenschaft und muss in einer
Zweierbeziehung getestet beziehungsweise erarbeitet werden!
2. Dominanz ist nicht mit Aggression gleichzusetzen – ein wirklich
dominantes Tier setzt seinen Willen auch ohne Aggression durch!
3. Dominanz beinhaltet das Vorrecht, ein bestimmtes Interesse
durchzusetzen, wann man dies will. Setzt sich ein Wolf gegenüber
einem anderen in ca. 80% der Fälle durch, ist er dominant. Die
restliche Zeit kann man es sich zeit- und situationsabhängig auch
leisten, auf dominantes Verhalten zu verzichten!
4. Leitwölfe demonstrieren „formale“ Dominanz durch Ruhe,
Abgeklärtheit und eine entsprechende Körpersprache vom
Imponieren bis zum Ignorieren!
5. Leitwölfe demonstrieren momentan ausgeübte Dominanz, indem
sie spontan zu einem Schnauzgriff ansetzen oder ein rangniedriges
Tier anspringen und auf den Boden drücken!

© Günther Bloch (beide Fotos)


Ranghohe Wölfe verfügen über eine besondere Begabung, ihr Ausdrucksverhalten
hinsichtlich bestimmter Rangbeziehungen auch auf eine größere Distanz aktiv zu
demonstrieren.
In der Regel reicht Wolfseltern ein strenger Blick oder ein kurzes Erstarren, um
den sowohl aktiv als auch passiv unterwürfigen Nachwuchs „locker mit links“ zu
beeindrucken.
Klischees der Wolfsforschung und ihre
Bedeutung bei der Bewertung von
Hundeverhalten

Wolf- und Hundeverhalten


Die Hundeszene wird derzeit durch die Streitfrage beherrscht, ob
man Wolfs- und Hundeverhalten beziehungsweise Wolfsrudel und
Mensch-Hund-Beziehungen vergleichen kann. Weiter leiten viele
Hundetrainer oder Verhaltenstherapeuten davon ab, dem
vornehmlich statusbezogenen Verhaltensinventar von „Rudelführern“
besondere Beachtung schenken zu müssen.
Da Haushunde ihr kindliches Wesen ein Leben lang beibehalten,
sollte man aber dem Verhalten jugendlicher Wölfe viel mehr Zeit
widmen. Und hier stellen wir deutliche Parallelen fest, wie wir am
Beispiel des Jagdverhaltens von jugendlichen Wölfen und Hunden
diskutiert haben. Was die Auseinandersetzung um Ressourcen
anbelangt, sind Wolfsfamilien und Mensch-Hund-Beziehungen
ebenfalls vergleichbar. Zumindest insofern, als jedes
gruppenorientierte Säugetier (inklusive Hund) daran interessiert ist,
körperlich unversehrt zu bleiben und den persönlichen Freiraum
individuell zu gestalten.
Oft wird behauptet, Wölfe könne man nicht „trainieren“. Von Alttieren
isolierte Jungwölfe kann man aber in Verbindung mit einer
Futterbelohnung sehr wohl zu „Kommandos“ wie „Sitz“, „Komm“ oder
„Spring“ anleiten. Auch wenn es etwas mühsam ist, sind Jungwölfe
sogar gewillt, dieses Verhalten über einen längeren Zeitraum zu
wiederholen. Das haben F. Neumann, T. Seiler oder andere
bewiesen.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, setzt sich mit Eintritt der
Geschlechtsreife allerdings beim Wolf der Drang zur
Selbstständigkeit durch. Von da an ist jeglicher Trainingsversuch
vergebliche Liebesmühe.
Widmen wir uns jetzt einigen anderen Klischees, die sich in der
Hundeszene großer Beliebtheit erfreuen:

Klischee 1 Einem Hund muss man jederzeit Futter wegnehmen


können, weil Wölfe eine strikte Futterrangordnung einhalten und der
„Alphawolf“ aufgrund seines hohen Sozialstatus immer zuerst frisst!
Auf diese unrichtige Behauptung stützt sich leider auch neuere
Literatur, wobei man anscheinend von Autor zu Autor abschreibt.
Beobachtungen E. Zimens (1972) folgend „steht die Wichtigkeit des
Sozialstatus in einem an sich unlogisch erscheinenden Kontrast zur
nicht ausgeprägten Futterrangordnung“. Das kann ich nur
bestätigen. Haben Wölfe ein großes Beutetier erlegt, fressen alle
Familienmitglieder unabhängig von Geschlecht, Alter oder
Sozialstatus gleichzeitig. Zwar knurrt und rempelt man ein wenig um
die beste Fressposition, jeder Wolf verschlingt aber soviel
Fleischbrocken wie möglich. Selbst rangniedrige Wölfe versuchen
Kleinbeute im Ansatz zu verschlingen oder verteidigen sie sogar
gegenüber Leittieren!
Auch wenn E. Zimen (1972) eine ausgeprägte Futterrangordnung
unter Königspudeln bestätigte, so gilt diese Regel noch lange nicht
für alle Hunde. So genannte „Meutehunde“ füttert man nach einer
Schleppjagd auch gleichzeitig, ohne dass es zu ernsthaften
Auseinandersetzungen kommt.
Neigt ein Hund bei der Verteidigung der Ressource Futter gegenüber
dem Menschen zu offenem Aggressionsverhalten, stellt er nicht
pauschal und zwangsläufig dessen Sozialstatus infrage. Hier sind
wir wieder beim Unterschied zwischen Rangordnung und
Rangbeziehungen angelangt.
© Günther Bloch
© Ursula Rudolf
An eine strikte Futterrangordnung halten sich weder der afrikanische Wildhund
oder asiatische Rothund, noch der Wolf oder Hund.
Jedes Jahr begeistert eine Hundemeute auf der Schleppjagd im Englischen
Garten von München hunderte von Menschen. Dass die riesige Hundehorde nach
der Jagd gleichzeitig gefüttert wird, bemerkt kaum jemand. Im Hintergrund des
Bildes erkennt man zwei über Körpersignale um die beste Fressposition streitende
Meutehunde.

Klischee 2 Wölfe fressen zuerst den Mageninhalt eines Beutetieres,


um sich so einen pflanzlichen Nahrungsanteil zu sichern.
Wolf und Hund sind opportunistische Allesfresser. Wölfe öffnen
einen Beutetierkadaver unterhalb des Hinterlaufansatzes, weil dort
die Haut am dünnsten ist. Sie fressen zwar mit Vorliebe den Darm
(nebst pflanzlichem Inhalt), am liebsten aber alle Innereien wie Herz,
Leber oder Nieren. Danach geht es ans Muskelfleisch. Auf den
Mageninhalt stürzen sich dann Raben, Krähen, Elstern und andere
Abstauber. Wölfe lassen den Pansen in der Regel unbehelligt liegen
(siehe Foto). Meinen eigenen Hunden steht ein
abwechslungsreiches Nahrungsangebot (inklusive
„Hausmannskost“) zur Verfügung. Ohne Ernährungswissenschaftler
zu sein frage ich mich, wie die „armen“ Hunde über Jahrtausende
ohne eine präsente Futterindustrie überleben konnten.

© Günther Bloch

Klischee 3 Ein Hundebesitzer muss seinen Vierbeiner immer


begrüßen, weil auch der „Alphawolf“ auf dem Recht besteht,
rangniedrige Familienmitglieder zuerst zu begrüßen.
Nach einer vorübergehenden Trennung von Leittieren fällt die
Begrüßungsinitiative unterschiedlich aus. Sie leiten auch das für
Wölfe typische, freundlich gestimmte „Umeinanderherlaufen“ ein, an
dem sich alle Familienmitglieder beteiligen. Ansonsten lassen sich
Leittiere begrüßen und nicht umgekehrt. Leitrüden vermeiden es
besonders, Betarüden zuerst zu begrüßen, um deren Sozialstatus
nicht aufzuwerten. Der Mensch sollte es deshalb tunlichst
vermeiden, einen Hund zu begrüßen, der zur Verteidigung von
Ressourcen neigt oder unter Trennungsangst leidet. Eins steht aber
fest wie das sprichwörtliche „Amen in der Kirche“: Wie ich schon
ausführte, begrüßt uns der Haushund normalerweise ohnehin durch
hoch motiviertes „Maulwinkellecken“. Mag der Mensch diese
Angewohnheit vielleicht unsauber und deshalb widerlich finden, sie
entspricht nun einmal dem instinktiven wölfischen Erbe des Hundes
und ist aus dem interaktiven Verhalten mit Artgenossen nicht
wegzudenken.

Klischee 4 Hunde sollte man möglichst antiautoritär behandeln, weil


auch die Sozialrangordnung eines Wolfsrudels von Rücksicht
gegenüber Gleichgestellten gekennzeichnet ist!
Gottlob befinden sich die Glaubensanhänger dieser These noch in
der Minderheit. Wolfsfamilien sind ebenso wenig demokratisch
strukturiert, wie es Mensch-Hund-Beziehungen sein sollten. Auch
wenn innerhalb der Sozialrangordnung sehr individuelle
Beziehungen und exklusive Bindungen eine große Rolle spielen, gibt
es unter Wölfen kein mehrheitsfähiges Mitspracherecht. Toleranz
gegenüber Gruppenmitgliedern hängt entscheidend von einem
eventuell zu befürchtenden Machtverlust eines Leittieres ab, der
sehr selten vorkommt. Der Mensch braucht demnach – ähnlich
einem Leitwolf – nicht als „Herrscher“ aufzutreten, sondern muss nur
momentane Lebenslagen im Griff haben, wobei wir erneut beim
Thema richtig verstandene Dominanz wären. Bei stabilen
Rangverhältnissen sollten sich menschliche
Führungspersönlichkeiten (wie Wolfseltern) tendenziell durchaus
freundlich und liebevoll verhalten. Laut unseren
Forschungsergebnissen übernehmen Leittiere in bestimmten
Lebenssituationen auch Verantwortung, opfern sich auf, wenn z.B.
ein Familienmitglied verletzt ist (Bloch, 2003).
Daraus aber eine generell gültige antiautoritäre Hundebehandlung
ohne Regelwerk abzuleiten, kann ich nur als abenteuerlich
bezeichnen. Hundebesitzer haben keine Verpflichtung, ihren
Vierbeinern ständig ein „glückliches“ Leben zu garantieren, das nur
aus Spaß besteht. Vielmehr geht es darum, solche Denkmuster so
schnell wie möglich über Bord zu werfen und Hunden
unmissverständlich klar zu machen, was wir im täglichen
Miteinander eigentlich von ihnen erwarten.

Klischee 5 Wie Leitwölfe müssen auch Menschen das


Markierverhalten von Hunden unterbinden, um kein
„Dominanzproblem“ zu bekommen.
Hier beschäftigen wir uns mit einem meiner Lieblingsthemen, da
ganze Heerscharen von Hundetrainern Markieren und Dominanz
pauschal in direkten Zusammenhang stellen. Wölfe markieren, um
Territoriumsgrenzen, Höhlenkomplexe oder Nahrungsressourcen
über Urin und Kot abzugrenzen. Dieser wird auch gern an
strategisch günstigen Stellen wie Anhöhen oder Weggabelungen
abgesetzt.
Das gemeinsame Markieren von Leittieren drückt aber nach
neuesten Forschungsergebnissen (Bloch, 2003) auch
Zusammengehörigkeit aus und unterstreicht die Bindung von
Sozialpartnern. Da das Markierverhalten von Wölfen in freier
Wildbahn noch nie untersucht wurde, hoffe ich, in dieser Richtung
einen neuen Denkanstoß zu geben und Hundetrainer zum
Überprüfen ihrer Argumentationslage anzuregen. Natürlich können
Hunde Markierverhalten umsetzen, um Artgenossen zu provozieren,
die Verteidigung von Ressourcen zu unterstreichen oder
Revieransprüche anzumelden.
Ist ein Verhältnis zwischen Mensch und Hund grundsätzlich geklärt,
hat man sicher kein generelles „Dominanzproblem“, nur weil der
Hund irgendwo Harn absetzt. Mein Hund Jasper markiert während
gemeinsamer Spaziergänge sogar über meine „Pinkelstelle“. Leide
ich deshalb unter Kontrollverlust? Nein, wir sind ein
zusammengehöriges Team! Geradezu lächerlich mutet der Versuch
von manchen Menschen an, den Urin ihres Hundes tagtäglich mittels
einer Spezialflasche aufzufangen, um nur ja dominant zu bleiben.

© Günther Bloch
Ranghohe Bindungspartner achten bei ihren Streifzügen durchs Revier darauf, ihr
gemeinsames Auftreten und ihre akute Präsenz durch wechselseitiges Markieren
deutlich zu unterstreichen.
© Günther Bloch
Dabei markieren sie nicht – wie lange Zeit geglaubt wurde – hauptsächlich die
Territoriumsgrenzen, sondern viele konkrete Fixpunkte wie z.B. Weggabelungen,
Straßenunterführungen, Skiloipen, Flussüberquerungsstellen oder verschiedene
Lieblingsruheplätze.
© Günther Bloch
Rangniedrige Wölfe markieren nicht, sondern urinieren.

Klischee 6 Da sich Wölfe alle in etwa gleich verhalten, funktioniert


auch Hundeerziehung nach einem einheitlichen System!
Laut E. Zimen (1986) und U. Gansloßer (2003) gibt es zwar ein
gewisses „Arterhaltungsmodell“ und biologische Zwänge, dennoch
variieren Verhaltensstrategien je nach Prägung, Lebenserfahrung
oder Temperament von Individuum zu Individuum deutlich. Das
zeigen auch die Ergebnisse von J. Goodall (1991) aus der
Primatenforschung, die sich zu Recht vehement dagegen wehrt,
Schimpansenverhalten zu verallgemeinern. Neben genetisch
vorbestimmten Verhaltensweisen spielen Umwelteinflüsse eine
entscheidende Rolle. Der jeweilige Lebensraum diktiert das
Verhalten von Tierindividuen. Ich habe Wölfe beobachtet, deren
Verhaltensweisen zuvor noch nie dokumentiert wurden, obwohl wir
doch über diese Tierart angeblich alles wissen.
Bei Wölfen geht der Anpassungsprozess an einen Lebensraum
mitunter sogar so weit, dass sie auf einem Campingplatz regelmäßig
Bälle oder Schlafsäcke „stehlen“, um sie als Spielzeug für ihre
Welpen zur Höhle zu schleppen. Auch in Bezug auf das
Rangordnungsverhalten des Wolfes liegen Toleranz, Liebe und
Zuneigung, Respekt, Rangbestätigung, Rangdifferenzen und
Kämpfe um das Fortpflanzungsrecht argumentativ nahe beieinander.
Bei Wolf oder Hund von einem genormten Verhalten zu sprechen,
wäre grundsätzlich falsch, egal ob es sich hier um Dorf-, Schensi-,
Paria- oder Haushund handelt.
Die in der Hundeszene sehr beliebte Patenteintragung eines
generellen „Hundeerziehungssystems“ hilft uns da auch nicht weiter.
Da ich das souveräne Auftreten meines Lieblingsleitwolfes „Storm“
immer sehr bewundert habe, sollte ich vielleicht schleunigst das
„Storm-Ignoranzsystem“ als neue „Hundeerziehungslehre“
patentieren lassen?!

Klischee 7 Leittiere dulden während ihrer Ruheperioden keinerlei


Kontaktliegen mit anderen Wölfen, deshalb dürfen Hunde auch nicht
im Schlafzimmer nächtigen!
Grundsätzlich bestehen Leittiere auf ausgesuchte Schlaf- und
Ruheplätze, liegen aber untereinander sehr wohl in engem
Körperkontakt. Ansonsten dulden sie in ihrer Nähe nur kleine
Welpen. Gegenüber allen anderen Gruppenmitgliedern fordern sie
eine Individualdistanz ein, die sicherlich unter anderem der
„Ressourcenkontrolle“ dient. Je nach sozialer Beziehung und
Bindungsbereitschaft gibt es aber Ausnahmen. So schien das
Kontaktliegen zwischen Leitweibchen Aster und Sohn Yukon für
beide das Normalste der Welt zu sein. Auch andere Wölfe habe ich
schon innig zusammengekuschelt im Schlaf „erwischt“.
© Günther Bloch
Eine Individualdistanz ist der Abstand, den ein Wolf oder Hund bereit ist zu
tolerieren, ohne die Annäherung eines anderen Individuums mit Drohverhalten zu
beantworten. Einige Wölfe und viele Hunde schlafen im engen sozialen
Körperkontakt, weil sie ein tief verankertes, inniges Bindungsgefühl zueinander
entwickelt haben (Mutter und Sohn in engem Kontaktliegen).

Verteidigt ein Hund Schlafzimmer oder sogar Bett, indem er diese


Ressourcen durch Knurren oder Beißen gegenüber dem
Lebenspartner Mensch abgrenzt, kann ein solch dreistes Verhalten
für den Hund nur eine Konsequenz nach sich ziehen: „Und tschüs!“
Hunden aber generell das Schlafen im Bett zu verbieten, ist eher
Ausdruck allgemeiner Ratlosigkeit, als dass es etwas mit
wolfstypischer „Rudelherrschaft“ zu tun hätte. Manche Hunde
beanspruchen einen Korb oder einen bestimmten Ruheplatz für sich
allein, während andere Vierbeiner wiederum gern bereit sind, ein
gemütliches Plätzchen mit Artgenossen zu teilen, weil ihre
Rangbeziehung von einem eher freundschaftlichen Verhältnis
geprägt ist. Hier unterscheiden sich Wolf und Hund erneut in keiner
Weise. Meine eigenen Hunde schlafen im Bett. Dabei habe ich nur
ein „Dominanzproblem“: Meine verdammte Dackeldame schnarcht!
© Angelika Lanzerath
Diesem drohenden Hund ist die Nähe eines anderen Individuums allerdings
offensichtlich zuwider. Sich ihm in einer solchen Situation zu nähern oder ihn
verbal beeinflussen zu wollen, ist definitiv nicht zu empfehlen.

Familienstruktur bei Wölfen


Zum Abschluss dieses Kapitels möchte ich nochmals argumentativ
unterstreichen, ein „Wolfsrudel“ nicht als einen rohe Gewalt
umsetzenden Haufen Tiere zu verstehen, sondern sie als familiär
strukturierte Lebewesen zu betrachten, die im täglichen
Überlebenskampf weiß Gott andere Dinge zu tun haben, als sich
gegenseitig zu verprügeln und zu fetzen.
Von Wolfseltern können wir lernen, den Aktionsradius von Jungtieren
zu begrenzen, dabei aber trotzdem souverän und grundsätzlich
freundlich gestimmt zu agieren. Die Autorität des Menschen wird
nicht systematisch untergraben, nur weil ein Hund gelegentlich
versucht, ein aufgestelltes Grundsatzverbot zu missachten und eine
Regel des Zusammenlebens zu übertreten. Nochmals auf den
Vergleich Jungwolf/Junghund zurückkommend, hat mich schon
immer erstaunt, wie oft die Jungtiere einer Wolfsfamilie in eine
Führungsrolle schlüpfen, besonders im Kerngebiet eines
Territoriums, wo sie sich natürlich sehr gut auskennen. Über mehrere
Kilometer leiteten sie die Geschicke der ganzen Gruppe, bis – ja, bis
sie an einer Weggabelung ankamen und dann nicht mehr
weiterwussten. Bei solchen Gelegenheiten blieben sie hilflos stehen,
drehten sich nach ihren Eltern um, nahmen Blickkontakt zu ihnen auf
und warteten kurz ab, in welche Richtung diese weiterliefen. Sobald
ein Leittier die neue Richtung vorgab, reihten sich die Jungtiere
sofort ein und folgten dem Entscheidungsträger bedingungslos.
Auch unerwartete Geräuschkulissen konnten die Führungsaktivität
eines Jungwolfes beeinflussen. Wiederum leicht verunsichert
überließ man den Leittieren jegliche Leitung der gesamten Gruppe
und war froh, sich einem merkwürdig erscheinenden Geräusch nicht
eigenmächtig nähern zu müssen.
Bevor wir uns dem nächsten Kapitel zuwenden, sei hier ein sehr
wichtiges Zitat von Erik Zimen (1998) wiedergegeben:
„Zehntausende Generationen getrennter Existenz zwischen Wolf
und Hund haben beim Hund nicht zum Bruch mit seiner wilden
Verwandtschaft (Wolf) ausgereicht. Eine neue Art hat der Mensch
trotz aller Manipulation mit dem Hund noch nicht gezüchtet.“

Die These „Hundeverhalten = wolfuntypisches Verhalten“ ist aus


diesem Grund nicht nur unkritisch, sondern aufgrund neuester
Studienergebnisse an frei lebenden Wölfen nicht zeitgemäß. Die Mär
„wissen sie (Wolfsforscher) etwas über einen Wolf, dann haben sie
schon viel gelernt über alle anderen Wölfe“, wie es unlängst der
Redakteur H. Mosser (2004) behauptete, ist nichts anderes als ein
hilfloser Versuch, sich mit dem komplizierten Beziehungsgeflecht
dieses Raubtieres nicht weiter auseinander setzen zu müssen.
‣ Das bedeutet
Wir Menschen sollten wie wölfische Leittiere unsere Hunde
unabhängig von Alter, Geschlecht oder Rasse aus einer zentralen
Position heraus leiten, indem wir bei gemeinsamen
Spaziergängen möglichst vorausschauend viele Weggabelungen
einplanen und den vorauslaufenden Hund verunsichern. Dies
geschieht am effektivsten, indem wir grundsätzlich die
entgegengesetzte Laufrichtung des Hundes einschlagen, egal ob
der sich an der Leine befindet oder frei läuft. Sobald der Hund
beispielsweise an einer Weggabelung nach links läuft, schlägt
sein Besitzer die rechte Laufrichtung ein, respektive umgekehrt.
Je öfter wir für den Hund überraschende Richtungswechsel
einschlagen, desto besser. Wir brauchen nur darauf zu achten,
wann der Hund unaufmerksam ist. Genau in diesem Moment
lassen wir ihn sozusagen auflaufen, nehmen kommentarlos einen
Richtungswechsel vor und laufen unbeirrt voran, bis der Hund
folgt. Diese Folgebereitschaft wird am besten belohnt, indem wir
für sein Herankommen Futter verwenden, das er ansonsten nie
erhält und deswegen besonders attraktiv findet. Auch auf einer
Wiese oder einem Feld verhalten wir uns in gleicher Weise: Der
Hund möchte nach vorne laufen, also drehen wir uns um und
gehen in die entgegengesetzte Richtung fort. Setzt man diese
Form der ignoranten Richtungsbestimmung und positiven
Dominanz regelmäßig um, muss der Hund auf uns Menschen
erheblich mehr achten, konzentriert sich auf unsere
Bewegungsmuster und baut so eine engere Bindung zu uns auf.
Von Menschen, Wölfen und Hunden

© Günther Bloch
Domestikation des Hundes

Entstehungstheorien des Hundes


Wie der Mensch auf den Hund kam oder umgekehrt, ist eine höchst
spannende, aber auch umstrittene Frage. Zwar gehen alle
Wissenschaftler vom Wolf als Stammvater des Hundes aus. Streit
herrscht aber darüber, wie der Hund „entstanden“ ist. Vergleicht man
das diffizile Rudel- und Ausdrucksverhalten von
tschechoslowakischen Wolfshunden oder nordischen Hundetypen
mit dem Verhaltensrepertoire von englischen Bulldoggen oder
Möpsen, macht sich zu Recht Erstaunen breit. Wie konnten aus
einem Raubtier mit „Killerinstinkt“ (Wolf) so unterschiedliche
Hundetypen mit unterschiedlichem Exterieur und Verhalten
entstehen?
Bekannt ist, dass Hunde im Vergleich zu Wölfen über kleinere
Schädel und Zähne sowie über ein kleineres Gehirn verfügen. Eine
Verallgemeinerung ist jedoch nicht besonders hilfreich, denn wie wir
ebenfalls wissen, besitzen Schäferhunde oder Huskies wesentlich
größere Zähne als etwa Boxer. Haben Steinzeitmenschen damals
schon bewusst Wölfe sexuell isoliert (künstliche Selektion) oder ist
der Hund ohne ihren Einfluss (natürliche Selektion) entstanden?
E. Zimens (1986) Domestikationstheorie folgend, führte künstliche
Selektion und „besonders die Bereitschaft der Frau, hilflose
Wolfswelpen mit lebensnotwendiger Milch zu versorgen“, zur
Entstehung des Hundes. R. Coppinger (2003) vertritt hingegen die
Meinung, der Wolf habe sich „über die Reduktion von
Fluchtverhalten gegenüber menschlichen Ansiedlungen quasi selbst
domestiziert“. Nach seiner These veränderten Teile der
Wolfspopulation ihr Verhalten erst aufgrund der Sesshaftwerdung
des Menschen. Eine neue ökologische Nische (inklusive
Nahrungsressourcen) wurde besetzt und es entstanden rasch
größere Hundebestände. R. Coppinger (2001) argumentiert, dass
durch diesen natürlichen Selektionsprozess „eine neue Art
entstanden (sei), die wir Hund nennen“. Leider passt diese
grundsätzliche Behauptung nicht in das Bild, das uns Funde aus
alten Grabstätten vermitteln, die eine Existenz des Hundes lange vor
Sesshaftwerdung des Menschen eindeutig belegen.
Laut D. Feddersen-Petersen (1992) und den Kynologen H. Räber
(1999), W. Herre und M. Röhrs (1990) werden „im Hausstand aber
trotz der auffälligen Variabilität unter Haustieren und den vielen
Unähnlichkeiten, die diese ihrer Stammart (Wolf) gegenüber
aufweisen, keine neuen Arten gebildet“. Dieser Aussage liegen
intensive Forschungen an Wolf und Hund zugrunde.

Studien an Wölfen und Hunden


Die Behauptung, Wissenschaftler würden nur Wölfe studieren, weil
ihnen die große Variabilität des Hundes ein Gräuel und
Wolfsverhalten einfacher zu kategorisieren sei, entbehrt jeglicher
sachlichen Grundlage.
In Wahrheit stellt sich der Sachverhalt genau umgekehrt dar. Wölfe
in freier Wildbahn zu beobachten und Schlussfolgerungen auf deren
unterschiedliche Verhaltensstrategien zu ziehen stellt für fast alle
Hundeerzieher oder interessierten Kynologen ein hoffnungsloses
Unterfangen dar. Da ist es schon einfacher, mit dem Auto an eine
Dorfrandlage oder Müllhalde zu fahren und Hundeverhalten zu
dokumentieren. Aber was gibt es hier zu bestaunen? Im Gegensatz
zur enormen Vielfalt unserer Haushunde tendieren Müllhaldenhunde
dazu, einem vergleichsweise einheitlichen Reproduktions-,
Nahrungsbeschaffungs- und Erkundungsverhalten zu folgen.
Manche Hunde fristen ihr gesamtes Leben in unmittelbarer Nähe der
Müllhalde oder eines Fischereihafens, bringen hier ihre Jungen zur
Welt, die wiederum das Verhaltensinventar ihrer Eltern kopieren.
Doch wer verspürt schon große Lust, seinen Tagesablauf
monatelang bei Durchschnittstemperaturen von minus 20 Grad dem
enormen Aktivitätsradius von frei lebenden Wölfen anzupassen?
Als Verhaltensbeobachter von Wölfen und Hunden weiß ich, wovon
ich rede. Mag der anfängliche Enthusiasmus vieler Feldassistenten
auch auf einer ernst gemeinten Grundeinstellung beruhen, so
bringen die rauen Umstände des Forschungsalltags sie schnell auf
den Boden der Tatsachen zurück. Man bedankt sich artig und
bevorzugt lieber wieder den molligen Beobachtungsposten in
wärmeren Gefilden. Und selbst hier, vor den Pforten eines Geheges,
entpuppt sich die Verhaltensauflistung von Wölfen oder anderen
Caniden als kompliziert und ausgesprochen zeitaufwendig. Die
These, bei Gehegetieren könne man aufgrund ihres überschaubaren
Lebensraumes von einem Verhaltensgleichheitsprinzip ausgehen, ist
schlicht und ergreifend falsch, wie die Untersuchungsergebnisse an
der Universität Kiel beweisen.
Nichtsdestotrotz geht von R. Coppingers Evolutionstheorie der
natürlichen Selektion zunächst eine große Faszination aus – wobei
er dem Wolf unterstellt, schon in grauer Vorzeit ein scheues Tier
gewesen zu sein.

Der Wolf – ein scheues Tier?


Aber wovor soll der pfeilschnelle, differenziert kommunizierende und
koordiniert handelnde Jäger namens Wolf damals Angst gehabt
haben?
‣ Vor Steinzeitmenschen mit Speeren und anderen primitiven
Waffen der damaligen Zeit?
‣ Vor Menschen mit eher primitiv entwickelten
Kommunikationsformen, über deren Fortbewegungsmuster
(besonders im Winter) sich der leichtfüßige Wolf eigentlich amüsiert
haben müsste?
‣ Möchten wir wirklich annehmen, in kleinen Gruppen organisierte
Menschenhorden wären damals straff organisierten Wolfsfamilien
überlegen gewesen?
‣ Sollen sich „wohlriechende“ Menschen unbemerkt an Wölfe, deren
hoch entwickelte Sinnesleistungen allgemein bekannt sind, diskret
herangeschlichen haben können?

Ich kann daran nicht so recht glauben, gerade deswegen nicht, weil
die Reduktion von Fluchtverhalten gegenüber dem Menschen sogar
heute noch, trotz massivem Verfolgungsdruck, bei Wolf, Kojote oder
Fuchs sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Kojote und Fuchs gelten
als so genannte „Kulturfolger“, tricksen besonders in
Ballungsräumen beheimatete Menschen fast täglich aus und leben
auf Friedhöfen oder in U-Bahn-Schächten.
Wölfe zeigen ein sehr variables Fluchtverhalten und nähern sich
unserem Auto hier in Banff mitunter bis auf wenige Meter. Wahr ist,
dass all diese Canidenformen dennoch Raubtiere geblieben sind.
Untersuchungen von D. Feddersen-Petersen (1992), W. Herre und
M. Röhrs (1999) belegen eindeutig, „dass Canidae (Wolf, Schakal,
Kojote, Fuchs und Hund) sehr unterschiedliche
Gruppenkonstellationen formen. Die jeweils spezifischen
Rangordnungen unter Wölfen und Haushunden ähneln sich aber im
Gegensatz zu denen von Goldschakalen und Kojoten sehr!“

Die Verbindung zwischen Wolf und Hund


Schön und gut, werden nun viele Hundebesitzer sagen. Doch was
hat das alles mit uns zu tun? Sehr viel, denn es geht um die Frage,
ob der Haushund nach wie vor tendenziell ein „Rudeltier“ ist. Würde
es sich beim Hund eindeutig um eine neue Art handeln, die nur in
losen Sozialverbänden lebt, wenig Interesse an einer Rudelstruktur
zeigt und die Fähigkeit zum Beobachtungslernen verloren hat, wie R.
Coppinger (2003) glaubt, könnte man tatsächlich jegliche Parallele
zum Wolf vergessen.
Da Exterieur und Verhalten von Wolf und Hund zum Teil beträchtlich
variieren, brauchen wir den Beweis einer direkten Verbindung. Wir
suchen also nach dem fehlenden Glied in der Kette zwischen Wolf
und Hund, dem Urhund. Das ist noch ziemlich einfach, schließlich
gelten Schensi- und Pariahunde laut H. Wachtel (2002) „zu den
Primitivhaushunden zweiter Ordnung“. Bei Parias & Co. handelt es
sich jedoch in erster Linie um Nahrungsabstauber und nicht
unbedingt um klassische Gruppenjäger, wobei das
Verhaltensinventar dieser „Urhunde“ in freier Wildbahn bis auf
wenige Ausnahmen über längere Zeiträume noch nicht studiert
wurde. Ein Manko, das es zukünftig zu beheben gilt. Aber selbst
wenn wir deren Sozialverhalten präziser beleuchten und eine
Zwischenbilanz ziehen würden, bleibt die Frage offen, über welches
Instinktrepertoire die Vertreter heutiger Haushundrassen nach ihrer
Domestikation noch verfügen. So mögen wir schließlich zu der
Erkenntnis gelangen, dass sich der Haushundtypus A sehr
wahrscheinlich „wölfischer“ verhält als der Haushundtypus B oder C.
Die Diagnose kann deshalb nur heißen: Wir brauchen als Erstes
einen Caniden, der wie ein Wolf jagt und aussieht wie ein Hund. Wir
brauchen einen Caniden, der wie ein Wolf in
rangordnungsbezogenen Familienverbänden lebt, obwohl er in der
Vergangenheit schon einmal domestiziert wurde und in enger Nähe
zum Menschen lebte. Und dieses fehlende Glied in der Kette
existiert nicht nur, sondern hat sogar einen Namen: Dingo!

Der Dingo
Der lateinische Name Canis lupus dingo verrät, dass dieser
„Urhundetypus“, dessen Existenz man gemeinhin auf mindestens
5500 Jahre zurück datiert, vom Wolf abstammt. Ursprünglich in
Asien zu Hause und dort auch domestiziert, führte man den Dingo
vor ca. 4000 Jahren in Australien ein, wo er rasch wieder
verwilderte. Nach Ansicht des Hundepsychologen D. Tortora (1979)
„beachtet der Mensch normalerweise ein paar Eigenschaften und
ignoriert den Rest, wenn er ein Tier domestiziert“. Diese Aussage
macht absolut Sinn, wenn man bedenkt, dass bei der Domestikation
anderer Tierarten wie Schaf, Ziege oder Rind in der Vergangenheit
ähnlich verfahren wurde.
Wenn das „Grundmuster“ Hund generell ohne Manipulation des
Menschen, respektive nur durch natürliche Selektion entstehen
würde, müsste der Wildhund Dingo dieser Logik entsprechend alle
Fähigkeiten verloren haben, Rudelstrukturen und klare
Rangordnungsbeziehungen zu bilden, in koordinierter Jagdformation
Beutetiere zu erlegen und im Familienverband seinen Nachwuchs zu
versorgen. Dem ist aber nicht so: Die Familienbildung des wild
lebenden, ehemals domestizierten Dingos gleicht der des Wolfes.
Im Vergleich zu Wölfen verfügen Dingos über kleinere Schädel und
Zähne, die im Vergleich zu Haushunden aber wiederum größer sind.
Mit Ankunft der ersten Europäer in Australien um 1788, vermischte
sich der Hundebestand der Neusiedler mit wild lebenden Dingos.
Diese Dingo-Haushund-Hybriden führt man seither unter der
lateinischen Bezeichnung Canis lupus familiaris.
© Günther Bloch
Der Dingo ist auch heute noch in weiten Teilen Asiens (Thai Dingo, Vietnam
Dingo, Indonesischer Dingo, New Guinea Dingo) verbreitet und wurde sehr
wahrscheinlich in Thailand vor 10.000 bis 14.000 Jahren zum ersten Mal
domestiziert. Als Urahn des Dingos gilt der indische Wolf.
© Günther Bloch
Dingos versorgen ihren Nachwuchs wie Wölfe, und alle erwachsenen
Familienmitglieder würgen den Welpen Futter vor. Dingoeltern kommt wie
Wolfseltern ebenfalls eine Führungsrolle zu. Ihr Nachwuchs lernt, das
Verhaltensrepertoire der Leitbilder durch genaue Beobachtung zu kopieren und
sich so schrittweise zur Selbstständigkeit zu entwickeln. Im Hintergrund sieht man
die Leiter, über welche die Welpen zu klettern lernten.

Natürliche Selektion allein kann nicht zum generellen Verlust


sämtlicher Wolfseigenschaften führen! Außerdem dürften Dingos
(Hunde) kein Beobachtungslernen umsetzen, weil diese Fähigkeit
nach R. Coppinger (2003) beim Hund nicht ausgeprägt ist. „Tauna“,
Trumlers bekannte Neuguinea-Dingohündin, brachte ihre Welpen
regelmäßig auf dem Dachboden einer Scheune zur Welt, den sie nur
über eine Leiter erreichen konnte. Ihre Welpen beobachteten Taunas
Verhalten gespannt und lernten, wie man eine Leiter benutzt. Wenn
das kein Beobachtungslernen ist, was denn dann?
Einige Dingos leben auch heute noch relativ eng mit Aborigines
(Ureinwohner Australiens) zusammen und begleiten sie wie
Schensihunde in Asien oder Afrika bei der Jagd auf Känguru und
Hase.
Es ist zu bedauern, dass Teile der „zivilisierten“ Bevölkerung
Australiens versuchen, aus frei lebenden Dingos neue Hunderassen
zu kreieren. So beklagt der australische Biologe L. Corbett (1995):
„Sollten die Menschen bestimmte Rassestandards und typische
Merkmale für Dingos festlegen und daraufhin züchten, werden sie
keine Dingos bleiben. Ein domestizierter Dingo ist eben keiner,
sondern nur eine neue Hunderasse.“
© Peter Blanche

© Peter Blanche
Die ersten Urhunde wurden in Nordamerika von „Natives“ (Indianern) zum Ziehen
von Lasten, zum Treiben von Beutetieren wie z.B. Bison, Karibu und Hirsch, zur
Bewachung von Lagerstätten und natürlich zu sozialen Zwecken genutzt. Auch
heute noch findet man in den arktischen Regionen des Kontinents sehr
ursprüngliche Hundetypen (Indian dogs), die in Aussehen und Verhalten dem Wolf
besonders stark ähneln.

‣ Das bedeutet
Beim Wolf handelte es sich vor etlichen tausend Jahren um ein
wenig scheues Tier mit geringer Fluchtintention, das den
Menschen hinsichtlich seiner sozialen Fähigkeiten eher tief
beeindruckte. Die Faszination, die von wild lebenden Caniden
ausgeht und die alle mir bekannten Wissenschaftler antreibt,
vergleichende Verhaltensforschungen durchzuführen, muss sich
wohl auch auf den „Urmenschen“ übertragen haben. Trotzdem
bleibt schwerlich vorstellbar, Urmenschen hätten bei der
Entstehung des Hundes gezielt auf Hängeohren, Ringelschwänze
oder präzise Fellfarben gezüchtet.
Den Menschen der grauen Vorzeit interessierte vornehmlich das
Wohlergehen seiner Kinder, zu „kess“ und aggressiv handelnde
Wölfe traf daher eher die Keule der Vernichtung. So isolierte man
sozial freundlichere Wölfe sexuell von wilderen Artgenossen und
selektierte kurz und bündig auf Verhalten!
In der Konsequenz scheint die Domestikation zum Haushund
(inklusive seines im Vergleich zum Wolf veränderten Aussehens
und Verhaltens) auf natürlicher und künstlicher Selektion zu
beruhen, was im Übrigen auch durch Untersuchungen an
Polarfüchsen in Sibirien dokumentiert wird.
Wolf und Hund sind keine unterschiedlichen Arten, sondern haben
ihr Verhalten nur an verschiedene Lebensräume angepasst.
Gemäß genetischem Code (DNA) sind sie enger miteinander
verwandt als mit Kojote und Schakal. Wolf und Hund sind keine
Rudeltiere im hierarchisch negativen Sinn (strikte Hackordnung).
Es sind gesellige und familienorientierte Rudeltiere, die über
durchaus vergleichbare Sinnesleistungen verfügen. Laut D.
Tortora (1979) „kann uns die Beobachtung von Wölfen einiges
über das Verhalten des heutigen Hundes lehren“. Wolf wie Hund,
wobei hier auch ein direkter Zusammenhang zu Schensi- und
Dorfhunden besteht, sind mehr oder weniger alle territorial. Sie
unterhalten innerhalb ihres losen – oder aufgrund exklusiver
Bindungsverhältnisse gefestigten – Familienverbandes soziale
Rangbeziehungen, die eine Ressourcenverteilung
unterschiedlicher Gewichtung beinhalten. Diese Erkenntnis ist für
unser Verständnis des Haushundeverhaltens sehr wichtig, um
einerseits den Geselligkeitsdrang des Hundes zu Artgenossen
und Menschen zu erklären, andererseits aber zuzugestehen, dass
viele Haushundetypen keine ausnahmslosen Nahrungsabstauber,
sondern jagdfreudige Caniden geblieben sind. Es mag uns in den
Kram passen oder auch nicht: Wolf und Hund sind allen
Unkenrufen zum Trotz vergleichbar, besonders in Bezug auf ihre
gemeinsame Jagdpassion, wie uns täglich tausende Exemplare
der Subspezies Canis vagabundus eindrucksvoll vor Augen
führen.
Mensch und Hund im modernen
Zeitalter

Soziallebewesen Hund
Der hoch zivilisierte Mensch hält heutzutage in erster Linie
Haushunde und hat mit spezialisierten Arbeitshunden relativ wenig
am Hut. Leider geht der Mensch davon aus, man könne die
Grundbedürfnisse eines jeden Hundetypus problemlos abdecken
und bedenkenlos auf ein gemeinsames Zusammenleben im
Hausstand übertragen. Dabei wird vergessen, dass auch
Haushunde einer unglaublich hohen Variabilität unterliegen und nicht
alle mit einem einheitlichen „Verhaltensblock“ daherkommen.
Natürlich: Haushunde sind mit der gleichen sozialen Kompetenz
ausgestattet wie Wölfe und daher grundsätzlich bestens geeignet,
mit uns Menschen ein geselliges Leben zu führen. Objektiv
betrachtet sind Haushunde weit mehr als vom Menschen abhängige
„große Babys“. Die Tendenz des Hundes, zeitlebens sein kindliches
Wesen beizubehalten, hilft dem Menschen, eng mit ihm
zusammenzuleben.
Egal ob Wolf, Mensch oder Hund: Allein gelassen ist jedes
Soziallebewesen ein Außenseiter. Für den Hund ist es am
wichtigsten, Mitglied einer Lebensgemeinschaft zu sein, nämlich
unseres „gemischten“ Familienverbandes. Menschen sind zwar
keine Hunde, aber für den Hund das nächstbeste Soziallebewesen.
Junge Hunde sind, wie alle heranwachsenden Caniden, von Natur
aus unterordnungsbereit, sehen den Menschen jedoch nicht als
Hund an. Laut D. Feddersen-Petersen (1992) „wissen Hunde sehr
wohl zwischen Artgenossen und dem Sozialpartner Mensch zu
unterscheiden“. Trotzdem entwickeln sie grenzenloses Vertrauen
zum Menschen. Werden wir Menschen diesem besonderen
Vertrauen gerecht?
Anstatt unsere Hunde zu vermenschlichen, sollten wir zumindest
versuchen, uns so gut wie möglich zu „verhundlichen“. Dazu gehört,
analog dem vielschichtigen Kommunikationssystem aller Caniden,
Körpersignalen Beachtung zu schenken. Es ist ein weit verbreiteter
Irrglaube, Haushunde verfügten über keinerlei Fähigkeiten,
freundlich gestimmte Körpersignale (Lächeln, sanfter Blick,
entspannte Körperhaltung) von unfreundlichen (strenger Blick,
Stirnrunzeln, Imponiergehabe) unterscheiden zu können. Beide
Signalgebungsformen entfalten ihre Wirkung und funktionieren
bestens. Immer vorausgesetzt, dass der Mensch die
Verhältnismäßigkeit der angewandten Signalmittel klug abwägt.

Vergleichende Verhaltensforschung
So besteht z.B. ein großes Verständnis zwischen Mensch und Hund
auf der Arbeitsebene, nämlich dort, wo der Hund verschüttete
Menschen anzeigt, Blinde führt und Behinderten oder Kranken hilft.
Trotzdem fällt es uns Deutschen schwer, auch Haushunde als
Nutztiere anzusehen. Neben dem vor allem in mediterranen Ländern
weit verbreiteten Streunertum, bis hin zum völlig verwilderten Status,
findet man in weiten Teilen Europas noch heute kleinwüchsige
Hundeschläge, die man in Dorfsiedlungen als Klingelersatz, also als
Alarmauslöser, oder als Ungeziefervertilger hält. Ray Coppinger und
ich nennen sie „Vordertür-Bellhunde“ und beschreiben damit die
typische Funktion dieser Tiere. Das Vertilgen von Mäusen und
Ratten klappt nicht ohne die wölfischen Grundeigenschaften des
Aufspürens, Verfolgens und Totschüttelns von Beutetieren. Wer
primär Kleinbeutetieren nachstellt, braucht nicht im Verband zu
jagen, was aber keineswegs exklusiv haushundtypisch ist. Im
Gegenteil: Wir beobachten seit Jahren Jungwölfe, die nicht im
„Rudel“ jagen, und Hunde, die zumindest relativ koordiniert
gemeinsam Schafe hetzen und auch töten. Genau diese dumme
Jagdeigenschaft des Haushundes, der nicht wie ein halb verwilderter
Dorfhund nur auf den angefaulten Apfel oder andere vom Menschen
bereitgestellte Nahrungsressourcen wartet, bringt so manchen
Anhänger der „Hunde-sind-keine-Wölfe-Theorie“ an den Rand der
Verzweiflung. Wohlgemerkt: Das Verhalten von Wolf und Hund
gleichzusetzen wäre unsinnig, aber man muss es vergleichen, um
Unterschiede wie Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Gottlob hat
die vergleichende Verhaltensforschung in unserem Land eine lange
Tradition (Trumler, Herre, Röhrs, Tembrock, Zimen), wird derzeit von
D. Feddersen-Petersen weiterentwickelt und durch unsere
Freilandbeobachtungen ergänzt, sodass man nicht auf
Spekulationen, wie sie viele Hundetrainer betreiben, angewiesen ist.
Man darf gespannt sein, welche Forschungsergebnisse die Zukunft
noch bereithält.
Was weder Dorfhund, Straßenhund noch Haushund verdient haben,
ist, „ausnahmslos an die emotionale Kette des Menschen gelegt zu
werden“, wie E. Zimen (1986) die neue Form der Machtausübung in
Richtung Hund treffend bezeichnet. Eines sind und werden Hunde
nämlich nie: bessere oder schlechtere Menschen.

‣ Info
Hunden ist Rache fremd, sie plagt kein schlechtes Gewissen. Sie
wissen nichts von Anstand, Dankbarkeit oder „Fairplay“. Hunde
leben im Heute und Jetzt. Nach D. Feddersen-Petersen (1987)
„werten Hunde ihr Handeln sicher nicht auf der Stufe eines Über-
Ichs, sie gehorchen keinen mehr oder weniger selbst
geschaffenen Moralgesetzen“. Das heißt natürlich nicht, dass wir
Hunden Gefühle absprechen sollten, die sie uns zweifelsohne im
täglichen Miteinander zeigen. Hunde empfinden sicherlich Freude,
Lust und Trauer.

Anpassung an Lebensräume
Die Tierärztin und Therapeutin Felicia Rehage (2000) schrieb: „Er
(der Hund) denkt in durchaus autoritären Kategorien und hält rein
gar nichts von unserer viel beschworenen Demokratie.“ Wir
Menschen werden wohl oder übel nicht darum herumkommen, die
Andersartigkeit des Hundes akzeptieren zu lernen.
Carl von Weizsäcker sagte kürzlich: „Bevölkerungszuwachs und
technische Veränderungen haben das Gleichgewicht der Natur, in
der wir leben, aus den Angeln gehoben.“ Der Mensch, der sich
selbst für die Krönung der Schöpfung hält, hat zu diesem
Ungleichgewicht gehörig beigetragen. Dabei bleibt fraglich, welche
Gesellschaftsform des Menschen sich auf unserer Erde langfristig
durchsetzen wird.
Menschen leben sowohl in Großfamilien als auch in
Singlehaushalten. Sie leben als Jäger und Sammler oder wohnen in
Hochhausappartements. Sie verfügen über hoch technisierte
Gerätschaften oder führen ein „primitives“ Leben. Trotzdem zählen
wir alle Vertreter zur gleichen Spezies: Homo sapiens. Das ist,
genau wie beim Vergleich von Wolf und Hund, auch richtig. Ein
Verhaltensinventar begründet sich auf Anpassungsprozesse an
unterschiedliche Lebensräume. Es werden nicht automatisch neue
Arten kreiert, nur weil sich Verhaltensstrategien unterschiedlich
darstellen. Beobachtet man z.B. Bussarde, die in unseren
Breitengraden tagelang auf Baumwipfeln in direkter Nähe zu
Autobahnen hocken, bis sie sich auf ein im Autoverkehr
umgekommenes Beutetier stürzen, können wir von einer neuen
ökologischen Nische sprechen, an die sich Bussarde angepasst
haben. Handelt es sich beim „Autobahn-Abstauber-Bussard“ aber
um eine neue Art? Wohl kaum.
So bleibt zu hoffen, dass sich weltweit letztlich auf lange Sicht der
Menschentypus durchsetzt, der unser aller Natur schonend
behandelt. Der Haushund sitzt mittendrin im Dilemma. Auch für ihn
bleibt zu hoffen, dass der extrem überbetonte „Modetypus“ nur eine
Zeiterscheinung bleibt und sich der Mensch darauf besinnt, die
Gesundheit des Hundes nicht ganz und gar aus dem Auge zu
verlieren.

Die Gefahr der Vermenschlichung


Laut D. Feddersen-Petersen (1992) „macht es der Hundehalter
seinem Hundekumpan nicht selten schwer bis unmöglich, Hund zu
sein und zu bleiben.“
Arbeitstempo, Leistungsdruck und Schnelllebigkeit sind
Lebenserscheinungen, die das Hauptübel des heutigen Menschen
widerspiegeln. Außerdem verdrängt man gern Dinge, die nicht sein
dürfen, sucht nach Ausreden oder setzt Gerüchte in die Welt, warum
der „verhaltensgestörte“ Hund keinesfalls das eigene Spiegelbild
sein kann. Andere sind schuld.
Dabei scheint es die Krux des heutigen Menschen zu sein, nach
Weite und Freiraum zu suchen, die objektiv nicht vorhanden sind.
Man hält sich einen Hund gemäß dem Motto: „Zurück zur Natur“.
Das wäre ja schön, wenn er wirklich kontrollierten Freilauf genießen
könnte. Schaut man sich jedoch so manchen Hundehalter beim
Spaziergang an, scheint „Bindung“ ein Fremdwort zu sein, obwohl
der Hund aus Besorgnis schon an der Leine läuft. Interessant ist,
dass Menschen, denen es an Freundschaftsbeziehungen und Liebe
zu anderen Mitmenschen fehlt, den Hund als sozialen „Ersatz“
halten. Der Mensch wird nicht nur durch das Milieu geprägt, sondern
auch durch ererbte (soziale) Anlagen. Deshalb ist die allgemeine
Einstellung des Menschen zum Hund wichtig.
Nach D. Feddersen-Petersen (1992) „werden Hunde (...) mit
geradezu erstaunlicher Konsequenz vermenschlicht und damit
gründlich missverstanden, wodurch sie sich dann nahezu
zwangsläufig zu Problemhunden entwickeln müssen.“
Die Hundetrainerin P. Krivy (2004) sagt: „Ich wage zu behaupten,
dass rund 90% der anzutreffenden Probleme in der Mensch-Hund-
Beziehung darin begründet liegen, dass der Mensch seinen Hund
nicht als Hund sieht, sondern als besondere Form von Mensch.“
Laut dem Verhaltenspsychologen R. Bergler (1986) sind es rein
statistisch „nur“ 25% der Menschen, die Tiere vermenschlichen,
allerdings ist diese Studie schon fast 20 Jahre alt.
Viele Menschen suchen einen Ausweg, indem sie sich mit dem
Hund sportlich betätigen. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Laut
dem Kynologen Hans Räber (2002) „sollte Sport mit dem Hund aber
eine beglückende Freizeitbeschäftigung sein und nicht ein Mittel zum
Aufpolieren seines angeschlagenen Selbstbewusstseins.“ Der
Mensch neigt nun einmal gerade in so genannten
„Wettkampfsituationen“ zu Übertreibungen und Fehlleistungen. Aber
nicht nur dort.
Er neigt auch zu Schuldgefühlen, wenn es um den „armen“ Hund
geht. Wiedergutmachung in Form von Entschuldigung und einer
„Extraportion“ Liebe ist angesagt, sollte der Hund zu spät gefüttert
oder ausgeführt werden.
Falsch verstandene Tierliebe führt besonders bei so genannten Schoßhunden zu
Ungehorsam und mangelnder Verhaltenskontrolle.
Kleine Hunde sind in der Regel wesentlich agiler und temperamentvoller als große
und schwere Hunde, sodass ihre Erziehung ein unbedingtes Muss darstellt. Die
Reizschwelle zur Umsetzung von Aggressionsverhalten ist bei vielen Kleinhunden
deshalb sehr niedrig, weil sie die Nähe ihres Sozialpartners Mensch oder ihre
Nahrung gern verteidigen.

Verantwortung gegenüber dem Hund


Bei allem „Stress“ mit dem Vierbeiner hat der Hundebesitzer aber
auch unübersehbare Vorteile, wie eine schwedische Studie unter der
Leitung von I. Nordling (1990) zeigt.
Wie wirkt sich die Haltung von Hunden konkret auf den Menschen
aus? Den Ausführungen H. Wachtels (2002) folgend „wird die
Familiensituation der Hundebesitzer positiv beeinflusst, bleiben
Hundehalter generell, vor allem aber ältere Menschen gesünder und
physisch-psychisch aktiver.“ Ja, es gibt sie, die Menschen, die ihr
Verhältnis zum Hund regelmäßig überdenken, eigene Schwächen
eingestehen, Tierliebe in einen anderen Kontext setzen und nach
einer missratenen Prüfung nicht die Schuld beim Hund suchen.
Solche Menschen kommen Juwelen gleich. Man muss sie
besonders hervorheben, denn sie sind es, die einem Hundetrainer
das Leben erleichtern und Freude in dessen Alltag bringen.
Aber nicht nur das. Verantwortungsvolle und auf die Bedürfnisse des
Hundes eingehende Menschen sind auch aktive Tierschützer, die
ihrem Zögling das Leben erleichtern. U. Gansloßer (2002) sagt:
„Wächst ein Tier unter optimalen Lebensbedingungen auf, wird es
später Probleme besser bewältigen können.“
Es ist nur fair und unbedingt erwähnenswert, dass einige Menschen
Schicksalsschläge hinnehmen müssen, die das Leben des Hundes
unbeabsichtigt negativ beeinflussen. Dies betone ich ausdrücklich,
weil es unter vielen Hundetrainern geradezu zur pauschalen
Gewohnheit geworden ist, Hundebesitzern generell für alles die
Schuld in die Schuhe zu schieben. So bleibt die Frage offen, wie
eigentlich die „idealen Hundebesitzer“ aussehen?
Nun, da es die pauschale Antwort nicht gibt, würde ich sagen: Es
sind sozial eingestellte Menschen, die eine Beziehung zum Hund
intuitiv spüren, die Hundehaltung befähigt und kreativ angehen, sich
ihrem Zögling gegenüber ohne massive Übertreibungen verständlich
machen und Rücksicht auf öffentliche Belange nehmen können und
wollen. Das Gegenteil, nämlich Verblendung in Richtung Hund,
Rücksichtslosigkeit gegenüber Menschen und eine generelle
Lebenseinstellung des „have fun, take it easy“ ist schlichtweg
inakzeptabel. Dazu H. Räber (2002): „Nimm΄s locker wird vor allem
von der jüngeren Generation gelebt, oft bis an die Grenzen des noch
Duldsamen, bis an die Grenzen der Legalität.“ Ich möchte Hans
Räber zustimmend hinzufügen: Etliche aktive, begeisterte Kinder
und Jugendliche engagieren sich pro Hund. Mitunter nehme ich gern
schmunzelnd zur Kenntnis, wenn sie den „Alten“ zeigen, wie man
sich einem Hund gegenüber richtig zu verhalten hat.

‣ Das bedeutet
Menschen unterscheiden sich, ebenso wie Wölfe oder Hunde,
individuell und durchlaufen unterschiedliche
Verhaltensentwicklungen, die vom jeweiligen Lebensraum
abhängen. Verhalten ist nicht nur genetisch bedingt, sondern steht
vielmehr in einem unmittelbaren Zusammenhang mit
Lernerfahrungen. Mit einer Verallgemeinerung ihres Verhaltens
wird man keiner Spezies gerecht.
Die „moderne“ Mensch-Hund-Beziehung unterscheidet sich
deutlich von der Lebensweise, welche Naturvölker und deren
Hunde führen. Von ihnen können wir lernen, wie man ein
geselliges Zusammensein organisiert und dem Hund gleichzeitig
jenen Verhaltensspielraum lässt, den er braucht, um „glücklich“ zu
sein. Hunde zu lieben heißt nicht, sie ein Leben lang hofieren zu
müssen.
Sinnesleistungen von Mensch, Wolf
und Hund

Der Hund – ein Jäger!


Beim Hund haben sich alle hoch entwickelten Sinne des Jägers Wolf
bis heute erhalten. Hunde sind bei aller Vielfalt noch immer
Jägernaturen und nehmen die Umwelt anders wahr als wir
Menschen. Dadurch entstehen mitunter kommunikative
„Missverständnisse“.

Geräusche
Mit seinen akustischen Sinnesleistungen erkennt der Hund eine
herannahende Gefahr lange vor uns Menschen. Mit seinem Gehör
kann er etwa dreimal so weit entfernte Geräusche wahrnehmen.
Dank dieser Art Frühwarnsystem bleibt dem Hund genügend Zeit,
eine Gefahr abzuwenden, auch wenn nur er diese Situation als
gefährlich einstuft. Oft hält der Mensch die gleiche Situation für völlig
ungefährlich, obwohl der Hund sicher ist, „seine“ Familie wieder
einmal gerettet zu haben.
Kommentar des Menschen: „Halt die Klappe, da ist doch gar nichts.“
Laut dem Verhaltenspsychologen Desmond Morris (1986)
„unterscheiden Wolf und Hund Tonhöhen, die nur ein achtel Ton
auseinander liegen“. Für Hunde stellt es überhaupt kein Problem
dar, individuelle Motorengeräusche eines Autos, das Schleifen eines
Getriebes oder das unregelmäßige Laufgeräusch eines Keilriemens
akustisch einzuordnen. Ihre Ohren arbeiten permanent und ihr
Gehör nimmt vor allem hohe Frequenzen im Ultraschallbereich wahr.
Die Fähigkeit, selbst entfernte Geräusche so wahrzunehmen, als
kämen sie aus unmittelbarer Nähe, lässt den Hund im Vergleich zum
Menschen in einer anderen akustischen Welt leben.
Kommentar des Menschen: „Der Hund muss übersinnliche Kräfte
besitzen, denn er weiß ganz genau, wann Papa nach Hause
kommt.“
Mein Laikarüde stoppt oft inmitten eines Spaziergangs, um nach
offensichtlich akustisch präziser Ortung seinen Kopf zu drehen und
danach zum zielgerichteten Mäusesprung anzusetzen. Die
Fehlversuche seiner Jugendzeit (vergleichbar dem juvenilen
„Schnösel“ Wolf) gehören der Vergangenheit an. Jasper ist
erwachsen und somit „Mäusefangprofi“. Generell ortet der Jäger
Hund z.B. das Quietschen einer Maus oder Ratte in weniger als
einer Hundertstelsekunde!
Kommentar des Menschen: „Mein Hund hört nicht.“

© Günther Bloch

Gerüche
Auch die geruchlichen Sinnesleistungen von Wolf und Hund bleiben
uns Menschen weitestgehend unbegreiflich. Selbst dösende Hunde
nehmen noch Gerüche wahr, die sogar hoch empfindlicher
Wissenschaftstechnik entgehen. Wir Menschen verfügen über rund
fünf Millionen so genannter Geruchsrezeptoren, unsere Hunde nicht
selten über 200 Millionen! Würde man die sich durch die Hundenase
ziehenden Membranen flach ausbreiten, kämen wir auf eine
Gesamtfläche von 7m². Hier ist ein Vergleich zum Menschen schon
fast erschreckend, denn wir haben gerade einmal lächerliche 0,5 m²
aufzuweisen.
Während ein Hund umherschnüffelt, sammeln sich laut dem
Verhaltenstherapeuten Peter Neville (1989) „die unterschiedlichsten
Gerüche auf der Knochenplatte seiner Nase, wo sie dann präzise
getestet werden.“ Hunde nehmen wahre Massen an Duftnoten wahr,
wobei manche nach Filterung geradezu überwältigende Resultate
erzielen. Lassen wir den Hund im Haus zurück, weiß er nach
Rückkehr anhand ganz spezieller Gerüche genau, wo wir gewesen
sind und welchen anderen Hund wir eventuell getroffen haben.
Esoterik ist – wie könnte es auch anders sein – nicht im Spiel!
Küchengerüche und Speisereste wirken auf den Opportunisten Hund
unwiderstehlich. Gibt es bei kurzer Abwesenheit des Menschen
etwas abzustauben, nutzt er die günstige Gelegenheit und stiehlt.
Kommentar des Menschen: „Sei schön brav“.
Dreht der Hund seine Nasenflügel, ist er problemlos in der Lage,
einer Spur sogar aus der Bewegung heraus zu folgen. Er riecht platt
getretene Mikroben bzw. folgt mikroskopisch kleinen Hautfetzen, die
Beutetiere zuvor abgestoßen haben. Vor ihm liegt ein exakt
markierter Pfad, dem es durch alle Wirrungen und Ablenkungen über
gefilterte Gerüche zielstrebig zu folgen gilt.
Kommentar des Menschen: „Zu Hause ist der Hund immer brav,
aber ich weiß nicht, warum er draußen so aufgeregt ist.“

Bewegungssehen
Die visuellen Sinnesleistungen von Wolf und Hund umfassen primär
Bewegungsmuster. Während Geräusche und Gerüche zur jeweiligen
Orientierung und zum Aufspüren von Beute dienen, kommen viele
Hunde erst „richtig in Fahrt“, wenn eine Bewegung ihr Gesichtsfeld
kreuzt. Zwar sieht ein Hund weniger scharf, jedoch kann er
bewegliche Objekte zehnmal besser wahrnehmen als der Mensch.
Die Augen des Hundes sind auch in der Morgen- und
Abenddämmerung (bei kaum vorhandenem Licht) zur Jagd gut
geeignet. Unter solchen Gegebenheiten öffnen sich die Pupillen
extrem weit und passen sich somit der geringen Lichtstärke an.
Reflektierende Kristalle auf der Hinterseite der Augäpfel fangen nun
kleinste Lichtstrahlen ein, und alle ankommenden Informationen
werden mithilfe des feinen Geruchssinns kombiniert. D. Vaughan
(1991) fand heraus, „dass Hunde nicht, wie vielfach angenommen,
nur in einer Schwarzweißwelt leben, sondern für sie die Farben Blau,
Indigo, Violett und Rot gut sichtbar sind.“ Das Gesichtsfeld des
Hundes ist zudem um ca. 70 % breiter als das unsere!
Kommentar des Menschen: „Der Hund sieht nicht, wer an der Leine
ruckt.“
© D. Vaughan
Wolf und Hund sehen ihre Umwelt nicht einfach nur schwarzweiß. Ihre visuelle
Welt ist mit der Sichtwelt von an Deuteranopie, einer Form der so genannten
Rotgrün-Blindheit, leidenden Menschen vergleichbar. Diese Krankheit bedeutet
eine eingeschränkte Farbwahrnehmung mit nur zwei Zapfentypen, steht jedoch
immer noch im Gegensatz zur völligen Farbblindheit. Bei vollständig farbenblinden
Menschen ist ausnahmslos nur noch ein Zapfentyp vorhanden.
Grundlagen für die Haltung und
Erziehung
Haltung von Haus- und
Familienhunden

Mindestvoraussetzungen für die Haltung von Haushunden


Eigentlich sollte es heutzutage selbstverständlich sein, Hundekinder
keinesfalls beim Massenzüchter, Hinterhofvermehrer oder auf
einem Markt z.B. in Belgien oder Polen zu kaufen, sondern beim
kontrollierten Hobbyzüchter, der gern bereit ist, Muttertier und
Aufzucht-Umfeld der Welpen zu zeigen.
Die Haltung von Haushunden erfordert außerdem einen zuvor
bedachten Finanzrahmen, bedarf der Erlaubnis des Vermieters und
schließt einen täglich notwendigen Zeitaufwand ein. Hundehaltung
heißt auch, sich Sachkunde anzueignen und mit allen
Familienmitgliedern im Vorfeld eines Hundekaufs die
Aufgabenverteilung zu regeln. Eigentlich sollte ein Hundekauf
endgültig sein, der Sozialkumpan den Menschen ein Hundeleben
lang begleiten dürfen, ohne auf die Erfüllung seiner Bedürfnisse
verzichten zu müssen.
Bei all diesen Anmerkungen lag die Betonung auf dem Wort
„eigentlich“, weil die Unvernunft und Ignoranz des Menschen eine
andere Realität zeigen.
Vielleicht ist es meine Traumvorstellung, in einem Gespräch vor
dem Hundekauf den zukünftigen Besitzer zu beraten und ihn dazu
zu bewegen, sich ernsthafte Gedanken über sein Vorhaben zu
machen. Wie sang der Musiker John Lennon von den Beatles so
schön: „Du kannst mich einen Träumer nennen, aber ich bin nicht
der einzige.“

Moderner Hundeerziehung
Wie schon erwähnt, ist der Hundeinteressent heutzutage zu
bedauern, weil er hinsichtlich der „richtigen“ Erziehung von
Haushunden mit vielfältigen Ansichten konfrontiert wird. „Das darf
man nicht“, respektive „So musst du das machen“, hört man in
verallgemeinernder Form ständig und immer wieder.
Deshalb möchte ich mit einem extrem wichtigen Zitat von D.
Feddersen-Petersen (1992) beginnen: „Den Haushund gibt es nicht,
das Hundeverhalten ebenso wenig!“
Vor ein paar Monaten erklärte ich mich bereit, an einem
Gesprächsforum im Internet teilzunehmen, um den Inhalt dieses
Buches zu erörtern. Anstatt Fragen zu stellen, die ich seit
Jahrzehnten gern beantworte, brach unter den Teilnehmern ein
heftiger Streit aus, ob „der Bloch“ nun unter der Rubrik „Hardliner“
oder „Softie“ einzuordnen sei. Als großer Verfechter der
individuellen Hundeerziehung erübrigte sich für mich eine solche
Scheindebatte.
Eine Diskussionsteilnehmerin merkte an: „Dominanz, was ist das?
Kann man die essen?“
Bei aller Begeisterung für scherzhafte Einlagen (ich bin schließlich
Rheinländer) gab es eigentlich nur festzustellen, dass es in der
Hundeszene leider oft nur um reine Provokation und Grabenkriege
geht, nicht aber um den Austausch sachlicher Argumente. An dieser
Stelle möchte ich nochmals mein Argument unterstreichen, dass
Dominanz nicht mit einer „Hackordnungsorientierung“
gleichzusetzen ist, sondern vielmehr in einer Beziehung zwischen
Individuen erarbeitet wird. Viele Menschen verfallen dem Irrglauben,
eine Grup-penkonstellation (egal ob es sich um eine Wolfsfamilie
oder eine gemischte Mensch-Hund-Familie handelt) komme ohne
Rangbeziehungen – respektive dominantes Handeln von Individuen
– aus. Wie aber soll ein Zusammenleben in der Gruppe möglich
sein, wenn jedes Familienmitglied gleiche Rechte hat und macht,
was es will? Unabhängig davon, ob wir den Haushund nun als
klassisches „Rudeltier“ ansehen oder nicht, wobei mir die Definition
„dem Menschen untergeordnetes Familienmitglied“ erheblich lieber
wäre, können wir im täglichen Zusammensein nicht auf ein
akzeptables Regelwerk verzichten. Diese kleine Anekdote zeigt
deutlich, wie zerstritten die bundesdeutsche Hundeszene wirklich ist.

Autorität – Antiautorität
Um nicht noch mehr Öl in die heißgelaufene Debatte zu gießen,
möchte ich Hundehaltern mit Vorlage dieses Buches die Möglichkeit
eröffnen, einen Überblick über verschiedene
Hundeerziehungsmethoden zu erhalten. Dabei wird der Leser
allerdings vergeblich nach Rechtfertigungstheorien für eine
autoritäre oder antiautoritäre Hundeerziehung suchen. Der Ansicht
E. Zimens (1998) folgend „führen beide pauschal angewandten
Erziehungsformen nicht zum gewünschten Ziel.“ Auch ich lehne
beide Extrempositionen strikt ab, weil:
‣ ständig herumkommandierte und kontrollierte Hunde dazu neigen,
in soziale Isolation zu geraten und die Bindungsbereitschaft zum
Menschen deutlich zu reduzieren;
‣ sich Hunde, die kein präzises Regelwerk kennen gelernt haben
und die man nur „liebt“, hemmungslos und inakzeptabel verhalten!
Als ich meine „Karriere“ beim SV (Schäferhundeverein) Mitte der
Siebzigerjahre begann, und noch der Meinung war, „Alphawolf“ zu
sein, herrschte primär nur eine Ausbildungsmethode vor: Hunde
müssen Respekt haben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Hund
(möglichst mittels Stachelhalsband) massiv unterzuordnen und
unbedingt in Zwingern zu halten, damit er gut arbeitet. Die oft
heraufbeschworenen guten alten Zeiten waren alles andere als gut,
denn viele Hunde wurden von der Außenwelt mehr oder weniger
isoliert und dienten dem Menschen als Sportgerät. Nichts gegen
Hundesport im besonnenen Maße, aber Hunde in Zwinger zu
sperren, anstatt sie am normalen Familienleben teilhaben zu lassen,
wirkt sich nicht gerade selten negativ auf sie aus.

Gruppenhaltung von Hunden


Angeregt durch die spannende Lektüre von Eberhard Trumler (1987,
1988, 1989) und nach Beendigung eines Praktikums auf seiner
Forschungsstation Wolfswinkel (man beachte die Namensgebung!)
verschaffte ich (nach anfänglicher Zaghaftigkeit) allerlei Haushunden
die Möglichkeit, in meiner Hundepension in Gruppen zu leben. Trotz
warnender Worte vieler Hundetrainer, die mich alle für verrückt
erklärten, kam es unter den Hunden zu keinerlei mörderischen
Szenen. Oh, welch Wunder!
Im Gegenteil: Durch die Berücksichtigung ihrer biologischen
Grundbedürfnisse lernte ich die verschiedenen Ausdrucksformen
und Kommunikationssignale von Hunden erst richtig kennen. Meine
langjährigen, systematisch durchgeführten
Verhaltensuntersuchungen an gemischten Hundegruppen – welche
in etwa zwei Jahren endgültig abgeschlossen sein werden – belegen
klipp und klar, dass Haushunde unterschiedlichster Couleur je nach
Temperaments- und Persönlichkeitstypus in unterschiedlicher Weise
versuchen, einen einflussreichen Sozialstatus einzunehmen und
Ressourcen (inklusive persönlichem Freiraum) beherrschen wollen.
Diese Erkenntnis steht in krassem Widerspruch zu der Behauptung,
Haushunde würden im Gegensatz zu Wölfen keinerlei
Rangbeziehungen eingehen. Von dieser These ausgehend, dürften
wir unter Hunden z.B. keine T-Stellung beobachten. Hätte der
Haushund diese wölfische Fähigkeit verloren, würden wir es mit
einem asozialen Tier zu tun haben.
© Günther Bloch
Das Interaktionsverhalten von Haushunden gestaltet sich sehr komplex und führt
nicht selten zu Missverständnissen, weil die Anzahl der Körpersignale mancher
Hundetypen durch übertriebene Modetorheiten bei der Zucht erheblich reduziert
ist.
Das Bild zeigt einen Praktikanten, der verbotenerweise einen Mischling streichelt,
obwohl der Neufundländer ihn schon eindeutig fixiert und der Collie ebenso die
Bevorzugung des Mischlings missbilligt und durch ein Anstupsen des Menschen
heftig protestiert.

Artgerechte Haltung
Heute, fast 20 Jahre später, gestaltet sich die Erziehung von
Haushunden leider noch komplizierter. Viele angeblich
„verhaltensgestörte“ Exemplare sind zu verhätschelten Luxuswesen
vereinsamter Menschen degradiert. Je nach Gemütslage reden
Menschen mit ihren Hunden unaufhörlich (was okay ist, solange
man weiß, dass nur die Stimmungslage übertragen wird), handeln
oft übertrieben emotional, ausgesprochen wechselhaft und
ungleichmäßig. Will der Hund nicht „Aa machen“ oder „Taita“ gehen,
folgt sogleich die Erklärung: „Er weiß genau, dass er etwas falsch
macht, er will mich jetzt nur ärgern.“
Laut D. Feddersen-Petersen (1992) „entsteht vielfach der Eindruck,
Problemhunde werden benötigt, um ihren Besitzern das Gefühl zu
vermitteln, gebraucht zu werden.“ So muss der Hund neben vielen
anderen – nicht selten fragwürdigen – Gründen auch noch dazu
herhalten, seinem Besitzer eine Daseinsberechtigung zu statuieren.
Anstatt dem Hund konsequent den schmalen Grat zwischen
notwendiger Erziehung und persönlichem Freiraum aufzuzeigen,
wird dessen Behandlung pauschal mit Begriffen verknüpft wie
„Spaß“ oder „Lust“.
Wo bleibt der biologische Begriff der Artgerechtigkeit?
F. Rehage (2000) sagt dazu: „Nur wenn der Mensch in der Rolle als
„Über-Hund“ versagt, entstehen mancherlei Verwirrung und
Missverständnis, nur dann entwickelt sich ein Tier zum Beißer.“
So sollte es heute möglich sein, unerwünschte und inakzeptable
Verhaltensweisen des Hundes gegebenenfalls zu ignorieren oder
ohne „moralisch-ethische“ Bedenken durch Abbruchsignale zu
stoppen, trotzdem aber nicht als „Tierschänder“ zu gelten. Es sollte
auch möglich sein, Haushunde nicht andauernd durch einen wahren
„Kontrollwahn“ zu liebenswerten, jedoch verblödeten Maschinen
verkommen zu lassen. Hunde müssen für uns mehr sein als ständig
manipulierte Wesen, die nur hinter uns herlaufen und auf jeden
Augenschlag achten.
Seien wir ehrlich: Es ist die Ironie des Schicksals hoch technisierter
Menschen, sich nach einer heilen harmonischen Welt zu sehnen, um
ihre Entfremdung von der vermeintlich disharmonischen Natur
verdrängen zu können. Außerdem steht fast jeder Mensch unter
dem Einfluss von Alltagsstress oder persönlicher Schicksalsschläge.
Auch Menschen sind keine Roboter, ihr emotionales Innenleben
unterliegt deutlichen Schwankungen und ihnen, zur
Verhaltenskorrektur von Hunden, komplizierte langatmige
Hausaufgaben aufzuerlegen endet meist in Frust und überfordert
sie. Meistens reicht es aus, Menschen ein paar Tricks zu verraten,
deren Anwendung Hundeverhalten punktuell so korrigiert, dass
beiden damit gedient ist. Mit der Zeit verfügt der gut unterrichtete
Hundebesitzer so über eine Art Trickkiste, in die er greifen kann,
wenn ein bestimmtes Verhaltensproblem ansteht.

‣ Info
Ein „artgerecht“ lebender Haushund braucht zur Befriedigung
seiner körperlichen und geistigen Bedürfnisse regelmäßigen
Freilauf, Kontakt zu Artgenossen und einen verlässlichen
Sozialpartner Mensch, der ihm einen klaren Handlungsrahmen
vorgibt, innerhalb dessen er sich selbstständig verhalten darf.
Ressourcenverteilung zwischen
Mensch und Hund

Wettbewerb um Ressourcen
Das „böse Biest“ Wolf, das angeblich Menschen frisst, mit unseren
treuen und anhänglichen Begleitern in direkte Beziehung zu setzen
fällt vielen Menschen schwer, besonders im Hausstand. So schreibt
R. Coppinger (2003): „Es wird geraten, uns wie Rudelführer zu
benehmen und unsere Hunde wie rangniedrige Tiere zu behandeln.
Hunde können aber nicht wie Wölfe denken, weil sie nicht das
Gehirn von Wölfen haben.“
Mag sein. Daraus aber abzuleiten, Hunde bräuchten keine
Rangeinweisung, halte ich für ausgesprochen gefährlich. Der Hund
geht mit dem Menschen eine Bindung ein, begibt sich demnach also
in ein Abhängigkeitsverhältnis. Von jemandem abhängig zu sein
beinhaltet wiederum die Notwendigkeit, Rangbeziehungen zu
unterhalten, um herauszufinden, welche Ressource man zeit- und
situationsbedingt kontrolliert. Persönlicher Freiraum stellt für jedes
Familienmitglied eine wichtige Ressource dar. Um zu erkennen, wie
viel persönlichen Freiraum man sich innerhalb einer
Gruppenkonstellation erlauben kann, bedarf es der Überprüfung
momentanen Dominanzverhaltens. Auch H. Wachtel (2002) stellt
fest: „Ohne die – richtige – Rangordnung geht gar nichts. Der Hund
muss seinen Menschen als ihm übergeordnet anerkennen.“
Im Vergleich zum Wolf zeigt der Haushund genetisch ausgeprägte
Verhaltensveränderungen. Wer wollte das bezweifeln? Der
domestizierte Wolf ist (theoretisch) „führig“ geworden. Der Mensch
deckt alle seine biologischen Grundbedürfnisse ab und stellt neben
Nahrung ein behagliches, gefahrloses Zuhause zur Verfügung.
Und trotzdem: Bei der Auseinandersetzung um Ressourcen
unterscheiden sich Wolf und Hund augenfällig nur hinsichtlich ihres
Lebensraumes. Auch die Gesellschaftsform des Menschen
beinhaltet des Öfteren mannigfaltige Verteilungskämpfe um
Ressourcen: Da wird getrickst, gestritten, geschauspielert,
manchmal dreist ignoriert oder – wenn notwendig –
Statusbezogenheit demonstriert.
Nach Jahrzehnten der Selektion und frühkindlichen Prägung auf den
Lebensraum „Hausstand“ müssen wir das Verhaltensrepertoire des
Haushundes auch als genetisch fixierten Anpassungsprozess
begreifen, sodass Mensch und Hund im Haus in einer Art
Wettbewerb leben. Da Wettbewerb in direktem Zusammenhang mit
Rangbeziehung und Bindungsbereitschaft steht, kann das
Sozialverhalten des Haushundes kaum als nicht rangorientiert
bezeichnet werden.
Laut U. Gansloßer (2003) „versucht ein Tier sich nicht zum Wohle
der eigenen Art zu erhalten, sondern möglichst viel eigene Gene an
die nächste Generation weiterzugeben.“ Wer will ausschließen, dass
die Neigung von Hunden, Ressourcen abzugrenzen, zu horten oder
gegebenenfalls zu verteidigen, nicht auch vererbt wird?
Natürlich ist jede Mensch-Hund-Beziehung einmalig und deshalb
individuell zu betrachten. Hunde sind ausgesprochen lernfähig,
flexibel und anpassungsfähig. Dem Menschen gegenüber zeigen sie
sich grundsätzlich aufgeschlossen, freundlich und
unterordnungsbereit. Und das, obwohl sie mit Leckerbissen
verwöhnt werden, während des Fernsehabends auf dem Schoß
sitzen, im Garten grabend nach dem Mittelpunkt unseres Planeten
suchen und nachts im Schlafzimmer wohl behütet ihre Beine in die
Luft strecken. „Welcome“, Haushund, im Schlaraffenland!
© Cristof Salata
© Günther Bloch
Die meisten Haushunde sind völlig überfüttert, wodurch der Mensch eine gute
Gelegenheit verpasst, ihre Aufmerksamkeit durch die geschickte Einteilung der
täglichen Futterration auf sich zu lenken. Ein Wolf frisst, im Gegensatz zu den
Argumenten vieler Jäger, die seit Jahrzehnten das Aussterben von Huftieren wie
Hirsch, Wildschwein oder Reh durch zu gefräßige Raubtiere anprangern
(angeblich werden 3 bis 4 kg Fleisch pro Tag und Wolf verspeist), im Durchschnitt
nur 1,5 kg Fleisch pro Tag. Diese absolut realistische Kalkulationsgrundlage
basiert auf unseren Studienergebnissen, wonach Abstauber wie Marder, Füchse,
Kojoten, Raben, Adler und andere Tiere immerhin etwa die Hälfte eines durch
Wölfe getöteten Beutetieres konsumieren. Haushunde brauchen also wesentlich
weniger Nahrung, als man gemeinhin annimmt. Durch die gemeinsame Jagd der
Wölfe entsteht eine enge Bindung zwischen den Leittieren.

Verteidigung von Ressourcen


Um Missverständnissen vorzubeugen sei deutlich betont, dass viele
Hunde den Weg des „geringsten“ Widerstandes gehen und kein
Anzeichen von Aggression erkennen lassen. Glück gehabt, denn es
gibt auch kesse Hundetypen, die eine Veranlagung zum
momentanen Dominanzverhalten haben und vielen Menschen im
Wettstreit um Ressourcen ausgesprochene Schwierigkeiten
bereiten. Die Bereitschaft zur Verteidigung von Ressourcen variiert
zwar von Individuum zu Individuum, kann aber mitnichten zum
Ausnahmefall erklärt werden, wie meine Studienergebnisse (Bloch,
2001) beweisen. Ist das Kind erst einmal „in den Brunnen gefallen“,
sitzt der Hundebesitzer fassungslos in unserem Büro: Sein treuer,
„braver“ Freund hat zugeschnappt, was gemeinhin als Beißen
bezeichnet wird. So eine Frechheit, spinnt der Hund nun total? Aber
selbst „Angstbeißen“ ist ein Defensivangriff! Trotzdem stuft man den
Hund geschwind als „verhaltensgestört“ ein. Dabei wollte er, trotz
Verteidigung einer ihm wichtig erscheinenden Ressource, den hohen
Sozialstatus des Menschen gar nicht generell in Frage stellen.
Sei’s drum, dennoch herrscht Panik. Schließlich ist des Menschen
„Alphastellung“ in Gefahr. Was gibt es Schlimmeres in der Mensch-
Hund-Beziehung als das Zepter der Ranghoheit verloren zu haben?
Dumm nur, dass wir Menschen gar keine „Alphawölfe“ sein können,
weil wir schlechterdings nicht in der Lage sind, uns mit unseren
eigenen Hunden zu verpaaren. Das Recht auf Paarung gilt aber als
das höchste biologische Gut. „Schlecht gelaufen“ für den
„Alphamenschen“. Aber, was tun?

Alphastellung kontra Leitbild


Tauschen wir den heldenhaft anmutenden Begriff „Alphastellung“
doch einfach gegen den Begriff „Leitbild“ aus! Dem souveränen
Erscheinungsbild von Leitwölfen ähnelnd, treten wir ab sofort als
besonnene und vertrauensvolle Entscheidungsträger auf, was die
Notwendigkeit beinhaltet, jedem Haushund eine klare
Rangeinweisung zukommen zu lassen, indem wir bewusst die
Unterordnungsbereitschaft des Hundes belohnen. D. Tortora wies
schon 1979 auf menschliches Fehlverhalten hin: „Wenn ihr Hund
ruhig und nett ist oder sich sonst wohl verhält, neigen sie (die
Menschen) dazu, ihn nicht zu beachten.“ Deshalb kann der Tipp nur
heißen: Lieber Mensch, beachte in erster Linie das Wohlverhalten
deines Hundes und reagiere darauf einfach mit einem Hörzeichen:
„Fein“ oder „Brav“. Der Hund wird es dir danken, indem er sich
daraufhin zufrieden räkelt oder dich verständnisvoll und freundlich
anwedelt.

‣ Das bedeutet
Ein Leittier mit Überblick nimmt „gutes“ Benehmen zur Kenntnis
und bekundet damit sein Interesse am sozialen Miteinander!

Lebt der Hund mit mehreren Menschen zusammen, sind einheitliche


Führungspersönlichkeiten, die hinsichtlich der Hundeerziehung an
einem Strang ziehen, für das Tier unerlässlich. Die Praxis vermittelt
leider ein anderes Bild: Männer neigen tendenziell zu
„Machogehabe“ („Wenn du jetzt nicht brav bist!“), Frauen neigen zur
„Vermenschlichung“ („Nun lass doch den armen Hund in Ruhe!“).
Der Hund sitzt inmitten eines sozialen Chaos. Inkonsequenz und
Inkompetenz torpedieren jegliche Bemühung um klare Verhältnisse
im gemischten Familienverband. Ist das soziale Umfeld des Hundes
widersprüchlich, bestimmt er je nach Zeitpunkt und Situation seinen
persönlichen Freiraum selbst. Sozusagen notgedrungen, denn es
fehlt ihm nicht an Kontrolle, sondern vor allem an Vertrauen,
Sicherheit, Klarheit, Überblick und Einschätzungsvermögen. Der
Mensch sollte nicht als autoritärer Diktator auftreten, sondern eine
Führungsrolle übernehmen, die Frustration und Konfliktstoff abbaut
und ein praktikables Regelwerk beinhaltet. Klar, souverän und
verständlich. Bleibt der Mensch konsequent, kooperiert und führt er,
ohne dabei (wie richtige Leitwölfe auch!) jede einzelne Situation
„gewinnen“ zu wollen (oder zu müssen), ordnet sich der Hund fast
automatisch unter. Hunde weiten ihren persönlichen Freiraum
ohnehin nicht zwangsläufig über die Umsetzung von „Aggressionen“
aus, sondern übertreten gedachte Regeln viel subtiler und mit
unwiderstehlichem „Charme“. Deshalb möchte ich an dieser Stelle
einen neuen Begriff in die Ethologie einführen, der nichts mit
Aggression zu tun hat und dennoch die Dreistigkeit des Haushundes
charakterisiert: Nichtsnutzigkeit.

Entwicklung von Strategien


Der Haushund an sich tendiert zunächst einmal dazu, sein eigenes
Anspruchsdenken in Richtung „Kontrolle von Ressourcen“
durchzusetzen: Sofa, Sessel, Bett, Blumenbank, Eingangs-, Schlaf-
oder Küchenbereich beschlagnahmen; Körperkontakt,
Streicheleinheit, Spiel oder Spaziergang einfordern; Futter oder
Wasser abgrenzen. Kurzum, der Haushund kontrolliert
unbeaufsichtigte Ressourcen so, wie ihm gerade der Sinn danach
steht. Besteht ein Mangel bzgl. einer bestimmten Ressource, erhöht
sich sogar noch ihr Wert. Hunde „gewichten“ Ressourcen nicht alle
gleich und zeigen dementsprechend unterschiedliche Neigungen zur
Verteidigung. Generell Verbotenes übt natürlich eine besondere
Faszination aus. Und so „fährt“ der gemeine Haushund
vielschichtige Strategien, indem er versucht, den Menschen so oft
wie möglich auszutricksen. Dabei hat er eine besondere Fähigkeit
entwickelt, den Menschen um den Finger zu wickeln.
Das majestätische Thronen auf erhöhten Plätzen wie Sofa, Bett oder
Sessel kann den Sozialstatus des Hundes dann erhöhen, wenn er
sich in der Mehrheit der Streitfälle dominant durchsetzt! Je nach
Auslösereiz kann der Durchsetzungswille des Hundes mit Knurren,
Brummen, dem Anziehen der Lefzen oder sogar mit Zuschnappen
einhergehen. Er kann aber auch mit völliger Ignoranz verbunden
sein, getreu dem Motto: Weggegangen, Platz vergangen.
Wohlbemerkt, alles ist möglich! Menschen, deren Hunde im Bett
schlafen, müssen nicht zwangsläufig ein pauschales
„Dominanzproblem“ befürchten. Das Bett ist schließlich nur eine
Ressource. Meiner Meinung nach befinden sich F. Rehage (2002)
oder J. Nijboer (2002) auf dem falschen Weg, wenn sie relativ
unisono erklären: „Wenn einem Hund dieses Vorrecht (angenehmer
Liegeplatz) also zugestanden wird, dann muss er geradezu
annehmen, dass er das Leittier ist.“ Meine Hunde sehen das
jedenfalls überhaupt nicht verkniffen und räkeln sich auf Sofa und
Bett. Und ich kenne eine Vielzahl weiterer Hundebesitzer und
Hunde, die genüsslich und problemlos Bequemlichkeiten teilen.
Haushunde suchen sich bewusst strategisch günstige Ruheplätze aus, wie
Eingangsbereiche, Küchen, Esszimmer oder Schlafräume. Von einem
„Feldherrenhügel“ wie Sessel oder Bett hat man das Tagesgeschehen genau im
Auge und kann es sich leisten, herumzudösen, bis etwas Interessantes passiert.
Solange kein Aggressionsverhalten zum Ausdruck kommt, kann der Haushund
sich innerhalb des Hauses aufhalten, wo er will, ohne dass der Mensch den
Verlust seiner Ranghoheit befürchten müsste.
Unter Umständen können aber Zerrspiele um Ersatzbeute nach Dominanz
strebenden Hunden durchaus zur Unterstreichung ihrer Ansprüche dienen.

Die Frage des Ranges


Wir sollten uns kritisch fragen, ob ein Hundezögling generell als
Initiator von Forderungen auftritt. Bei Streitigkeiten um Ressourcen
kommt er manchmal mit einem „empörten“ Gesichtsausdruck daher.
„Um Gottes willen, jetzt hat er Stress, dagegen müssen wir aber
schnell etwas unternehmen.“ Der liberal eingestellte Mensch hat
mitunter eine blumige Fantasie. Spaß beiseite: Beobachtung und
Interpretation sind zwei Paar Schuhe. Wir müssen schon etwas
genauer hinsehen, wie sich unser „Früchtchen“ tagtäglich verhält. So
z.B., ob der Hund quasi im Minutentakt an der Tür kratzt und bellt,
wenn er in den Garten will, die Gesellschaft des Menschen und den
direkten Körperkontakt zu ihm nur dann sucht, wenn es ihm genehm
ist, den Kopf auf den Schoß des Menschen legt und seine
Anordnungen regelmäßig ignoriert bzw. nur sehr zögerlich befolgt u.
a. Auch vom Hund initiierte „Zerrspiele“ um Ersatzbeute dienen ihm
mitunter zur Unterstreichung seines Anspruchdenkens. Der
Denkfehler vieler Menschen liegt darin begründet, den Hund nicht
dauernd kontrollieren zu wollen. Gut so!
Das ist auch gar nicht nötig, wenn der Mensch seine natürliche
Autorität in die Waagschale wirft. Auch wenn wir dem Hund Zugang
zu bestimmten Ressourcen gewähren, können wir trotzdem
grundsätzlich „dominant“ sein.

Testen Sie Ihre Mensch-Hund-Beziehung


Ein kleiner Test offenbart schnell, ob die Ranghoheit des Menschen
grundsätzliche Anerkennung findet. In diesem Zusammenhang
schlage ich folgende Übungen vor, die nicht dauernd, sondern nur
bei Bedarf regelmäßig zu wiederholen sind:
‣ Der Hund akzeptiert das Öffnen der Terrassentür zu bestimmten
Zeiten und verknüpft dies mit dem Befehl „Sitz“, ohne dass der
Mensch ständig als Portier fungieren muss.
‣ Der Hund setzt sich zu Beginn und mit Beendigung jeglichen
Spiels hin und gibt Ersatzbeute auf den Befehl „Aus“ bereitwillig ab.
‣ Der Hund reagiert auf den Befehl „Runter“ und räumt Sofa, Sessel
oder Bett ohne Murren.
‣ Der Hund reagiert auch im Hausstand auf den Befehl „Komm“
ohne große Verzögerung.
‣ Der Hund akzeptiert den Befehl „Genug“ bei Beendigung von
Körperkontakt oder Streicheleinheit ohne Murren.
‣ Der Hund reagiert auf den Befehl „Weg da“ und räumt Eingangs-,
Schlaf- oder Küchenbereich ohne Murren.
‣ Der Hund lässt auf den Befehl „Nein“ von Futter- oder Wassernapf
oder vom Mülleimer ohne zu protestieren ab.
‣ Der Hund bellt, wenn es klingelt, und begrüßt Besuch etwas
stürmisch, legt sich aber auf den Befehl „Deckchen“ auf dem
zugewiesenen Platz nieder, wobei wir ihm durchaus das „letzte Wuff“
zubilligen dürfen.
Treffen die einzelnen Punkte zu, ist bei Ihnen zu Hause alles in
Ordnung.
Den Test bestanden? Gratulation, gewähren Sie Ihrem Hund auch
weiterhin überschaubaren Zugang zu Ressourcen! Lassen Sie ihm
persönlichen Freiraum und nerven Sie ihn nicht andauernd mit
irgendwelcher „Pseudodominanz“!
Test nicht bestanden, weil Ihr Hund Aggressionen bei der
Verteidigung von Ressourcen zeigt oder weiterhin völlig ignorant und
vor sich hin „flötend“ durch den Hausstand stapft?
Frage: Was war der Schlüsselreiz?
Welche Ressource hat Ihr Hund abgegrenzt?
‣ Der Hund kratzt weiter an der Terrassentür und will ständig raus
oder rein? Ignorieren Sie sein Verhalten, bleiben Sie stur,
wiederholen Sie die „Sitz“-Übung und beauftragen Sie bitte keinen
„Portier“!
‣ Der Hund will keine Ersatzbeute herausgeben. Temperamentvoll
und von einem wahren Adrenalinputsch innerlich motiviert neigt er
dazu, Beutestücke wie Stock, Ball oder Kordelknoten zu verteidigen?
Grundsätzlich festigt das gemeinsame Spiel zwischen Mensch und
Hund deren Bindungsverhältnis. Hyperaktive und leicht erregbare
Hundeindividuen reagieren jedoch oft übersteigert und brauchen
deswegen klare Spielregeln. In solchen Fällen gilt: Bieten Sie
Ersatzbeute an oder ignorieren Sie den Hund. Sämtliches Spielzeug
legen Sie bitte ab sofort auf einen Schrank und holen es nur hervor,
wenn Sie spielen wollen! Beenden Sie das Spiel, wenn es Ihnen
passt, greifen das Spielzeug auf und legen es wieder außer
Sichtweite des Hundes, bis er sich eindeutig beruhigt hat. Zeigt der
Hund im Spiel regelmäßig übertriebenes Beutefangverhalten, indem
er ohne Rücksicht auf Verluste massiv nach einem Beutestück
schnappt oder sich gar unter Einsatz von Drohsignalen darin
regelrecht verbeißt, es totschüttelt und den Menschen in dessen
Nähe nicht toleriert, gilt es konkret zu handeln. Am effektivsten ist
es, den Hund irgendwo festzubinden, ihm ein Beutestück zu zeigen,
das er nicht erreichen kann, und das Hörzeichen „Nein“ einzuüben.
Hat der Hund nach mehreren Übungen gelernt, einen
Verhaltensabbruch zu respektieren, muss das gemeinsame Spiel
zwischenzeitlich kurzfristig gesteuert werden (aufgeregter Hund =
„Nein“, neutrales Verhalten = Beutespiel).
‣ Der Hund bleibt einfach dreist liegen? Ignorieren Sie ihn, verlassen
Sie den Raum und schließen die Tür! Kommt der Hund „freiwillig“,
loben Sie ihn! Klappt das nicht, legen Sie, wenn der Hund gerade
nicht anwesend ist, kommentarlos einen Gegenstand (Pappkarton,
Teppichklebeband etc.) auf Sofa, Sessel oder Bett.
‣ Der verdammte Hund kommt nicht, obwohl Sie ihn freundlichst
bitten? Ziehen Sie ihm mindestens 50 % seiner Nahrung ab und
belohnen nur sein Herankommen mindestens eine Woche lang mit
Futter. Achten Sie darauf, dass Sie in dieser Zeit den Hund viel und
oft ignorieren, bis er gelernt hat, nach Ihnen Ausschau zu halten,
auch wenn Sie kein Futter anbieten. Sobald er großes Interesse an
Ihnen zeigt, sind Sie auf dem richtigen Weg und können den Hund
nun wieder teilweise aus seinem Napf füttern.
‣ Der Hund fordert Körperkontakt oder Streicheleinheiten ein?
Stehen Sie unter Vermeidung von Blickkontakt kommentarlos auf
und gewähren Sozialkontakte nur, nachdem der Hund auf Zuruf
gekommen ist. Ansonsten
ignorieren Sie den Hund. Besitzen Sie einen kleinen Schoßhund, der
Sie verteidigen will, sobald ein Mitmensch oder anderer Hund sich
Ihnen nähert, spreizen Sie kommentarlos die Beine und lassen den
brummenden Kleinhund herunterfallen. Ignorieren Sie bitte auch
dieses etwas unsanfte Ereignis und gestatten ihm Schoßliegen nur,
wenn er sich ruhig und neutral verhält. Erfahrungsgemäß dauert die
ganze Prozedur höchstens eine Woche. Dann hat der Hund gelernt,
Ihre Nähe und freundliche Sozialkontakte nur dann zu erhalten,
wenn er sich „anständig“ benimmt.
‣ Der Hund versperrt weiterhin einen bestimmten Hausbereich?
Ignorieren Sie sein Verhalten und platzieren eine Decke oder einen
Korb dort, wo sich der Hund alternativ hinlegen soll. Zwingen Sie
den Hund mittels eines vorgehaltenen Stuhls oder Pappkartons
kommentarlos, den jeweils „besetzten“ Bereich zu räumen. Weisen
Sie ihm ab sofort einen festen, strategisch unwichtigen Platz im
Haus zu, den er „ganz von allein“ findet.
‣ Der Hund verteidigt Futter oder Wasser? Wechseln Sie als Erstes
den obligatorischen Fütterungsort. Binden Sie den Hund so an, dass
er seinen Futter- oder Wassernapf nicht erreichen kann. Schieben
Sie den Napf in seine Richtung. Versucht er ans Futter zu gelangen,
sagen Sie „Nein“. Zur kontrollierten Futteraufnahme verwenden Sie
ab sofort den Befehl „Nimm’s“. Verknüpfen Sie die Fütterung des
Hundes stets mit Ihren eigenen Essgewohnheiten. Der Hund
bekommt nichts, bevor die ganze Familie eine Mahlzeit beendet hat.
Der Hund erhält nicht einmal einen kleinen Futterbrocken vom Tisch,
auch (oder gerade) nicht ausnahmsweise! Bei extremer Verteidigung
von Nahrung füttern Sie den Hund über mehrere Wochen nur noch
aus der Hand.
‣ Der Hund knurrt Besuch an und veranstaltet einen „Riesenterz“?
Kaufen Sie eine kurze Hausleine und führen Sie den Hund, sobald
es klingelt, auf einen strategisch unwichtigen Platz. Notfalls binden
Sie ihn dort fest, beachten ihn nicht und belohnen nur neutrales
Verhalten. Anfangs wird der Hund heftig protestieren, weil ihm die
kurzfristige soziale Isolation nicht in den Kram passt. Deshalb heißt
es absolute Ruhe zu bewahren, bis er seinen Terror aufgibt und
gelernt hat, dass nur ruhiges Verhalten zum Ziel führt. Eine solche
Übung kann durchaus mehrere Wochen dauern. Lassen Sie sich
darum bitte nicht beirren, er wird seinen Trotz früher oder später
aufgeben, weil er ihm nichts einbringt, außer angebunden zu werden
und am Familienleben nicht teilhaben zu können.

© Daniela Sommerfeld
Beim Versuch, ein unerwünschtes Verhalten durch ignorantes Auftreten
„auszulöschen“, kommt es erfahrungsgemäß während des Trainingsablaufs zu
einer spontanen Erhöhung des Fehlverhaltens, bevor die nun nicht mehr
verstärkten Reaktionen des Hundes allmählich ganz ausbleiben. Die Umsetzung
von gezielter Ignoranz verlangt vom Hundebesitzer viel Geduld und vor allem
Beharrlichkeit.

Brummen bei Pflegemaßnahmen


Eine letzte Frage: Brummt der Hund bereits bei Maßnahmen der
Körperpflege, z.B. beim Reinigen der Pfoten, Kämmen oder
Bürsten? Dieses Verhalten kann mit dem üblichen Pflegeort
zusammenhängen. Oft verbindet ein Hund bestimmte
Pflegemaßnahmen mit zuvor erlebtem Schmerz (Ressource:
körperliche Unversehrtheit), z.B. mit einem ruckartigen Entwirren von
Fellverfilzungen. Zur Vermeidung dieser Verknüpfung sollte der
Hund zunächst nur leicht gestreichelt, dann mit einem weichen
Lappen an empfindlichen Körperstellen gereinigt und letztlich – nach
Akzeptanz der Maßnahmen – gepflegt werden.

Streben nach persönlichem Freiraum


Jede Kreatur, inklusive Mensch, strebt mehr oder weniger nach
persönlichem Freiraum. Kann der Hund seinen persönlichen
Freiraum immer so gestalten, wie er will, setzt er sich bei jeder ihm
passenden Gelegenheit dominant durch. Das hat vielfach zur Folge,
dass ein sozialverträgliches Zusammenleben mit dem Hund kaum
noch möglich ist, weil der Mensch grundsätzlich keine
Verhaltenskontrolle mehr ausführen kann. Hier lautet der Tipp:
Begrenzen Sie den Freiraum des Hundes durch gelegentliche
Bewegungseinengung (Umsetzung des Hörzeichens „Weg da“ oder
„Geh Korb/Deckchen“).
Den Test jetzt bestanden?
Prima, nun sind auch Sie ein konsequentes, bewusst handelndes,
geduldiges und zeitweise autoritär dominantes „Leittier“!
Den Test noch nicht bestanden?
Seien Sie bitte ehrlich! Deutliche Alarmzeichen verdrängt oder
übersieht man gern. So leben viele Menschen ihrer Meinung nach
ohne größere Probleme mit ihrem Hund. Sie interpretieren auffällige
Verhaltensweisen des Zöglings als „typisch Hund“.
Verständlich, aber falsch! Solange keine massiven Ausfälle in Form
direkter Angriffe gegen den Besitzer zu beklagen sind, bezeichnet
der Mensch sein Verhältnis zum Hund als „normal“. Doch was ist
normal? „Wenn der Hund ein Pferd wäre, könnte man auf seinem
Rücken Bäume hinaufreiten!“, sagt der Volksmund zum Thema
Normalität. Die so beanspruchte „Normalität“ hat sogar noch dann
Bestand, wenn bereits Nachbarn gebissen und Kinder extrem
angebellt werden. Beschönigende Erklärungen für das Verhalten des
Hundes lassen sich schließlich immer finden.
Lassen Sie sich keinesfalls einreden, beim Welpenkauf leider einen
„Kopfhund“ erwischt zu haben, denn „Dominanz ist eine Eigenschaft
von Beziehungen und nicht von Individuen“, wie D. Feddersen-
Petersen (2001) einst formulierte.
Verhaltensbiologie

Rassetypische Verhaltensbesonderheiten

‣ Sind Neufundländer „verhaltensgestört“, wenn sie sich trotz


Verbots genüsslich in einer Pfütze niederlassen oder einem Torpedo
gleich ins nächstgelegene Baggerloch springen?
‣ Verhalten sich Australian Cattledogs abnorm, wenn sie trotz
Verbots auf eine Weide rennen und verkniffen in die Hinterläufe von
Kühen oder Rindern zwicken?
‣ Können wir einen Pointer über psychologische Lernregeln der
positiven Verstärkung dazu bringen, das Vorstehen vor einem
aufgespürten Hasen zu unterlassen und stattdessen auf einen
Futterbrocken zu achten, den wir ihm vor die Nase halten?
‣ Handelt der Herdenschutzhund abnorm, wenn er sich besonders
in der Dämmerungsphase extrem territorial verhält und selbst dann
noch bellt, wenn nur ein „Regenwurm seinen Kopf aus dem Sand
streckt“?

Nun, die Ausarbeitung oder Überbetonung bestimmter angeborener


Verhaltenseigenschaften durch künstliche Selektion kennzeichnen
zumindest beim Arbeitshund instinktive Bedürfnisse des jeweiligen
Hundetyps:
‣ Terrier treten tendenziell forsch auf und zeigen eine besondere
Passion für die zielgerichtete Jagd auf Maus, Ratte, Nerz oder
andere Kleinbeute.
‣ Retriever gelten tendenziell als sozial freundliche Hunde, greifen
jeden Pantoffel auf und apportieren ihn oft und gern.
‣ Schlittenhunde gelten tendenziell ebenfalls als sozial freundliche
Hunde und über Marathondistanzen als schnellste Säugetiere der
Welt.
‣ Windhunde gelten tendenziell als eher reserviert und zu Unrecht
als arrogant oder gar dumm. Der Saluki soll über eine Distanz von
etwa vier Kilometern das schnellste Säugetier der Welt sein.
‣ Wach- und Schutzhunde gelten tendenziell als territorial und
verteidigen unsere Hausstände und Gärten mitunter „leicht“
übertrieben.
‣ Hütehunde gelten tendenziell als etwas sensibel und
geräuschempfindlich. Sie zeigen eine große Vorliebe, alles (inklusive
Menschen) zu hüten, was ihnen vor die Augen kommt.
‣ Herdenschutzhunde gelten tendenziell als misstrauische
Zeitgenossen, die nach der Sozialisation auf Nutzvieh Schafe,
Ziegen oder Rinder bewachen, statt sie zu fressen.
© Raymond Coppinger

© Günther Bloch
Herdenschutz- und Hütehunde zählt man verallgemeinernd zu den Hirtenhunden,
was trotz ihrer unterschiedlichen Verhaltenstendenzen zu Verwechslungen führt.
Hütehunde zeigen gegenüber Schafen oder Ziegen starkes Fixieren und
beeinflussen das Verhalten von Nutztieren durch Hüten oder Treiben auf
Anweisung des Menschen. Herdenschutzhunde zeigen kaum Anpirschverhalten,
bewegen sich bedächtig fort, sind nach umsichtiger Sozialisation integraler
Bestanteil von Nutztierherden und schützen diese vor Raubtierattacken durch
Luchs, Bär oder Wolf.

Alle diese Hundetypen unterscheiden sich deutlich in Exterieur und


Verhalten. Ihre genetisch fixierten Bewegungsmuster erfolgen aus
einem inneren Antrieb, der, neben einem rassetypischen Körperbau,
auch beim heutigen Haushund einer strengen Zuchtauslese durch
den Menschen unterliegt. Natürlich zeigen nicht alle Vertreter einer
Hunderasse konkrete Handlungsketten beziehungsweise einzelne
Jagdsequenzen in gleich betonter Weise. Nicht jeder Terrier ist
forsch und ungestüm und verbeißt sich direkt im Nacken einer
Wildsau. Nicht jeder Wachhund ist territorial und attackiert schon im
ersten Anflug den Schornsteinfeger. Nicht jeder Herdenschutzhund
stellt den Postboten missmutig an die Wand. Und mancher Border
Collie, der gemeinhin als der Hütehund schlechthin gilt, apportiert
besser als ein Retriever, wie uns Deutschlands „intelligentester“
Hund eindrucksvoll demonstriert.
Nach R. Coppinger (2003) „bleibt die genetische Vielfalt von
Merkmalen selbst bei den modernen Hunderassen nie gleich, was
manchmal auf natürliche Selektion, manchmal auf künstliche
Selektion und manchmal auf Zufälligkeiten zurückzuführen ist.“
Verhalten ist u. a. eine Anpassung an Zeit und Raum. Der
Schlüsselreiz einer standardisierten Umwelt (z.B. Windhunde auf der
Rennbahn) sorgt dafür, dass sich ein bestimmter Hundetypus in der
gleichen Situation tendenziell gleich verhält. Deshalb braucht kein
Hundetrainer schweißgebadet zu versuchen, einem Border Collie
das Fixieren und Anpirschen an ein Schaf beizubringen. Kein
Hundetrainer muss andauernd den Vorderlauf eines Pointers
anheben, damit er einer Beute vorsteht. Das Verhaltensrepertoire
eines bestimmten Hundetypus in einer bestimmten Umweltsituation
ist tief verankert. D. Tortora (1979) nennt das Taxis.

‣ Info
„Taxis ist eine willensunabhängige Handlung. Das Tier muss tun,
was es tut, sein genetisches Programm lässt ihm keine
Alternative.“

Auswahl der passenden Rasse


Bevor wir uns also mit der Erziehung des Hundes intensiver
beschäftigen, sollten wir fragen, ob und wo wir welchen Hundetypus
halten? Oft passt ein bestimmter Hund nicht in das vorgesehene
Umfeld, respektive zu einem bestimmten Menschentypus. Stoßen
z.B. hyperaktive Menschen und Hunde aufeinander, kann sich beider
Erregungszustand durch extreme Adrenalinausschüttung in
bestimmten Lebenssituationen etwas heftig gestalten. Die
Berücksichtigung des individuellen Grundtemperaments von Mensch
und Hund muss deswegen einer systematischen Überprüfung
unterliegen, will man kein Fiasko erleben. Manchmal lautet die
Diagnose kurz und bündig: Trennung. Der Kombination aus diesem
oder jenem Menschen und diesem oder jenem Hund bleibt viel Leid
erspart. Zwangsläufig erübrigen sich gute Ratschläge zur
Hundeerziehung. Im Grunde bleibt bei einer ungünstigen
Konstellation Mensch/Hund meistens nur Symptombehandlung
übrig. Mitunter ist es dennoch einen Versuch wert, den Hund an
Alternativverhalten zu gewöhnen. Ob das klappt, hängt vom
jeweiligen Hundeindividuum ab. H. Wachtel (2002) schlägt vor:
„Gewöhnung ist ebenfalls ein wichtiges erzieherisches Mittel. Durch
Gewöhnung lernt der Hund, auch ihm zunächst unangenehme Dinge
zu tolerieren.“
Nichtsdestotrotz: Wer denkt schon vor Anschaffung eines
Haushundes an hundetypenbestimmende
Verhaltensbesonderheiten? Am allerwenigsten sicherlich Politiker,
denn die fordern quasi unisono Kleinhunde – wie z.B. Jack-Russell-
Terrier – für städtische Ballungsräume. Große, böse Hunde raus aus
der Stadt! Super Idee, die allerdings nicht gerade von speziellen
Kenntnissen über Hundeverhalten zeugt. Egal! Ein großer Hund ist
ein gefährlicher Hund, und ein kleiner Hund ist ein lieber Hund, so
sieht es der gemeine Politiker gelassen.
Dem Hundeinteressenten sei ein solch blanker Aktionismus nicht
empfohlen, vielmehr sollten wir Hundetrainer ihn darin bestärken,
sich von vernünftigen Argumenten leiten zu lassen. Keinem
Menschen der Welt nützt ein Border Collie, der aufgrund mangelnder
Auslastung die Fliegen an der Wand über einen instinktiv starren
Blick „persönlich“ begrüßt. Und das täglich. Genauso wenig sind
Menschen in Reihenhaussiedlungen begeistert, wenn ein
Herdenschutzhund außerhalb täglicher Routine stehende Dinge aus
„dem Tempel“ scheuchen will. Wunderschönes, „polarbärenhaftes“
Aussehen bringt da auch nichts. Der Nachbar begeistert sich
garantiert wenig für K. Lorenz’ (1965) Entdeckung „des angeborenen
auslösenden Mechanismus“, wenn seine heiß geliebte Katze gerade
von einem Terrier „totgeschüttelt“ wird.

Fallbeispiele
Beispiel 1 Das Fallbeispiel eines schottischen Collies, dessen
ständiges Bellen man über zwei Jahre auf Hundeplätzen und in
privaten Hundeschulen über Unterordnungsübungen mit
Stachelhalsband, ja sogar unter Einsatz eines Elektroschockgerätes
beeinflussen wollte, beweist die sorglose Nichtbeachtung
rassespezifischen Verhaltens: Herrchen und Frauchen mit Kindern
ließen während regelmäßiger Spaziergänge größere Distanzen zu,
der kläffende Collie war nur bemüht, die eigentlich
zusammengehörige Einheit zusammenzubringen und zu hüten. Ich
empfahl damals die Einführung kompakt gestalteter
Gruppenspaziergänge. Und siehe da, das Bellverhalten des
„verhaltensgestörten“ Hütehundes reduzierte sich drastisch. Ohne
Einsatz von Hilfsmitteln!

Beispiel 2 Ein Spitz, der gemäß „Rassestandard“ tendenziell eine


kümmerlich ausgeprägte Jagdpassion zeigt, auf Haus und Hof
aufpasst und jeden Fremden „meldet“, verbiss sich im Bein des
Briefträgers. Das heimische Grundstück war nicht eingezäunt. Böse
Falle! Der Spitz bewachte „sein“ Revier exakt bis zu einer gedachten
Linie, deren Urin- und Kotmarkierungen leider für den Postboten
unsichtbar blieben.

Beispiel 3 Dackel gelten als Charakterhunde und demzufolge


zwangsläufig als nicht erziehbar. Blanker Unsinn, denn auch wir
nennen ein solches „Wundertier“ unser Eigen. Zugegeben: Unsere
Dackeldame besitzt eine besondere Gabe, permanent
„nichtsnutziges“ Verhalten zu zeigen – wenn man sie lässt. Dafür
aber die Existenz eines generellen, rassespezifischen „Anti-
Erziehungs-Gens“ für alle Dackel unseres Universums zu bemühen
ist mehr als abenteuerlich.

Einschätzung der Charaktere


Mensch-Hund-Beziehungen sind Lebensgemeinschaften der
komplexen Art, weil sich sowohl das Persönlichkeitsbild als auch das
Temperament von Mensch und Hund deutlich unterscheiden. Zur
besseren Einschätzung individueller Charaktere hilft uns die
Verhaltensbiologie weiter, die grundsätzlich zwischen zwei
Charaktertypen unterscheidet, nämlich dem tendenziell
wagemutigen und dem scheuen Typus.
Nach U. Gansloßer (2002) „ist der wagemutige Persönlichkeitstypus
bei einer stabilen Umwelt und wenigen Feinden im Vorteil, hat aber
große Probleme, wenn er eine Situation nicht kontrollieren kann.“
Der scheue Persönlichkeitstyp ist hingegen bei sich verändernden
Umweltbedingungen im Vorteil. Mir persönlich gefällt aber immer
noch die Unterscheidung von vier Persönlichkeitstypen, die der
Psychologe Iwan Pawlow schon 1956 wie folgt beschrieb:
1. den stark erregbaren und hemmungslosen Choleriker,
2. den ruhig und phlegmatisch erscheinenden Schwerfälligen,
3. den sehr beweglichen Aktiven
4. und den stark gehemmten und oft reaktionslosen Melancholiker.
Zur Beurteilung einer Mensch-Hund-Beziehung ist also eine Art
„Charakteranalyse“ von Mensch und Hund notwendig, um
praktische Hundeerziehung wirkungsvoll umsetzen zu können, was
eine echte Herausforderung bedeutet. Mag der „Grundcharakter“
eines Menschen relativ ausgeglichen sein, neigt er im Umgang mit
dem Hund doch leicht zu emotionalen Übertreibungen. Das bleibt
dem Hund nicht verborgen, und wenn er dann mit einem
herzerweichenden Blick so guckt, wie er „gucken“ kann, ist es
verdammt schwer, sich dem emotionslos zu entziehen. Hinzu kommt
der Alltagsstress: Da kommt „Tante Lieschen“ zu Besuch, die Kinder
verwandeln den Hausstand in ein Schlachtfeld, der Kakadu kreischt,
dass sich die Bretter biegen, und der „freche“ Junghund klaut gerade
wieder einmal das Spültuch aus der Küche. Kurzum: Die coolen, gut
gemeinten Ratschläge der gezielten Belohnung von Unterordnung
sind im Alltag oft komplett außer Kraft gesetzt.
Das gilt ebenso für die Erziehung von schwachen, gern als „feige“
bezeichneten Hunden, die sich gegenüber Mensch und Artgenossen
oft extrem unterwürfig verhalten und dabei zu allem Übel auch noch
„Wasser lassen“.
Der Ethologe Erich Klinghammer (2002) beschreibt dieses oft
anzutreffende Phänomen so: Das Drohverhalten eines dominanten
Wolfes gegenüber einem unterwürfigen Tier bewirkt oft das
Gegenteil von Flucht, vielmehr unterwirft sich der Rangniedrige noch
extremer, obwohl er doch mit steigender Aggression konfrontiert
wird. Nun, was ist los mit einem solchen Hund? Warum in aller Welt
besänftigt er einen dominant auftretenden Mensch (oder
Artgenossen) immer und immer wieder und hält keinen
Sicherheitsabstand oder ergreift die Flucht, obwohl seine
Unterwürfigkeit doch nur mit dem gesteigerten Missmut des
Dominanten beantwortet wird?
Viele Menschen vergessen, dass stereotyp wiederholtes
Besänftigungsverhalten (mit dem ja auch Stress abgebaut wird) für
eine schwache Persönlichkeit berechenbarer (das kleinere Übel) ist,
als durch Flucht zu riskieren, eventuell massiver Verfolgung
ausgesetzt zu sein. Laut der Humanpsychologin Kirsten
Bauermeister (2004) fehlt es extrem unterwürfigen Hunden an
Übersicht und Distanz, die eigene mentale Schwäche zu beurteilen,
weshalb ihnen Flucht als untaugliches Mittel erscheint.
Der ultimative Tipp zur Erziehung von unterwürfig urinierenden
Hunden kann deshalb nur lauten: Nicht beachten, nicht schimpfen
und stattdessen jede kleine Geste der Selbstsicherheit (leichtes
Aufrichten der Ohren, neutralere Körperbewegung, leicht erhöhte
Rutenstellung) mit Freundlichkeit beantworten! Schritt für Schritt
zeigt ein unterwürfiger Hund durch diese Desensibilisierung seiner
Körpersprache mehr Selbstbewusstsein, obwohl diese Übungen
sehr mühselig sind und voraussetzen, dass der Hundebesitzer sich
mit den einzelnen Körpersignalen seines Hundes genau auskennt.
Jede Kleinigkeit muss anfangs belohnt werden, sobald der Hund nur
etwas entspannter erscheint. Haben Sie Geduld! Ihr Hund wird
sicher nicht zum grundsätzlich vor Selbstbewusstsein strotzenden
Tier. Dennoch kann man erreichen, dass er insgesamt etwas
neutraler auftritt und nicht ein Leben lang als „armes Würstchen“
durch die Gegend läuft. Auch wenn einem extrem unterwürfige
Hunde naturgemäß Leid tun, wäre es grundfalsch, sie ständig zu
bedauern.
Schwache Hundecharaktere durch ständiges Bedauern und Abschirmen von der
Umwelt fern zu halten, verschlimmert deren Unterwürfigkeitsbekundungen
entweder noch mehr oder fördert ihre angst-aggressiven Verhaltenstendenzen.
Sinnvoll ist, die Körpersprache von unsicheren Hunden genau zu beobachten,
Körpersignale der Unterwürfigkeit nicht zu beachten und stattdessen, jeden Ansatz
eines etwas selbstsichereren Auftretens ganz bewusst durch Futter, Sozialkontakt
oder ausgiebiges Spiel zu belohnen. Der Grundcharakter eines Hundes bleibt –
wie der eines Menschen – allerdings unbeeinflussbar.
Kommunikation zwischen Mensch und
Hund

Umsetzung der Kommunikation


Auf vielen Hundeplätzen (Ausnahmen nehme ich erfreut zur
Kenntnis) erklären unverbesserliche Fundamentalisten dem
verdutzten Laien, es komme nur darauf an verbal deutlich und
prägnant zu artikulieren und über festgelegte Bewegungsschemen
beim Hund für die richtige Verknüpfung zu sorgen. H. Räber (2002)
nennt das sehr passend die „Linksum-Rechtsum-Kynologie“. Mit
Ausnahme einiger charakterloser Exemplare habe der Hund bald
„Respekt“, und es sei nur noch eine Frage der Verfeinerung, bis die
Hundeausbildung abgeschlossen sei. Genau wie im Wolfsrudel. Ach
was! So simpel ist die ganze Angelegenheit? Nein, richtig
umgesetzte Kommunikation ist ein ausgesprochen komplexes
Betätigungsfeld und keine Sache der Motorik! Im Wolfsrudel schon
mal gar nicht, wie H. Wachtel (2002) richtig erkannt hat: „Das Rudel
folgt den Leitwölfen nur aus eigenem Antrieb infolge der sozialen
Motivation und Notwendigkeit, beisammenzubleiben“.
Nun ist das mit der sozialen Motivation so eine Sache, denn jedes
unerwünschte Entfernen des Hundes mündet in der Entschuldigung
des Menschen: „Wissen Sie, zu Hause ist er das bravste Tier. Nur
draußen macht er, was er will, obwohl wir doch schimpfen. Wir
haben schon alles probiert, im Guten wie im Bösen.“ Wirklich alles
probiert? Ich würde gern vorschlagen, dem Hund verbal simple
Assoziationen zwischen unseren Worten und deren Bedeutung zu
vermitteln. F. Rehage (2002) schlägt vor: „Es geht darum, dass Sie
erwünschte Verhaltensweisen Ihres Hundes gezielt belohnen, bis er
selbst feststellt, dass es ihm besser geht, wenn er sich Ihnen
unterordnet.“ Wichtig ist, dem Ansatz eines gewünschten oder
unerwünschten Verhaltens ein Wort (von mir aus auch zwei)
hinzuzufügen, um schnell eine Assoziation bzw. Verknüpfung zu
schaffen. Also nicht: „Wenn du jetzt nicht gehorchst, Hasso, dann bin
ich sauer, Hasso, verstanden, Hasso?“ Ich darf kurz in die
Hundesprache übersetzen: Bla, bla, Hasso, bla, bla, Hasso, bla, bla,
Hasso?

‣ Tipp
Schaffen Sie beim Erlernen von Hörzeichen konkrete
Verknüpfungen (z.B.: Der Hund ist im Begriff zu kommen =
verbale Aufforderung „Komm“), dann klappt es mit dem
Gehorchen zwar nicht immer, aber immer öfter.

Kommunikation über Belllaute


Hunde geben sich große Mühe, dem Menschen kommunikativ
entgegenzukommen, und bellen laut D. Feddersen-Petersen (1995)
„je nach Rasse sehr differenziert, da die akustische Ausdrucksform
an Bedeutung zunimmt, wenn sich optische Ausdrucksformen (durch
verändertes Exterieur) im gesamten Kommunikationsbereich stark
vermindern.“ Manche Hunde bellen übrigens gar nicht, sondern
„läuten“, wie mir die entrüstete Besitzerin eines Beagle kürzlich
mitteilte. Sei’s drum. Einigung herrscht darüber, dass viele Belllaute
des Hundes ausnahmslos der Kommunikation mit dem Menschen
dienen.
Und so „beamt“ und „beamt“ der Hund ein akustisches
Kommunikationsangebot nach dem anderen in Richtung Mensch,
der hilflos dasteht und nichts versteht. „Ich arbeiten andere
Baustelle“, scheint er dem Hund frustriert mitzuteilen. Diese „andere
Baustelle“ bewohnt aber auch der Hund hier und da, nämlich dann,
wenn er aufgrund einer ungünstigen Windrichtung oder wegen
Dunkelheit seinen eigenen Besitzer nicht erkennt und ihn sogar
verbellt. Daraufhin antwortet der Mensch: „Spinnst du, ist doch nur
das Herrchen.“ „Entschuldigung“, sagt der Hund, „stimmt, du riechst
auch so.“
Sehr beeindruckend gestaltete sich mein Zusammenleben mit
einigen Hirten Südpolens, besaßen sie doch tatsächlich die
Fähigkeit, den diversen Lautäußerungen ihrer Herdenschutzhunde
ganz bestimmte Alarmsituationen präzise zuzuordnen. Näherte sich
nachts ein Wolf, bellten ihre Hunde anders als beim Angriff eines
Braunbären oder beim Versuch einiger Menschen, Schafe zu
stehlen. Diese Gabe scheint allerdings eine frühe
„Geräuschprägung“ zu sein, derer ich nie mächtig wurde.
Frustrierend!

Generell gilt jedoch: Um Anordnungen umsetzen zu können, muss


sich der Mensch schon „insgesamt“ mitzuteilen verstehen.
Stattdessen produziert er allgemeine Verunsicherung: „Mach mal
Platz, geh da weg!“ Sehr beliebt sind auch Fragestellungen an den
Demokraten Hund: „Habe ich nicht gesagt, du sollst „Sitz“ machen?“
Der antwortet wie ein Parlamentarier im deutschen Bundestag: „Mal
schauen, das müssen wir erst ein Stück weit ausdiskutieren.“
Markierverhalten = Dominanz?
„Zu viel“ Dominanz sorgt unter Hundebesitzern natürlich für
wesentlich mehr Gesprächsstoff. Setzt ein Hund beispielsweise Kot-
und Urin ab, deren chemische Signale laut D. Morris (1986) „anhand
ihres Frischezustandes und Standortes u. a. über territoriale
Besitzansprüche und sexuelle Kondition Auskunft geben“, bekommt
der Mensch leicht Panikattacken. Er befürchtet Kontrollverlust! Geht
das unter Hundehaltern heiß diskutierte „Zeitunglesen“ sogar so
weit, dass Hunde ihre Duftmarkierungen möglichst gut sichtbar
platzieren und durch Kratzen und Scharren mit den zwischen den
Hundezehen vorhandenen Schweißdrüsen betonen, hat man als
Mensch mal wieder ein „Dominanzproblem“.
Tatsächlich?
Wenn dann so manche Hündin zusätzlich noch regelrecht
„Handstand“ vollbringt, um sich Artgenossen besser mitzuteilen, ist
endgültig „Schluss mit lustig“. Jetzt wird gehandelt, das heißt, der
Hund darf nur noch an einer ganz bestimmten Stelle „pinkeln“.
‣ Wichtig
Der innerliche Antrieb zum Markieren stellt für jeden Hund ein
biologisches Grundbedürfnis dar. Dies generell unter Strafe zu
stellen, ist schlicht eine Ungeheuerlichkeit!

Auch wenn der Urin des Hundes laut D. Morris (1986) „voller
Sexualhormone steckt und kleinste Spritzer Artgenossen über
jeweilige Stärke und Rang aufklären“, sollte man diese wirkungsvolle
Art der Informationsaufnahme oder -abgabe jedem Hund
grundsätzlich gestatten. Ich erinnere nochmals an die Möglichkeit,
Markierungsverhalten auch als Ausdruck sozialer
Zusammengehörigkeit zu erkennen. Im Zweifelsfall ist ein Fachmann
zurate zu ziehen, der dreistes „Dominanzpinkeln“ von
Bindungsbereitschaft unterscheiden kann! Das Markierverhalten des
Hundes ist nun einmal aus unterschiedlichen Perspektiven zu
betrachten und falsche Rückschlüsse führen nur allzu leicht zu
falschen Erziehungsratschlägen.
Das Markierverhalten des Hundes wird von sehr unterschiedlichen Motivationen
gesteuert. Auch wenn es unter anderem der Abgrenzung von Ressourcen wie z.B.
Nahrung dient, zeigen die meisten Hunde im interaktiven Bereich harmloses
Ritual-Markieren, was ihrer gegenseitigen Verständigung förderlich ist und
keinesfalls durch den Menschen beeinflusst werden sollte. Menschen befürchten
ein grundsätzliches Dominanzproblem, wenn ein Hund z.B. ihre Kleidung völlig
automatisiert über Urin markiert, obwohl er sich oft nur durch die Fremdgerüche
anderer Hunde magisch angezogen fühlt und die Ranghoheit der „angepinkelten“
Person überhaupt nicht in Frage stellen wollte.

Die Einheit der Signale


Nun aber mit Nachdruck zum Kern der Dinge, zur Frage nämlich,
was uns der Hund mittels seiner Körpersprache mitteilen will.
Zunächst ist klar, dass Wolf und Hund grundsätzlich Konflikte
vermeidende Tiere sind, deren Ausdrucksverhalten sowohl
Beschwichtigungs- und Beruhigungssignale als auch Drohsignale
beinhaltet. Alle Signale sind streng zu beachten, bilden sozusagen
eine Einheit. Einen Teilbereich nach Gutdünken infrage zu stellen
käme bisweilen einem Selbstmord gleich. Die Verhaltensberaterin
Turid Rugaas (1997), deren Ratschläge zur Mensch-Hund-
Kommunikation insgesamt beachtenswert sind, interpretiert meiner
Meinung nach die Wichtigkeit von Drohsignalen falsch, wenn sie
sagt: „Warum um alles in der Welt, sollten wir jemals Drohsignale
(Abbruchsignale) gegenüber dem Hund gebrauchen?“
Das liegt doch auf der Hand – immer dann, wenn sich ein Hund
inakzeptabel verhält, z.B. im Begriff ist, ein Kaninchen
totzuschütteln, wenn er Menschen oder Artgenossen offensiv
attackiert, aktiv Mobbing betreibt, „ungebremsten“ Sex umsetzen
möchte oder der Mensch aus Sorge um den gefährdeten Hund
Jagdsequenzen beeinflussen muss! Dann brauchen wir
Abbruchsignale. An dieser Stelle sei unbedingt an E. Zimen (1986)
erinnert: „Es entspricht nicht dem Wesen des Hundes, uns jederzeit
gefallen zu wollen.“
Bei der Beurteilung hundlicher Kommunikationsformen sollten wir
zudem den dilettantischen Fehler deutscher Bürokraten vermeiden
(z.B. Sachkundenachweis der Stadt Köln, 2002), nur einzelne
Körpersignale zu bewerten. Rückschlüsse auf Verhalten können nur
nach Überprüfung der gesamten Körpersprache des Hundes
gezogen werden! Des Weiteren sollten wir vermeiden, das
Ausdrucksverhalten von Wolf und Hund pauschal gleichzusetzen,
obwohl viele Parallelen erkennbar sind. Laut neuesten
Untersuchungen von D. Feddersen-Petersen (2002) „verfügen Wölfe
mindestens über 21 unterscheidbare mimische Signale, 12
Ohrenstellungen sowie 11 verschiedene Kopfhaltungen mit
Signalcharakter.“ Wow, ich weiß schon, warum ich Wolf-Fan bin und
bleibe, denn keine Hunderasse kann da auch nur im Ansatz
mithalten.
Kommunikative Missverständnisse
Sie sind auch vorprogrammiert, weil der Mensch bisweilen vergisst,
dass er – im Gegensatz zum Hund – „Porenatmer“ ist. Das wird
deutlich, wenn ein zorniger oder vor Wut schäumender
Hundebesitzer inklusive unübersehbarer „Gesichtsröte“ versucht,
seinen Hund heranzurufen. Eine ähnlich verwirrende Gemütslage
ergibt sich, wenn ein längst zerrissener Teppich Anlass ist,
Schimpfkanonaden über den konfusen, um Beschwichtigung
bemühten Vierbeiner loszulassen. Für den Hund liegt im wahrsten
Sinn des Wortes Ärger in der Luft, woraufhin er geschwind eine
unterwürfige Körperstellung einnimmt und wie ein Jungwolf
herumschleimt, was das Zeug hält. Ist doch schlau, oder? Wenn ich
Hund wäre, würde ich genauso handeln und mir ins Fäustchen
lachen, wie einfach man den Menschen manipulieren kann.
Zudem sei daran erinnert, dass sich ein Hund im Konfliktzustand
befinden kann, wenn verbale und non-verbale Ausdrucksformen
nicht übereinstimmen. Viele Hundebesitzer erklären, dass sie ihren
Hund bewusst eigene Angst nicht spüren lassen. Nett gemeint,
vielleicht sogar rührend, aber völlig hoffnungslos. Unkoordinierte
Körperhaltungen und Bewegungen, wie etwa bei Menschen im
alkoholisierten Zustand, bei Verletzten mit Gehgips oder auf einen
Stock gebeugten Menschen, können beim Hund Bellverhalten oder
sogar einen Angriff provozieren. Klobig erscheinende Personen
(Uniform, Hut etc.) passen ebenfalls nicht in das alltägliche
Signalbild des Hundes. Nein, sie sind einfach merkwürdig. Unsichere
Hunde reagieren unwirsch auf Menschen, die sich abrupt nach vorn
beugen, auch wenn sie es gut meinen („Oh, der arme Hund, was hat
er denn?“).

‣ Tipp
Jeder Hundebesitzer sollte auf seine eigenen Körpersignale (und
die von Mitmenschen) achten und muss das Ausdrucksverhalten
seines Hundes zumindest grob umrissen deuten können, bevor er
Körperhaltungen, Bewegungen und Ausdrücke aus dem
Mimikbereich einem bestimmten Verhalten zuordnet.

Der leicht verunsicherte Hundebesitzer sei zunächst darüber


informiert, dass kein Hund als „Dominator“ zur Welt kommt, sondern
alle Hunde im Zweifelsfall zwischen Angriff und Flucht tendieren,
wobei viel vom jeweiligen Persönlichkeitstypus abhängt. So können
sie im Konflikt zwischen zwei Antrieben erstarren,
Beobachtungsstehen oder Beobachtungslaufen (inklusive Am-
Boden-Schnüffeln) zeigen, das Geschehen aus der Distanz
gespannt beobachten oder zum gespielten Spiel ansetzen.
Das wechselseitige Aussenden und Empfangen von Signalen der Gestik und
Mimik dient Hunden im Allgemeinen zum Kontakt- oder Distanzverhalten,
unterliegt einer enormen Variabilität und lässt deshalb keine pauschalen
Schlussfolgerungen zu. Besonders in den ersten acht Lebenswochen entstehen
aus dem Austausch von Körpersignalen explosionsartig schnell ganz bestimmte
Verhaltenstendenzen, die allgemeinen Lernvorgängen bei der Entwicklung der
Kommunikation dienen. Wölfe drücken ihre Stimmungen in gemeinsamen
Sozialspielen sehr intensiv und differenziert aus. Das Ausdrucksverhalten von
Hunden lässt starke rassetypische Verhaltensbesonderheiten erkennen, die im
Vergleich zum Wolf allgemein von einer Verringerung der Gesamtzahl optischer
Signale gekennzeichnet sind.

Beschwichtigungssignale
Auch bei dem dominanten Hund mit ständig aufgerichteter Rute
handelt es sich um ein Märchenwesen. Wäre dem so, müssten
Hunde mit Ringelruten, die ja damit ihre angebliche
(Dauer-)Dominanz demonstrieren, aufgrund permanenten
Energieverlustes längst ausgestorben sein.
Laut D. Feddersen-Petersen (1992) und T. Rugaas (1997) gilt die so
genannte Vorderkörpertiefstellung primär dem Kontext der
Beschwichtigung und führt häufig zu gemeinsamen Sozialspielen.
Stimmt, das bezweifelt niemand. E. Klinghammer (2002) warnt aber
zu Recht: „Diese Ausdrucksform sieht man meistens im Sozialspiel,
Kampfspiel oder im Sexualverhalten. Sie kann aber auch im Kontext
des Jagdverhaltens stehen.“ Vorsicht ist ebenfalls geboten, wenn ein
Hund bei gleichzeitiger Vermeidung von Blickkontakt seinen Kopf
abwendet, was man gern pauschal als hundetypische
Beschwichtigungsgeste wertet. Unter Berücksichtigung aller
Körpersignale kann es sich auch um eine Dominanzgeste (inklusive
Drohsignale) handeln, wenn ein Hund aus der Position der Stärke
seine Halspartie darbietet.

Übersprungshandlungen
Ist ein Hund unsicher und steht im Konflikt zwischen zwei in etwa
gleich starken Antrieben, mag er gähnen, die Nase lecken, züngeln
oder ohne erkennbaren Grund den Boden beschnüffeln. Diese so
genannten Übersprungshandlungen sind keine Aggressionsform,
wie der Hundepsychologe J. O’Heare (2003) meint, sondern dienen
vornehmlich der eigenen Beruhigung und dokumentieren
stressbedingte Lebenslagen. So beleckt ein Hund seine Nase auch,
wenn er seine körperliche Unversehrtheit in Frage gestellt sieht. Will
er beispielsweise ein Kaninchen durch einen Zaun jagen, bleibt aber
dort hängen, mag er sich ebenfalls die Nase lecken oder gähnen –
seine potenzielle Beute beruhigen will er sicher nicht. So weist D.
Tortora (1997) sehr anschaulich darauf hin: „Wenn Ihr Hund gerade
einer Katze nachjagen will und Sie ihm befehlen dazubleiben, mag
er gähnen.“
Befindet sich ein Hund im Konflikt zwischen Beschwichtigung und
Dominanz, gähnt er oder schüttelt sich. Ist ein Hund aufgrund einer
bestimmten Reizlage ängstlich, während der Mensch versucht durch
Gähnen beruhigend einzuwirken, dokumentiert er nur eigene
Unsicherheit bzw. eigenes Konfliktverhalten. Es ist hinlänglich
bekannt, dass sich unsichere Hunde hinter den Ohren kratzen und
dadurch ihre momentane Verlegenheit zum Ausdruck bringen.
Trotzdem kommt sicher kein Mensch auf die Idee, dieses Verhalten
im sozialen Miteinander nachzuahmen. Viel wirkungsvoller wäre, bei
solchen Gegebenheiten zu lachen, um eine Stimmungslage der
entspannten Atmosphäre zu kreieren. Die Neurobiologin Susan
Greenfield (2000) schreibt: „Lachen ist ein wunderbarer Weg mit
Stress umzugehen. Lachen setzt eine Reihe von Peptiden frei, die
so genannten Endorphine, die allgemeines Wohlbefinden
verursachen.“ Na, wenn das nichts ist!? Lachen ist eben gesund!
Apropos Beruhigungssignale: Meine Hunde drücken den Zustand
ihrer totalen Entspannung aus, indem sie sich strecken und räkeln,
tief ein- und ausatmen, kräftig durchschnaufen oder vor sich hin
„schnalzen“ und „schlucken“. Wer es nachahmen möchte, bitte
schön!
Das Rutenwedeln unterliegt ebenso Fehlinterpretationen, weil es
sowohl der freundlich gestimmten Kontaktaufnahme dient als auch
Ausdruck extremer Erregung sein kann! Was will der vor einem
Kaninchenbau erregt umherspringende Terrier? Seine Beute
freundlich begrüßen? Ich wette hundert zu eins: Er will das vor Angst
schlotternde Kaninchen umbringen!
Laut T. Rugaas (1997) sendet ein auf dem Bauch liegender oder
sitzender Hund generell Beruhigungssignale aus. Abgesehen vom
so genannten „Beobachtungssitzen“ (Wolf oder Hund setzt sich und
hebt und senkt den Kopf) wäre ich ganz vorsichtig und würde gern
fragen: Bei allem Respekt, aber wie deutet man Hunde in
klassischer „Geierhaltung“, die aus einer liegenden Körperposition
(einer Rakete mit Turbolader gleich) sofort in konkretes
Jagdverhalten übergehen? Der Hund stammt vom Wolf ab und ist
ein Jäger!
E. Klinghammer (2002) unterstützt meine Argumentation, indem er
rät, „diese Körperpositionen durchaus dem Jagdverhalten
zuzuordnen, sollte ein Hund etwa fixieren und seinen Vorderkörper
senken.“ Lässt er sich jedoch auf den Rücken fallen, mag diese
Geste beschwichtigend wirken, weil er dadurch direkte Bereitschaft
zur Unterwerfung demonstriert. Ebenso eindeutig würde ich das
Belecken von Mensch und Artgenossen (das wölfische Erbe des
Futterbetteln) eher als Beschwichtigungsgeste werten. Unsere
Dackeldame ist jedenfalls Königin der „Lutsch-Attacken“ und
versucht ständig, menschliche Sozialpartner zwecks
Kontaktaufnahme milde zu stimmen. Beleckt ein Hund die Hände
des Menschen, reflektiert diese Handlung oft auch reinen
Stressabbau. Verbietet man einem unsicheren Hund das instinktive
Verhalten, den Menschen durch Maulwinkel- oder Handlecken
grundsätzlich zu besänftigen, verhält er sich garantiert noch
unruhiger, zudem konfus und weniger bindungsbereit. Ich möchte
aus diesem Grund raten, hygienische Bedenken beiseite zu lassen,
des Öfteren die Hände zu waschen und das Lecken des Hundes so
oft wie möglich zuzulassen, aber nicht weiter zu kommentieren.
Weiterhin sind die von D. Feddersen-Petersen als
„Schnauzenzärtlichkeiten“ definierten innigen Kontaktaufnahmen
auch als soziale Komponente zwischen eng miteinander
verbundenen Tieren zu verstehen.

Abbruchsignale
Wie erwähnt, bedienen sich Wolf und Hund zur Vermeidung
offensiver Auseinandersetzungen (Ernstkämpfe) eines großen
Repertoires an Abbruchsignalen, die u. a. E. Klinghammer (2002) als
„Cut-Off-Signale“ bezeichnet. Sie dienen dem Respektieren
persönlichen Freiraums, der Einhaltung einer Individualdistanz oder
dem Aufsplitten unerwünschter Gruppenbildungen. Zu den
Abbruchsignalen zählt man verallgemeinert neben Drohsignalen
(brummen, knurren, strenger Blick, Lefzen anziehen oder Maul
aufreißen) das physische Handeln über gezieltes Anspringen,
Bedrängen, Schnauzgriff, Bewegungseinengung inklusive T-Stellung
oder Auf-den-Boden-Drücken. Auch dem Kokettieren über
Imponierhaltungen inklusive Imponiertragen (Imponieren plus
Gegenstand) muss man gebührende Beachtung zukommen lassen.
Um größeren Schaden von Mitmenschen abzuwenden, sind wir alle
bisweilen verpflichtet einzugreifen, schließlich ist der Hund im
Vergleich zum Wolf wesentlich eher bereit, bewusst beschädigend
zu beißen. Und noch etwas: Das offensive Aggressionsverhalten
Artgenossen gegenüber zuzulassen ist unverantwortlich. Diese
Meinung teilt auch der Verhaltensbiologe U. Gansloßer (2002):
„Selbstverständlich ist jeder Hundebesitzer verantwortlich dafür,
dass es nicht zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen kommt.“
Ach, wäre der Hund doch nur ein Engel! Ist er aber nicht, vielmehr
erinnern manche Exemplare der Gattung Hund bisweilen an
„tasmanische Teufel“.

‣ Das bedeutet
Die Kommunikation Mensch/Hund gestaltet sich sehr komplex und
funktioniert objektiv betrachtet nur über den Signalaustausch von
Beschwichtigungs- und Dominanzgesten. Alles andere würde der
Hund auch gar nicht verstehen, denn schließlich kommuniziert er
ja (hoffentlich) jeden Tag mit etlichen Artgenossen. Da beißt die
Maus keinen Faden ab.

Konfliktvermeidung
Selbstverständlich steht im Umgang mit dem Hund
Konfliktvermeidung an erster Stelle. So muss man zunächst
ausprobieren, ob man durch die Abwendung des eigenen Blickes
oder durch eine Körperdrehung und ein besonnenes Auftreten eine
eskalierende Situation beruhigen kann. Ein solches Verhalten würde
ich sogar meistens anraten. Warum provozieren, wenn es unnötig
ist? Ebenso wenig dürfte strittig sein, dass man Angst nicht
bestrafen sollte. Das würde nur die Frustration des Hundes und die
Notwendigkeit seiner Selbstverteidigung erhöhen.
Den Ausführungen des Hundetrainers Jan Nijboers (2002) zufolge
haben Leitwölfe (Leitmenschen) eine Art „Führerschaft“ (leadership)
inne, die eine ständige Kontrolle rangniedriger Familienmitglieder
notwendig macht, um „Dominanzprobleme“ zu verhindern. Ich folge
dieser Argumentation auf keinen Fall, weil viele meiner
Beobachtungen an Wolf, Mensch und Hund dagegen sprechen.
Ranghohen „Leittieren“ kommt viel eher eine Führungsrolle zu, die
nicht von permanent autoritärer Dominanz abhängt, sondern von
Klarheit, grundsätzlicher Gutmütigkeit und von vorausschauendem
Denken und Handeln bestimmt ist. Laut Aussage der beiden
norwegischen Biologen Kristin Meitz Bru und Silje Kittilsen (2003)
„sollte man den Begriff „Führerschaft“ durch „Führungsrolle“
ersetzen“.
D. Feddersen-Petersen, die als eine der wenigen Ethologen das
Ausdrucksverhalten von Wölfen mit dem verschiedener
Haushundrassen vergleichend (nicht gleichsetzend) untersucht,
brachte es schon 1987 unmissverständlich auf den Punkt. „Bei
besonders kurznasigen Möpsen ist zu beobachten, dass das
canidentypische „Über-den-Fang-Beißen“ als Dominanzgeste nach
erfolglosen Versuchen des ranghöheren Hundes vor dem fehlenden
Fang des Unterlegenen als Intentionsbewegung ausgeführt wird,
woraufhin selten reagiert wird.“ Man beachte in diesem Zitat die
bewusst gewählten Begriffe „canidentypisch“, „Dominanzgeste“ und
„Rang“! Ich möchte zum Abschluss dieses Abschnitts das ganze
Dilemma kommunikativer Missverständnisse unter Hunden an einem
anderen Beispiel verdeutlichen: Was soll ein Alaskan Malamute
(nordischer Hund) von einem Rhodesian Ridgeback halten, der
aufgrund einer Zuchtmanipulation durch den Menschen tagtäglich
mit einer „Dauerbürste“ herumstolziert?
Die konkrete Umsetzung von „Beschädigungsbeißen“ bedeutet, dass ein Wolf
oder Hund bewusst die Absicht verfolgt, einen Artgenossen oder Menschen
massiv zu verletzen, und dabei in Kauf nimmt, auch dessen körperliche
Unversehrtheit infrage zu stellen. Ein beschädigender Zubiss wird oft in
Verbindung mit Schüttelbewegungen gezeigt und ist als ausgesprochen gefährlich
und unberechenbar einzustufen. Hunden, die im Umgang mit Artgenossen über
keinerlei Beißhemmung verfügen, ist ein Freilauf ohne Leine, insbesondere in
Stadtparks oder Gebieten mit Präsenz von anderen Hunden, strikt zu verwehren.
In 13 Jahren Wolfsforschung haben wir – außer in der Paarungszeit – unter
Wölfen noch kein Beschädigungsbeißen beobachtet.

‣ Das bedeutet
Unsere Kommunikation mit Hunden muss Vertrauen, soziale
Kompetenz, Konfliktminimierung, Frustrationsbewältigung und
Motivation ebenso widerspiegeln wie Kontrollmechanismen,
aktives Handeln und momentanes dominantes Auftreten. Erst
unter Berücksichtigung aller aufgezählten Faktoren handelt es
sich um durchdachte, wirkungsvolle Kommunikation! Der
Haushund ist kein asozialer Einzelgänger, sondern ein hoch
kommunikationsbereiter Canide, der die Regeln der
Signalsprache bestens versteht und seit Jahrtausenden
verinnerlicht hat. Ob Maulwinkellecken, Pföteln, Imponieren oder
Drohen, der Hund beherrscht die kommunikative Signalsprache
mit allen Facetten, weil er vom Wolf abstammt, der ihm dieses
Erbgut mit auf den Weg gab. Auch Wölfe schlichten fast alle
Streitigkeiten über den Austausch von Körpersignalen. Dass sie
dies erheblich differenzierter tun als Hunde, ist kein Beweis für
unterschiedliche Arten, sondern basiert auf der
Rücksichtslosigkeit des Menschen, der signalvermittelnde
Körperteile (Ohren/Ruten/Fellstruktur usw.) durch unsinnige
Zuchtmaßnahmen manipuliert. Aus diesem Grund kommunizieren
nordische Hundetypen differenzierter als körpersprachlich stark
eingeschränkte Boxer.
Psychologische Lernregeln zur
Hundeerziehung

Basisbegriffe der Hundeerziehung


Einige Grundbegriffe wie Konditionierung, Reiz, Reflex, positive oder
negative Verstärkung werden von manchen Ausbildern gern
verwendet und vom einfachen Hundelaien ehrfurchtsvoll durch
Kopfnicken bestätigt. „Ja stimmt“, ist oft zu hören, obwohl man doch
ehrlicherweise gar nichts verstanden hat.
Im Gegenteil: Leider setzt man diese Basisbegriffe innerhalb des
praktischen Ausbildungsablaufes nicht korrekt um, sondern
missachtet sie sogar auf elementare Weise. Verbale Kommandos
(„Sitz“, „Platz“) machen die Runde, bevor der Hund sitzt oder liegt.
Auch egal, irgendwann lernt der aufsässige Hund schon den
Aufforderungen des Menschen zu folgen. Schaut man in die müden
und fassungslosen Augen mancher Hunde, steht fest, dass sie uns
gern gehorchen würden, wäre der Begriff „präzises Timing“ für uns
nicht manchmal ein Fremdwort. Und so stapfen Mensch und Hund
gemeinsam über das Übungsgelände, in der Hoffnung, irgendwann
einmal zueinander zu finden.
Doch schon ertönt aus dem Hintergrund: „Frau X, Sie haben Ihren
Hund nicht im Griff.“ Derweil baut sich der „Hundeexperte“ auf wie
ein Ausbilder für Fremdenlegionäre im Tschad. Schmollend murmelt
Frau X, dass ihr der Umstand, ihren Hund nicht in allen Lebenslagen
kontrollieren zu müssen durchaus bekannt sei, ansonsten wäre sie
ja erst gar nicht erschienen. Und Frau X hat Recht. Es ist die
Verpflichtung eines jeden verantwortlichen Hundetrainers, ihr die
Regeln der Konditionierung behutsam zu erläutern. Hat Frau X
beispielsweise einen Hund, der sich aggressiv gegenüber
Artgenossen gebärdet, kann sie dessen Akzeptanz (Duldung) erst
nach stufenweiser Distanzverminderung erwarten. Nicht aber durch
enges Kreislaufen und eine missmutige Grundstimmung auf dem
Übungsgelände.
Im Gegenteil: Stressbedingt geraten beim Hund schon mal zwei
unterschiedliche Antriebe in Konflikt, woraufhin er mitunter sogar
plötzlich den eigenen Besitzer beißt. Wird ein solches Verhalten
womöglich mit einem bestimmten Ort, einer Person oder einem
Artgenossen verknüpft und erfährt durch Wiederholung des gleichen
Ereignisses noch Verstärkung, empfiehlt sich zunächst, ein solches
„Platzlernen“, wie es E. Klinghammer (1994) nennt, dringend zu
vermeiden. Der Tipp lautet hier: Raus aus dem Stress und zur
eigenen Beruhigung zur „Krönung“ von Jakobs greifen!
Auf die praktische Arbeit mit dem Hund bezogen heißt das: Irgendwo
anders eine freundliche Spielatmosphäre schaffen, das Interesse
des Hundes auf Sichtzeichen, Futter oder ein Ersatzobjekt
(Spielzeug) lenken und sich nicht beirren lassen! Demonstriert der
Hund dabei eine „lachende“ Gesichtsmimik, ist man auf dem
richtigen Weg!
Hundeerziehung besteht zu 80% aus Menschenpsychologie!
Hundebesitzer niederzubrüllen oder ihnen zu suggerieren, nie
„Alphawölfe“ zu werden, wenn sie nicht hart genug durchgreifen (ja,
ja, der „Alphawolf“ als solcher und im Besonderen), ist verachtend
für Mensch und Hund und fachlich falsch. Die Hauptaufgabe eines
guten Hundetrainers liegt darin, als „Dolmetscher“ zwischen Mensch
und Hund Kommunikationsmissverständnisse zu übersetzen.

Operante und klassische Konditionierung


Hunde formen die meisten Verhaltensweisen über Lernen am Erfolg,
was man als „instrumentelles“ Lernen oder „operante“
Konditionierung bezeichnet. Nach D. Tortora (1979) wird als „operant
dasjenige Verhalten bezeichnet, welches durch Belohnung oder
Strafe verändert wird.“ Vordringliches Ziel einer Trainingseinheit
sollte es sein, unter gezieltem Körpereinsatz Reize zu schaffen
(Sichtzeichen), um dann die richtige Reaktion des Hundes zu
verstärken. Lernen am Erfolg beinhaltet nach J. Fisher (1992), „dass
eine Belohnung unmittelbar auf eine Reaktion folgen muss, stets
gleich bleibende Bestätigung erfährt und der Hund eine Belohnung
als reizvoll empfindet!“
Im Gegensatz dazu lernt ein Hund bestimmte Verhaltensweisen
auch durch klassische Konditionierung, denkt man z.B. an die
berühmten Experimente von I. Pawlow (1956) an seinen Hunden.
Klassische Konditionierung beinhaltet die Koppelung eines
unbedingten Reizes (Futter) mit einem zuvor neutralen Reiz
(Glockenton), ohne dass eine Belohnung erfolgt. Das Pawlow’sche
Prinzip: Futter (unbedingter Reiz) führt zu Speichelfluss
(unbedingte Reaktion). Glockenton + Futter (bedingter Reiz) führt
schließlich zu Speichelfluss (bedingte Reaktion) auf den Glockenton
allein.
Sowohl klassische als auch operante Konditionierung spielen im
täglichen Leben von Mensch und Hund eine wesentliche
Orientierungsrolle:
‣ Schlüsselbund aufnehmen, Schuhe und Jacke anziehen = auf Tour
gehen.
‣ Hundeleine aufnehmen = spazieren gehen.
‣ Fernsehabend beenden, Badezimmer aufsuchen, Licht
ausschalten = schlafen gehen.
‣ Schreiben des Buches unterbrechen, zum Kühlschrank gehen,
Joghurtbecher herausnehmen und öffnen = Unser Dackel rastet aus!
Es ist der übliche Ablauf von Reiz, Reaktion und –
zugegebenermaßen – Verstärkung. Zur Erklärung: Dackeldame
Kashtin darf im Hause Bloch regelmäßig die Joghurtbecher „spülen“!
‣ Wecker morgens klingeln hören, im Halbkoma zur Küche laufen =
Kaffeemaschine einschalten – obwohl Autor eigentlich nicht wirklich
(geschweige bewusst) weiß, was er da gerade tut.
© Peter Nawrath
Ist ein Haushund, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn, auf ein
bestimmtes Geräusch konditioniert, springt er selbst aus dem Schlaf auf und
untersucht sofort aufmerksam die jeweilige Geräuschquelle, ohne darüber auch
nur im Geringsten nachzudenken. Ein konditioniertes Verhalten steht also in
direktem Zusammenhang mit einem automatisierten Handlungsablauf, der sich je
nach Intention unter bestimmten Voraussetzungen auch sehr negativ auf die
Lebensqualität eines Hundes auswirken kann. Viele Menschen meinen, ständig
auf Futtergaben konditionierte Hunde seien die glücklichsten Tiere der Welt, weil
sie schließlich „freiwillig“ handeln. Dieser „Freiwilligkeit“ folgen Hunde aber nur,
wenn man sie permanent von Umweltreizen fern hält beziehungsweise sie durch
übertriebene Managementmaßnahmen daran hindert, natürliche Reize ungestört
und selbstständig untersuchen zu dürfen.
Ein Hund kann auch nie gleichzeitig zwei Verhaltensweisen
aufzeigen.
Beispiel: Das Anspringen einer Person ignoriert man, bis die
Motivation des Hundes erlahmt und er sich ohne Befehl hinsetzt, die
Ersatzhandlung „Sitz“ verstärkt man mit Futter. „Nein“, sagt der
Hundetrainer, „wir arbeiten ohne Futter. Der Hund muss Befehle
ausführen, weil der Mensch es will.“ Na toll, das Gespenst des
„Dominators“ geht wieder um. Ich vertrete seit 20 Jahren wie R.
Coppinger (2003) die Auffassung, dass sich der Hund durch
Domestikation vom Großwildjäger zum Abstauber entwickelte.
Anderseits ist es der helle Wahnsinn, Hunde pausenlos mit
irgendwelchen „Leckerchen“ vollzustopfen oder ihnen womöglich
hinterherzulaufen, um sie gnädig zu bitten, die milde Gabe
anzunehmen. Abgesehen davon, wirkt sich ein derart unsicheres
Verhalten auf die Erziehung des Hundes kontraproduktiv aus. Nach
Meinung des leider verstorbenen Hundetrainers John Fisher (1992)
ist „positive Verstärkung eine vom Hund selbstständig und ohne
Zwang gezeigte erwünschte Verhaltensweise, die Belohnung
erfährt.“ Der Hund soll das richtige, für ihn erfolgreiche, weil belohnte
Verhalten durch Versuch und Irrtum selbst herausfinden. Positive
Verstärkung ist also erst einmal alles, was in Verbindung mit einer
Handlung steht und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese
Handlung wieder gezeigt wird. „Quatsch“, antworten da manche
Hundetrainer, „das geht über den Aufbau von Meideverhalten viel
schneller. Geben Sie dem Hund einen kräftigen Leinenruck, dann ist
die Sache erledigt. Wenn das nicht hilft, wiederholen Sie den
Leinenruck so lange, bis Ihr Hund kapiert hat, wo es langgeht.“
Unsere nette Frau X merkt leise an, ihr Hund habe Angst und zeige
ihr gegenüber immer weniger Bindungsbereitschaft. „Was ist das
denn bitte: Bindung?“, fragt der Trainer. „Hier geht es nicht um
Psycho-Schmu, sondern vielmehr um Kontrolle oder Kontrollverlust!“
Frau X hakt trotzig nach: „Kann mein Hund durch ständigen
Leinenruck nicht die Assoziation aufbauen, andere Artgenossen
seien die eigentlichen Schmerzverursacher?“ Der Hundetrainer dreht
sich kopfschüttelnd um, lässt Frau X samt Problem einfach stehen
und deklariert sie vor versammelter Mannschaft zum
bedauernswerten Weichei. Laut D. Tortora (1979) „liegt die Ursache
(für aggressives Verhalten) in der Verknüpfung von einem Teil der
Umwelt des Hundes mit Schmerz und Angst. Ist die Angst erst
einmal konditioniert, kann sie sich wie ein Krebs verbreiten.“
Frau X verlässt wutentbrannt den Übungsbetrieb und versucht die
Regeln der positiven Verstärkung zum Erlernen von erwünschtem
Verhalten in einem ruhigen Umfeld umzusetzen. Richtig – solange
es darum geht, einem Hund etwas beizubringen. Ein positiver
Verstärker bedeutet zunächst Information, die man weder zu früh
noch zu spät anbieten darf. Futterbrocken sollten dabei so klein wie
möglich sein, damit die Befriedigung des Hundes im
Herunterschlucken, nicht aber im Kauen liegt. Handelt der Hund
besonders gut, also schneller als gewöhnlich, muss die Belohnung
um ein Vielfaches höher ausfallen.

‣ Info
Das Etablieren eines bestimmten Verhaltens nannte B. Skinner
(1967) „eine konditionierte Verstärkung“. Sie wirkt ungemein
kraftvoll, weil die Information „Richtig“ in sich bereits einen starken
Wert bedeutet. Dieser Wert muss nicht unbedingt Futter sein.
Positive Verstärker sind Initialsignale wie Bewegungen, Gesten,
Geräusche, Licht- oder Tonquellen.

Möglichkeiten und Grenzen der positiven Verstärkung


Keine Angst, konstante Verstärkung und Bestätigung sind nur zu
Trainingsbeginn notwendig und nicht, wie Radikalgegner der
Futterbelohnung meinen, ein Leben lang. Da kann der skeptische
Mensch fluchen und schimpfen, es ist nun einmal das Pawlow’sche
Gesetz: Sabber, sabber. Hunde schenken einer variabel vermittelten
Verstärkung sogar erhöhte Aufmerksamkeit, weil sie jederzeit in
Erwartung einer Annehmlichkeit sind, was keinesfalls übertrieben
werden darf, um seiner biologischen Seite zu entsprechen!
Nun hat Training über positive Verstärkung
leider auch seine Grenzen, wie Herr Y erfahren musste. Frohgemut
war er angetreten, seinem Hund über positive Verstärkung
Grundgehorsam beizubringen, was auch prima klappte. Nur das
Jagdverhalten seines Hundes bereitete ihm noch Kopfschmerzen
(Schwuppdiwupp, da ist er wieder, der biologische Drang!), obwohl
die nette Trainerin doch versichert hatte, Abbruchsignale und
negative Verstärkung seien „out“.
Aha, alles nur noch positiv und mit viel „Tütelitü“, wie es E. Zimen
(2002) nennt. Herr Y erklärte mir, zwischen dem Verhalten von Wolf
und Hund gebe es kaum Gemeinsamkeiten. Während wir uns in ein
Gespräch vertieften, raste seine kurzfristig unbeaufsichtigte Hündin
los und hetzte laut bellend eine Katze.
Nach D. Tortora (1979) hat Herr Y folgendes Problem: „Ein anderer
Problemkreis, der seinen Ursprung beim Vorfahren Wolf hat, ist die
Reaktion des Hundes auf unpassende Stimuli (Umweltreize). Dies
hat zur Folge, dass ein Teil des genetisch programmierten
Verhaltens auf minimalsten Reiz reagiert.“
Der freche Teufel „Beuteschema“ lauert überall und hat den Schalk
im Nacken sitzen.
Negative Verstärkung bedeutet, dass ein Hund ein bestimmtes
Signal in Form eines Tones, eines Gegenstandes oder eines
missbilligenden Ausdrucks lernt, das zur Vermeidung einer
bestimmten Handlung eingesetzt wird und somit ein unerwünschtes
Verhalten schon im Ansatz gestoppt werden kann.
E. Klinghammer (1994) spricht in diesem Zusammenhang von „Lust
hemmenden Signalen“. Will ein Hund beispielsweise Kühe
scheuchen, wird aber durch einen Elektrozaun am Betreten der
Weide gehindert, lernt er schnell, diese spezielle Kuhherde zu
meiden. Über Versuch und Irrtum soll der Hund durch Verknüpfung
herausfinden, was eine zu unterlassende Handlung bedeutet.
Laut H. Wachtel (2002) „kommt man heute gottlob immer mehr von
starkem Zwang bei der Ausbildung ab, allerdings kann kein Hund
nur durch Motivation allein erzogen werden.“ Was aber, wenn ein
Hund erwünschtes Verhalten noch nicht einmal im Ansatz zeigt, sich
vielmehr „nichtsnutzig“ verhält?

Verhalten formen
Die Formung eines Verhaltens bietet eine alternative Möglichkeit,
weil das Verhaltensinventar unserer Hunde sehr variabel ist und
manche Handlungen zu bestimmten Zeiten schwächer oder verstärkt
auftreten. Laut K. Pryor (1990) „gibt es zur Formung (shaping) eines
Verhaltens klar umrissene Regeln“, die sie sinngemäß wie folgt
zusammenfasst:
1. Halten Sie ein Trainingskriterium immer eng gefasst und klar
umrissen, damit eine realistische Chance besteht, es positiv
verstärken zu können.
2. Versuchen Sie nie, zwei Aktionen simultan anzugehen.
3. Arbeiten Sie immer nach einem variablen Zeitplan, bevor Sie ein
neues Kriterium hinzufügen.
4. Wird ein neues Kriterium eingeführt, kann das vorherige
schrittweise abgebaut werden.
5. Planen Sie ein komplettes Formungsprogramm, damit ein höher
angesetztes Einzelkriterium in Richtung Endziel positive Verstärkung
erfährt.
6. Führen Sie während des Formungsprogramms keinen
Trainerwechsel durch.
7. Funktioniert ein Formungsprozess nicht richtig, etablieren Sie ein
anderes erwünschtes Verhalten.
8. Unterbrechen Sie eine Trainingseinheit nicht durch Strafreize.
9. Verschlechtert sich ein Verhalten, überarbeiten Sie den ganzen
Prozess in kleinen, einfach zu verstärkenden Schritten.
10. Langweilige Wiederholungen bringen nichts, trainieren Sie
deshalb kurz und prägnant!
Apropos „prägnant“: Nicht dass ich die Prinzipien des „Shapings“ in
Frage stellen würde, mir ist die ganze Prozedur oft nur viel zu
kompliziert. So bietet sich auch eine Kombination zwischen positiver
und negativer Verstärkung an, ohne dabei Gewalt anzuwenden.
Beispiel: Der Hund soll in einen Korb gehen. Liegt er irgendwo
herum, wo er nicht liegen soll, motiviert man ihn mit Futter den Platz
einzunehmen, den man ausgesucht hat (positive Verstärkung).
Gleichzeitig wird die Lust des Hundes, sich woanders hinzulegen,
gemindert, indem man unter Blickkontaktvermeidung einen kleinen
Karton ruhig, aber konsequent vor sich herschiebt (negative
Verstärkung), bis der Hund sich „freiwillig“ in den Korb legt. So
einfach kann die praktische Erziehung eines Hundes sein,
vorausgesetzt, er ist für Futter jederzeit empfänglich.
Laut H. Wachtel (2002) ist „für den Hund Hunger eine sehr starke
Anregung und davon hängt es vielfach ab, wie erfolgreich
Leckerbissen zu seiner Motivation von uns eingesetzt werden.“ Wohl
wahr, aber – oh Schreck, oh Graus – wie vermittelt man dem
besorgten Hundehalter, dass der Hund nicht stirbt, wenn man
dessen „Frühstück“ oder den „Nachmittagssnack“ mal weglässt?
Auch wenn Hunde Gewohnheitstiere sind und einen geregelten Tagesablauf sehr
schätzen, sollte man pünktliche Routineabläufe nicht als Verpflichtung ansehen.
Im Gegenteil: Ist ein Hund gewohnt, zu einer ganz bestimmten Tageszeit Nahrung
zu bekommen oder zu Spaziergängen ausgeführt zu werden, kann er sich zum
notorischen Quengler entwickeln und ziemlich nerven.
Lob und Tadel in der Hundeerziehung

Lob zum richtigen Zeitpunkt


Häufig verhalten sich Hunde nur deshalb „auffällig“, weil sie
unabsichtlich falsche oder verborgene Belohnung erfahren. Manche
Hunde fassen sogar verbal geäußerten Tadel als Verstärkung auf,
fühlen sich beachtet oder bellen z.B. noch intensiver. Der
Hundebesitzer ist natürlich besonders begeistert, wenn der
Haustyrann ein solches Verhalten während eines Telefongesprächs
an den Tag legt.
Laut F. Rehage (2000) „sollten wir diese Verhaltensweise nicht
verstärken, indem wir das Tier dafür loben.“ Stattdessen hilft es
meistens, den Blick abzuwenden und als Mensch „ganz allgemein“
in eine andere Richtung zu schauen, denn Ignoranz kann sich nur
der Ranghohe leisten.
Statt Stimuluskontrolle zu betreiben, überträgt der verständnisvolle
Mensch eine Stimmungslage, die den Erregungszustand des
Hundes noch erhöht: „Ja, Bobby, fahren wir wieder zur Hundewiese
und treffen dort die nette Anja, gell?“ Der Hund jammert und bellt,
damit sein Sozialpartner endlich „aus den Puschen“ kommt.
Beruhigungsversuche wie „Mama ist ja bei dir“, um etwa
Aggressionsverhalten gegenüber Artgenossen zu unterbinden,
versteht der Hund als Aufforderung: „Jetzt erst recht.“ Übermäßiges
Brüllen, vom Halter eigentlich als Bestrafung gedacht, kommt beim
Hund nach dem Motto an: „Mein Sozialpartner bellt mit, vertreiben
wir den Rivalen gemeinsam.“ Es entspricht der Natur des Hundes,
konsequent zu handeln.
Ach, würde der Mensch doch lernen, dass der Zeitpunkt für Lob
entscheidend ist und Lob nur unmittelbar nach Erkennen eines
erwünschten Verhaltens erfolgen darf. Aber es fällt ihm schwer, nicht
auf ein unerwünschtes Verhalten einzugehen und es bis zur
tatsächlich festgestellten Auslöschung zu ignorieren.
Wird eine hundliche Aktion, z.B. das Betteln am Mittagstisch, nie
bestätigt und somit nicht belohnt, bleibt sie „theoretisch“ ganz aus.
Das Problem ist, dass noch nicht einmal ein Brotkrumen
herunterfallen darf, weil sich der Hund dann wieder in einem
variablen Konditionierungsablauf befindet. Dann bettelt er weiter,
bedient sich seines charmanten Hundeblicks, der den Menschen
natürlich in Verzückung versetzt. Derweil legt der Hund seine
Lieblingsplatte auf – „Ich breche die Herzen der stolzesten
Menschen, weil ich so unwiderstehlich bin!“ –, läuft ignorant durch
die Landschaft und macht sowieso, was er will.

‣ Wichtig
Ein Hund darf nur Belohnung erfahren – die je nach Situation aus
verbalem Lob, Körperkontakt, Spiel oder Futter bestehen kann –,
wenn er sich entweder ruhig verhält oder sonst gerade etwas tut,
was das Wohlgefallen des Menschen findet.
Aber Vorsicht: Hier ist dringend anzumerken, des Hundes
biologische Seite nicht zu vergessen, ihn also hier und da
eigenständig handeln zu lassen.

Strafe aus heiterem Himmel


Damit sich der Hund wiederum nicht zu „wölfisch“ verhält, müssen
wir extrem unerwünschte Handlungen hemmen oder unter Tabu
stellen. Nicht nur zeitweise unterdrücken, sondern die Ursache an
der Wurzel packen. Menschliche Emotionen wie Rache, aufgestaute
Aggressionen, Stress, übertriebener Zorn oder eigene Unsicherheit
gegenüber dem Hund lassen eine Bestrafung jedoch unwirksam,
unsachgemäß und somit falsch erscheinen. Die Intensität der
Bestrafung muss dem jeweiligen Vergehen angepasst sein und die
Strafe muss unmittelbar auf die Missetat folgen! Nach Ansicht des
Biologen Stephen Budiansky (2000) – die ich teile – „drücken Hunde
Gefühle wie Furcht, Lust, Neugier, Zorn, Zufriedenheit und vielleicht
sogar Liebe aus.“ Wenn dem so ist, sollte eine unerwünschte
Handlung, wann immer machbar, durch eine Aktion „aus heiterem
Himmel“ unauffällig und diskret Bestrafung finden, was man
Objektverknüpfung nennt. Muss eine Bestrafung vom Sozialpartner
Mensch ausgehen, weil derHund wiederholt dreist und frech
Drohgebärden zeigt, kann ein schneller und überzeugender Klaps
unter die Kinnlade oder ein fester Schnauzgriff eindeutig helfen.

Beim Schnauzgriff ist darauf zu achten, die Schnauze des Hundes von oben zu
greifen und dabei mit Daumen und Ringfinger die Lefzen seitlich in die Zahnlücke
zu drücken, bis der Hund entweder ein Beutestück herausgibt oder eine
unerwünschte Handlung beendet.

F. Rehage (2000) schreibt: „Wenn Sie Ihr Kaventsmann von einem


zweijährigen Rottweiler einmal anknurrt, dann haben Sie zwei
Möglichkeiten zu reagieren: Die erste wäre, ihm in solch einem
Moment eine saftige und von Herzen kommende Ohrfeige zu
verpassen, möglichst unters Kinn, aber vor allem schnell. Wenn dies
jedoch nicht geht, weil sie sich einfach nicht trauen, dann haben Sie
die Möglichkeit, dem Hund umgehend ein vertrautes Kommando zu
geben, z.B. „Platz“.“
Es gibt in der Hundeerziehung nichts, was nicht strittig wäre, zumal
stets hochgradig emotional diskutiert wird. Ich höre förmlich wieder
die entsetzten Schreie mancher Menschen: „Um Gottes Willen, wie
kann die Rehage so etwas sagen!“ Sie kann, weil sie (wie ich) schon
viele zerbissene Kindergesichter, völlig hilflose Hundebesitzer und
wahre Haustyrannen der Gattung Hund gesehen hat. Genau
deshalb vertreten wir die gleiche Meinung: Wenn alle bisher
vorgeschlagenen Erziehungsmöglichkeiten versagt haben, geht es
im Einzelfall um „du oder ich“. Dann ist ein Fachmann zu
konsultieren, der dem Menschen analytisch hilft, eine Führungsrolle
einzunehmen, die Schieflage in der Sozial- und Futterrangordnung
zu beseitigen und wieder Autorität zu erlangen. Das ist manchmal
einfacher gesagt als getan. Ständige Bestrafung ersetzt keineswegs
Erziehung. Deshalb sei hier nochmals F. Rehage (2000) zitiert:
„Wenn man das Prinzip der bewussten und gezielten Belohnung der
Unterordnung des Hundes einmal durchschaut hat, wenn man es mit
Konsequenz, Geduld und durch Autorität im täglichen Leben
umsetzt, dann kommt man mit nahezu jedem Hund zurecht.“
Dem stimme ich unter der Einschränkung zu, Hunden auch eine
Portion Freiheit zur Persönlichkeitsentfaltung zuzugestehen.
Schließlich liebe ich Hunde von ganzem Herzen. Jeder, der mich
kennt, weiß, dass ich einem Hund niemals etwas „Böses“ antun
würde – wenn er mich nicht dazu zwingt.
Hundeerziehung aus unterschiedlichen
Perspektiven
„Ein Hund, der keine Möglichkeit zum Lernen erhält (und)
seine angeborenen Fähigkeiten auszuleben, der stumpft
ab, verkümmert seelisch und ist ein bedauernswertes
Geschöpf.“
Eberhard Trumler (1987)

© Peter Nawrath
Welpenerziehung

Lernen von Richtig und Falsch


Natürlich dürfen wir Hundewelpen „süß“, „knuddelig“ und
„unwiderstehlich“ finden. Das Gegenteil, nämlich sie nicht zu lieben,
wäre geradezu unverständlich und widerspräche im übrigen den
Gesetzen des Kindchenschemas. Aber Vorsicht: Bei aller
Begeisterung für dieses verspielte, tollpatschige und bindungsbereite
Wesen, so schauen wir auf ein Tier, das nach einigen Tagen der
Ortsbindung innerhalb des neuen Heims lernen muss, was falsch
und was richtig ist.
Das geht schnell, indem der Welpe sofort einen festen Platz
zugewiesen bekommt, ein bis zwei Spielzeuge erhält (das Eröffnen
einer Kaufhaus-Hundekinderabteilung ist Unsinn!), visuelle,
akustische und geruchliche Gegenstände kennen lernt und zum
Etablieren der Stubenreinheit genauer Beobachtung unterliegt.
Domestikationsbedingt zeigen Hundewelpen unter normalen
Umständen (wenn überhaupt) stark reduzierte Fluchttendenzen und
eine unbändige Bereitschaft, sich dem Menschen anzuschließen.
Gemäß U. Gansloßer (2002) sind dabei die Artgenossenprägung
(andere Hunde, Menschen, diverse Haustiere), die
Lebensraumprägung (alle Facetten des Hausstandes) und die
Nahrungsprägung (Nahrungsbevorzugung) zu unterscheiden.

‣ Tipp
Einige Minuten nach dem Spielen, Schlafen, Fressen oder Trinken
muss ein Welpe nach draußen, damit der Mensch ihn nach
Verrichten seiner Notdurft loben kann. Eine kleine Transportbox
hilft ggf., Kontrolle über sein Reinheitsverhalten zu bekommen.
Die Entwicklung des Gehirns
Laut R. Coppinger (2003) „umfasst das Gehirnvolumen bei der
Geburt eines Hundewelpen ca. 8–10 cm³, wächst und formt sich
während der kritischen Phase der Sozialentwicklung bis Ende der 8.
Lebenswoche auf ca. 50–60 cm³, bis zur 16. Lebenswoche bereits
schon auf 80 cm³, bis es mit ca. 12 Monaten mit knapp über 100 cm³
seine volle Größe erreicht.“ Da im Wesentlichen alle Gehirnzellen
von Geburt an vorhanden sind, ist es unsere Pflicht, das Gehirn mit
möglichst viel Information zu versorgen und dadurch die Bildung von
Nervenverbindungen zwischen den Zellen zu fördern.
Der frühe Aufbau von umwelt- und sozial freundlichem Verhalten
liegt also in der Hand des Menschen, was sich alle
„Hundevermehrer“ dieser Welt hinter die Ohren schreiben sollten!
Nach E. Trumler (1987) liegt es an uns, nur wenige Wochen alte
Hundewelpen geräuschfest zu machen, indem wir z.B. bei jeder
Futtergabe in die Hände klatschen oder andere Knallgeräusche
erzeugen.
E. Klinghammer (1994) schreibt: „Während jede sensitive, optimale
oder kritische Phase selbst Auswirkungen hat, beeinflussen die
Erfahrungen der einen Periode oft auch die in der nächsten und
damit auch das endgültige Verhalten.“
Wichtig zu wissen ist, dass Hundewelpen genauso wie auch
Wolfskinder schon mit dem Instinkt eines Jägers zur Welt kommen
und früh anfangen, spielerisch zu jagen, um einzelne Sequenzen
des Jagdverhaltens zu verbessern. Weil nur Übung den Meister
macht, ist es sinnvoll, dem Welpen ein festes Beuteschema (z.B.
Mäuse) oder eine Ersatzbeute anzubieten, mit ihm viel zu spielen
und die Herausgabe von Beute über einen Schnauzgriff zu üben. Ja,
ja, ich weiß, es gibt (emotionale) Gegner des Schnauzgriffes, aber
ich bleibe bei meiner Empfehlung, weil die Erfahrung zeigt, dass es
prima klappt.
Kinder verhalten sich meist aktiver und vor allem anders als
Erwachsene, indem sie rennen, laut schreien und mitunter eine
Reizlage schaffen, die dem Welpen signalisiert, sie zu verfolgen.
Schnappt ein Welpe nach menschlicher Kleidung oder Körperteilen,
ist dieses Verhalten nicht als „lustiges Spiel“ zu werten, sondern
muss unter Aufsicht von Erwachsenen einer wirkungsvollen
Korrektur unterliegen (z.B. ruhiges Stehenbleiben oder Auf-den-
Boden-Drücken).

© Günther Bloch
Hundewelpen lernen besonders im gemeinsamen Spiel mit Menschen und
Hunden soziale Nähe und Grenzen ihres Handelns kennen. Welpen müssen sich
aber auch daran gewöhnen, zeitlich begrenzt allein bleiben zu können, sodass
man ihnen im Haus immer wieder Restriktionen (diverse Räume für eine gewisse
Zeit nicht betreten, auf Futter warten lassen) auferlegen sollte. Dürfen sie ständig
in unserer Nähe sein, leiden sie in unserer Abwesenheit umso mehr an
erheblichen Trennungsängsten und entwickeln keinen gefestigten Charakter. Die
Entwicklung von Selbstständigkeit ist aber Teil eines Persönlichkeitsprofils, das
man fördern sollte.

Erste Lernschritte
Jeder Welpe testet über Versuch und Irrtum und durch genaue
Beobachtung von Artgenossen und Menschen, welche
Verhaltensweisen für ihn konkrete Konsequenzen bedeuten. Lernen
steht auf dem Programm. Das heißt, neben einer behutsamen
Rangeinweisung konditionieren wir freudiges Herankommen vom
ersten Tag an, indem wir den Welpen dreimal täglich (knapp
bemessen) füttern und diese Prozedur stets mit einer gleich
bleibenden Geräuschquelle (Hundepfeife, freundlicher Ruf,
Händeklatschen) verknüpfen. Junge Welpen sind besonders offen
und zeigen vor allem eins: Neugier.

Übung 1 – Freudiges Herankommen


Wir packen einige Futterbrocken (oder ein Spielzeug) in eine
knisternde Plastiktüte, warten bis unser „Schnöselchen“
unaufmerksam ist und rennen mit der Knistertüte spontan in eine
Zimmerecke. Wir verstärken die Neugier des herankommenden
Welpen verbal („Oooooh, guck mal hier, hui“) und locken ihn in die
Zimmerecke, wo er „sensationellerweise“ sein Futter oder Spielzeug
findet. Diese Übung führen wir zunächst regelmäßig, anschließend
nach einem variablen Zeitplan und später im Außengelände durch,
wobei bewiesen ist, dass man sie auch zur Kontrolle
unaufmerksamer Althunde erfolgreich anwenden kann.

Übung 2 – Aufmerksamkeit
Wir zeigen dem Welpen einen Stoffknoten oder ein anderes
Spielzeug, verstecken es hinter unserem Rücken und wiederholen
dieses Prozedere einige Male. Dann ziehen wir die Ersatzbeute über
den Boden, ahmen typische Geräusche (Quietschen, Fiepsen) eines
Beutetieres nach und wecken das Interesse unseres Welpen.
Dadurch verknüpft er nicht nur Lernen am Erfolg unter Kontrolle des
Menschen (Kommando „Aus“ = Ablassen von der Beute), sondern
auch kommunikatives Miteinander.

Übung 3 – „Nein“ und „Nimm’s“


Damit sich der Welpe erst gar nicht zu einem Futter verteidigenden
Hund entwickelt, bieten wir ihm auf der offenen Handfläche Futter an
und schließen die Hand mit einem verbalen „Nein“, sobald der
Welpe nach dem Futter greifen will. Setzt er sich ohne Zwang hin,
erhält er sein Futter. Die gleiche Prozedur wiederholen wir am
Futternapf, indem wir ein Stück Pappe darauf legen, wenn der
Welpe das Futter schnappen will ohne sich zu setzen. Sitz =
Fressen, was wir mit dem Kommando „Nimm’s“ verknüpfen.

Übung 4 – Bindungsaufbau
Damit der Welpe auch draußen gehorcht, binden wir uns eine leichte
Leine um, an die wir den Welpen fest machen, und gehen unserem
normalen Alltagsleben nach (Gartenarbeit, Post holen, Wäsche auf-
oder abhängen, kurze Spaziergänge). Laut den Mönchen von New
Skete (1987) lernt der Welpe so fast automatisch, dass der Mensch
agiert und keine unsinnigen Kommandos gibt. Zur Unterstützung
eines Bindungsaufbaus reichen wir die Leine hin und wieder einer
Fremdperson und entfernen uns einige Meter. Jammert der Welpe,
strampelt und hampelt (hoffentlich), lässt die Fremdperson den
Welpen los, damit er Kontakt zu seinem Besitzer aufnehmen kann.
Händeklatschen, ein freundliches Gesicht und verbales „Komm“
fördern die Bereitschaft des Welpen, dieser Aufforderung
nachzukommen.

Übung 5 – „Such“ und „Platz“


Während kurzer Spaziergänge rollen wir entweder Futterbrocken
über den Boden, die der Welpe bei gleichzeitigem Kommando
„Such“ finden und aufgreifen darf, oder wir verstecken das Futter in
einer Knistertüte respektive in einem Futtersäckchen. Hat der Welpe
das Futter gefunden, soll er sich setzen, oder wir decken das Futter
so lange mit einer Hand ab, bis er sich ohne Zwang selbstständig
hinlegt („Platz“).

Innerhalb weniger Wochen hat der Welpe gelernt, was „Komm“,


„Sitz“, „Platz“, „Such“, „Aus“, „Nein“ und „Nimm’s“ bedeutet. Ein
wenig Geduld und Konsequenz und schon klappt es mit der
Grunderziehung. Ist das nicht wunderbar? Wir haben uns als
freundliche Sozialpartner vorgestellt, ohne den Welpen zu
vermenschlichen! Wie führte E. Zimen schon 1988 so treffend aus?
„Er (der Hund) bleibt weder treu bis zum Tod, noch opfert er sich in
Sorge um den Kamerad Mensch, vielmehr: Wenn er das unserer
Ansicht nach Richtige tut, so nur, weil er gelernt hat, sein Verhalten
mit dessen lust- oder unlustbetonter Konsequenz zu verknüpfen.“
E. Trumler (1987) sprach vom Egoisten Hund, ich schließe mich bei
allem Entsetzen meiner Leser dieser Auffassung an.

Welpenschutz
Leider schauen immer noch viele Menschen auf die Datumsanzeige
ihrer Uhr, wenn ein Welpe von einem fremden Hund unwirsch
behandelt wird. Man gibt sich entrüstet und erklärt, dass dieser Hund
„verhaltensgestört“ sei. So schreibt F. Rehage (2000): „Noch hat er
Welpenschutz, erwachsene Hunde tun ihm nichts. Er (der Welpe)
kann sich die größten Frechheiten herausnehmen.“
Nein, nein und nochmals Nein! Diese Aussage ist nicht durch die
Erkenntnisse moderner Verhaltensbiologie abgesichert, wie U.
Gansloßer (2002) bestätigt: „Doch dieser so genannte Welpenschutz
und das Verschonen eines Hundes, der Unterwerfungsgesten zeigt,
existiert nicht. Welpenschutz existiert ausschließlich im eigenen
Rudel!“
Es empfiehlt sich außerdem, so genannte Welpenspielstunden zu
besuchen, deren Gestaltung G. Niepel (2001) sehr anschaulich und
ausführlich beschrieben hat.

‣ Wichtig
Gerade Hundekinder brauchen viel Schlaf, was auch dem
Ruhebedürfnis von Wolfswelpen entspricht. Wolfs- wie
Hundekinder toben zwar geradezu explosionsartig durch die
Gegend, sind aber spätestens nach einer halben Stunde „stehend
k. o.“. Es ist sinnvoll, Hunden von klein auf einen festen,
ungestörten und lärmgeschützten Platz einzurichten, den sie für
ihr inneres Gleichgewicht dringend brauchen.
Junghunderziehung

Die Ignoranz-Methode
Die nachfolgend beschriebene Erziehungsmethode kann
unabhängig von Rasse, Geschlecht oder Alter für jeden Hund
Anwendung finden. Für Junghunde und „ignorante“ Rassen
(Herdenschutzhunde, Molosser, Neufundländer u.a.) ist sie
naturgemäß besonders empfehlenswert. Jahrelange praktische
Erfahrung bestätigt, dass gerade etwa vier bis acht Monate alte
Junghunde beginnen, planlos umherzujagen und ein völlig
verallgemeinertes Beuteschema aufbauen, wobei einige Exemplare
ihre „Jagdkarriere“ sogar schon viel früher beginnen. Hat ein Hund in
seiner Jugendentwicklung nie gelernt, Beute zu machen (vom
„Mäusebuddeln“ und Jagen im kontrollierten Rahmen einmal
abgesehen), verlängert sich seine Kindheitsphase. Im Idealfall stellt
ein gemeinsamer Spaziergang ein kindliches Spielvergnügen dar,
und der Hund begnügt sich mit der Jagd auf Ball, Stock oder andere
Ersatzbeute. Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre!
R. Coppinger (2003) argumentiert: „Wenn ich Hunde sehe, denke ich
nie in Wolfsbegriffen. Es gibt enorme und wichtige Unterschiede in
Form und Verhalten. Hunde leben in der Nähe menschlicher
Behausungen, und statt den Menschen zu meiden, sehen sie ihn als
Futterquelle.“ Bei allem Respekt, das ist ein schlechtes Argument.
Ich denke in Wolfsbegriffen, wenn ich beispielsweise einen Terrier
beim Totschütteln einer jungen Katze erwische, wobei er gleichzeitig
der Futterquelle Mensch eins „hustet“. Deshalb rate ich jedem
dringend davon ab, Junghunde ohne Leine frei herumlaufen zu
lassen. Nein, erst heißt es, dem Junghund in einem maßvoll
gestalteten Rahmen Grundgehorsam beizubringen, weil
umweltbedingte Beutestimuli überall lauern. Gerade der Junghund
ist dafür besonders empfänglich. Haut er schon während seiner
Entwicklungsphase ab, ist jegliches Ausdiskutieren völlig fehl am
Platz: „Das fand ich aber gar nicht gut, musste das denn jetzt sein?“
Diese „Tralala-Methode“ ist nicht nur unverantwortlich, sondern hätte
bei meinen beiden Laiki „Chinook“ und „Jasper“ nicht funktioniert,
schließlich handelt es sich bei ihnen um extreme Jagdhunde mit
wacher Auffassungsgabe und unverfälschtem Jagdinstinkt.
Kurzum, Junghunden muss man die Einhaltung eines begrenzten
Bewegungsradius vermitteln. Ausreden sind allenfalls Ausdruck von
Hilflosigkeit und bringen überhaupt nichts („Sehen Sie, wenn er nicht
will, ist nichts zu machen“). Mein Kommentar läge in einer
Loriot’schen Floskel: „Aha! Ach, was!“

Übungsschritt 1
Die Grundvoraussetzung zur Umsetzung des ersten Lernschritts
besteht darin, die Aufmerksamkeit des Hundes auf seinen Besitzer
zu lenken. Aber wie?
Hierzu nimmt man eine 10m lange Feldleine, befestigt sie am
Halsband des Hundes und bewegt sich ohne Kommentar und ohne
direkten Blickkontakt von einem imaginären Punkt A zu einem ca.
50m entfernten Punkt B. Dort bleibt man ohne Kommentar etwa eine
Minute lang stehen. Nimmt der Hund zum Halter Kontakt auf oder
bewegt sich zumindest in seine Richtung, geht man wiederum ca.
50m in einem gedachten 90°-Winkel zügigen Schrittes auf einen
imaginären Punkt C zu und verhält sich wie an Punkt B. Nach ein bis
zwei Minuten bewegt man sich kommentarlos zurück in Richtung
Ausgangspunkt A, bleibt dort rund zwei Minuten stehen und lobt den
Hund, wenn er sich ruhig verhält und Körperkontakt aufgenommen
hat.
Danach wiederholt man diese Übung (insgesamt ca. 15 Minuten)
möglichst zwei- bis dreimal täglich rund eine Woche lang, bis der
Hund jedes Mal ohne Kommandogebung eigenständig
Körperkontakt sucht, wobei die Übungen zunächst ohne Ablenkung
durchzuführen sind.
‣ Sinn und Zweck
Das eigenständige Entfernen des Hundes soll be- bzw. verhindert
und sein Zerren an der Leine nicht beachtet werden. Der Mensch
soll eine ruhige Führungsrolle übernehmen.

Übungsschritt 2
Im nächsten Schritt bewegt man sich, die Handschlaufe der Leine
(mit Handschuh) fest im Griff, wiederum von Ausgangspunkt A
Richtung Punkt B, wobei man die Leine aufrollt. Der Hund darf
ziehen und seinen Blickkontakt auf Ablenkungen jeglicher Art
richten. Sobald er unaufmerksam ist, lässt man den aufgerollten Teil
der Leine auf den Boden fallen und entfernt sich (die Handschlaufe
weiterhin fest im Griff) ohne anzuhalten zügigen Schrittes in die
entgegengesetzte Richtung. Es erfolgt ein Ruck auf Distanz. Den
verdutzt zurückkehrenden Hund empfängt man freundlich, aber
ohne Belohnung. Zur Wiederholung der Übung benutzt man eine
handelsübliche Pfeife und flötet nur einmal just in dem Moment, in
dem der Hund sich bereits ansatzweise in Richtung des Halters
orientiert. Jetzt lobt man den Hund verbal oder streichelt ihn. Bei
starker Verunsicherung eines extrem sensiblen Hundes hockt man
sich neben ihn und gestattet ihm engeren Körperkontakt.
Man wiederholt diese Übung (insgesamt ca. 15 Minuten) möglichst
zwei- bis dreimal täglich rund eine Woche lang. Man steigert die
Ablenkungen, bis der Hund jedes Mal eigenständig und sofort auf
den ersten Pfiff zurückkommt, wobei grundsätzlich nur breite Leder-
bzw. Stoffhalsbänder verwendet werden sollten.

‣ Sinn und Zweck


Der Hund soll aus der Distanz verunsichert werden und
Sicherheit in der Nähe des Menschen erfahren.
Der aufgerollte Teil der Leine muss locker in der Hand liegen, um diese beim
Fallenlassen schnell herausziehen zu können. Hat man den aufgerollten Teil fallen
lassen, ist unbedingt darauf zu achten, eine Wendung vom Hund weg zu
vollziehen, keinesfalls eine Körperwendung auf den Hund zu. Man läuft ansonsten
Gefahr, in die Leine zu geraten und gegebenenfalls darüber zu stolpern. Diese
Übung sollte man auf jeden Fall mehrmals ohne Hund ausprobieren, da man auf
dem Hundeplatz womöglich den Ablauf der Kehrtwendung gewöhnt ist.

Übungsschritt 3
Nun wartet man auf ein erwünschtes, seitens des Hundes
eigenständig aufgezeigtes Verhalten und belohnt es mit Futter
(Spielzeug). Beispiel: Hund ist im Begriff sich zu setzen = Futter;
Hund ist im Begriff sich zu legen = Futter. Zur schnellen Verknüpfung
empfiehlt sich die Integration von zunächst grob vermittelten
Sichtzeichen: Arm heben = „Sitz“, Arm ausgestreckt nach unten =
„Platz“. Um den Hund zu veranlassen, „bei Fuß“ zu bleiben, geht
man unter Verwendung der langen Leine in einer zügigen Gangart
(Futter in der Hand) weiter. Man wiederholt diese Übungen
(insgesamt 15 Minuten) möglichst zwei- bis dreimal täglich
mindestens zwei Wochen lang, bis der Hund relativ zuverlässig sitzt,
abliegt und bei Fuß geht.

‣ Sinn und Zweck


Bestimmte Handlungen des Hundes werden mit dem
emotionslosen Konditionierungsgeräusch einer Pfeife verknüpft.

Der Hund kommuniziert nun mit dem Menschen, achtet sehr


differenziert auf dessen Signalsprache, hat mittlerweile
zuverlässigen Gehorsam gelernt, befolgt Kommandos willig und
freudig und die richtige Rangordnung ist ohne großen Stress
eingeleitet. Ist dies der Fall, kann und muss man dem Hund
regelmäßigen Freilauf gestatten.
Kontrollmethoden

Kanalisierung des Jagdverhaltens


Wir erinnern uns an das bereits vorgetragene Argument: Der Wolf
trägt in seinen Genen alle Informationen, die er als zielgerichteter
Jäger braucht. Sie sagen ihm: Sichte die Beute, schleich dich an,
hetze sie, pack zu, zerreiße und konsumiere sie schnell, damit kein
Nahrungskonkurrent zum Zug kommt. „Bei Wölfen bilden mehrere
Verhaltenseigenschaften (z.B. Beutefang- und Jagdverhalten) eine
Einheit, die biologisch sinnvoll ist“, stellt D. Feddersen-Petersen
(1987) fest.
Der Hund verhält sich (einem Jungwolf gleich) während der Jagd
ziemlich naiv. Für ihn ist es völlig normal, im Gegensatz zum Wolf in
derselben Situation, beim Jagen zu bellen und somit einem
potenziellen Beutetier ohne jeglichen biologischen Sinn Auskunft
über den eigenen Standort und die Distanz zu geben. Hunde hetzen
außerdem sehr lange und energieverschwendend, da der Mensch
sie füttert und wahrscheinlich unbeabsichtigt für ihren hohen
Energiehaushalt sorgt. Trotz aller Unterschiede im Jagdverhalten
zählen Wolf und Hund zur Gattung der Beutegreifer, was man
niemals vergessen darf, will man dem Instinktverhalten des Hundes
erzieherisch gerecht werden.

Verhaltenskategorien
Um Hundeverhalten einfacher zu beschreiben, sind vor allem
Kenntnisse über so genannte Funktionskreise notwendig.
Verschiedene Verhaltensweisen, wie etwa das Beutefang- und
Jagdverhalten, Komfortverhalten, die Nahrungsaufnahme oder das
Spielverhalten sind innerhalb mehrerer Kategorien organisiert. Beim
Hund liegt die Dramatik in gemischt aufgezeigten
Verhaltenskategorien, sodass die Funktionskreise von spielenden
Hunden, die sich gegenseitig verfolgen, anspringen, fangen und
festhalten, durcheinander geraten können. Anfänglich von Facetten
des Spielverhaltens ausgehend, ist ein plötzlich in
Unsicherheitsgestik davonlaufender Kleinhund häufig Auslöser für
Meuteaggression. Die enge Verwandtschaft zwischen Wolf und
Hund zeigt sich im motorischen Ablauf kombiniert aufgezeigter
Verhaltensweisen, z.B. wenn sie beim Überfall auf Federvieh nicht
nur ein Huhn töten, sondern so lange zupacken, bis sich kein
Beutestück mehr bewegt. Hatte ein Hund wiederholt Jagderfolg und
„pfeift“ nun auf alles und jeden, steuert die antreibende
Motivationskraft immer wieder den gleichen Verhaltensablauf.
Es ist daher eine Illusion, zu glauben, Hunde seien generell „nette“
Wesen von einem anderen Stern ohne jegliches Gefahrenpotenzial.
Nein, Hunde können je nach Situation sehr gefährlich sein, was
tausende Beißunfälle jedes Jahr beweisen. Im Vergleich zum Wolf
ist ohnehin erstaunlich, was sich Hunde alles erlauben dürfen. Wenn
ein Wolf in freier Wildbahn auch nur aus der Distanz ein Schaf oder
eine Kuh schräg anschaut, wird er – zumindest hier in Kanada – auf
der Stelle erschossen. Nicht, dass ich Hunden wünschen würde, in
irgendwelche Schwierigkeiten zu geraten – das sicherlich nicht.
Trotzdem dürfen wir sie auch nicht vergöttern, nur weil sie die besten
Freunde des Menschen sind. Das Augenmaß ist heute verloren
gegangen, wenn Hunde ganz bewusst offensives
Beschädigungsbeißen umsetzen.
Anstatt nach Ausreden zu suchen, warum ein Hund beißt, sollten wir
eine sachliche Analyse durchführen und manchmal auch
schlussfolgern, dass ein ganz bestimmtes Hundeindividuum für
unsere Gesellschaft einfach nicht tragbar ist.

‣ Wichtig
Auch den offensichtlich freundlichsten Hund lässt man nie mit
einem Kleinkind allein, denn ein zum Angriff führender
Schlüsselreiz (Schreien, Kreischen, Hinfallen) ist nicht
hundertprozentig auszuschließen. Jeder, der meint,
Hundeerziehung sei nur mit „Spaß“ umsetzbar, weiß hoffentlich,
dass Jagdverhalten eine selbstbelohnende Verhaltenskette
(Orientierung bis Beutetöten) ist.

Beeinflussung des Jagdverhaltens


Der Standardsatz vieler Hundebesitzer lautet: Mein Hund läuft
plötzlich ohne erkennbaren Grund los, dann kann ich rufen, pfeifen
oder brüllen, es nutzt gar nichts mehr. Aber was tun? Mit Kanonen
auf Spatzen zu schießen ist beliebt, aber grundfalsch. Den
bedenkenlosen Einsatz von Elektrogeräten nannte E. Trumler (1988)
einst provokativ „Knöpfchen statt Köpfchen“. In der Tat sind schon
viele Hunde nach unsachgemäßem Einsatz solcher Geräte in Panik
davongelaufen, weshalb der Gebrauch für Unterordnungsübungen
oder für die Beeinflussung von Aggressionen oder
Trennungsängsten strikt abzulehnen ist. Schließlich gibt es
mannigfaltige Alternativen, das Jagdverhalten des Hundes
einigermaßen zu kanalisieren, indem man:
a) dem Hund das Hörzeichen „Platz“ schrittweise über größere
Distanz vermittelt, verbal auf ihn einwirkt und jede
Unaufmerksamkeit mit schnellem Wegrennen in die
entgegengesetzte Richtung beantwortet;
b) dem Hund im Ansatz des Wegrennens eine Jacke, Leine oder
Wurfkette hinterherwirft – und trifft;
c) den Hund auf eine Klingel oder Hupe konditioniert und sich bei
jeder Unaufmerksamkeit schnell mit dem Fahrrad oder Auto von ihm
entfernt;
d) den Hund auf Futterwürfel oder auf mit Futter gefüllte Bälle
konditioniert und viel mit ihm spielt;
e) dem Hund beim Spaziergang eine Pansen- oder Käsespur legt
und mit ihm zusammen intensive Spurensuche betreibt;
f) am Hundehalsband einen Fellrest seiner „Lieblingsbeute“
befestigt, bis der Hund durch Reizüberflutung im wahrsten Sinn des
Wortes „die Nase voll hat“;
g) nach der Empfehlung des Hundetrainers Joachim Füger ein Stück
Hartholz relativ mittig durchbohrt und mit einer Kurzleine verknotet,
dann den Leinenhaken am Halsband befestigt und den Hund
apportieren lässt. Lässt er das präparierte Holzstück fallen, fällt es in
Brusthöhe herunter und behindert den Hund schlicht und ergreifend
beim schnellen Laufen.
Haben alle diese Vorschläge und die in diesem Buch beschriebenen
Erziehungsmethoden versagt, steht man vor der individuellen Frage,
ob man einen hoch effektiv jagenden Hund dauerhaft zu einem
Leben an der Leine verdammt oder dessen Freiraum im extremen
Einzelfall durch ein Elektroschockgerät begrenzt, worin ich kein
moralisches Drama sehe, solange Deutschland von Elektrozäunen
durchzogen ist. Anstatt mich wie ein Aal hin und her zu winden oder
solche Geräte gar heimlich im Wald zu benutzen, wie es hunderte
ach so netter Hundetrainer nämlich tun, möchte ich wenigstens
ehrlich sein. Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Ich bin
grundsätzlich gegen den Einsatz von Elektroschockgeräten und rate
jedem Hundebesitzer davon ab, de-ren Gebrauch bedenkenlos ins
Kalkül zu ziehen.
Hunde gelten im Allgemeinen als Hetzjäger, die flüchtende Beuteschemata der
unterschiedlichsten Art instinktiv verfolgen. Die erzieherische Beeinflussung der
eigentlichen Hetzphase ist enorm schwierig, sodass man insbesondere die
Fixierhaltung und den Pirschgang des Hundes genau beobachten und diese
Verhaltensansätze möglichst beeinflussen sollte. Ist der Hund erst einmal
durchgestartet und außer Sicht, heißt es, am Ausgangspunkt der Jagd zu warten.
Normalerweise kehrt der Hund an diesen Ort zurück. Außerdem ist er viel zu
schnell, um vom Menschen eingeholt werden zu können. Manche Hunde sind
allerdings bei der Hetzjagd etwas orientierungslos, rennen über viel befahrene
Straßen und bringen sich selbst (und andere) in große Gefahr, sodass sich hier
empfiehlt, auf eine helfende Suchperson zurückzugreifen.

Rassegerechte Beschäftigung
Ob vorstehender Pointer, „näselnder“ Schweißhund, hetzender
Windhund, fixierender Hütehund, wachender Herdenschutzhund
oder apportierender Retriever: Der Mensch züchtete den Hund zum
Spezialisten, der zur Verrichtung konkreter Arbeitsaufgaben
unterschiedliche Verhaltenskonfigurationen und bestimmte
Jagdsequenzen besonders deutlich aufzeigt.
Nach R. Coppinger (2003) „bezeichnen Ethologen
Bewegungsmuster als angeborene oder instinktiv eingenommene
Haltungen. Weil die Selbstbelohnung für ein Verhalten so intensiv ist,
sucht ein Tier nach Auslösern für dieses Verhaltensmuster“.
Coppingers These aufgreifend ergeben sich neben einer
obligatorisch notwendigen Unterordnung folgende Tatbestände für
die praktische Hundeerziehung:
‣ Weil Hütehunde gern fixieren und anpirschen, kommt ihnen ein
Training mit Clickerstab, den sie als Alternative zum Fixieren
berühren können, tendenziell entgegen. Auch das Anpirschen an
Bälle und andere Gegenstände führt zur reizspezifischen Ermüdung.
‣ Weil Apportierhunde gern Gegenstände aufgreifen, kommt ihnen
ein Training mit Ersatzbeute oder Futterbeutel sehr entgegen.
‣ Weil Windhunde gern hetzen, kommt ihnen ein Training mit
Stoffattrappen (über eine lange Leine an Fahrrad oder Auto
befestigt) sehr entgegen.
‣ Weil Dackel und Terrier gern Beute schütteln, kommt ihnen das
gemeinsame Spiel mit Ersatzbeute (z.B. Stoffknoten packen und
schütteln) oder die „Verfolgung“ von Futterbrocken sehr entgegen.
‣ Weil Herdenschutzhunde oder Wachhunde gern aufpassen,
kommt ihnen ein Training zur gezielten Bewachung von
Grundstücken oder Gegenständen sehr entgegen.
‣ Weil Schweiß-, Vorsteh- und Fährtenhunde gern aufspüren, lastet
sie intensive Sucharbeit und das Anzeigen von Gegenständen oder
Futter gezielt aus.
‣ Weil Schlittenhunde gern rennen und ziehen, kommt ihnen ein
Training mit Karren, Pulka, Saccokart, Mountainbike oder
gemeinsames Joggen mit dem Menschen sehr entgegen.
Hunde unterscheiden sich summa summarum in Körperbau, Wesen
und anhand unterschiedlicher Bewegungsmuster, was zunächst
nichts anderes bedeutet, als ihre rein motorischen Abläufe auf
unterschiedliche Weise befriedigen zu müssen. Die Motorik ist das
eine, der Kopf das andere. Um Hunde wirklich auszulasten,
brauchen sie für ihr seelisches Gleichgewicht unbedingt auch
geistige Beschäftigung. Die Jagd ist zwar ein gutes Beispiel für die
Kombination aus körperlicher und lustbetonter geistiger Auslastung,
aber wer ärgert sich nicht über einen unkontrolliert jagenden Hund?
Lügen wir uns doch nicht in die eigene Tasche: Warum gehen denn
die meisten Menschen in eine Hundeschule? Ein Hauptgrund ist
garantiert, weil ihre Hunde frech und fröhlich Fersengeld geben!
Der Hundepsychologe James O’Heare (2003) vertritt die gewagte
These: „Wenn man weiß, welcher Reiz beim Hund wann den
Übergang zur nächsten Stufe des Jagdverhaltens auslöst, kann der
Hundeführer dadurch das Verhalten praktisch aus- und wieder
einschalten.“ Ausschalten? Der Hund als Automat? Ich vertrete aus
Erfahrung die konträre Auffassung, dass man eine unberechenbare,
ständiger Veränderung unterliegende Umwelt und das allseits
präsente Verhalten von Katzen, Kaninchen oder anderen
Beuteschemata nicht „managen“ kann. Hunde treffen beim täglichen
Spaziergang auf mannigfaltige Reize wie Bienen, Vögel oder
quietschende Mäuse, die ein geeignetes Beuteschema bieten. Wo
sollen die armen Tiere auch hin, ins Zoofachgeschäft? Beuteschema
Feldhase lacht sich derweil über die diversen Managementthesen
ins Hasenpfötchen. Er managt sich selbst – und rast liebestoll hinter
einer Häsin her!
J. O’Heare (2003) schlägt außerdem vor: „Unterbrechen Sie das
Jagdverhalten des Hundes so früh wie möglich (ohne Strafen).
Genau das wird nämlich bei Hütehundwettbewerben gemacht, um
ihren Beutetrieb in die richtigen Bahnen zu lenken.“ Nett gemeint,
aber leider wieder nur die halbe Wahrheit. Vor jedem Wettbewerb
steht ausführliches Training (inklusive Negativverstärker), wie mich
in der Vergangenheit etliche ehrliche Schäfer mit einer
Steinschleuder in der Hand lehrten! H. Wachtel (2002) schreibt zu
diesem Thema: „Geht es um einen wichtigen Trieb, ist das
(Unterbrechen) meist schwierig, ja manchmal unmöglich bzw. es
könnte den Hund zum Neurotiker machen.“ Genau das ist der
wesentliche Punkt. Vergisst man die Biologie des Hundes und
managt sein Verhalten auf rein „sanfte“ Art und Weise, wird er
mitunter zum Neurotiker. Dass die erfolgreiche Umsetzung von
psychologischen Lernregeln außerdem oftmals eine Illusion ist,
bestätigt D. Tortora (1979): „Dass ein Hund dabei versagt,
Kommandos zu verallgemeinern oder andere Verhaltenskontrollen
auf neue Situationen zu übertragen, ist nicht ungewöhnlich.“

Das Tragen von Packtaschen ist kein exklusives Recht nordischer Hunde, sondern
kann wunderbar in den Tagesablauf (Hundebegleitung zur Post, diverse
Geschäfte, Wanderungen) integriert werden. Nach vorangegangener Gewöhnung
lassen sich viele Hunde vom eigentlichen Hetzverhalten abbringen, vorausgesetzt,
der Taschenumfang fällt in Proportion zum Hundekörper etwas „großzügig“ aus.
Selbst so manchen Jagdhund kann man durch diese Methode – besonders in der
Jugendphase – relativ erfolgreich trainieren und dessen Jagdpassion in Grenzen
halten.
Tägliche Probleme von Hundehaltern
Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon wieder da? Sorgen
mit der viel gepriesenen Managementkontrolle hatten jedenfalls vier
mir bekannte Herren.

Beispiel 1 Herr A beherzigte das alternative Belohnungskonzept,


indem er zur Auslastung seines lauffreudigen Dobermanns
regelmäßig mit ihm „Stöckchen“ spielte. Eines Tages überlappten
sich des Dobermanns Funktionskreise und aus dem Spiel wurde
Ernst, nachdem er ein Stallkaninchen erblickt hatte. Plötzlich rannte
er los und tötete kurz und bündig den Sozialpartner der
Nachbarskinder.

Beispiel 2 Herr B quälte sich seit langem mit den ausgeprägten


Verfolgungsfreuden seines Setters herum, der flüchtende Feldfasane
einfach „geil“ fand.

Beispiel 3 Herr C besaß einen Rottweiler, der sich im Nacken eines


Schafes verbissen hatte und jederzeit bereit war, diesen „Spaß“ zu
wiederholen.

Beispiel 4 Herr D beobachtete das sporadisch auftretende Hetzen


von Rehen durch seinen Husky meist aus der Ferne und fand
dessen Eigenwilligkeit überhaupt nicht lustig.

Realismus sei gegrüßt! Ich riet Herrn A, seinem Dobermann „diskret“


in Kaninchennähe mittels einer Futterschleuder harte Kocherbsen
entgegenzuschießen (Objektverknüpfung) – und zwar so lange, bis
er Kaninchen „doof“ fände. Dieses Trainingsprogramm hatte Erfolg
und der Dobermann trägt heute Packtaschen oder unternimmt mit
Herrn A täglich Fahrradtouren, wobei der Hund frei läuft und
Kaninchen ignoriert.
(Futterschleuder = Gummisäckchen, das mit mehreren Geschossen,
z.B. Trockenerbsen, gefüllt werden kann. Daraus ergibt sich eine
Streuwirkung von 1 bis 2m² und ein gezieltes Treffen ist nicht mehr
notwendig, zumal es nicht um Schmerzzufügung, sondern um
Erschrecken des Hundes geht. Derartige Futterschleudern stammen
aus dem Angelsport und sind in entsprechenden Zubehörläden
günstig zu erhalten.)
Herrn B konnte man schnell und nachhaltig helfen, indem man
seinem sensiblen Setter in der Nähe von Fasanen aus der Distanz
mit Steinen gefüllte Blechdosen hinterherwarf (Objektverknüpfung),
bis er die Vögel in Ruhe ließ. Heute führt er zur biologischen
Beschäftigung begeistert kontrollierte Such- und Fährtenarbeit durch
und läuft ebenfalls frei.
Nachdem wir einige ausgesuchte Schafe mit Brechreiz
verursachenden Halsbändern ausgestattet hatten, in die sich der
Hund von Herrn C verbeißen durfte, fand der Rottweiler diese
Beutetiere plötzlich merkwürdig (aversive Konditionierung) und
strafte sie fortan mit Verachtung. Heute konzentriert sich dieser
Hund auf diverse Futterspiele und jagt als Alternative zu Schafen
enthusiastisch schnell „flüchtende“ Futterbrocken.
Schließlich konfrontierten wir den mit einem Wasserstoffhalsband
ausgestatteten Husky von Herrn D aus der Distanz (mittels Sender)
mit ein paar Wasserwolken (Objektverknüpfung), bis er einen
kontrollierten Bewegungsradius einhielt. Heute besteht das Hobby
des Huskies in der überschaubaren Jagd auf Mäuse und andere
Kleinnagetiere und im Jogging mit Herrn D.

Vier Beispiele von vier Hunden, die durch momentane


„Strafeinwirkung“ weder physischen noch psychischen Schaden
genommen haben. Großes Indianerehrenwort! Übrigens: Besonders
Herdenschutzhunde und andere zur Selbstständigkeit tendierende
Hunderassen reagieren auf den Einsatz solcher
Wasserstoffhalsbänder meistens ungemein beeindruckt, weil sie die
Grenzen ihrer eigenen Sturheit erkennen müssen. Zusätzlich schlägt
man sie am besten mit ihren eigenen Waffen, indem man sich als
Mensch ignoranter verhält, als sie selbst sind.
Das Jagdverhalten des Hundes auf die leichte Schulter zu nehmen,
indem wir es verharmlosen, ist kein guter Ratschlag. Tötet ein Hund
z.B. ein Rehkitz, kann dessen Mutter ebenfalls sterben, weil ihre
Milchproduktion auf Hochtouren läuft, aber keine Milch mehr gesaugt
wird. Auch die Brutgelege von diversen Vogelarten können
auskühlen, wenn die Vogeleltern zu oft durch herumstreunende
Hunde gestört werden und alles unternehmen, sie von ihren
Gelegen wegzulocken. Dabei geht viel Energie verloren, die sie
dringend brauchen, um ihre Eier auszubrüten.

‣ Wichtig
Hunde brauchen regelmäßigen Freilauf, keine Frage – aber nicht
um jeden Preis. Wir Hundebesitzer sollten Verantwortung
übernehmen und dafür Sorge tragen, dass Fauna und Flora auch
zu ihrem Recht kommen.
Hundebesitzer wären gut beraten, als Naturschützer aufzutreten, indem sie ihren
eigenen Müll stets einsammeln (inklusive Zigarettenkippen), spezielle Abfalltüten
für die Entsorgung von Hundekot mit sich führen und bei Spaziergängen
saisonbedingt bestimmte Landschaftsgebiete meiden, damit die heimische
Tierwelt nicht übermäßig gestört wird. Am effektivsten ist es, Hunde von Jugend
an so zu trainieren, dass sie immer in der unmittelbaren Nähe von Wegen bleiben
und eingezäunte Weiden, Wiesen und Forstbestände nicht betreten. In
Dämmerung und Dunkelheit ist damit zu rechnen, das die Tiere der freien
Wildbahn auf Nahrungssuche gehen und deswegen besonders aktiv sind.
Objektverknüpfung als
Erziehungsmethode

Wie wir gesehen haben, muss aversive Konditionierung im


Hundeleben eine gewisse Rolle spielen, bedeutet sie doch,
geflissentlich Gefahren zu vermeiden und unangenehmen Dingen
aus dem Weg zu gehen. Hunde, die konkreten Attacken von
Schwänen ausgesetzt waren, meiden diese Ungetüme ebenso wie
Kleinhunde, die von gestandenen Dorfkatern verprügelt wurden.
Man verhält sich „operant“ nach dem Motto: Die spinnen, die Kater.
So laufen wir also durch die Landschaft, teilen die Welt in Gut und
Böse auf, vermitteln dem Hund unsere Sympathien und Antipathien
und machen uns nicht zum Gespött unserer Mitmenschen. Damit wir
uns in möglichst vielen Lebenslagen gehorsamer Hunde erfreuen
können, bedienen wir uns einer Kombination aus differenzierter
Belohnung und gelegentlicher „Strafe“. Laut D. Tortora (1979)
„gestattet uns das Unterschieds-Training, eine sehr präzise Kontrolle
über das Verhalten des Hundes zu gewinnen.“
Nach den Lehren der Mönche von New Skete (1987) tricksen wir
unsere Hunde im Notfall am effektivsten über „Strafe aus heiterem
Himmel“ aus, wozu wir (je nach Umstand und Situation) Knallerbsen,
Luftballons oder Wurfketten verwenden können. Mit etwas Übung,
Raffinesse und unter Gebrauch unserer geistigen Überlegenheit
vermeiden wir dadurch jede negative Personenverknüpfung. Was
bleibt uns auch anderes übrig? Die einzig überzeugende „Waffe“, die
wir besitzen, ist die Fähigkeit zum vorausschauenden Denken und
Handeln. Ansonsten sind uns Hunde in allen Belangen haushoch
überlegen: Sie sind schneller, wendiger und beweglicher als wir, von
ihren Sinnesleistungen ganz zu schweigen.
Objektverknüpfung im Haus
Um Hunde auch in unserer Abwesenheit daran zu hindern,
genüsslich Möbelstücke und Teppiche anzufressen, bietet sich der
Gebrauch von Pfeffer, Essigessenz, Bitterappel oder Myrrhe-Tinktur
geradezu an. Damit der eine oder andere Hund nicht senkrecht in
einem Mülleimer oder Papierkorb verschwindet (was mit einem
typischen „Beagle-Gen“ zusammenhängen muss), hilft simpel ein
aufgeblasener Luftballon, der beim ersten Kontakt mit dem
präparierten Mülleimer platzt. Die tiefere Erkenntnis beim kurzfristig
geschockten Hund: Vorsicht, und bloß dieses merkwürdige Objekt
meiden! Gleiches gilt für dreistes und zügelloses Stehlen, indem
man auf Tischen und Anrichten Fleisch oder Wurst mit scharfem
Senf bestreicht, Mausefallen oder Klebeband auslegt und abwartet,
bis der Hund damit in Berührung kommt. Ein scharfes „Pfui“ zur
rechten Zeit sorgt für die richtige Verknüpfung.
Wahre Wunder können auch Rassel-, Schepper-, Pfeif- oder
Klappergeräusche bewirken, immer vorausgesetzt, es handelt sich
nicht um besonders gerissene Hundeexemplare. Schlaue Hunde
sind nämlich leider in der Lage, den Braten förmlich zu „riechen“.
Deshalb kämpft der Mensch fast täglich an der „Räuber-und-
Gendarm-Front“, wobei jede Partei versucht, eine neue Strategie zu
testen.

‣ Tipp
Wir haben beste Erfahrungen mit Kameras und Lautsprechern
gesammelt und können lustbetonte Verhaltensweisen von Hunden
über ein Gegensprechgerät verbal beeinflussen.
Solange das Objekt straft, kann man als Mensch ruhig abwarten, denn der Hund
findet über Versuch und Irrtum selbst heraus, was unangenehm und unvorteilhaft
ist. Hunde legen sich deshalb auf Sessel oder Sofa, weil man dort bequem ein
Nickerchen halten kann. Die im Bild vorgestellte „X-Matte“, eine Art „Fakir-System“
mit harten Plastiknoppen, sorgt für hochgradige Ungemütlichkeit, sobald ein Hund
darauf Platz nimmt. Flach wie eine Zeitung, kann man diese Matte einfach unter
einem Möbelstück verstauen, wenn sie nicht im Einsatz ist.

Objektverknüpfung im Außengelände
Manche Hunde verhalten sich im wahrsten Sinn des Wortes
gnadenlos, sehen Autos als „Sparrings-Partner“ an oder Mofas als
„technische Beutetiere“, die es zu zerpflücken gilt. Auch meine von
einem Tierschutzverein übernommene Kaukasenhündin „Taiga“
baute sich früher wie ein Bodybuilder vor einem
entgegenkommenden Traktor auf und schien ihn zu fragen: „Ich bin
ein muskelbepacktes, strammes Mädchen – und wer bist du?“
Dumm nur, dass auch ein Traktor über ausreichend „Kampfkraft“
verfügt. Taiga habe ich damals nach einer alten Regel der Mönche
von New Skete (1987) erzogen: Verfolgt ein Hund Mofas, Fahrräder
oder Autos im gestreckten Galopp, führt das Objekt selbst die
Bestrafung aus, indem der jeweilige Fahrer dem wütenden Hund
Blechdosen oder mit Wasser gefüllte Luftballons oder Kondome
entgegenwirft. Ja, Kondome, schließlich müssen wir das
Wirtschaftswachstum ankurbeln, oder?
Wirkungsvoll ist auch, einen Helfer in der Ladeklappe eines Autos zu
verstecken, der über den heraneilenden Hund einen Eimer Wasser
gießt, wobei eine solch kleine Menge dem ortsansässigen
Wasserwerk keinen Umsatzschub bringt und mancher
Neufundländer sagen wird: „Prima, mehr davon!“ Scherz beiseite:
Sobald die Missetat des Hundes unterbleibt, verstärkt man sofort
den gewünschten Verhaltensansatz des Herankommens durch
Händeklatschen, einen verbal freundlichen Ruf oder einen Pfiff.
Kleine Anmerkung: Meine Taiga schaute damals überhaupt nicht
verdattert, sondern einfach nur stinksauer. Der Owtscharka an sich
straft bisweilen „durchgeknallte“ Objekte mit einem verachtenden
Blick. Taiga lässt Traktoren heute unbeachtet passieren.

‣ Sinn und Zweck


Man soll dem frustriert und verdattert wirkenden Hund in schwerer
Stunde beistehen und ihm Sicherheit und Schutz bieten. Dann ist
der Hund davon überzeugt: Zuruf respektive Pfiff = Möglichst
schnell zurück zum Menschen und bloß Ärger mit seltsamen
Objekten vermeiden!
© Christof Salata/Kosmos
Das Verfolgen von Joggern stellt eine inakzeptable Angewohnheit des Hundes dar,
die über Abbruchsignale erzieherisch beeinflusst werden muss.
Futterspiele

Die Illusion mancher Hundebesitzer liegt darin begründet,


anzunehmen, ihr Hund gehorche ihnen, weil er sie liebe. „Jedem
Tierchen sein Pläsierchen“. Realistisch ist die Annahme, Hunde
seien treu und selbstaufopfernd, nicht. Wer Futter hat, ist der „Hit“ in
der Hundewelt. Wer das bezweifelt, ist selbst schuld. Nachbars
Katze weiß jedoch, was läuft, schließlich wird ihr Futternapf
regelmäßig von Hunden aus der Nachbarschaft geplündert.
Man nehme also eine 10m lange Leine, befestige sie am Halsband
des Hundes und lasse ihn runde Futterbrocken verfolgen. Im ersten
Schritt hält man die Handschlaufe der Leine (mit Handschuh) fest im
Griff, wirft dann Futter in unterschiedliche Richtungen, lässt die
Brocken vom Hund aufgreifen und pfeift ihn heran. Klappt das
zuverlässig, rollt man Futterbrocken (wie beim Kegeln) in
unterschiedliche Richtungen flach über den Boden, erhöht die
Distanzen und pfeift zwischenzeitlich jedes Mal den Hund heran. Im
nächsten Schritt wirft man Futterbrocken in eine Wiese oder in
Buschwerk, lässt den Hund über das Hörzeichen „Such“ danach
„herumrüsseln“ und pfeift ihn heran, nachdem er den Futterbrocken
gefressen hat. Dabei kommt die lange Leine auch weiterhin als so
genannte Schleppleine mindestens noch zwei Wochen zum Einsatz.
Im Notfall hat man so die Möglichkeit, den Bewegungsradius des
Hundes zu begrenzen, bis er zuverlässigen Gehorsam zeigt. Im
Schnitt braucht man dafür höchstens zwei bis drei Wochen Zeit.
Exakt auf diese Art und Weise habe ich unsere verfressene
Dackelhündin, die hunderten Seminarteilnehmern wohl bekannt ist,
trainiert, wobei sie anstatt einer Pfeife nur dem Hörzeichen „Guck
mal hier“ Beachtung schenkt. „Kashtin“ (indianischer Name für
Wirbelwind) läuft immer frei und „tackert“ in Dackelmanier
aufmerksam umher, damit sie im Sauseschritt Futterbrocken
verfolgen und „killen“ kann. Neben dem Fangen von Grashüpfern ist
dies seit elf Jahren ihre absolute Lieblingsbeschäftigung. Als
Alternative kauft man einen Tabakbeutel oder ein Federmäppchen
aus Leder oder Kunststoff, füllt es mit Futter, versteckt es irgendwo
und lässt es vom Hund suchen, stellen und durch Bellen anzeigen.
Beim Verfolgen von Beuteschemata kommt bei fast jedem Hund große Freude auf,
sodass besonders Futterspiele mit runden Futterbrocken eine gute
Beschäftigungsform und zumindest einen Teilersatz für die eigentliche Jagd
darstellen. Täglich jagen zu dürfen stellt auch für den Haushund eine biologisch
grundsätzliche Notwendigkeit dar. Ihm die Jagd pauschal zu verbieten ist mit
richtig verstandenem Tierschutz eigentlich nicht vereinbar.
Hundeerziehung mit Kopfhalfter

Der Gebrauch eines Kopfhalfters, so heißt es, führt zur Verformung


von Kiefer und Halswirbel des Hundes und bedeutet für ihn,
permanent dominiert zu werden. Es ist wie beim Fußballspiel:
Millionen „Experten“ sitzen beim wohlverdienten Bierchen vor dem
Fernseher, kommentieren die Mannschaftsaufstellung und wissen
selbstverständlich alles besser als der verantwortliche Trainer, der
natürlich keine Ahnung hat.
Derweil bringt es der gestresste Hundebesitzer nicht übers Herz, das
Verhalten seines Vierbeiners alle paar Minuten per Leinenruck (über
Stachel- oder Kettenhalsband) zu korrigieren. Hat die anfangs noch
konsequent umgesetzte „Ruckerei“ keinen dauerhaften Erfolg
(besonders wenn des Hundes „Todfeind“ naht!), schimpft man
entweder bitterböse oder bewundert den Trainer, unter dessen
Fittichen ein unerzogener Hund in Demut „funktioniert“. Wer nicht
wie ein „Alphawolf“ rütteln und schütteln kann, bleibt auf der Strecke.
Pech gehabt! Ein alternatives Hilfsmittel einsetzen? Wozu? Der
Einsatz von Kopfhalftern ist ja dummes Geschwätz! Außerdem hat
man seinerzeit schon einmal (heimlich versteht sich) ein Kopfhalfter
gekauft, dem Hund umgeschnallt und postwendend dessen
Unwilligkeit festgestellt, dieses merkwürdige Gebilde zu akzeptieren.
„Kopfhalfter sind doof“, hat der Hund gesagt.
Ach, wäre es doch schön, könnte man im rechten Moment den alles
entscheidenden Blickkontakt seines Hundes (über das Simulieren
eines Schnauzgriffs) von einem Artgenossen, einer Katze, einem
Jogger, Fahrradfahrer, einem zu enthusiastischen Kind oder einem
Rentner mit Wanderstab abwenden.
Nun, der Einsatz von Kopfhalftern gibt dem unsicheren Menschen
die alles entscheidende psychologische Hilfestellung, endlich einmal
unbeschadet am kläffenden Hund des Nachbarn vorbeizukommen.
Man nehme also ein Kopfhalfter, gewöhne den Hund über positive
Verstärkung (z.B. Futterspiele) daran, bis er es akzeptiert, und
beachte die richtige Passform, bevor das erste Training beginnt! Man
verwende anfangs eine Leine mit zwei Haken (leichter Haken am
Halfter, schwerer Haken am Halsband), halte einen Futterbrocken
vor die Hundenase und führe seinen Kopf unter sanftem Einsatz des
Halfters in Richtung Kommunikationsaufbau mit dem Menschen
(Blickkontakt = Futter). Versucht der Hund, sich das Halfter
abzustreifen, kommuniziert man mit hoher Stimme („Guck mal hier“)
oder rollt Futterbrocken über den Boden, um ihn abzulenken. Dabei
hält man den am Halsband befestigten Teil der Leine nicht auf
Spannung und lässt den am Halfter befestigten Teil der Leine locker
durchhängen. So führt man den Hund über technisches „Handling“,
kann sich den Kurs in der „Muckibude“ sparen und braucht keinen
Kraftaufwand.
Man führt die Übungen dreimal täglich (maximal fünf Minuten pro
Übung) ein bis zwei Wochen lang durch, wonach die meisten Hunde
sehr schnell gelernt haben, Blickkontakt zum Menschen
aufzunehmen und dafür sogar noch eine Futterbelohnung zu
kassieren.
Im Umgang mit Pferden, Ziegen oder anderen Tierarten auf den Gebrauch von
Kopfhalftern zurückzugreifen, um sie so auf sanfte Art und Weise führen zu
können, stellt für den Menschen überhaupt kein Problem dar. Kopfhalfter-Training
mag auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen, das ist aber
auch alles, was im Grunde genommen dagegen spricht. Arbeitet man mit Hunden
über ein Kopfhalfter-System, besteht die primäre Aufgabe darin, unaufmerksames
Verhalten zu korrigieren, den Hundekopf zum Zweck der Kommunikation zum
Menschen zu lenken und später diesen technischen Übungsablauf durch das
Hörzeichen „Guck mal hier“ gänzlich zu ersetzen.

Übung unter Ablenkung


Im nächsten Schritt übt man unter Ablenkungsbedingungen
(Artgenossen, Jogger, Fahrradfahrer) und hat ohne Leinenruck und
harte Korrektur erreicht, den Kopf des Hundes sozusagen spontan
der eingeschlagenen Gehrichtung folgen zu lassen.
Zusammengefasst hat der individuelle Einsatz eines Kopfhalfters
also folgende Vorteile:
‣ Ein Kopfhalfter verbessert die schlechte Kommunikation zwischen
Mensch und Hund, indem man gerade unter Ablenkungen
Blickkontakt herstellen kann.
‣ Caniden (Hundeartige) wenden untereinander zeit- und
situationsbedingt den so genannten Schnauzgriff an, den man durch
Einsatz eines Kopfhalfters simuliert.
‣ Ein Kopfhalfter vermittelt ängstlichen Hunden mehr
Selbstsicherheit. Sie fühlen sich geführt.
‣ Der Einsatz eines Kopfhalfters vermittelt ängstlichen
Hundebesitzern einen gewissen Aha-Effekt, denn sie kommen
gefahrlos an anderen Hunden vorbei.
‣ Der Einsatz eines Kopfhalfters kann die Jagdmotivation eines
Hundes hemmen.

Und noch eine frohe Botschaft: 85% der von uns betreuten
Hundebesitzer konnten nach maximal zwei Monaten intensiven
Trainings auf den Gebrauch von Kopfhalftern gänzlich verzichten
und hatten gelernt, selbst mit schwierigen „Früchtchen“ zu
kommunizieren.
Auf Nachfrage antwortete D. Feddersen-Petersen (1996): „Mir sind
bisher keine negativen Berichte zum Einsatz von Kopfhalftern
bekannt. Selbstverständlich sind Hunde individuell zu beurteilen,
sodass eine solide Beratung gegeben sein muss.“
Erwähnenswert wären noch einige Menschen, die fragen: „Ist das
(Halfter) ein Maulkorb?“ Um meine Ruhe zu haben, antworte ich
dann: „Nein, der Hund hat Zahnschmerzen.“ Ein solcher
Diskussionsabbruch funktioniert immer. Probieren Sie es aus!
Körpersprache, Hör- und Sichtzeichen

Prinzip der Bewegungsbegrenzung


Nach T. Rugaas (1997) „verfügen Wolf und Hund über eine
wirksame Universalsprache, die wunderbar ist, weil wir dadurch mit
Hunden kommunizieren können, wo immer wir sie treffen.“ Das
Ausdrucksverhalten von Wolf und Hund unterscheidet sich zwar
durch erhebliche Nuancen, trotzdem erwarten Hunde geradezu,
dass wir uns nach gewissen Kommunikationsregeln richten.
Beobachtet man Wölfe und Hunde im Umgang miteinander, beruhen
die kommunikativen Regeln nicht nur auf Dominanz- und
Unterwürfigkeitsgesten in der Distanz, sondern beinhalten auch
Körperkontakte jeglicher Art. Die freundliche Version demonstriert
sich in Nasenkontakten, Fellstubsen und Ohrenlutschen, die weniger
freundliche Art in Anrempeln, Auf-den-Boden-Werfen oder in
offensiven Drohsignalen, die bisweilen dem Gebrüll von Löwen
ähneln.
Daher ist die zeitweise Begrenzung des hundlichen Freiraums
durchaus ein probates Mittel, die Führungsrolle des Menschen
gezielt zu unterstreichen, wobei er als zivilisiertes Wesen auf großes
Geschrei wie ein Brüllaffe verzichten sollte. Laut F. Rehage (2000)
„darf ein Leittier Dinge tun, die alle anderen nicht tun dürfen, und
weil es das darf, ist es sozusagen wiederum das Leittier.“ Zum
Verhaltensrepertoire eines Leittieres gehört zweifellos ein
zeitweiliges Imponieren, ein strenger Blick und die Einengung des
Bewegungsablaufs von Familienmitgliedern.
Man nehme also eine 10m lange Leine, halte zur Vermeidung von
Verbrennungen nur die Handschlaufe fest und begrenze damit den
Freiraum seines Hundes. Warum? Nach G. Niepel (2001) „brauchen
wir einen Hund, der gelassen, souverän ist und gezielt in richtiger
Dosierung reglementiert (wird) – alles andere würde mehr Nachteile
als Vorteile bringen.“ Und wie formen wir das Verhalten eines solch
gelassenen Zeitgenossen?
Gemischte Hundegruppen zu leiten, ohne den Verhaltensansatz kleiner
Zwistigkeiten unter Hunden hin und wieder durch eine kurzfristige, schnell
vorgetragene Körperbedrängung zu schlichten, kommt einem russischen Roulette
gleich. Die Einengung von Bewegungsabläufen ist im Übrigen für Hunde
Alltagsroutine und für sie durch den Umgang mit Artgenossen nachvollziehbar. Als
Mensch auf das Kopieren eines solchen Handlungsablaufs zu verzichten, um bloß
unter allen Umständen als „tierlieb“ zu gelten, ist unlogisch und entbehrt jeglicher
sachlicher Argumentationsgrundlage.

Übung für den selbstsicheren Hund


Im ersten Schritt überprüft man, ob es sich beim eigenen Hund um
einen ignoranten Nichtsnutz handelt oder um ein an Kommunikation
interessiertes Tier. Ein erster Test offenbart schnell, wie die
allgemeine Sachlage aussieht. Den dreisten Nichtsnutz beeindruckt
man am einfachsten, indem man bei dessen Unaufmerksamkeit
(Herumschnüffeln, Herumpinkeln, Herumwuseln) in Imponierhaltung
(hier darf man ausnahmsweise einmal Bodybuilder spielen)
schnellen Schrittes im Hurrastil auf ihn zugeht, ihn körpersprachlich
bedrängt und dabei in die Hände klatscht. Zeigt der Hund leichte
Unsicherheit und eine mimosenhaft anmutende Gestik und Mimik
der Beschwichtigung (Unterwürfigkeit), löst man die Imponierhaltung
sofort auf, geht rückwärts und ruft ihn mit dem Hörzeichen „Komm“
(Sichtzeichen: den ausgestreckten Arm gen Körper führen) heran.
Manchmal reicht es auch aus, auf einen unaufmerksamen Hund
einige schnelle Schritte zuzugehen, kurz mit Daumen und
Zeigefinger zu schnipsen, woraufhin er dann Bereitschaft zeigt, der
weiteren Laufrichtung des Menschen zu folgen.
Diese Prozedur ist gegebenenfalls mehrfach zu wiederholen, bis
sich der Hund innerhalb des Radius der langen Leine
kommunikationsbereit zeigt. Bei schwierigen Fällen bedrängt man
den Hund unter Aufrechterhaltung eines strengen Blicks, schubst ihn
körpersprachlich leicht zur Seite, klatscht in die Hände, löst die
Imponierhaltung auf, geht rückwärts und ruft ihn heran. Aus der
Ferne vernehme ich einmal mehr Bedenken: Den Hund schubsen?
Ist „der Bloch“ jetzt endgültig verrückt geworden, dem armen Hund
einen solchen Stress zuzumuten? Nö, „der Bloch“ meint es ernst und
wird sogar durch neueste Forschungsergebnisse bestärkt.
Sportmediziner an der Universität Paderborn fanden in Studien an
Menschen heraus: Kurze Stressreize sind eine Art Bodybuilding für
das Immunsystem und bringen den Körper quasi in „Hab-Acht-
Stellung“. Das sympathische Nervensystem, Hormone und
Botenstoffe aktivieren dabei das Abwehrsystem. Kurzzeitiger Stress
wird schnell abgebaut. Na, wenn das keine erfreuliche Nachricht ist?

Übung für den unsicheren Hund


Bei einem kommunikationsbereiten, aber ständig unsicheren Hund
verzichten wir auf jegliche Bewegungseinengung und bedienen uns
stattdessen einer entspannten Körpersprache. Wir lächeln den Hund
an, sind freundlich und üben unter Verwendung einer hohen
Stimmlage („Na, wo ist er denn?“) das oben genannte Hör- und
Sichtzeichen „Komm“ ein. Selbstverständlich weiß der Hund, wo er
ist. Wo soll er auch schon groß sein? Zeigt er jedoch kurzfristig
Verlegenheit, handelt es sich nicht um eine verallgemeinernde
Verunsicherung, weil er mitunter nur testen will, wie der Mensch auf
seine Körpersignale als Nächstes reagiert. Bei solchen
Gelegenheiten wartet man am besten einfach eine Minute ab, um
festzustellen, ob sich die akuten Verlegenheitsbekundungen des
Hundes schnell „in Luft auflösen“ oder ob er sich tatsächlich
allgemein unsicher verhält.

Einführung von Hör- und Sichtzeichen


Hat ein Hund einmal das Prinzip der Bewegungseinengung
beziehungsweise Bewegungsbegrenzung verstanden, geht man
zum nächsten Schritt über und vermittelt ihm alle weiteren Hör- und
Sichtzeichen, die wir bereits kennen gelernt haben. Missachtet der
Hund eine Signalgebung und wuselt stattdessen wieder
unaufmerksam herum, ohne den Menschen zu beachten, bedrängt
man ihn kurz unter Aufrechterhaltung eines finsteren
Gesichtsausdrucks, drückt ihn zur Seite, klatscht wieder in die
Hände oder schnipst kurz mit Daumen und Zeigefinger und geht
sofort rückwärts, wenn er Gestik oder Mimik der Beschwichtigung
zeigt. Wichtig ist, bei den Übungen ganz ruhig zu bleiben und
jegliche Hektik zu vermeiden. Wir wollen einen unaufmerksamen
Hund nicht aus Wut hin und her schubsen, um unserem Ärger Luft
zu machen, sondern vielmehr erreichen, dass er auf
unsere Körpersprache achtet. Das Händeklatschen dient dabei als
Signal, damit der Hund weiß, wann exakt er uns beachten soll. Um
beide Hände frei zu haben, empfiehlt es sich, die lange Leine um
den Bauch zu binden oder sie am Hosengürtel zu befestigen.
Der letzte Lernschritt besteht darin, die lange Leine Stück für Stück
umsichtig zu verkürzen (abzuschneiden). Das regelmäßige Training
wird natürlich beibehalten und die Reduzierung der Leine sollte auf
keinen Fall mehr als einen Meter pro Woche betragen, eher weniger.
Es hat sich als guter „Trick“ erwiesen, letztlich ein ca. 30 cm langes
Stück Restleine oder ein kurzes Stück Metallhülse am Halsband zu
belassen, sodass der Hund nach Beendigung des
Übungsprogramms zwar einerseits frei läuft, andererseits aber ein
kleines Hindernis verspürt.
Sobald der Hund samt Leinenreststück verschwindet, hat man den
Weg der kleinen Erziehungsschritte nicht präzise eingehalten und
muss leider mit dem ersten Lernschritt wieder von vorn beginnen.

‣ Tipp
Nehmen Sie sich lieber eine Woche länger Zeit, um jeden
einzelnen Lernschritt zu verfestigen, und gehen Sie erst zum
nächsten Schritt über, wenn der vorherige sicher ausgeführt wird.
Übrigens: Bis auf ganz wenige Ausnahmen funktioniert das
„wölfische“ Kombinationsprinzip aus Bewegungseinengung und
freundlicher Signalvermittlung bei jedem Hund, inklusive meiner
sehr stolzen Taiga.
Das Disc-Training

Trotz aller Bemühungen gibt es tatsächlich einige „Pappenheimer“,


die jegliches Kommunikationsangebot missachten, den Menschen
ignorieren wie eine Glasgestalt und ihm täglich die kalte Schulter
zeigen. „Ist mir doch egal“, heißt der Lieblingssatz solcher
penetranten Ignoranten. Warum eigentlich? Ein solches Verhalten
kann auf Stimuli (Reize) aus der Umwelt zurückzuführen sein, oder
aber der Hund verhält sich schon seit langer Zeit problematisch. Wie
auch immer, eine „Stimuluskontrolle“, wie es D. Tortora (1979) nennt,
ist jedenfalls nicht möglich. Die Idee, bewusst das
Frustrationsverhalten des Hundes respektive eine auf Frust
basierende konditionierte Antwort der Vermeidung, in ein
Erziehungskonzept einzubinden stammt von J. Fisher (1992), was
man heutzutage betonen muss, weil sich viele Hundetrainer weigern,
eine ordentliche Quellenangabe von Thesen zu benennen.

‣ Was bedeutet Disc-Training?


Das Schüttelgeräusch der Disc-Scheiben sorgt für die hundliche
Reaktion, einen bestimmten Stimulus zu missachten oder zu
meiden. Der Hund zeigt Akzeptanz, auf ein unerwünschtes
Verhalten inklusive Aggressionen zu verzichten, vermeidet
Wiederholungen kritischer Situationen und ist empfänglich für eine
Alternative, die Verstärkung erfährt. Auf gut Deutsch: Futter ist in
Ordnung.

Aufbau des Disc-Trainings

Übung im Haus
Nach meiner Meinung ist Disc-Training grundsätzlich von einer
Fremdperson nach folgendem Prinzip durchzuführen: Man bietet
dem Hund mehrfach hintereinander Futterbrocken in Verbindung mit
dem Hörzeichen „Nimm’s“ an, legt danach kommentarlos ein Stück
Futter auf den Boden, woraufhin der Hund im Normalfall den Boden
beschnüffelt oder versucht, das Futter aufzugreifen. In diesem
Moment schüttelt man die Disc-Scheiben, ohne dass der Hund sie
groß beachtet.
Nun legt man Futter auf den Boden und lässt die Disc-Scheiben
kommentarlos fallen, wenn der Hund versucht, Futter aufzunehmen.
Über Wiederholungen lernt er, eine von ihm gestartete Handlung
(Futter aufnehmen) abzubrechen, und zeigt auf das Disc-Geräusch
eine konditionierte Antwort. Der „arme“ Hund ist frustriert, was sich je
nach Hundeindividuum durch die Vermeidung von Blickkontakt,
Gähnen, Kratzen, Bellen, Pföteln oder Abstandhalten äußern kann.
Im Normalfall zeigt ein Hund großes Interesse an einer freiwilligen
Kontaktaufnahme zu seinem Besitzer, der den Frust des Hundes
durch freundliches Lob und die Vermittlung von Schutz und
Geborgenheit abbaut (hier darf man seinen Gefühlen freien Lauf
lassen und den Hund nach Herzenslust bedauern).
Disc-Training wird von einigen Hundetrainern mit der Begründung abgelehnt, der
Hund trage auf jeden Fall einen bleibenden Schaden davon und reagiere nach
dem Einsatz von Disc-Scheiben auf alle Geräuschkulissen. Dabei beruft man sich
gern auf eine schuldbewusste Gesichtsmimik des Hundes, die dieser aber in
gleicher Form auch zeigt, wenn im Hausstand einmal ein Küchenutensil
herunterfällt oder er uns Menschen bei bestimmten Anlässen kommunikativ
„einlullen“ will.

Übung im Freien
Im nächsten Schritt geht man nach draußen und übt mit dem Hund
an einer langen Leine. Sobald er unaufmerksam ist, wirft man die
Disc-Scheiben sozusagen inkognito hinter dem Hund auf die Erde,
bleibt ruhig und gelassen, auch wenn er sich erschreckt.
Normalerweise zeigt der Hund nun eine etwas verunsicherte
Körpersprache, woraufhin wir ihn zu uns rufen und uns freundlich mit
ihm beschäftigen.
Um sicherzugehen, dass der Hund die Geräuschkulisse der Disc-
Scheiben auch definitiv verknüpft hat, legen wir einige Futterbrocken
auf den Boden und gehen mit dem Hund daran vorbei. Sobald er
versucht, nach dem Futter zu schnappen, klappern wir einmal mit
den Scheiben. Daraufhin soll der Hund sofort eine Meidereaktion
zeigen, sich von dem Futterbrocken entfernen und unsere Nähe
suchen. Ist dies der Fall, so ist er auf das Klappergeräusch
konditioniert, weil er einen Verhaltensabbruch zeigte. Notfalls ist die
ganze Prozedur mehrmals zu wiederholen, bis der Hund gelernt hat,
jedes Mal eine konditionierte Antwort auf das Klappergeräusch der
Disc-Scheiben zu zeigen.

‣ Vorsicht!
Manche Hunde sind absolut geräusch-unempfindlich und
reagieren auf die Scheiben überhaupt nicht. Nun, Hundeerziehung
ist nun einmal individuell anzugehen und in einem solchen Fall
können Sie die Scheiben nicht einsetzen. Die meisten Hunde
reagieren jedoch nur sehr beeindruckt, suchen die Nähe zum
Menschen und nehmen dessen Anordnungen „ganz plötzlich“
richtig ernst.

Hurra, die Wunderwaffe hat zum Erfolg geführt und ich habe einen
gehorsamen Hund, höre ich förmlich den einen oder anderen Leser
enthusiastisch verkünden. Moment, noch ist nicht aller Tage Abend,
denn laut unserer jahrelangen Untersuchungen reagierten einige
wenige Hunde aggressiv. Dann heißt es, die ganze Sache so schnell
wie möglich zu vergessen. Manche Hunde reagieren nach wenigen
Tagen überhaupt nicht mehr frustriert. Dann war die
Stimuluskontrolle insgesamt zu schwach. Für einige, sehr sensible
Hunde war die Reizkontrolle wiederum zu eng und sie schienen
sogar psychisch zu stark belastet zu sein. Natürlich höre ich Disc-
Gegner laut und vernehmlich schreien: Jetzt schlägt’s aber dreizehn
– eine Stimuluskontrolle durch Disc-Training ist generell unpassend
und keinem Hund zumutbar. Na ja, man kennt ja die ewigen
Bedenkenträger. Ob es nun zwölf oder dreizehn schlägt, ich würde
beiden Parteien Recht geben. Den Enthusiasten, weil ein Hund bei
besonnener Anwendung der Scheiben nur im entscheidenden,
akuten Moment eine konditionierte Antwort zeigt, und den Gegnern,
weil Disc-Training auf einige wenige Hunde psychisch belastend
wirken kann.

‣ Das bedeutet
Wie jeder weiß, führen viele Wege nach Rom – auch und gerade
in der Hundeerziehung. Die Weisheit hat keiner gepachtet, auch
wenn man manchmal den Eindruck hat, so mancher Hundetrainer
wolle sich durch die Vermittlung aller möglichen Weisheiten und
Halbwahrheiten an Schlauheit geradezu selbst überbieten. Nun,
auch in der Hundeerziehung herrschen mitunter „knüppelharte“
Wettbewerbsbedingungen. Den Kampf um den zahlenden Kunden
möchte man ungern verlieren. Um Disc-Training
verantwortungsvoll umzusetzen und eine zu starke psychische
Belastung des Hundes zu vermeiden, würde ich vorschlagen,
einen systemvertrauten Fachmann zu konsultieren.
Die „Click & Treat“-Methode

Geräuschkonditionierung
Als ich das Prinzip des Clickertrainings vor über 15 Jahren von Erich
Klinghammer in den USA kennen lernte, konnte ich mir in den
kühnsten Träumen nicht vorstellen, dass daraus einmal eine
Weltanschauung entstünde: „Wer bist du denn? Wie, du arbeitest
nicht mit Clicker? Dann kannst du nur einer von diesen
Steinzeittrainern sein!“ Wer nicht mit Clicker arbeitet, hat die Regeln
der operanten Konditionierung nicht verstanden! Peng, das sitzt.
Natürlich braucht man sich von solch einem völlig pauschalen Urteil
nicht beeindrucken zu lassen. Die Charakterisierung eines „guten“
oder „schlechten“ Hundetrainers steht und fällt nicht mit dem
Gebrauch von Clickern. Wäre dies der Fall, müsste man alle Schäfer
dieser Welt als rückständige Zeitgenossen bezeichnen. Auch im
Haushundebereich stürzt der Himmel nicht sofort ein, sollte der
Einsatz eines Clickers bei der Erziehung eines Vierbeiners keine
Rolle spielen.
Beim Clicker, diesem geheimnisumwitterten, ein Knack-Geräusch
verursachenden viereckigen Kästchen, handelt es sich um ein
Konditionierungsmittel. Wir könnten genauso Pawlows (1956)
Glockenton oder das schon erwähnte Öffnen eines Joghurtbechers
zum Konditionieren eines Hundes nutzen. Würde
man in der Öffentlichkeit ständig mit einem Gong oder einem Korb
voller Joghurtbecher herumhantieren, liefe man allerdings Gefahr, für
leicht verrückt erklärt zu werden. (Der Leser stelle sich einmal
bildlich vor, jeden Tag mit einem Korb gefüllt mit Joghurtbechern
über die Wiese zu rennen, um seinen Hund auf fröhliches
Herankommen zu konditionieren.) Egal, ob Gong oder Clicker:
Konditionierungstraining bedeutet stets eine Kombination aus akuter,
momentaner Dominanz (der Mensch setzt seinen Willen durch,
indem er jegliches unerwünschte Verhalten missachtet) und positiver
Verstärkung (der Mensch formt und belohnt ein gewünschtes
Verhalten). Stimmt das? Clickern hat etwas mit Dominanz zu tun?
Waren wir nicht generell gegen dominantes Handeln? Und nun das.
Clickertraining kann eine wunderbare Methode sein, Hunden über
eine subtile Art der Machtausübung etwas beizubringen. Clickern
kann jedoch ebenso eine psychische Belastung darstellen, wenn
man elementare biologische Grundbedürfnisse von Hunden
missachtet. Machtausübung? Ja, ja, ich weiß, eine solche Definition
weist man gern entrüstet von sich und sie kommt im Sprachschatz
vieler Hundepsychologen ganz bewusst nicht vor. Nur eins ist klar:
Wer „am Drücker“ sitzt, verhält sich akut dominant, was auch absolut
in Ordnung ist, solange man es nicht übertreibt. Wer einen konkreten
Zusammenhang zwischen Clickertraining und momentaner
Dominanzausübung grundsätzlich in Frage stellt, möchte den
Hundelaien offensichtlich auf Biegen und Brechen von dieser
Meinung überzeugen. Als Verfechter der sanften Welle mag er
eventuell den Hundelaien beeindrucken.
Nachdem der Clicker mit einem Sichtzeichen verknüpft wurde, reagiert ein Hund
danach allein auf das Sichtzeichen (Faust = Bellen).

Aufbau des Clickertrainings


Im ersten Schritt bietet man dem Hund Futter an, wartet auf einen
gewünschten Verhaltensansatz, clickt, was dem Hund die
Information „richtig“ vermittelt, und belohnt die Verhaltensausführung
mit Futter. Zur Umsetzung operanter Konditionierung hält man dem
Hund einen Stab in einigen Zentimetern Abstand vor die Schnauze,
bis er dessen Spitze berührt (click = Belohnung). Im zweiten Schritt
kann man den Abstand zwischen Stab und Hundenase schrittweise
vergrößern, bis der Hund die Spitze des Stabes eigenständig sucht
(click = Belohnung) und somit eine konditionierte Antwort zeigt. Im
dritten Schritt kombiniert man die Berührung des Stabes (click =
Belohnung) mit dem Hörzeichen „Touch“. Ist eine Verknüpfung
geschaffen worden, erweitert man den Abstand zwischen Stab und
Hundenase um einige Zentimeter, bis der Hund selbstständig den
Kontakt zur Stabspitze sucht.
In der Regel lernen Hunde einen konditionierten Zusammenhang
nach spätestens drei Tagen mit etwa fünf Übungsintervallen (jedes
Intervall maximal fünf bis zehn Minuten). Danach kann man den
Stab irgendwo in den Boden rammen, den Hund mit Hörzeichen
„touch“ dorthin schicken, die Spitze berühren lassen und ihn für
sofortiges Zurückkommen mit Futter belohnen. Besonders
Hütehunden gefällt dieses Spiel ausgezeichnet. Wir haben schon
Border Collies trainiert, die letztlich zwischen fünf verschiedenen
Stäben hin und her liefen, einen Riesenspaß hatten und vor allem
hervorragend ausgelastet waren.
Clickertraining hat etwas mit Machtausübung zu tun, schließlich ist der Mensch im
wahrsten Sinn des Wortes am „Drücker“ und manipuliert das Verhaltensinventar
des Hundes nach seinem Gutdünken. Trotzdem ist diese Trainingsmethode ein
sinnvoller Bestandteil der Verhaltenstherapie, wenn man unerwünschtes
Aggressions- oder Angstverhalten ignoriert und stattdessen neutrales oder
selbstsicheres Verhalten bestätigt und verstärkt.

Wozu der ganze Aufwand?


Radikale Gegner des Clickertrainings werden jetzt argumentieren:
„Alles Schnick-Schnack, alles Hokuspokus, ich mache mich doch
nicht zum Affen!“ Eines ist nicht zu bestreiten: Wer ein inniges
Verhältnis zu Tier und Natur hat und „Hund lebt“, indem er
kommunikationserfahren ist und die Grundbedürfnisse seines
Hundes befriedigt, braucht weder Clicker noch Disc-Scheibe oder
ein anderes Hilfsmittel. Natürlich muss man in der Lage sein, einen
Hund ordentlich zu sozialisieren und ihn so zu erziehen, dass er
zumindest die Grundkommandos beherrscht, ohne dabei auf alle
möglichen Hilfsmittel zurückzugreifen. In unseren hektischen Zeiten
ist es zur Mode geworden, uns wie Einzelkämpfer im Urwald von
Bolivien zu bewaffnen, um bloß für alle Eventualitäten gerüstet zu
sein. Auch Clicker muss man letzten Endes zu dieser Bewaffnung
zählen. Clickertraining pauschal als Unfug zu bezeichnen, ist
allerdings eine Extremposition, die ebenso unsinnig erscheint wie
„Junkie artiges“ herumclickern um jeden Preis. Warum nutzen wir
dieses Hilfsmittel nicht einfach, wenn wir es gut gebrauchen können,
freuen uns darüber, dass es im individuellen Fall gut funktioniert, und
üben ansonsten Verzicht aus, wenn es nur darum geht, Anschluss
an eine Modeerscheinung zu halten?
Letztlich meine ich: Wenn Menschen über den Umweg des
Clickertrainings wenigstens wieder lernen, bewusster auf ihre
Körpersprache zu achten und mit Hunden zu kommunizieren, ist das
allemal besser, als sich nur zu „Pinkelrunden“ aufzuraffen, weil man
sich weiter nicht vor die Tür traut. Wer allerdings aus Clickertraining
eine „Tralala-Veranstaltung“ macht und den Hund zum
Konditionierungsautomaten erzieht, nur weil man dies Medium
beherrscht (wie es derzeit leider vielerorts geschieht), „hat das
Wesen des Hundes“ laut E. Zimen (1998) nicht verstanden und
beraubt ihn ungewollt vieler Lebensfreuden! Ich schließe mich dieser
Meinung zu 100% an, hoffe auf Vernunft, wünsche allen Hunden
dieses Planeten rücksichtsvolle Sozialpartner und erläutere
nachfolgend einige von K. Pryor (1990) aufgestellte Regeln:
‣ Richtiges „Timing“ ist unerlässlich, deshalb clickt man nur beim
Ansatz eines erwünschten Verhaltens (Beispiel: Hund kommt = click
= Futter)!
‣ Man clickt grundsätzlich unabhängig vom gezeigten Verhalten nur
einmal!
‣ Man trainiert anfangs nur in einem ruhigen Raum ohne Störungen!
‣ Hat der Hund ein bestimmtes Verhalten gelernt, fügt man jedem
Click ein Hörzeichen zu!
Man kommandiert seinen Hund nicht herum, weil Clickertraining
nichts mit Befehlen zu tun hat.
‣ Hat man einmal mit dem Training begonnen, sollte der Clicker
jederzeit griffbereit sein. Hat man mehrere Hunde, muss jeder Hund
getrennt trainiert werden.
‣ Hat man einen schlechten Tag erwischt, verzichtet man
zwangsläufig auf jegliches Training.
‣ Kommt man mit dem Training nicht voran, clickt man unter
Umständen vielleicht zu spät und lässt zur Überprüfung besser eine
neutrale, mit dem System vertraute Person zuschauen.
‣ Der Hund lernt eine Verbindung zwischen dem konditionierten
Stimulus Click und dem unkonditionierten Reiz „Futter“ nur, wenn
man eine Zeitspanne von 0,5 bis 1,5 Sekunden einhält.
‣ Hat man den richtigen Zeitpunkt verpasst, nicht hinterher clickern,
sondern neu beginnen!
Kleine Anmerkung nebenbei: Meine kleinen „Parasiten“ Jasper,
Kashtin, Taiga, Raissa und Pjontek sind alle auf das
Schüttelgeräusch einer (mit Futter gefüllten) Kunststoffdose
konditioniert und rasen aus dem letzten Winkel unseres 10.000m²
großen Geländes selbst unter Ablenkungen sofort fröhlich heran.
Ohne Zwang und total selbstständig handelnd sind sie davon
überzeugt: „Am Anfang schuf Gott eine mit Leckereien gefüllte Dose,
schüttelte sie mit Himmelsgeläut und sprach unter dem Wohlgefallen
der Engel zum ersten Caniden unserer Erde: „Komm, Hund, und
guck mal hier.“ Jetzt weiß der Leser endlich, wie dieses Hörzeichen
entstand.

‣ Das bedeutet
Fazit nach R. Coppinger (2003): „Bis dieses Buch veröffentlicht
ist, werden auch positive Verstärkung und Clickertraining schon
wieder ein alter Hut sein. Unsere Sorge ist aber, dass
Tierpsychologen meist glauben, dass alle Tiere auf dieselbe
Weise lernen. Was bei einem Delphin gilt, gilt aus ihrer Sicht
daher auch für eine Ratte oder einen Hund.“ Wie auch immer wir
ein bestimmtes Trainingskonzept bewerten, möchte ich
hinzufügen – es kommt auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel an,
die wir zur Erziehung des Hundes einsetzen. Anstatt uns in
Gefechtsständen zu verbarrikadieren und gegenseitig zu
beschießen, nur um hinsichtlich moderner Hundeerziehung
„Recht“ zu haben, wäre es in unserer schnelllebigen Zeit viel eher
angebracht, Erfahrungen auszutauschen und von
unterschiedlichen Erkenntnissen zu profitieren. Dabei werden wir
garantiert des Öfteren unterschiedlicher Meinung sein. Ist das
etwas Schlimmes? Ich habe mich mit Eberhard Trumler, Erik
Zimen oder neuerlich mit Ray Coppinger konstruktiv gestritten,
dass sich die Balken bogen. Trotzdem war es möglich,
freundschaftlich miteinander verbunden zu bleiben. Was
Hundetrainer lernen müssen, ist eine kritische Streitkultur, ohne
Andersgläubige persönlich zu diskreditieren. Wer austeilt, muss
auch einstecken können, sagt der Volksmund.
Wassermethode und Signaltraining

„Wasser marsch!“, ist die Philosophie, wenn ein Hund schnell


aggressiv handelt. Einfach, simpel und mitunter schlicht genial.
Diese einfache Formel zu verallgemeinern birgt selbstverständlich
Risiken. Nicht jeder Hund zeigt eine unmittelbare Bereitschaft, sein
Aggressionsverhalten einzustellen, wenn er mit einigen Spritzern
Wasser konfrontiert wird. Nach E. Klinghammer (2002) beinhaltet
„agonistisches Verhalten alle Formen von Aggression inklusive
Verhaltensweisen der Unterwürfigkeit“.
Wir erinnern uns: Auch dem Rangniedrigen steht das Recht des
Protestes zu!
Doch Vorsicht: Einen offensiv aggressiven, kampferprobten Hund in
einer bestimmten Lebenslage durch den Einsatz von Wasser zu
provozieren, ist freilich keine so gute Idee und kann durchaus „in die
Hose gehen“. So sei der modebewusst Hosen tragende Leser
vorgewarnt, wenn er am territorial motivierten und bereits offensiv
drohenden Riesenschnauzer von nebenan achtlos vorbeigehen will
und blauäugig keine Eskalation der Situation ins Kalkül zieht.
Dennoch: Bedienen wir uns konstruktiv einer Wasserpistole, einer
Einwegspritze oder einer Blumenspritze, um ausgeprägte
unerwünschte Verhaltensweisen von defensiv aggressiven Hunden
zu unterbrechen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Dem Leser sei
versichert: Meistens gewinnt er!

Übungsaufbau
Man nehme also seinen Hund an eine höchstens 5m lange Leine
und marschiere fröhlich los, bis er durch einen Umweltreiz abgelenkt
wird. Separat übt man das „himmlische“ Hörzeichen „Guck mal hier“
(= Belohnung) ein. Selbstverständlich hält man die geladene
Wasserpistole diskret versteckt, bis die Gelegenheit günstig
erscheint, kommentarlos auf die Ohren des Hundes zielen zu
können. Kommentiert der Hund seinen Verhaltensabbruch durch
typisches Kopfschütteln („Mann, das nervt!“), dreht man sich von ihm
weg und ermuntert ihn durch oben genannte Hörzeichen
heranzukommen. Bei der ganzen Übung verhält man sich
körpersprachlich so unauffällig wie irgend möglich und vermeidet
jegliche „Billy-the-Kid-Pose“. So weit, so gut. Es mag belanglos
erscheinen, zu erwähnen, dass man die Ohren auch trifft. Ja, lieber
Leser, ich weiß, mit dem Treffen ist das so eine Sache. Übung macht
den Meister, deswegen empfiehlt es sich, die eigene Treffsicherheit
zuvor an diversen Gegenständen zu überprüfen, ohne den Hund zu
nerven! Die gute Nachricht ist, dass es Wasserpistolen mit
drehbarem Kopf gibt, die praktisch um die Ecke herum „schießen“.
Ist das nicht toll?

Der Spiegeltrick
Um den Hund noch besser auszutricksen, verwendet man einen
Kosmetikspiegel, sodass man dem Hund nicht frontal
gegenüberstehen muss, sondern dessen Handlungen relativ
inkognito observieren kann, getreu dem Motto: „Kombiniere,
Kombikiste.“ Über die Jahre hinweg haben uns Kosmetikspiegel
schon sehr oft geholfen. Auch zur Einübung des Hörzeichens „Platz,
bleib“ kann man den Hund ablegen, dann selbst hinter einer
Hausecke verschwinden und über den kleinen Spiegel prüfen, ob er
tatsächlich auch liegen bleibt. Sobald man feststellt, dass er sich
unbeobachtet fühlt und aufstehen will, zeigt man kurze Präsenz,
wiederholt das gegebene Hörzeichen und versteckt sich wieder
hinter der Hausecke. Wiederholt man diese Übung unter
Zuhilfenahme des Spiegels, erreicht man innerhalb recht kurzer Zeit
einen sehr zuverlässigen Gehorsam, schließlich ist man einerseits
unsichtbar, erkennt aber andererseits doch Dinge, die der Hund nicht
richtig einordnen kann.
Beispiele zur Wassermethode
Beispiel 1 Ein Hund zeigt Imponierverhalten oder Aggressionen
gegenüber Artgenossen, plustert sich wie ein Pfau auf und fragt:
„Was kostet die Welt?“ Daraufhin beachtet man seine Körpersprache
sehr genau und setzt die Wasserpistole ohne jeden Kommentar just
dann ein, wenn der Hund entweder fixiert, imponiert oder gerade
anfängt zu knurren oder zu bellen! Man bleibt natürlich ruhig und
gelassen, bis der Hund deutliches Meideverhalten im Ansatz zeigt.
Man kommentiert dieses Verhalten keinesfalls, sondern dreht sich
ignorierend um. Wichtig ist, die Körpersignale des Hundes präzise
zu deuten, um ihn nicht unnötig zu verwirren. Natürlich wird der
Hund entweder gähnen oder uns eine allgemeine Mimik der
Dramatik vermitteln wollen. Fallen Sie darauf bloß nicht herein! Dem
Hund passt nur nicht, dass er nicht machen kann, was er will. Sobald
Sie nachgeben, geht das ganze Spektakel wieder von vorn los.
Haben Sie einen kleinen Wasserstrahl abgefeuert, vollziehen Sie am
besten eine Körperdrehung um 90 Grad und gehen bitte völlig
kommentarlos Ihres Weges. Hilfreich ist sicherlich, die Drehung mit
dem Hörzeichen „Guck mal hier“ zu verbinden, woraufhin man dem
Hund die Möglichkeit gibt, sich am Menschen zu orientieren, anstatt
Artgenossen anzugiften.
Konfrontiert man einen Hund mit einigen kleinen Wasserspritzern auf seine Ohren,
unterbricht er normalerweise sein momentanes Verhalten sofort und schüttelt sich
erst einmal. Diese harmlose Schrecksekunde des Verhaltensabbruchs lässt sich
wunderbar nutzen, um einen Hund von Unarten abzuhalten und seine ungeteilte
Aufmerksamkeit auf den Menschen zu lenken. Sind zwei Hunde in eine ernsthafte
Auseinandersetzung verwickelt, hilft ein Eimer Wasser fast immer, ihre
Streitigkeiten im Keim zu ersticken und abrupt zu beenden.

Beispiel 2 Ein Hund nervt beim Autofahren, indem er Artgenossen


oder Passanten anblafft. Daraufhin stellt man einen
Feuchtigkeitszerstäuber auf die Mittelkonsole des Autos und spritzt
einen Wasserstrahl in Richtung Hundeohren, sobald der Hund
anfängt zu bellen. Da die ganze Aktion dem Hund nicht verborgen
bleibt (na, wie auch), zeigt man ihm den Zerstäuber und stellt ihn
wieder auf die Konsole zurück (Signal). Bleiben Sie auch in dieser
Situation hartnäckig. Fahrradfahrer an einer auf Rot geschalteten
Ampel vom gesicherten Auto aus zu erschrecken und sie in leichte
Panik zu versetzen (besonders bei halb geöffnetem Fenster)
bedeutet für den Hund schließlich einen
Riesenspaß, auf den er ungern verzichtet. Bieten Sie Ihrem Hund
ein alternatives „Sitz“ an und beantworten Sie dessen Ausführung
freundlich und zufrieden. Nach mehreren Übungen verknüpft man
Blickkontakt und Zerstäuber mit dem Hörzeichen „Wasser“
(lusthemmendes Signal), woraufhin der Hund ein Alternativverhalten
zeigt, ohne dass man sprühen muss (konditionierte
Vermeidungsantwort). Aber Vorsicht: Für Hunde, die beim
Autofahren generell ängstlich oder äußerst erregt und grundsätzlich
unruhig reagieren, ist die Wassermethode nicht geeignet. Hier
empfiehlt sich eher ein Gespräch mit dem Tierarzt.
Beispiel 3 Ein Hund markiert den Türrahmen eines Schlaf- oder
Esszimmers zur Untermalung seines Ressourcenanspruches mit
Urin, was ich persönlich schon mehrmals erlebt habe. Hunde
grenzen ihnen wichtig erscheinende Ressourcen auch durch
Markierverhalten ab und überprüfen so, ob wir Menschen dieses
Verhalten zur Kenntnis nehmen oder nicht. Einige Hundeexemplare
sind besonders frech, indem sie sogar „das Bein heben“, obwohl der
menschliche Sozialpartner direkt daneben steht. Ist es schon so weit
gekommen, nutzt auch kein Türenschließen mehr etwas, weil der
Hund selbst dann noch den Türrahmen als markanten Fixpunkt
betrachtet, den es anzusteuern gilt, um Durchsetzungswillen zu
demonstrieren. Das Schlimmste ist, nur von dessen „Unsauberkeit“
auszugehen und nicht den Ernst der Lage zu erkennen und das
(beispielsweise) Schlafzimmer zur absoluten Tabuzone zu erklären.
In diesem Zusammenhang ist es wirkungsvoll, wenn man einen
Plastikbecher auf ein fest montiertes Brett über dem Türrahmen stellt
und den Becher einige Male möglichst unauffällig über eine Schnur
herabfallen lässt, bevor der Hund das besagte Zimmer betritt. Doch
achten Sie bitte genau auf den richtigen Zeitpunkt und vermeiden
Sie, dass der Hund Ihnen „durchflutscht“. Er soll sich erschrecken,
wenn er das Zimmer betreten will.
Nach mehreren Wiederholungen reicht das Signal „Becher mit
Schnur“ aus, damit der Hund das entsprechende Zimmer meidet.
Richten Sie dem Hund auf jeden Fall einen „unfallsicheren“
Alternativplatz ein, wo er seine Ruhe hat und ungestört ist.

Beispiel 4 Selbstverständlich kann man die Regeln des


Signaltrainings auch im positiven Sinne anwenden, indem man
einem Hund beispielsweise eine Flasche, einen Becher oder einen
Karton zeigt, das jeweilige Utensil gut sichtbar im Zimmer aufstellt
und auf das Verhalten des Hundes nur reagiert, wenn er es anschaut
(Blickkontakt = Zuwendung). Daraufhin steht man auf, räumt das
Utensil kurzzeitig weg und beschäftigt sich mit dem Hund sehr
intensiv. Diese Übung ist sinnvoll, wenn man erreichen will, dass
sich der Hund nicht auf eine Person konzentriert (jammern, fiepen),
sondern nur über eine Signalgebung lernt, Aufmerksamkeit zu
bekommen. Natürlich könnte man ihn auch einfach ignorieren, was
aber vielen Menschen unglaublich schwer fällt. Generell gilt es,
schnelle Abläufe zu schaffen und den Hund keinesfalls zu
überfordern. In Bezug auf ignorantes Verhalten sei hier deutlich
klargestellt, dass gezielt zu handeln ist. Manche Hundetrainer
schlagen nämlich vor, den Hund über mehrere Tage hinweg nicht zu
beachten, was meiner Meinung nach nichts anderes als soziale
Isolation bedeutet. Unabhängig davon ist langes Ignorieren
überhaupt nicht umsetzbar, denn schließlich muss der Hund
irgendwann einmal nach draußen oder sein Futter bekommen. Es ist
unendlich wichtig, sich die Bedeutung von ignorantem Verhalten und
den unterschiedlichen Perspektiven zwischen Ignoranz und Isolation
deutlich zu machen. Ein Blick, ein körperliches Abwehren oder
Wegdrücken, vor allem eine kurze Ansprache à la: „Ich kümmere
mich jetzt nicht um dich!“ haben mit ignorantem Verhalten nichts,
aber auch gar nichts zu tun!
Bach-Blüten und Tellington-Touch

Vorweg genommen sei, dass der Einsatz von Bach-Blüten oder


Tellington-Touch nicht als Experiment durchgeführen werden darf.
Bei Bedarf ist ein geeigneter Fachmann aufzusuchen. Deshalb
möchte ich hier nur am Rande auf diese Therapiemöglichkeiten
hinweisen. Mit freundlicher Genehmigung der Hundetrainerin
Susanne Kaufmann, die Ferry und Peggy damals trainierte, hier also
zwei klassische Fallbeispiele.

Fallbeispiel 1 – Unruhe, ständiges Bellen


Ferry war eine unerzogene, quirlige, zart gebaute, sehr
temperamentvolle Westhighland-White-Terrier-Hündin, die sich mit
sehr viel Gebell bemerkbar machte. Zudem war sie mit zehn
Monaten noch nicht zuverlässig sauber. Ihre Besitzer brachten sie
zur Erziehung zu uns, wobei sie gleichzeitig mit den ersten leichten
Übungsintervallen dreimal täglich fünf Tropfen der Mischung Rescue
Remedy und Scieranthus bekam. Diese Mischung gibt man in einer
zehntägigen Basistherapie, um das innere Gleichgewicht
herzustellen und den Hund aufnahmefähig für die weitere
Behandlung zu machen.
Danach stellte ich für Ferry die Mischung aus Beech und Chicory
zusammen. Beech ist die Bach-Blüte für Tiere, die ein sehr starkes
Selbstbewusstsein haben und bei denen alles nach ihrem Willen
geschehen muss. Falls das nicht funktioniert, reagieren sie mit
übermäßigem Bellen oder Protestpinkeln. Chicory habe ich
zusätzlich wegen des übertriebenen Kläffens und der Unruhe
eingesetzt. Chicory ist die Blüte für Hunde, die immer die ganze
Aufmerksamkeit ihrer Umgebung verlangen und dies durch Kläffen,
Winseln und unruhiges Verhalten zu erreichen versuchen.
Gleichzeitig setzte ich einen Tellington-Touch (Wolkenleopard) ein,
um den Hund leichter an ein Kopfhalfter gewöhnen zu können. Bei
dem Versuch, Ferrys Fell zu pflegen, stellte ich fest, dass sie
Tobsuchtsanfälle bekam, wenn sie eine Bürste nur von weitem sah.
Also auch hier der Einsatz des oben genannten TTouches.
Schon nach der zweiten Woche war eine deutliche Verbesserung
des Allgemeinverhaltens zu beobachten. Ferry war sehr viel
ausgeglichener, und das Kläffen hatte sich schon deutlich reduziert.
Nach drei Wochen war sie sauber und ließ sich mit Genuss bürsten.
Am Kopfhalfter ließ sie sich sicher und ruhig durch die Stadt führen
und bei einem Cafébesuch lag sie entspannt unter dem Tisch.
Weitere zwei Wochen verwendete ich dazu, sie auch ohne Leine
unter Ablenkung durch Schafe, andere Hunde und Jogger zu
trainieren. Mittlerweile war Ferry ein so lieber und fröhlicher Hund
geworden, dass auch diese Übungen für sie leicht zu meistern
waren. Ferry hat ihre Verwandlung bis ins hohe Alter beibehalten.
© Jodi Frediani
Die Umsetzung des TTouch’s oder die Verwendung von Bach-Blüten wollen
gelernt sein. Beide Therapieformen können erfolgreich sein, um Hunden mehr
Selbstsicherheit zu vermitteln, um Ängste, Aggressivität, Frustration oder Wut
abzubauen, um einschneidende Erlebnisse besser zu verarbeiten, fehlende
Ausgeglichenheit neu aufzubauen oder ihnen mehr Entspannung zukommen zu
lassen.

Fallbeispiel 2 – Unsicherheit, Ängstlichkeit


Nach einem vorangegangenen Telefongespräch kam die Besitzerin
Frau M. mit einer Freundin und Briardhündin Peggy zu mir. Schon
am Telefon hatte sie mir ihre Probleme geschildert. Sie hatte Peggy
im Alter von zwölf Wochen als Letzte des Wurfes von einem Züchter
gekauft. Frau M. lebte mit Mann und zehnjähriger Tochter im
eigenen Haus, in dessen Erdgeschoss sie einen Kosmetiksalon
führte. In diesem hielt sich der Hund tagsüber auf. Vom Welpenalter
an war Peggy sehr scheu und ließ sich nicht von Fremden anfassen
oder zum Spielen animieren.
Auch die Freundin, die den Hund regelmäßig zum Spazierengehen
abholte, durfte sie zwar an der Leine führen, jedem
Annäherungsversuch wich die Hündin jedoch ängstlich aus. Bei
weiterem Hinterfragen stellte sich heraus, dass auch Peggys Schlaf
sehr angespannt war, sie beim kleinsten Geräusch hochfuhr und
sich nur sehr langsam wieder beruhigte. Im Kosmetiksalon
entspannte sie sich gar nicht. Sie lag die meiste Zeit wie eine Sphinx
da und beobachtete ihre Umgebung genau. Als Frau M. mit ihrer
Freundin und einer zögernden Peggy das Büro betraten, ließ ich sie
als Erstes die Hündin ableinen. So konnte sie das Büro frei
untersuchen und feststellen, dass ihr keine Gefahr drohte. Natürlich
beäugte sie mich misstrauisch und näherte sich mir nicht. Ich
schenkte ihr keine Beachtung, sondern unterhielt mich mit den
Damen. Nach ca. 15 Minuten war der Raum eingehend
abgeschnüffelt und Peggy legte sich Frau M. zu Füßen, wobei sie
mir ihr Hinterteil präsentierte.
Sie hechelte stark und ab und zu lief ein Zittern über den ganzen
Körper. Ganz langsam näherte ich, ohne die Unterhaltung zu
unterbrechen, meinen rechten Fuß dem Hund, bis ich sie schließlich
berührte. Nachdem der Hund sich an diese konstante Berührung
gewöhnt hatte, tauschte ich im Zeitlupentempo meinen Fuß mit
meiner rechten Hand. Ich begann nun mit leichten, schnellen
Kreisen über die ganze Hinterhand zu streichen. Peggy sah mich
irritiert an – empört über meine Unverfrorenheit, sie anzufassen –,
wagte aber nicht, sich zu bewegen. Die Unterhaltung mit Frau M.
war in einen leisen Singsang übergegangen, wobei ich ihr erklärte,
was ich machte, und ihr dann sagte, dass ich mich jetzt nur noch mit
Peggy beschäftigen würde und erst nach Beendigung des TTouches
wieder für sie da wäre.
Langsam ließ ich mich von meinem Stuhl auf den Boden neben
Peggy gleiten, deren Augen immer noch weit aufgerissen waren und
die wohl absolut fassungslos über meine Unverschämtheit war. Sie
hechelte nach wie vor sehr stark, auch das Zittern hatte sich
verstärkt. Sie schien wie gelähmt. Ich legte nun auch die andere
Hand an den Hund und begann mich mit schnellen kreisenden
Bewegungen den Rücken und Brustkorb hinaufzuarbeiten. Ich
verwendete den Basis-Touch, den Wolkenleopard. Als ich mich dem
Kopf näherte, wurde Peggy unruhig, und so entfernte ich mich
wieder mit meiner Hand und arbeitete an Brustkorb und Rücken.
Während der ganzen Zeit summte oder sprach ich leise mit ihr. Nach
und nach wurde das Zittern schwächer und das Hecheln ging in eine
regelmäßige Atmung über.
Nach 15 Minuten entspannte sich Peggy so weit, dass sie sich auf
die Seite legte, und nach weiteren fünf Minuten legte sie auch ihren
Kopf auf den Boden. Ich konnte jetzt kleine TTouches am Kopf und
an den Ohren machen, den so genannten Waschbär-Touch. Das
Zittern hatte ganz aufgehört und die Atmung war ruhig. Der Hund
schloss öfter die Augen. Das war für mich der Zeitpunkt aufzuhören.
Ich strich mit beiden Händen am ganzen Körper der Hündin entlang
und verabschiedete mich so von ihr. Langsam erhob ich mich und
setzte mich auf meinen Stuhl.
Natürlich war Peggy jetzt noch nicht geheilt, und ich hätte sie gern
länger da gehabt, um weiter mit ihr zu arbeiten, aber der Anfang war
gemacht und es hatte sich gezeigt, dass sie sehr gut auf den TTouch
reagierte. Da Frau M. mehrere Stunden Autofahrt hinter sich hatte
und nicht jeden Tag zu einem Training kommen konnte, riet ich ihr,
einen Tellington-Touch-Kurs zu besuchen oder sich anhand des
Buches selbst weiterzubilden. Sie sollte sich Zeit nehmen und Peggy
regelmäßig touchen und später den Hund auch von ihrer Freundin
touchen lassen. Außerdem empfahl ich ihr dringend einen
Erziehungskurs, da Peggy noch keinerlei Ausbildung genossen
hatte. Des Weiteren waren natürlich auch Verhaltensveränderungen
vonseiten der Familie notwendig.
So sollte keinesfalls mehr auf das ängstliche Verhalten des Hundes
eingegangen werden, um dieses nicht weiter zu bestätigen und zu
verstärken. Zeigte der Hund von sich aus das erwünschte Verhalten,
wie z.B. selbstständiges Annähern an die Freundin, so sollte dieses
mit Leckerchen und Lob bestätigt werden.
Nach ungefähr vier Monaten rief Frau M. nochmals an und
berichtete, dass mit dem Besuch eines Hundeerziehungskurses und
dem regelmäßigen Touchen ein deutlicher Erfolg zu sehen sei.
Peggys Allgemeinzustand sei sehr viel ausgeglichener, ihr Schlaf
ruhiger, und sie schrecke nicht mehr bei jedem Geräusch hoch. Die
Freundin konnte sie jetzt gut anfassen, und sie näherte sich
vereinzelt auch schon mal neugierig Kunden. Am deutlichsten zeigte
sich die Veränderung allerdings in ihrem Spielverhalten: Hatte sie
bislang kaum – und wenn, dann nur kurz – gespielt, so tobte sie jetzt
mit der Tochter durch den Garten.
Die Laserpointer-Methode

Hunde lernen ein Leben lang, auf neue Umweltsignale zu achten


und sie in ihre Handlungen einzubeziehen. Dabei haben sie eine
besondere Fähigkeit entwickelt, Signale, die für sie keine große
Bedeutung haben, zu missachten, während sie dem Ursprung von
reizvoll erscheinenden Signalen gern auf den Grund gehen. Hunde
sind von Natur aus unwahrscheinlich neugierig. Etwas zu verpassen,
was interessant erscheint, ist für jeden normal veranlagten Hund
absolut indiskutabel. In einer kürzlich im kanadischen Fernsehen
ausgestrahlten Sendung zum Thema „professionelles Hundetraining“
berichtete man sehr ausführlich darüber, wie man Laserpointer in ein
tägliches Beschäftigungsprogramm einbauen kann. Skeptisch, wie
ich bin, verwarf ich diese Idee zunächst, weil von Laserpointern
logischerweise auch eine Gefahr ausgehen kann.
Aber auch ich bin sehr neugierig. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich
setzte mich ins Auto, fuhr extra in die hundert Kilometer entfernte
Großstadt Calgary und kaufte mir ein solches Wundergerät. Mein
Hund Jasper kennt mittlerweile sämtliche Trainingsmethoden „aus
dem Eff-eff“, sei es nun Clickern, Apportieren oder was auch immer.
Jasper ist immer der Erste, der dran glauben muss, wenn sein
„Herrchen“ wieder einmal eine supertolle Idee hat. Er trägt sein
Schicksal mit Fassung und „kooperiert“, auch wenn er mich hier und
da fassungslos anschaut und sicherlich denkt: „Um Gottes willen,
jetzt kommt dieser Spinner wieder an, um mich irgendwie zu
malträtieren.“
Nach den Lehren des Fernsehmoderators peilte ich mit dem
Laserpointer anfangs einige Fixpunkte an, um zu testen, ob mein
Hund darauf reagieren würde. Von dem so anvisierten Baumstumpf
ging für meinen Hund eine geradezu magische Wirkung aus. Er
rannte los und untersuchte die Lichtquelle augenblicklich. Als
Nächstes legte ich verschiedene Futterbrocken aus, wenn Jasper
gerade abgelenkt war. Sobald er sich in meine Richtung orientierte,
strahlte ich einen Futterbrocken mit dem Laserpointer an, lenkte
seine Aufmerksamkeit auf diesen Fixpunkt und siehe da: Er fand den
Futterbrocken schneller als gewöhnlich. Es folgte Wiederholung auf
Wiederholung und Jasper zeigte an diesem Spiel außerordentlichen
Gefallen.
Wir übten eine ganze Woche lang, bis Jasper gespannt darauf
wartete, von mir bestimmte Fixpunkte angezeigt zu bekommen und
darauf eine konditionierte Antwort geben zu können. Natürlich
achtete ich sorgfältig darauf, den Laserstrahl niemals auf und in
seine Augen zu richten. Dieses Unterfangen gestaltete sich sehr
einfach, indem ich die Grundregel beherzigte, nur Fixpunkte
anzustrahlen und das Lasergerät sofort auszuschalten, wenn Jasper
Gefahr lief, in Blickkontakt mit dem Strahl zu geraten. Nach einer
weiteren Woche gab ich während gemeinsamer Spaziergänge die
beabsichtigte Laufrichtung vor, wenn wir auf eine Weggabelung
stießen. Auch hier das gleiche Resultat: Ein kurzer Laserstrahl und
Jasper folgte der angezeigten Richtung sofort. Etliche
Wiederholungen verdeutlichten schnell, dass er dieses neue
geräuschlose Signal in seinen Handlungsablauf einbezog. Die
meisten Erkenntnisse über Signaltraining basieren auf der Tatsache,
dass Hunde die Eigenschaft besitzen, Verhaltensverknüpfungen zu
schaffen, wann immer es ihnen sinnvoll erscheint. Was den
Gebrauch von Laserpointern angeht, schien es zumindest meinem
Hund nicht an Interesse zu mangeln, sein Verhalten danach
auszurichten. Experimente mit anderen Hunden aus der
Nachbarschaft führten zu sehr ähnlichen Ergebnissen.

Einsatz von Laserpointern


Das Training mit Laserpointern kann unabhängig von Alter,
Geschlecht oder Rasse eines Hundes durchgeführt werden. Doch
wieder einmal handelt es sich um ein Konditionierungshilfsmittel
unter vielen anderen. Weitere Tests werden zeigen, inwieweit diese
neue Trainingsmethode zur Anwendung kommen kann. Im
kanadischen Fernsehen zeigte man sehr eindrucksvoll, wie Border
Collies innerhalb von Flughafengeländen mittels Laserpointer auf gut
getarnte Vögel fixiert werden, die sie dann regelmäßig
verscheuchen, um einen reibungslosen Flugverkehr ohne
Kollisionen mit Vögeln garantieren zu können. Die Laserpointer
kommen dann zum Einsatz, wenn die Windrichtung ungünstig ist
und Hunde die Bodenhocker geruchlich nicht auffinden können.
Border Collies setzt man auf nordamerikanischen
Flughafengeländen zwar seit vielen Jahren mit großem Erfolg ein,
die Erfolgsquote war aber bisher immer von Wetterbedingungen
abhängig. Seit dem gezielten Einsatz von Laserpointern hat sich das
Bild schlagartig verändert. Die tägliche Arbeit mit den Hunden ist
nicht mehr abhängig von Witterungsbedingungen, sondern kann
nunmehr unter Einbeziehung von optischen Signalen durchgeführt
werden.
Verhaltensprobleme von A bis Z

Hunde sind Individualisten, sodass es keine Pauschalregeln für ihre


Erziehung geben kann. Die nachfolgend aufgeführten
Lösungsvorschläge können in erster Linie nur die
Verhaltenssymptome beheben. Treten trotz Beseitigung von
Beschäftigungslosigkeit, Kommunikationsdefizite oder Probleme in
der Sozial- und Futterrangordnung auf, ist die Konsultation eines
Beraters unumgänglich. Im Übrigen sind alle nachfolgenden
Lösungsvorschläge als Ergänzung zu den bereits besprochenen
Erziehungsmethoden gedacht.

Probleme im Haus/Lösungsvorschläge

Anspringen von Personen


‣ Man ignoriert den Hund, bis seine Motivation erlahmt und er sich
letztlich selbstständig hinsetzt (Sitz = Futter).
‣ Man hält die beiden Vorderpfoten des anspringenden Hundes fest,
bis er sich dagegen wehrt, und lässt ihn dann los. Der Hund wird auf
die Erde fallen, was man nicht kommentiert, bis er ein
belohnungswürdiges Alternativverhalten zeigt.
‣ Man kommentiert das Anspringen des Hundes mit einer
Körperdrehung um 90 Grad, bleibt dann stehen und vermittelt das
Hörzeichen „Sitz“, dessen Ausführung belohnt wird.

Aufreiten des Hundes


‣ Der Hormonhaushalt muss von einem Tierarzt überprüft werden.
‣ Man ignoriert den Hund, dreht sich um und entfernt sich
kommentarlos von ihm.
‣ Man wendet einen Schnauzgriff an, verbindet dies mit dem
Hörzeichen „Aus“ und belohnt ein Alternativverhalten (Sitz = Futter).
‣ Man streift dem Hund kommentarlos eine Pudelmütze über den
Kopf, dreht sich um und entfernt sich vom Hund.

Hörzeichen „Platz, bleib“


‣ Man lässt den Hund unter einem Stuhl hindurchkriechen, bietet auf
der gegenüberliegenden Seite Futter an und belohnt ihn fürs
Hinlegen. Die Zeitintervalle bis zur Belohnung muss man langsam
erhöhen.
‣ Man deckt mit einer Hand Futter auf dem Boden ab, wartet, bis
sich der Hund legt, und nimmt die Hand fort. Die Zeitintervalle bis zur
Belohnung muss man langsam verlängern.
‣ Man umarmt den sitzenden Hund, verlagert den eigenen Körper
auf den Hund und lässt ihn in die „Platz“-Position gleiten, woraufhin
eine Belohnung erfolgt.
‣ Man lässt den Hund unter einem angewinkelten Bein
durchkriechen, bietet auf der gegenüberliegenden Seite Futter an
und belohnt ihn fürs Hinlegen. Zeitintervalle bis zur Belohnung
wiederum langsam verlängern.
Die Unterordnung des Hundes sollte man nicht primär als Rangordnungsprozedur
verstehen, sondern als Notwendigkeit, seinen Bewegungsradius vorausschauend
so zu begrenzen, dass Gefahren von ihm abgehalten werden können. Bei der
Umsetzung des Hörzeichens „Platz“ ist dringend auf die unterschiedliche
Wetterfühligkeit von Hunden zu achten: Manche Vierbeiner verweigern diese
Anordnung nicht aus Ungehorsam, sondern aufgrund des Unbehagens, das sie
empfinden, wenn sie sich auf nassem Boden hinlegen sollen. Hier bietet sich als
Alternative die Einübung des Hörzeichens „Steh“ an.

Türen öffnen oder an einer Tür kratzen


‣ Man stellt die Türklinke senkrecht oder ersetzt sie durch einen
Drehknopf, sodass der Hund die Tür nicht mehr öffnen kann.
‣ Man versteckt sich hinter der Tür und korrigiert den
Verhaltensansatz des Türöffnens durch einen strengen Blick und das
Hörzeichen „Nein“.
‣ Man nutzt jede Art der Objektverknüpfung, damit der Hund auf
Türen eine Vermeidungsantwort gibt. So hilft manchmal ein am
Türrahmen befestigter Luftballon, der platzt, sobald der Hund seine
Unart umsetzen will.
‣ Man montiert einen Lautsprecher über der Tür und korrigiert den
Verhaltensansatz von einem anderen Zimmer aus mit dem
Hörzeichen „Nein“.

Urinieren oder Koten in der Wohnung


‣ Man gewöhnt den Hund an eine Transportbox und führt ihn nach
draußen, sobald er sich bemerkbar macht.
‣ Man gewöhnt den Hund daran, auf eine Zeitung zu urinieren,
verkleinert schrittweise den Zeitungsumfang und legt die Zeitung in
kleinen Schritten näher in Richtung Tür, bis der Hund gelernt hat,
draußen auf eine Zeitung zu urinieren. Im letzten Übungsschritt
nimmt man die Zeitung ganz weg.
‣ Man lässt den Hund von einem Tierarzt untersuchen, um
krankheitsbedingtes Fehlverhalten ausschließen zu können.
‣ Markiert der Hund spezielle Dinge in der Wohnung (Napf,
Eingänge, Vorratsbehälter, Decken oder Kissen usw.), führt man
eine ausführliche Ressourcenkontrolle durch, um festzustellen,
welche Ressource dem Hund derart wichtig ist, dass er sie
markierend beansprucht.
‣ Man ignoriert jegliches „Begrüßungspinkeln“ und belohnt in kleinen
Schritten jedes selbstbewusste Körpersignal des Hundes.

Wassernapf umwerfen
‣ Man kauft dem Hund einen Spezialnapf mit Saugnoppen.
‣ Man lässt den Hund nur noch an einer bestimmten Stelle des
Hauses trinken und füllt den Wassernapf nur so viel, wie der Hund
auf einmal trinkt.
Probleme im Außengelände/Lösungsvorschläge

Ziehen an der Leine


‣ Man kauft eine Flexileine, konditioniert den Hund in kleinen
Schritten auf das Einrastgeräusch der Leine und bleibt jedes Mal
stehen, wenn er anfängt zu ziehen. Man geht nur weiter, wenn die
Leine locker ist.
‣ Man führt mit dem Hund ein intensives Kopfhalftertraining durch
und belohnt nur ruhiges Verhalten.
‣ Man konzentriert den Hund auf ein Spielzeug oder auf eine
Futtergabe.
‣ Man übt mit dem Hund viele Linkskreise ein, bedrängt ihn, sobald
er anfängt zu ziehen, und belohnt nur neutrales, kommunikatives
Verhalten.
‣ Man arbeitet im Ausnahmefall über das Leinenrucksystem und
achtet darauf, dass die Leine keinesfalls auf Spannung gehalten
wird.

Angst vor dem Autofahren


‣ Man führt eine genaue Analyse durch, wovor der Hund Angst hat.
‣ Man führt ein Desensibilisierungstraining durch (Hund im Auto
füttern, Hund bei laufendem Motor füttern, mit Hund nach kurzer
Autofahrt spazieren gehen etc.).
‣ Man gewöhnt den Hund an einen Sicherheitsgurt.
‣ Man platziert während der Autofahrt eine Begleitperson auf dem
Rücksitz.
‣ Man bringt an den Autoscheiben Sichtfolien oder Fensterrollos an.
‣ Man gewöhnt den Hund an eine Transportbox und lässt ihn darin
während aller Autofahrten mitfahren.

Bereits der Welpe sollte frühzeitig lernen, dass Autofahren zum Alltag gehört.
Anfangs ist es sinnvoll, nur einige hundert Meter zu fahren und im Anschluss
daran einen kleinen Spaziergang zu unternehmen oder dem Hund ein Spiel mit
Artgenossen zu ermöglichen. Die meisten Hunde freuen sich, uns im Auto
begleiten zu dürfen, und halten sich hier gern auch einmal mehrere Stunden auf.
Immerhin besser, als zu Hause allein zu bleiben! Der verantwortungsvolle
Hundebesitzer achtet aber auf die jeweilige Tagestemperatur, denn ein Auto kann
sich sehr schnell aufheizen.

Nur auf Befehl aus dem Auto springen


‣ Man vermittelt dem Hund das Hörzeichen „Platz“ und lässt ihn nur
auf das Hörzeichen „Hopp“ herausspringen.
‣ Man bindet den Hund im Auto fest, übt das Hörzeichen „Sitz“ ein
und lässt ihn an der Leine aus dem Auto steigen.
‣ Man platziert eine Hilfsperson im Auto, die über eine Leine auf den
Hund einwirkt, sodass der Besitzer vorher aussteigen kann.
‣ Man schließt die Tür jedes Mal rasch, bevor der Hund aus dem
Auto steigen will. Alternativverhalten belohnen (Sitz = verbales Lob,
Hopp = Futter).

Bellen in öffentlichen Lokalen


‣ Man verstärkt über ein Kopfhalfter die Bereitschaft des Hundes zur
Kommunikation.
‣ Man hängt eine Jacke über einen Stuhl und lässt den Hund
dahinter abliegen.
‣ Man trainiert den Hund über das Disc-Training und beeinflusst den
Verhaltensansatz des Bellens. Alternativverhalten Platz = Futter.
‣ Man konditioniert den Hund auf eine Knistertüte und belohnt das
Alternativverhalten Sitz mit Futter.

Müll von der Straße aufsammeln


‣ Man wirft einige Knallerbsen oder eine Disc-Scheibe auf den
Boden, wenn der Hund einen Verhaltensansatz zum
Müllaufsammeln zeigt.
‣ Man führt den Hund über ein Kopfhalfter und beeinflusst den
Verhaltensansatz des Müllaufsammelns.
‣ Man gewöhnt den Hund an einen Maulkorb und belohnt jedes
Alternativverhalten.

Ständiges Markieren auf dem Spaziergang


‣ Man lenkt den Hund im Verhaltensansatz durch ein Spielzeug oder
über eine Futtergabe ab.
‣ Man lässt den Hormonhaushalt vom Tierarzt überprüfen.
‣ Man geht schnell weiter, sobald der Hund einen Verhaltensansatz
zum Markieren zeigt.
‣ Man konditioniert den Hund auf das Hörzeichen „Nein“ und belohnt
ein Alternativverhalten mit Futter.
‣ Man lässt den Hund im normalen Rahmen markieren und ignoriert
ihn dabei.

Zerren an der Leine / Beißen in die Leine


‣ Man bleibt stehen und ignoriert den Hund so lange, bis er ein
neutrales Verhalten zeigt.
‣ Man besprüht die Leine mit Pfefferspray und ignoriert den Hund,
wenn er in die Leine beißt.
‣ Man lenkt den Hund durch ein Spielzeug oder über eine
Futtergabe vom Leinenbeißen ab.
‣ Man konditioniert den Hund auf das Hörzeichen „Nein“ und belohnt
ein Alternativverhalten mit Futter.

Generelles Unruheverhalten
‣ Man lastet den Hund durch Apportierarbeit, Flyball-Spiel,
Fahrradbegleitung, Agility-Training, Jogging, Packtaschentragen,
Karrenziehen oder Futterspiele aus.
‣ Man lässt den Hund vom Tierarzt untersuchen, um festzustellen,
ob er beispielsweise an einer Überfunktion der Schild- oder
Bauchspeicheldrüse leidet.
‣ Man achtet darauf, dass der Hund regelmäßige Ruhephasen
einhält, und weist ihm einen ungestörten Schlafplatz zu.
‣ Man führt eine Desensibilisierung durch, wenn der Hund unruhiges
Verhalten auf eine bestimmte Reizlage zeigt.
Die Beeinflussung des Hundes

Das „Handwerk“ Hundeerziehung sollte man weder verkniffen noch


extrem bierernst betrachten, sondern als eine Art Pendelsystem
zwischen Biologie und Psychologie verstehen. Der Leser möge die
Umsetzung aller bisher vorgeschlagenen Erziehungsmethoden, die
man im Übrigen auch kombinieren kann, besonnen angehen und
sich primär verpflichtet fühlen, den instinktiven Konflikt des Hundes
(Menschenbindung und Wolfserbe) auszuloten und des Hundes
„Unterordnung“ als feine Linie zwischen notwendiger Kontrolle von
Freiraum und individueller Selbstständigkeit zu begreifen.

‣ Wichtig
Wolfseltern geben den Pulsschlag des Familienlebens vor, lassen
aber auch individuelle Persönlichkeitsentwicklungen großzügig zu.
Wer von ihnen nichts lernen will, ist nicht nur zu bedauern,
sondern verzichtet freiwillig auf eine exzellente Möglichkeit,
souveränes Handeln zu kopieren.

Strafe – ein deutsches Unwort


Realistisch betrachtet hat man zur dauerhaften Beeinflussung des
Hundes zwei konkrete Möglichkeiten: Entweder begrenzt man den
Freiraum des Hundes etwas weiter gefasst (was mitunter den
Einsatz von Strafreizen bedingt), oder man legt den Hund an die
bereits erwähnte emotionale Kette, wovon ich mich an dieser Stelle
mehr als deutlich distanzieren möchte. Hier folgt aber jetzt der
wesentliche Punkt: Letzteres ist de facto die propagierte Alternative
all jener, welche „Hundeerziehung ohne Strafe“ vorschnell bejubeln.
Manchmal hat man den Eindruck, dass die Hundeszene sich wie auf
einem türkischen Basar zur Schau stellt. Man feilscht um jedes
Argument, bloß um am Ende eine Hundeerziehung ohne Strafe
irgendwie rechtfertigen zu können. Egal wie, Hauptsache man
verhindert, das Wort Strafe auch nur ansatzweise mit dem Hund in
direkte Verbindung zu bringen. Das beste Beispiel ist das schon
erwähnte Wasserstoffhalsband, das im Prinzip nichts anderes
darstellt als ein Gerät, das gegebenenfalls als Negativverstärker
eines unerwünschten Verhaltensansatzes zum Einsatz kommt. Nein,
um Gottes willen, diese Halsbänder sind nichts Negatives, vielmehr
schaffen wir durch ihren Einsatz beim Hund einen
„Umorientierungsreiz“. Deutsche Sprache, schwere Sprache, kann
ich da nur sagen. Was soll das? Haben wir in diesem Land keine
anderen Probleme?
Offen zur Schau getragene Arroganz, Grabenkriege und Hass auf
Menschen, die das Wort Strafe formulieren, helfen uns freilich
überhaupt nicht weiter. Menschen aufgrund einer
Meinungsäußerung zu hassen oder zu versuchen, sie der
Lächerlichkeit preiszugeben, entspricht nicht gerade
erstrebenswertem Sozialverhalten. Wer im Umgang mit
Mitmenschen kein akzeptables Sozialverhalten an den Tag legt,
kann wohl kaum für sich in Anspruch nehmen, den Bedürfnissen des
Soziallebewesens Hund zu entsprechen. So möchte ich gern die
Frage stellen: Liebe Leute, wo bleiben im Umgang mit Menschen
eure eigenen „Regeln der positiven Verstärkung“ nach K. Pryor
(1990)?
Auch die Vorstellung breiter Bevölkerungsschichten, nach der Hunde
quasi „heilige Kühe“ sind, die man außer in Form von freundlichen
Sozialkontakten nicht mehr berühren und maßregeln darf, kommt
(Entschuldigung) bedauerlicherweise tendenziell der Huldigung
eines Götzenbildes gleich. Man huldigt einem Wesen, das im
Umgang mit Artgenossen überhaupt kein Problem darin sieht,
zeitbedingt körpersprachlich betont etwas ungezügelter zu Werke zu
gehen. Der Hund stirbt nicht, wenn wir ihn einmal zurechtweisen und
ihm eindeutig klarmachen, dass bestimmte Verhaltensweisen
einfach nicht zu akzeptieren sind. Eine Hundeerziehung generell
ohne Strafe ist eine Farce, eine Traumvorstellung ohne jeglichen
Bezug zur Wirklichkeit. E. Zimen (2002) sprach von „der lächerlichen
Vermenschlichung des Hundes“. Dazu gehört auch so manches
Schaulaufen der Eitelkeiten bei Ausstellungen oder ein gefährlicher
„Gefühlshinterhalt“, der für die Gattung Hund mitunter viele, meist
ungewollte Demütigungen bedeutet. So bleibt zu hoffen, dass der
Hund weiterhin egoistisch auf sein biologisches Recht im Sinne von
E. Trumler (1988) pocht, „Hund sein zu dürfen“.
Hundeerziehungssysteme unterliegen leider oft wechselnden Modewellen, anstatt
sich auf wesentliche Dinge zu konzentrieren. Unser Verhältnis zu Hunden und
Mitmenschen muss grundsätzlich von einer sozialen Einstellung gegenüber beiden
Spezies geprägt sein. Der beliebte Spruch: „Der Hund ist uns im Sturme treu, der
Mensch nicht mal im Winde“, ist mit Skepsis zu betrachten, deutet er doch eher
auf die Tendenz hin, das dringend notwendige soziale Miteinander von Menschen
ignorieren zu können und den Hund sinnbildlich auf ein Podest zu stellen, auf das
er nicht gehört.

Machtausübung durch die Hintertür


Ein klassisches Beispiel für subjektiv „glückliche“ Tiere sind Delphine
oder Killerwale in Aquarien, deren „geformte Verhaltensweisen“ nach
K. Pryor (1990) man einem applaudierenden Publikum vorführt. Ich
behaupte, jeder frei lebende Delphin ist biologisch gesehen zehnmal
glücklicher, wobei über die Definition „Glück“ wahrlich zu streiten
wäre. R. Coppinger argumentiert gern: „Glück ist keine präzise
Definition, Drogen machen auch glücklich.“ In Gefangenschaft
gehaltene Delphine als glückliche Tiere zu bezeichnen, ist purer
Zynismus. Neueste Forschungsergebnisse belegen eindeutig, dass
sowohl Delphine als auch Killerwale, die im Übrigen gar keine Wale,
sondern eine Delphinart sind, in Familienverbänden leben und enge
Sozialbeziehungen pflegen.
Gut, wird man sagen, diese Delphine bekommen durch ein
Kommunikationsangebot Beschäftigung. Das stimmt natürlich nur in
Anbetracht der katastrophalen Lebensumstände. Aber
argumentieren wir anders: Wenn Hunde (über ein ständiges
Belohnungsprinzip sozusagen automatisiert) permanent unsere
Nähe suchen, mögen sich viele Menschen geschmeichelt und
verstanden fühlen, aber bedeutet zu enge Kommunikation nicht
letztendlich übertriebene Abhängigkeit und Machtausübung durch
die Hintertür? Bei Hunden, die aus fehlinterpretiertem Management
heraus andauernd jammern, fiepen und oft sogar zittern, sobald sich
der Mensch nur kurzfristig entfernt, schlägt das Pendel eindeutig in
die falsche Richtung aus! Sie sind nur zu bedauern, weil sie ihr
natürliches Selbstbewusstsein offensichtlich verloren haben.
Der Mensch gilt als unbestrittener Mittelpunkt des Hundelebens.
Klar, das muss so sein. Oft hört man: Hund müsste man sein bei
Familie X. Darunter verstehen manche Menschen leider häufig,
Hunden jeden Wunsch von den Augen abzulesen und sofort
aufzuspringen, wenn Hund einmal schnieft. Genau das ist nicht nur
grundsätzlich falsch, vielmehr macht es den Menschen zum Sklaven
seiner Hunde, was für mich jedenfalls kein besonders
erstrebenswertes Ziel darstellt. Menschen sollen ihre Hunde lieben,
sich auf emotionaler Ebene mit ihnen austauschen, sie in einem
begrenzten Maß von mir aus auch „verwöhnen“. Hunde sind aber
nur dann wirklich „glück-lich“, wenn unsere Triebfeder die Akzeptanz
ihrer Andersartigkeit ist. Und dieses Anderssein bedeutet, den Hund
als das zu nehmen, was er wirklich ist: Ein wunderbares Geschöpf,
das genau wie wir Menschen seine Macken hat.
Der Hundetrainer Jan Nijboer (2000) schlägt vor, grundsätzlich mit
dem Hund „zusammen zu jagen“ und ihm klar zu machen, dass der
Mensch immer Eigentümer des Futters ist. Nun, nichts gegen
gelegentliche Futterspiele (Jagd ist übrigens etwas völlig anderes),
aber: Die permanente Unterordnung des Hundes über
ausnahmslose Futterkontrolle bedeutet ebenfalls stramm kalkulierte
Machtausübung. Eine hohe Rangposition einzunehmen, darf nicht
zum Selbstzweck verkommen. Wann lassen wir endlich die Kirche
im Dorf, entsprechen dem Wesen des Hundes auch aus biologischer
Sicht und lassen ihn täglich Teil der Natur sein: Ja, Hunde sollen
buddeln, ihre „verrückten“ fünf Minuten ausleben, mit Artgenossen
herumtoben, hier oder da eine kleine Hatz einlegen, Umweltgerüche
prüfen, hin und wieder einmal ungehorsam sein oder gelegentlich
die Präsenz des Menschen vergessen dürfen.

© Günther Bloch
Die von inneren Instinkten geleiteten Motivationen des Jägers Hund müssen bei
seiner Erziehung berücksichtigt werden. Besonders seine geruchliche Fähigkeit
gilt es, in ein umsichtiges Training einzubetten. Das Bild zeigt einen Hund, der
einer zuvor ausgelegten Pansenspur über ein Hindernis folgt, was sowohl zu
seiner körperlichen als auch zur geistigen Auslastung führt.

Geduld und Konsequenz – die Schlüssel zur Hundeerziehung


Somit steht jeder Hundebesitzer am Scheideweg. Die Frage ist nicht,
ob man Hundeverhalten durch massiv angewandten
psychologischen Dauerdruck über die Schmerzgrenze hinaus
managen kann, sondern ob wir Menschen die Klarheit und Weitsicht
aufbringen, zurückzustecken und Hunde einfach einmal „machen zu
lassen“. Dazu gehört unter anderem auch, sie einfach
zwischendurch in Ruhe zu lassen, sie ohne Ansprache zu säubern,
wenn sie total dreckverschmiert vor der Tür stehen oder sich in
Unrat gewälzt haben. Und noch eins: Wer mit Hunden lebt, darf sich
über sie auch gelegentlich ärgern und diesen Unmut klar und
deutlich zum Ausdruck bringen. Der Hund wird es verkraften, wie er
es seit Jahrtausenden locker weggesteckt hat – ohne auszusterben.
Die Erziehung von Haushunden unterschiedlicher Herkunft nur auf
unüberlegtes Konditionierungstraining zu beschränken, weil es der
derzeitigen Modeströmung entspricht, ist aus verhaltensbiologischer
Sicht einfach zu wenig. R. Coppinger (2003) sagt dazu: „Wer mit
Hunden nach den Standardmethoden der operanten Konditionierung
arbeitet stellt oft fest, dass irgendetwas fehlt.“ Hoffen wir, dass sich
diese unumstößliche Tatsache herumspricht und von möglichst
vielen Hundebesitzern beherzigt wird. Der Haushund ist durch
überzüchtungsbedingte Krankheiten genug bedroht. Ihn jetzt noch
durch völlig übertriebene Managementmaßnamen zusätzlich über
Gebühr einzuengen und sein Verhaltensinventar darauf zu
beschränken, als tollpatschiges Anhängsel des Menschen fungieren
zu müssen, ist für mich eine grauenvolle Vorstellung. Nein, auch der
Haushund darf seiner Ursprünglichkeit nicht beraubt werden. Er soll
sein wölfisches Erbe in einem allseits tolerierbaren Maß ausleben.
Die ökologische Nische, in der ein Haushund aufwächst, besteht
nicht – wie für so manchen parasitengeplagten Straßenhund – aus
einer Müllhalde, sondern neben dem Hausstand aus Wald, Feld und
Flur. Hier hält sich der Haushund gern auf und braucht sich keine
Gedanken zu machen, wo seine nächste Nahrungsration herkommt.
All diejenigen, welche derzeit laut schreien, man könne
Wolfsverhalten vergessen und müsse Haushundeverhalten mit dem
von Straßenhunden gleichsetzen, vergessen, dass unsere
vierbeinigen Hausgenossen aufgrund eines anderen Lebensstils in
anderen Kategorien denken.
Mein Herz schlägt jedenfalls höher, wenn sich meine Owtscharki auf
einer Wiese zweimal links und dreimal rechts herum winden, einen
unwiderstehlichen Geruch begeistert untersuchen oder sich darin
wälzen. Als großer Tierfreund bekomme ich auch keine Panik,
sondern frohlocke förmlich, wenn sich meine alte Dackeldame auch
heute noch fixierend an eine Feldgrille anpirscht (der Leser sollte
das einmal sehen) oder mein Laika im totalen Vollbesitz all seiner
Sinne eine Stunde lang enthusiastisch Mäuse fängt, ohne auch nur
einen Mucks von mir zu hören. Hundeerziehung hat etwas mit
Geduld, aber auch viel mit Konsequenz zu tun. Konsequentes
Handeln muss jedoch nicht gleichbedeutend sein mit extremer
Persönlichkeitsbeschränkung.
Mein Plädoyer gilt nach wie vor der „Persönlichkeit“ Hund, nicht dem
unselbstständigen und hilflosen Popanz, der gestylt, massiv
gemanagt und zu stark manipuliert zum
„Konditionierungsautomaten“ verkommt. Unsere Hunde sollen
fröhliche Individuen sein, an deren Stolz wir uns täglich erfreuen
können! So bleibt zu hoffen, dass diese Botschaft vielen Menschen
aus der Seele spricht. Lassen wir dem Hund die Chance, einerseits
von uns abhängig zu sein, andererseits aber hin und wieder im
wahrsten Sinn des Wortes „die Sau heraushängen zu lassen“. Ich für
meinen Teil liebe jedenfalls Haushunde, die mich hin und wieder
herausfordern, die nicht von öden Routineabläufen gelangweilt sind
und die sich dementsprechend verhalten.
Hunde verhalten sich häufig deswegen aggressiv, weil ihr Leben von Langweile
geprägt ist und sie den ganzen Tag, bis auf einige wenige Routineabläufe, nichts
zu tun haben. Apportierübungen sind z.B. eine sehr interessante Beschäftigung,
die den Hund geistig und körperlich fordert.
Aggressionsverhalten des Hundes

© Günther Bloch
Aggression – Teil des
Ausdrucksverhaltens

Konfliktlösung und Schadensvermeidung


Einleitend sei zu diesem wichtigen und heiß debattierten
Themenschwerpunkt erklärt, dass Aggressionsverhalten ein
Lebensbestandteil jeder Kreatur ist. Aggressionen diene Mensch,
Wolf und Hund vornehmlich zur präventiven Konfliktvermeidung und
zum Lernen, wer welchen Handlungsspielraum hat und wer wem
gegenüber tendenziell dominant ist.
Zur besseren Verständigung und zwecks sozialer Bindung oder
Distanzierung bedienen sich Wolf wie Hund eines über
Körpersignale vermittelten Ausdruckverhaltens, das von D.
Feddersen-Petersen (1995) sehr detailliert und nuanciert
beschrieben wird. Grob umrissen lecken sich Wolf wie Hund
gegenseitig die Schnauze, stupsen in Nase oder Fell, überprüfen die
Analregion, umkreisen sich und starten einen Aufforderungslauf oder
verstellen sich gegenseitig den Weg, fixieren, kneifen, drängeln,
kontrollieren Bewegungsabläufe oder drücken ihr Gegenüber zur
Durchsetzung persönlicher Freiräume auf den Boden! Alle diese
Körpersignale dienen dem Zweck, möglichst unversehrt zu bleiben
und ungeschoren davonzukommen, wenn es einmal eng wird.
T. Rugaas (1997) schreibt hierzu: „Ihr Repertoire (an
Ausdrucksverhalten) beinhaltet auch Drohsignale, und wenn wir
Menschen uns mit Hunden beschäftigen, haben wir die Wahl, wie wir
uns verhalten.“ Das klingt, als ob Drohsignale mit Aggressionen
gleichzusetzen wären und man sie deshalb grundsätzlich negativ
bewerten müsste. Doch ohne Drohen kein Verständnis und ohne
Verständnis keine realistische Kommunikation. Schaut man sich
Hunde im täglichen Leben an, lernen wir schnell, wie ernst es ihnen
damit ist, sich Rivalen über Drohverhalten vom Pelz zu halten.
Gedroht wird, wenn es nicht anders geht. Und manchmal geht es
einfach nicht anders. Somit ist Drohverhalten nichts Negatives,
sondern wirkt präventiv und sollte als solches positiv verstanden
werden. Hält mein Gegenüber nach einer Drohung gebührenden
Abstand, respektiert also eine Individualdistanz, gibt es keinen Ärger
und der kurzfristige Konflikt ist ohne jedes Beschädigungsbeißen
beendet. Wenn wir Menschen unsere Stimme hier und da erheben,
einen Hund etwas bedrängen oder ihm nicht die Entfaltung all seiner
Launen zugestehen, lösen wir Konflikte und kreieren keine.
Zu diesem Thema schrieb Konrad Lorenz schon 1956: „Einsicht in
Gesetzmäßigkeiten kann man nur durch Eindrücke erhalten, die man
während genauer und langer Beobachtung gewinnt.“ Und noch
einige sehr aufschlussreiche Feststellungen: Der Begriff
„Aggression“ fasst viele Verhaltensweisen zusammen, unterliegt
keiner einheitlichen Definition und wird oft fälschlicherweise mit
Jagdverhalten oder Gefährlichkeit in einen Kontext gestellt. So führt
D. Feddersen-Petersen (2000) aus: „Oft wird hundliche Aggression
mit Gefährlichkeit gleichgesetzt, was fachlich falsch ist.“
Die Verhaltenstherapeuten B. und L. Hart (1991) sprechen wie J.
O’Heare (2003) leider von „aggressivem Jagdverhalten“ respektive
von „jagdlicher Aggression“, obwohl andere Hundeexperten wie J.
Fisher (1992), R. Coppinger (2003) und U. Gansloßer (2002)
eindeutig die Meinung vertreten: „Häufig werden Verhaltensweisen
dem Aggressionsverhalten zugeschrieben, obwohl sie damit nichts
zu tun haben, darunter fällt auch das Beutefangverhalten.“ Wolf wie
Hund benutzen bei der Verfolgung eines Beuteschemas weder
irgendwelche Drohsignale, noch stellen sie bei der Jagd die
Nackenhaare hoch.

‣ Aggressionsarten
Nach U. Gansloßer (2002) unterscheidet man in der
Verhaltensbiologie drei verschiedene Aggressionsarten:
1. Selbstschutzaggression (in Situationen, die ein Tier für
ausweglos hält, greift es an, um sich zu verteidigen),
2. elterliche Schutzaggression (Verteidigung von Nachwuchs),
3. Wettbewerbsaggression (Auseinandersetzung um Ressourcen
innerhalb der eigenen Gruppe und gegenüber Fremden).

Umgang mit Stress


Der Nervenkrieg beginnt, wenn ein Hund einen generellen
Kontrollverlust über Ressourcen (eigene Verletzungen inklusive)
befürchtet, ein Rivale in etwa über gleiches Selbstbewusstsein
verfügt, er die Durchsetzung seiner Eigeninteressen in Gefahr sieht
oder bereit ist, sich in offensiver oder defensiver Aggressionsform
auseinander zu setzen. Bei jeder Umsetzung von Aggression
handelt es sich um eine Anpassungsstrategie an
Umweltbedingungen, wobei die Reizschwelle, wann man sich
sowohl im positiven als auch im negativen Sinn „aggressiv“ verhält,
je nach Hundetypus und Individuum enorm variiert. Aggression
entspringt z.B. Wut, Zorn, Angst, Unsicherheit, Anspannung,
Frustration, Krankheit oder einem Erregungszustand. Jeder Hund
bereitet sich in letzter Konsequenz über die Ausschüttung von
Adrenalin und Cortisol darauf vor, der Reizlage entsprechend zu
kämpfen oder zu flüchten.
F. Ohl (2001) schreibt: „Chronischer Stress beeinflusst auch das
dopaminerge System (Dopamin oder Noradrenalin = chemische
Botenstoffe für das zentrale Nervensystem), das an der Verarbeitung
von Informationen beteiligt ist, die mit Belohnungen im
Zusammenhang stehen.“ Die individuelle Stressschwelle (wie lange
Stresseinwirkungen toleriert werden können) ist natürlich vom
Temperament, von ererbten Anlagen, Prägungsbedingungen und
Schicksalsereignissen abhängig, sodass eine Verallgemeinerung,
wann der Gleichgewichtszustand eines Hundes ins Wanken gerät,
zu vermeiden ist. F. Ohl (2001) führt zudem aus: „Die akute,
hormonelle und nachfolgend physiologische Stressreaktion führt zu
einer optimalen Aktivierung des Organismus und ermöglicht somit
ein den Anforderungen entsprechendes Verhalten.“
Wie sollten sonst auch Blindenführ- oder Rettungshunde trotz
enormen Stresses ihre Arbeit verrichten können, wobei die
Stimmungsübertragung der Menschen selbstverständlich eine
riesige Rolle spielt. Kurze Arbeitsintervalle inklusive Stress wechseln
sich mit ausgiebigen Ruhephasen ab. Ein Erdbebengebiet in der
Türkei etwa ist alles andere als ein stressfreies Niemandsland.
Umso bemerkenswerter ist es, wie die Rettungshunde in einem
solchen Umfeld verschüttete Menschen retten. Der größte Stress ist
für diese Hunde, keine Menschen zu finden, weil dadurch die
Belohnung ausbleibt und die Motivation drastisch sinkt. Jeder, der
am 11. September 2002 die Nachrichten der US-Fernsehsender
verfolgt hat, wird bestätigt sehen, welchem Dauerstress die dort
arbeitenden Rettungshunde ausgesetzt waren. Nur tote Menschen
zu finden ist selbst für einen bestens ausgebildeten Rettungshund
höchst frustrierend.

© Thomas Höller
Der Besitzer eines Haushundes sollte somit schlussfolgern, auf den
Einsatz einer „Käseglocke“ zu verzichten, die seinem „armen“ Tier
jegliche Stresseinwirkung erspart. Stresseinwirkungen lassen sich im
Alltag nicht vermeiden, es sei denn, man kennt die möglichen
Auslöser. So kommt die Hundetrainerin Martina Nagel (2003) zu
dem Schluss: „Anzeichen von Stress sollten keinesfalls ignoriert,
aber auch nicht überbewertet werden.“ Es ist jedem Hundebesitzer
anzuraten, möglichst keine kurzzeitig stressbedingten
Angstaggressionen seines Hundes zu unterstützen („Ist ja gut, sei
schön ruhig“). Stattdessen ist, so schwer es dem Menschen auch
fallen mag, ein ruhiges Auftreten auch deshalb wichtig, weil es in
einer gemischten „Mensch-Hund-Gemeinschaft“ nicht zwei
Individuen gleichen Ranges geben kann. Hunde, die ihre Ängste
subjektiv verdrängen, indem sie sich zeitweise gehemmt aggressiv
gegenüber unbehaglichen Stimuli (Reizen) verhalten, neigen unter
dem hoch emotionalen „Schutzschirm“ des Menschen oft zu
offensivem Verteidigungsverhalten! Solche Hunde verlieren auch
das Vertrauen zum Menschen, der sie nicht – wie eigentlich gewohnt
– unterstützt, sondern selbst rat- und vor allem hilflos erscheint.
Von aggressiven Wölfen, Menschen
und Hunden

Unterschiedliche Erziehungsansichten
Im Alltag wird Hundeverhalten (inklusive Aggressionen) unabhängig
von Risiken und Nebenwirkungen grundsätzlich über positive und
negative Verstärker gesteuert. Denken wir in diesem
Zusammenhang nur einmal an die Sache mit den nervtötenden
Wespen, nach denen Hunde bis ans Lebensende instinktiv
wutentbrannt und ausdauernd schnappen. Jeder kennt es: Aus
Sorge um den Hund versucht man ihn daran zu hindern, Wespen am
sorgsam dekorierten Kaffeetisch aufzulauern. Und was passiert? Wir
labern und labern uns den Mund „fusselig“, wie man in Köln so
schön sagt, ohne auch nur das geringste Ergebnis zu erzielen. Nein,
der Hund folgt seinem wölfischen Instinkt, der ihm sagt, diesem
flüchtenden und außerdem noch nervige Geräusche
verursachenden Beuteschema nachzustellen. Hat schon einmal
jemand versucht, den Hund durch ein alternatives
Belohnungsangebot am Wespenjagen zu hindern beziehungsweise
ihn davon abzulenken? Wenn ja, weiß man um die
Hoffnungslosigkeit und lernt, wie wichtig die Biologie des Hundes ist.
Außerdem lernt man ganz schnell, dass psychologische Lernregeln
ihre Grenzen haben und völlig außer Kraft gesetzt werden, sobald
beim Hund der Wolf „durchschlägt“. Das ist – abgesehen von der
akuten Gefahr beim Umgang mit Wespen – überhaupt nichts
Schlimmes oder Negatives, nein, es ist einfach nur typisch Hund. So
sind sie, die Caniden.

Kosten-Nutzen-Analyse
Hunde wägen in bedrohlichen Lebenssituationen (ähnlich einer
Kosten-Nutzen-Analyse) blitzschnell ab, ob sie sich z.B. gegenüber
einem tollkühnen Fremdhund oder Nachbars „Kung-Fu-Kater“
letztendlich momentan aggressiv verhalten oder ein
Alternativangebot als stärkere Belohnung empfinden. Der Einzelfall
und vor allem der Persönlichkeitscharakter entscheiden.
Alle „aggressiven“ Reaktionen von Hunden generell mit extremer
Härte zu beantworten, wie in den „guten alten Zeiten“ vordergründig
geschehen, bedeutet im Klartext eine unnötige Eskalation von
Gewalt. „Aggressive“ Hunde, die man brutal schlägt, tritt, verprügelt
oder in „Alphamanier“ am Halsband aufhängt, verknüpfen den
Menschen mit extrem unangenehmen Erfahrungen und stauen Frust
und Wut auf, deren Entladung dann der „Nächstbeste“ zu spüren
bekommt. Diese Tatsache kann man nicht oft genug wiederholen,
besonders deswegen nicht, weil es immer noch Menschen gibt, die
„Aggressionsverhalten“ mit Gewalt austreiben wollen, ohne sich
darüber klar zu sein, was sie da eigentlich tun. Sich als Mensch so
gehen zu lassen hat keineswegs etwas mit „typischem“
Wolfsverhalten zu tun, wie D. Mech (1999) bestätigt: „In einem in der
Wildnis lebenden Wolfsrudel ist Dominanz nicht als Hackordnung
manifestiert und scheint weniger Signifikanz zu haben, als es
Studienresultate an Gehegewölfen haben.“
Eine solch unangebrachte und respektlose Hundebehandlung
allerdings ethisch-moralisch zu bewerten, wie es leider vielerorts
geschieht, überzeugt kaum, weil viele im Einzelfall (zu Recht) selbst
„aggressiv“ handeln und sich zudem oft keine Gedanken um das
Abschlachten ganzer Tierarten (siehe Wolf) machen. Aggressives
Handeln ersetzt jedoch kein rationales Denken, der „Alphamensch“
reagiert trotzig und prügelt weiter auf seinen Hund ein. Einem alten
Sprichwort gemäß sollte niemand mit Steinen werfen, der selbst im
Glashaus sitzt.
© Monty Sloan
Einige Hundehalter argumentieren gern, sie würden beim Training ja nur das
Verhalten eines „Alphawolfes“ kopieren. Unsere eigenen Feldstudien führten
jedoch eindeutig zu der Schlussfolgerung, dass Jungwölfe im ersten Lebensjahr
Gesten der Unterwerfung nicht als Reaktion auf das Imponierverhalten von
Leittieren zeigen, sondern sich deren aktive Unterordnung nahtlos aus dem
Futterbetteln entwickelt. Das interaktive Verhalten zwischen Wolfseltern und ihrem
zweijährigen Nachwuchs ist – abgesehen von Konkurrenzsituationen während der
Hochranz – selten von ernsthaften Auseinandersetzungen geprägt, wenngleich
Alttiere gegenüber dem Nachwuchs jetzt etwas häufiger drohend oder
imponierend auftreten. Letztlich zeigte sich, dass Wolfseltern in etwa 50 % aller
beobachteten Zweierbeziehungen drohen respektive imponieren mussten, um
eine aktive oder passive Unterwerfungsbereitschaft des Nachwuchses im dritten
Lebensjahr zu erreichen. Da wir insgesamt 1073 Interaktionen notierten, können
wir von einem sehr aussagekräftigen Datenmaterial ausgehen.

Versuche von Konfliktvermeidung


Natürlich ist es des öfteren einen Versuch wert, Konflikte zu meiden,
wenn auch dies aufgrund des normalen Alltagsstresses eher
Wunschdenken ist, wie drei typische Beispiele zeigen:
Frau X geht mit ihrem erzogenen, aber manchmal defensiv
drohenden Spaniel spazieren und trifft dabei auf Herrn A, dessen
grundsätzlich gehorsamer, jedoch mitunter artspezifisch aggressiver
Schäferhund sich trotz alternativen Belohnungsangebots im
entscheidenden Moment urplötzlich auf Frau X’ Spaniel stürzt. Alltag
in Deutschland. Frau X ist sauer, droht, Herrn A anzuzeigen,
woraufhin der erst richtig „Stress“ hat. Alltag in Deutschland.
Herr B besitzt einen „wilden“ Terrier, dessen Vorliebe auf der täglich
besuchten Hundewiese darin besteht, im Verband mit anderen
Artgenossen Meuteaggression auf flüchtende Tiere initiativ zu leiten
oder zumindest heftig zu raufen. Alltag in Deutschland.
Herr C nennt einen Cocker Spaniel sein Eigen, der wie ein
wandelnder Müllschlucker durch den Park läuft und alles Fressbare
entweder sofort hinunterschluckt oder aggressiv verteidigt, sobald
man ihm seine Beute wegnehmen will. Alltag in Deutschland.
Alle drei Herren stehen im hektischen Berufsleben, besitzen keinen
Garten und müssen raus in die Umwelt. Sie üben mit ihren Hunden
weiter brav Unterordnung nach dem Belohnungsprinzip, können
jedoch spontan auftretende Reizlagen nicht managen. Alle Herren
geben sich große Mühe und sind bereit, mit ihren Hunden intensiv zu
kommunizieren. Nur Zeit und Geld für monatelange und teure
Therapien haben sie nicht. Alltag in Deutschland.
Seien Geschrei und Trommelfeuer aus Teilen der deutschen
Hundeszene auch noch so groß (ebenfalls Alltag in Deutschland),
würde ich nicht ausschließen, Herrn A unter Berücksichtigung der
Analyse, Diagnose und Therapiemöglichkeiten zum Gebrauch eines
Kopfhalfters (Zwang) und vielleicht zum Einsatz einer Wasserpistole
zu raten (Strafe). Ich hätte auch überhaupt kein Problem damit, den
„Mobber“ und aggressiv raufenden Terrier von Herrn B
körpersprachlich massiv zu bedrängen oder ihn gezielt auf den
Boden zu drücken (ja, ich weiß, dieser Terrier verknüpft
Unannehmlichkeiten mit meiner Person, aber das soll er dann
auch!). Letztlich würde ich Herrn C dringend raten, seinen Cocker an
einen Maulkorb (Zwang) zu gewöhnen, und ihm jedes Mal, wenn er
irgendwelchen Müll vom Boden aufsammeln will, durch den Einsatz
einer Disc-Scheibe daran zu hindern (Strafe).
J. O’Heare (2003) weist völlig berechtigt daraufhin: „Das Problem mit
Strafe ist, dass es sich dabei um eine Gratwanderung handelt, die
auf Dauer nicht gut gehen kann.“ Hinzuzufügen ist nach D. Tortora
(1979): „wenn die Strafdosierung nicht stimmt.“ Aber danke für’s
Stichwort „Gradwanderung“! Umgekehrt wird nämlich auch ein
Schuh daraus und dann wird es für Kinder und Kleinhunde
gefährlich.
Da Hundebesitzer bekanntermaßen „Erziehung ohne Strafen“
missverstehen und nach Ansicht von S. Budiansky (2000) „im
typischen Fall das Drohverhalten von Hunden über Monate, wenn
nicht Jahre tolerieren“, funktioniert das hinlänglich beschriebene,
biologisch ohnehin höchst bedenkliche Alternativkonzept im alles
entscheidenden Moment eben nicht. Hinzu kommt beim Hund eine
bedrohliche Anzahl spontan auftretender Mischmotivationen
zwischen Spiel und Jagd, deren extreme Gefährlichkeit naturgemäß
besonders von schlecht informierten Menschen katastrophal
unterschätzt wird. Man gibt sich zwar gelassen, aber nur so lange,
bis der Hund ernste Aggressionen zeigt, die man dann nicht
kontrollieren kann, sondern einfach als gegeben hinnimmt. Laut S.
Budiansky (2000) „gibt es genug Beweise für die Annahme, dass
aggressive Hunde das Produkt von zu laschen, (hunde)liebenden
Menschen sind.“
Das ist wohl wahr und zwingt den Menschen zu einer realistischen
Einschätzung der Dinge. Aufgrund dieser rationalen Begründungen
muss ich, stellvertretend für viele Eltern oder Kleinhundebesitzer,
Partei ergreifen: Ich wäre nicht nur bereit, alle Attacken eines
unkontrollierten „Mobbers“ oder renitenten „Raufers“ auf meinen
nicht aggressiven Dackel mit Schutzaggression zu beantworten,
sondern würde außerdem Hundebesitzer und -trainer, die aus falsch
verstandenem Ehrgeiz generell auf Negativeinwirkung bei der
Aggressionskontrolle von Hunden verzichten, zur Rechenschaft
ziehen. Dieses Versprechen bleibt natürlich nur theoretischer Natur,
da meine Dackeldame jederzeit von drei Bodyguards (Owtscharki)
umgeben ist, die jegliche Angriffsversuche durch aggressive
Fremdhunde nur mit einem müden Lächeln quittieren. Wird eine
Katze von einem unkontrollierten Hund getötet, halten sich die
moralischen Bedenken vieler Anhänger der straflosen
Hundeerziehung in Grenzen. Die getötete Katze hat aber sicher
auch einen menschlichen Sozialpartner, der sie liebt und der nun
aufgrund eines schlecht erzogenen Hundes vergebens auf ihre
Rückkehr wartet.

© Peter Nawrath
Wachsen Hund und Katze zusammen auf, gibt es in der Regel keine großen
Probleme, wobei sich das freundliche Verhalten des Hundes gegenüber dem
heimischen Sozialpartner nicht allgemein auf alle Katzen überträgt. Viele
Menschen lehnen Negativverstärker in der Hundeerziehung ab und argumentieren
dabei mit ethisch-moralischen Bedenken. Wird eine Katze getötet, scheint es sich
oftmals um eine Spezies zweiter Klasse zu handeln, denn in Bezug auf den
Tötungsakt des Hundes sind die Moralgesetze mitunter komplett außer Kraft
gesetzt.
„Klassische“ Aggressionsarten

Umgang mit Aggression


Als Reaktion auf offensiv und hemmungslos angreifende Hunde rate
ich, wie E. Zimen (1998) auch, explizit zur Selbstverteidigung mit
zwei Stöcken (erster Stock als Angebot zum mechanischen Beißen,
zweiter Stock als Hiebwaffe), Schuhen oder was auch immer
greifbar ist. Einige feste Schläge auf des Hundes empfindlichsten
Körperteil Nase zwingen ihn in der Regel zum Rückzug. Basierend
auf den Studienergebnissen des Biologen Steve Herrero (2002) rät
man heute (im Gegensatz zu früher) Menschen in Konfliktsituationen
mit Schwarzbären ebenso zur Gewaltanwendung, anstatt sich dem
Schicksal zu fügen. „Verhalten Sie sich nicht wie ein Opfer, schlagen
Sie mit allem, was sie haben, zurück“, rät man jedem
Nationalparkbesucher, der diese Regel hier in Banff sogar in einer
extra angefertigten Broschüre nachlesen kann. Jeder kann froh sein,
der in akuten Bedrohungssituationen noch nie kleine Kinder,
Schoßhunde oder andere Haustiere vor offensiv angreifenden
Hunden schützen musste. Ich wünsche keinem Menschen dieser
Erde, jemals in eine solche Situation zu geraten. Als Hundetrainer
kommt man aber leider leicht in solche Situationen und muss dann
beherzt eingreifen, um Schlimmeres zu verhindern.
Selbstverständlich sprechen wir hier von Ausnahmefällen, aber es
gilt: „Aggressive“ Hunde sind das Produkt von unvernünftigen
Menschen. Sie fallen nicht vom Himmel. Neue Hörzeichen wie
„Schluck es runter“ oder „Vergiss es“ machen absolut Sinn,
unterstreichen sie doch die Tatsache, die Andeutung von
Angrifftendenzen erkannt und darauf reagiert zu haben!
Laut E. Klinghammer (2002) kommen selbst offensive Drohsignale
„anfangs nur in einer sehr niedrigen Intension zum Ausdruck.“ Nach
S. Budiansky (2000) „ist das Etablieren von akuter Dominanz für
Menschen während erster Herausforderungen durch hundliches
Knurren oder Brummen prinzipiell einfach, wenn man sie in der
Hundesprache durch Fixierblick“ (oder ein Schnipsen mit Daumen
und Zeigefinger unter die Kinnlade) beantwortet.

‣ Info
Die Konfrontationslust des Hundes sollte man auch nicht
überbewerten, denkt man nur z.B. an Rottweiler, die sich oft
während ihnen angenehmen Sozialkontakten aus reinem „feeling“
etwas in den (nicht vorhandenen) Bart „brummeln“.

Intergruppen-aggressives Territorialverhalten
Intergruppen-aggressives Territorialverhalten (aggressives Verhalten
einer geschlossenen Gruppe nach außen) hat viel mit
unterschiedlichen „Hundetypen“, individuellen Lernerfahrungen,
Betonung von Routineabläufen (Hunde sind Gewohnheitstiere) und
besonders mit der Einstellung von Menschen zu tun. Die meisten
Hundebesitzer handeln aus tiefster Überzeugung und hören auf ihr
„innerstes“ Gefühl. Dieses innere Gefühl mag zum Glauben führen,
sich aus Angst vor steigender Kriminalität und aufgrund bedrohlicher
Lebenssituationen hinter dem meist selbst ängstlichen Hund
verstecken zu können. Manche Menschen lieben es regelrecht,
misstrauische „Einzelkämpfer“ mit einem gewaltigen
Gefahrenpotenzial ihr Eigen zu nennen, die heroisch jeden
Eindringlich offensiv aggressiv an die Wand „nageln“. Vor solch einer
Einstellung kann ich nur warnen!
Wichtig ist: Solange Hunde Bekannte und Fremde differenzieren, im
entscheidenden Moment kontrollierbar sind, präzisen Anordnungen
folgen und innerhalb ausreichend eingezäunter Gelände agieren,
sollen sie Haus und Hof auch bewachen. Wo kämen wir (der
verallgemeinerten Ansicht von Politikern bewusst zum Trotz) auch
sonst hin? Im Übrigen kenne ich mehrere Politiker, die durchaus
territorial aggressive Hunde besitzen, obwohl sie öffentlich schlaue
Reden schwingen und das allgemeine „Kampfhundproblem“
schnellstens beseitigen wollen.
Nicht jeder Hund muss Fremde „knutschen“ und sie freundlich
empfangen, wenngleich vor konditioniert aggressivem Verhalten
(Verteidigung ganz bestimmter Revierteile von Garten und Haus)
ebenfalls zu warnen ist. E. Klinghammer (1994) sagt dazu:
„Platzlernen zeichnet sich dadurch aus, dass eine besondere
Lernerfahrung mit einem bestimmten Platz (Person, Zeit, Hund) in
Verbindung gebracht wird.“ Handeln Hunde zu unkontrolliert, heißt
es: Ausreden vergessen und jeglichen Zugang in Richtung
Ressourcen präzise analysieren!
‣ Hunde, die das „Ich-rase-am-Zaun-lang-Spiel“ oder das „Ich-
mache-Terror-an-der-Tür-Spiel“ gelernt haben, äußern Frustration
(Wut auf Revierfeinde oder Frust, keine Sozialkontakte aufnehmen
zu können), sind meist schlecht sozialisiert oder zu aufbrausend und
misstrauisch. Leider muss man extrem tobenden Hunden
(vorübergehend) jeglichen Freilauf ohne Aufsicht verbieten. S.
Harper (2003) schreibt stellvertretend für viele: „Generell verringert
sich nicht beachtetes Verhalten, während belohntes Verhalten
zunimmt.“ Wie wahr und doch missverständlich, denn bei der
Revierverteidigung schauen wir auf selbstbelohnende
Handlungsabläufe, deshalb hilft uns eine Kombination aus Ignoranz,
Gehorsamsübungen mit langer Leine und „Leckerlidose“ (zu denen
ich als flankierende Maßnahmen rate) nur bedingt weiter. Denn:
Hunde, die nicht bellen, angemessen Alarm schlagen und Fremde
melden dürfen, verhalten sich planlos erregt und frustriert,
uneinsichtig und unsicher, wobei wir wieder bei der Diskrepanz
zwischen Biologie und Psychologie wären. Der Leser mag erstaunt
sein, aber ich rate dazu (von wenigen Ausnahmen abgesehen),
Hunden über Futter das Hörzeichen „Gib Laut“ zu vermitteln und sie
zur Vermeidung eines unweigerlichen Energiestaus kurzzeitig und
kontrolliert bellen zu lassen! So entspricht man der Natur des
Hundes, und das Abbruchsignal „Nein“ sorgt viel eher für Ruhe.
Wenn nicht, hilft mitunter ein Lautsprecher, der am Zaun montiert
wird, sodass unerwünschtes Bellen vom Haus aus über ein Mikrofon
verbal korrigiert werden kann.
‣ Sind „aggressive“ Hunde gewohnt, unabhängig von Temperament
und Situation tendenziell Futter, Wasser, Spielzeug und
Lieblingsruheplätze im Vorgarten (Hauseingangsbereich) zu
verteidigen, verlegt man diese „majestätischen“ Privilegien auf
strategisch unwichtige Orte hinter dem Haus.
‣ In Fällen von Wachübertreibungen und zur Einhaltung der
Nachbarschaftsruhe bevorzugen wir gezielt Sichtblenden
(Bastzäune, Decken, Stoffflächen, Klebefolien, Jalousien), die
überall dort installiert werden, wo sie zur Sichtbeschränkung von
Hunden hilfreich sind.
‣ Reagieren Hunde auf einen bestimmten Klingelton übertrieben
„konditioniert“, heißt es eine völlig neue Klingel zu montieren und
Acht zu geben, dass der Hund nicht wieder eine konditionierte
Antwort auf den neuen Klingelton gibt. Erfahrungsgemäß empfiehlt
sich, den Hund des Öfteren auflaufen zu lassen, indem eine
Fremdperson diskret klingelt und sich unauffällig wieder entfernt.
Man wartet ein paar Minuten und teilt dem verdutzten Hund verbal
mit: „Da ist doch gar nichts.“
‣ Im Haus empfiehlt sich, die Gehorsamsbereitschaft von Hunden
eventuell über Kurzleine, Kopfhalfter und die Hörzeichen „Gib Laut“
und „Nein“ zu erhöhen. Je öfter man den Hund im Eingangsbereich
mit der eigenen Präsenz konfrontiert und ihm klar macht, dass man
als Erster zur Stelle ist, wenn es um das Abgrenzen des heimischen
Reviers geht, desto besser. Ein fester Platz, auf den man den Hund
verweisen kann, sollte durch konkrete Übungen existent sein und
nicht jedes Mal gesucht werden müssen, wenn der Besuch schon
vor der Tür steht. Mit der Kurzleine lässt sich bestens einüben, was
man will. Lieber auch einen Maulkorb nutzen, damit der Hund
definitiv niemanden verletzen kann. Diese Übungen sind allemal
besser, als dem Hund sein Territorialrecht auf Dauer streitig zu
machen, indem er immer weggesperrt wird. Hunde sollte man nur
wegsperren, wenn sie wirklich eine Gefahr bedeuten. Ansonsten
bitten Sie den Besuch Platz zu nehmen und weisen ihn an, den
Hund nur für neutrales Verhalten (wenn überhaupt) zu beachten.
Wegsperren lässt den Hund nur noch misstrauischer werden und
den nächsten Besuch intensiver anblaffen. Ängstliche Hunde stellen
ihr Misstrauen viel eher ein, wenn sie regelmäßigen Kontakt zu
Fremdpersonen haben, die z.B. im Beisein der Besitzer den Hund
beim Spaziergang an der Leine führen oder besonders begehrtes
Futter (z.B. Würstchen) anbieten. Auch Hunde sind bestechlich und
Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen.

Die Gewöhnung an einen Maulkorb dauert im Schnitt nicht länger als drei bis vier
Tage, indem man dem Hund etwa zehnmal pro Tag Futtergaben durch die
Öffnungen eines Maulkorbes anbietet. Vom Gebrauch geschlossener
Maulkorbformen ist dringend abzuraten, weil der Hund weder hecheln, noch
trinken kann und der Atmungsprozess einer zu starken Beeinträchtigung
unterliegt.
Schmerz-assoziiertes Aggressionsverhalten
Verantwortungslose Zuchthandhabung, zu energiereiche Ernährung,
umweltbedingte Schädigungen und mannigfaltige Krankheitsbilder
können beim Hund zu Degeneration, psychischem Unwohlsein,
Angst oder Depressionen führen, woraufhin sich auf falsche
Berührungen, bestimmte Bewegungsabläufe oder andere sehr
komplexe Reizlagen aggressive Abwehrmechanismen einstellen
können.
1. Man sollte einen Tierarzt konsultieren, der einen allgemeinen
Gesundheitscheck vornimmt und den Hund gezielt auf eventuelle
Fehlfunktionen von Schild- oder Bauchspeicheldrüse untersucht,
Hüft-, Schulter- und Ellenbogengelenke kontrolliert und die
Wirbelsäule auf mögliche Wirbel- oder Bandscheibenschäden
begutachtet.
2. Verabreicht man dem Hund einige Tage Schmerztabletten, wird
schnell deutlich, ob er sich neutraler verhält und nach Absetzung des
Medikaments erneut aggressiv reagiert.
3. Bei Hunden, die auf Schmerz empfindlich und daraus resultierend
aggressiv reagieren, kann die bloße Annahme, von Menschen oder
anderen Hunden angerempelt oder bedrängt zu werden, schon
„präventiv“ zu aggressivem Abwehrverhalten (Verteidigung der
körperlichen Unversehrtheit) führen! Einen solchen Hund muss man
leider weitestgehend isolieren bzw. – je nach Krankheitsbild –
vorübergehend, so gut es geht, ignorieren.

Intragruppen-aggressives Verhalten von Hunden


Das intragruppen-aggressive Verhalten (aggressives Verhalten
innerhalb einer geschlossenen Gruppe) des Hundes kann im
gemischten Rudel sowohl gegen Menschen als auch gegen
Artgenossen gerichtet sein, was für Besitzer mehrerer Hunde von
besonderem Interesse ist. J. Fisher führte schon 1992 aus: „Die
Sozialstruktur von Soziallebewesen zu verstehen ist relativ simpel:
Je höher der soziale Rang, desto mehr Privilegien genießt man.“
Leider ist es nicht so einfach, herauszufinden, ob das häusliche
Aggressionsverhalten von Hunden auf zuvor unbemerktes
Kokettieren um Ressourcen oder auf mangelnde Auslastung eines
bestimmten Hundetypus zurückzuführen ist. Nach Meinung von R.
Coppinger (2003) „zählen die Bedürfnisse des Hundes nicht. (Diese
Meinung) beruht auf der fälschlichen Annahme, dass jede
Hunderasse für die Haltung im Hausstand geeignet ist.“ Leider
tendieren viele hilflose Menschen dazu, gerade gegen sie
gerichtetes Aggressionsverhalten von Hunden zu verharmlosen.
Deshalb rät F. Rehage (2000) dazu: „Nichts verschleiern, nichts
beschönigen, denn je länger man die Sache vertuscht, je länger das
Problem besteht, umso mehr wird es sich verfestigen.“ Ein
hervorragender Ratschlag, der leider oft auf taube Ohren stößt.
Ich stimme zunächst auch S. Harper (2003) zu, die sinngemäß
schreibt: „Erfolgreiche Aggressionskontrolle hängt vom Willen des
Menschen ab, wie viel Zeit und Möglichkeiten er findet, um im
täglichen Leben mit Hunden geeignete Umweltbedingungen zu
schaffen.“ Den grob definierten Begriff „Umweltbedingungen“
unterteilt G. Tembrock (1989) in drei Klassen: „Der eigene Körper als
Quelle der Informationen und Ziel des äußeren Verhaltens, die
Lebensgemeinschaft mit allen Umweltkomponenten und die
Artgenossen als Interaktionspartner.“
Werden wir wieder konkret:
a) Gegen Menschen gerichtetes Drohverhalten unterbindet man
normalerweise am wirkungsvollsten durch eine Kombination aus
zeitweiliger Nichtbeachtung und diversen Ablenkungsstrategien.
Man nimmt entweder Futter, die obligatorische Leine oder einen
Schlüsselbund zur Hand, lenkt den Hund über das Hörzeichen
„Guck mal hier“ vom Konfliktreiz ab (Raum, Mülleimer, Schrank,
Spielzeug), demonstriert Gelassenheit und agiert, indem man das
alternative Kommen oder Absitzen des Hundes freundlich gestimmt
zur Kenntnis nimmt.
b) Hat sich die Verteidigung von Ressourcen schon zum „Hobby“
entwickelt und steht bereits im Kontext eines unklaren Ranggefüges,
verbietet man dem Hund gegebenenfalls generell jeglichen Zutritt zu
bestimmten Räumlichkeiten, setzt zur Konfrontationsvermeidung die
Regeln der Objektverknüpfung ein (z.B. Pappkarton, Besenstiel,
Klebeband, X-Matten auf Anhöhen) oder mindert den
Ressourcenwert durch Tauschgeschäfte (z.B. Futter gegen
Spielzeug, Futter gegen das Verlassen von Sofa oder Bett,
abwechselnde Futterbelohnungen gegen den Verzicht auf
Ressourcen). Es bietet sich jedoch auch der Gebrauch von Disc-
Scheiben an. „Die Scheiben nutzt man, um erlerntes Verhalten zu
überwinden. Wenn ein Hund das Scheibengeräusch hört, besteht
das Resultat in der Vermeidung dieses Stimulus und er läuft zu
seinem Besitzer.“ Fisher (1998)
c) Leben mehrere Hunde im Haus, kann man die Vorrechte des so
genannten ranghöchsten Hundes unterstützen. Trotz gelegentlicher
Drohsignale anhand der interaktiven Körpersprache aller Hunde
sollte klar erkennbar sein, dass sie gegenseitig ihren sozialen Rang
und die Aufteilung von Ressourcen respektieren. Ist dies nicht der
Fall, weil der „Ranghöchste“ seine Position augenfällig gegenüber
anderen, möglicherweise sogar kampfwilligen Hunden verteidigen
muss, halte ich mich seit Jahren an eine einfache Methode: Ich
bestehe auf meine Führungsrolle, vermittle klare Hörzeichen wie
„Nein“ oder „Auseinander“ und verweise im Konfliktansatz jeden
Hund auf einen zuvor antrainierten festen Platz. Sehr beliebt ist bei
Hunden auch das Abgrenzen der menschlichen Aura: Je enger das
Verhältnis zum Menschen, desto größer die Angriffsbereitschaft des
Hundes zur Umsetzung sozial motivierter Aggression. Hier gilt
ebenso: Erkennt man den Verhaltensansatz, verweist man den Hund
sofort auf seinen festen Platz.
d) Die schlechteste Lösung ist, Hunden im Zweifelsfall zu gestatten,
ihre Zwistigkeiten „auszukämpfen“, weil nicht geklärte
Auseinandersetzungen im Hausstand meist dazu führen, dass
subdominante Tiere häufiger angreifen, und Menschen vor diesem
Nervenkrieg ohnehin fast immer kapitulieren. Wenn überhaupt, kann
man nur versuchen, beiden Streithähnen Maulkörbe anzulegen,
wobei die Kampfintervalle kürzer werden müssen und sich die Zeit
zwischen den Kämpfen deutlich verlängern muss, will man auch nur
im Ansatz auf Besserung hoffen dürfen. Ich persönlich bin jedoch
kein großer Freund dieser Methode, weil sie meistens wenig bringt.
In extremen Fällen (erfahrungsgemäß am häufigsten bei der Haltung
gleichgeschlechtlicher Geschwister) muss man die Hunde entweder
strikt trennen, was sehr mühselig ist, oder sich (möglichst) vom
subdominanten Hund trennen, weil der Traum nach vollendeter
Harmonie in der Norm ein Traum bleibt.

In Ernstkämpfe verwickelte Hunde zu trennen ist schwierig und bedarf einiger


Erfahrung. Manchmal hilft es, eine Decke oder einen Mantel über die Streithähne
zu werfen, sie auf den Boden zu drücken und so am weiteren
Aggressionsverhalten zu hindern. Wichtig ist, zuvor in einen Kampf verwickelte
Kontrahenten sofort herumzudrehen, um ihren gegenseitigen Blickkontakt
auszuschließen, und sie mehrere Minuten auf den Boden zu drücken, da sie sonst
aufgrund ihres Erregungszustandes sofort wieder aufeinander losgehen.
Futteraggression
Beim Thema Futteraggression sehen wir in der höchst emotionalen
Liebesbeziehung zwischen Mensch und Hund neben kleinen
„Techtelmechteln“ (Hund zeigt diverse Drohsignale = Mensch
schimpft = nichts passiert) leider auch ernste Konflikte, weil man die
dramatische Fehleinschätzung vertritt: „Warum dem Hund Futter
wegnehmen, er nimmt auch nicht mein Essen weg“. Dazu schreibt
D. Tortora (1979): „Die natürliche Tendenz (Ressourcen) zu
verteidigen muss eingedämmt werden, wenn der Hund mit
Menschen zusammenleben will“.
Die gute Nachricht: Hunde neigen dazu, breiige Nahrung wie etwa
Dosenfutter in Wolfsmanier schnell hinunterzuwürgen. Die schlechte
Nachricht: Hunde nehmen sich beim Verzehr von Knochen oder
großen Fleischbrocken mehr Zeit, legen sich und halten die „Beute“
(wie Wölfe) zwischen den Vorderpfoten fest. Hinzu kommt, dass
Hunde beim Verzehr hochwertigen Futters (z.B. Portion Hühnchen)
eine deutlich höhere Verteidigungsmotivation zeigen, was auch R.
Coppinger (2003) bestätigt: „Die Regel lautet, je höher die Qualität
des Futters, desto mehr Aggression unter Hunden. Jeder einzelne
Hund geht größere Risiken ein, um an qualitativ hochwertiges Futter
zu gelangen.“ Um Konfliktsituationen zu vermeiden, rate ich zu
folgendem Verhalten:
‣ Die Grundsatzregel „Hörzeichen „Sitz“ → Hörzeichen „Nimm’s“ →
Futter“ sollte bei jeder Hundefütterung eingehalten werden, egal ob
es sich um Futterbrocken, Knochen oder die Futterration aus dem
Napf handelt. Nur wenn man sich wirklich sicher ist, einen nicht
futteraggressiven Hund zu besitzen, spielt es keine Rolle, ob man
diese Regel befolgt oder nicht.
‣ Futterkonkurrenzsituationen baut man ab, indem man im
Bedarfsfall den Hundenapf eine Zeit lang mehrmals täglich mit
qualitativ minderwertigen Futterstücken füllt, sich kommentarlos
daneben stellt und dem Hund unter Einhaltung der Grundsatzregel
alternativ hochwertiges Futter aus der Hand anbietet. Nimmt er das
„bessere“ Futter, lobt man den Hund mit einer selbstverständlich
erscheinenden, sehr gelassenen Tonlage, räumt den Futternapf weg
und wiederholt diese Übung mindestens drei Wochen lang.
Normalerweise zeigt der Hund bald überhaupt kein großes Interesse
mehr an der Verteidigung des minderwertigen Futters im Napf. Er
sieht den Menschen stattdessen als Spender von besonderen
Leckerbissen an und nicht weiter als Nahrungskonkurrenten.
‣ Zeigen Hunde bereits konditionierte Futteraggression, untersagt
man ihnen den Zutritt zur Küche und zum Esszimmer, füttert sie an
einen alternativen Ort und verzichtet generell auf die Fütterung von
Knochen bzw. anderer fester „Beutestücke“. Mehrere Hunde füttert
man am effektivsten aus weitläufig voneinander getrennten Näpfen
und verhindert gegenseitigen Blickkontakt. Sollten sie sich
gegenseitig anknurren oder versuchen, Futter zu stehlen, ist der
Mensch einmal mehr die höchste Instanz, die bereits den
Verhaltensansatz zu erkennen und zu unterbrechen hat. In extremen
Fällen muss man die Hunde in verschiedenen Räumen füttern und
darauf achten, dass nach dem Fressen alle eventuell noch
vorhandenen Futterreste weggekehrt werden.
‣ In schwierigen Fällen gibt man Hunden über eine längere Zeit
entweder zu viel Futter, was schnell zu deren Übersättigung und zur
Minimierung ihres Konkurrenzdenkens führt, oder man füttert sie
längere Zeit ausnahmslos aus der Hand. Dabei ist darauf zu achten,
dass der Hund keine Möglichkeit zum Stehlen erhält. Auch der
Aufbewahrungsort von Hundefutter ist so zu wählen, dass der Hund
keinen Zugang dazu hat, um sich selbst zu bedienen.
© Günther Bloch
© Günther Bloch
Hunde verhalten sich mit Einbruch der Dämmerung tendenziell wesentlich
misstrauischer, weil nun mehr Reizlagen auf sie einwirken, die außerhalb der
täglichen Routine stehen. In Ursprungsländern arbeitende Herdenschutzhunde
verändern ihre Hemmschwelle in Richtung einer erhöhten
Verteidigungsbereitschaft besonders stark, weil sich dort mit veränderten
Lichtverhältnissen Feinde wie Bären, Luchse oder Wölfe ihren Schutzbefohlenen
(Schafe, Ziegen) nähern.
Oben: Bindung Hund – Schaf
Unten: Verteidigungsverhalten/Imponiergestik

Aggression gegenüber Fremdhunden


Durch Kastration hervorgerufene Aggression
Zur Beurteilung des Aggressionsverhaltens gegenüber
Fremdhunden muss man wissen, dass sowohl veränderte
Lichtverhältnisse (ab Dämmerungseinbruch verhalten sich z.B.
Kuvasz & Co. beim Spaziergang verteidigungsbereiter) als auch der
aus den USA importierte „Kastrationswahn“ unter bestimmten
Umständen zu Aggressionssteigerungen führen kann! Wie denn, wo
denn, was denn? Hatten wir nicht geglaubt, die Kastration eines
Hundes sei sozusagen ein Allheilmittel gegen „aggressives“
Verhalten?
Die „Bielefelder Kastrationsstudie“ von G. Niepel (2003) bestätigt
detailliert unsere Erfahrungen, wonach die Frühkastration von
Hunden (Rüden wie Hündinnen) vor deren Geschlechtsreife mit
erheblich mehr Risiken verbunden ist, als die gesundheitliche
Prophylaxe rechtfertigt. Ist ein Hund extrem erregbar und verhält
sich im Umgang mit anderen Hunden hypersexuell (ständiges
Aufreiten), hilft eine Kastration eher, es sei denn, es handelt sich
ohnehin schon um einen älteren „Kandidaten“, dessen erlerntes
Verhalten sehr schwierig zu korrigieren ist. Bis auf wenige
Ausnahmen ist von einer Kastration abzuraten, wenn damit das
Aggressionsverhalten gegenüber Artgenossen oder
Angstaggressionen beeinflusst werden sollen. Im Gegensatz zu J.
O’Heare (2003), der stellvertretend für viele die Meinung vertritt:
„Solange es keine eindeutigen Forschungsergebnisse gibt, ist die
Kastration im Alter von vier oder fünf Monaten vermutlich eine kluge
Entscheidung“, schlussfolgert G. Niepel (2003) zu Recht: „Wer aus
der Praxis weiß, dass die meisten der vorgestellten Aggressionsfälle
Hunde sind, deren Aggression auf Verunsicherung und Angst
zurückzuführen ist, der wird sehr vorsichtig mit dem Vorschlag einer
Kastration sein.“ Auch der Aussage der Tierärztin Christiane Quandt
(1998) kann ich nur zustimmen: „Werden sie (erwachsene Rüden)
einfach kastriert, weil man die geschlechtstypischen, sich im
Rahmen abspielenden Verhaltensweisen eben lästig findet, ist das
ein überflüssiger und damit tierschutzrelevanter Eingriff.“

‣ Tipp
Eine tierärztlich durchgeführte Hormonbehandlung
(Kastrationssimulation) kann zur Überprüfung von
Verhaltensveränderungen hilfreich sein. Die einfache Formel
„Kastration → Aggressionsproblem erledigt“ geht im
verallgemeinernden Sinn leider nicht auf!
Aggressionssteigerung
Laut D. Feddersen-Petersen (2001) „scheint es keinen sprunghaften
Wechsel vom Komment- (ritualisierte Interaktion) zum Ernstkampf
(Beschädigungskampf) zu geben, sondern eine abgestufte
Steigerung der Auseinandersetzung.“ Diese Aussage zur Biologie
der Aggression ist von enormer Wichtigkeit, um nicht die manchmal
subjektiv als zu ruppig empfundenen Ritualhandlungen von Hunden
(inklusive Drohsignalen wie Nasenrücken- oder Stirnrunzeln,
Lefzenanheben oder Maulringen) generell negativ zu bewerten,
sondern genau zu definieren. So schreibt J. O’Heare (2003) zum
Thema Aggression gegen Fremdhunde ohne jegliche
Persönlichkeitsbewertung, Altersangabe oder Erläuterung von
aktivem oder passivem Drohverhalten verallgemeinernd: „Bei
Aggressionen zwischen Hunden haben wir es meist entweder mit
Mobbing oder mit unrealistischen Erwartungen im Sozialkontakt
zwischen Hunden oder Angst und unzureichender Sozialisierung zu
tun. Wenn allerdings die Auseinandersetzungen nicht bloß kurz und
korrekt verlaufen (...) oder wenn ein Hund einen anderen bedroht
und/oder ihm physisch oder psychisch Schaden zufügt, dann haben
Sie ein echtes Problem.“
Diese Aussage drückt eine absolut verständliche Besorgnis aus, die
ich in Bezug auf extrem rauflustige Hunde durchaus teile, aber was
ist eine kurze und „korrekte“ Auseinandersetzung? Was ist ein
schädigendes Bedrohen? Die Gleichsetzung von Drohen und
Beschädigung hat aus verhaltensbiologischer Sicht keine Grundlage.
Es ist nicht der Fall, dass Hunde nach jedem Austausch von
Drohsignalen übereinander herfallen. Davon sind wir
erfreulicherweise meilenweit entfernt. Hundebesitzer sind definitiv
schon genug verunsichert, was das mitunter leicht aggressive
Interaktionsverhalten ihrer Hunde betrifft. Sie durch solche Aussagen
noch ängstlicher zu machen, halte ich für sehr bedenklich. Hunde
brauchen aus biologischer Sicht täglich Sozialkontakte mit
Artgenossen, auch wenn die Gefahr besteht, dass es einmal schief
gehen kann. Lassen wir unsere Kinder nicht mehr in ein Ferienlager,
weil sie unter Umständen mit ein paar Schrammen nach Hause
kommen?

Gemischte Hundegruppen
Zu dieser Thematik sagt U. Gansloßer (2002): „Gerade Jungtiere
brauchen unbedingt selbst verschaffte Erfolgserlebnisse beim
Bewältigen von Problemen.“ Dieser Klarheit kann man nur
beipflichten und aufgrund meiner langen Erfahrung im Umgang mit
gemischten Hundegruppen möchte ich einige Tipps geben:
a) Die Ansicht „Mein Hund müsste einmal an einen Stärkeren
geraten, der ihm Benimm beibringt“, führt nur zur interaktiven
Klärung zwischen den beiden Kontrahenten, hat aber
bedauerlicherweise keinen Verallgemeinerungswert. Der beste Rat
ist, Hunde so zu trainieren, dass sie nur auf das Hörzeichen „Lauf“
Kontakt zu Fremdhunden aufnehmen. Souveräne, sozial verträgliche
Hunde (und deren klar abgegrenztes Drohverhalten) eignen sich
bestens für eine Überprüfung, ob es sich beim eigenen (mit
Maulkorb ausgestatteten) Hund wirklich um einen extremen Raufer
ohne Beißhemmung handelt. Sollte er hemmungslos angreifen, hebt
man seine Hinterläufe hoch, entfernt ihn sofort und erarbeitet mit
einem Fachmann ein Trainingsprogramm, das die Vermittlung von
Abbruchsignalen beinhalten muss. Zeigt der eigene Hund trotz der
Neigung zu ritualisierten Kommentkämpfen eine klare Beißhemmung
(was erfahrungsgemäß nichts mit Maulkorb zu tun hat), kann man
übertriebene Drohverhaltensansätze über das Hörzeichen „Nein“
oder (in der Distanz) durch Werfen eines Stocks oder der Leine
zwischen die Beine sehr oft regulieren.
b) Ist z.B. im Hundeverein ein sozial verträglicher Gruppenkern von
Hunden mit abgegrenztem Drohverhaltensrepertoire vorhanden,
heißt es, Kampf- und Rennspiele (unter Aufsicht) generell nicht zu
unterbrechen, es sei denn, es besteht eine Gefahr zum Mobbing,
weshalb man grundsätzlich einen Wasserschlauch und so genannte
„Rescue-Remedi-Tropfen“ (Notfalltropfen) zur Hand haben sollte.
Sind Hunde trotzdem einmal in eine Auseinandersetzung verwickelt,
empfiehlt es sich je nach Umstand, entweder wegzulaufen (nach
vorheriger Übung, siehe Punkt e) oder im tatsächlichen Ernstfall
einen Stock seitlich in die Schnauze des angreifenden Hundes zu
schieben, in den er beißen kann. Ängstlichen oder sehr unsicheren
Hunden sollte man über einen langen Zeitraum nur Kontakt mit
sozial freundlich gestimmten, unkomplizierten Artgenossen
ermöglichen. Hundegruppen, die nur aus einem Zusammenschluss
offensiv aggressiver Hunde bestehen, sind deshalb zu meiden, weil
sich die Angriffslust (und sei es nur zur Selbstverteidigung) ziemlich
sicher steigert statt minimiert.
c) Kreislaufen, gegenseitiges Überprüfen der Analregion,
überschaubares Imponieren, Drängeln und Spieldrohen (inklusive
Drohmimik) gehören unter Hunden zwar zum „guten Ton“, sollten
aber dann besonderer Beobachtung unterliegen, wenn steife
Körperbewegungen, völlig starre Augenausdrücke oder sogar
Fixierhaltungen erkennbar sind. Wer auch immer mit Hundegruppen
auf „Spielwiesen“ oder sonst wo zu tun hat, muss laut D. Feddersen-
Petersen (1992) wissen: „Die Tendenz zur ritualisierten
Auseinandersetzung scheint bei vielen Hunden herabgesetzt, was
bedeutet, dass – verglichen mit Wölfen – schneller ohne Vorwarnung
zugebissen wird.“ Dass „aggressives“ Hundeverhalten oft durch
chaotische Kommunikationsdarbietungen und widersprüchlich
handelnde Menschen provoziert wird, ist ebenfalls zu
berücksichtigen, sodass ich dem Menschen mitunter zur kurzzeitigen
Einnahme von Baldriantropfen rate, um etwas entspannter zu
agieren!
© Günther Bloch
Viele Menschen versuchen, das Ritualverhalten von zwei Hundeindividuen aus
Sorge um den eigenen Hund und Angst vor „Schlimmerem“ zu beeinflussen,
indem sie ihn aus einem interaktiven Handlungsablauf herausrufen. Dabei wird
nicht bedacht, dass die unnatürliche Unterbrechung von Ritualen für den eigenen
Hund einen enormen „Gesichtsverlust“ bedeutet und er sich außerdem im Nachteil
befindet, weil der Ritualpartner so ungewollt die Oberhand gewinnen und den
eigenen Hund durch Verfolgung bedrängen kann.

d) Hunde mit einer Neigung zu Meuteaggression oder zum Verfolgen


ängstlich flüchtender Fremdhunde darf man keinesfalls isolieren.
Vielmehr vermittelt man ihnen durch eine lange Leine, gezieltes
körperliches Bedrängen, Händeklatschen und andere
Abbruchsignale, dass man als Mensch nicht gewillt ist, solche
Verhaltensweisen zu tolerieren. Mobbende Hunde unterteilt man
deutlich in Initialmobber und solche, die gelegentlich aus der
Situation heraus ein wenig „mitmischen“. Initialmobbern verpasst
man am besten einen Maulkorb und achtet genau auf ihre
Körpersprache. Sobald eine fixierende Körperhaltung erkennbar ist,
bedrängt man einen solchen Hund körpersprachlich klar und
deutlich, bisweilen sogar massiv. Zusätzlich trainiert man ein
schnelles Umsetzen des „Platz“-Befehls, um gegebenenfalls einen
Verhaltensabbruch durchzusetzen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte
haben wir hunderte Mobber auch dadurch erzogen, dass wir ihnen
einen Besenstiel zwischen die Beine warfen, um ihren
Verhaltensansatz (fixieren) dadurch sofort zu unterbrechen. Mobbing
ist beeinflussbar, muss jedoch im Ansatz erkannt werden und darf
keinesfalls einer laschen Behandlung unterliegen. Mobber generell
von Artgenossen fern zu halten, nur weil sie Mobber sind, ist völlig
kontraproduktiv, weil sie so nie lernen, ihr Fixierverhalten im
entscheidenden Moment auf Anordnung des Menschen zu
unterbrechen.
e) Zur Minimierung sozial motivierter Aggression in der Nähe des
Menschen bindet man den Hund an einem Baum fest, stellt sich
neben ihn, schenkt ihm keinerlei Beachtung und entfernt sich ohne
jeglichen Kommentar unverzüglich mindestens zehn Meter, sobald
er sich aggressiv gegenüber Fremdhunden zeigt. Verhält sich der
eigene Hund neutral, kehrt man kommentarlos zu ihm zurück und
wiederholt diese Übung mindestens zwei Wochen lang an
verschiedenen Orten, bis er beim Anblick von Fremdhunden ganz
auf Aggressionen verzichtet oder sie zumindest in einem gewissen
Abstand toleriert. Hat man dieses Teilziel erreicht, kann man
schrittweise die Distanz zu den Artgenossen verringern, wobei die
beschriebene Übungsabfolge noch mindestens zwei Wochen nach
sichtbarer Besserung durchzuführen ist. Hier sei jedoch erwähnt,
dass Hunde sehr unterschiedliche Individualdistanzen einfordern,
denen man unbedingt Beachtung schenken muss. Neuerdings hört
man des Öfteren, bestimmte Hunderassen würden generell eine
größere Individualdistanz einfordern, was tendenziell auch Sinn
macht, aber pauschal unsinnig ist, da es kein spezielles
„Hunderassen-Individualdistanz-Gen“ gibt. Des Weiteren behauptet
man gern, jugendliche Herdenschutzhunde würden gegenüber dem
Menschen allgemein eine Individualdistanz einfordern, da sie
„rassebedingt“ weniger Bindungsbereitschaft zeigen. Auch diese
Behauptung kann nicht verallgemeinert werden, da das
Bindungsverhalten eines Hundes von dessen Sozialisation und
Lernerfahrungen abhängig ist. Hat ein Hund mit dem Menschen gute
Erfahrungen gemacht, wird er sich, unabhängig von seiner
Rassezugehörigkeit, enger an ihn binden als ein Hund, der mit dem
Menschen schlechte Erfahrungen gemacht hat.
Unsere eigenen Herdenschutzhunde sind wahre Schmusetiere,
schmiegen sich mit Begeisterung an uns und folgen einer starken
Bindungsbereitschaft.

‣ Das bedeutet
Das „Aggressionsverhalten“ von Hunden stellt sich im Vergleich
zu Wölfen zwar nicht so nuanciert dar, unterliegt aber trotzdem
einer riesigen Variabilität. Hundebesitzern ist deswegen zu
empfehlen, besonders dem Ritual- und Drohverhalten ihrer Hunde
viel Aufmerksamkeit zu widmen, Hunde aber nicht über Gebühr zu
„managen“! Die mit Abstand beste Auslastung des Hundes
besteht nämlich im täglichen Herumtoben mit Artgenossen! Wer
das bezweifelt, handelt einfach nur egoistisch und möchte den
Hund aufgrund Eifersüchteleien nicht mit anderen Hunden teilen.

Behandlung von Angst und Angstaggression


Zur Veränderung von extremen angst-aggressiven Verhaltensweisen
besteht zumindest die theoretische Möglichkeit, ein
Desensibilisierungstraining durchzuführen. Da es sich hierbei um ein
komplexes Betätigungsfeld handelt, das im Grunde genommen
guten Verhaltenstherapeuten vorbehalten bleiben sollte, will ich mich
dazu nur kurz äußern. Der Hund drückt Angstzustände zunächst
pauschal betrachtet rein äußerlich aus, indem er sich duckt, die Rute
senkt oder einklemmt, seinen Blick abwendet, zittert, hechelt,
hysterisch bellt oder Harn/Kot absetzt. Zudem verstecken sich angst-
aggressive Hunde oft hinter „ihren“ Menschen und reagieren
mitunter mit Leerschnappen oder kurzem Zubiss.
Bei der systematischen Desensibilisierung wird ein Hund laut D.
Tortora (1979), V. O’Farrell (1991) oder J. O’Heare (2003) „in kleinen
Schritten einem Angst auslösenden Reiz zunächst in schwacher
Form ausgesetzt und jedes neutrale Verhalten belohnt.“ Um
auffälliges Verhalten differenziert beurteilen zu können, hilft die
Erstellung einer „Checkliste“ nach folgendem Muster:
‣ Wann und unter welchen Umständen zeigte sich das auffällige
Verhalten zum ersten Mal?
‣ Wann, wie und wo äußerte sich dieses Verhalten zuletzt?
‣ Was macht der Hund in dieser Situation, und wie ist sein Verhalten
danach (unter Berücksichtigung des Tagesablaufes und des
normalerweise gezeigten Verhaltens gegenüber Familienmitgliedern
und Fremden)?
‣ Steht die Angst in Verbindung mit Geräuschen, Gerüchen,
visuellen Reizen, Artgenossen oder Menschen?
‣ Ist das Verhalten instinktiv oder über auslösende Reize erlernt?
‣ Steht das Verhalten des Hundes in einer bestimmten Beziehung
(z.B. Hormonhaushalt, Schmerzen)?
‣ Wie lange hält das gezeigte Verhalten an (per Stoppuhr messen)
und welche Behandlungsmethoden wurden vom Halter ausprobiert?
‣ Kann (wenn festgestellt) der auslösende Reiz verändert, bzw.
beseitigt werden?
Muss hier über den Weg der kleinen Schritte desensibilisiert werden
oder verändert sich die Reaktion bereits durch eine simple
Futterbelohnung oder einfaches Ignorieren?
Ein konkretes Beispiel: Ein Hund meidet das Betreten von
Geschäften und schnappt um sich. Nach Überprüfung der
„Checkliste“ wird klar, dass er eigentlich Angst vor flatternden
Markisen hat. Die tägliche Routine wird verändert, indem man das
Hundeverhalten zunächst vor einem Geschäft ohne flatternde
Markisen stabilisiert (ruhiges Verhalten = Futter). Als nächsten
Schritt belohnt man neutrales Verhalten im Eingangsbereich eines
Geschäftes (Sitz = Futter). Eine Futterschüssel wird im nächsten
Schritt gut sichtbar im Geschäft platziert und man führt den Hund
zügig und kommentarlos zum Futternapf. Die Übung wird in
verschiedenen Geschäften wiederholt, bis der Hund flatternde
Markisen zumindest duldet.

© Günther Bloch
© Günther Bloch
Aggressionen grundsätzlich negativ zu bewerten oder sie – wie in der Psychologie
leider an der Tagesordnung – pauschalisierend mit Angst in Verbindung zu bringen
macht aus biologischer Sicht keinen Sinn. So folgen viele männliche Bären einer
reinen Fortpflanzungsstrategie, wenn sie beispielsweise die Jungbären eines
anderen Bärenmännchens töten und eigenen Nachwuchs produzieren, um so ihre
eigenen Gene an die nächste Generation weiterzureichen.

Zusammenfassende Bemerkungen zum Aggressionsverhalten


des Hundes
Aggressionen generell in einen negativen Zusammenhang zu stellen
und Hunden aufgrund subjektiv empfundener Bedenken kaum
Sozialkontakte zu gestatten, weil man unsinnigerweise ein veraltetes
„Alphawolf-Gebaren“ im Kopf hat, ist allein deswegen falsch, weil
aktives und passives Drohverhalten auch kommunikativer
Bestandteil von Sozial- und Kampfspielen sind.
Vielleicht ist für den Leser meine Feststellung von Nutzen, dass
manche Leitwölfe in ihrem gesamten Leben keinen einzigen
Ernstkampf mit einem potenziellen Rivalen ausfechten müssen.
Nach E. Zimen (1998) „handelt derjenige tierschutzwidrig, der Hunde
bewusst isoliert.“
Anzeichen von „Aggressionen“ sollten keineswegs ignoriert, aber
auch nicht dramatisiert werden. Was ist überhaupt ein aggressiver
Hund? Diese Frage hört sich einfach an, ist aber in Wirklichkeit sehr
schwer zu beantworten. So sind beispielsweise die meisten
Menschen territorialer als alle Wölfe, die ich kenne, was sich
selbstverständlich in einem hohen Maß auch auf das Verhalten ihrer
Hunde auswirkt. Wenn man sein Kleinod Garten durch hohe Zäune
und Hecken massiv von der Nachbarschaft abgrenzt, darf man sich
nicht wundern, dass ein Hund diese Art der „Revierverteidigung“
zum Anlass nimmt, um über Gebühr argwöhnisch zu reagieren.
Dabei sollten wir Deutschen es doch eigentlich besser wissen,
schließlich gelten wir gemeinhin als Weltmeister im Bereisen anderer
Länder.
Und wie sieht es dort aus? In unseren Nachbarländern Holland,
Belgien oder Frankreich beobachtet man unter Hunden sehr häufig
unverkrampftes, kaum territoriales Verhalten, weil die dort
beheimateten Menschen ihren Hunden eine andere
Grundeinstellung hinsichtlich einer Revierabgrenzung vorleben.

‣ Das bedeutet
Meine auf eigenen Erfahrungen beruhende These mag man
bestreiten, sie ist jedoch nach meinem Dafürhalten ziemlich
realistisch:
Bei rund 33% der Hunde handelt es sich um freundliche, meist
unterwürfige Tiere, 33% verhalten sich je nach Lebens- und
Umweltsituation mehr oder weniger aggressiv und das restliche
Drittel erinnert eher an wild gewordene Stiere. Diese heißblütigen
Tiere sind selbstverständlich mit besonderer Vorsicht zu genießen,
ihr Gefahrenpotenzial darf man auf keinen Fall unterschätzen.
Soziale Kompetenz
Im Lauf der sich ständig weiter entwickelnden ökologischen
Anpassung des Haushundes an den Menschen und dessen
Lebensweise kam und kommt es nicht nur zum geselligen und
harmonischen Beisammensein, nicht nur zu Spaß und Freude,
sondern zwangsläufig hin und wieder auch zu „aggressiven“
Wettstreitigkeiten um Ressourcen. Des Hundes Flexibilität und
Anpassungsfähigkeit ist auf die sensible Lernfähigkeit des Wolfes
zurückzuführen. Jede Veränderung von Beziehungen zwischen
Familienmitgliedern wird registriert und das Handeln danach
ausgerichtet. D. Feddersen-Petersen (2001) argumentiert klipp und
klar: „Es ist als allgemeingültig festzuhalten, dass Hunde als
wölfisches Erbe und als Ergebnis der Domestikation besondere
Fähigkeiten erwarben, über ihr soziales Umfeld zu lernen“.
Der Begriff “Dominanzaggression“ ist – wie wir gelernt haben –
widersprüchlich. Gerade weil Mensch und Hund enge
Sozialbeziehungen eingehen, führt eine Diskussion über Sinn oder
Unsinn so genannter „Sofawölfe“ am Thema vorbei. Vielmehr geht
es darum, wer zu welchem Zeitpunkt wie viel Freiraum genießen
darf, ohne dass es nötig ist, Aggressionsverhalten umzusetzen. Ob
dieses Lernen des Hundes später zu übertrieben aggressiven
Verhaltenstendenzen führt, liegt am Menschen, der manchmal eine
konsequente Rangeinweisung mit rohen Gewaltmaßnahmen
gleichsetzt und sie deswegen aus falschen Gründen ablehnt. Zur
Entwicklung sozialen Verhaltens müssen wir Menschen soziale
Kompetenz ausstrahlen, indem wir insbesondere Junghunden
gestatten, möglichst viele Erfahrungen in Bezug auf die
Eingliederung in gemischte Hundegruppen zu sammeln. Die
Problembewältigung im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Tieren
und das Erlernen von Unterordnungsbereitschaft sind für junge
Hunde auch deswegen wichtig, weil sie z.B. mit Geschlechtsreife
nicht sozial gebundene Weibchen über Gebühr belästigen dürfen
und so unnötig in aggressive Auseinandersetzungen mit
gestandenen Rüden geraten könnten, die natürlich „ihre“ Hündinnen
von kess auftretenden Rivalen abgrenzen würden.
Haushunde brauchen ihre menschlichen Sozialpartner genauso
dringend wie Artgenossen, um ihre Persönlichkeit artgerecht
entfalten zu können und sich nicht zu „aggressiven“ Monstern zu
entwickeln.
Die Welt der Caniden
Der Wolf, das unverstandene Wesen

Familiengefüge und Sozialbindung


Kommen wir auf die Argumentation des Anfangstextes dieses
Buches zurück und beschäftigen uns nochmals mit dem Wolf. Nein,
er ist nicht strikt territorial, er orientiert sich nicht von allein an einer
strengen Hackordnung, er ist pauschal kein Gemeinschaftsjäger und
er ist auch kein unflexibles Soziallebewesen, wie gerade zur Zeit
einige Exemplare im Spreewald bei Berlin beweisen. Für viele
Menschen gilt der Wolf als Symbol der Wildnis, obwohl er sich längst
in den Vorstädten von Rom (Italien), Brassov (Rumänien) oder in
den Kornfeldern von Leon (Spanien) heimisch gemacht hat. Was die
Fähigkeiten des Wolfes im Hinblick auf sein Adaptionsverhalten
betrifft, sei zudem die Frage erlaubt, wie scheu der Hund heute
wäre, hätten wir ihn über Jahrtausende genauso gnadenlos verfolgt,
vergiftet und umgebracht wie seinen Urahn. In der Konsequenz hinkt
der Vergleich des unterschiedlichen Flucht- oder Adaptionsverhalten
von Wolf und Hund in der Nähe des Menschen gewaltig.
Wölfe sind ganz anders „gestrickt“, als die meisten Menschen
annehmen: Ihre „Rudelbildung“ entpuppt sich bei näherem Hinsehen
als Familiengefüge, das von engen Sozialbindungen und unglaublich
ausgeprägten Gefühlsregungen gekennzeichnet ist. Diese
Eigenschaften sind absolut wolfs- und hundetypisch. E. Zimen
schrieb 2002: „Es sind nicht diese Strukturen der Anpassung an
ähnliche ökologische Grundbedingungen von Wolf und Mensch, die
so faszinieren, sondern die offensichtlich so wesensverwandten
Gefühle, die Wölfe im Rudel und wir in der Familie füreinander
empfinden. Es scheint, dass die Innigkeit der Beziehungen zwischen
manchen Wölfen vergleichbar ist mit der, die wir unter uns mit
Zuneigung und Liebe bezeichnen.“ Dieses Zitat ist umso
bemerkenswerter, wenn man weiß, dass Erik zu Lebzeiten immer ein
kritischer und skeptischer Beobachter war. Wenn jetzt endlich noch
alle Hundetrainer und -besitzer begreifen, Wolf und Hund weder als
separate Arten noch als umher prügelnde Asoziale anzusehen, sind
wir in der Erziehungsszene endlich einen gewaltigen Schritt vorwärts
gekommen. Aber auch nur dann.

„Das“ Verhalten gibt es nicht


Derweil ist die Feldforschung schon erheblich weiter, wie auch D.
Smith (2002) und D. Mech (1999) bestätigen: „Das typische
Wolfsrudel sollte daher als Familie betrachtet werden, in der die
Elterntiere die Aktivitäten der Gruppe anführen und die
Gruppenleitung in einem System der Arbeitsteilung gemeinsam
übernehmen.“ Nun, wie wir im ersten Kapitel erfahren haben, ist die
Führung einer Wolfsfamilie wesentlich detaillierter zu betrachten, als
es D. Mech tut. Außerdem weist das Revierverhalten des Wolfes –
Klischee hin oder her – unglaublich flexible Varianten auf, wie unter
anderem kaum territoriale Tundra- oder Timberwölfe in vielen
Gebieten Kanadas beweisen. Sie wissen nichts von
Verallgemeinerungen und trotzen beharrlich irgendwelchen
„Verhaltensgesetzen“, die ihnen manche Menschen auferlegen
wollen. Tundrawölfe richten ihr Verhalten beispielsweise nach dem
nomadischen Leben ihrer Hauptbeute, dem Karibu, aus. Wie können
sie dann strikt territorial sein?
Auch das Reproduktionsverhalten des Wolfes ist entgegen der
allgemeinen „Alpha-Theorie“ alles andere als einheitlich. Die mit
Wolfsbeobachtung beschäftigte Elli Radinger (2004) bestätigt unsere
Erkenntnisse: „Die Reproduktionsrate der Wölfe in Yellowstone ist
spektakulär – eine der höchsten Raten, die je notiert wurden,
insbesondere da in den Yellowstone-Rudeln häufig mehrere
Weibchen Junge bekommen.“
© Günther Bloch
Es gibt in Wolfsfamilien immer wieder mal zwei oder sogar drei Würfe Welpen
relativ gleichzeitig, ohne dass das Leitweibchen die Kinder der anderen Mütter
tötet. Manche Leitweibchen sind sehr tolerant und fürsorglich, sodass alle
Wolfsmütter ihren Nachwuchs zusammen aufziehen. Das Bild zeigt zwei Würfe
Welpen, deren Entwicklung aufgrund erkennbarer Größenunterschiede auf einen
Altersunterschied von etwa zehn bis vierzehn Tage schließen lässt. Im Sommer
1995 kam es zwischen den beiden Wolfsmüttern nachweislich zu keinerlei
aggressiven Auseinandersetzungen.

Hierarchische Beziehungen
D. Mech schrieb 1999 etwas zu Unrecht: „Somit hat noch niemand
die hierarchischen Beziehungen eines wilden Wolfsrudels
quantifiziert“. Bei allem Respekt, genau das haben wir zwölf Jahre
lang gemacht und belegen es durch die Publikationen von P. Paquet
(1993), die Doktorarbeit von C. Callaghan (2002) und durch unser
Buch „Timberwolf Yukon & Co“. Basierend auf den ersten
Feldforschungsergebnissen aus intensiven Sommer- und
Winterbeobachtungen können wir daher eindeutig den Schluss
ziehen, dass der Antrieb zu bestimmten Verhaltensmustern ganz
konkreten Motivationen folgt und mit diesen in Zusammenhang
steht:
► Wolfsväter stellen sich (in manchen Lebenssituationen auch
Wolfsmütter) quantitativ am häufigsten akuten Gefahrensituationen,
indem sie Nahrungskonkurrenten vertreiben, jedes „Alarmbellen“ an
Höhlenkomplexen initiieren und alle anderen Familienmitglieder
verteidigen. Dabei ist ihnen besonders wichtig, die Familie von
Gefahren wegzuführen, wann immer dies möglich erscheint.
‣ Wolfsmütter organisieren alle Maßnahmen, die in direkter oder
indirekter Beziehung zum Nachwuchs stehen, indem sie die
Oberaufsicht und Futterkontrolle für ihre Welpen durchführen oder
die „passende“ Höhle aussuchen. Wolfsmamas sind äußerst
wählerisch und es kann mitunter Wochen dauern, bis sie sich für
einen ganz bestimmten Höhlenstandort entschieden haben.
‣ Jungwölfe beobachten das souveräne Verhaltensrepertoire ihrer
Eltern und saugen es auf wie einen Schwamm. Sie haben mit einer
strengen Hackordnung wenig am Hut, sondern bewundern das
Talent ihrer Eltern, im täglichen Leben zurechtzukommen.
‣ Das Beziehungsgeflecht der Leittiere untereinander wird
grundsätzlich von Toleranz, Akzeptanz, Harmonie und einer engen
Liebesbeziehung bestimmt, wie der große Kynologe H. Räber schon
1990 weitsichtig erkannte: „Wir Menschen pachten die Liebe gern
als ein typisch menschliches Verhalten für uns allein und vergessen
dabei, dass sie auch im Tierreich ihre Rolle spielt. Verlieben, lieben
und lebenslängliche Treue halten, das gibt es auch bei Tieren.“ Was
die Gattung Wolf angeht, kann ich diese Aussage nur bestätigen,
denn fast alle Wolfspaare, die ich observierte, blieben ein Leben
lang zusammen.
‣ Sind Wolfsmütter älter als Wolfsväter, bekunden sie gegenüber
den Herren der Schöpfung keine Gesten der Unterwürfigkeit, wie D.
Mech (1999) ein wenig verallgemeinernd publizierte. Im Gegenteil:
Ich habe noch nie einen Leitrüden in bedrohlicher T-Stellung oder
Imponierhaltung über einem Leitweibchen stehen sehen und viele
Wolfsherren zeigen gegenüber ranghohen Wolfsdamen sogar
passive Unterwerfung, indem sie ihren Blick im entscheidenden
Moment abwenden. Nach meinem Dafürhalten ist die viel publizierte
Grundsatzthese der total strikten, „geschlechtsgebundenen
Rangordnung“ mit einer gehörigen Portion Skepsis zu betrachten.
‣ Sind Leitweibchen jünger und unerfahrener als Leitrüden,
bekunden sie passive, aber keine aktive Unterwürfigkeit, was sich
wiederum schnell ändert, sobald eine Wolfmama ihre Welpen zum
ersten Mal aus dem Bau führt. Junge Leitweibchen lassen allerdings
Leitrüden den Vortritt an Beutetierkadavern und verhalten sich hier
bisweilen sogar aktiv unterwürfig beziehungsweise fordern Leitrüden
zum Spielen auf, um sie geschickt von einer Nahrungsressource
wegzulocken. Während der Aufzuchtphase von Welpen verhalten
sich wiederum viele Leitrüden äußerst „gentlemanlike“, lassen die
Weibchen zuerst fressen und Futterbrocken wegschleppen, die
diese ohne Zögern sofort auf dem schnellsten Weg zur Höhle
tragen. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass Wolfsmütter
ihre Interessen fast immer durchsetzen. Auch die Ethologin D.
Feddersen-Petersen teilte mir kürzlich in einem Telefongespräch mit,
dass sich ihre Gehegewolfsgruppen sehr unterschiedlich verhalten,
individuelle Verhaltensentwicklungen die Regel darstellen und man
von dem Rangordnungsverhalten auch unter
Gefangenschaftsbedingungen in keiner Weise sprechen kann. Sie
definiert den Begriff „Rudel“ im Gegensatz zum Duden ganz einfach
als „in Gruppen zusammenlebende Soziallebewesen“, wobei auch
sie die Ansicht vertritt, dass weibliche Leittiere extrem enge
Sozialbeziehungen zu ihren männlichen Lebenspartnern eingehen
und dabei ihre eigenen Interessen sehr geschickt durchsetzen.
Gleiches gilt für den Haushund: Dass Weibchen im Umgang mit
Rüden die „Hosen anhaben“, ist wahrlich keine Seltenheit, wie meine
Hündin Taiga täglich demonstriert. Sie ist ohne Zweifel die
ungekrönte Königin unserer Hundefarm und kein Rüde stellt ihren
hohen Sozialrang in Frage. Hin und wieder protestiert einer unserer
Rüden gegen Taigas Herrschaft, was aber meistens keinen Erfolg
hat, da sie ihre Interessenlage durchsetzt. So bleibt den Rüden
nichts anderes übrig, als die Waffen zu strecken und hier und da ein
wenig zu imponieren.
© Günther Bloch
In Wolfsfamilien bestimmen Wolfsmütter sehr oft das Tagesgeschehen und
bringen mitunter sogar große Beutetiere wie Hirsche oder Rehe regelmäßig allein
zu Fall. Das Bild zeigt Leitweibchen Aster, die in den ersten beiden Jahren ihres
Zusammenlebens mit ihrem neuen „Gatten“ Storm förmlich nach
Führungsaufgaben schrie, um dem männlichen Neuankömmling das heimische
Revier aus allen Winkeln und Perspektiven bekannt zu machen. Genaue
Kenntnisse über ein Territorium umfasst vor allem das Wissen um die
Aufenthaltsorte von Beutetierbeständen, die saisonbedingt unterschiedlich sind.
Auch die Orte, an welchen traditionell Huftiermütter ihre Kälber zur Welt bringen,
sind von Interesse und bieten berechenbaren Jagderfolg. Zudem wissen erfahrene
Wolfsmütter, wo die Höhlenkomplexe eines Heimatreviers gelegen sind und wo
man ungestört und relativ sorglos Nachwuchs zur Welt bringen kann.

Vergleichende Verhaltensforschung
Und noch eine wichtige Anmerkung: Wölfe sind alles andere als
automatisierte Raubtiere, die nur auf Nahrungssuche gehen oder
ihren Nachwuchs versorgen, auch wenn dies heute oft behauptet
wird. Damit wird lediglich einer Argumentationslinie gefolgt, die da
heißt: Wolfsverhalten hat nichts mit Hundeverhalten gemein. Unsere
Forschungsergebnisse, die größtenteils durch Videografie belegt
werden können und die ich in meinen Seminaren fast jedes
Wochenende einem erstaunten Publikum vorführe, sprechen
jedenfalls eine andere Sprache. Wölfe spielen mit Artgenossen und
Gegenständen, sind extrem neugierig, unterhalten intensive
Gefühlsbeziehungen, genießen regelmäßiges Sonnenbaden, albern
umher, springen von Anhöhen in einen Fluss, planschen wie
ausgelassene Kinder begeistert im Wasser herum und äußern ihre
Lebensfreude auf unterschiedliche Art und Weise. Wo ist hier der
gravierende Unterschied zum Haushund? Darüber sollten alle
nachdenken, die die neuerliche Hypothese „Wölfe kann man nicht
mit Hunden vergleichen“ kritiklos aufgreifen und spontan bereit sind,
die vergleichende Verhaltensforschung komplett in Frage zu stellen.
Und unsere Haushunde? Nun, auch sie sind sehr kommunikativ und
verhalten sich genauso, wie man es von einem hoch entwickelten
Säugetier erwarten kann, das vom Wolf abstammt. Nicht ohne
Grund heißt dieses Buch „Der Wolf im Hundepelz“. Es wäre schön,
wenn man auch gegenüber der vergleichenden Verhaltensforschung
in Deutschland mehr Respekt aufbringen würde und
deren Grundlagenergebnisse in ein Argumentationskalkül
einbezöge. Stattdessen handelt man vielerorts lieber nach dem
Motto: Was interessieren mich schon Gehegebeobachtungen, die
bringen sowieso nichts, weil man daraus keinerlei Erkenntnisse auf
Haushundverhalten ableiten kann. Eine solche Denkweise ist
schlicht arrogant und vor allem rein fachlich gesehen falsch.
© Günther Bloch
Taiga bei ihrer absoluten Lieblingsbeschäftigung: Von einer Anhöhe aus grenzt sie
„ihr“ Territorium ab und meldet jeden Eindringling augenblicklich.

‣ Das bedeutet
Mich hat unter anderem schon immer gewundert, wozu angeblich
Jungwölfe die „Hierarchieleiter“ erklimmen, wenn sie
schlussendlich nur die Möglichkeit haben sollten, mit Vater oder
Mutter „Liebesakte“ zu vollziehen und Inzucht zu betreiben.
Höchst merkwürdig fand ich zudem, dass das Familienleben
verhaltensökologisch vergleichbarer Caniden (afrikanischer
Wildhund oder asiatischer Rothund), das dem des Wolfes
ungemein ähnelt, ebenso primär auf einer freundlich gestimmten
und höchst kommunikativen Ebene stattfindet.
Domestikation von Silberfüchsen
Wölfe sehen wie Füchse relativ einheitlich aus, paaren sich nur
einmal im Jahr und verhalten sich (zumindest theoretisch) in freier
Wildbahn scheuer als Haushunde. Zur Beurteilung, ob natürliche
oder künstliche Selektion zur Domestikation des Haushundes führte,
ist das Experiment des Russen D. Belyaev (1979) hoch interessant,
der bewusst in Käfigen lebende Silberfüchse auf die Reduktion von
Fluchtverhalten selektierte. Belyaev betrieb künstliche Zuchtauslese,
indem er aus einer mehrere tausend Tiere umfassenden
Fuchspopulation letztendlich nur die ruhigsten und ihm freiwillig
entgegenkommenden Füchse sich verpaaren ließ.
Was ursprünglich mit einer gewollt manipulierten
Temperamentsveränderung begann, entwickelte sich nach wenigen
Jahren künstlicher Selektion auf zahmeres Verhalten zur kleinen
Sensation: Nach und nach veränderten die Silberfüchse auch ihr
äußeres Erscheinungsbild (Kippohren, gescheckte Fellstrukturen,
veränderte Rutenstellungen), bellten ähnlich den Hunden und die
Weibchen wurden zweimal pro Jahr läufig. Durch gezielte Eingriffe
des Menschen (sexuelle Isolation von weniger scheuen und nicht
flüchtenden Füchsen) scheint auch die Manipulation eines
Tiergehirns möglich zu sein, was zu dessen physischer und
psychischer Veränderung führt. Belyaevs Zuchtmanipulation führte
trotz aller geschilderten Veränderungsmerkmale aber nicht zur
Minimierung der Körpergröße, des Schädels, der Zähne oder des
Gehirnvolumens der Silberfüchse. Trotzdem geht der – zum Glück
sachliche – Streit unter diversen Wissenschaftlern weiter.
R. Coppinger (2003) spekuliert: „Ich gehe davon aus, dass
verringerte Körpergröße und kleinere Schädel, Gehirne und Zähne
das Ergebnis natürlicher Selektion und nicht sprunghafter
Veränderung sind.“ Diese Annahme beinhaltet aber keine Erklärung,
warum Belyaevs Füchse aufgrund künstlicher Selektion starke
Verhaltensabweichungen und Veränderungen des äußeren
Erscheinungsbildes aufzeigten, wie R.Coppinger (2003) zugibt: „So
wie ich das sehe, kämpfen sowohl das Modell der natürlichen als
auch das der künstlichen Selektion mit dem Problem, eine Erklärung
für jedes Wesensmerkmal finden zu müssen.“
Was unsere Haushunde und deren Erziehung anbelangt, liegt die
Antwort meiner Meinung nach im Kompromiss und der Tatsache der
Vielfältigkeit von Gattung Hund Rechnung zu tragen (vom
unterwürfigen Persönlichkeitstypus eines typischen Jungwolfes bis
zum tendenziell aufmüpfigen „Früchtchen“).

Ruhiges und konsequentes Handeln


Auf einen gemeinsamen Nenner können wir uns jedenfalls sofort
einigen: Hundeerziehung nach falsch verstandener „Alphawolf-
Manier“ zu empfehlen (verprügeln, an der Kehle hochhalten, im
Nacken packen und schütteln), ist nach heutigem Wissensstand
schlicht blanker Unsinn. Unsere Verhaltensbeobachtungen in
Kanada belegen eindeutig, dass Wolfseltern ruhig und konsequent
handeln und ihre „Jungspunte“ wirklich nur dann maßregeln, wenn
sie es auch verdient haben. Anstatt in der bundesdeutschen
Hundeszene ständig irgendwelche Scheindebatten zu führen, sollten
wir uns vom Verhalten richtiger Leittiere eine große, nein, eine
riesige Scheibe abschneiden.
Intelligenztests und
Verhaltensvergleiche von Wolf und
Hund

Unterschiede zwischen Wolf und Hund


Auch wenn es einige Intelligenztests gibt, deren tiefere Bedeutung
man unterschiedlich bewerten mag, wäre es ein Fehler, unsere
Haushunde als primitive Wolfsform oder Wölfe als geeignete
Hausgesellen anzusehen. Ist das Erkundungsverhalten, die Neugier
also, je nach Persönlichkeitstypus bei Wolf und Hund sehr
differenziert entwickelt, schauen wir im Umgang mit dem Menschen
doch auf grundsätzliche Unterschiede, wie Versuchsergebnisse der
Universität Kiel, des Max Planck Instituts in Leipzig (Intelligenztest
mit verschiedenen Hunden) oder aus dem Wolf Park/USA
(Erfahrungen mit Gehegewölfen) suggerieren:
‣ Hunde reagieren auf Augen- oder Fingerzeig des Menschen und
gehen gezielt zum angezeigten Futternapf, während Wölfe
Kommunikationssignale des Menschen kaum beachten. Sozialisiert
man Wolfswelpen durch Flaschenaufzucht auf Menschen, reagieren
sie später im Erwachsenenstadium – je nach individueller
Persönlichkeit (unterwürfiger oder dominanter Typus) – zumindest in
limitiertem Umfang auf die Körpersprache des Menschen (z.B.
Abbruchsignale → strenger Blick oder Bedrängen;
Beschwichtigungssignale → abgewandter Blick oder Körper).
‣ Zeigt man Hunden ein Stück Fleisch und platziert es danach in
einer einfach verschlossenen Tonne, vertrauen sie dem Menschen
und öffnen sie ohne große Vorsicht. Wölfe nähern sich der Tonne in
exakt der gleichen Testsituation höchst vorsichtig und öffnen sie in
Gegenwart des Menschen nicht. Woher sollten Wölfe dem
Menschen auch vertrauen, wenn sie in der Vergangenheit stets
schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht haben? Wir können aber
anhand unseres Videomaterials beweisen, dass junge Wolfswelpen
in freier Wildbahn ohne die Präsenz von Alttieren keine genetisch
bedingte Angst vor dem Menschen haben, sondern ihre Vorsicht vor
dem Menschen auf Lernerfahrungen beruht, indem sie sich an dem
Verhalten ihrer Eltern orientieren.
‣ Hunde zeigen große Lust und eine erstaunliche Begabung zur
Zusammenarbeit mit dem Menschen. Jungwölfe zeigen zwar ein
gewisses Interesse, orientieren sich jedoch ab dem
Erwachsenenalter an ihren Artgenossen.
‣ Wolf wie Hund untersuchen versteckte Geruchsproben in
ungestörter Umgebung gleich und finden alles sofort ohne Problem.
‣ Wölfe setzen Beobachtungslernen schnell und präzise um (z.B.
Türen öffnen), während diese Begabung bei Hunden äußerst
unterschiedlich ausgeprägt ist.
‣ Im Gegensatz zu Wölfen lernen Hunde bereitwillig durch ein
visuelles oder verbales Signalangebot des Menschen über
Motivation und Belohnung (Hütchenspiele, Zählen, Apportieren).
Diese Fähigkeit demonstriert derzeit Deutschlands bekanntester
Border Collie in vielen TV-Sendungen, der auf verbale Aufforderung
mittlerweile zweihundert verschiedene Gegenstände apportiert.
Diese Untersuchungsergebnisse könnten uns dazu verleiten,
zwischen Wolf und Hund nur noch wenige Parallelen zu erkennen.
Aber weit gefehlt: Vergleicht man nämlich die Funktionskreise und
typischen Verhaltenskategorien von Wolf und Hund ergeben sich
erstaunliche Ähnlichkeiten.
© Günther Bloch
Verhaltensvergleiche zwischen Wölfen und Hunden gestalten sich mitunter sehr
schwierig, weil Wölfe aufgrund einer Jahrtausende währenden Zeit der Verfolgung
extrem misstrauisch geworden sind. Wölfe kennen jeden Stein oder Zweig ihres
Reviers sozusagen persönlich und reagieren auf jegliche Veränderung mit
spontanen Verhaltensanpassungen. Oft hört man, dass Hunde keine besondere
Fähigkeit besitzen, aus größeren Entfernungen selbstständig den Weg nach
Hause zu finden, was ich für ein Gerücht halte, da meine eigenen Hunde auch
nach stundenlanger Abwesenheit damit überhaupt keine Probleme hatten.

Gemeinsamkeiten – Wolf und Hund

‣ Komfortverhalten: Wolf und Hund drehen sich vor dem Hinlegen


mitunter minutenlang im Kreis, rollen sich im Schlaf ein, führen die
gleichen Hygienemaßnahmen aus und wälzen sich genüsslich in
jedem auffindbaren und nicht immer wohlriechenden Dreck.
‣ Beutefangverhalten und Nahrungsaufnahme: Wolf und Hund
schütteln Beute und tote Gegenstände kräftig durch, zeigen
Kopfschleudern oder Imponiertragen mit Beute und würgen Futter
schnell herunter.
‣ Paarungsverhalten: Wolf und Hund zeigen ein ausgeprägtes
Werbeverhalten, betreiben eine sorgfältige Partnerwahl und hängen
beim Liebesakt lange zusammen.
‣ Jagdverhalten: Wolf und Hund jagen in gleicher Weise instinktiv,
folgen selbst belohnenden Verhaltenssequenzen und verfolgen
flüchtende Beuteschemen. Unterschied: Hunde jagen, Wölfe gehen
auf die Jagd!
‣ Agonistisches Verhalten: Wolf und Hund bestehen tendenziell auf
Einhaltung von Individualdistanz, zeigen ein diffiziles, vordergründig
ritualisiertes Aggressionsverhalten und ziehen Drohsignale ernsten
Auseinandersetzungen vor. Wolf und Hund zeigen vom Welpenalter
an eine ausgeprägte Bereitschaft zum Maulwinkellecken, das unter
anderem eine innige Bindungsbereitschaft dokumentiert.
‣ Spielverhalten: Hunde gebrauchen im Vergleich zu Wölfen
vergröberte Spiel- und Interaktionssignale und betonen ihr
Bellverhalten domestikationsbedingt sehr stark. Dennoch ähneln
sich die Grundkommunikationssysteme des Spiels von Wolf und
Hund, wobei es überhaupt keine Rolle spielt, ob es sich um einen
jungen Schensi-Hund, Dorfhund oder Haushund handelt.
Hier noch eine kleine Anekdote, welche die enge Verwandtschaft
von Wolf und Hund eindrucksvoll dokumentiert:
Im Central-Park von New York lebende Obdachlose beklagten das
Problem, jede Nacht von Ratten belästigt – und gelegentlich sogar
von ihnen attackiert zu werden. Der Rattenplage konnte man schwer
beikommen und so galt es, sich konstruktive Gedanken um einen
wirksamen Schutzmechanismus gegen diese gleichermaßen
lästigen wie gefährlichen Plagegeister zu machen. Eines Tages kam
jemand auf die Idee, diesen geplagten Menschen einen kleinen
Jack-Russell-Terrier zu schenken. Tagsüber schlief sich der Terrier
aus, um mit Einbruch der Dämmerung fit genug zu sein, der
Rattenplage Paroli zu bieten. Sobald sich seine neuen Sozialpartner
auf den wenigen Parkbänken zur Ruhe betteten, saß der Terrier wie
eine Salzsäule da, beobachtete aufmerksam die Umgebung mit
Argusaugen und hetzte jede Ratte, die sich den Obdachlosen
näherte. In klassischer Terriermanier schüttelte er ein Nagetier nach
dem anderen tot. Seinen Job als Bewacher von Obdachlosen füllt
der kleine Terrier auch heute noch mit großem Enthusiasmus aus. Er
ist mittlerweile zum Held und Medienstar avanciert – der
Obdachlosen-Schutzterrier. Derweil hat sich in der Rattenwelt
herumgesprochen, dass man in der Nähe von Parkbänken eine
weitläufige „Individualdistanz“ einhalten muss, um bloß nicht den
Aktionsradius des Terriers zu kreuzen. Vom Abstaubeverhalten eines
Dorfhundes hat er noch nie etwas gehört. Auch die Lebensgesetze
einer Müllhalde sind ihm total fremd. Sein kleiner Schädel (inklusive
verringertem Gehirnvolumen) und seine kleinen Zähne sind groß
genug, um Beutetiere so zu schütteln, dass ihnen Hören und Sehen
vergeht. Dieser Terrier lebt mit seinen Menschen und für ihn ist nur
maßgebend, das dreist-aufdringliche Verhalten von Ratten in Schach
zu halten.
Ist das nicht eine beachtenswerte Geschichte, die die Symbiose
Mensch/Hund ins rechte Licht rückt?
Ist das nicht ein wunderbares Beispiel für die
„Seelenverwandtschaft“ von Wolf und Hund?
© Günther Bloch
Wolfshybriden

Je mehr unsere Landschaft zubetoniert, Flüsse begradigt, Wälder zu


Forsten verändert und Gärten von jeglichem Unkraut befreit werden,
umso größer die Sehnsucht des Menschen nach einem Stück
Ungezähmtheit oder exotischer Herausforderung. So schwappt eine
nicht ganz neue Welle aus den USA zu uns herüber, wird gierig
aufgesogen und in deutsche Norm gepresst. Sind einzelne
Exemplare in Alaska vielleicht noch in den Schlittenhundesport
integrierbar (was ich dennoch für unproduktiv halte), ist die
steigende Anzahl solcher Bastarde in unserem dicht besiedelten
Land völlig fehl am Platz.
Obwohl Kreuzungen zwischen Wolf und Hund einen Rückschritt in
der Zucht bedeuten, weil sie oft mit wolfstypischer Scheue, fehlender
Vertrautheit gegenüber dem Menschen, zielgerichtetem
Jagdverhalten, nicht einschätzbar großer Variabilität
verhaltensbestimmender Eigenschaften und teilweise ausgeprägter
Aggressivität einhergehen können, fühlen sich immer mehr
Menschen berufen, der Domestikationsgeschichte ein „Schnippchen“
zu schlagen.
© Günther Bloch
Wolfsmischlinge sollen angeblich für einen Einsatz im Schlittenhundesport
hervorragend geeignet sein. Jedoch hat noch nie ein Schlittenhundegespann mit
Wolfsmischlingen ein bedeutendes Rennen in Alaska oder im Yukon gewonnen.
Womit einmal mehr der Beweis erbracht wäre, dass viele Menschen lieber einem
Aberglauben frönen als wünschenswerten Realismus walten zu lassen. Das Bild
zeigt einen Wolf-Schäferhund-Mischling der ersten Generation (F 1).

Bis zur Geschlechtsreife der Tiere ist selbst bei Zwingerhaltung


(Hybriden können nicht unbeaufsichtigt im Hausstand
zurückgelassen werden) eine erstaunliche Futter- und
Handzahmheit feststellbar, die oft mit Domestikation und festen
Verhaltensprofilen von Hunderassen verwechselt wird.
Nach Abschluss der jugendlichen Entwicklungsphase, spätestens ab
Erreichen des dritten Lebensjahres, ordnen sich Hybriden dem
Menschen selten dauerhaft unter. Stattdessen testen sie rigoros und
für ihre Halter aufgrund ihres differenzierten Ausdrucksverhaltens
schwer erkennbar Schwächen in der Sozialrangordnung. Die
Futterrangordnung wird konsequent und stets aufs Neue in Frage
gestellt. Gerade handaufgezogene Hybriden, denen die Scheu vor
dem Menschen fehlt, attackieren ihn nicht selten bei
Auseinandersetzungen um Nahrung und andere Ressourcen. Dem
Bewegungsbedürfnis dieser Tiere ist schwerlich beizukommen.
Ihnen ein artgerechtes Leben zu bieten erscheint kaum möglich.
Zusammenfassend sollte die Zucht, Verbreitung und Haltung von
Wolfshybriden in Privathand bei uns in Deutschland verboten
werden, weil es keinen vernünftigen Grund dafür gibt.

© Raymond Coppinger
Wolf und Hund schleichen in vielen Gegenden Südeuropas um die Müllhalden der
Menschen und ernähren sich von unseren Wohlstandsresten, wobei sie sich
untereinander (im Gegensatz zu erheblichen kommunikativen Schwierigkeiten
zwischen Kojoten oder Schakalen und Hunden) bestens verständlich machen und
sogar sehr ähnliche Körpersignale austauschen, wie auf dem Bild zu sehen ist
(Interaktion zwischen Wolf und Kangal).
Schlussfolgerung

Anstatt nur die unbestritten vorhandenen Unterschiede zwischen


Wolf und Hund in einer fast schon monoton erscheinenden Art und
Weise aufzuzählen, verweise ich zur Umsetzung von praktischer
Hundeerziehung lieber auf die vielen Gemeinsamkeiten, die ebenso
augenfällig sind. Um „normales“ Hundeverhalten von
Verhaltensabnormitäten säuberlich zu trennen, muss man nach
meinem Dafürhalten Vergleiche zwischen dem Instinktrepertoire des
Originals (Wolf) und seiner domestizierten Form (Hund) anstellen.
Erst dadurch ist es möglich, „Hundeverhalten“ präzise zu deuten und
Schlussfolgerungen ziehen zu können.
Dass „Hunde keine Wölfe sind“, wie einige Menschen süffisant
feststellen, was im Übrigen auch kein Mensch behauptet, ist weder
etwas Neues, noch für Verhaltensbeurteilungen in irgendeiner Form
auch nur ansatzweise hilfreich. Wir haben in diesem Buch ja
herausgearbeitet, dass es nicht um die Gleichsetzung von Wolfs-
und Hundeverhalten geht, sondern darum, Vergleiche anzustellen.
Unglücklicherweise diskutieren viele Hundetrainer, Therapeuten und
Journalisten über das Wolfsverhalten, obwohl sie (außer im Zoo) in
ihrem Leben noch nie Wölfe gesehen haben. Derweil mobben ihre
Hunde, was das Zeug hält, oder jagen alles, was sich nur bewegt.
Wie schon mehrfach erwähnt, sind stereotype „Verhaltenspakete“
weder für Wölfe noch für Haushunde repräsentativ, auch wenn das
viele Menschen der Einfachheit halber liebend gern so sehen
würden. Pech gehabt, kann ich da nur sagen. Nun zahlt es sich am
Ende für mich aus, in den vergangenen Jahrzehnten hartnäckig frei
lebende Wölfe, Gehegewölfe, Kojoten, Arbeitshunde und
Haushunde über lange Zeiträume beobachtet zu haben. So möge
sich der Hundebesitzer nicht an schlechten Beispielen orientieren,
sondern vier letzte „Botschaften“ verinnerlichen:
a) Jeder Hund erhält sich die Bindungsbereitschaft nach
Sozialisierung auf die Art Mensch ein Leben lang, wie uns der
unvergessene Erik Zimen (2001) mitteilt: „Die sensible Phase der
Sozialisierung ist relativ lang, zeitlich nicht strikt auf ein bestimmtes
Alter festgelegt, nicht irreversibel und auch nicht exklusiv, das heißt,
nicht nur auf eine Art beschränkt.“ Kleine Anmerkung meinerseits:
Wäre dies nicht so, müsste jeder Tierheimhund zwangsläufig auf der
Stelle eingeschläfert werden. Wir haben also genügend Zeit, uns mit
Haushunden intensiv zu beschäftigen. Packen wir es an!
b) Auch wenn Hunde im sozialen Bereich generell sehr intelligent
sind, dürfen wir sie weder über-, noch unterfordern. Hunde können
alles Mögliche – nur nicht gleich gut. Hätten alle Haushunde die
gleichen Fähigkeiten, könnte ein Herdenschutzhund Schafe
zusammentreiben und ein Molosser bei der Jagd zum Vorstehen an
der Beute zum Einsatz kommen. Kein Schlittenhundegespann mit
Bernhardinern hat im Wettstreit mit einer Gruppe von Huskies den
Hauch einer Chance.
c) In unseren modernen Zeiten scheint der Begriff Symbiose einer
falschen Interpretation zu unterliegen, weil viele Menschen darunter
eine völlig überzogene emotionale Abhängigkeit verstehen und
(leider muss ich den Begriff „Götzenbild“ hier nochmals aufgreifen)
Hunde in massivster Form vermenschlichen. Das andere Extrem,
nämlich Hunde immer barsch und roh zu behandeln, ist ebenfalls
unnötig. Es mag durchaus den einen oder anderen Hund geben, der
auf Biegen und Brechen um eine bestimmte Ressource kämpft. Die
meisten sind aber viel zu clever, sich selbst ständig in eine
Konfrontationssituation zu begeben. Hunde tricksen uns aus,
deshalb müssen wir unseren Verstand nutzen, sie mit ihren eigenen
Waffen schlagen und selbst austricksen.
d) Trotz des großen Interesses am sozialen Miteinander bleibt
anzumahnen, die biologische Seite des Hundes nicht außer Acht zu
lassen. Das ist mir die wichtigste Botschaft dieses Buches. Leider
erlebe ich zur Zeit eine unerträgliche Tendenz, die psychologischen
Lernregeln des Konditionierungstrainings überzubewerten. Das
bedeutet, einen unverantwortlich hohen Preis zu zahlen, indem wir
unsere vierbeinigen Freunde so manipulieren, managen und
konditionieren, dass sie ihr eigentliches Anderssein aufgeben
müssen. Auch unter Freunden herrscht hin und wieder Streit, kommt
es zu Unstimmigkeiten und zum gelegentlichen „Anblaffen“. Ich kann
jedenfalls (und hoffentlich viele Leser ebenso) auf einen
„roboterhaften“, vermeintlich glücklichen Begleiter gut verzichten und
plädiere aus tiefster Überzeugung ein letztes Mal für die
Persönlichkeit Hund.
Das ist meine subjektive Meinung zum Thema Hund und allem drum
herum.
Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
Service
Danksagung

Ohne enormen Zeitaufwand entsteht kein Buch der Welt. Deshalb


möchte ich mich zuerst bei meiner Frau Karin und unseren
Vierbeinern Kashtin (Dackel), Jasper (Laika), Pjontek (Owtscharek
Podhalanski), Taiga und Raissa (Kaukasische Owtscharki)
bedanken, ohne deren Verständnis nicht eine Manuskriptseite
entstanden wäre.
Ein von Herzen kommendes Dankeschön gilt meinem „Ziehkind“
Daniela (Danny) Sommerfeld, die meinen daheim zurückgelassenen
Herdenschutzhunden jederzeit eine verantwortliche und treu
sorgende Sozialpartnerin war und die ihrem griechischen
„Straßenköter“ Fuchur täglich stundenlanges „Maulbeißen“ mit
meiner jungen Raissa gestattete, ohne selbst einzugreifen. Danny
und Angelika Lanzerath gilt auch ein herzlicher Dank dafür, dass alle
Belange unseres gemeinsamen Caniden-Verhaltenszentrums in
meiner Abwesenheit würdig vertreten wurden.
Wissen entsteht aus Erfahrung. Wissen entsteht aber nicht minder
durch nachahmenswerte Koryphäen: Eberhard Trumler und Erik
Zimen waren solche Menschen, die mich kritisches Beobachten und
Argumentieren lehrten, auch wenn das eigene Image manchmal
darunter leiden muss. „So what?“, antwortet der Canadier. Paul
Paquet lehrte mich schon vor über 13 Jahren verhaltensökologisch
zu denken, weswegen ich die biologische Seite des Hundes
(komme, was da wolle) bis an mein Lebensende vehement
verteidigen werde.
Unbekannterweise bedanke ich mich bei der bedeutsamen
Verhaltensforscherin Jane Goodall, die meine
Lieblingswissenschaftlerin ist, weil sie Menschenaffen Gefühle
zuspricht, deren individuelle Persönlichkeitsentwicklungen zur
absoluten Norm erklärt und nimmermüde darauf verweist, wie nah
verwandt Menschen und Primaten in Wirklichkeit sind, obwohl sie
doch in unterschiedlichen Lebensräumen aufwachsen.
Ich danke Dorit Feddersen-Petersen, Paul Paquet und Ray
Coppinger für die Vorworte zu diesem Buch. Ich danke Dorit dafür,
frei von der Leber weg zu argumentieren, dass Haushunde
Rudeltiere sind und bleiben. Ein Extra-Extra-Dank geht an Ray
Coppinger, weil ich mich mit ihm über Wolfsverhalten so herrlich
streiten darf, wobei er aufgrund unseres „erdrückenden“
Datenmaterials langsam, aber sicher zur Kenntnis nimmt, dass
Wölfe harmonische Familientiere sind, die sich nicht alle gleich
verhalten.
Mit deutscher Grammatik stehe ich seit jeher permanent auf
Kriegsfuß. Daher habe ich vor allem meiner guten Freundin Petra
Krivy und Dr. Bertold Mengel zu danken, deren unermüdliches
Korrekturlesen so manchen Tag (und Abend) beanspruchte. Gäbe
es diese Menschen nicht, würde es für mich garantiert peinlich
werden.
Letztlich widme ich dieses Buch allen mir bekannten Wölfen und
Hunden, zu denen ich im Lauf der Jahrzehnte ein tief verankertes,
hoch emotionales Mitgefühl aufbaute und die mir allesamt
beibrachten, wie man das „Eltern-Nachwuchs-Dominanz-System“
auf die Lehren der praktischen Hundeerziehung übertragen kann.
„Hi, folks!“, ihr habt mir die Augen geöffnet und ich packe keinen
Welpen mehr im Nacken und schüttle ihn auch nicht mehr durch. Ich
verbeuge mich aufrichtig und ehrfürchtig, liebe Wolfseltern, und
wünschte, ich hätte euch eher beobachten und korrekt verstehen
dürfen.
© Daniela Sommerfeld
Straßenhunde können wie Wölfe gegenüber dem Menschen enormes
Fluchtverhalten aufbauen, wie uns der aus Griechenland stammende Mischling
„Fuchur“ (rechts) täglich beweist. Er findet immer einen Weg, Fremde zu meiden,
und ist mit einer gehörigen Portion Raffinesse ausgestattet. Fluchttendenzen sind
demnach weder typisch Wolf noch Hund, sondern begründen sich in erster Linie
auf unterschiedliche Lebenserfahrungen, die in Verbindung mit dem Menschen
sowohl negativ als auch positiv sein können.
Das Foto zeigt eine Interaktion um einen erhöten Liegeplatz (Austausch von
aktivem und defensivem Blickkontakt).

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Sims and Dawydiak: Livestock Protection Dogs. OTR Publications,
USA, 1990
Smith, D.: Wolf Pack Leadership. Howlings Publications, Canada,
2002
Stamm, R.: Tierpsychologie – Die biologische Erforschung tierischen
und menschlichen Verhaltens. Beltz-Verlag, 1984
Tembrock, G.: Tierpsychologie. A. Ziehmsen-Verlag, 1972
Tembrock, G.: Verhaltensbiologie. Gustav Fischer-Verlag, 1986
Tortora, D.: Schwieriger Hund, was tun? Müller Rüschlikon, 1979
Trumler, E.: Mit dem Hund auf Du. Piper-Verlag, 1987
Trumler, E.: Mensch und Hund. Kynos-Verlag, 1988
Trumler, E.: Das Jahr des Hundes. Kynos-Verlag, 1997
Vaughan, D.: Canine Color Vision. Gazette, May/University of
California, USA, 1991
Wachtel, H.: Hundezucht 2000. Gollwitzer-Verlag, 1997
Wachtel, H.: Das Buch vom Hund – Die Symbiose zwischen Hund
und Mensch. Cadmos-Verlag, 2002
Zimen, E.: Der Wolf. Kosmos-Verlag, 2003
Zimen, E.: Wölfe und Königspudel. R. Piper-Verlag, 1971
Zimen, E.: Der Hund – Abstammung, Verhalten, Mensch und Hund.
C. Bertelsmann-Verlag, 1988
Zimen, E.: Ethologie des Hundes. Publikation der ATN, Schweiz,
2001
Zimen, E.: Vorwort in: Timberwolf Yukon & CO, Kynos-Verlag, 2001
Zimen, E.: Warum beißen Hunde? Hunde-Revue 10/2000, dbv-
Verlag, 2000
© Rolf Hüttner

Zum Weiterlesen

Bekoff, Marc: The Emotional Lives of Animals. New World Library


2007

Bekoff, Marc: Die Moral der Tiere. Kosmos 2011

Bloch, Günther & Elli H. Radinger: Affe trifft Wolf. Dominieren statt
Kooperieren? Die Mensch-Hund-Beziehung. Kosmos, 2011

Bloch, Günther & Peter A. Dettling: Auge in Auge mit dem Wolf. 20
Jahre unterwegs mit frei lebenden Wölfen. Kosmos, 2008

Bloch, Günther: Die Pizza-Hunde (DVD). Freilandstudien an


verwilderten Haushunden. Kosmos, 2007
Bloch, Günther: Der Wolf im Hundepelz: Hundeerziehung aus
unterschiedlichen Perspektiven. Kosmos, 2004

Bloch, Günther: Wolf und Rabe. Langzeituntersuchungsergebnis


zur Sozialisation und zum Zusammenleben von zwei Arten in einer
sozialen Mischgruppe. Ein Referenzsystem zur realistischen
Einschätzung von Mensch-Hund-Beziehungen. S.9–36 in: U.
Gansloßer (Hrsh.): Mit Hunden leben. Expertenwissen für
Hundehalter Bd. 1. FIlander Verlag, Fürth 2010

Feddersen-Petersen, Dorit U.: Ausdrucksverhalten beim Hund.


Mimik, Körpersprache, Kommunikation und Verständigung. Kosmos,
2008

Feddersen-Petersen, Dorit U.: Hundepsychologie: Sozialverhalten


und Wesen. Emotionen und Individualität. Kosmos, 2004

Gansloßer, Udo: Verhaltensbiologie für Hundehalter:


Verhaltensweisen aus dem Tierreich verstehen und auf den Hund
beziehen. Kosmos, 2007

Heinrich, Bernd: Die Weisheit der Raben. List, 2002

Heinrich, Bernd: Die Seele der Raben. Eine zoologische


Detektivgeschichte. Fischer, 1994

McAllister, Ian: Wilde Wölfe. Die letzten ihrer Art in Kanada.


Frederking & Thaler, 2009

Mech, L. David & Luigi Boitani: Wolves: Behavior, Ecology and


Conservation. University of Chicago Press, 2003

Mech, L. David: Der Weiße Wolf. Mit einem Wolfsrudel unterwegs in


der Arktis. Sierra, 2000

Radinger, Elli H.: Die Wölfe von Yellowstone. von Döllen, 2004
Radinger, Elli H.: Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? von Döllen, 2004

Smith, Douglas W. & Garry Ferguson: Decade of the Wolf:


Returning the Wild to Yellowstone. Lyons Press, 2006

Zimen, Erik: Der Wolf. Verhalten, Ökologie, Mythos. Kosmos, 2003

Adressen

Wolfs-Patenschaften über Günther Bloch


Ob Diskussionen über Alphastatus, Futterrangordnung,
Führungsverhalten, Welpenaufzucht und Fürsorge oder den
Austausch von Kommunikationssignalen – jeder erzählt etwas
anderes über Wölfe und verunsichert den einfachen Hundehalter
immer mehr. Durch eine Patenschaft für Nanuk und Fluffy, den
Bowtal-Wölfen, hat jeder die Möglichkeit, neue
Feldforschungsergebnisse aus erster Hand zu erhalten.

Hunde-Farm „Eifel“
Von Goltsteinstr. 1
D – 53902 Bad Münstereifel-Mahlberg
Tel.: 02257 952661
Fax: 02257 952660
www.hundefarm-eifel.de
canidexpert@aol.com

Weitere Ansprechpartner für die Hunde-Farm „Eifel“


Haben Sie Probleme im Umgang mit Ihrem Hund?
Angelika Lanzerath (Hundeschule)
Tel./Fax: 02257 7728, Mobil: 0163 5676407 E-Mail: kedvesmomo@t-
online.de
Wollen Sie Ihren Hund während des Urlaubs bestens aufgehoben
wissen?
Daniela Sommerfeld (Hundepension)
Tel./Fax: 02257 7441, Fax: 02257 952660 E-Mail: hundefarm-
eifel@web.de

Wolfsreisen mit Elli H. Radinger


Die Autorin bietet Interessierten die Gelegenheit, sie bei ihren
Wolfsbeobachtungen in Yellowstone zu begleiten. Die Teilnehmer
der Wolfsreisen lernen die berühmtesten Wölfe der Welt kennen,
erfahren alles über ihr Sozialverhalten, Jagdtechniken, Beutetiere,
über die ökologischen Zusammenhänge und die Arbeitsweisen der
Biologen.
Elli H. Radinger
Blasbacher Str. 55
D – 35586 Wetzlar
Tel.: 06441 32969
Fax: 06441 33449
www.yellowstone-wolf.de
info@yellowstone-wolf.de

Wolf Magazin
Das Wolf Magazin, herausgegeben von Elli H. Radinger, ist seit
1991 die einzige deutschsprachige Fachzeitschrift über Wölfe und
andere wilde Kaniden. Bisher gab es die Zeitschrift nur im
Abonnement. Seit 2010 erscheint das Wolf Magazin zweimal jährlich
(Frühjahr und Herbst) als Buch im Zeitschriftenhandel.

Redaktion Wolf Magazin


Blasbacher Str. 55
D – 35586 Wetzlar
Tel.: 06441 32969
Fax: 06441 33449
www.wolfmagazin.com
redaktion@wolfmagazin.com

Wolfsbilder & Kalender über Peter A. Dettling


Alle im Buch veröffentlichten Wolfsbilder können beim Fotografen
direkt in allen verschiedenen Größen samt Originalunterschrift
bestellt werden, ebenso jährliche Wandkalender.
Tel.: ++41 (0) 81 9491933
Fax: ++41 (0) 81 9491672
www.peter-a-dettling.com
padphotography@shaw.ca
Bildnachweis
52 Fotos wurden von Karl-Heinz Widmann/Kosmos aufgenommen.
Alle weiteren Fotos sind mit dem Copyright des Fotografen
versehen.

Impressum
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar unter Verwendung von
zwei Fotos von Günther Bloch (links) und Karl-Heinz
Widmann/Kosmos (rechts).

Mit 124 Fotos und zwei Zeichnungen.

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele


weitere Informationen zu unseren Büchern,
Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und
Aktivitäten finden Sie unter kosmos.de

© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart.


Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-14134-2
Redaktion: Hilke Heinemann
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