Sie sind auf Seite 1von 6

See discussions, stats, and author profiles for this publication at: https://www.researchgate.

net/publication/247397347

Testbesprechung: Homburger ADHS-Skalen für Erwachsene (HASE)

Article  in  Zeitschrift für Psychiatrie Psychologie und Psychotherapie · January 2008


DOI: 10.1024/1661-4747.56.2.155

CITATIONS READS

8 51,319

2 authors:

Soeren Schmidt Franz Petermann


Hochschule Emden/Leer Universität Bremen
51 PUBLICATIONS   555 CITATIONS    2,129 PUBLICATIONS   24,010 CITATIONS   

SEE PROFILE SEE PROFILE

Some of the authors of this publication are also working on these related projects:

Normierung und Validierung des nonverbalen Intelligenztests SON-R 2-8 View project

Cyberbullying: A concept analysis View project

All content following this page was uploaded by Soeren Schmidt on 15 May 2014.

The user has requested enhancement of the downloaded file.


Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 56 (2), 2008, 155–159

Z. Psychiatr., Psychol. Psychother. 56 (2) ©S.2008


Schmidt & F. Hans
by Verlag Petermann: Testbesprechun
Huber, Hogrefe AG, Berng

Testbesprechung

Homburger ADHS-Skalen für Erwachsene (HASE)


Sören Schmidt und Franz Petermann

Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen

Testart Tabelle 1
Übersicht über die erfassten Bereiche des HASE
Testverfahren zur syndromalen und kategorialen Diagnos- Beschreibung Verfahren
tik der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
(ADHS) im Erwachsenenalter (Rösler, Retz-Junginger, Bereich 1 Retrospektive Selbstbeurteilung relevan- WURS-K
ter Symptome durch den Betroffenen.
Retz & Stieglitz, 2008).
Bereich 2 Fremdurteil über das Vorhandensein ADHS-DC
und das Maß der Beeinträchtigungen ADHS-DC-Q
durch den Untersucher nach DSM-IV
und ICD-10.
Testmaterial Bereich 3 Selbstbeurteilung relevanter Symptome ADHS-SB
in der Schwere ihrer Ausprägung nach
HASE enthält ein Manual (54 Seiten, DIN-A4-Format), DSM-IV und ICD-10.
jeweils fünf Testbögen/Testhefte der Einzelverfahren Bereich 4 Erfassung der individuellen Pathologie WRI
Wender Utah Rating Scale in der Kurzform (WURS-K), des Betroffenen unter zusätzlicher Ein- WRI–V
Wender-Reimherr-Interview (WRI), Wender-Reimherr- beziehung der Utah-Kriterien.
Interview Verlaufsdokumentation (WRI–V), ADHS-
Selbstbeurteilungsskala (ADHS-SB), ADHS-Diagnosti-
gibilität (Stressintoleranz) und spezielle Temperamentsei-
sche Checkliste (ADHS-DC), ADHS-Diagnostische
genschaften zusammensetzen (vgl. Rösler & Retz, 2006).
Checkliste-Quantitativ (ADHS-DC-Q), Checkliste ko-
Die Autoren schlagen dabei ein stufenweises Vorgehen vor
morbider Störungen sowie eine Gesamtauswertung.
(vgl. Tabelle 1), weisen aber darauf hin, dass die Verfahren
je nach Fragestellung auch einzeln eingesetzt werden kön-
nen.
Bereich 1 dient der Erhebung retrospektiver ADHS-re-
Testgliederung levanter Symptome mit der Kurzform der Wender-Utah-
Rating-Scale (WURS-K), in der der Patient angehalten ist,
Das Verfahren dient der diagnostischen Erfassung von den Zeitraum vom achten bis zum zehnten Lebensjahr zu
Symptomen einer ADHS sowie wichtigen Informationen, berücksichtigen. In Bereich 2 erfolgt eine Beurteilung ge-
die bei Erwachsenen für die klinische Diagnose der Stö- genwärtig vorhandener Symptome durch den Untersucher
rung wesentlich sind. Die Autoren orientieren sich dabei mit der diagnostischen Checkliste zur Erfassung von
sowohl an den diagnostischen Kriterien nach DSM-IV und ADHS-Symptomen (ADHS-DC) nach den Kriterien des
ICD-10 (Erfassung von Symptomen zur Unaufmerksam- ICD-10 und DSM-IV. Es besteht dabei die Möglichkeit,
keit, Impulsivität und Hyperaktivität sowie dem retrospek- einmal das generelle Vorhandensein von ADHS-Sympto-
tiven Nachweis relevanter Symptome) als auch an den men zu erheben, die dann in einer zweiten Form (ADHS-
Utah-Kriterien, die zur ADHS-Diagnostik im amerikani- DC-Q) quantitativ hinsichtlich der Schwere ihrer Ausprä-
schen Raum eingesetzt werden. Sie erheben zusätzlich zu gungen bewertet werden können. In Bereich 3 erfolgt da-
den eben genannten Phänomenbereichen vier weitere Be- rauf hin die Selbstbeurteilung gegenwärtig vorhandener
reiche, die in der Pathologie der ADHS bei Erwachsenen ADHS-Symptome mit dem ADHS-Selbstbeurteilungsbo-
eine wesentliche Rolle spielen und sich aus den Bereichen gen (ADHS-SB), der die diagnostischen Kriterien einer
Desorganisation, affektive Labilität, emotionale Überrea- ADHS im Erwachsenenalter nach ICD-10 und DSM-IV

DOI 10.1024/1661-4747.56.2.155 Z. Psychiatr., Psychol. Psychother. 56 (2) © 2008 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
156 S. Schmidt & F. Petermann: Testbesprechung

erfasst. In Bereich 4 folgt das Wender-Reimherr-Inter- riertes Vorgehen zur Gewinnung relevanter Informationen
view (WRI), das ähnlich der diagnostischen Checklisten zur Symptomatik einer ADHS im Erwachsenenalter an,
in zwei Versionen vorliegt. Diese unterscheiden sich le- die der Unterstützung der klinischen Diagnose dienen.
diglich in ihren Instruktionen und der Auswertung, indem Die Zusammengehörigkeit der eingesetzten Verfahren
im erstgenannten sowohl neben Gesamtwert und differen- wird zudem über ein einheitliches Layout gewährleistet.
zierten Werten für die einzelnen Teilbereiche eine katego-
rial-diagnostische Einschätzung nach den Utah-Kriterien
erfolgen kann, während in der Version zur Verlaufsdoku-
mentation (WRI–V) einige ergänzende Informationen für Durchführung
den Untersucher zu finden sind, so dass dieser das Verfah-
ren zur Verlaufsuntersuchung einsetzen kann. Hier lässt Die im HASE enthaltenen Verfahren können sowohl ein-
sich auf der Basis eines Summenwertes feststellen, ob sich zeln als auch kombiniert eingesetzt werden. Im diagnos-
die erhobenen Problembereiche verändert haben. tischen Prozess empfiehlt sich allerdings letzteres, da so
alle wesentlichen Informationen erhoben werden können.
In diesem Zusammenhang kann die von den Autoren vor-
geschlagene Reihenfolge (vgl. Tabelle 3) eingehalten wer-
Grundkonzept den, so dass zunächst auf Seiten des Patienten mit der ret-
rospektiven und gegenwärtigen Selbstbeurteilung begon-
Der diagnostische Prozess zur Erfassung einer ADHS bei nen werden kann (Einsatz der Fragebögen WURS-K &
Erwachsenen erfordert ein mehrschichtiges Vorgehen und ADHS-SB).
ist an die Erfassung einer Vielzahl unterschiedlicher Symp-
tome gebunden. Die Autoren tragen dieser Tatsache Rech-
nung, indem sie den diagnostischen Prozess in ein fünfstu-
Tabelle 3
figes Vorgehen untergliedern (vgl. Tabelle 2).
Übersicht über den Umfang und die Dauer der Verfahren
Das von den Autoren vorgeschlagene Vorgehen ent-
im HASE
spricht dem Aufbau des HASE. Dabei erfolgte die Ent-
wicklung des Skalenkonzepts auf der Basis einer voraus- Verfahren Itemzahl/Skalierung Dauer (in Minuten)
gehenden Auswahl geeigneter Verfahren, die sich bereits
WURS-K 25/0–4 10
in der Vergangenheit in der Diagnostik von ADHS-betrof-
fenen Erwachsenen bewährt haben, wie zum Beispiel ADHS-DC & 22/0–3 je 10
durch die methodische Adaption der Verfahren WURS-K ADHS-DC-Q
und WRI aus dem US-amerikanischen Sprachraum, aber ADHS-SB 22/0–3 10
auch durch die Integration von selbstentwickelten Verfah-
ren, die von den Autoren bereits in zahlreichen Studien WRI & WRI–V 28/0–2 bzw. 0–4 je 20
eingesetzt wurden (z. B. ADHS-SB und die dazugehörige
Checkliste ADHS-DC). Die Autoren ergänzten diese um
weitere Instrumente zur differenzierten Einschätzung
durch den Kliniker (ADHS-DC-Q) sowie zur Therapie- Auf Seiten des Untersuchers ist die Beurteilung der Symp-
verlaufskontrolle (WRI–V). Zur Erfassung psychiatri- tomatik anhand der im HASE enthaltenen Checklisten
scher Komorbiditäten, die gerade bei betroffenen Erwach- vorzunehmen. Diese erfolgt zunächst auf der Basis gene-
senen eine ganz wesentliche Rolle spielen (vgl. Schmidt, rell vorhandener Symptome (ADHS-DC) und wird quan-
Brücher & Petermann, 2006), bieten die Autoren zudem tifiziert durch den vom Untersucher eingeschätzten
eine Checkliste, in der sowohl frühere Störungen als auch Schweregrad (ADHS-DC-Q). Dabei sind die Checklisten
gegenwärtige psychiatrische Komorbiditäten aufgeführt in der Reihenfolge der Items identisch mit der ADHS-SB.
werden können. Die Autoren bieten demnach ein struktu- Ergänzend wird die spezifische Psychopathologie durch
ein strukturiertes Interview erfasst (WRI). Der Untersu-
cher wird dazu angehalten, neben der Beurteilung der
Tabelle 2 Ausprägungen einzelner psychopathologischer Merkmale
Fünf Stufen der ADHS-Diagnostik bei Erwachsenen auch die Gesamtbeeinträchtigung einzuschätzen. Zudem
Stufe Ziele der Diagnostik können weitere Informationen über akzessorische Fragen
(z. B. zu Substanzmittelmissbrauch) erhoben werden. Er-
1 Nachweis der DSM-IV/ICD-10-Kriterien
folgt im Anschluss an den diagnostischen Prozess eine
2 Retrospektive Einschätzung kindlicher ADHS-Psychopatho-
logie
Psychotherapie, so kann mit dem WRI–V eine Verlaufs-
kontrolle durchgeführt werden. Der Beurteilungszeitraum
3 Spezielle ADHS-Psychopathologie des Erwachsenenalters
erstreckt sich mit Ausnahme der WURS-K auf sieben Ta-
4 Alltagsfunktionen, soziale Adaptation, Lebensqualität
ge. Die Durchführungsdauer wird von den Autoren für die
5 Erfassung komorbider Störungen einzelnen Verfahren getrennt angegeben (vgl. Tabelle 3).

Z. Psychiatr., Psychol. Psychother. 56 (2) © 2008 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern DOI 10.1024/1661-4747.55.2.134
S. Schmidt & F. Petermann: Testbesprechung 157

Auswertung und Interpretation geordnet werden. Zudem lässt sich über die Addition der
Items 1 bis 18 ein Gesamtwert ermitteln, der ebenfalls Auf-
schluss über den Schweregrad gibt. Zur Interpretation der
Da die Verfahren im HASE unterschiedlich auszuwerten
ermittelten Schweregrade stellen die Autoren klinische Re-
sind, erfolgt die Darstellung im Folgenden für die einzel-
ferenzwerte zur Verfügung.
nen Instrumente beziehungsweise deren Einsatzbereich ge-
Dienen die Ergebnisse der ADHS-SB der klassifikatori-
trennt.
schen Diagnostik, erfolgt die Auswertung ähnlich der oben
beschriebenen globalen Diagnosecheckliste. Es steht dabei
im Vordergrund, ob (unabhängig vom Schweregrad)
WURS-K Symptome vorhanden sind oder nicht. Für die Interpreta-
Mit Ausnahme der Kontrollitems 4, 12, 14 und 25, die als tion gelten ebenfalls die Diagnosekriterien des ICD-10 und
konstruktfremd angegeben wurden und der Kontrolle des DSM-IV.
Antwortverhaltens dienen, wird ein Gesamtwert gebildet,
der in seiner Ausprägung einen Wert zwischen 0 und 84
annehmen kann. Sind sowohl Gesamt- als auch Kontroll- WRI
wert stark erhöht (Kontrollwert > 10), muss angenommen Die Auswertung des strukturierten Interviews erfolgt so-
werden, dass eine ausreichende Zuverlässigkeit der Beant- wohl skalenweise als auch global. Dazu werden zunächst
wortung nicht gewährleistet ist. Der Untersucher ist dann die vermerkten Angaben des Patienten zu einem Skalen-
angehalten, den Fragebogen auf Antworttendenzen oder wert addiert (mit Ausnahme der akzessorischen Fragen),
ähnliches zu prüfen. Ein Gesamtwert ≥ 30 gibt an, dass in der den Grad der Beeinträchtigung in dem jeweiligen psy-
der Kindheit ausreichend Symptome vorgelegen haben chopathologischen Bereich umschreibt. Aus dieser Bewer-
dürften, die den Verdacht auf eine ADHS im Kindesalter tung wird ein Gesamtwert (WRI-Gesamtwert) gebildet, der
lenken. Die Autoren weisen aber darauf hin, dass damit zusätzlich zu den Subskalenwerten Auskunft über die
eine ADHS-Diagnose keineswegs gesichert ist und weite- Schwere der Gesamtbeeinträchtigung gibt. Danach wird
rer Abklärung bedarf (z. B. durch Kommentare in Schul- geprüft, ob die Diagnose nach den Utah-Kriterien (vgl. Ab-
zeugnissen etc.). schnitt «Testgliederung») möglich ist. Es müssen die Sub-
skalen «Aufmerksamkeitsstörung» und «Hyperaktivität»
stark ausgeprägt und zusätzlich zwei der fünf verbleiben-
ADHS-DC/ADHS-DC-Q den Subskalen auffällig sein. Um eine solche Aussage tref-
Die Auswertung der ADHS-DC erfolgt nach den Kriterien fen zu können, gilt ein Kriterium als erfüllt, wenn der Sum-
des ICD-10 und DSM-IV, das heißt sie orientiert sich am menwert einer Skala der Zahl der darin vorhandenen Items
Vorhandensein der Kernsymptome für ADHS. Demnach (und darüber) entspricht und ein Globalwert mit mindes-
nimmt der Untersucher eine globale Beurteilung vor, in tens 2 («mittel») angegeben wird.
welcher das Vorhandensein von Symptomen entweder be-
jaht oder verneint wird. Die Auswertung erfolgt mittels
Auszählung der Rohwerte und über den Vergleich mit den
WRI–V
geforderten Kriterien der Diagnosesysteme (es gilt z. B. die Die Auswertung des WRI–V ist dem WRI identisch. In
Vorgabe, dass mindestens sechs Kriterien im Bereich «Un- diesem Fall wird lediglich auf die Erhebung der akzessori-
aufmerksamkeit» erfüllt sein müssen, demnach ist ein Wert schen Informationen und der kategorialen Diagnosestel-
> 6 als auffällig zu bewerten). lung verzichtet. Zur Interpretation schlagen die Autoren
Im ADHS-DC-Q wird beurteilt, ob ein Merkmal nicht das 30 % beziehungsweise 50 % Kriterium vor. Ist dem-
vorhanden, leicht, mittelschwer oder schwer ausgeprägt ist. nach im Vergleich zum ersten Erhebungszeitpunkt eine
Die Schwere der Symptome hat dabei keinen Einfluss auf Verbesserung um 30 % beziehungsweise 50 % festzustel-
die Vergabe einer Diagnose, ist aber im therapeutischen len, so gilt eine Behandlung als effektiv.
Prozess von hohem Wert, da hier zum Beispiel Verände-
rungen in der Schwere bestimmter Symptome erhoben
werden können.
Gütekriterien
ADHS-SB WURS-K
Ähnlich der oben genannten klinischen Checklisten erfolgt Reliabilität
die Auswertung der Selbstbeurteilungsskala ADHS-SB. So
ist es möglich, eine Schweregradbestimmung vorzuneh- Die Retest-Reliabilität bei N = 110 unbehandelten Patien-
men, indem die von dem Patienten angegebenen Items ad- ten betrug 0.90 (Zeitintervall 4 bis 11 Wochen). Die innere
diert und den jeweiligen diagnostischen Kernbereichen zu- Konsistenz (Cronbachs α) wird für die Gesamtskala (N =

Z. Psychiatr., Psychol. Psychother. 56 (2) © 2008 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
158 S. Schmidt & F. Petermann: Testbesprechung

1629) mit .91 angegeben. Die Split-Half-Reliabilität liegt nem Wert von .60). Auf der Skalenebene werden Werte
in der gleichen Stichprobe bei .85. zwischen .75 (Impulsivität) und .87 (Gesamtskala) angege-
ben.

Validität
ADHS-SB
Die explorative faktorenanalytische Überprüfung der Di-
mensionalität ergab fünf Faktoren (Varianzaufklärung Reliabilität
55 %), die sich in die Bereiche «Aufmerksamkeitsstörung
und Überaktivität», «Impulsivität», «Angst und Depres- Die Retest-Reliabilität liegt bei einer Stichprobe von N =
sion», «Protestverhalten» und «Störung der sozialen Adap- 30 psychiatrischen Patienten (15 davon mit einer ADHS-
tion» untergliedern lassen. Studien zur konvergenten und Diagnose; Zeitintervall 6 Wochen) zwischen .78 und .89.
divergenten Validität ergaben eine Korrelation (N = 577) Die innere Konsistenz wird skalenabhängig mit α-Werten
mit der Originalform der WURS (r = .94). Weitere signifi- zwischen .72 und .90 angegeben.
kante, wenn auch numerisch nicht sehr hohe Korrelationen
werden mit dem Eysenckschen Impulsivitätsfragebogen I7
(N = 1472) und verschiedenen Skalen aus dem FPI-R (N = Validität
380) beschrieben. Durchgängig negative Korrelationen (N
= 1629) lassen sich zwischen der WURS-K und den Kon- Die konvergente Validität wurde über die Korrelationen mit
trollitems feststellen. Mittelwertvergleiche verschiedener der WURS-K, der «Connors ADHD Adult Rating Scale»
Stichproben weisen auf einen höheren WURS-K-Gesamt- (CAARS) und dem WRI bestimmt. Die gemittelten Korre-
wert bei den Patienten mit gesicherter ADHS-Diagnose in lationen mit der WURS-K werden als durchweg signifikant
der Kindheit hin. Studien zur Sensitivität und Spezifität angegeben (.49 bis .58). Die Korrelationen mit den identi-
(ROC-Analysen) ergeben einen Schwellenwert von 30 bei schen erfassten diagnostischen Kernbereichen (z. B. Un-
stichprobenabhängigen Schwankungen der Sensitivität aufmerksamkeit) lagen zwischen .55 und .79 (CAARS).
(zwischen 85 und 93 %) und Spezifität (zwischen 76 und Weitere Korrelationen (WRI) wurden ebenfalls signifikant,
92 %). waren aber niedriger ausgeprägt (zwischen .30 und .56).
Die divergente Validität wurde über Korrelationen mit den
Skalen aus dem Eysenckschen Impulsivitätsfragebogen I7
ADHS-DC/ADHS-DC-Q und dem NEO-Fünf-Faktoren Inventar (NEO-FFI) ermit-
telt. Dabei ließen sich geringe Korrelationen mit den Ska-
Reliabilität len «Neurotizismus» (NEO-FFI; .32–.49) und «Impulsivi-
tät» (I7; .33–.41) feststellen; weitere signifikante positive
Die Interrater-Reliabilität (N = 20) variierte in Abhängig- Zusammenhänge ergaben sich nicht. Die Sensitivität und
keit der zugrunde gelegten Diagnosekriterien nach ICD-10 Spezifität erfolgte mittels ROC-Analysen (N = 48). Die
(Cohens κ = .83) und DSM-IV (vollständige Übereinstim- Autoren präsentieren verschiedene Cut-Off-Werte (10, 15
mung bei Cohens κ = 1.00 ohne Berücksichtigung der Sub- & 18), die sich in Abhängigkeit der diagnostischen Frage-
typen; κ = .84 bei Berücksichtigung der Subtypen). Die stellung einsetzen lassen, aber in ihren Ausprägungen zu
Interrater-Übereinstimmung im ADHS-DC-Q wurde mit Lasten der Spezifität (67 % bei Cut-Off = 10) oder Sensi-
Intraklassenkorrelationen (ICC) berechnet. Die Werte va- tivität (65 % bei Cut-Off = 18) gehen. Als Kompromiss
riierten in Abhängigkeit der im Test gebildeten Teilsum- empfehlen die Autoren einen Cut-Off = 15 (Sensitivität
men zwischen .85 und .93. Die innere Konsistenz (Cron- 77 %, Spezifität = 75 %).
bachs α) lag in derselben Stichprobe bei .96.

WRI
Validität
Reliabilität
Die konvergente Validität des ADHS-DC-Q erfolgte über
die Korrelation mit dem WRI (N = 20) und ergab signifi- Die Interrater-Reliabilität wurde vor dem Hintergrund ei-
kante Zusammenhänge (r = .76, p = .001). Ein ähnliches ner ADHS-Diagnose (Cohens κ) und dem WRI-Gesamt-
Ergebnis konnte auch dann erzielt werden, wenn die Test- wert (ICC-Koeffizient) bestimmt. Es wurde eine Überein-
werte durch zwei andere Untersucher ermittelt wurden (r stimmung für die ADHS-Diagnose in 100 % der Fälle er-
= .78, p ≤ .05). Um auf einen Zusammenhang zwischen zielt (κ = 1.00) sowie eine hohe Korrelation zwischen den
Selbst- und Fremdurteil zu prüfen, wurden die Angaben im ermittelten Summenwerten (ICC-Koeffizient von .92). Die
ADHS-DC mit denen im ADHS-SB verglichen (ICC-Ko- innere Konsistenz der Gesamtskala wird mit einem α-Wert
effizient). Auf der Itemebene variieren die Koeffizienten von .82 beschrieben, während die innere Konsistenz der
zwischen .41 und .92 (zwei Koeffizienten lagen unter ei- Subskalen zwischen α = .60 und α = .72 variiert.

Z. Psychiatr., Psychol. Psychother. 56 (2) © 2008 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
S. Schmidt & F. Petermann: Testbesprechung 159

Validität Kritik
Die Ermittlung der diagnostischen Übereinstimmung zwi- Als wesentlichen Kritikpunkt sehen wir das Fehlen von Nor-
schen dem DSM-IV und den Utah-Kriterien (N = 168) er- men in der Selbstbeurteilung von ADHS-Symptomen. Auch
gibt, dass die Utah-Kriterien (vgl. Abschnitt «Auswertung wenn die klassifikatorische Zuordnung von vorhandenen
und Interpretation») 20 % weniger ADHS-Diagnosen zu- Symptomen nach ICD-10 und DSM-IV möglich ist, ist es
lassen, als es nach DSM-IV der Fall ist, was dem engeren durch das Fehlen einer repräsentativen Baserate (der Wert-
diagnostischen ADHS-Konzept der Utah-Kriterien zuge- verteilung in der Normpopulation) schwierig, eine Einschät-
schrieben wird. Die explorativ-faktorenanalytische Über- zung darüber zu treffen, inwiefern eine geschilderte Beein-
prüfung der Dimensionalität ergab eine Zwei-Faktoren- trächtigung tatsächlich normabweichend ist. Die Autoren
Struktur (Varianzaufklärung 63 %), in der der erste Faktor treten diesem Punkt zwar mit der Berechnung von Cut-Off-
Inhibitionsschwächen kognitiver, affektiver und motori- Werten entgegen, was allerdings die Aussagekraft, die über
scher Funktionen beschreibt. Der zweite Faktor themati- einen Normvergleich möglich wäre, nicht ersetzt. Ein wei-
siert die Störanfälligkeit kognitiver Leistungen durch af- terer Kritikpunkt resultiert aus unserer klinischen Erfahrung
fektive Interferenzen und Beeinträchtigungen exekutiver mit den im HASE enthaltenen Verfahren. So weicht das
Funktionen. Die Autoren weisen dabei auf eindeutige Zu- Selbsturteil der Betroffenen im ADHS-SB häufig von dem
sammenhänge mit den Ergebnissen weiterer Studien hin. tatsächlichen Grad der diagnostisch erhobenen Beeinträch-
Die konvergente Validierung erfolgte über die Korrelation tigungen des Patienten ab, in dem die Kernsymptome nur
mit dem ADHS-SB (r = .70) und der WURS-K (r = .47). mit einer leichten Ausprägung angegeben werden, die da-
Ein Vergleich des WRI-Gesamtwertes zwischen einer kli- raus resultierenden Beeinträchtigungen, wie sie in den Utah-
nischen Stichprobe (ADHS; N = 126) und einer Kontroll- Kriterien beschrieben werden (z. B. Alltagsorganisation,
gruppe (N = 42) wurde signifikant (p = .000, U-Test nach Affektlabilität etc.), aber wesentlich mehr Leidensdruck
Mann Whitney). Diskriminanzanalysen zwischen den Wer- verursachen. Die Autoren begegnen diesem Kritikpunkt, in-
ten einer allgemeinen psychiatrischen Patientengruppe und dem sie die Möglichkeit der Fremdbeurteilung mit dem
einer Stichprobe aus einer speziellen ADHS-Sprechstunde strukturierten Interview WRI schaffen, mit dem die Alltags-
ergeben eine korrekte Klassifikation der Nicht-Betroffenen beeinträchtigungen erfasst werden können. Hier wäre je-
in 70 % der Fälle, während die Betroffenen in 77 % der doch eine Erweiterung um diese Bereiche im Selbsturteil
Fälle korrekt klassifiziert werden. Daraus ergibt sich eine beziehungsweise der Vergleich mit einer repräsentativen
korrekte Gesamtklassifikation, die bei 75,6 % liegt. Normstichprobe wünschenswert, um auch so einen Ver-
gleich zum tatsächlichen Ausmaß solcher Phänomene in der
Normbevölkerung herstellen zu können.
Trotz der Kritikpunkte ist abschließend festzuhalten,
Kritik dass den Autoren mit der Entwicklung des HASE ein wich-
tiger Schritt gelungen ist, der die Gewinnung relevanter
Anwendungsmöglichkeiten Informationen sowohl für den Wissenschaftler als auch
Kliniker deutlich erleichtert.
Die Autoren haben mit der Entwicklung und der Zusam-
menstellung der HASE einen sehr wichtigen Fortschritt er-
zielt. So treten sie der Flut von nicht empirisch gesicherten Literatur
Fragebögen entgegen, indem sie ein sehr strukturiertes Ver-
fahren vorstellen und somit dem Anwender gutes, auch ein- Rösler, M. & Retz, W. (2006). Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hy-
zeln einsetzbares Handwerkzeug im diagnostischen Pro- peraktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter: Allgemeine
zess der ADHS-Diagnostik bieten. Von Vorteil ist dabei die Grundlagen, Epidemiologie, Psychopathologie, Klassifikation,
Bindung an die diagnostischen Kriterien, die sowohl die Verlauf, Neurobiologie und soziale Adaptation. Zeitschrift für
Utah-Skalen umfassen, die nach unserer klinischen Erfah- Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 54, 77–86.
rung die Hauptbeeinträchtigungen durch ADHS bei den Schmidt, S., Brücher, K. & Petermann, F. (2006). Komorbidität der
Betroffenen am besten abbilden, als auch die gegenwärti- Aufmerksamkeitsdefizit /Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenen-
gen Kriterien nach ICD-10 und DSM-IV. Der Anwender alter: Perspektiven für die Diagnostik mit dem BAS-E. Zeitschrift
dürfte damit eine deutliche Unterstützung im diagnosti- für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 54, 123–132.
schen Prozess erfahren, indem ein großer Teil relevanter
Informationen für das klinische Urteil mit der HASE erho- Dipl.-Psych. Sören Schmidt
ben werden kann. In der Sichtung des Handbuchs fällt zu- Prof. Dr. Franz Petermann
dem eine umfassende Validierung der Einzelverfahren po- Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation
sitiv auf, die in der Regel den testtheoretischen Ansprüchen Universität Bremen
an die Gütekriterien genügt. Ebenso finden sich im Hand- Grazer Str. 2 und 6
buch Anwendungsbeispiele, die bei der Interpretation der D-28359 Bremen
Testwerte hilfreich sind. E-Mail: sschmidt@uni-bremen.de

Z. Psychiatr., Psychol. Psychother. 56 (2) © 2008 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

View publication stats

Das könnte Ihnen auch gefallen