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Zufall oder Bestimmung?

Kurzgeschichte von Alicia De Oliveira

Sie ging weiter, immer weiter, bis sie die Geräusche der Stadt nicht mehr hören
konnte. Leere Stille. Eine traurige Seele. Ein Kopf ohne Gedanken. Sie steht da,
allein und einsam auf einer abgelegenen Strasse, mitten in einem Kanadas
Wälder. Der Wind weht. Die Wolken verdecken die strahlende Sonne. Das
Wasser fliesst wie gewöhnlich den Bach hinunter. Die Vögel fliegen in das
endlose Jenseits. Alles hat seine Bestimmung, weil es das Schicksal so will. Doch
was ist mit mir? War es Zufall oder meine Bestimmung? Darüber nachdenkend,
entfernt sie sich weiter von der Siedlung, welche sie damals über alles geliebt
hat. Nie wieder will sie dorthin zurückkehren, um ihr altes Leben
weiterzuführen. Weit weg, dachte sie sich. Das Versagen als Tochter,
Schwester, Enkelin und Freundin verletzt sie mitten in das gebrochene Herz. Sie
sitzt da. Die Augen geschlossen. Ihr Atem unruhig, unvollständig und
unregelmässig. Zerstört am Boden. Die Erde ist kalt, rau und uneben. Die Kälte
nicht ertragend, macht sie sich wieder auf den Weg. Stunden später kam sie an
einem traumhaft schönen See an. Im Horizont geht die Sonne hinter dem
dichten Wald unter. Die letzten Strahlen der Abendsonne erwärmen ihr
Gesicht. Ihr ganzer Körper wird warm und sie spürt eine Geborgenheit, welche
sie seit Langem nicht mehr empfunden hat. Eine Gefühlswärme, die sie fröhlich
und glücklich macht. Sie will ein neuer und bessere Mensch werden, ihre Fehler
akzeptieren und aus diesen lernen. Langsam nähert sie sich dem Ufer. Im See
spiegelt sich ihr Eigenes ich wider. Lange schaute sie sich selbst in die Augen.
Sie sieht eine junge, schwache Frau mit einem unglücklichen Leben, die auf der
Suche nach ihrem Schicksal ist. Kurzen Augenblick später befindet sie sich im
himmelblauen Seewasser. Das kalte Wasser umgibt ihren schwachen Körper,
somit auch alle Ängste, Sorgen und Unsicherheiten. Nach der Erfrischung ist es
draussen kühl geworden. Mit ihren nassen Kleidern wandert sie weiter. Ihr Ziel,
einfach nicht mehr zurück in die alte Welt. Nun war es schon bald Mitternacht
und sie sieht farbige Lichter, eine Stadt. Je mehr sie sich dem Wohnort nähert,
wurde es umso lauter und sie hörte verschiedene Geräusche, die sie an ihr
altes Leben erinnert. Sie freute sich, endlich irgendwo angekommen zu sein.
Doch als sie ihre Augen weit öffnete, sah sie in ihrem Blickwelt, die Ortschaft,
welche sie verabscheute.

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