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T.C.

TÜRK-ALMAN ÜNIVERSITESI
SOSYAL BILIMLER ENSTITÜSÜ
KÜLTÜRLERARASI YÖNETIM

OSWALD SPENGLER: BATININ ÇÖKÜŞÜ


BATI HALA ÇÖKÜYOR MU?

YÜKSEK LISANS TEZI

Aylin ÖDEMIŞ

DANIŞMAN

Dr. Malte FUHRMANN

HÜRTH, Haziran 2021


T.C.
TÜRKISCH-DEUTSCHE UNIVERSITÄT
INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN
INTERKULTURELLES MANAGEMENT

OSWALD SPENGLER: DER UNTERGANG DES ABEND-


LANDES
GEHT DAS ABENDLAND IMMER NOCH UNTER?

MASTERARBEIT

Aylin ÖDEMIŞ

BETREUER

Dr. Malte FUHRMANN

HÜRTH, Juni 2021


T.C.
TÜRKISCH-DEUTSCHE UNIVERSITÄT
INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN
INTERKULTURELLES MANAGEMENT

OSWALD SPENGLER: DER UNTERGANG DES ABEND-


LANDES
GEHT DAS ABENDLAND IMMER NOCH UNTER?

MASTERARBEIT

Aylin ÖDEMIŞ

(178102011)

BETREUER

Dr. Malte FUHRMANN

HÜRTH, Juni 2021


T.C.
TÜRKISCH-DEUTSCHE UNIVERSITÄT
INSTITUT FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN
INTERKULTURELLES MANAGEMENT

OSWALD SPENGLER: DER UNTERGANG DES ABEND-


LANDES
GEHT DAS ABENDLAND IMMER NOCH UNTER?

MASTERARBEIT

Aylin ÖDEMIŞ
(178102011)

Datum der Einreichung beim Institut: ___________________________


Datum der Verteidigung: ___________________________
Betreuer: Dr. Malte FUHRMANN ___________________________
Kommissionsmitglieder: ___________________________
___________________________

HÜRTH, Juni 2021


Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Ehemann bedanken.


Ohne seine bedingungslose Unterstützung, während meines ganzen Studiums, hätte ich
diese Masterarbeit niemals beenden können.

Anschließend gebührt mein Dank meinen liebsten Kommilitoninnen Derya und Özge,
die immer zur Stelle waren, wenn mich wieder der mentale Breakdown gepackt hatte.
Vielen Dank für Eure Unterstützung, Geduld und Liebe!
Eure Aylin

Teşekkür Dilekleri

Koşulsuz yardımları için bu üç insana sonsuza kadar minnetarım


Desteğiniz, sabrınız ve sevginiz için teşekkür ederim!
Sevgilerle, Aylin
INHALTSVERZEICHNIS
ZUSAMMENFASSUNG ............................................................................................. I

ÖZET ........................................................................................................................... II

ABSTRACT ............................................................................................................... III

ABBILDUNGSVERZEICHNIS................................................................................ IV

1. Einleitung ............................................................................................................. 1
1.1 Aufbau der Arbeit .............................................................................................................. 2

2. Biografie Oswald Spenglers ................................................................................ 5


2.1 Leben ................................................................................................................................... 5
2.2 Historischer Kontext.......................................................................................................... 6
2.3 Philosophischer Kontext ................................................................................................... 7

3. Theoretischer Rahmen......................................................................................... 8
3.1 Kulturdefinition .................................................................................................................. 8
3.2 Kultur nach Hofstede....................................................................................................... 10
3.3 Interkultur.......................................................................................................................... 12
3.4 Interkulturalität ................................................................................................................. 14
3.5 Kulturtransfer ................................................................................................................... 16
3.6 Kulturmorphologie .......................................................................................................... 19
3.7 Kulturzyklentheorie ......................................................................................................... 21
3.8 Kulturpessimismus .......................................................................................................... 23
3.9 Einflussnahme von Klassikern....................................................................................... 24

4. Methodik ............................................................................................................. 28
4.1. Qualitative Textanalyse .................................................................................................. 28
4.2. Hermeneutische Zugänge ............................................................................................... 29
4.3. Qualitative Inhaltsanalyse............................................................................................... 32
4.4. Diskursanalyse.................................................................................................................. 34
4.5. Anwendung der Methodik .............................................................................................. 35
5. „Der Untergang des Abendlandes“ ................................................................... 36
5.1 Entstehung und Veröffentlichung.................................................................................. 36
5.2 Aufbau ............................................................................................................................... 38
5.3 Inhalt .................................................................................................................................. 40
5.3.1 Hochkulturen ............................................................................................................. 41
5.4 Stadium: Kultur ................................................................................................................ 45
5.4.1 Die Altersstufen: Kindheit, Reife, Alter .................................................................... 45
5.4.2 Ursymbol einer Hochkultur ....................................................................................... 46
5.4.3 Apollinische, faustische, magische Seele .................................................................. 49
5.5 Stadium Zivilisation: 1. Phase ....................................................................................... 54
5.5.1 Stadium Zivilisation: 2. Phase „Cäsarismus“ ............................................................ 56
5.5.2 Stadium Zivilisation: 3. Phase „Dekadenz“ ............................................................... 58
5.5.3 Zweite Religiosität ..................................................................................................... 60

6. Spenglers Interkulturalität ................................................................................ 62


6.1. Kulturkonzept ................................................................................................................... 62
6.2. Kulturtransfer ................................................................................................................... 63
6.3. Diskontinuität ................................................................................................................... 67
6.4. Aktualität Spenglers im 21. Jahrhundert ...................................................................... 68

7. Vergleich Toynbee mit Spengler ....................................................................... 72


7.1 Biographie und historischer Hintergrund ..................................................................... 72
7.2 Toynbees Geschichtsschreibung.................................................................................... 73
7.3 „A Study of History“ ....................................................................................................... 74
7.4 Kulturen (civilization) ..................................................................................................... 76
7.5 Zerfall der Kulturen ......................................................................................................... 78
7.6 Zukunftsprognose ............................................................................................................ 80
7.7 Kulturtransfer Toynbee ................................................................................................... 81

8. Fazit .................................................................................................................... 83

QUELLENVERZEICHNIS ........................................................................................ I

ANHANG ............................................................................................................................................. i

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG ..................................................................................... vi

LEBENSLAUF ...............................................................................................................................vii
ZUSAMMENFASSUNG

Ziel dieser Masterarbeit war es, Oswald Spenglers Werk „Der Untergang des Abendlan-
des“ zu analysieren. Bei der Analyse lag der Fokus darin, einen möglichen Kulturtransfer
zwischen den einzelnen Kulturen aus heutiger Sicht zu untersuchen. Spengler, einer der
bedeutendsten Historiker, Denker und Philosophen des 20. Jahrhunderts, machte mit sei-
nen Ideen und Werken auf sich aufmerksam. In seinem Hauptwerk geht er davon aus,
dass die Geschichte der Menschheit durch acht verschiedene Hochkulturen geprägt ist,
die zeitlich parallel oder nacheinander existieren und dabei einheitliche Entwicklungs-
schritte durchlaufen. Diese sind als in sich geschlossene, organische Gebilde zu verstehen
und sind durch ein ständiges Werden und Vergehen gekennzeichnet. Eine gegenseitige
Beeinflussung oder ein Austausch bestehen laut Spengler nicht. Erreichten die Kulturen
die Phase der Zivilisation, so befindet sie sich in ihrer Endphase und damit im unaufhalt-
samen Verfall. Spenglers Ansatz richtet sich somit gegen ein lineares, am stetigen Fort-
schritt ausgerichtetes Verständnis der Weltgeschichte. Diese Arbeit führt die elementaren
Theorien Spenglers zusammen und versucht die Modelle vorzulegen, die Kulturen in ih-
rem Aufbau, ihrer Entwicklung und in ihrem Verfall beschreiben. Dabei werden zentrale
Begriffe definiert und Spenglers Inspirationsquellen für sein Werk veranschaulicht.
Arnold J. Toynbee, ebenfalls ein wichtiger Geschichtsphilosoph und ein Verfechter der
Kulturzyklentheorie, erweitert mit seinen Büchern „A Study of History“ das Werk Speng-
lers. Aus diesem Grund wurden beide Werke diachron verglichen, um zwei Sichten der
zyklischen Herangehensweise für die Entwicklung und Beeinflussung von Kulturen und
deren kultureller Zerfall, verursacht durch den Fortschritt der Zivilisation, darzulegen.
Die Forschungsfrage „Geht das Abendland noch immer unter?“ wurde insbesondere unter
dem Gesichtspunkt des „Kulturtransfers“ betrachtet. Dabei wurde erarbeitet, ob entgegen
Spenglers Theorien ein Prozess der Übernahme kultureller Besonderheiten zwischen he-
terogenen Kulturen, zu beobachten ist.

Schlüsselwörter: Spengler, Kultur, Zivilisation, Kultureller Untergang, Kulturtransfer


Datum: 14.06.2021

I
ÖZET

Bu yüksek lisans tezinin amacı, Oswald Spengler'in "Batının Çöküşü" adlı çalışmasını
analiz etmek ve olası bir kültür transferini araştırmaktır. 20. yüzyılın en önemli tarihçile-
rinden, düşünürlerinden ve filozoflarından biri olan Spengler, fikir ve eserleri ile dikkat-
leri her daim üzerine çekmiştir. "Batının Çöküşü" adlı eserinde insanlık tarihini, farklı
zamanlarda hatta bazen eş zamanlı hüküm süren bireysel ve yüksek kültürler olarak özet-
lemektedir. Bu yüksek kültürler nedensel ve organik tanımlara dayanmaktadır. Yüksek
kültürler birbirini etkilemeden, tarihsel ve kültürel gerçeklerin periyodik tekrarları ile
döngüsel bir tarih yazımını tanımlamaktadır. Kültürler, uygarlık evrelerine ulaştığında
çürümekte ve yok olmaktadırlar. Bu teoriye göre Batı bir çöküş ile karşı karşıyadır. Mev-
cut tez çalışması, Spengler'in temel teorilerini özetlemekte ve tüm kültürlerin nasıl inşa
edildiğine, geliştiğine, uygarlıklara dönüştüğüne ve tabi olarak gördüğü kaçınılmaz son-
larının ölümle sonuçlandığına dair modelleri ve teorileri açıklamaya çalışmaktadır. Böy-
lece Spengler'in terimleri tanımlanmıştır. 20. yüzyılın son evrensel tarihçisi olarak kabul
edilen Arnold J. Toynbee gibi düşünürlere de yer verilmektedir. Toynbee de döngüsel bir
kültür ve tarih felsefesini savunmaktadır ve "A Study of History" adlı kitapları ile Speng-
ler'in çalışmalarını genişletmektedir. Her iki eser de kültürlerin gelişimine ve etkisine
döngüsel yaklaşım ve uygarlığın ilerlemesinden kaynaklanan kültürel çöküş hakkında iki
bakış açısı sunmaktadır. Bu nedenle iki eser karşılaştırılarak irdelenmiştir. Araştırma so-
rusu özellikle "kültür transferi" açısından analiz edilmiştir. Spengler'in teorilerinin hete-
rojen kültürler arasındaki kültürel özellikleri benimseme sürecinin var olup olmadığı üze-
rinde çalışılmıştır.

Anahtar kelimeler: Spengler, Kültür, Uygarlık, Kültürel çöküş, Kültür transferi


Tarih: 14.06.2021

II
ABSTRACT

The aim of this master’s thesis was to analyze Oswald Spengler’s work “The Decline of
the West” and to examine it with regard to a possible cultural transfer. Spengler, one of
the most important historians, thinkers and philosophers of the 20th century, attracted
attention with his ideas and approaches. In his main work, he assumes that the history of
mankind is characterized by eight different high cultures that exist parallel or successively
in time, passing through uniform stages of development. These are to be understood as
self-contained, organic entities and are characterized by a constant growth and decay. The
idea of a mutual influence or exchange between cultures, was denied by Spengler. If they
have reached the stage of civilization, they are in their final phase and thus in inevitable
decline. Spengler’s approach is directed against a linear understanding of world history
and steady progress. This thesis summarizes Spengler’s elementary theories and attempts
to present the models that describe cultures in their construction, development and decay.
Central concepts are defined and Spengler's sources of inspiration, such as Hegel, are
illustrated. Arnold J. Toynbee, also an important philosopher of history and a proponent
of cultural cycle theory, expands Spengler's work with his books "A Study of History".
For this reason, both approaches were compared diachronically to present two views of
the cyclical approach. The research question “Does the West still decline?” was consid-
ered in particular from the point of view of “cultural transfer.” It was investigated whether
or not, contrary to Spengler’s theories, the process of assimilation of cultural peculiarities
between heterogeneous cultures exist.

Keyword: Spengler, culture, civilization, cultural decline, cultural transfer


Date: 14.06.2021

III
ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Wissenschaftshistorische Kulturbegriffe............................................................... 9


Abbildung 2: Drei Ebenen der mentalen Programmierung ...................................................... 11
Abbildung 3: Entstehung von Interkultur ...................................................................................... 12
Abbildung 4: Dynamik kultureller Überschneidungssituation................................................ 15
Abbildung 5: Drei Strategien zum Kulturtransfer ....................................................................... 18
Abbildung 6: Kulturmorphologie ..................................................................................................... 19
Abbildung 7: Kulturzyklentheorie ................................................................................................... 22
Abbildung 8: Die hermeneutische Vorgehensweise................................................................... 31
Abbildung 9: II. Tafel „Gleichzeitiger“ Kunstepochen ............................................................. 44
Abbildung 10: Zeitstrahl der Hochkulturen .................................................................................. 44
Abbildung 11: II. Tafel „Gleichzeitiger“ Kunstepochen – Kultur ......................................... 48
Abbildung 12: Zusammenfassung der Seelen .............................................................................. 53
Abbildung 13: III. Tafel „Gleichzeitiger“ politischer Epochen - Zivilisation .................... 59

IV
1. Einleitung

Das 21. Jahrhundert ist komplex und vielfältig. Diese heutige Welt birgt eine große Diver-
sität in sich, die wir vor allem der Vielfalt an Kulturen verdanken, welche sich aus der
Weltgeschichte heraus entwickelt haben. Hier stellen sich die Fragen, was wissen wir
über die Kultur? Wann ist sie entstanden und wie hat sie sich weiterentwickelt? Oswald
Spengler hat sich mit diesen Fragen befasst und sich in seinem Werk „Der Untergang des
Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte“ auseinandergesetzt.

„In diesem Buche wird zum erstenmal der Versuch gewagt, Geschichte vorauszubestim-
men.“1

So beginnt Spengler sein Werk „Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Mor-
phologie der Weltgeschichte“ und fährt weiter fort, dass wenn man erfahren wolle, in
welcher Form sich das Schicksal der abendländischen Hochkultur erfüllen werde, man
zunächst erkennen müsse, was Kultur sei, in welchem Zusammenhang diese zur Weltge-
schichte, zur Seele, zur Natur stehe und unter welcher Gestalt sie in Erscheinung trete.

Spengler erfuhr für sein Werk nach dem Ersten Weltkrieg eine breite Aufmerksamkeit.
Es war ein Bestseller, auch wenn dies zur damaligen Zeit nicht von Jedermann so aufge-
fasst wurde. Man erkor ihn zu einem pessimistischen Unheilspropheten, der er jedoch
nach eigenem Befinden nicht sein wollte. Spengler wagte den Versuch die Geschichte
der Menschheit, die Weltgeschichte, als einzelne Hochkulturen zusammenzufassen, die
alle zu unterschiedlichen Zeiten, aber zum Teil auch gleichzeitig geherrscht haben. Er
fasst die Weltgeschichte als einzelne kulturelle Geschichten auf, die kausalen, aber auch
organischen Beschreibungen zugrunde liegen.

1 Spengler (1963), S.3.

1
Der Ansatz seiner Arbeit bestand in erster Linie darin, eine physiognomische und orga-
nische Beschreibung dessen darzustellen. Seine morphologische Beobachtung von Kul-
turen beruht darauf, dass Geschichte Expression sichtbar gewordener Symbole der Ur-
seele sei. Diese drücke sich durch die Menschen der jeweiligen Kulturen und deren Stile
aus. Eine Kultur entstehe, sobald eine Gemeinschaft erblüht, ein Ursymbol sich entwi-
ckelt, reift und dann nach der Entwicklung zur Zivilisation stirbt. Denn sobald die Zivili-
sation erreicht ist, hat die Seele alle Möglichkeiten der Gestaltung ausgeschöpft und ist
somit nicht mehr ausdrucksstark und lebensfähig. In dieser Arbeit soll es aufgrund dieser
Theorie um die Forschungsfrage „Geht das Abendland noch immer unter?“ gehen mit
Blick auf kulturellen Transfer zwischen den Kulturen aus heutiger Sicht. Denn nach
Spenglers Meinung kann es aufgrund des kulturellen Zerfalls keinen Kulturtransfer ge-
ben.

1.1 Aufbau der Arbeit

Im nächsten Kapitel soll zunächst ein kurzer Überblick über das Leben Oswald Spenglers
gegeben werden, sodass ein besserer Einblick über seine Sicht- und Denkweise erlangt
werden kann.

Das darauffolgende Kapitel soll sich mit dem theoretischen Rahmen dieser Arbeit und
einigen Grunddefinitionen der Thematik beschäftigen. Es wird eingegangen auf den Be-
griff der „Kultur“, zunächst eine allgemeinere Definition, im Anschluss jedoch auf den
Kulturterminus von Geert Hofstede. Nachfolgend geht es um die Definition von „Inter-
kultur“ und „Interkulturalität. Des Weiteren ist die „Kulturmorphologie“, aber auch die
„Kulturzyklustheorie“ ein wichtiges zu behandelndes Merkmal, um ein Verständnis für
Spenglers Definition der Kultur aufzubauen. Nicht zu vergessen sind die Erklärungen der
Begriffe „Kulturpessimismus“ und „Kulturtransfer“, die ausschlaggebend sind für das
Kulturverständnis Spenglers. Ebenfalls wird die Zyklustheorie, welche Spengler in sei-
nen Werken immer wieder veranschaulicht, kurz veranschaulicht. Ein wichtiges Augen-
merk ist zudem die Rücksichtnahme der zeitgenössischen Einflussnahme Spenglers ins-
besondere seitens Hegel und Goethe. Vor allem Hegel legte im Hinblick auf die

2
Universalgeschichte seine Vorstellung vom Sinn des zeitlichen Wandels vor und somit
auch den Sinn und das Ziel der Menschheitsgeschichte. Im vierten Kapitel wird der me-
thodische Teil dieser Arbeit definiert und erläutert. Da in dieser Arbeit eine Mischform
qualitativer methodischer Analysen angewendet wurde, wird ein grober Überblick hierzu
gegeben. Das anschließende Kapitel befasst sich mit der Entstehung und dem Aufbau des
Hauptwerks Spenglers „Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der
Weltgeschichte“. Darauffolgend erfolgt eine Inhaltswiedergabe der über tausendseitige
Lektüre, sodass ein Überblick der von Spengler auserwählten Kulturen entsteht und wie
sie mit einander im kulturellen Transfer stehen. Die Geschichte hierbei muss beleuchtet
werden, als sei sie etwas Unbekanntes. Seitens Spengler wird der Versuch realisiert, Ge-
schichte zu prognostizieren, da er den Geschichtsverlauf als eine festgelegte Phase an-
sieht. Thema hierbei ist vor allem die Darlegung der Hochkulturen, ihr Entstehungspro-
zess nach dem Prinzip der Altersstufen „Kindheit“, „Reife“ und „Alter“, im Stadium die
Spengler als Kultur definiert, kennzeichnend. Im Stadium der Kultur nimmt die Erläute-
rung des Ursymbols und somit der Seele der Kultur, die Spengler ein weiteres Mal unter-
teilt in die apollinische, magische und faustische Seele, einen wichtigen Raum dieser Ar-
beit ein. Das Kapitel endet mit dem zweiten Teil, den Spengler für eine Kultur als bedeut-
sam erachtet, dem Stadium der Zivilisation und deren Phasen bis hin zur Dekadenz und
somit dem vermeintlichen Untergang der Kultur.

Innerhalb des fünften Kapitels soll der Versuch eines Vergleichs zwischen den Kultur-
philosophen Oswald Spengler und Arnold J. Toynbee, ein bedeutsamer britischer Uni-
versalhistoriker des 20. Jahrhunderts, gewagt werden. Hierbei sollen wesentliche Ele-
mente in den Theorien beider Persönlichkeiten herausgearbeitet und Parallelen oder
Kontroversen anhand von Beispielen, die von Spengler und Toynbee in ihren Werken
„Der Untergang des Abendlandes“ und „A Study of History“ (dt. „Der Gang der Weltge-
schichte“) thematisiert wurden, gegenübergestellt werden. Toynbees Werk ist in der eng-
lischen Fassung insgesamt zwölf Bände lang und ist angelehnt an Spenglers Werk. Er
sieht Kulturen jedoch als ein Ganzes an, das keiner deterministischen Zukunftsprognose
zugrunde liegt. Er befasst sich ebenfalls mit dem Aufstieg und den Verfall von früheren
Kulturen und entwickelt bestimmte Kriterien, die für den Zerfall der Kulturen verant-
wortlich sind. So erhofft er sich, wie Spengler, zukünftige Entwicklungen der Weltge-
schichte vorhersagen zu können.

3
Noch immer spielt Spengler eine wichtige Rolle in der Geschichtsschreibung, auch wenn
schon über hundert Jahre, seit dem Erscheinen seines Werkes „Der Untergang des Abend-
landes“ vergangen sind. Ihm nach müsste das Abendland nun mitten im Untergangspro-
zess sein. Aus diesem Grund soll das letzte Kapitel zum Abschluss der Arbeit das Gedan-
kengut Spenglers im 21. Jahrhundert betrachtet werden. Dadurch soll, auch mit Hilfe der
zuvor gesammelten Resultate, die Forschungsfrage „Geht das Abendland noch immer
unter?“ im Hinblick auf den Transfer kultureller Phänomene, entgegen Spenglers Theo-
rien, begutachtet werden.

Aufgrund der derzeitigen in der ganzen Welt herrschenden Pandemie, war es bestimmten
Bereichen nicht ausführbar, auf Primärliteratur zurückzugreifen, sodass dafür versucht
wurde auf E-Books auszuweichen. Daher wurde in Kapitel sieben für den Vergleich
Spengler versus Toynbee sowohl auf den ersten Band der englischen Fassung, als auch
auf die deutsche Fassung der autorisierten Somervell-Ausgabe, Bezug genommen.

4
2. Biografie Oswald Spenglers

Im folgenden Kapitel wird ein kurzer Überblick über das Leben Oswald Spenglers gege-
ben. Dabei wurde darauf geachtet, sowohl den historischen, als auch den philosophischen
Hintergrund der Person Oswald Spengler zu thematisieren, um so einen besseren Einblick
in seine Sicht- und Denkweise zu erlangen. Wichtig hierbei ist die Rücksichtnahme der
zeitgenössischen Beeinflussung Spenglers vor allem seitens Hegel und Goethe. Ebenfalls
wird die Zyklustheorie, welche Spengler in seinen Werken immer wieder veranschau-
licht, kurz skizziert.

2.1 Leben

Oswald Spengler kam am 29. Mai 1880 als Oswald Arnold Gottfried Spengler auf die
Welt und wuchs bis 1891 mit drei jüngeren Schwestern in Blankenburg am Harz auf.2
Bereits in jungen Jahren beschäftigte er sich intensiv mit klassischer und zeitgenössischer
Literatur und galt eher als ein zurückgezogener Jugendlicher, jedoch nicht unter allen
Umständen als ein Außenseiter.3 1899 absolvierte Oswald Spengler die Allgemeine
Hochschulreife und schlug die Laufbahn eines Oberlehrers ein, da er vom Dienst des
Militärs aufgrund eines Herzfehlers befreit wurde.4

1904 verfasste Spengler eine Dissertation über Heraklit, wo er bereits Motive des Wer-
dens und Vergehens andeutete.5 Nach erfolgreichem Abschluss seiner Universitätslauf-
bahn im Jahre 1908 trat er eine Festanstellung in Hamburg an. Bereits nach drei Jahren
zog Spengler jedoch nach München, wo er durch das Erbe der verstorbenen Mutter als
freier Schriftsteller arbeiten konnte.6

2 Koktanek (1968), S. 2-36.


3 Ebd., S. 18-26.
4 Naeher (1984), S. 34.
5 Felken (1988), S. 21.
6 Ebd., S. 26.

5
Eine schwierige Zeit für Spengler, da er sich dadurch mehr von den Menschen isolierte
und immer mehr von Depressionen geplagt wurde, bis er 1936 in München verstarb.7

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg begann er mit der Verfassung seines zweibändigen
Hauptwerks „Der Untergang des Abendlandes“ (Band 1 – 1918; Band 2 – 1922). Nach
dem Ersten Weltkrieg erschien das erste Band seines Werkes und machte Spengler
schlagartig berühmt. Sein Werk wurde in politischen, literarischen und wirtschaftlichen
Kreisen umstritten diskutiert und gehörte in der Weimarer Republik zu Standardwerken
der Intellektuellen. Auch deshalb ist „Der Untergang des Abendlandes“ noch heute von
großem Interesse in der Geschichtswissenschaft.

2.2 Historischer Kontext

Spengler gilt als ein großer Anhänger der „Konservativen Revolution“8 und ist zeitgleich
ein freigeistiger Vordenker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in einer Zeit der mo-
dernen Autorität9. Geprägt von autoritärem und elitärem Denken hatte er nicht viel übrig
für die zeitgenössische Künstlerszene in München, die ihr antisemitisches Denken zum
Vorschein brachte. Ebenfalls zeichnete sich Spenglers Despektion gegenüber der Mas-
sengesellschaft oftmals ab.

Um die 1920er Jahre probierte Spengler auf unterschiedliche Wege aus, die Politik zu
beeinflussen und eine Diktatur zu entfachen. In seinem Vorhaben fand er im deutschna-
tionalen Bereich viele bedeutsame Anhänger. 1923 wird Spengler ein Zeuge des Münch-
ner Hitlerputsches und wird von den Nationalsozialisten zur Mitarbeit aufgefordert, was
Spengler jedoch ablehnte. Er bezeichnet die Lösungsansätze der NS-Zeit als primitiv,
wählt 1932 jedoch die NSDAP.

7 Ebd., S. 25-30; Vgl. Naeher (1984), S. 49f.


8 Von Beyme (2009), S. 459.
9 Conte (2004), S.16.; Vgl. Wyrwa (2009), S. 784.

6
Spätestens jedoch um 1934 und während der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur
distanzierte sich Spengler deutlich sichtbar vom Régime. 1935 tritt er sogar vom Sitz des
Nietzsche-Archiv Vorstands zurück, da ihm die Auslegungen von Nietzsche seitens der
Nationalsozialisten missfällt. Im Jahre 1936 verstirbt Spengler an Herzversagen in Mün-
chen.10

2.3 Philosophischer Kontext

Betrachtet man Spenglers Werdegang im philosophischen Kontext, so lässt sich erken-


nen, dass sein Intellekt essentiell von Goethes Morphologie, völkerkundlichen Grundan-
nahmen und der Spätphase des Historismus geprägt wurde. Einen starken Einfluss auf
Spenglers geschichtsphilosophisches Denken hatte vor allem auch Hegel. Allerdings
teilte Spengler Hegels Idealismus und Realismus nicht ansatzweise. Im Gegensatz, er
setzte sich eher ein für ein mythisches und organisches Selenleben der Kulturen und
sprach sich gegen die rationalen Ideen der Vernunft aus.11 Demnach vertrat Spengler
keine theoretische Philosophie. Er teilte eher die Haltung des Denkens, bei dem der
Glaube an die Wahrheit und die Vernunft verloren gingen. Der Philosoph Herbert Schnä-
belbach bezeichnete Spenglers Denkweise als eine „Metaphysik des Irrationalen“.12

10 Wyrwa (2009), S. 784.


11 Conte (2004), S. 103.
12 Schnädelbach (1988), S. 174.

7
3. Theoretischer Rahmen

In diesem Kapitel soll es um den theoretischen Rahmen dieser Arbeit und einige Grund-
definitionen der Thematik gehen. Es wird eingegangen auf den Begriff der „Kultur“, zu-
nächst eine allgemeinere Definition, aber auch auf den Kulturterminus von Geert Hof-
stede. Nachfolgend geht es im Anschluss um die Definition von „Interkultur“ und „Inter-
kulturalität“. Zudem ist die „Kulturmorphologie“, aber auch die „Kulturzyklustheorie“
ein wichtiges zu behandelndes Merkmal, um ein Verständnis für Spenglers Definition der
Kultur aufzubauen.

Nicht zu vergessen sind die Erklärungen der Begriffe „Kulturpessimismus“ und „Kultur-
transfer“, die ausschlaggebend sind für das Kulturverständnis Spenglers. Ebenfalls wird
die Zyklustheorie, welche Spengler in seinen Werken immer wieder veranschaulicht,
kurz definiert. Ein wichtiger Punkt ist dazu die Rücksichtnahme der Einflussfaktoren von
Spengler, vor allem seitens Hegel und Goethe. Insbesondere Hegel legte im Hinblick auf
die Universalgeschichte seine Vorstellung vom Sinn des zeitlichen Wandels vor und
schenkte dem Sinn und Ziel der Menschheitsgeschichte große Beachtung.

3.1 Kulturdefinition

Der Terminus „Kultur“ hat seinen Ursprung im lateinischen und leitet sich ab vom No-
men „cultura“ bzw. vom Verb „colore“. Dies bedeutet bezogen auf den landwirtschaftli-
chen Kontext: „etwas, das gepflegt worden ist“. Dem heutigen Kulturverständnis nach
spricht man von „Veredelung“ oder „Ausbildung“.13

Heute gibt es für die Bezeichnung der Kultur aufgrund seiner Komplexität eine Vielzahl
von Definitionen, sodass keine eindeutige Darlegung gemacht werden kann. Der Kultur-
begriff gliedert sich in eine Diversifikation von Wirtschaftsdisziplinen, aber auch ein

13 Vgl. Gabler (2020); Vgl. Bolten (2012).

8
inflationärer Gebrauch im Alltagsleben, wie die „Essenskultur“, ist vorhanden. Heutzu-
tage gibt Kultur ein „erlerntes Orientierungs- und Referenzsystems von Werten, Prakti-
ken und Artefakten“14 wieder. Dieses System wird kollektiv von den Mitgliedern einer
determinierten Gesellschaft oder Gruppe vorgelebt und wiedergegeben, sodass sie sich
von anderen Mitgliedern anderer Gesellschaften differenzieren. Wesentlich ist hierbei,
dass jede Kultur bestimmte Möglichkeiten darbietet, um individuelles und kooperatives
Handeln zu modulieren.15 Betrachtet man den Kulturbegriff wissenschaftshistorisch, so
lassen sich drei Phasen des Begriffs identifizieren (Vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Wissenschaftshistorische Kulturbegriffe (Bolten 2004, S.43).

In den späten 1960er Jahren gelangte der enge Kulturbegriff in den deutschen Sprachge-
brauch und wird heute vor allem im bildungsbürgerlichen Feuilleton-Milieu genutzt. Au-
ßerdem wird dem erweiterten Kulturbegriff eine zeitlos-statische Bedeutung zu geordnet.

Der erweiterte/geschlossene Kulturbegriff dahingegen bezieht sich auf die Kultur als ei-
nen Raum, wie beispielsweise eine Nation, Sprachräume, geographische Regionen etc.
und tritt erst mit der zunehmenden Mobilität und Globalisierung der politischen und ge-
sellschaftlichen Strukturen in den Vordergrund.

14 Barmeyer (2012), S. 95.


15 Ebd. (2012), S. 96f.

9
Seit der neunziger Jahre, wurde daher auch die Problematik von Abgrenzungen bewusst,
wie zum Beispiel „deutsche“ oder „französische“ Kultur. Kultur dient ab diesem Zeit-
punkt dem transnationalen Verständnis.

Der erweiterte bzw. offene Kulturbegriff nimmt im Gegensatz zu den vorherigen Defini-
tionen Bezug darauf, dass die Kultur als ein offenes Netzwerk verstanden wird. Mensch-
liches Verhalten wird als lebensweltlicher Zusammenhang gesehen und bezieht sich auf
mikrosoziale Einheiten und somit auf die soziale Praxis von Akteuren eines konkreten
Handlungsfeldes. Der Begriff hat auf diese Weise eine historisch-dynamische Bedeu-
tung.16

3.2 Kultur nach Hofstede

Bei weiteren Begriffsklärungen sind Namen, wie zum Beispiel Geert Hofstede, Alexan-
der Thomas, Clifford Geertz, aber auch Edward T. Hall bedeutsame und nennenswerte
Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen. Im Folgenden soll allerdings nur auf die
Definition von Hofstede wertgelegt werden.

Der Kulturwissenschaftler Hofstede beschreibt mit seinem Modell „mentale Program-


mierung“ die Denk-, Fühl- und Handlungsmuster eines Menschen und weist eine evidente
Abgrenzung zum Kulturbegriff auf. Dabei unterteilt er die Muster in drei Ebenen:
Menschliche Natur, Kultur und Persönlichkeit (Vgl. Abbildung 2).

Die unterste Ebene, sprich die „menschliche Natur“, involviert Muster, die universell sind
und vererbt werden, beispielsweise das Empfinden von Freude, Angst, Zorn, Liebe etc.
Die Ebene der „Kultur“ schließt die Muster mit ein, mit denen man mit solchen Empfin-
dungen umgeht. Dabei ist Kultur nicht vererbbar, sondern wird innerhalb einer Gemein-
schaft erlernt.

16 Vgl. Bolten (2004); Vgl. Bolten (2012).

10
Die letzte Ebene der „Persönlichkeit“ impliziert Muster, welche man von individuellen
Charakterzügen herleiten lassen kann, die durch Eigenerfahrungen erworben und durch
die jeweilige Kultur beeinflusst wird. Aus diesem Grund, so Hofstede, sei es bei den So-
zialwissenschaftlern umstritten, wo und wie präzise die Grenzen zwischen Kultur und
Persönlichkeit liegen. Demnach ist Kultur etwas im Kollektiv Erlernbares. Hofstede
nimmt vor allem Bezug auf den anthropologischen Kulturbegriff.17

Per-
sönlichkeit

Kultur

Menschliche Natur

Abbildung 2: Drei Ebenen der mentalen Programmierung (Hofstede 2011, S. 5).

17 Vgl. Hofstede (2011).

11
3.3 Interkultur

Nachfolgend geht es um die Definition von „Interkultur“ und „Interkulturalität. Dabei


kann Interkultur als eine dritte Kultur (Vgl. Abbildung 3) identifiziert werden, die ent-
steht, wenn der Kontakt zu verschiedenkulturellen Kommunikationspartnern besteht. Die
Kommunikationspartner etablieren während eines kollektiven Beziehungsfelds neue Ver-
haltensweisen und Regeln, die von Beteiligten verstanden akzeptiert und gelebt werden.18
Aus der Dynamik und Kombination verschiedenkultureller Elemente heraus gestalten die
Interaktionspartner neue Kooperations- und Kommunikationsräume.19

Kooperations- und Kommunikationsräume werden oftmals als „Dritter Raum“ (Third


Space)20 bezeichnet, in dem sich Mitglieder verschiedener Kulturen Möglichkeiten der
Begegnungen erhalten und durch Interaktionen Interkultur konstituieren können. So ver-
mögen Sozialisationssysteme verschiedener Arten aufeinanderzutreffen. Solche Dritten
Räume können beispielsweise Hotels oder Flughäfen sein, durch die kulturelle Kommu-
nikationssituationen geschaffen werden und gleichzeitig Synergieeffekte zustande brin-
gen, um Interkultur zu konstituieren.

Abbildung 3: Entstehung von Interkultur (Casrnir 1999, S. 98).

18 Vgl. Casrnir (1999).


19 Vgl. Bolten (2012).
20 Vgl. Bhabha (2010).

12
Es gibt in der interkulturellen Forschung drei Konzepte, um sich dem Kulturbegriff heran
zu nähern. Diese agieren komplementär zueinander.

1. Kultur als Interpretationssystem


2. Kultur als durch Sozialisation erworbenes Wertesystem
3. Kultur als System zur Zielerreichung und Problembewältigung

Das erste Konzept bezieht sich darauf, dass Kultur aus selbstverständlich erachteten und
gemeinsamen Symbolen, Zeichen und Vorstellungen besteht, die in einer Gruppe geteil-
tes Wissen, Eindeutigkeit und zielführende Kooperation und Kommunikation zuwege
bringen. Das nächste Konzept dagegen beschreibt, dass das Individuum bestimmte Mus-
ter des Handelns, Fühlens, Denkens durch Sozialisation in der Gesellschaft erwirbt.

Diese Muster konstituieren ein kognitives und emotionales System und sind spezifisch
für die Gesellschaft des Individuums. Das dritte Konzept besagt, dass alle Menschen ähn-
liche Probleme und Herausforderungen zu bewältigen haben. Lösungswege hierfür wer-
den anhand von Ansprüchen, Erfahrungen und Werten zur Optimierung zwischen-
menschlichen Handelns bevorzugt. Dabei entwickeln sich aufgrund gleicher Wertorien-
tierungen jeder Gruppe feststehende Lösungsmuster, die in den Institutionen sich konso-
lidieren und für Kontinuität sorgen.21

21 Vgl. Barmeyer (2012).

13
3.4 Interkulturalität

In der Zeit der Globalisierung und Internalisierung ist der Terminus Interkulturalität ein
progressives Wort. Denn heutzutage gehören vielfältige Sprachkontakte, die Thematik
der Migration, aber auch die Vernetzung von Wissenschaft zum Alltagsgeschehen dazu
und bilden somit interkulturelle Erfahrungen innerhalb der Gesellschaft.22

Interkulturalität ist vor allem ein Austauschprozess und eine Entwicklung von Verständi-
gungen, Interpretationen und Interaktionen sowie ein Kommunikations- und Kooperati-
onsprozess, der sowohl dialogisch, als auch reziprok sein kann23. Es geht vor allem jedoch
um einen Prozess, der sich „auf die Dynamik des Zusammenlebens von Mitgliedern un-
terschiedlicher Lebenswelten auf ihre Beziehungen zueinander [...] bezieht“24. Dabei ha-
ben die Kulturen nicht dieselben Bedeutungssysteme, Wertorientierungen und Wissens-
bestände.25 Interkulturalität verweist darauf, dass „etwas Neues im Austauschprozess ent-
steht.“26

Dies leitet dazu, dass Situationen im interkulturellen Kontext von Eigendynamik beein-
flusst werden. Nur mit Hilfe neu gestalteten Kommunikations- und Verhaltensregeln,
über die ein gemeinsames Übereinkommen getroffen wird, kann ein anderes Verhalten
geführt werden. Erst dann kann Interkulturalität entstehen, wenn es zu derartigen Über-
schneidungssituationen kommt, in denen Fremdkultur und Eigenkultur als relevant ein-
gestuft werden (Vgl. Abbildung 4).

Ziele der Interkulturalität sind, diese zu verstehen und durch gegenseitige Verhaltensän-
derungen bewusst zielführend, friedlich und konstruktiv zu gestalten. Da dies zu inter-
kulturellen und reziproken Lernprozessen und somit zum Kulturaustausch führt, die eine
interkulturelle Bildung ermöglichen, wird versucht Ethnozentrismus in der Gesellschaft
zu vermindern. Interkulturalität findet auf der Ebene zwischenmenschlicher Interaktionen
statt (Mikro-Ebene), da Menschen mit kulturellen Werten und spezifischen

22 Vgl. Czucka, Neuland (2011).


23 Vgl. Barmeyer (2012).
24 Bolten (2012), S. 39.
25 Vgl. Barmeyer (2012).
26 Barmeyer (2012), S. 81.

14
Wissensbeständen zusammenkommen und miteinander interagieren, obwohl ihre Denk-
und Verhaltensmuster divergent sein können.

Die größte Bedeutung Interkulturalität liegt bei der Wechselseitigkeit des Austausches.
Verläuft Interkulturalität konfliktfrei und harmonisch bereichernd, so besteht die Mög-
lichkeit der Entstehung von interkulturellen Synergien. Durch Synergien kann kulturelle
Vielfalt einer Gesellschaft besser beschrieben und genutzt werden. Die komplementären
Gesellschaften bzw. Kulturen agieren hierbei sich ergänzend und bereichernd und nutzen
Interkulturalität als eine Ressource.

Abbildung 4: Dynamik kultureller Überschneidungssituation (Thomas 2003, S.46).

15
3.5 Kulturtransfer

Der Kulturtransfer ist ein Begriff, der zu Anfang in historischen, kulturtheoretischen und
ethnologischen Gebieten erschien. In der heutigen Zeit spielt der Begriff vor allem eine
wichtige Rolle im Hinblick auf die zunehmende Globalisierung und interkultureller Ent-
wicklungen, da damit ausgedrückt wird, dass Muster einer bestimmten Kultur in die Kau-
salität einer anderen Kultur übertragen bzw. transferiert wird. Unterschieden wird hierbei,
ob es sich um Elemente, wie z.B. Verhaltensstile oder Medieninhalte oder um zentrale
Muster, wie z.B. Menschenbilder, Werthaltungen, handelt.

Kulturtransfer wird genutzt zur „Nachzeichnung und Erklärung kultureller Austausch-


prozesse zwischen Gesellschaften.“27 Der Prozess ist asymmetrisch, kulturelle Artefakte
werden in das System einer Kultur übertragen und dementsprechend angepasst. Hierbei
erfolgt eine bereitwillige Übertragung und deren Integration kultureller Anpassung. Es
müssen demnach nicht neue Formen einer Drittkultur hervorgebracht werden, sondern
kann auch in anderen Prozessen der Aufnahme darbieten. Insbesondere wird der Blick
auf gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gelegt.28 Auf diese Weise können Akteure
Inspirationen anderer Kulturen aufgreifen und weiterentwickeln. Die dabei transferierten
kulturellen Phänomene können unterschiedlicher Beschaffung sein, wie beispielsweise
im künstlerischen Sinne oder aus der Alltagskultur heraus oder aber auch kulturelle im-
materielle Praktiken.

Während man früher in der historischen Kulturtransferforschung Transferaktivitäten im


Hinblick auf schriftlich dokumentierte Bevölkerungsgruppen reflektierte, wurde der Un-
tersuchungsbereich im späteren Verlauf recht schnell auf die Transferaktivität von z.B.
Händlern erweitert. So konnte ebenfalls der Bereich der regionalen Vernetzung und die
Einleitung des Produkttransfers, im Sinne von bilateralen und später multilateral Aus-
tauschprozessen zwischen zwei bzw. mehrerer Länder, beschrieben werden. 29 In der heu-
tigen Zeit liegt die Aufmerksamkeit eher bei der Beschreibung und Erklärung des Trans-
fers von immateriellen Bereichen, wie z.B. den Denkweisen und Praktiken (Corporate

27 Barmeyer (2012), S. 112.


28 Ebd., S. 112.
29 Scherke (2019), S. 307f.

16
Social Responsibility, Codes of Conducts etc.) und nicht im Transfer von materiell-kul-
turellen Produkten, wie z.B. Literatur oder Musik.30

Die Forschung des Kulturtransfers impliziert größtenteils einen akteurtheoretischen Zu-


gang. Das bedeutet, dass kulturelle Elemente von konkreten Personen transferiert werden.
Hierbei ist es irrelevant, ob dies absichtlich oder unabsichtlich geschieht. Daher ist die
Motivations- und Ausgangslage von vermittelnden Personen ein wesentlicher Beitrag
beim Verstehen von Transfervorgängen und den dabei resultierenden kulturellen Deutun-
gen. Im späteren Verlauf wurden Vorstellungen des Transfers zwischen Ausgangs- und
Zielkultur durch weitere Vorgehensweisen ergänzt, sodass die Prozesshaftigkeit und Re-
ziprozität des Transfers dominieren. Kulturen werden interpretiert als hybride, dynami-
sche Konstrukte mit verschiedenartigen kulturellen Kodierungen und Konventionen.31
Hybride Formen sollen hierbei bedeuten, dass sich zwei getrennte Kulturen zu einer zu-
sammenstellen oder kombinieren, ohne dass jedoch die einzelnen Eigenschaften der je-
weiligen Kulturen verloren gehen. Durch diesen Austausch oder den Kulturkontakt,
konnten kulturelle Dynamiken herausgebildet werden, sodass man von einer Neuentste-
hung von Kultur sprechen kann, die aus Neugier und Interesse heraus besteht.

Seit der 1980er Jahre beinhaltet die Kulturtransferforschung Impulse durch Entwicklun-
gen, verbunden mit der Globalisierung und Migration. Die Intensität der internationalen
Verflechtungen, den dadurch einhergehenden Veränderungen im Lebensalltag und dem
Zugehörigkeitsgefühl von Menschen hat sich vervielfältigt. Mit Hilfe der internationalen
und wirtschaftlichen Verflechtung können neben Gütern und Waren auch interkulturelle
Kontakte ausgetauscht und geknüpft werden. Derartige Globalisierungsprozesse führen
nicht zur Homogenisierung kulturellen Vorgehensweisen, sondern protegieren die Ent-
stehung von Mischidentitäten und die Möglichkeit, dass daraus kreative Neuschöpfungen
resultieren könnten (Vgl. Abbildung 5).

Migrationsprozesse spielen bei der Kulturtransferforschung eine besondere Rolle, da der


Prozess des kulturellen Transfers, wie bereits erwähnt, akteurtheoretischen ist und somit
von Individuen eingeleitet wird, da das Individuum kulturelle Einstellungen und Werte

30 Barmeyer (2012), S. 112f.


31 Scherke (2019), S. 309.

17
mit sich führt und nationale oder regionale Grenzen überschreitet. So können nicht nur
neue kulturelle Handlungsweisen in die „Fremd“länder eingeführt werden, sondern sie
sorgen auch für den fortbestehenden Kontakt im eigenen Heimatland, um Reziprozität
zwischen Fremd- und Eigenkultur gewähren zu können. Daraus resultiert gleichzeitig
eine kreative Mischung kultureller Charakteristika, ohne, dass sich dies in Absicht einer
Vermittlung entwickelt. 32

Abbildung 5: Drei Strategien zum Kulturtransfer (Wirtschaftslexikon Gabler 2018).

32 Scherke (2019), S. 309f.

18
3.6 Kulturmorphologie

Der Begrifflichkeit „Kulturmorphologie“ lässt sich zurückführen zum deutschen Ethno-


logen Leo Frobenius (1873 – 1938). Dieser charakterisiert somit seine Lehre von der äu-
ßeren und inneren Gestaltung der Kultur. Insbesondere waren die Beschreibungen vieler
verschiedener Völker sehr von Bedeutung. In diesem Kontext sprach Frobenius auch,
dass Kulturen sich analog zur Entwicklung des Menschen bewegen und definiert gleich-
zeitig ein drei Phasen Modell, in welchem er die Kulturen unterteilt in Frühphase, Reife-
phase und Endphase.

„Kulturmorphologie [ist] die Lehre von der äußeren Gestaltung der Kulturen (Be-
schreibung der Formen, Ethnographie), vergleichende Kulturanatomie oder schlecht-
weg Anatomie die Lehre von der inneren Gestaltung oder Beziehung der einzelnen For-
men, die Kulturphysiologie der Lehre von den Lebensformen der Kulturen.“33

Aber was will Frobenius uns damit sagen? Er behauptet mit diesem Modell, dass der
Mensch nur ein begrenztes bzw. keinen Einfluss auf die Kulturen hat, d.h. Kulturen sind
kein vom Menschen determiniertes Objekt. Im Gegenteil die Kultur ist dem Menschen
übergeordnet und geht ihrem Verfall entgegen und ist somit ein den Menschen determi-
nierendes Subjekt. So ist die Entwicklung der Kultur nicht dem Evolutionismus, von pri-
mitiv zu komplex, geschuldet.34

Ergriffenheit Ausdruck Anwendung


(Frühphase) (Reifephase) (Endphase)

Abbildung 6: Kulturmorphologie – eigene Darstellung in Anlehnung an Frobenius (1897).

33 Frobenius (1897), S.269-270.


34 Vgl. Aubin/ Petri (1965).

19
Spenglers Ansatz der Morphologie geht vor allem jedoch auf die Rezeption Goethes zu-
rück. Diesem nach wurden seit dem 19. Jahrhundert Pflanzen unterteilt in optische und
dynamische Eigenschaften. Derartiges morphologisches Verständnis wird von Goethe
anhand der Erkenntnis sich fortan entwickelnder Formen erschlossen. Insbesondere teilt
Goethe die Annahme die Pflanzen oder Lebewesen durchlaufen Phasen der Jugend, Rei-
fung, des Alterns und des Aussterbens. Spengler transformiert dieses Verständnis der
Morphologie von der Methode über die Naturerkenntnis auf die Erkenntnis der Ge-
schichte. Denn erst durch diese Form der biologischen Wesenheit, lasse sich die Weltge-
schichte erschließen.

Geschehnisse seien nicht willkürlich, sondern bilden Einheiten von Homogenität. Auf
diese Weise kann man Zeitperioden und Ereignisse einer Kultur erkennen, wodurch eine
Form von Gleichzeitigkeit abgeleitet werden kann. Spengler geht den Versuch ein, ein
organisches Weltbild mit philosophischen Akzenten zu definieren. Nicht nur die Natur-
wissenschaft, sondern auch musische Akzente des Lebewesens, der Kultur sind von Be-
deutung. Die Homologie als Betrachtungsweise der Weltgeschichte leitet die Möglichkeit
ein, Voraussagungen über das Ende bestehender Kulturen zu machen.35

35 Frobenius (1897), S.270f.

20
3.7 Kulturzyklentheorie

Bereits im Altertum bei den Babyloniern, Römern und Griechen finden sich Kulturzyk-
lentheorien. Die Kulturzyklentheorie ist eine kultur- und geschichtsphilosophische The-
orie, die dafürsteht, dass die kulturelle Entwicklung und der kulturelle Wandel innerhalb
von Kulturen „dem Prozess von Entstehung, Wachstum, Vergehen und Neuentstehung
folgen.“36 Demnach geht man davon aus, dass die Weltgeschichte bzw. Kulturen einen
zyklischen und keinen linearen Verlauf nehmen. Ebenso der Theorie nach wird versucht,
die Geschichte der Kulturen morphologisch zu segmentieren und periodische Vorgänge
herauszuarbeiten.

Die Kulturzyklentheorie konnte von deren Vertretern als ein prognostisches Element ge-
nutzt werden. Deshalb konnten Vertreter dieses Element als Interpretationsschemata der
Geschichte benutzen und fanden gleichzeitig ein Mittel zur Determinierung der Zu-
kunft.37 Vor allem im 19. Und 20. Jahrhundert haben Kulturzyklentheorien einen kultur-
kritischen Bezug auf das Abendland. Ob man eine optimistische oder pessimistische Her-
angehensweise hat, kommt vorwiegend auf das emotionale und geistige Befinden der
Vertreter an.38

Spengler war im 20. Jahrhundert als ein Schriftsteller in Gebieten wie Geschichtsphilo-
sophie, Kulturphilosophie und Kulturhistorik tätig. Er spricht sich in seinem Hauptwerk
„Der Untergang des Abendlandes“ für eine zyklische Geschichtsschreibung aus, nach
dieser er die Weltgeschichte als einen zyklischen wiederkehrenden Prozess des Entste-
hens, Aufstiegs und Verfallens von Kulturen begriff. Spengler war demnach ein Vertreter
der Kulturzyklentheorie, in der er sich für in sich geschlossene Welten ausspricht, zwi-
schen denen keine Kommunikation möglich sei.39

36 Vgl. Brockhaus. Kulturzyklentheorien (2021).


37 Cloeren (1976), S. 1350.
38 Ebd., S. 1350f.
39 Vgl. Gasimov/ Lemke Duque (2013).

21
Spengler entwickelt eine Morphologie der Weltgeschichte und charakterisiert den Wan-
del der Kulturen und deren Lebensstile. Der Verlauf ist fixiert durch das organische
Schema der Entwicklung von Blüte, Reife und Verfall. Dies ist ein deterministisches Er-
fordernis. Spengler definiert die abendländliche Gegenwart kongruent zur spätrömischen
Epoche als ein Verfallsstadium. Dies ist jedoch nicht als ein Untergang anzusehen, son-
dern vielmehr als das Aussterben der kulturellen Schöpferkraft.40

Entstehung

Untergang Blütezeit

Vollendung

Abbildung 7: Kulturzyklentheorie - eigene Darstellung in Anlehnung an Spengler (1963).

40
Vgl. Ebd.

22
3.8 Kulturpessimismus

Wie bereits im Kapitel Kulturzyklentheorie erläutert, können Geschichtsverläufe, stellt


man diese übergeordneten Gesetzmäßigkeiten unter, als ein prognostisches Element ge-
nutzt werden, sodass historische Wertungen und Prognosen aufgestellt werden können.
Aus diesem Grund können Vertreter dieser Elemente als Interpretationsschemata der Ge-
schichte benutzen und finden gleichzeitig ein Mittel zur Determinierung der Zukunft.
Solche Prognosen können optimistischen oder auch pessimistischen Kulturauffassungen
zugrunde liegen.41 Demnach bezeichnet Kulturpessimismus in diesem Fall eine kultur-
philosophische, aber auch kulturkritische Einschätzung und Beurteilung von Kulturen.
Innerhalb dieser wird die Entwicklung von Kulturen an einem Idealzustand gemessen und
als ein deutlich sichtbarer Zerstörungs- und Verfallprozess angesehen.

Während Nietzsches Kulturauffassung beispielsweise dem Gedanken der ewigen Wie-


derkehr zugrunde liegt, vertritt Spengler, genau wie Frobenius, in seinem Werk „Der Un-
tergang des Abendlandes“ die Kulturauffassung, dass organische Abläufe sich am Vor-
bild orientieren. Dabei werden einzelne Kulturen als Gesamtes der Altersstufen angese-
hen, durch deren Verfall sie im anorganischen enden. Spengler nach durchläuft jede Kul-
tur unterschiedliche Wachstumsphasen, wie die Kindheit und Jugend, geht über in die
Blütezeit, in der sie erblüht und sich wie eine Pflanze an den Boden bindet. Der Prozess
endet mit der Entwicklung der Zivilisation und geht in einen Verfall über.42 Diese Denk-
art wird seitens vieler als Kulturpessimismus bezeichnet, da Spengler zeitgenössische
Tendenzen und zukünftige Entwicklungen der Kultur einer Endzeitstimmung und einem
Fortschrittsglauben gegenüberstellt.

Die Dekadenz der Kulturen liegt zentral im Vordergrund und geht einher mit dem Nie-
dergang der Zivilisation, einer bestimmten Gesellschaftsordnung oder Nation. Spengler
gibt in seinem Werk an:

41 Cloeren (1976), S. 1350.


42 Vgl. Gasimov/ Lemke Duque (2013).

23
„Die Zivilisation ist das unausweichliche Schicksal einer Kultur. […] Zivilisationen
sind die äußersten und künstlichsten Zustände, deren eine höhere Art von Menschen
fähig ist. Sie ist ein Abschluß; sie folgen dem Werden als das Gewordene, dem Leben
als der Tod.“43

Obwohl diese Sicht Spenglers als kulturpessimistisch angesehen wurde, da das Werk vor
allem nach dem Ersten Weltkrieg erschien und eine gewaltige Wirkung entfachte, fühlte
sich Spengler missverstanden. Er beklagt nicht die Entwicklung, sondern stellt sie als
etwas naturgesetzliches fest. Ihm nach liegen die Potenziale im naturwissenschaftlichen
Bereich.44 Die Reaktionen auf sein Werk führten Spengler dazu, dass er vor der Veröf-
fentlichung des zweiten Bandes mit der Schrift „Pessimismus“45 reagierte. Dort wehrt er
sich gegen die Behauptungen, er habe kulturpessimistische Tendenzen und versucht sich
dadurch zu verteidigen, dass er durch die Veröffentlichung die Gesellschaft aufklären und
für diese Gutes bewirken wollte. In seiner Schrift schränkt er den Leserkreis ein und gibt
an, dass nicht jeder seine Thesen interpretieren und verinnerlichen könne, weil den „Be-
schaulichen“ 46 die Wahrnehmung der Welt zwar möglich sei, aber sie an dieser nicht
teilnehmen könnten.47

3.9 Einflussnahme von Klassikern

Spengler nimmt in seinem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ auf die klassi-
schen Geschichtsphilosophen, wie Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Johann Gottfried
Herder und Augustin von Hippo Bezug. Insbesondere die Ansichten von Hegel scheinen
markant für gewisse Passagen einiger Kapitel zu sein, denn Spengler schreibt, dass jede
Kultur nichts anderes sei, als die Verwirklichung einer einzigartigen Seele.

Das bedeutet, dass jede Kultur eine Ansammlung von Seelen ist, die wiederum in Ver-
gleich gesetzt werden können mit Hegels vernünftigem „Weltgeist“, der von einem Volk

43 Spengler (1963), S. 43 f.
44 Ebd., S. 62ff.; Vgl. Sorokin (1953).
45 Spengler (1937), S. 63–79.
46 Ebd., S. 66–79.
47 De Winde/ Kohns (2015), S. 286-306.

24
zum nächsten Volk wandert, um die historischen Akteure ihrer Zeit darzustellen. Ein wei-
terer Punkt wäre die „Volksseele“ von der Herder spricht, da so das Empfinden des ganzen
Volkes definiert wird. Allerdings stellt Spengler fest, dass die Seele etwas Einmaliges ist
und sich nicht wiederholt.

„[S]tellt eben diese einmalige, nie sich wiederholende Fassung der Seele dar, [...].“48

Daher muss man hierbei unterscheiden, dass die Seele der Kultur, von der Spengler
spricht, „sesshaft“ ist und nicht wie der Weltgeist umherwandert, um die Kultur weiter
zu erzählen.49

Auf diese Weise kann auch kein Kulturtransfer stattfinden, denn das Fortwirken der Kul-
turen ist ein Irrglaube. Aus diesem Grund fehlt der Fortbestand der Seele bzw. der Kul-
turen, die für Hegel eine Rolle spielt, wohingegen Spengler die Kulturen als autonome
und abgeschlossene Totalität sieht, die ohne jegliche Beeinflussung von anderen Kulturen
einhergehen. Möglicherweise könnte dies genauso mit der Theorie Herders in Vergleich
gezogen werden. Denn Herder erklärt, dass Völker sich fortentwickeln aufgrund eigener
Traditionen, wie der Nationalbildung und Sprache. So könnte es auch bei den Kulturfor-
men Spenglers sein, da sie eine autonome Totalität darstellen, entwickeln sie sich aus
eigener Kraft heraus und bestehen durch die eigene Schöpfung ihrer Selbst, mit anderen
Worten, mit ihrer Volksseele, welches das Empfinden der Eigenkultur wiedergibt.50 Dies
könnte ein weiterer Faktor für den Bezug seitens Hegels auf Spengler sein, denn aufgrund
der in sich gekehrten Kulturen kann es nie so weit kommen, dass man die Fremdkultur
genauso gut verinnerlicht, wie die Eigenkultur, sodass man die Kulturen auf eine ethno-
zentrische Art und Weise in Betracht ziehen muss.51

Die Kulturen berühren sich nicht, nur die Menschen verschiedenartiger Kulturen können
in Kontakt treten, ebenfalls eine ethnozentrische Sichtweise, wie Hegel, aber auch Herder

48 Spengler (1963), S.168.


49 Ebd., S.168f.
50 Vgl. Herder (1788).
51 Vgl. Hegel (1924).

25
und Herodot sie vertritt. Dass das Abendland großen Wert auf den Faktor Zeit legt und
dass die Zeit das einzige Kriterium ist, wodurch sich die Kulturen unterscheiden kann
ebenfalls ein Einfluss Hegels sein, da Hegel in seinen Theorien ebenso Vergleiche auf-
grund nur eines Kriteriums zog.

„Die Zeit ist das Tragische, und dem gefühlten Sinne der Zeit nach unterscheiden sich
die einzelnen Kulturen“52

Weiterhin könnte das Schema des Altertums, Mittelalters und der Neuzeit, die Spengler
erwähnt, („solange der Bann des Schemas Altertum – Mittelalter – Neuzeit anhielt und
man nur das scheinbar Dauernde [...].“53) auf die Entwicklungsstufen Hegels zurückge-
führt werden. Nach Spengler scheint es, dass die Kultur im Abendland die einzige Kultur
überhaupt zu sein scheint, die sich nach diesem Schema bzw. nach diesen Entwicklungs-
stufen vom Altertum bis hin zur Neuzeit entwickelten.54

Spengler scheint zudem auch auf Augustin von Hippo Bezug zu nehmen. Denn Spengler
beschreibt, dass die älteren Kulturen keinen wirklichen Einfluss auf die jüngeren Kultu-
ren haben, da kein kultureller Transfer erreicht wird. Es kommt zu einer gezielten Selek-
tion dessen, was am geeignetsten für die jüngeren Kulturen angesehen wird. Es stellt sich
somit heraus, dass die Kulturen teleologisch sind, sprich zwecks- und zielorientiert agie-
ren, da sie für den Verlauf der Kulturen nicht mehr Nutzbares auslesen und eliminieren.
Aus diesem Grund entsteht laut Spengler auch eine Pseudomorphose, da die jüngere Kul-
tur sich nicht vollsten entfalten kann.

Dies ist ein gesellschaftlicher Prozess, der nicht linear, sondern zyklisch von statten geht,
da Spengler den Gedanken vertritt, dass eine Kultur ihre eigene determinierte Lebens-
dauer habe, sodass nach jedem Wachstum bzw. Aufstieg der Kultur, es auch immer zu
einem Verfall der jeweiligen Kultur kommt.

52 Spengler (1963), S.169.


53 Ebd., S. 617.
54 Vgl. Hegel (1924).

26
Die Pseudomorphose definiert Spengler als einen Sonderfall der Kulturbeziehungen.
Eine bereits bestehende Kultur breitet sich über die Landschaft aus und zwingt im an-
fänglichen Schema andere aufblühenden Kultur in ihre Formen zurück. Als Beispiel kann
hier aus Spenglers Sicht die Spätantike genannt werden, welche sich über die arabische
Kultur gelegen und so eine Fälschung der äußeren Gestalt hinaufbeschwören habe. Erst
mit Hilfe des Islams habe die arabische Kultur sich von der antiken Kultur befreien kön-
nen.55

55 Spengler (1963), S.784.

27
4. Methodik

Der folgende Teil beschäftigt sich mit der empirischen Auseinandersetzung dieser Arbeit.
Dabei wurde auf unterschiedliche Forschungsmethoden zurückgegriffen, um ein umfas-
sendes Verständnis für die Thematik erlangen zu können. Die Anwendung erfolgt in den
anschließenden Kapiteln und die Ergebnisse werden im Hinblick auf die Forschungsfrage
im Fazit zusammengefasst und vorgestellt.

4.1. Qualitative Textanalyse

Durch das Lesen und Zusammenfassen der für die Forschungsfrage relevanten Literatur
können wesentliche Theoriesätze des zu analysierenden Werkes und die des Autors er-
kannt werden. Hierfür ist eine große Vielfalt an Methoden von qualitativen Textanalysen
existent. Sie unterscheiden sich zwar in der Verfahrensweise, dienen aber alle dem glei-
chen Zweck, dem Verständnis der zu analysierenden Theorie oder Literatur. Qualitative
Textanalysen sind Untersuchungsinstrumente von Texten, um deren gesellschaftlichen
und ideologischen Inhalte zu analysieren.56

Unter solche Untersuchungsinstrumente zählen beispielsweise folgende Formen mit un-


terschiedlichen Verfahrensweisen:

• Qualitative Inhaltsanalyse
• Qualitative Kodierschemata
• Hermeneutische Zugänge
• Semantische Textanalyse

In der Praxis ist erwiesen, dass mit Mischformen der Untersuchungsinstrumente gearbei-
tet wird und man sich nicht ausschließlich mit nur einer Forschungsmethodik beschäftigt.

56 Vgl. Mayring (2010).

28
Aus diesem Grund wurde in dieser Arbeit mit Mischformen der Untersuchungsinstru-
mente der qualitativen Inhaltsanalyse und den hermeneutischen Zugängen zu Texten ge-
arbeitet. Auf diese Weise war eine präzisere Auswertung der Inhalte möglich, sodass das
Verständnis hierfür weiter ausgebaut werden konnte. Die nächsten Unterkapitel sollen
einen kurzen Überblick zu den oben genannten Forschungsmethoden geben.

4.2. Hermeneutische Zugänge

Wie bereits erwähnt ist die Hermeneutik im Bereich der qualitativen Textanalyse ein klas-
sisches Untersuchungsinstrument. Mit Hilfe von hermeneutischen Interpretationsverfah-
ren ist man in der Lage den Sinn von Textinhalten im Hinblick auf historisch-politischen
Kontexte zu analysieren. Die Hermeneutik stellt dabei einen verstehenden Zugang, der
auf Interpretationen und Auslegen von Texten beruht und die kritische Reflexion dieser
dar. Daher spielt die generelle Frage nach dem Textverstehen eine wichtige Rolle.57 Man
ist eher in der Lage den Text zu verstehen, je mehr Vorwissen und Kontextualisierung
man hat und somit die verschiedenen Sinnschichten von Texten erkennt.58

Hermeneutik, die insbesondere im deutschsprachigen Raum der Methodenliteratur auf-


taucht, stammt aus dem griechischen Sprachgebrauch und bedeutet wörtlich „gleich aus-
sagen, auslegen, übersetzen, den Sinn einer Aussage erklären“.59 Sie ist die Theorie der
Auslegungen und Deutungen und die Technik des Verstehens.60 Als Theorie der Ausle-
gungen reicht die Hermeneutik bereits bis ins Mittelalter zurück.

Den wissenschaftlichen Charakter erlangte die Hermeneutik Ende des 19. Jahrhundert als
eine wissenschaftliche Vorgehensweise der Geisteswissenschaften, um kulturelle Pro-
dukte (Bilder, Texte etc.) oder aber auch geschichtliche Ereignisse in ihren Zusammen-
hängen erschließen und ihren Sinn verstehen zu können.

57 Klafki (2001), S. 126f.


58 Kuckartz (2018), S.16.
59 Ebd., S. 17.
60 Ebd., S.17.

29
Da unterschiedliche hermeneutische Ansätze vorhanden sind, soll es daher hier nicht den
wissenschaftstheoretischen und -philosophischen Kontext gehen, sondern es soll viel-
mehr die inhaltsanalytischen Punkte der qualitativen Forschungsmethodik begutachtet
werden.

Bei einer inhaltsanalytischen Auswertung von Texten können elf methodologische


Grundkenntnisse des hermeneutischen Verfahrens konzipiert werden. Bezugnehmend auf
die Inhaltsanalyse sind vier dieser hermeneutischen Kernaussagen von Bedeutung.61

1. Beachtung der Entstehungsbedingungen: Neben dem Inhalt des Textes ist es


ebenfalls wichtig, unter welchen Bedingungen dieser Text geschrieben wurde. An
wen richtet sich der Autor? Hier ist das eigene Vorverständnis und die „Vor-“
Urteile der Forschungsfrage gegenüber von Wichtigkeit.

2. Zirkel: Essentiell ist bei der hermeneutischen Vorgehensweise, dass mit Hilfe des
Vorverständnisses Vermutungen zum Textverständnis gemacht werden. So kann
der Text in seiner Gänze gelesen und erarbeitet werden. Dies führt wiederum zu
einer Weiterentwicklung des Primärwissens. Es ist daher signifikant, dass ein ge-
wisses Vorverständnis seitens des Interpreten vorausgesetzt wird.
Befasst man sich länger mit einem Text und liest diesen in mehreren Durchgän-
gen, so entsteht das Bild einer Spirale (Vgl. Abbildung 8), die sich immer höher-
schraubt, da man durch die stetige Wissensentwicklung, ein fortschreitendes Text-
verständnis sich aneignet. Demnach ist der hermeneutische Zirkel ein verstehens-
theoretisches Konstrukt, welches im Prinzip die Verarbeitung von Texten inner-
halb des Verstehensprozesses beschreibt.62

61 Ebd., S. 18.
62 Ebd., S. 18.

30
Abbildung 8: Die hermeneutische Vorgehensweise nach Danner (2006) (Kuckartz (2018), S. 19.)

3. Hermeneutische Differenz: Hier wird das zentrale Problem innerhalb der sprach-
lichen Kommunikation dargelegt. Alles ist zunächst fremd, was gedeutet werden
soll. Erst mit Hilfe des Deutungsprozesses kann ein Verstehen aufgebaut werden.
Je nach Kontextualität oder Historizität kann eine hermeneutische Differenz sehr
unterschiedlich sein. Bereits hier spielt es eine große Rolle, darauf zu achten, die
für die Forschung relevanten Themen zu selektieren und nach Relevanz kategori-
siert.63

4. Angemessenheit und Richtigkeit: Hermeneutik ist ein Untersuchungsinstrument,


um kulturelle textliche oder bildliche Produkte zu verstehen. Eine Richtigkeit
kann hierbei jedoch nicht garantiert werden. Es muss immer ein Vorverständnis
beim Interpreten vorhanden sein. Daher kann eine hermeneutische Deutung nicht
nur von einer einzelnen Person, sprich intersubjektiv, abhängig gemacht werden,
denn es gibt keine richtige und falsche, sondern eher eine angemessene oder we-
niger angemessene Sinndeutung.64

63 Ebd., S. 19.
64 Ebd., S. 20.

31
Unter Berücksichtigung dieser Punkte ist demnach ein hermeneutischer Zugang eine
Quellenkritik, in der nicht nur der Kontext kritisch ausgelegt wird, sondern auch der Con-
tent und die Formalia. So entstehen aus der Hermeneutik Handlungsregeln, die in geis-
teswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Datenanalysen angewendet werden
können.65

4.3. Qualitative Inhaltsanalyse

In dieser Arbeit wird ebenfalls eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt. Die qualita-
tive Inhaltsanalyse dient im Grunde der systematischen Bearbeitung von Material, in die-
sem Fall von Texten.66 Mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse soll versucht werden, die
Forschungsfrage einer wissenschaftlichen Arbeit zu beantworten und weitere Erkennt-
nisse zu gewinnen. Es gibt bekannte Namen, wie z.B. Philipp A. E. Mayring, ein deut-
scher Psychologe und Soziologe, der sich unteranderem mit der Methodenforschung aus-
einandergesetzt hat, die den idealtypischen Verlauf einer Inhaltsanalyse einem Regelwerk
zugeordnet haben.67 In diesem Fall jedoch wird nicht auf einen strengen Ablauf geachtet,
es wird wie bereits zuvor erwähnt eine Mischform qualitativer Textanalysen angewen-
det.68 Mayring differenzierte konkrete qualitativ-inhaltsanalytische Techniken und ent-
wickelte verschiedene Grundvorgänge des Interpretierens, wie beispielsweise die der Zu-
sammenfassung, Explikation und Strukturierung.69 Deswegen wird im Folgenden Bezug
auf die klassische qualitative Inhaltsanalyse genommen.

Die klassische Inhaltsanalyse ist im Grunde eine zusammenfassende Inhaltsanalyse, die


das Ziel hat, „das Material so zu reduzieren, daß die wesentlichen Inhalte erhalten blei-
ben [und] durch Abstraktion ein überschaubares Aussagen zu schaffen, die immer noch
Abbild des Grundmaterials sind“.70

65 Ebd., S.20.
66 Mayring (1991), S. 209.
67 Mayring (1994), S. 159.
68 Mayring/ Fenzl (2014), S. 633f.
69 Ebd., S.637.
70 Mayring (1994), S. 164.

32
Bei der zusammenfassenden Inhaltsanalyse ist das schrittweise Vorgehen der Analyse der
erste nennenswerte Punkt. Man folgt einem vorher festgelegten Ablaufmodell, sodass die
Inhaltsanalyse intersubjektiv nachvollziehbar wird.71 Hier wird die Literatur umformu-
liert in inhaltstragenden Paraphrasen und anschließend reduziert. Wird solch eine Para-
phrasierung und Generalisierung übersprungen und ein Selektionskriterium eingeführt,
so spricht man von induktiver Kategorienbildung.

Der induktive Ansatz ist eine Theorie des logischen Schließens. Hierbei wird eine Theorie
auf Basis von Quellen aufgestellt. Bei der induktiven Kategorienbildung werden, im Ge-
gensatz zur zusammenfassenden Inhaltsanalyse, direkt im Material Kategorien formu-
liert.72 Zusammenfassende Inhaltsanalysen sind immer dann von Vorteil, wenn man sich
nur für die inhaltliche Analyseebene interessiert und somit eine Komprimierung des Ur-
sprungstextes erzielen möchte.73

Der deduktive Ansatz dagegen ist in der strukturierenden Inhaltsanalyse vertreten. An-
hand dieser wird das Kategoriensystem theoriegeleitet entwickelt und im Anschluss an
den Text herangetan, sodass ein Kategorienschema entstehen kann. Mit Hilfe dieses Ka-
tegorienschemas können die Informationen geprüft und abhängig von der Forschungs-
frage kritisch dargelegt werden. Hierbei soll die Theorie zur Forschungsfrage geprüft und
so bestätigt, abwandelt, widerlegt oder gegebenenfalls erweitert werden, auch wenn man
durch das Arbeiten mit der deduktiven Vorgehensweise eventuell keine neuen Erkennt-
nisse gewinnt.74 Solche Kategoriensysteme im Zentrum der Analyse dienen als Instru-
ment der Interpretation.

71 Mayring (1994), S. 162.


72 Mayring/ Fenzl (2014), S. 637.
73 Mayring (1991), S. 212.
74 Mayring/ Fenzl (2014), S. 638.

33
4.4. Diskursanalyse

Bereits seit Jahrzehnten werden im sozial- und geisteswissenschaftlichen Bereich Dis-


kursanalysen verwendet. In einer Diskursanalyse wendet man inhaltsanalytische Verfah-
ren an, untersucht jedoch die Komponenten als Teil eines Diskurses. Für Diskursanalysen
können jegliche Texte aller Art, Interviews, Bilder und Pläne verwendet werden.75 Die
Wichtigkeit liegt nicht darin, was untersucht wird, sondern vielmehr unter welcher Per-
spektive. Eine Diskursanalyse kann für politische, technische, wissenschaftliche, künst-
lerische, religiöse und literarische Diskurse genutzt werden.76

Es gibt verschiedene Verfahren und Versionen unter der eine Diskursanalyse angewendet
werden kann. Texte können zum Beispiel in Beziehung zueinander gesetzt und mit ei-
nander diachron verglichen werden. Diachrone Vergleiche beziehen sich insbesondere
auf historische Untersuchungen von sozialen und politischen Wandlungsprozessen in
zeitlicher Abfolge oder Zeitstufen. Die historische Betrachtung ist von großer Bedeutung.
Um die sogenannten historische Diskursanalyse soll es auch in dieser Arbeit gehen. Zu-
nächst soll jedoch auf den Begriff „Diskurs“ eingegangen werden und anschließend wird
die historische Diskursanalyse betrachtet.

Im Allgemeinen vermittelt der Begriff „Diskurs“ den sozialen Sinn, einer Vermittlung
und Darstellung, aber auch Konstitution von essentieller Vergegenständlichung
in kommunikativen Bereichen. Zum einen wird in der heutigen sozialwissenschaftlichen
Diskursforschung die Produktion von Sinn in der Diskursgemeinschaft untersucht. Auf
der anderen Seite hingegen setzt man einen weiteren Schwerpunkt auf das interaktive
Arrangement von Sinn zwischen etlichen Kommunikationspartnern.77

Der Begriff der historischen Diskursanalyse wird Michel Foucault, ein bedeutender Den-
ker, Historiker und Soziologe des 20. Jahrhunderts, als Begründer innerhalb geschichts-
wissenschaftlicher Forschung zugesprochen und vermehrt in der deutschsprachigen sozi-

75 Pfahl/ Traue/ Schürmann (2019), S. 567.


76 Ebd., S. 566.
77 Ebd., S. 565.

34
alwissenschaftlichen Diskursforschung verwendet.78 In der historischen Diskursanalysen
verwendet man entweder die historische Methode, bezogen auf einen längeren Zeitraum,
und die vergleichende Methode, die Differenz zwischen den Ordnungen. Das Ziel hierbei
ist es, die gegenwärtigen und historischen Besonderheiten in ihrer Struktur zu konkreti-
sieren.79 Foucault knüpft an unterschiedliche sozialwissenschaftliche und kulturhistori-
sche Verfahrensweisen an und bietet so die Möglichkeit einer empirischen Untersuchung.
Die zu untersuchenden Diskurse werden auf verschiedene Deutungen und Handlungsfor-
men betrachtet und überprüft.80 Außerdem wird beobachtet, in welchem strategischen
und thematischen Zusammenhang eine Bezeichnung auftaucht und wie sich deren Ge-
brauch entwickelt.81

4.5. Anwendung der Methodik

Im Hinblick auf die thematisierten methodischen Anwendungen wurde in dieser Arbeit


der Inhalt von Spenglers Werk „Der Untergang des Abendlandes“ inhaltlich verkürzt und
die zentralsten Thesen und für den kulturwissenschaftlichen Bereich relevanten Bereiche
herausgearbeitet, mit Hilfe des deduktiven Ansatzes der inhaltlichen Analyse kategori-
siert und interpretiert. Die Kategorien wurden anhand Spenglers Werk definiert und un-
terteilt. Im siebten Kapitel wurde „Der Untergang des Abendlandes“ mit dem Werk von
A.J. Toynbee diachron verglichen. Hierbei wurde insbesondere Wert auf die unterschied-
lichen Sichtweisen der Kulturentwicklungen in der Weltgeschichte und deren Zerfall ver-
anschaulicht. Der Wandlungsprozess des Kulturbegriff fällt hierbei einer zeitlichen Ab-
folge unter. Im Anschluss werden die Ergebnisse analysiert und zusammengefasst.

78 Pfahl/ Traue/ Schürmann (2019), S. 566.


79 Ebd., S. 566.
80 Ebd., S.567f.
81 Ebd., S. 571.

35
5. „Der Untergang des Abendlandes“

In diesem Kapitel soll zunächst die Entstehung des Hauptwerks Spenglers „Der Unter-
gang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte“ und der Aufbau
der beiden Werke betrachtet werden. Im Anschluss erfolgt der Versuch einer Inhaltswie-
dergabe, sodass ein Überblick der von Spengler auserwählten Kulturen entsteht und wie
sie mit einander in Transfer stehen oder nicht. Die Geschichte hierbei muss beleuchtet
werden, als sei sie etwas Unbekanntes. Seitens Spengler wird der Versuch realisiert, Ge-
schichte zu prognostizieren, da er den Geschichtsverlauf als festgelegte Phase ansieht.82

5.1 Entstehung und Veröffentlichung

Nach dem Spengler 1910 sein Erbe der Mutter antrat und nach München zog, entwickelte
er die Idee ein Buch zu schreiben. In diesem wollte er seine, bis dahin erworbenen Kennt-
nisse der Naturwissenschaften, Philosophie, Geschichte, Kunst und Mathematik ver-
schmelzen. Große Anregung erfuhr er bei verschiedenen Philosophen, sei es bei deren
zyklischem Geschichtsbild oder beispielsweise der Gedankte Nietzsches über der „ewi-
gen Wiederkehr des Gleichen“83 oder aber auch Hegels „Weltgeist“.84

Bereits während der Zeit seiner Dissertation im Jahre 1904 beschäftigte er sich mit dem
Thema „Der metaphysische Grundgedanke der heraklitischen Philosophie“85 und be-
fasste sich dort mit einem metaphysisch verwurzelten System. Dieses System soll die
gesamte Kulturgeschichte erklären und deren kulturelle Entwicklung voraussagen kön-
nen. Daher schreibt Spengler bereits zu Beginn seiner Lektüre er habe „zum erstenmal
de[n] Versuch gewagt, Geschichte vorauszubestimmen.“86 Deutschland isolierte sich po-
litisch weitestgehend durch die Krise von Agadir. Spengler sieht dies als einen geistigen

82 Spengler (1963), S. 3.
83 Vgl. De Winde/ Kohns (2015).
84 Spengler (1963), S. 25.
85 Vgl. Spengler (2019).
86 Spengler, (1963), S. 3.

36
Wendepunkt, als einen „Typus einer historischen Zeitwende, die innerhalb eines großen
historischen Organismus von genau begrenzbarem Umfange einen biographisch seit Jahr-
hunderten vorbestimmten Platz hatte“.87

Während Spengler die Werke fertigte, befand er sich in einem sowohl körperlichen, als
auch seelischen schlechten Zustand. Er kapselte sich immer weiter von seinem sozialen
Umfeld ab und zwang sich einigermaßen in eine Depression. Als der Erste Weltkrieg
ausbrach, kamen auch finanzielle Engpässe hinzu. Im Laufe des Schreibprozesses tauch-
ten jedoch auch euphorische Momente auf, in denen er sein Hochgefühl über sein Buch
aussprach. Er prophezeite sogar, dass sein Werk nicht allgemein verständlich sein wird,
da nur bestimmte Literaten das Verständnis aufweisen würden.

Spengler lehnte den Parlamentarismus ab und schloss sich daher den nationalen Rechten
an. Er hatte für Deutschland das konservative Staatswesen im Kopf, wie er es 1919 in
„Preußentum und Sozialismus“ mitteilte.88 Obwohl die Anfänge bereits getan waren, fer-
tigte Spengler das erste Band „Gestalt und Wirklichkeit“ seiner Morphologie der Weltge-
schichte im Jahre 1918. Das zweite Band „Welthistorische Perspektiven“ wurde 1922
veröffentlicht. Um sich in den darauffolgenden Jahren auf seine historischen und politi-
schen Schriften zu konzentrieren („Preußentum und Sozialismus“, „Neubau des Deut-
schen Reiches“ und „Der Mensch und die Technik“89) lehnte Spengler sogar den Ruf der
Universität Göttingen ab. Spengler will mit seinem Werk Prognosen und Diagnosen fest-
stellen und eine „vollständige Analyse der menschlichen Kultur“90 hervorbringen.

Als 1918 das erste Band von „Der Untergang des Abendlandes“ erschien, stand das Ende
des Ersten Weltkriegs kurz bevor. Auf diese Weise bekam der Titel von Spenglers Werk
eine gegenwartsgeschichtliche und recht pessimistische Bedeutung, mit der sich Spengler
dagegen nicht erfreuen konnte. Er wehrte sich dagegen und ließ in seiner Schrift „Pessi-
mismus?“ (1921) seinem Ärger Luft.

87 Felken (1988), S. 33.


88 Vgl. Spengler (1933).
89 Vgl. Ebd.
90 Wolff (1966), S. 284.

37
Er gibt an:

„Der Begriff einer Katastrophe ist in dem Worte nicht enthalten. Sagt man statt Untergang Voll-
endung (…) so ist die‚ pessimistische‘ Seite einstweilen ausgeschaltet, ohne daß der eigentliche
Sinn des Begriffs verändert worden wäre“.91

Als er jedoch 1919 zu einer Art Prominenz erkoren wurde, war dies Genugtuung für ihn.
Seine Lektüre wurde seitens vieler scharf diskutiert. Insbesondere stürzten sich Fachge-
lehrte auf naturwissenschaftliche und kunsthistorische Fehler, die Spengler in seinem tau-
send Seiten Werk unterlaufen seien. Dieser sogenannte „Spengler-Streit“ wurde vor allem
in Sonderausgaben bekannter Fachzeitschriften diskutiert, in denen Das Werk Spenglers
Stück für Stück analysiert und auseinandergenommen wurde. Nichtsdestotrotz bliebt das
Werk populär und publik und gehört bis heute noch zu den Klassikern der kulturkritischen
Geschichtsphilosophie.

5.2 Aufbau

Das Inhaltsverzeichnis von Spenglers beiden Werken zu „Der Untergang des Abendlan-
des. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte“ schafft mehr Verwirrung, als Ori-
entierung. Das erste Band „Gestalt und Wirklichkeit“ ist gegliedert in sechs Kapitel, das
zweite Band „Welthistorische Perspektiven“ dahingegen in fünf Kapitel. Beide Bände
fassen zusammen über tausend Seiten. Spengler versucht in seinem Werk systematisch
vorzugehen, wirkt jedoch wie ein intuitiver und sprunghafter Schreiber.

Er veranschaulicht viele Themen von der Geschichte zur Metaphysik, der Schicksalsidee,
von bildenden Künsten zur Naturwissenschaft und Kulturkritik. Es gibt keine einheitli-
chen Definitionen und auch kein Glossar, bei denen man wichtige Begrifflichkeiten sich
angucken könnte. Spenglers Stil ist meist literarisch und geschichtsphilosophisch.

91 Spengler (1937), S. 63f.

38
Eine wissenschaftliche Darlegung ist nicht immer zu erkennen. Dennoch schreibt er sehr
umfassend, erklärt viel und sehr im Detail. Oftmals werden Wiederholungen und philo-
sophische Exkurse wiedergegeben und die Methode der Analogie genutzt. Das bedeutet,
Spengler greift wissenschaftliche, künstlerische kulturelle und wirtschaftliche Merkmale
der unterschiedlichen Kulturen heraus und stellt diese gegenüber. Entsprechend diesem
Muster sind die Kapitel nach Fachbereichen unterteilt und nicht chronologisch nach Kul-
turen.

Im Folgenden wird die Kapitelübersicht von Spenglers Werk „Der Untergang des Abend-
landes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte“ dargelegt:

• Erstes Band: Gestalt und Wirklichkeit92

o Einleitung
o Vorbemerkung
o 1. Kapitel: Vom Sinn der Zahlen
o 2. Kapitel: Das Problem der Weltgeschichte
o 3. Kapitel: Makrokosmos
o 4. Kapitel: Musik und Plastik
o 5. Kapitel: Seelenbild und Lebensgefühl
o 6. Kapitel: Faustische und Apollinische Naturerkenntnis

• Zweiter Band: Welthistorische Perspektiven93

o 1. Kapitel: Ursprung und Landschaft


o 2. Kapitel: Städte und Völker
o 3. Kapitel: Probleme der arabischen Kultur
o 4. Kapitel: Der Staat
o 5. Kapitel: Die Formenwelt des Wirtschaftslebens
o Register I: Personen und Sachen
o Register II: Benutzte oder empfohlene Autoren

92 Vgl. Spengler (1963).


93 Vgl. Ebd.

39
5.3 Inhalt

Das erste Band von Spenglers Werk „Der Untergang des Abendlandes“ wird „Gestalt
und Wirklichkeit“ (1918) genannt. Spengler geht es in erster Linie darum, die Formen-
sprache der großen Kulturen zu definieren und ihre Wurzeln und Grundlagen der Sym-
boliken darzulegen. Im weitesten Sinne versucht Spengler einen Vergleich der unter-
schiedlichen Hochkulturen zu definieren.

Man erkennt, zunächst wird auf den Fachbereich der Mathematik eingegangen, im An-
schluss geht es zur Architektur über und zum Ende hin, zumindest beim ersten Band, um
Musik, Plastik, Moral und Ethik. Im zweiten Band geht es vor allem im ersten Kapitel
um die Übersicht der hohen Kulturen und im zweiten Kapitel um die Gesellschaft. Weiter
geht es mit der Thematisierung der Religion (Kapitel 3), Staat (Kapitel 4) und Wirtschaft
(Kapitel 5). Spengler versucht somit die Tatsachen des wahrhaften Lebens zu beschreiben
und somit eine Essenz der geschichtlichen Erkenntnis zu bieten. 94

Spengler schreibt in seiner Einleitung, dass

„[d]er erste, ‚Gestalt und Wirklichkeit‘, der sich mit den Problemen der Zahl, des Schicksals, der
Kausalität, der Tragödie, der bildenden Künste, der Weltanschauung, des Lebens, der Naturer-
kenntnis des Mythus beschäftigt, (…) die Grundlangen einer Symbolik [erhält]. Der zweite, ‚Welt-
historische Perspektiven‘, wird eine Anzahl historischer Phänomene analysieren: die hier in ihrem
wahren Umfang zum ersten Male aufgedeckte arabische Kultur, die Zivilisation, die Weltstadt,
das Imperium Romanum, die Grundformen des Staates, des Geldes, der Technik, endlich das Rus-
sentum.“95

Spengler fasst seine Werke sogar in drei Tafeln, die er „Tafeln zur vergleichenden Mor-
phologie der Geschichte“ nennt, zusammen, um „einen Überblick über das, was Resultat
der Untersuchung ist“96 zu geben. Diese Tafeln können im Anhang genauer betrachtet
werden. Sie werden aber zur Veranschaulichung in den folgenden Abschnitten mit ein-
gebunden.

94 Felken (1988), S. 3.
95 Spengler (1963), S. 69.
96 Ebd., S. 69.

40
Spengler fasst die Kultur als ein abgrenzbares, organisches Gebilde auf, welche eine Le-
bensdauer von etwa tausend Jahren aufweist. Signifikant wirkt dabei, dass das Denken
und Handeln der Individuen Eigenschaften prägender Natur zeigen. Wie bereits erwähnt,
geht Spenglers Ansatz der Morphologie auf die Rezeption Goethes zurück. Spengler
transformiert Goethes Verständnis der Morphologie von der Methode über die Naturer-
kenntnis auf die Erkenntnis der Geschichte. Denn erst durch diese Form der biologischen
Wesenheit, lasse sich die Weltgeschichte erschließen. Geschehnisse seien nicht willkür-
lich, sondern bilden Einheiten von Homogenität.97

5.3.1 Hochkulturen

Spengler unterscheidet zwischen acht Kulturphasen, die sich im Laufe der Geschichte
gebildet haben bzw. aktuell besteht. Entgegen der eurozentrischen Fokussierung soll eine
Anerkennung der Weltgeschichte als ein Ganzes angesehen werden, die alle acht Hoch-
kulturen, die bereits der Vergangenheit angehören, gleichberechtigt nebeneinanderstellt
und auf Analogien beleuchtet.

Die Entstehung dieser Hochkulturen ist ein Zufall, da diese sich ohne Motivation heraus-
gebildet haben und keineswegs aus einer Entwicklung oder eines evolutionären Vorgangs
gebildet wurden. Da Spengler die Kulturen als Organismen sieht, hat jede Kultur ver-
schiedene Altersstufen zu durchlaufen. Diese Altersstufen sind Kindheit, Reife, Alter.98
Spengler insistiert unter der morphologischen Betrachtung der Geschichte, dass Hoch-
kulturen als eine kultivierte Totalität und Träger der Weltgeschichte angesehen werden
müssen, denn „Kulturen sind Organismen. Weltgeschichte ist ihre Gesamtbiographie“99
und vollziehen nur in sich historische Abläufe.

Spengler gibt an, dass die Geschichte jeder Hochkultur in zwei Stadien verlaufe: Kultur
und Zivilisation.

97 Vgl. Spengler (1963).


98 Ebd., S. 70-71.
99 Ebd., S. 139-142.

41
Beim Übergang von der Kultur zur Zivilisation setzt Spengler organische Prozesse vo-
raus:

„Eine Kultur wird in dem Augenblick geboren, wo eine große Seele aus dem urseelenhaf-
ten Zustande ewig-kindlichen Menschentums erwacht, sich ablöst, eine Gestalt aus dem
Gestaltlosen, ein Begrenztes und Vergängliches aus dem Grenzenlosen und Verharren-
den […]. Eine Kultur stirbt, wenn diese Seele die volle Summe ihrer Möglichkeiten in der
Gestalt von Völkern, Sprachen, Glaubenslehren, Künsten, Staaten, Wissenschaften ver-
wirklicht hat […] Ist das Ziel erreicht und die Idee, die ganze Fülle innerer Möglichkeiten
vollendet und nach außen hin verwirklicht, so erstarrt die Kultur plötzlich, sie stirbt ab,
ihr Blut gerinnt, ihre Kräfte brechen – sie wird zur Zivilisation.“100

Wie zuvor erwähnt fasst Spengler die Kultur als ein abgrenzbares, organisches Gebilde
auf, welche eine Lebensdauer von etwa tausend Jahren aufweist. Signifikant wirkt dabei,
dass das Denken und Handel der Individuen Eigenschaften prägender Natur zeigen. So
ist nicht verwunderlich, dass Spengler Kulturen als Pflanzen interpretiert, die in einer
Landschaft das Licht der Welt erblickt, erblüht, reift und schlussendlich verfällt. Rück-
blickend definiert Spengler für die vergangenen 5.000 Jahre insgesamt acht Hochkultu-
ren.

Die acht Hochkulturen:


• Ägyptische Kultur
• Babylonische Kultur
• Indische Kultur
• Chinesische Kultur
• Antike Kultur
• Arabische Kultur
• Mexikanische Kultur
• Abendländische Kultur 101

100 Spengler (1963). S. 142.


101 Vgl. Spengler (1963).

42
Spengler konkretisiert hierbei als erstes die ägyptische Kultur, die es laut ihm seit 2600
v. Chr. am Nil gibt. Die babylonische Kultur herrscht zur gleichen Zeit wie die ägyptische
Kultur seit 2600 v. Chr. im heutigen Nahen Osten. Als dritte Kultur definiert Spengler
die indische Kultur, welche seit 1400 v. Chr. besteht. Die chinesische Kultur ist ebenfalls
zur gleichen Zeit, und zwar um 1400 v. Chr. auf dem ostasiatischen Kontinent existent.
Die Antike Kultur befindet sich seit 1100 v. Chr. im Mittelmeerraum. Die arabische Kul-
tur zu der Spengler auch die frühchristliche und byzantinische Kultur dazuzählt, besteht
seit Christi Geburt fort. Die mexikanische Kultur dahingegen gibt es seit 200 n. Chr. in
Mittelamerika.102

Die Abendländische und somit achte Hochkultur, dauert laut Spengler seit 900 n. Chr. in
Westeuropa und befindet sich zu Spenglers Zeit in der Zivilisation und ist daher dem
Untergang nahe. Da der Ursprung der Hochkulturen im Grunde nicht erfassbar, daher die
Entstehung dieser ein Zufall ist und nicht aus einem evolutionären Vorgang herausgebil-
det wurden, kann nicht eindeutig eine neunte Hochkultur, die der abendländischen Hoch-
kultur folgt, ausgeschlossen werden. Trotz dessen hat Spengler die Sichtweise, dass dem
Untergang des Abendlandes, das Erwachen einer russisch-asiatischen Hochkultur resul-
tieren könnte.103

Spengler konkretisiert für jede Hochkultur eine Zeit des Aufbaus. Er legt diese als die
„Vorkultur“ der jeweiligen Hochkultur fest und gibt an, dass der ägyptischen Hochkultur
die Thinitenzeit (2830 – 2600 v. Chr. – eine frühdynastische Periode der altägyptischen
Geschichte) zuvor geht, während der antiken Hochkultur eine mykenische Zeit (1600 –
1100 v. Chr. – eine griechische Kultur in der Bronzezeit) zugesprochen wird. Für die
arabische Hochkultur wird die persisch-seleukidische Zeit (500 – Christi Geburt – eine
hellenistische Epoche im Orient) vorherbestimmt. Für die abendländische Hochkultur ist
die Zeit der Merowinger und Karolinger (500 – 900 n. Chr.) repräsentativ.

Die folgende Tafel II (Vgl. Abbildung 9) stammt aus Spenglers erstem Teil „Gestalt und
Wirklichkeit“ seines Werkes „Der Untergang des Abendlandes“. Diese Tafeln bezeichnet
Spengler, wie zuvor erwähnt, als die „Tafeln zur vergleichenden Morphologie der

102 Spengler (1963), S. 68ff.


103 Ebd., S. 68ff.

43
Geschichte“ und soll als Überblick über die Untersuchungen dienen.104 Außerdem soll
Abbildung 10 (Zeitstrahl der Hochkulturen) das Verständnis über den zeitlichen Ablauf
der Hochkulturen geben und helfen, das zuvor niedergeschriebene wiederzugeben.

Abbildung 9: II. Tafel „Gleichzeitiger“ Kunstepochen (Spengler 1963, S. 70ff.).

Abbildung 10: Zeitstrahl der Hochkulturen – eigene Darstellung in Anlehnung an Spengler (1963).

104 Ebd., S. 70f.

44
5.4 Stadium: Kultur

Wie in Kapitel 4.3.1 bereits thematisiert, ist die Entstehung der Hochkulturen ein Zufall,
da diese sich ohne Motivation herausgebildet haben und keineswegs aus einer Entwick-
lung oder eines evolutionären Vorgangs gebildet wurden. Für Spengler verläuft die Ge-
schichte jeder Hochkultur in zwei Stadien: Kultur und Zivilisation.

Das Stadium der Zivilisation wird in einem späteren Kapitel behandelt. In diesem Kapitel
soll es daher erst einmal genauer um das Stadium Kultur gehen. Das Stadium Kultur wird
wiederum weitere Male in verschiedene Stadien unterteilt, wie Vorzeit der Kultur, die
Geburt der Kultur und deren Reifungsprozess. Spengler setzt diese auch mit den Jahres-
zeiten Frühling, Sommer zusammen. Den Herbst und Winter vergleicht er mit dem Zivi-
lisationsprozess.105

5.4.1 Die Altersstufen: Kindheit, Reife, Alter

Dabei teilt Spengler mit, dass die Kultur in der ersten Phase, sprich der Kindheit, mit
ihren mystischen Wurzeln auseinandersetzt und wie eine Blüte beginnt zu wachsen. Da-
her wird diese Zeit auch mit der Blütezeit gleichgesetzt. Die Kultur wächst, die Kunst
oder kulturellen Akzenten sind noch primitiv und wird erst mit dem Eintritt in die nächste
Phase stärker und klarer. Sie entwickelt ein Bewusstsein.106

Der zweite Prozess ist die Reife. Die Kultur reift und wird klarer, sie steckt nicht mehr in
den Kinderschuhen und gibt die Verworrenheit auf. Eine gesteigerte Kraft und die Voll-
endung sind erreicht. Die Kultur wird sich ihrer Existenz bewusst und entwickelt eine
Seele, ein Ursymbol (Vgl. Kapitel 5.4.2), welches das Wesen und den Charakter einer
Kultur bestimmt. Die Kultur steigt auf und befindet sich laut Spengler im „Frühling“. Die
Kultur habe jetzt im Grunde den kulturellen Höhepunkt erreicht, entwickelt jedoch keine

105 Ebd., S. 70f.


106 Ebd., S. 70f.

45
allgemeinen Fähigkeiten mehr, sondern sie strebt nach spezielleren Eigenschaften. Habe
die Kultur ihre kulturelle Entfaltung erlangt, so sei diese gewissermaßen bereits über-
schritten, denn nach dem Vergleich von Spengler zufolge sei die Jugendlichkeit einer
Kultur vergleichbar wie mit der Jahreszeit Sommer, eine Zeit in der eine Konsolidierung
erzielt wird, entgegen des bereits innerlich vonstatten gehenden Abbauprozesses. Sobald
diese Phase realisiert wurde, ist ein Alterungsprozess längstens eingeschlichen.107

Im letzten Prozess ist das Alter vorherbestimmt, denn nach der Vollendung reflektiert
sich die Kultur und bäumt sich noch einmal in einem ungeahnten Ausmaß auf, ein deut-
liches Zeichen für den innerlichen Zerfall. Sie sehnt sich nach alten, vergangenen Epo-
chen und kehrt zurück zu seinen Wurzeln in die Mystik und Spiritualität. Augenblicklich
setzt sich der völlige Zerfall der Kultur, der meistens zunächst innerlich abläuft und äu-
ßerlich lange Zeit nicht sichtbar ist, fort. Dies bedeutet auch der Sommer der Kultur ist
unter diesen Umständen verstrichen und geht in den Herbst, somit in die Zivilisation über
(Vgl. Kapitel 5.5).108

5.4.2 Ursymbol einer Hochkultur

Mit Hilfe der Morphologie lässt sich die Ausprägungen und Lage jeder Epoche der Welt-
geschichte miteinander vergleichen und kategorisieren. Dabei muss man auch insbeson-
dere auf die „Seele“ der Kultur bzw. der Weltgeschichte achten, da die Lebensquelle die-
ser ihre Seelen sind und die kulturelle Entwicklung sich nur in ihrem Inneren vollziehen
können. Die Seele einer Kultur und darum die Antriebskraft dieser Entwicklung oder des
Lebensstils besteht in einem Ursymbol. Von diesen Ursymbolen sind viele verschiedene
existent und zeichnen sich insbesondere durch die Beziehung der Kultur aus.109

Die Ursymbole sind zu jeder Epoche, Zeitstufe, Gemeinschaft wirksam und bestimmen
den Stil von Lebensäußerungen. Entfaltet sich eine Kultur im Endstadium, sprich in der

107 Ebd., S. 225ff.


108 Ebd., S. 70f.
109 Ebd., S. 225ff.

46
Zivilisation, so ermattet und zerfällt diese. Dies entspricht einem organisch-zyklischen
Getriebe aus der ein gleichförmiger Verlauf der Kultur resultiert. Daher ist es nicht son-
derlich, dass sich in Spenglers Werk „Der Untergang des Abendlandes“ Einflüsse von
Hegel vorhanden sind. Ihm nach sei jede Kultur nichts anderes, als die Verwirklichung
einer einzigartigen Seele. Das bedeutet, dass jede Kultur eine Ansammlung von Seelen
ist, die wiederum in Vergleich gesetzt werden können mit Hegels vernünftigem „Welt-
geist“, der von einem Volk zum nächsten Volk wandert, um die historischen Akteure
ihrer Zeit darzustellen. Allerdings stellt Spengler fest, dass die Seele etwas Einmaliges ist
und sich nicht wiederholt („[S]tellt eben diese einmalige, nie sich wiederholende Fassung
der Seele dar, [...].“110). Daher muss man hierbei unterscheiden, dass die Seele der Kultur,
von der Spengler spricht, „sesshaft“ ist und nicht wie der Weltgeist umherwandert, um
die Kultur weiter zu erzählen.111

Das Ursymbol manifestiert sich darin, dass sich die Hochkulturen nicht nur untereinan-
der, sondern auch von der restlichen Menschheit unterscheiden. Diese Formsprache sei
bei jedem Menschen und zu jeder Zeit wirksam und legt den Stil sämtlicher Lebensäuße-
rungen, wie z.B. „in der Staatsform, in den religiösen Mythen und Kulturen, den Idealen
der Ethik, den Formen der Malerei, Musik und Dichtung, den Grundbegriffen jeder Wis-
senschaft[…]“112 vor. Beispiele werden auch innerhalb der Hochkulturen genannt. Zur
Erläuterung soll erneut die II. Tafel „Gleichzeitiger Kunstepochen“ (Vgl. Abbildung 11)
dienen.113 Die antike Hochkultur wird demzufolge von einer apollinischen Seele be-
herrscht, die eine kleine, verwinkelte, enge und statische Kultur darstellt, deren Kunst es
ist zum Beispiel olympische Götter oder Begrenzungen von Konturen auf Leinwänden
zu zeigen (Vgl. Abbildung 11). Das Ursymbol dieser Kultur ist insofern der „in sich ge-
schlossene Körper“.114 Spengler weist darauf hin, dass sich die Antike Kultur in der ersten
Phase, sprich der „Kindheit“, mit der Dorik, eine Epoche der griechischen Tempelarchi-
tektur, beschäftigt. Je weiter die Kultur sich nun im Reifungsprozess befindet, so definiert
Spengler immer mehr Bereiche.

110 Ebd., S. 165.


111 Ebd., S. 25f.
112 Ebd., S. 225.
113 Ebd., S. 71ff.
114 Ebd., S. 224.

47
Wie man Abbildung 11 entnehmen kann, erklärt Spengler die Geburt und den Auf-
schwung der Formensprache und gliedert hierunter beispielweise die dorischen Säulen.
Das Ursymbol der ägyptischen Hochkultur sei der Weg. Diese Seele der Kultur sieht sich
„wandernd auf einem engen und unerbittlich vorgeschriebenen Lebenspfad“.115 Spengler
ordnet dieser Kultur in der ersten Phase der „Kindheit“ das „Alte Reich“ unter und erblickt
Licht und Schatten in den Gängen der Pyramidentempel. Das Ursymbol der arabischen
Kultur zeichnet sich als „die Welt als Höhle“116 aus. Dies gibt Spengler motivisch in Bi-
belzitaten, aber auch in arabischen Architekturen wieder. Infolgedessen spricht Spengler
der arabischen Kultur in der ersten Phase der Entwicklung die früharabische Formenwelt
zu, in der man sich während des Aufschwungs mit kultischen Innenräumen, Kuppelbau-
ten oder Säulenbögen beschäftigte.

Die abendländische Hochkultur dahingegen ist die Kultur des grenzenlosen Ruhmes, wel-
cher von Schatten und Licht systematisiert wird. Ihre Politik ist geprägt von der Ausdeh-
nung und Eroberung. Das Ursymbol dieser Kultur ist „der unendliche Raum mit dem Tie-
fendrang der dritten Dimension“117, die Seele strebt nach Grenzenlosigkeit. Spengler ord-
net dieser Kultur die Gotik zu. Hier entwickelt sich in der Kindheit der Kultur die Rom-
antik, Frühgotik und Strebesysteme. Solch leitende Ideen lassen sich von den Menschen
einer Hochkultur immer wieder neu definieren118.

Frühzeit/ „Kindheit“ der:


Ägyptische Kultur Antike Kultur Arabische Kultur Abendländische Kultur

Abbildung 11: II. Tafel „Gleichzeitiger“ Kunstepochen – Kultur (Spengler 1963, S. 71ff.).

115 Ebd., S. 241.


116 Ebd., S. 224.
117 Ebd., S. 224.
118 Thöndl (2016), S. 79ff.

48
5.4.3 Apollinische, faustische, magische Seele

Spengler erarbeitet drei der acht Hochkulturen gesondert heraus, um die Seelenhaftigkeit
des Weltgefühls besonders zu charakterisieren: Die apollinische, faustische und magische
Seele. Die antike Hochkultur wird von einer apollinischen Seele, die abendländische
Hochkultur von einer faustischen Seele und die arabische Hochkultur von einer magi-
schen Seele beherrscht. Vor allem die apollinische und faustische Seele stehen sich ge-
genüber. Die apollinische Seele kann nach Spengler auch als Seelenkörper bezeichnet
werden.

Der Idealtypus der apollinischen Seele sei dem sinnlich-gegenwärtigen Einzelkörper zu


geordnet.119 Der antike Mensch empfände seine Innenwelt als plastisch, das verrate be-
reits der Sprachgebrauch bei Homer, so Spengler.120 Form, Ordnung, Gestaltetes Maß
und Statik seien von Wichtigkeit und die einfachsten Elemente haben eine eigene Bedeu-
tung. Spengler nimmt bei der Begriffsbezeichnung Bezug auf Nietzsche, der dem apolli-
nischen Trieb das Bestreben nach Maßen und Gestalten zuschreibt. Zahlen demnach seien
für die apollinische Seele der antiken Kultur Größen und Maße.

Der antike Mensch, der Gegenwart angehörig, sei ohne Richtungsenergie und willenlos.
Hierüber lasse die antike Schicksalsidee keinen Zweifel, da sich im antiken Seelenbild
neben dem Denken,

„die ahistorischen Einheiten, [die] animalischen und vegetativen Triebe […] ganz ohne
bewußten Zug und Drang zu einem Ziel“ führen lassen.121 Apollinistisch sei die Malerei,
bei der einzelne Körper durch ihre Konturen begrenzt werden und das Dasein der Grie-
chen, die das Ich der „Idee einer innern Entwicklung“122 unterstellen, da der Antike
eine „innere und äußere Geschichte fehlt“.123

119 Spengler (1963), S. 243.


120 Ebd., S. 388.
121 Ebd., S. 394.
122 Ebd., S. 234.
123 Ebd., S. 234.

49
Wie zuvor genannt stellt Spengler die apollinische Seele der faustischen Seele gegenüber.
Die faustische Seele ist die Seele der abendländischen Hochkultur, deren Ursymbol der
reine grenzenlose Raum ist. Die abendländische Kultur erblühte laut Spengler in den nor-
dischen Ebenen zwischen Elbe und Tajo in der Romantik des 10. Jahrhunderts. Faustisch
ist ebenfalls „die Dynamik Galileis, die katholisch-protestantische Dogmatik, sie großen
Dynastien der Barockzeit mit ihrer Kabinettspolitik, das Schicksal Lears und das Ideal
der Madonna von Dantes Beatrice bis zum Schlusse des zweiten Faust.“124 Weiterhin teilt
Spengler mit, dass als faustisch gilt, welcher durch Licht und Schatten Räume bildet und
das Dasein mit einem tiefen Bewusstsein führt und eine entschlossene, machtstrebende
Kultur entwickelt, in der sich der abendländische Mensch reflektiert.

Einfache Elemente wie Zahlen bezeichnet Spengler als Beziehungen, wie z.B. die Diffe-
renzialrechnung und dem Seelenkörper der Antike wird die Seelendynamik des Abend-
landes gegenübergestellt. Im Bereich der Mathematik geht Spengler daher dem Prinzip
nach, dass es nicht eine Mathematik gibt, sondern vielmehr eine Abfolge von grundle-
genden Mathematiken da sie eine Kultur entwickelt hat. Die unterschiedlichen Mathema-
tikausdrucksformen stünden im Hinblick auf ihre Entwicklung nicht in Verhältnis zuei-
nander, sondern seien Ausdruck der bloßen Andersheit.

„Es gibt mehrere Zahlenwelten, weil es mehrere Kulturen gibt. Wir finden einen indi-
schen, arabischen, antiken, abendländischen Typus des mathematischen Denkens und
damit Typus einer Zahl, jeder von Grund aus etwas Eignes und Einziges, jeder Ausdruck
eines andern Weltgefühls […]. Es gibt demnach mehr als eine Mathematik.“125

Die moderne Mathematik war nach Spengler ein „Meisterstück des abendländischen
Geistes.“126 Im Bereich der Religion vergleicht Spengler antike Götter, die damals kör-
perlich und menschlich dargestellt werden, mit dem abendländischen Gott als unendliche
Kraft. Im Bereich der Architektur werden die antiken Tempel der Gotik des Abendlandes
gegenübergestellt. Gemäß Spengler sei eine Fähigkeit der faustischen Seele, die des his-
torischen Sinns. Aufgrund dessen können Menschen der abendländischen Kultur ihre ei-
gene (und die von Anderen) historische Wirklichkeit wahrnehmen. Für Menschen der

124 Ebd., S. 234.


125 Ebd., S. 79.
126 Ebd., S. 89.

50
indischen und antiken Hochkultur gab es demnach kein Wissen oder kein Verständnis für
die historische Wirklichkeit. Ferner äußert Spengler, sollte die Zivilisation des Abend-
landes erreicht und sollte diese Hochkultur demnach erloschen sein, dann werde es nie
wieder eine Kultur geben, die den historischen Sinn der Weltgeschichte innehaben und
verstehen werde.127

Die magische Kultur dahingegen ist der arabischen Hochkultur dazugehörig, die „zur Zeit
des Augustus in der Landschaft zwischen Tigris und Nil, dem Schwarzen Meer und Süd-
arabien erwachend“128 sei. Dieser Zeit schreibt Spengler außerdem die Astrologie und
Alchymie zu. Zahlen seien der arabischen Algebra zu zuordnen und der Architektur die
Mosaiken und Moscheebauten. Die apollinische Seele verabschiedet sich bereits bei An-
näherung an die magische Seele der arabischen Kultur. Laut Spengler trage das magische
Seelenbild Züge zwischen den Substanzen Geist und Seele, zwischen denen weder das
antike konstante, noch das abendländische und zweckmäßige Verhältnis herrsche. Sie sei
in jeder Beziehung anders gestaltet, sodass sie sich „eben nur als magisch bezeichnen
läßt“.129 Spengler bezeichnet dies als dualistische Seelenbild.

Diese signifikant morgenländische Seele hat als Basis psychologischen und theoretischen
Betrachtungen, die in der gotischen Frühzeit ihrer Kultur zu erfüllen versucht. Bereits
während des Imperium Romanum konnten magische Züge im Seelenverlauf gefunden
werden und auch Poseidonis soll laut Spengler trotz seiner antiken Stellung und ungeheu-
ren Wissens im Geiste früharabische Züge aufweisen und diese die magische Struktur als
die wahre angenommen haben. Die wissenschaftliche Vollendung des magischen Seelen-
bildes wird in den Schulen von Bagdad und Basra erfasst.

Der Einfluss dieses Seelenbildes dürfe nicht unterschätzt werden, da bereits scholastische
und mystische Einflüsse in der arabischen Kultur vorhanden waren, so wie die gotische
Kunst. Man müsse es nur zu finden wissen.130 Für die apollinische Kultur sei es nicht
verwunderlich, dass die apollinische Kunst der dorischen Frühzeit auch als mykenische
Zeit (Vorkultur – Vgl. Abbildung 9) und somit als spätägyptisch bezeichnet wird.

127 Ebd., S. 19f.


128 Ebd., S. 234.
129 Ebd., S. 389.
130 Ebd., S. 794.

51
Denn die apollinische Kunst weise Motive der ägyptischen Kultur vor, um durch diese
an eine eigene Symbolik zu gelangen. Dadurch entsteht eine Pseudomorphose, ein Son-
derfall der Kulturbeziehungen, da sich eine bereits bestehende Kultur sich über die Land-
schaft ausbreitet und eine sich im anfänglichen Schema befindende andere Kultur in ihre
Formen zurückzwingt. Spenglers Umschreibung für diese wichtige Begrifflichkeit lautet:

„Historische Pseudomorphosen nenne ich Fälle, in welchen eine fremde alte Kultur
so mächtig über dem Lande liegt, daß eine junge, die hier zu Hause ist, nicht zu Atem
kommt und nicht nur zu keiner Bildung reiner, eigener Ausdrucksformen, sondern
nicht einmal zur vollen Entfaltung ihres Selbstbewußtseins gelangt. Alles was aus der
Tiefe eines frühen Seelentums emporsteigt, wird in die Hohlformen des fremden Le-
bens ergossen; junge Gefühle erstarren in ältlichen Werken und statt des Sichaufre-
ckens in eigener Gestaltungskraft wächst nur der Haß gegen die ferne Gewalt zur Rie-
sengröße.“131

Die junge Kultur erstarrt und kann sich in keiner Weise in ihrem Selbstbewusstsein oder
in ihrer Ausdrucksform entfalten. Spengler nennt hierbei das Beispiel der Spätantike,
welche sich über die arabische Kultur gelegen und so jahrhundertelang eine Fälschung
der äußeren Gestalt hinaufbeschwören habe. Erst mit Hilfe des Islams habe die arabische
Kultur sich von der antiken Kultur befreien können. Die magische Seele sei die Einzige,
die eine Pseudomorphose überwunden habe.132

Dies ist der Beweis dafür, dass auch eine noch im Erwachsen seiende Kultur mächtig
werden könne, sodass eine ältere, gereifte Kultur überlagert werde. Spengler schildert
hierfür den Sachverhalt zwischen der apollinischen (Antike Kultur) und magischen (Ara-
bische Kultur) Seele.

„Solange die Antike sich seelisch aufrecht hielt, bestand die Pseudomorphose darin, daß
alle östlichen Kirchen zu Kulten westlichen Stils wurden. Dies ist eine wesentliche Seite
des Synkretismus […]. Mit dem Hinschwinden der apollinischen und dem Aufblühen der
magischen Seele seit dem zweiten Jahrhundert kehrt sich das Verhältnis um. Das Ver-
hängnis der Pseudomorphose bleibt, aber es sind jetzt Kulte des Westens, die zu einer
neuen Kirche des Ostens werden.“133

131 Ebd., S. 784.


132 Ebd., S. 276.
133 Ebd., S. 799f.

52
Die Pseudomorphose begann mit der Schlacht bei Actium (31. v. Chr.) um, wo laut
Spengler nicht Octavian, sondern Marcus Antonius hätte siegen müssen. Während der
Schlacht bei Actium stand die noch ungeborene arabische Kultur der greisenhaften anti-
ken Zivilisation gegenüber oder anders formuliert die apollinische Seele war im Kampf
mit der magischen Seele, um die Götter oder den Gott. Der Sieg von Marcus Antonius
hätte lauf Spengler die magische Seele befreit. Da allerdings Octavian, der spätere Kaiser
Augustus, gewann führte dies zu einer starren Kaiserzeit und somit zu einer Fälschung
der äußeren Gestalt der arabischen Kultur.

Spengler vergleicht diese Pseudomorphose mit der Schlacht von Tours und Poitiers im
Jahre 732 n. Chr. Er gibt an, hätte Karl Martell damals das muslimische Heer nicht gesiegt
und somit deren Vormarsch ins Abendland gestoppt, so hätte die abendländische Kultur
eine orientalische Pseudomorphose erfahren. Die arabische Sprache und Religion hätten
sich in den unterschiedlichsten Elementen der herrschenden Schicht wohl gefühlt, das
gotische Gefühl hätte sich gezwungenermaßen in den längst erstarrten Formen des Ara-
besken ausdrücken müssen. Statt der deutschen Mystik gäbe es eine Art des Sufismus.134

SEELE KULTUR URSYMBOL EIGENSCHAFT


APOLLINISCH antike Kultur Geschlossene Kör- statisch
per
MAGISCH arabische Kultur Welt als Höhle dualistisch
FAUSTISCH abendländische grenzenloser Raum dynamisch
Kultur
Abbildung 12: Zusammenfassung der Seelen - eigene Darstellung in Anlehnung an Spengler (1963).

134 Ebd., S. 787.

53
5.5 Stadium Zivilisation: 1. Phase

Wie oben in Kapitel 5.4 benannt, verläuft für Spengler die Geschichte jeder Hochkultur
in zwei Stadien: Kultur und Zivilisation. Das Stadium Kultur wurde veranschaulicht. Aus
diesem Grund soll das Stadium der Zivilisation in diesem Kapitel erörtert werden. Wäh-
rend Spengler das Stadium Kultur mit dem Frühling und Sommer verglich, verknüpft er
den Zivilisationsprozess mit dem Herbst und Winter.135.

Laut Spengler wird in der ägyptischen Hochkultur die erste Phase als die Hyksoszeit ge-
kennzeichnet und geht von 1780 bis 1580 v. Chr. In der Antike fällt diese Zeit ins Jahr
350-150 v. Chr. und wird als die Zeit des Hellenismus bezeichnet. Die erste Phase der
chinesischen Zivilisation bezeichnet Spengler als „Zeit der kämpfenden Staaten“136 und
dauerte von 480 bis 230 v. Chr. an. Dem Abendland lautet der Beginn der Zivilisation
„die Europäische Zivilisation“137 und verläuft von 1800 bis 2000. Diesen zeitlichen Ver-
lauf stellt Spengler in seinem Werk mit einer Zeichnung dar, wie man Abbildung 13 „III.
Tafel“ entnehmen kann.

Im Hinblick auf die Thematik der Zivilisation erklärt Spengler, dass diese vielmehr als
Endpunkt einer Entwicklung, statt des Anfangs, angesehen wird. Was sich beispielsweise
in der griechischen antiken Kultur entwickelte, baute sich in der römischen Antike zu
einer Zivilisation aus. Die Kulturseele transformiert sich in den Geist und setzt sich durch
im Untergang. Nach Spengler fand dieser Übergang im 4. Jahrhundert der Antike und im
19. Jahrhundert der abendländischen Kultur statt. Demnach leben oder lebten wir 1918
im Zeitalter der Zivilisation, sodass dem Abendland schlussendlich der Untergang kurz
bevorsteht.138 Die Kultur tritt mit Beginn der Zivilisation in die Jahreszeit Herbst ein.

Die Zivilisation ist der Mechanismus, der eintritt, sobald die Kultur keine kulturellen Hö-
hepunkte mehr entwickelt. Denn die kulturfähigen Menschen werden, nach dem Über-
gang in die Zivilisation, aufgrund von Zivilisationskrisen immer weniger. Jede Kultur

135 Ebd., S. 70f.


136 Ebd., S. 72f.
137 Ebd., S. 415.
138 Ebd., S. 44.

54
bewältigt dabei eine Ära von Weltkriegen oder Gewaltexzessen und Kämpfen um die
Endherrschaft. Die Kultur zerstört sich selbst, da der Mensch nur noch als Individuum
existent sein möchte und keine Nachkommen mehr hervorbringt.

Im Prozess der Zivilisation ist das Alter und das Altern schicksalhaft und unausweichlich.
Die Kultur bäumt sich nach der Vollendung in einem ungeahnten Ausmaß aus und macht
sichtlich auf den inneren Zerfall aufmerksam. Alte und vergangene Epochen werden her-
beiersehnt, der Wunsch zu seinen Wurzeln in die Mystik und Spiritualität ist vorhanden.
In diesem Moment setzt der völlige Zerfall der Kultur ein, der meistens zunächst innerlich
abläuft und äußerlich lange Zeit nicht sichtbar ist. Die Jugendlichkeit der Kultur ist vorbei
und mit ihr, der Herbst. Die Kultur befindet sich augenblicklich im Winter und somit
beginnt unmittelbar die Dekadenz.139

Die Kultur vergreist, erstarrt und versteinert sogar, da sie sich aus eigener Kraft nicht
mehr entfalten kann. Spengler macht kenntlich, dass wenn

„das Ziel erreicht und die Idee, die ganze Fülle innerer Möglichkeiten vollendet und nach außen
hin verwirklicht [sei], so erstarrt die Kultur plötzlich, sie stirbt ab, ihr Blut gerinnt, ihre Kräfte
brechen – sie wird zur Zivilisation.“140

Hierauf folgt der Eintritt in eine geschichtslose Zeit, die Vorzeit einer noch erblühenden
anderen Kultur, eine zyklische Geschichtsschreibung. Es folgt der organische Aufbau des
primitiven Zeitalters. Charakteristische für die Spätphase der Zivilisation ist die Künst-
lichkeit und Erstarrung aller Lebensbereiche, Materialismus und Irreligiosität, Zivilisati-
onskämpfe, Imperialismus, man erinnere sich hierbei an die Schlacht von Actium und
den Kampf von Kaiser Augustus und Marcus Antonius.

Die Zivilisation ist eines - die Herrschaft der Städte. Was damals Rom für die Antike war,
so sind London, New York und Berlin dasselbe für das Abendland. Betrachtet man nun
die Bedeutung dieser Großstädte, wird alles andere zur Provinz erklärt. Geld ist ein wich-
tiger Faktor der Zivilisation. Sie regiert die städtische Welt, die sich fortan ins

139 Ebd., S. 70f.


140 Ebd., S. 142.

55
Vergängliche fortentwickelt und wird von Spengler als die frühe Zivilisation, die „Herr-
schaft des Geldes [der ‚Demokratie‘]“141 , wie Abbildung 13 „III. Tafel“ entnehmen wer-
den kann, genannt.

Laut ihm sei dies die erste Phase der Zivilisationszeit, wo Wirtschaftsmächte die politi-
schen Formen und Gewalten durchdrängen (Vgl. Abbildung 13 „III. Tafel“).142 Unter
dieser Voraussetzung kann die Demokratie als Produktion politischer Entscheidungen
gesehen werden. Spengler erklärt, dass aus dieser Phase der Zivilisation es nicht mehr um
politische Ideen, sondern viel mehr um materielle Vorteile geht. Unter dieser Wichtigkeit
des Geldes erfolgt der Beigeschmack, dass Demokratie als die Käuflichkeit der politi-
schen Mächte angesehen wird. Infolgedessen ist die Demokratie nicht der Sieg von
Demo, vielmehr ist es die Manipulation des Demos für die Zielvorstellung der Oligar-
chie.143 Im Hinblick hierauf breitet sich die Dekadenz aus und die politischen Systeme
geraten ins Schwanken. Hinter dieser Fassade breitet sich die Machtstruktur der reifen
Kultur, der Spätphase der Zivilisation, aus.144 Diese Machtstruktur kann Napoleonismus
oder auch Cäsarismus genannt werden, der Übergang in die zweite Phase der Zivilisation.

5.5.1 Stadium Zivilisation: 2. Phase „Cäsarismus“

Der Begriff Cäsarismus stammt aus dem 19. Jahrhundert und steht für eine Regierungs-
oder Gesellschaftsform. Diese beruht auf der Herrschaft und Einfluss einer ausdrucks-
starken und reizvollen Einzelperson. Gewalt ist ein Prinzip der cäsarischen Machtstruktur
und es handelt sich um ein politisches Phänomen der Moderne. Spengler hatte die Vor-
stellung, dass die politische Verfassung übergeht in den Cäsarismus des Spätzustandes
der Zivilisation. Dies zeugt von einer antiliberalen und antidemokratischen Haltung.145
Charakteristische für die Spätphase der Zivilisation ist die Künstlichkeit und Erstarrung
aller Lebensbereiche, Materialismus und Irreligiosität, Zivilisationskämpfe,

141 Ebd., S. 72f.


142 Ebd., S. 70f.
143 Thöndl (2018), S. 753f.; Spengler (1963), S. 70f., S. 630, S. 1049ff.
144 Vgl. Ebd., S. 753f.; Spengler (1963), S. 70f.
145 Thöndl (2018), S. 753f.; Thöndl (2016), S. 79f.

56
Imperialismus und Herrschaftskriege. Entsprechend Spenglers Theorien seien Hochkul-
turen auch in der Zivilisationszeit in der Lage Großleistungen zu generieren. Spenglers
Perspektive der Zukunft befasst sich daher wie bereits erwähnt mit der politischen Ent-
wicklung einer Kultur. Er prognostiziert das Ende der Demokratie und erklärt Kriege um
die Weltherrschaft als unausweichlich. Aus diesen Kriegen soll der Sieger als Führungs-
macht der abendländischen kulturellen Zivilisation hervortreten. Dies sei der Cäsaris-
mus.146 Aus der „Herrschaft des Geldes [‚der Demokratie‘]“147 wird der „Sieg der Ge-
waltpolitik über das Geld“.148

Der Innere Zerfall der Nationen beginnt und es form sich eine unförmige Bevölkerung,
sodass der primitive Charakter der politischen Formen zunimmt. Die zweite Phase der
Zivilisation verläuft in der ägyptischen Hochkultur von 1580 bis 1350 v. Chr. und wird
seitens Spengler als die 18. Dynastie bezeichnet. Die antike Hochkultur hatte zwischen
150 v. Chr. bis 100 n. Chr. ihre zweite Phase. Von 250 v. Chr. bis 26 n. Chr. dauerte die
zweite Phase der chinesischen Zivilisation an. Da die abendländische Kultur noch fort-
währt liegt die zweite Phase dieser in der Zukunft von 2000 bis 2200. Die genannten
Theorien und der zeitliche Verlauf können ebenfalls in Abbildung 13 „III. Tafel“ genauer
betrachtet werden. Die dritte Phase der Zivilisation wird im nächsten Kapitel (5.5.2 Sta-
dium: Zivilisation 3. Phase Dekadenz) weiter betrachtet.

146 Thöndl (2016), S. 79f.


147 Spengler (1963), S. 72ff.
148 Vgl. Ebd., S. 72ff.

57
5.5.2 Stadium Zivilisation: 3. Phase „Dekadenz“

Während die ersten sieben Kulturen Vergangenheit seien, da sie das festgelegte Schema
der Altersstufen Kindheit, Reife, Alter durchlaufen haben, teilt Spengler mit, dass die
abendländische Kultur im Jahre 1912 im Untergang, die russische Kultur im Aufstieg sei.
Die abendländische Kultur sei bereits im 19. Jahrhundert in die Endphase des Schemas
der Altersstufen eingetreten und sei daher in der Dekadenzphase, die dritte Phase Speng-
lers Zivilisationstheorie. Sie enthält das Heranreifen der endgültigen Form, die Welt als
Beute und die Ohnmacht von imperialen Mechanismen. Das Heraufdringen unmenschli-
cher Zustände in die Zivilisation ist unausweichlich.149

Jede Kultur erreicht zwangsläufig dieses Stadium der Zivilisation. Sie erstarrt und ist in
einem organischen Sinne tot, nachdem die Seele der Kultur „die volle Summe ihrer Mög-
lichkeiten in der Gestalt von Völkern, Sprachen, Glaubenslehren, Künsten, Staaten, Wis-
senschaften verwirklicht hat.“150 Nach dieser Verwirklichung kehrt die Kultur zurück zu
ihrer Urseele bzw. Ursymbolik. So habe die ägyptische Kultur die Summe ihrer Möglich-
keiten erlangt in der Zeit von 1328 bis 1195 v. Chr., die Zeit der 19. Dynastie, die des
Ramses II. Die Rückkehr zur Urseele begann für die antike Kultur nach der Zeit 100 bis
200 n. Chr. und wird als die Zeit von Trajan bis Aurelian bezeichnet. Die chinesische
Kultur verwirklichte sich in der dritten Phase als die östliche Handynastie und verlief von
25 bis 220 n. Chr.

Diese dritte Phase der oben genannten Hochkulturen bezeichnet Spengler in seinem Werk
auch als den Ägyptizismus, Byzantinismus, Mandarinentum. Da die abendländische Zeit
fortbesteht und die dritte Phase dieser noch nicht erreicht worden ist, hat Spengler hierfür
noch keine Bezeichnung, gibt jedoch an, dass diese ab 2200 beginnen werde. Spengler
stellt das Preußentum als eine Wiederholung des antiken römischen Wachstums in der
abendländischen Kultur dar und träumt von einer Zukunft des „Imperium Germani-
cum“.151

149 Spengler (1963), S. 72ff.


150 Ebd., S. 142.
151 Koktanek (1968), S. 44.

58
Er fasst dadurch die abendländische Kultur zusammen und ordnet sie, während diese zer-
fällt, eine Entwicklung, die Spenglers Meinung nach, unvermeidbar sei.152
„Imperium Germanicum“ verwendet Spengler außerdem in Anlehnung an das Römische
Reich, das Imperium Romanum, welches während der Kriegszeit prägend war. Der Be-
ginn des Imperium Romanum sei der Endzustand der Zivilisation für die Antike gewesen,
für das Abendland war es Napoleon und für die arabische Kultur der Beginn des Osma-
nischen Reis. Die chinesische Kultur endete demnach mit der Kaiserzeit und für Ägypten
kam das Ende mit dem Anbruch des Neuen Reichs.

Abbildung 13: III. Tafel „Gleichzeitiger“ politischer Epochen - Zivilisation (Spengler 1963, S.71ff.).

152 Ebd., S. 44

59
5.5.3 Zweite Religiosität

Mit der sogenannten zweiten Religiosität befasst sich Spengler im letzten Drittel seines
Werkes. Diese entstand in der Phase der machtlosen Massen, der zivilisatorischen Spät-
zeit und sei die anorganische künstliche Form der Religion an sich. Die zweite Religiosi-
tät nehme auf den Menschen jedoch nicht weniger intensiv Einfluss als die Ursprungsre-
ligion, aber trage auch keine zukunftsfähigen Eigenschaften mehr auf.153

Spengler stellt fest, dass die zweite Religiosität in allen Zivilisationen auftritt, sobald
diese ihren kulturellen Höhepunkt erreicht haben und in die Dekadenzphase, den ge-
schichtslosen Zustand, hinübergehen. Demnach sei die abendländische Kultur von dieser
Stufe noch um viele Altersstufen entfernt. Laut Spengler sei diese Phase ein Gegenstück
zum Cäsarismus und würde in der antiken Kultur mit Augustus, in der chinesischen Kul-
tur mit Schi Hoang-ti eintreten, da ihnen die schöpferische Urkraft in dieser Phase fehle
und sie auf der Suche nach einer tiefen Frömmigkeit waren. Diese tiefe Frömmigkeit gäbe
den Kulturen die Kraft, um noch ihr ganzes Wachsein zu erfüllen.

In dieser Phase wird nichts aufgebaut und es entfalte sich auch keine weitere Entwick-
lung, sondern die alten Formen aus den primitiven Phasen treten wieder hervor, erst sche-
menhaft und dann immer deutlicher. Anders ausgedrückt, die zweite Religiosität lasse
zunächst den Rationalismus und die Aufklärung, die zu Beginn der Zivilisation erlangt
worden waren, verlieren und dann die Gestalten der Vorzeit der Kultur, der Metaphysik,
zum Vorschein bringen, sodass ein volkstümlicher Synkretismus entstehen würde.

Der Synkretismus ist in ethnologischem Sinne ein Begriff, der im Bereich des Kultur-
wandels als die Vermischung von Religionen benutzt wird. Die Freiheitsidee der Kultur
zerfällt in der Dekadenzphase und man macht sich auf die Suche nach einer Zufluchts-
möglichkeit, in Form der Religion, in die Mystik zurück. Hierfür nennt Spengler als Bei-
spiel „die Verwandlung östlicher Kirchen in westliche Kulte“ und erwähnt „die umge-
kehrte Tendenz [der] Entstehung der Kultkirche.“154

153 Spengler (1963), S. 940ff.


154 Ebd., S.800f.

60
Weiterhin nennt er, dass Al Ghazali „für den Volksglauben ein göttliches Wesen“ sei, da
er half die zweite Religiosität der islamischen Welt zu vollenden.155 Außerdem teilt
Spengler mit, dass man versuche die zweite Religiosität in feste Organisationen zu zwän-
gen, die man heutzutage als Gemeinen, Orden, Sekten oder Kirchen nennen würde. Dies
sei dennoch eine starre Wiederholung der Formen der Vorzeit der Hochkulturen.156

155 Ebd., S.945.


156 Ebd., S. 940ff.

61
6. Spenglers Interkulturalität

Hundert Jahre sind seit der Veröffentlichung von „Der Untergang des Abendlandes“ ver-
gangen und noch immer werden Spenglers Theorien diskutiert. Im folgenden Abschnitt
soll es darum gehen, welche Form von Interkulturalität in Spenglers Werken vorzufinden
sind. Insbesondere soll hier auf den Kulturtransfer Bezug genommen werden. Weiterhin
wird dargelegt, ob sich das Kulturverständnis Spenglers im 21. Jahrhundert wiederfinden
lässt oder wie sich das Kulturverständnis dahingehen verändert hat.

6.1. Kulturkonzept

Spengler beschreibt in seinem Werk „Der Untergang des Abendlandes“, dass die Kultur
eine Ansammlung von sesshaften, einzigartigen Seelen ist. Die Kultur entwickelt sich aus
eigener Kraft und bilden eine autonome und abgeschlossene Totalität ohne Beeinflussung
von anderen Kulturen. Nach Spengler entstehen Kulturen daher unabhängig voneinander
und seien anderen Kulturen gegenüber wesensfremd. Kulturen durchlaufen wie in einem
Zyklus mehrere Lebensstadien, werden alt, verfallen und werden durch eine neue Kultur
abgelöst. 157

Eine Hochkultur wird von primitiven Kulturen vorbereitet, aber stellt nicht eine Konse-
quenz aus diesen dar.158 Spengler sieht die Weltgeschichte als einen ewigen Kreislauf von
Kulturen, in der es „um das Leben und immer nur um das Leben, die Rasse, den Triumpf
des Willens zur Macht“ gehe.159 Diese Sichtweite entspricht einem totalitätsorientierten
Kulturkonzept, da Kulturen dem Essentialismus unterliegen, ohne dass diese sich unter-
einander in keiner Weise berühren und sich völlig abgrenzen.

157 Braun/ Yousefi (2011), S. 17.


158 Merlio (2018), S. 523.
159 Spengler (1963), S. 1193.

62
Spengler sah zum Zeitpunkt der Verfassung des Werkes die abendländische Hochkultur
als die machtvollste Kultur an, da den Kriegen und Kolonialisierungsabsichten eine Not-
wendigkeit zugeschrieben wurden.160

6.2. Kulturtransfer

Aufgrund Spenglers Herangehensweise, dass Kulturen sich gegenüber wesensfremd und


unabhängig voneinander sind, besteht daher auch keine gegenseitige Beeinflussung und
daher auch keine Wechselwirkungen zwischen Kulturen. Trotz dessen befasst er sich in
einem ganzen Kapitel mit den „Beziehungen zwischen den Kulturen“161 und unterscheidet
dabei zwischen synchronen und diachronen Wechselwirkungen.

„Zwei Kulturen können sich von Mensch zu Mensch berühren oder der Mensch der
einen die tote Formenwelt der anderen in ihren mitteilbaren Resten sich gegenüberse-
hens.“162

Primitive Kulturen bereiten die Hochkultur zwar vor, ergeben jedoch keine Konsequenz
aus diesen, sodass keine Einflüsse der mehr oder weniger konvergierenden Hochkulturen
erfolgt. Sie entstehen, wachsen, verfallen und sterben aus, ohne Deszendenz. Demnach
kann der Charakter der europäischen Kultur nicht durch den Zusammenfluss mehrerer
Kulturen definiert werden.163 In jeder Hochkultur wird der eigene Mythos, die Küste, die
Philosophien, die Naturwissenschaft und Mathematik erschaffen, daher seien sie „fens-
terlose Monaden“164, die einander nicht verstehen können.165 Das einzig vergleichbare
seien, die zyklischen Kulturkreise jeder Hochkultur und deren metahistorische Ebene.166
Wie bereits erwähnt, bildet die Kultur Spenglers eine autonome und abgeschlossene

160 Braun/ Yousefi (2011) S. 17.


161 Spengler (1963), S. 617.
162 Ebd., S. 619.
163 Merlio (2018), S. 523.
164 Vgl. Koktanek (1986).
165 Merlio (2018), S. 524.
166 Osterhammel (1996), S. 281.

63
Totalität der sesshaften Kulturseelen. Aufgrund der Sesshaftigkeit der Seelen ist demnach
kein Kulturtransfer möglich, somit auch kein dauernder Fortbestand der Kultur verwirk-
licht werden kann. Technik „kann durchaus instrumentell von Kultur zu Kultur wandern,
doch gewinnt sie eine unterschiedliche Bedeutung, je nach dem kulturellen Kontext, in
dem sie eingesetzt wird.“167 Die Weltgeschichte ist das Subjekt und determiniert nach
Spengler den Menschen in sein „unausweichliche[s] Schicksal“168, dem man sich stellen
muss. Er begreift die zivilisatorischen Zeiterscheinungen als ein Teil des natürlichen Ent-
wicklungsprozesses, welchem alle Kulturen unterliegen. Kulturtechniken können zwar
transferiert, je nach kulturellem Kontext allerdings unterschiedlich ausgeführt und inter-
pretiert werden. Daher erfolgt kein seelischer Austausch. Spenglers Theorie nach ist diese
transferierte Technik nur kurzweilig nutzbar, sodass kein wirklicher Aneignungsprozess
stattfinden kann.169

Die unterschiedlichen Weltverständnisse verhindern eine interkulturelle Kommunikation


der Hochkulturen. Man könne zwar sagen, dass das Christentum vom Orient nach Europa
gelangt wäre, bedeute jedoch nicht, dass die arabische und abendländische Hochkultur
das gleiche Verständnis dieser Religion haben würden. Solch ein Unverständnis und die
fehlende interkulturelle Kommunikation der Kulturen führe sogar zu Katastrophen, die
Spengler mit der Auslöschung der mexikanischen Kultur seitens der abendländischen
Kultur im 16. Jahrhundert, beschreibt. Spenglers Pessimismus zeigt sich auch hier. Der-
artige, interkulturell missinterpretierte Zusammenstöße könnten sich jederzeit wiederho-
len und zu kulturellen Problemen führen. So teilt Spengler in seinem Werk mit:

„[d]er Mensch einer fremden Kultur Zuschauer sein [kann] und also beschreibender
Historiker des Vergangenen, aber niemals Politiker, d.h. ein Mann, der die Zukunft in
sich wirken fühlt. Besitzt er nicht die materielle Macht, um in der Form seiner eigenen
Kultur handeln und die der fremden mißachten oder lenken zu können […], so steht er
den Ereignissen hilflos gegenüber. […] [D]er moderne Europäer blickt überall durch
die Begriffe Verfassung, Parlament, Demokratie hindurch auf fremde Schicksale, ob-
wohl die Anwendung solcher Vorstellungen auf andere Kulturen lächerlich und sinnlos
ist.“170

167 Sieferle (1995), S. 118.


168 Spengler (1963), S. 43.
169 Sieferle (1995), S. 118.
170 Spengler (1963), S.953.

64
Es ist dennoch auffällig, dass Spengler die Beziehungen zwischen den Hochkulturen
nicht gänzlich leugnen kann, da er einwendet, dass alle Kulturen unter der Vormundschaft
von vorherigen, älteren Kultureindrücken gestanden haben, dessen Einflüsse in jeder For-
menwelt erschien.171 Trotz der äußeren Entlehnungen werden die Kulturen bereichert.

In Kapitel drei „Probleme der arabischen Kultur“172 des zweiten Bandes von „Der Unter-
gang des Abendlandes“ veranschaulicht Spengler viele Wechselbeziehungen voller kul-
tureller Weitergaben und Übernahmen. Folglich kann ein Austausch zwischen den Kul-
turen nicht gänzlich unmöglich sein und daher kann auch eine Vermittlerfunktion der
arabischen Hochkultur zwischen der antiken und abendländischen Hochkultur festgestellt
werden.173 So habe die faustische Seele der Gotik bereits durch die arabische Herkunft
des Christentums eine gewisse Ehrfurcht erhalten und sich mit spätarabisch beeinflussten
Künsten geschmückt. Die „Arabergotik“174 sei gegenwärtig in Statuen, Gewebemustern
und Schnitzereien. Gotische Kathedralen haben den Ursprung in der arabischen Hoch-
kultur und nehmen Platz als Sinn der faustischen Kultur in der Architektur für die Sym-
bolisierung der Unendlichkeit, dem unendlichen Raum als Urseele. Die apollinische
Kunst der Dorik dahingegen habe ohne Zweifel Einflüsse aus der ägyptischen Kultur
übernommen, um durch diese zu einer eigenständigen Symbolik zu finden. Einzig die
magische Seele, die eine Pseudomorphose vollzog, würde es nicht wagen Motive sich
anzueignen, „ohne sich ihnen hinzugeben“ 175, weswegen der arabische Stil unermesslich
bedeutungsvoll sei. Die Renaissance habe sogar die faustische Kultur geprägt. Sie setzte
zu Beginn des Sommers in der abendländischen Hochkultur ein, als die faustische Seele
sich zu entfalten begann, aber von einer tatsächlichen Renaissance der antiken Kultur
könnte man nicht sprechen.

„Man lasse doch endlich das Märchen von einer Erneuerung des „Altertums“ fallen
[…] Der antike Mythos war ein Unterhaltungsstoff, ein allegorisches Spiel; durch sei-
nen dünnen Schleier hindurch sah man den wirklichen, den gotischen, nicht minder
scharf.“176

171 Ebd., S.275; Merlio (2018), S. 523.


172 Spengler (1963), S. 783.
173 Merlio (2018), S. 528.
174 Spengler (1963), S. 275f.
175 Ebd., S. 276.
176 Ebd., S. 915.

65
Die Renaissance zeigt, dass die faustische Seele versucht in antiken Formen sich auszu-
drücken und übt seine Durchsetzungskraft, da es sich gegen die Herausforderungen be-
weisen muss, um stärker zu werden und die Kulturseele zu festigen. Jedoch möchte
Spengler hierbei nicht von Einflüssen und Vererbungen sprechen und bezeichnet solche
kulturellen Entlehnungen eher als Pseudomorphosen, ein Sonderfall der Kulturbeziehun-
gen, wie in Kapitel 5.4.3 bereits erläutert wurde. Eine Kulturseele, die Formen einer be-
reits alten und erstarrten Zivilisation übernimmt, jedoch diese Formen sukzessiv mit einer
anderen, eigenen Seele ausfüllt.

„[M]an wird überall bestätigt finden, daß statt der scheinbaren Fortdauer der früheren
Schöpfung in der späteren es immer das jüngere Wesen war, das eine ganz geringe
Anzahl von Beziehungen zu älteren Wesen angeknüpft hat und zwar ohne die ur-
sprüngliche Bedeutung dessen zu beachten, was es damit für sich erwarb […].
[M]an sieht immer nur die Beziehungen, die zugelassen worden sind […].
Jede Beziehung, die zugelassen wird, ist nicht nur eine Ausnahme, sondern auch ein
Mißverständnis, und die innere Kraft eines Daseins äußert sich vielleicht nirgends so
deutlich wie in dieser Kunst desplanmäßigen Mißverstehens.“ 177

Spenglers Pseudomorphose ist von großem Interesse und wertvollem Nutzen für die Skiz-
zierung gesellschaftlicher Prozesse. Sie diene dazu, das lange in der Geschichtsschrei-
bung dominierende Denken in Filiationen und Vererbungen zu überwinden und versteht
Geschichtsprozesse dagegen als eine Konsequenz von Mutationen.

Laut Spengler wirkt nicht das Geschaffene ein, vielmehr nimmt das Schaffende an.178
Dieser Aspekt entspricht einem Kulturtransfer aus heutiger Sicht, insbesondere als pro-
duktives Missverständnis, statt eines negativen. Mit Hilfe der Pseudomorphose versucht
Spengler seine Lehre der Diskontinuität weniger unkonventionell darzulegen.179 Wäh-
rend die Metamorphose eine Kontinuität in einem Wandel pointiert, hebt eine Pseu-
domorphose demnach eine Diskontinuität hervor, die eine Beziehung der Kulturen kenn-
zeichnet.180

177 Ebd., S. 620f.


178 Ebd., S. 617.
179 Barta (2018), S. 86.
180 Merlio (2018), S. 524.

66
6.3. Diskontinuität

Spengler spricht sich in seinen Werken für eine zyklischen Geschichtsschreibung aus, die
den Fortschritt als ethnozentrische Aversion der europäischen Moderne ansieht. Daher
unterstützt er eine vollkommen historische Diskontinuität. Seine Meinung, Religion,
Wissenschaft und Kunst können sich nicht über die Kulturen hinweg entwickeln, sondern
eher neu erdacht werden entspricht ebenfalls einer kulturellen Diskontinuität und wider-
spricht dem Geschichtsablauf.

Die Diskontinuitätsthese Spenglers entwickelte sich nicht erst nach Veröffentlichung der
Werke, sondern waren bereits zur Entstehungszeit vorhanden, da Spengler ältere Einsich-
ten nicht richtig deutete und teilweise nicht berücksichtigte. Dies betrifft inhaltlich vor
allem Ägypten, den Orient und die griechisch-römische (Rechts-) Geschichte. Außerdem
fallen auch das Kulturzyklenmodell, Spenglers Untergangsthese noch darunter, da diese
konzeptuell ineinandergreifen, auch wenn diese laut Spengler auf universelle Einflüsse
zurückgreifen.181 Bereits festgestellt wurde, dass Rück- und Weiterentwicklungen, im
Sinne einer Pseudomorphose, möglich sind und die Unterscheidung zwischen Kultur und
Zivilisation nicht eindeutig erkennbar sein können. Hochkulturen können in Folgekultu-
ren, wenn auch nur unter gewissen Umständen, fortleben, wie das Beispiel des Alten Ori-
ents, die griechisch-römische Antike und deren Folgekulturen aufzeigt.182

Auch der Islam wird seitens Spengler unter nicht historischen Wirklichkeiten gedeutet.,
so erwähnt er die Byzanz beispielsweise häufig im Verhältnis mit religiösen, künstleri-
schen, sowie architektonischen Fragen, erkennt allerdings nicht den historischen Einfluss
auf den Westen und den Islam nicht an.183 Spengler kann daher seine Diskontinuitätsthese
nicht völlig aufrechterhalten. Aus diesem Grund gibt es deutliche Hinweise auf kulturelle
Rezeptionen und Transfer und daher auch das Weiterleben von Kulturen mit historischen,
sowie kulturellen Errungenschaften, auch wenn diese häufig partiell erfolgen. Beispiele
hierfür bieten die Bereiche: Skulptur, Architektur, Religion, Recht, Sprache und Dich-
tung, auch wenn manches umstritten ist und nicht mehr gänzlich aufklärbar ist.

181 Barta (2018), S. 108.


182 Ebd., S. 109, Spengler (1963), S. 600.
183 Ebd., S. 109, Spengler (1963), S. 240, 266f., 639f.

67
6.4. Aktualität Spenglers im 21. Jahrhundert

Stellt man sich die Frage nach der Aussagekräftigkeit Spenglers im 21. Jahrhundert, so
führt diese eher zu grundsätzlichen Überlegungen, die nicht systematischer, sondern eher
assoziativer Art sind.184 Meistens wird ausgeblendet, dass es sich bei der Definition der
Kulturmorphologie nach Spengler auch um eine Theorie handeln könnte, die faktische
Gültigkeit enthält. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass es sich dabei um vergangene
Gelehrsamkeit handelt. Dies ist ein Punkt, dem Spengler selbst bereits als eine vorherge-
sagte Entwicklung besorgt entgegenblickte, da er fürchtete, dass spätzeitliches Denken
die Auseinandersetzung mit der Philosophie ersetzen werde mit der „Geschichte der Phi-
losophie“.185 Auch im 21. Jahrhundert ist Spengler daher als Denker erst zu nehmen, vor
allem im Hinblick auf seine Lehren und Theorien der Hochkulturen, welche die Weltge-
schichte prägten.

So soll in diesem Abschnitt überprüft werden, was von Spenglers Theorien auch im 21.
Jahrhundert noch bestehen können. Natürlich unter der Einsicht, dass Spenglers Kultur-
morphologie in Betrachtung des hundertjährigen Zeitraums zu heute einer eindeutigen
Korrektur bedarf.

Zunächst wird bei der Untersuchung der Aktualität Spenglers in der heutigen Zeit der
historische Bereich in Betracht gezogen. Hierbei soll thematisiert werden, inwieweit
Spenglers Hochkulturen noch dem heutigen Forschungsstand entsprechen. Es soll daher
die Beziehung zwischen den Hochkulturen und den Vorgeschichten untersucht werden.
Während Spengler in seinem Werk „Der Untergang des Abendlandes“ die statische Ein-
teilung in Vorgeschichte, Hochgeschichte und Nachgeschichte beschrieb, teilte er die
Vorgeschichte zu mehreren Einzelstufen auf. Diese Einzelstufen bezeichnete er als „ ‚a‘
die Zeit der Menschwerdung und der isolierten Schwärme […] ‚b‘ die der Primitivkultur
und des Übergangs zur Form […] ‚c‘ von Dorf und Stamm, und […] schließlich ‚d‘ die
eigentlichen Hochkulturen“.186 Lediglich bei den letzten beiden Einzelstufen könne man
von den Gesetzen des Biologismus ausgehen, da sie mit einer Lebensdauer von 1000

184 Engels (2016), S. 1.


185 Engels (2018), S. 453.
186 Ebd., S. 455.

68
Jahren ausgestattet sei. Während die Stufen „a“ und „b“ nahezu völlig dem Bereich des
Anorganischen zugeordnet werden könne. Bereits bei dieser Annahme erscheinen einige
Probleme, die Spengler zu seiner Zeit nicht mehr beantworten konnte.

Die Zerlegung der Vorgeschichte in drei Kulturstufen bewirkt, dass im „Untergang des
Abendlandes“ festgelegte Äußerung, die Menschheit sei ein zoologischer und kein histo-
rischer Begriff, nur unter Vorbehalt haltbar ist. Weiterhin beeinflusst die Klassifikation
der Einzelstufen von „a“ bis „d“ eine unumstrittene kulturübergreifende Tendenz zum
Fortschritt der Geschichte. Daher erscheinen die Hochkulturen als eine naturgebundene
und naturnotwendige Periode einer gesamtmenschlichen immerwährenden Geschichte,
bei der man sich fragt, ob sich Hochkulturen als eine Etappe zu weiteren Herausbildungen
der menschlichen Natur herauskristallisieren. Somit erscheine die Nachkultur nicht in je-
dem Fall als ein Rückfall im Sinne der „c“-Stufe, sondern vielmehr als eine Kreierung
einer „e“-Stufe, die zur Herausbildung der Kulturentwicklung beitragen könnte.187
Des Weiteren wird die Problematik der Anzahl der Hochkulturen thematisiert. In der heu-
tigen Zeit ist es nicht verwunderlich, dass die Spengler’sche Annahme von acht bzw.
neun Hochkulturen nicht mehr aufrechterhalten lässt und im Gegensatz sogar modifiziert
werden muss. Zum einen kann die Annahme es existiere nur eine einzige präkolumbiani-
sche Hochkultur nicht mehr begründet werden, da Spengler der mexikanischen Kultur
nur den Status einer „d“-Stufe zuspricht. In der modernen Geschichtswissenschaft ist da-
von auszugehen, dass mindesten zwei weitere unterschiedliche amerikanische Hochkul-
turen zu beachten sind.188

Ein weiterer Diskussionspunkt stellt die „magische“ Hochkultur dar. Spengler fasste die
ost-mediterranen und iranische Geschichte zusammen, verbindet alle frühen monotheis-
tischen Religionen und fügt gleichzeitig unterschiedliche Sprachgemeinschaften zusam-
men, die allerdings mit historischen Problemen einhergehen. Spengler unterscheidet in
diesem Fall nicht genug zwischen der monotheistischen Grundhaltung des Christentums,
Judentums und Islams und dem Dualismus. Außerdem erscheint es aus heutiger Sicht
problematisch, die tausendjährige persische-seleukidische Vorzeit als ein Art Vorberei-
tung der magischen Kultur zu deuten. Eine Lösung könnte sein, zwischen monotheistisch-

187 Ebd., S. 455f.


188 Ebd., S. 456f.

69
nahöstlichen und dualistisch-persischen Vorzeit zu trennen. Solch eine Trennung ergibt
die Möglichkeit, geographische und chronologische Rahmenbedingungen für die genann-
ten Zeiträume zu bestimmen.189

„Diese arabische Kultur ist eine Entdeckung. Ihre Einheit ist von späten Arabern ge-
ahnt worden, den abendländischen Geschichtsforschern aber so völlig entgangen, daß
nicht einmal eine gute Bezeichnung für sie aufzufinden ist. Der herrschenden Sprache
nach könnte man Vorkultur und Frühzeit aramäisch, die Spätzeit arabisch nennen. Ei-
nen wirklichen Namen gibt es nicht. Die Kulturen lagen hier dicht beieinander und des-
halb haben sich die ausgedehnten Zivilisationen mehrfach übereinander geschichtet.
Die arabische Vorzeit selbst, die sich bei Persern und Juden verfolgen läßt, lag völlig
im Bereiche der alten babylonischen Welt, die Frühzeit aber von Westen her unter dem
mächtigen Bann der antiken, eben erst voll ausgereiften Zivilisation. […]“190

Zum Schluss kann die Frage gestellt werden, inwieweit und ob der orthodoxe Staat, auf-
grund der nach dem Mauerfall erfolgten Ereignisse, als eine Etappe der abendländischen
Kultur verstanden werden kann oder muss, anstatt einer eigenständigen Hochkultur, die
Spengler als die russische bezeichnete und zur Diskussion offen ließ.191

„Eine zweite Pseudomorphose liegt heute vor unseren Augen: das petrinische Rußland.
Die russische Heldensage der Bylinenlieder erreicht ihren Gipfel in dem Kiewschen
Sagenkreise vom Fürsten Wladimir (um 1000) und seiner Tafelrunde und dem Volks-
helden Ilja von Murom.5 Der ganze unermeßliche Unterschied zwischen der russischen
und der faustischen Seele liegt schon zwischen diesen Gesängen […] folgt mit der Grün-
dung von Petersburg (1703) die Pseudomorphose, welche die primitive russische Seele
erst in die fremden Formen des hohen Barock, dann der Aufklärung, dann des 19. Jahr-
hunderts zwang. Peter der Große ist das Verhängnis des Russentums geworden. Man
denke sich seinen »Zeitgenossen« Karl den Großen, der planmäßig und mit seiner gan-
zen Energie das durchsetzt, was Karl Martell durch seinen Sieg soeben verhindert
hatte: die Herrschaft des maurisch-byzantinischen Geistes.“192

Der Verfall des Kommunismus entkräftet die westliche Orientierung der slawischen und
orthodoxen Staaten und das Ende der russischen Herrschaft über Zentralasien. Weiterhin
wird der fehlende dynamisch-kulturelle Impuls und der demografische Rückgang

189 Ebd., S. 459f.


190 Spengler (1963), S. 604f.
191 Engels (2018), S. 460f.
192 Spengler (1963), S. 787f.

70
festgestellt. So sei der europäische Osten nicht im Zustand des beginnenden Hochmittel-
alters, wie zunächst angenommen, sondern vielmehr tritt die Annahme in den Vorder-
grund, dass die abendländische Kultur Russland auch umschließt und als integraler Be-
standteil des slawischen Ostens betrachtet.193

193 Engels (2018), S. 460f.

71
7. Vergleich Toynbee mit Spengler

Die moderne Forschung würdigt Spengler als einen Theoretiker, der die national geprägte
Geschichtsschreibung hinter sich gelassen habe. Neben ihm werden noch weitere be-
rühmte Historiker genannt, wie auch A.J. Toynbee. In diesem Kapitel soll es daher um
den Vergleich der Werke beider Kulturtheoretiker gehen, um ihre Sicht der Entwicklung
von Kulturen in der Weltgeschichte und den Zerfall dieser zu veranschaulichen.

7.1 Biographie und historischer Hintergrund

Der 1889 als Arnold Joseph Toynbee in London geborene und 1975 in York verstorbene
Brite war ein bemerkenswerter Historiker, Geschichtsphilosoph des 20. Jahrhunderts und
Kulturtheoretiker.194 Er war an der London School of Wirtschaft und King’s College Lon-
don Forschungsprozessor für internationale Geschichte beschäftigte sich von 1918 bis
1959 mit internationalen Themenbereichen und arbeitete eine gewisse Zeit für den Ge-
heimdienst des britischen Außenministeriums. Besondere Bekanntheit erlangte er durch
das zwölf-bändige Werk „A Study of History“ (dt. Der Gang der Weltgeschichte), wel-
ches er zwischen den Jahren 1934 und 1961 verfasste.

Die ersten Ideen einer Geschichtsschreibung mit Aufstieg und Zerfall einer Zivilisation
kamen Toynbee nach dem Ersten Weltkrieg, als die westliche Zivilisation vor Herausfor-
derungen stand, sich von der Katastrophe dessen, zu erholen. Er wies darauf hin, dass es
offensichtliche Ähnlichkeiten zwischen der Situation im Westen und der Herausforde-
rung für die griechische Zivilisation nach dem Peloponnesischen Krieg im 5. Jahrhundert
v. Chr. gibt. Die Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Zivilisationen war das Konzept des
Ursprungs für in „A Study of History“ dargelegten kulturellen Strukturen.195

194 Lunau (2015), S. 743f.


195 Vgl. Lunau (2015); Vgl. Barker (1955).

72
Auch der wachsende Nationalismus war eine der bedeutendsten Entwicklungen in der
westlichen Geschichte im 20. Jahrhundert. Toynbee inspizierte den Nationalismus als
eine große Problematik der modernen Welt. Er glaubt, dass dies die Ursache des Krieges
sei und die Betonung dieser Problematik die Weltgeschichte verzerren würde. Daher be-
trachtete Toynbee die Zivilisation und nicht die Nation als Einheit der geschichtlichen
Forschung. Außerdem wollte er auch den damals gegenwärtigen Trend des Eurozentris-
mus bekämpfen. Er glaubt nicht, dass die westliche Zivilisation der Höhepunkt der
menschlichen Entwicklung sei, weil sie keinen Raum für eine objektive Bewertung von
Zivilisationen aus China und Indien zuließ und auch die Zivilisationen in Süd- und Mit-
telamerika nicht in Betracht zog.196

Zur Veröffentlichung des Werkes folgten unterschiedliche Reaktionen. Auf der einen
Seite erlangte Toynbee viel Ruhm für sein Werk und verkaufte alleine im Jahre 1947 über
129.000 Exemplare in Amerika. Auf der anderen Seite standen akademische Historiker
eher kritisch gegenüber Toynbees Ausarbeitungen, da z.B. die Fakten zur Veranschauli-
chung der Theorien eher ausgewählt und angepasst werden würden.197 In Deutschland
wurde Toynbees Werk erst nach dem zweiten Weltkrieg berühmt.198

7.2 Toynbees Geschichtsschreibung

Toynbee nahm nach beiden Weltkriegen an zwei Friedenskonferenzen teil und beriet das
britische Außenministerium. Er war sich der damaligen aktuellen Entwicklungen sehr
bewusst und glaubte, dass diese für kritische Bereiche des Menschen destruktiv sei. Bis
in die 1970er Jahre warnte er in mehreren Büchern, vor der Diskrepanz zwischen der
raschen Entwicklung und dem Fortschritt von Technologie und Industrie und dem mora-
lischen Selbstbild der Menschheit. Toynbee stellte der hieraus entstehenden Rückent-
wicklung, christlichen Humanismus entgegen.

196 Vgl. Sattler (1954).


197 Vgl. Ebd.
198 Vgl. Sattler (1959).

73
Für ihn ist dies die Grundlage für Maßnahmen und die Verpflichtung, die westliche Welt
aus bestehenden Krisen herauszuführen.199

Im Vergleich zu Spenglers vermeintlich pessimistische Kulturauffassung sticht er beson-


ders hervor. Beide Geschichtsphilosophen entwickelten für die Beschreibung historischer
Prozesse analoge Theorien, haben aber einen sehr unterschiedlichen Interpretationsan-
satz. Toynbee unterstreicht in seiner Kulturzyklentheorie die Bedeutung der Rolle
menschlicher Freiheit. Auf diese Weise enthält sich Toynbee weitgehen von einer histo-
rischen Prognostik. Ihm nach entfalten sich die ganzen Kulturen, die er als „civilization“
bezeichnet, nicht in einem kontinuierlichen, organologischen Kreislauf von Aufstieg und
Verfall, vielmehr entwickeln sie sich jeweils unterschiedlich.200

7.3 „A Study of History“

Seine Theorien definierte Toynbee in seinem zwölfbändigen Hauptwerk „Der Gang der
Weltgeschichte“ („A Study of History“). Dort vermutet er einen Beobachtungszeitraum
der Geschichtsschreibung von sechstausend Jahren. Er veranschaulicht etwa 650 primi-
tive Gesellschaftskörper. Von diesen gliedert er 21 Kulturen heraus, die sich aus religiö-
sen, territorialen und politischen Merkmalen heraus kulturell weitergebildet haben sollen
und grenzt sie somit von den primitiven Gesellschaftskörpern ab.

Er zählt folgende Kulturen auf: russisch-orthodoxe, nahöstlich-orthodoxe, persische, ara-


bische, syrische, indische, chinesische, minoische, sumerische, hethitische, babylonische,
andine, die Yukateken, mexikanische, die Maya, ägyptische, westliche, hinduistische,
hellenistische und zwei fernöstliche Kulturen.201 Toynbee widmete sich neben der euro-
zentrischen Geschichtsschreibung ebenfalls auch den außereuropäischen Kulturen und
wurde daher damit geehrt, der letzte große Universalhistoriker zu sein, da er so die Ge-
schichte als einen universalen Sinnzusammenhang zu interpretieren versucht.202 Toynbee

199 Lunau (2015), S. 743f.


200 Vgl. Barta (2018).
201 Toynbee (1934), S. 63ff.
202 Lunau (2015), S. 743f.

74
bewies seinen Theorien empirisch, indem er viele historische Ereignisse in verschiedenen
Kulturen nachwies und beschrieb, innerhalb dieser er parallele "treibende Kräfte" ent-
deckte, die der kulturellen Entfaltung bedacht war.

Toynbees Werk „Der Gang der Weltgeschichte“ schließt an Spenglers „Der Untergang
des Abendlandes“ an, plädiert jedoch nicht wie dieser zu einem Kulturpessimismus und
einer deterministischen Sicht. Mit Hilfe seiner bedeutsamen politischen und breit gefä-
cherten geschichtlichen Kenntnisse versucht Toynbee die treibende Kraft der Mensch-
heitsgeschichte herauszufinden. Dabei berücksichtigt er ethnologische, als auch anthro-
pologische Ergebnisse.203 Toynbee beruft sich eher einer evolutionären und ergebnisof-
fenen Sichtweise, nach diesem die Kulturen sich je nach ihren Stärken und ihrer Bestim-
mung unterschiedlich entwickeln. Er ist der Meinung, dass die spätere Entwicklungsstufe
einer Kultur abhängig von der Höhe des Anreizes zur Entwicklung dieser sei.

Das bedeutet, dass der Aufstieg und der Untergang einer Zivilisation von situationsbe-
dingten Herausforderungen abhängig seien. Toynbee erläutert dies als das „challenge“
Phänomen der Kultur. Das Problem hierbei könnte jedoch sein, dass es zu starken Her-
ausforderungen kommen könnte, die zu einer Überdehnung der Stärken führen. Aufgrund
dessen würden sich Kulturen mit zu einfachen oder zu anspruchsvollen Herausforderun-
gen nicht entwickeln oder schlichtweg in einen Stillstand verfallen.

Hier zählt Toynbee die polynesische, eskimoische, nomadische, osmanische und sparta-
nische Kulturen auf.204 Ein Beispiel betrifft die Eskimos, die in der Arktis gegen Eiswüs-
ten als maximale Herausforderung rebellieren würden. Wohingegen andere Kulturen, wie
beispielsweise die altägyptische Kultur, Lösungen zur Bewältigung von solchen Heraus-
forderungen, wie die Überschwemmung des Nils, gefunden hätten, um die weitere Phase
im Kulturzyklenmodell zu erreichen.205 Dies seien spezifischen Lagebeantwortungen, die
Toynbee als „response“ darlegt.
Daher basiert Toynbees Geschichtsanschauung auf zwei Grundgedanken, Herausforde-
rung und Antwort („challenge and response“)206, die historischen Abläufe steuern.

203 Ebd., S. 743f.


204 Toynbee (1934), S. 129f.
205 Ebd., S. 129f.
206 Lunau (2015), S. 743f.

75
7.4 Kulturen (civilization)

Sowohl Spengler, als auch Toynbee waren der Auffassung, dass nicht Staaten, Nationen
oder Völker die Träger der Geschichte seien, sondern vielmehr übergreifende Kultur-
kreise im Mittelpunkt betrachtet werden müssen. Als einen solchen Kulturkreis definiert
Toynbee zunächst Großbritannien:

„Our brief examination of English history, though its direct result has been negative, has given us
a clue. The chapters which caught our eye in our glance backwards over the course of English
history were real chapters in some story or other, but that story was the history of some society of
which Great Britain was only a part, and the experiences were experiences in which other nations
besides the English were participants.“207

Wie vorher erwähnt veranschaulicht Toynbee in seinen Theorien 650 primitive Gesell-
schaftskörper, von denen sich einige im späteren Verlauf zu Kulturen weiterentwickeln.
Diese Entwicklung geht einem dynamischen Akt voraus, welche Toynbee anhand der
Metapher eines Bergsteigers zu erklären versucht. Der Bergsteiger habe, wie der Gesell-
schaftskörper, bereits eine bestimmte Höhe erlangt, verweilt jedoch an einem bestimmten
Punkt, um zu pausieren. Im Anschluss gehe er wieder in die dynamische Phase über, um
weiter den Berg hochzusteigen und so den nächste „Stufe“ zu erreichen. Laut Toynbee
seien diese Phasen der Statik und Dynamik naturwissenschaftlich essentiell und in gewis-
ser Weise dem Prinzip des Nachahmens in der Gesellschaft, den Toynbee als „faculty of
mimesis“208 bezeichnet, untergeordnet. Mit anderen Worten, man lernt am Modell. Je
nach Modellform zeigt es sich, ob man stagniert oder expandiert. Da die Mimesis primi-
tiver Gesellschaftskörper auf vorherige Altersstufen ausgerichtet ist, bleibt sie wahr-
scheinlicher statisch. Gesellschaftskörper dahingegen, deren Mimesis eher auf den Fort-
schritt und somit die Nachahmung nach dem Schöpferischen ausgerichtet ist, haben mehr
Triebkraft und können sich entfalten.209 Während laut Toynbee einige Kulturen so wieder
untergehen, erleben einige Kulturen eine Transformation und entfalten sich aus eigener
Kraft in eine oder mehrere Tochterkulturen, die fortan selbstständig agieren.

207 Toynbee (1934), S. 22.


208 Vgl. Ebd.
209 Ebd., S. 76ff.

76
„The ‘affiliations’ and ‘apparentations’ between one society and another resemble the relations
between parent and child[ and the child] succeeds in solving the problems of life out of its own
resources.”210

Daher sind die oben erwähnten 21 Kulturen seitens Toynbee unterteilt in zwei Gruppen.
Demnach sind 15 Kulturen miteinander, im Sinne eines Eltern-Kind-Verhältnisses, ver-
wandt.211 Sechs dieser Kulturen seien aus eigener Kraft aus primitiven Gesellschaftskör-
pern entstanden. So sei etwa die abendländische, als auch die byzantinische Kultur aus
der römisch-hellenistischen Kultur herausgebildet worden. Andere Kulturen wiederum
seien sehr langlebig, da sie anpassungs- und wandlungsfähig seien, wie die fünf noch
heute lebenden Kulturen (christlich-abendländisch, christlich-orthodox, muslimisch, hin-
duistisch und fernöstlich). Diese seien aufgrund ihrer Religionen voneinander abgrenz-
bar.

Toynbee sieht die Geschichte, ebenfalls wie Spengler, als Kulturvergleich an. Wie bereits
erwähnt betrachtet Spengler den kulturellen Ablauf als organologischen Prozess dem
zwangsläufig ein biologischer Determinismus folgt. Toynbee dahingegen erklärt, dass
nicht die abstrakten Ideen die entscheidende Formel der Geschichte sei, sondern das Wir-
ken des Menschen an sich.212 Daher sei die Geschichte nicht ein zyklischer oder linearer
Prozess. Im Gegenteil, ausschließlich der freie und schöpferische Wille des Menschen sei
ein wichtiges Merkmal. Daraus resultiert auch die Antihaltung Toynbees gegenüber der
kausalen Vorbestimmtheit der Geschichtsschreibung.
Aus dieser Entwicklung der Kulturen heraus glaubte Toynbee an die Entstehung eines
allgemeinen Weltstaats. Die Herausforderung dessen es sei den Frieden zu garantieren.

Genau wie Spengler beschreibt Toynbee Kulturen als Hochkulturen. Für Toynbee ist je-
doch jede Hochkultur die gemeinsame Erfahrung einer Menschengruppe213, sprich als
eine Ganzheit, die kausal miteinander verknüpft ist und sich gegenseitig beeinflussen.
Diese Ganzheit unternimmt den Versuch sich stetig zu verbessern, um die Gesellschaft
qualitativ zu verändern und zu wachsen. Das Wachstum der Gesellschaft realisiere sich
daher, wenn Herausforderungen (challenge) erfolgreich gelöst werden und die

210 Ebd., S. 44.


211 Ebd., S. 94.
212 Ebd., S. 34f., 43ff.
213 Lunau (2015), S. 743.

77
Gesellschaft sich gleichzeitig stetig selbst Aufgaben stellt, um weiter wachsen zu können.
Dies sei ein schöpferischer Akt. Sollte dieser schöpferische Wille und mit ihm verbun-
dene Wunsch der stetigen Verbesserung nachlassen, so ergäbe sich daraus der Nieder-
gang der Hochkultur aus eigenem Versagen heraus und nicht aufgrund von biologischem
oder deterministischem Zerfall oder Schicksalsschlägen214, wie Spengler es ansah.

Ein Beispiel für diese Theorie nennt Toynbee die Entstehung der ägyptischen Kultur und
deren Zusammenhang zur Mimesis. Nach einer langen Eiszeit des afrasischen Gebiets
folgte die Dürre, die für die Bevölkerung somit eine Herausforderung (challenge) dar-
stellte. Aus der Herausforderung heraus fand man die Lösung (response), die Ernährung
umzustellen. Dieser Prozess beschreibt daher den schöpferischen Akt, welcher den pri-
mitiven Gesellschaftskörper kulturell vorantreibt.

7.5 Zerfall der Kulturen

Findet ein zur Kultur weiter steigender Gesellschaftskörper keine adäquate Antwort für
eine, gegebenenfalls neue, Herausforderung, so werde dieser niedergehen oder sogar
scheitern. In diesem Fall sei es wichtig, solche Merkmale des Verfalls zu kennen und
diesen gegen zusteuern. Solche Merkmale können sein, dass herrschende Minderheiten
(„creative minority“)215 aufgrund fehlender Antworten auf Herausforderung nicht mehr
charismatisch erscheinen und nicht mehr als nachahmenswert betrachtet werden. Das be-
deutet, Toynbee sieht den Niedergang der Zivilisation weder durch den Verlust der Kon-
trolle über die physische, noch über die menschliche Umwelt und auch nicht durch außen
verursachte Angriffe. Der Niedergang entsteht durch den Verfall der „creative mino-
rity“216, welche schließlich sich aufgrund der fehlenden Schöpferkraft zur „dominant mi-
nority“217 degeneriert.

214 Ebd., S. 744.


215 Toynbee (1934), S. 194.
216 Ebd., S. 194.
217 Ebd., S. 41, S. 53.

78
Aus diesem Grund sticht der Grad des Zwangs hervor, welches notwendig ist, um die
primitive Kultur zu kontrollieren. Die herrschende oder dominierende Minderheit er-
schafft somit einen Universalstaat, um die kulturelle Gesellschaft aufrecht erhalten zu
können und somit gleichzeitig seine Macht und seinen Einfluss zu bewahren. Dieser Uni-
versalstaat wiederum entwickelt eine Machtposition, führt Kriege, gründet Institutionen,
wodurch sich die herrschende Minderheit selbst und die „primitive“ Kultur ruiniert und
untergeht.218 Toynbee nennt hier als Beispiel das Römische Reich.

„[…] the former territories of the Roman Empire by these barbarian war-bands shared the stage
of history with the Church during the interregnum between the disappearance of the Hellenic So-
ciety and the emergence of our Western Society.”219

Anfänglich ging Toynbee davon aus, dass Kulturen philosophisch gleichwertig seien,
veränderte jedoch in seinem fünften Band „The Disintegrations of Civilizations“ seine
Ansicht, in dem er die Thematik Religion mit einbezog. Hier betrachtete er die Religion
als eine progressive Auseinandersetzung mit den Weltstufen. In dem die Kulturen zur
höheren Religion aufsteigt, erreicht die die Geschichte auch ihr Endziel, ihre spirituellen
Werte und kulturellen Normen zu bewahren. So würden Hochkulturen es über die Primi-
tivphase hinaus erst mit Hilfe der Religion schaffen. Die Zivilisation verliere „ihre histo-
rische Bedeutung“, es sei denn „sie [diene]dem Fortschritt der Religion“220, denn diese
sei die „Erlösung der wahren Bestimmung und der wahre Sinn des Erdenlebens.“221
Toynbee beschreibt auf diese Weise ein Konzept des „inneren“ und „äußeren“222 Prole-
tariats, die sich in unterschiedliche oppositionelle Gruppen aufteilen, um die Grenzen der
Zivilisation zu beschreiben.

Das innere Proletariat bildet die sogenannte „universelle Kirche“ (universal church)223,
die den Untergang der Zivilisation aufgrund der Einhaltung von philosophischen und re-
ligiösen Strukturen, überlebt. Toynbee verwendet den Begriff der Kirche als Beispiel für

218 Ebd., S. 171ff.


219 Ebd., S. 58f.
220 Lunau (2015), S. 744.
221 Ebd., S. 744f.
222 Toynbee (1934), S. 53.
223 Ebd., S. 57.

79
ein kollektives, geistiges Band, das im gemeinsamen Gottesdienst gefunden wird, um
eine vereinbarte soziale Ordnung gewährleisten zu können. Ein Vergleich für die Theorie
der „universal state“ und „universal church“ von Toynbee lässt sich zu Spenglers Cäsa-
rismus und Synkretismus ziehen, wie in den Kapiteln 4.5 und folgende dargelegt wird.
Kulturen bestehen demnach nicht nur aus zyklischen Bewegungen, sondern dienen einem
höheren Prinzip, dem Prinzip der Weltreligionen. Die Geschichte sei daher ein geistiger,
evolutionärer Prozess, der vom Zweck des Fortschritts ausgehe. Im Großen und Ganzen
kann aufgrund der Theorien von Toynbee gesagt werden, dass Spenglers Aussagen über
die Hochkulturen oder die der Menschen korrigiert und weiter ergänzt wurden. Während
Spengler sich an den naturwissenschaftlich morphologischen Ansätzen und dem zykli-
schen Geschichtsablauf widmet, lässt Toynbee dem Geschichtsbild metaphysische Ele-
mente und den freien Willen des Menschen entgegenwirken.224

7.6 Zukunftsprognose

Aufgrund Toynbees zusammengefasster Theorien stellt man sich die Frage, wie es mit
der Gesellschaft in der Gegenwart vorangeht und welche Prognosen man für die fünf
verbleibenden Zivilisationen, vor allem im Hinblick auf die abendländische Kultur, stel-
len kann. Toynbee erklärt, dass die von ihm beschriebene Geschichtsschreibung es zu-
lasse Analogien über potentielle Szenarien zu formulieren. Er vermutet zwei Wahrschein-
lichkeiten, die eintreffen könnten. Entweder wird es laut Toynbee eine Zerschmelzung
aller Zivilisationen mit der westlichen Zivilisation stattfinden, oder allerdings könnte es
dazu kommen, dass die abendländische Zivilisation einen Universalstaat entwickelt, ver-
fällt und stirbt, veranlasst durch für sie schwierige Herausforderungen.225

Aufgrund des wachsenden Nationalismus, der fehlenden, fehlerhaften oder vergangenen


Antworten auf zukünftige Herausforderungen und der herrschenden Minderheit, könnte
angenommen werden, dass man sich in der letzten Phase des kulturellen Zerfalls der Zi-
vilisation sieht, dem kein Fortschritt mehr folgen kann. Auf der anderen Seite wiederum

224 Lunau (2015), S. 745.


225 Vgl. Toynbee (1934).

80
könnte, im Hinblick auf die abendländische Zivilisation, angenommen werden, dass die
EU oder die UN bereits einen Universalstaat bildet und ein gewisses Entfaltungspotenzial
in Bezug auf die Kultur besteht. Was die Zukunft bringt, kann demnach nicht zu 100%
gesagt werden, vielmehr bleibt dem Menschen nur die Möglichkeit übrig, mehr Analo-
gien für infrage kommende Situationen hinsichtlich des 21. Jahrhunderts, zu erörtern.

7.7 Kulturtransfer Toynbee

Um zu beantworten, ob innerhalb Toynbees Geschichtsschreibung ein Kulturtransfer vor-


handen ist, muss zunächst das Verständnis über Kulturen betrachtet werden. Toynbee
analysiert Kulturen als eine Entwicklung aus einem dynamischen Prozess von Herausfor-
derungen und deren Antworten heraus („challenge and response“)226, die historischen
Abläufe steuern. Je nach Leichtigkeit oder Schwierigkeit der Lebensbedingungen und
Herausforderungen wächst oder zerfällt die Hochkultur. Entwickelt man Lösungen für
die Herausforderungen wächst eine Kultur und stagniert nicht und eine Weiterentwick-
lung ist möglich. Je weiter der Fortschritt, desto größer die Entfaltung und Transforma-
tion der Kultur, z.B. in eine oder mehrere Tochterkulturen (relationship of Apparentation-
and-Affiliation).227

Toynbees Kulturen (civilizations) werden von ihm ebenfalls als Groß- bzw. Metagesell-
schaften bezeichnet und hält an diesem als „units of historical study“ fest. Auf der anderen
Seite wiederum verdeutlicht er, Kulturen seien nicht hermetisch abgeschlossen, sondern
vielmehr in Raum und Zeit miteinander agieren.228 So zeigt sich, dass innerhalb dieser
Kulturbegegnungen eine Interdependenz von Kulturen besteht, sodass ein Verständnis
für eine andere Kultur aufgebaut und fundiertes Wissen erlangt wird. Aufgrund dessen
ist die Möglichkeit des Kulturtransfers vorhanden, denn der Wunsch nach der Weiterent-
wicklung der Kultur mit Hilfe der dynamischen Prozesse und deren gegenseitige Beein-
flussung gegeben. 229

226 Lunau (2015), S. 743f.; Vgl. Toynbee (1934).


227 Christ/ Dönitz/ König/ Küçükhüseyin/ Mersch/ Müller-Schauenburg/ Ritzerfeld/ Vogel/ Zimmermann
(2016), S.46.
228 Ebd., S. 43.
229 Braun/ Yousefi (2011), S.17.

81
Denn auf die Weise, wie Kulturen laut Toynbee entstehen, werden Artefakte zwischen
den kulturellen Gesellschaftskörpern übertragen und vermittelt. Die Kulturen sind hete-
rogen, durchdringen einander und vermischen sich innerhalb ihrer Mutter-Tochter-Kul-
turbeziehung, sodass ein interkultureller Austausch gegeben ist und Gemeinsamkeiten,
sowie Verflechtungen zueinander entstehen. Dies legt in gewisser Weise eine ethnozent-
rische Sichtweise an die Geschichtsschreibung von Toynbee vor, obwohl er sich neben
den euro- und ethnozentrischen Geschichtsschreibungen auch mit außereuropäischen
Kulturen beschäftigte.

Dank überregionalen Standardisierungen wird ein interkultureller Austausch gefördert


und führt zu einem intensiveren Transferprozess die in eine Art der kulturellen Orientie-
rung mündet.230 Toynbee beschäftigte sich explizit mit synchronen, als auch diachronen
Austauschprozessen, wie die kulturellen Wechselwirkungen, beeinflusst von Machtver-
hältnissen, gesellschaftspsychologischen Phänomenen und historischen Erfahrungen
(Kapitel: contacts between civilizations in space) und zeitgenössischen und vergangenen
Gesellschaftsverhältnissen (Kapitel: contacts between civilizations in time)
Toynbee definiert drei Arten der Interaktion. Die erste Interaktion bezeichnet er als ‚re-
lationship of Apparentation-and-Affiliation‘ wie bereits am Anfang dieses Kapitels be-
schrieben. Hier geht es um den zerfallenden Gesellschaftskörper und die Verbindung zum
noch im Geburtsprozess befindenden Nachfolger. Die zweite Interaktion bezeichnet
Toynbee als den Archaismus (archaism), welcher die Rückkehr zu einem vorherigen Ent-
wicklungsstadium beschreibt. Die dritte Interaktion charakterisiert Toynbee als die Re-
naissance, eine kreative Begegnung von Seelen, bereits gereifter und früherer Kulturen.
Innerhalb dieser Interaktionen entstehende Kulturen stehen in kulturellen Wechselwir-
kungen zueinander. Vor allem ist diese Wechselwirkung in der Enstehungs- und Desin-
tegrationsphase von Kulturen stark ausgeprägt.231

230 Ebd., S. 45.


231 Ebd., S. 46.

82
8. Fazit

Ziel dieser Arbeit war es zu untersuchen, ob das Abendland, aufgrund des fehlenden kul-
turellen Austausches der Hochkulturen, noch immer untergehe, da nach der Speng-
ler’sche Theorie kein Kulturtransfer vorhanden ist. Spengler vertritt, wie in den vorheri-
gen Kapiteln herausgearbeitet wurde, die Annahme, dass eine Kultur entstehe, sobald
eine Gemeinschaft erblüht, ein Ursymbol sich entwickelt, reift und im Anschluss, nach
der Entwicklung zur Zivilisation, stirbt. In dem Moment, wo die Zivilisation erreicht
wird, hat die Seele alle Möglichkeiten der Gestaltung ausgeschöpft und ist somit nicht
mehr lebensfähig.

Spenglers Werk „Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Welt-
geschichte“ wurde seitens Vieler kritisiert. Er habe keine Weltgeschichte geschrieben,
sondern eine historische Darstellung von Hochkulturen. Insgesamt ist das Werk eine Vor-
lage des Kulturpessimismus, da Spengler einer Kultur nur eine Entwicklungslinie zu-
spricht – Der Verfall. Ein weiteres Aufsehen erregte Spengler mit seinem zyklischen Ge-
schichtsverständnis, in diesem er die Weltgeschichte nicht als zielgerichtet beschreibt.
Vielmehr besteht der Geschichtsprozess aus einem zyklischen wiederkehrenden Prozess
des Erblühen, Heranwachsen und Zerfallen von Kulturen. Diesem könne man nicht ent-
gegentreten und es sei unausweichlich. Bereits hier kann erkannt werden, dass sich
Spengler dem Kulturtransfer gegenüber verschließt, da er sich in der Kulturzyklentheorie
für in sich geschlossene Welten ausspricht, zwischen denen keine Kommunikation mög-
lich sei.232

Bei der Betrachtung der Hochkulturen versucht Spengler den Eurozentrismus zu über-
winden. Nimmt oftmals jedoch die abendländische Kultur als Beispiel, wenn er versucht
in anderen Hochkulturen Strukturen und Ereignisse festzustellen, die analog zur abend-
ländischen Kultur vorkommen. Daher werden in seinem Werk meist nur drei Hochkultu-
ren miteinander verglichen - die abendländische, die antike und arabische Kultur, so wie
es in dieser Arbeit thematisiert wurde. Viele andere Hochkulturen werden dabei nur kurz
veranschaulicht. Die Vergleiche wirken häufig selektiv und zu weit hergeholt, da

232 Vgl. Gasimov/ Lemke Duque (2013).

83
Spengler vermehrt die Methode des Analogismus benutzt. Spengler legt auch vielerlei
Homologien zwischen den Kulturen dar, die beispielsweise in den Bereichen Religion,
Wirtschaft, Architektur und Politik auftreten und wichtige Entwicklungen in den ver-
schiedenen Kulturen zeigen. Aus diesem Grund lässt sich eine Gleichzeitigkeit der Kul-
turen ableiten, die keineswegs wörtlich genommen werden sollte, sondern relativ. So ist
es nicht verwunderlich, dass Spengler angibt, dass Alexander der Große ein Zeitgenosse
von Napoleon und Pythagoras ein Zeitgenosse von Descartes war, da deren Kulturen sich
an einer zeitlichen Grenze, der Blütezeit und Untergangsphase, berührten und somit in
der gleichen relativen Zeitspanne innerhalb ihrer eigenen Kultur sich entfalten.233

Aufgrund des kulturellen Zerfalls nach der Erreichung der Zivilisation und dem damit
verbundenen unausweichlichen Untergangs von vielen Kulturen ist es daher nicht ver-
wunderlich, dass Spengler diese Analogie auch als Zukunftsprognose des Abendland de-
terminiert. Allerdings gibt es entgegen Spenglers Theorien und Prognosen genau erkenn-
bare Hinweise auf Transfer, Rezeption und die weitere Existenz von Kulturen und deren
Fortschritt im Zeitwandel. Diese Rezeptionen erfolgen sowohl inhaltlich, als auch zeitlich
partiell und sind ebenfalls mit eigenen Entwicklungen verflochten. Beispiele hier können
Bereiche der Architektur, Dichtung, Skulptur, Sprache, Religion, Recht und das Alphabet
genannt werden. 234 Daher ist erkennbar, dass Spengler den Kulturtransfer gänzlich un-
terschätzt und außer Acht gelassen hat, obwohl der Wandel der kulturellen Zeiträume oft
durch Verbindung mit anderen Kulturen stattgefunden hat. Stattdessen setzt Spengler auf
Diskontinuität, wie bereits in Kapitel 6.3 thematisiert wurde. Leugnen kann Spengler die
Beziehungen zwischen den Hochkulturen nicht grundlegend. Die Kulturen stehen unter
der Vormundschaft von vorherigen, älteren Kultureindrücken, dessen Einflüsse in jeder
Formenwelt erscheinen.235 Trotz der äußeren Entlehnungen werden die Kulturen berei-
chert. In vielerlei Kapiteln veranschaulicht Spengler Wechselbeziehungen voller kultu-
reller Weitergaben und Übernahmen, sodass ein Austausch zwischen den Kulturen nicht
ausnahmslos unmöglich erscheint. In diesem Sinne ist es nicht wunderlich, dass der ara-
bischen Kultur eine Vermittlerfunktion zwischen der antiken und abendländischen Kultur
festgestellt werden kann.236

233 Spengler (1963), S. 70f., S. 81, S. 150.


234 Barta (2018), S. 107.
235 Spengler (1963), S.275; Merlio (2018), S. 523.
236 Merlio (2018), S. 528.

84
Im weiteren Verlauf spricht Spengler eher von Pseudomorphosen, statt von Kulturtrans-
fer. Hier umschreibt er das Phänomen der kulturellen Übernahme als einen Sonderfall der
Kulturbeziehungen, wie in Kapitel 5.4.3 nachgelesen werden kann. Eine Kulturseele, die
Formen einer bereits alten und erstarrten Zivilisation übernimmt. Auf diese Weise kann
es zu Weiterentwicklungen im Sinne eines Kulturtransfers kommen. Hochkulturen kön-
nen in Folgekulturen, wenn auch nur unter gewissen Umständen, fortleben, wie das Bei-
spiel des Alten Orients, die griechisch-römische Antike und deren Folgekulturen auf-
zeigt.237 Dieser Aspekt entspricht einem Kulturtransfer aus heutiger Sicht. Mit Hilfe der
Pseudomorphose versucht Spengler seine Lehre der Diskontinuität weniger unkonventi-
onell darzulegen.238 Während die Metamorphose eine Kontinuität in einem Wandel poin-
tiert, hebt eine Pseudomorphose demnach eine Diskontinuität hervor, die eine Beziehung
der Kulturen kennzeichnet.239 Auch wenn Spengler es nicht eindeutig wiedergibt, so ist
ihm durchaus bewusst, dass bei jedem vermeintlichen Untergang der Hochkulturen
„große Gedanken fremder Kulturen […] untergehen […].“240 Spengler gibt ebenfalls an,
dass die russische Kultur seit Peter dem Großen einer Pseudomorphose unterläge. Dies
gibt Spenglers Denkweise wieder, dass zwischen den Kulturen kein Kulturtransfer gege-
ben ist, sondern eher eine Art Übertragung, sodass die vorherige Kultur verdrängt bzw.
unterdrückt wird. 241

Im Großen und Ganzen stellt Spengler die Weltgeschichte als ein Parallelismus von Epo-
chen und mit dieser die Individuen inklusive deren Leistungen vor. Seine These unter-
mauert er mit Hilfe der im Anhang aufgeführten Tabellen (I, II, III) 242, in diesen er die
wesentlichen Bereiche verschiedener Hochkulturen entgegensetzt. Die Tabellen müssen
so gelegen werden, dass die darin aufgeführten Epochen oder Individuen zeitgenössisch
erscheinen. Demzufolge seien Sokrates und Plato Zeitgenossen von Kant und Goethe o-
der die Ionische Zeit wird der Barockzeit parallelisiert.
In der heutigen Zeit herrscht durch die Globalisierung ein intensives und internationales
Netzwerk aus zwischenmenschlichem Verkehr und Informationsaustausch. Diese resul-
tiert auf einer Vergangenheit imperialen Ursprungs. Kulturen sind heterogen, hybrid und

237 Ebd., S. 109, Spengler (1963), S. 600.


238 Barta (2018), S. 86.
239 Merlio (2018), S. 524.
240 Spengler (1963), S. 90
241 Spengler (1963), S. 788.
242 Ebd., S. 70ff.

85
mit einander verstrickt. Auch Edward Said spricht davon, dass sich Kulturen in einem
permanenten Austausch befinden. In seinen Werken beschreibt er die Kultur als eine Me-
thodik der Kommunikation, Repräsentation und Beschreibung. Diese übe eine relative
Independenz politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen gegenüber aus.243

In Kapitel 3.5 wurde bereits der Begriff des Kulturtransfers veranschaulicht. Hierbei
konnte festgestellt werden, dass größtenteils ein akteurtheoretischen Zugang vorhanden
ist, um kulturelle Elemente von konkreten Personen zu transferieren. Dies muss nicht
gänzlich absichtlich geschehen. Die Vorstellungen des Transfers zwischen Ausgangs-
und Zielkultur zeigen eine Prozesshaftigkeit und Reziprozität des Transfers auf, sodass
Kulturen interpretiert werden als hybride, dynamische Konstrukte mit verschiedenartigen
kulturellen Kodierungen und Konventionen.244 Hybride Formen bedeuten, dass sich zwei
getrennte Kulturen zu einer zusammenstellen oder kombinieren, ohne dass jedoch die
einzelnen Eigenschaften der jeweiligen Kulturen verloren gehen und kulturellen Dyna-
miken herausgebildet werden. So kann man von einer Neuentstehung von Kultur spre-
chen, die aus Neugier und Interesse heraus besteht. Auch in der heutigen Zeit kann man
von hybriden Kulturen sprechen. Durch den kulturellen Austausch und das Zusammen-
wachsen von zwei verschiedenartigen Kulturen haben sich Symbiosen gebildet. Das ge-
meinsame Ausleben der neu entstandenen Kultur fördert die interkulturelle Kommunika-
tion, das gegenseitige Verständnis und ein friedliches Miteinander. Nennenswert ist hier
der Punkt, dass die arabisch Kultur als eine Art Vermittler zwischen der antiken und
abendländischen Kultur fungiert.245 Auch wenn dies nicht in voller Absicht geschieht, ist
in diesem Sinne ein Transfer zwischen Ausgangs- und Zielkultur zu beobachten.

Gegenwärtig kann nicht verleugnet werden, dass wir in einer Welt leben, die sich stetig
weiterentwickelt und wo Divergenz groß geschrieben wird. Migration, Globalisierung
und auch die Digitalisierung haben die Möglichkeit der stetigen kulturellen Entfaltung
und Gesellschaftsoptimierung geschaffen und die Umsetzung der transnationalen und
transkulturellen Verflechtung vereinfacht. Entgegen Spenglers Meinung ist eine euro-
zentrische Handlungsweise vorhanden da sich Kulturen immer und immer wieder gegen-
seitig prägen und beeinflussen. Aus diesen entstehen neuere Kulturen, die nicht wie in

243 Vgl. Said (1994)/ (1995).


244 Scherke (2019), S. 309.
245 Merlio (2018), S. 528.

86
Spenglers Text zerfallen, sondern sich in ihren ganzen Diversifikationen entfalten und
wachsen können. Bezugnehmend auf den Migrationsprozess und den demographischen
Wandel ist es sogar nicht verwunderlich, dass durch die grenzüberschreitenden Fremd-
kulturen eine Wechselbeziehung zur Eigenkultur entsteht. Durch derartige Austauschpro-
zesse bilden sich kulturelle Dynamiken heraus, sodass man von einer Neuentstehung von
Kultur sprechen kann, die aus Neugier und Interesse heraus besteht. Es resultiert die Her-
anbildung einer kreative Mischung kultureller Charakteristika und gleichzeitig von
Misch- bzw. Subkulturen.246 Derartige Globalisierungsprozesse führen nicht zur Homo-
genisierung kulturellen Vorgehensweisen, sondern protegieren die Entstehung von
Mischidentitäten. (Vgl. Abbildung 5).

Auch Toynbees Geschichtsverständnis geht von dynamischen Prozessen bei der Entwick-
lung von Kulturen aus („challenge and response“)247. Für Toynbee kann sich eine Kultur
entfalten, wenn sie gegen gewissen Herausforderungen ankämpft und Lösungen für diese
findet. Gemäß der Lösungsfindung und des Schwierigkeitsgrades der Herausforderungen
wächst oder zerfällt die Hochkultur. Je weiter der Fortschritt, desto größer die Entfaltung
und Transformation der Kultur. Deswegen kann bei Toynbee ein Kulturtransfer stattfin-
den, da der Wunsch nach kulturellen Weiterentwicklung mit Hilfe dynamischer Prozesse
und deren gegenseitige Beeinflussung vorhanden ist. 248

Es kann demnach geschlussfolgert werden, dass das Abendland nicht untergeht. Vielmehr
ist von einem Fortbestand des Abendlandes zu sprechen, da in der heutigen Zeit sehr wohl
reziproke kulturelle Beeinflussungen und Verflechtungen stattfinden und Kulturen in kei-
ner Weise untergehen oder verfallen. Das Abendland impliziert die Eigenkultur und die
Entstehung von mannigfaltigen Kulturen.

246 Scherke (2019), S. 309f.


247 Lunau (2015), S. 743f.
248 Braun/ Yousefi (2011), S.17.

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VIII
ANHANG

249

249
Spengler (1963), S. 70f.

i
ii
iii
iv
Zeitstrahl der Hochkulturen – eigene Darstellung in Anlehnung an Spengler (1963).

v
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Hiermit erkläre ich, Ödemis, Aylin


(Name, Vorname), geboren am , in
, dass die vorgelegte Masterarbeit mit dem Titel Oswald Spengler: Der Unter-
gang des Abendlandes. Geht das Abendland noch immer unter? durch
mich selbstständig verfasst wurde. Ich habe keine anderen als die angegebenen Quellen
sowie Hilfsmittel benutzt und die Masterarbeit nicht bereits in derselben oder einer ähn-
lichen Fassung an einer anderen Fakultät oder einem anderen Fachbereich zur Erlangung
eines akademischen Grades eingereicht.

Hürth, 14.06.2021
Ort, Datum Unterschrift

vi
LEBENSLAUF

vii

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