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tite lth e m a g e däc htn i s

Besser lernen
Mehr als 100 Jahre Lernforschung, tausende
von Experimenten, eine Fülle von Modellen
und Methoden – und was hat es gebracht? Wir
lernen heute zwar nicht unbedingt besser
als früher, allerdings müssen wir viel mehr und
ständig neues Wissen bewältigen. Eine Reihe
nützlicher Faustregeln hilft dabei.

Von Stev e Aya n

Entdecke die
Möglichkeiten!
Es gibt so viele verschie-
dene Lernformen wie
mögliches Wissen und
Können. Auf welchem
Weg man sie jeweils am
besten erwirbt, erforschen
Gedächtnispsychologen.

30 GuG 10_2013


Meike Teichmann


www.gehirn-und-geist.de 31
tite lth e ma G e däc htn i s

»M
Au f ei n en B lic k erhaba, Steve bey. Was meine Fortschritte im Türkischen be-
Gut gemerkt Nasılsiniz?« Äh, Mo- trifft, so kann ich das verschmerzen, denn ich

ist halb ment – gleich hab lerne die Sprache nur zum Zeitvertreib. Doch in
ich’s. »Merhaba! Çok meinem wie sicher auch in Ihrem Alltag gibt es
gewonnen
iyiyim. Te ... tes‚e ... noch weit mehr Gelegenheit, neue Fakten und

1 Am Lernen sind je
nach Gegenstand
und Situation verschie­
tes‚eküler!«* Die Lehrerin strahlt, als hätte ich
eines der großen Welträtsel gelöst. »Çok iyi!« –
Fertigkeiten zu erwerben. Gelegenheit? Ach was:
Notwendigkeit!
dene Gedächtnissys­ »Sehr gut«, lobt sie. Dabei mache ich nur meine In der modernen Wissensgesellschaft pras-
teme beteiligt, die sich ersten, holperigen Gehversuche im Türkischen. seln laufend Informationen auf uns ein; wir
grob in bewusste und
unbewusste unterteilen Okay, jeder hat klein angefangen. Aber ich müssen uns dem technischen Fortschritt, verän-
lassen. werde das Gefühl nicht los, dass mir das Fremd- derten Arbeitsabläufen und Kommunikations-

2 Selbsttests, portions-
­weises Lernen
und erklärende Warum-­
sprachenlernen einmal leichter fiel. Damals, als
ich noch jünger war und wendiger im Kopf. Oder
formen anpassen, uns fortbilden und Kompe-
tenzen schulen, um auf dem aktuellen Stand zu
bilde ich mir das nur ein, weil ich ja weiß, dass ich bleiben. Kam einst nach Ende der Schul- und
Fragen zählen laut
Forschern zu den effek­ keine 20 mehr bin, und das alternde Gehirn be- Ausbildungszeit kaum grundlegend Neues hin-
tivsten Lerntechniken. kanntlich an Flexibilität einbüßt? zu, so macht heute das Schlagwort vom lebens-
Als weniger hilfreich Solche Überzeugungen hinsichtlich der eige- langen Lernen die Runde. Und anders als frühere
erwiesen sich das Mar-
nen mentalen Ausstattung – Metakogni­tionen Pennäler, die nach festen Vorgaben büffelten,
kieren von Informa­
tionen und wiederholtes genannt (von griechisch: »meta« = über, latei- bleibt es heute vielfach uns selbst überlassen,
Lesen ­–­zwei besonders nisch: »cogitare« = denken) – prägen nicht nur, wie wir all die Anforderungen meistern.
verbreitete Methoden. wie wir uns selbst einschätzen und unsere Leis-
Auch Lernen will gelernt sein
3 Wird der Wissenser­
werb von positiven
Gefühlen begleitet und
tungen bewerten. Sie können auf subtile Weise
auch den tatsächlichen Lernerfolg schmälern. Wir müssen das Lernen mehr denn je aktiv ge-
übt man den Abruf Das zeigten etwa Untersuchungen des Psy- stalten, und dabei sind metakognitive Fähigkei-
in verschiedenen Situa­ chologen Thomas Hess von der University of ten gefragt. Richtig lernen will gelernt sein!
tionen, so steigt die
North Carolina in Raleigh (USA). Präsentiert man Vielleicht denken Sie jetzt: Was denn noch al-
Chance weiter, dass viel
hängen bleibt. älteren Menschen eine Reihe von negativen, auf les? Genügt es nicht, dass man sich mit andau-
das Alter bezogenen Wörter wie »senil«, schnei- ernden Software-Updates und den neuesten
den sie im anschließenden Gedächtnistest ­Finessen des Steuerrechts herumschlägt – muss
schlechter ab, als wenn sie zuvor positive Be- man jetzt auch noch das Lernen lernen? Die
griffe wie »weise« lasen. Kurz: Wo kein Zutrauen Wahrheit ist: Sie tun es sowieso. Jeder bildet au-
ist, bleibt auch weniger hängen. tomatisch Vorstellungen davon, wie er welche
­Inhalte am besten behält, verfolgt bestimmte
Lernstrategien und legt sich Methoden zurecht,
die seinen mutmaßlichen Talenten entsprechen.
Das passiert oft, ohne dass wir uns dessen be-
wusst sind. Und hier lauert eine Gefahr, denn so
mancher sitzt dabei Irrtümern auf, die das Ler-
nen eher behindern als es zu erleichtern.
Psychologen um Robert Bjork von der Univer-
sity of California in Los Angeles sichteten in ei-
ner 2013 erschienenen Überblicksarbeit die un-
ter US-Collegestudenten beliebtesten Lerntech-
niken. Nach Auswertung umfangreicher Befra-
gungen identifizierten die Forscher vier beson-
ders häufige Fallen.
• Fehler Nummer eins: Je mehr, desto besser.
Meike Teichmann

Oft versuchen Lernende möglichst viel auf ein-


mal abzuarbeiten und stopfen jede Lektion rand-

32 * zu Deutsch: »Guten Tag, wie geht es Ihnen?« »Guten Tag! Es geht mir sehr gut. Danke!« GuG 10_2013
Bewusst versus unbewusst: Die wichtigsten Gedächtnisformen
Basalganglien

D as menschliche Gedächt-
nis lässt sich grob in zwei
Systeme aufteilen: ein deklara-
Ob Schuhe binden, Auto
fahren oder schwimmen:
Sobald wir die Abläufe auto-
Striatum Globus pallidus

tives (auch »explizites«) und matisiert haben, bedürfen sie


ein nichtdeklaratives, implizi- keiner bewussten Kontrolle
tes. Während ersteres bewusst mehr. Explizit Gelerntes kann
gelernte und abrufbare Fakten also ins implizite Gedächtnis
enthält – von der Präambel des über­gehen. Das gilt vor Amygdala
Grundgesetzes bis zur Handy- allem für die Bewegungsko­
Hippo-
PIN –, sind in letzterem unbe- ordination. campus
wusste Verknüpfungen und Umgekehrt wird seman-
Fertigkeiten abgelegt. Beide tisches Wissen (zum Beispiel:
Gedächtnisformen sind funk­ »Palma ist die Hauptstadt von prämotorischer Kortex
parietaler Kortex
tional und anatomisch weit Mallorca.«) zwar bewusst präfrontaler Kortex
gehend getrennt voneinander. gelernt, verändert sich beim
Der Hippocampus im erneuten Abruf jedoch oft
mittleren Schläfenlappen gilt unbemerkt und erhält neue
als Zentrum des bewussten Nuancen (etwa nach dem
Lernens. Nichtdeklarativer Inselurlaub eine emotional

Gehirn und Geist / Meganim


Wissenserwerb beansprucht besonders positive Note). Viele
dagegen weiter verteilte Forschungen zeigten zudem,
Hirnareale, darunter die Amyg- wie an­fällig das menschliche
dala, die Basalganglien, den Gedächtnis für Verzerrungen
prämotorischen und den prä- ist – zum Glück, sonst erschie-
frontalen Kortex im Stirnhirn ne uns mancher Urlaub rück- mittlerer Schläfenlappen

sowie Teile des Parietalkortex. blickend kaum so ro­mantisch.

voll mit Informationen. Besser verteiltes, gestaf- • Fehler Nummer drei: Abhaken. Passives Auf- Fürs Leben
feltes Lernen bringt den Forschern zufolge dage- nehmen von Fakten, die man sich nicht selbst er-
lernen
gen mehr. Statt also 50 Vokabeln an einem Tag schlossen oder gedanklich durchdrungen hat, ist
Intrinsische Motive, die
»durchzupauken«, lernt man lieber nur 10 pro vielfach Zeitverschwendung – Wissen in eigenen man »aus sich heraus«
Abend – und erfreut sich am Wochenende des Worten wiederzugeben, es anzuwenden und auf entwickelt (wie etwa
Gelernten. andere Beispiele zu übertragen dagegen die bes- Neugier), förderten den
Lernerfolg mehr als
• Fehler Nummer zwei: Schema F. Ob aus Ge- sere Strategie. Eine Grammatikregel, deren Sinn
extrinsische – etwa der
wohnheit oder weil es vermeintlich dem eigenen man begriffen hat, ist allemal besser als eine stur Wunsch nach Lob und
Typ entspricht, lernen viele auf stets gleiche Wei- auswendig gelernte. Anerkennung. So lautet
se, etwa indem sie ihnen wichtig erscheinende • Und Fehler Nummer vier: Angst vor Patzern. ein alte Lehrmeinung.
Die Studienlage ist hier
Abschnitte im Lehrbuch markieren und immer Um nicht »dumm dazustehen« meidet so man-
jedoch uneindeutig:
wieder durchgehen. Dabei hilft gerade Abwechs- cher das selbstständige Reproduzieren – etwa, in Prestige oder Geld
lung, Wissen im Gehirn zu verankern. Den Bei- einer Fremdsprache zu radebrechen, in der man können ebenso zum
spieldialog aus dem Sprachkurs ständig zu wie- noch nicht sattelfest ist. Die Scheu ist jedoch Lernen anreizen, auch
wenn es nur »Mittel zum
derholen, ist folglich weniger angebracht als zu kontraproduktiv, denn aktive Wiedergabe von Zweck« ist.
lesen, zu hören, sich selbst vorzusagen sowie die Gelerntem, egal wie rudimentär, ist eine effek- (Schiefele, U.: Interests and
betreffenden Wendungen praktisch einzusetzen. tive Methode (siehe »Die Top-5 der Lerntech- Learning. In: Encyclopedia of the
Science of Learning, Springer,
Möglichst vielfältig eben. niken«, S. 34). Warum nicht beim Türken mal auf Heidelberg 2012, S. 1623 – 1628)


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Die Top-5 der Lerntechniken

D er Psychologe John Dun-


losky von der Kent State
University in Ohio (USA) hat
noch gar nichts weiß: In einem
Experiment baten Forscher
Probanden vor einer Lernein-
hinter dem Hauptwort? Wa-
rum kann man sich nicht
selbst kitzeln? Derart zum
den Lerninhalt selbst, sondern
auf den eigenen Hintergrund:
Was hat das mit dem zu tun,
gemeinsam mit Kollegen rund heit zu erklären, was sie über Mit-, Durch- und Querdenken was ich schon kenne? Erinnert
700 Arbeiten gesichtet, die das betreffende Thema wuss- angeregt, bleiben die betref- mich das an etwas? Wie fügt
­verschiedene Lerntechniken ten. Von der folgenden Lektion fenden Antworten meist es sich in mein Vorwissen ein?
einem Praxistest unterzogen. blieb mit der Trockenübung besser haften. Wo habe ich noch Lücken? Ein
Auf Basis dieser Daten erstell- deutlich mehr hängen als Gute Pädagogen wissen, Vorteil dieser Methode: Das so
ten die Forscher eine Rangfol- ohne! Offenbar hilft die ge- dass es wenig bringt, Schüler aktivierte »metakognitive«
ge von empfehlenswert bis dankliche Vorbereitung später, mit vorgefertigten Antworten Wissen erleichtert es, sich
eher hinderlich. Am schlech- neue Informationen in das zu bombardieren. Was ist das einen Weg durch den Informa-
testen schnitten das Hervorhe- bereits Bekannte einzubetten. Problem? Warum lohnt es sich, tionsdschungel zu schlagen. Zu
ben von Informationen (etwa es zu lösen? Und wie könnte wissen, was man (noch) nicht
per Textmarker) sowie wieder- 2. Lerne in handlichen das gelingen? Von solchen weiß, hilft oft erstaunlich viel.
holtes Lesen ab. Doch gerade Portionen! Fragen profitieren Lernende in
dies sind laut Umfragen unter Häppchenweises, über größere der Regel mehr. Viele Unter- 5. Lerne variabel!
Studierenden sehr verbreitete Zeiträume verteiltes Lernen ist richtslektionen und Lehrbü- Lesen, Kernbegriffe notieren,
Methoden. Fünf andere bewer- in der Regel effektiver als sich cher bieten für das eigenstän- sich selbst Zusammenhänge
teten die Forscher um Dunlos- geballte Wissensladungen dige Erschließen allerdings erklären, anderen davon
ky hingegen als nützlich: aufzuhalsen. Teilen Sie Ihr wenig Anreiz. Ein möglicher erzählen und sich abfragen las-
Lernpensum also in möglichst Grund: Es kann dauern, bis die sen: Ein bunter Methodenmix
1. Teste dich selbst! handliche Abschnitte auf und zündende Einsicht kommt – liefert die beste Gewähr für ein
Der sicherste Weg, neues legen Sie zwischen den Lösungen vorzugeben, funktio- rundum gestärktes Gedächt-
Wissen zu behalten, besteht Lerneinheiten regelmäßig niert da schneller. Aber auch nis. So verlockend es erschei-
darin, es aktiv wiederzugeben. Test- und Entspannungspha- schlechter. nen mag, die »ultimative«
Erklären Sie anderen, was Sie sen ein! Lerntechnik gefunden zu
gelernt haben, und lassen Sie 4. Wisse, was du (noch) haben – Vielfalt wirkt meist
sich Löcher in den Bauch 3. Stelle Warum-Fragen! nicht weißt! nachhaltiger.
fragen. Dabei bemerkt man Wieso liefert die Evolutions­ Nah verwandt mit den Wa-
auch am ehesten, was man lehre eine Erklärung für die rum-Fragen ist, was Psycholo- (Dunlosky, J. et al.: Improving Students’
Learning with Effective Learning
noch nicht verstanden hat. natürliche Artenvielfalt? gen als »Selbstexplikation« Techniques: Promising Directions from
Selbsttests schlagen sogar Weshalb stehen Adjektive im bezeichnen. Hier zielt das Cognitive and Educational Psychology.
In: Psychological Science in the Public
dann an, wenn man eigentlich Italienischen mal vor und mal Nachbohren jedoch nicht auf Interest 14, S. 4 – 58, 2013)

Türkisch bestellen? Schlimmstenfalls erntet unabhängig voneinander funktionierende Ge-


man eben fragende Blicke. dächtnissysteme gibt (siehe Hirngrafik S. 33).
Doch lassen sich so allgemein gültige Regeln Und für jedes gelten teils eigene Maximen.
überhaupt aufstellen? Schließlich gleicht kaum Wollen Sie etwa Ihre Allgemeinbildung ver-
Muss man jetzt ein Lernvorgang dem anderen: Sportarten wie bessern, um mit Faktenwissen und Bonmots
auch noch das Tennis oder Bogenschießen zu trainieren ist beim Smalltalk zu glänzen? Dann ist Ihr seman-
grundverschieden vom Büffeln fürs Physikum tisches Gedächtnis gefragt, welches bewusst ge-
Lernen lernen?
und schlagfertig mit Kritik umzugehen kaum speicherte und abrufbare Informationen ent-
Die Wahrheit
vergleichbar mit Programmieren lernen. hält. Zentrale Schaltstelle ist der Hippocampus,
ist: Sie tun es Eine der wichtigsten Lehren aus mehr als 100 eine etwa seepferdchengroße und ebenso ge-
sowieso Jahren Lernpsychologie lautet, dass es mehrere, formte Windung auf der Innenseite des mittle-

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ren Schläfenlappens. Seine Verarbeitungskapazi- Gehen, sitzen,
tät stellt so etwas wie den Flaschenhals des Fak- liegen
tenlernens dar. Deshalb sollten Sie die fraglichen
Bewegung bringt die
Informationen nicht nur gut auswählen (Sie kön- grauen Zellen auf Trab.
nen einfach nicht alles behalten!), sondern vor Doch hilft motorische
allem mit Bedeutung versehen. Aktivität auch während
des Lernens? Forschung
Welchen Unterschied das macht, erkennt man
zur »Embodied Cogni­
leicht, wenn etwa nackte historische Fakten wie tion« (»verkörpertes
der Fall der Berliner Mauer in eine anschauliche, Denken«) lieferte Belege
sogar bewegende Geschichte gekleidet werden. dafür, dass Muskel­
aktivität häufig mentale
Der Hippocampus ist eng verknüpft mit der
Effekte hat: So fördern

Meike Teichmann
nahe gelegenen Amygdala, die Sinnesreizen ausholende Armschwün­
emotionale Bedeutung zuweist. So kommt es, ge den Ideenreichtum,
dass wir uns an Dinge, die Gefühle auslösen, in Fäuste ballen das Behal­
ten von Wortlisten.
aller Regel besser erinnern. dem Ziel des Lernens ab. Und was ist mit der Per- Verantwortlich dafür ist
Oder wollen Sie endlich einmal Tennisspielen sönlichkeit? Ist sie nicht ebenso entscheidend? vermutlich eine Art
lernen? Dann führt kein Weg am regelmäßigen »Individuelle Vorlieben spielen beim Lernen kei- Vorglüheffekt: Das
Gehirn wird durch die
Üben vorbei, das Ihr so genanntes prozedurales ne so große Rolle«, erklärt die Psychologin Els-
motorische Aktivität in
Gedächtnis aktiviert. Prämotorische und moto- beth Stern von der ETH Zürich. Natürlich fällt Erregung versetzt, die
rische Areale der Großhirnrinde speichern Be­ manchen Menschen das Lernen leichter als an- auch das Lernen erleich­
wegungsprogramme, die von den tief im Gehirn deren; doch wie man es, im Rahmen seiner indi- tern kann. Allein darauf
sollte man beim Studium
liegenden Basalganglien feinjustiert werden. viduellen Möglichkeiten, am besten anstellt, ist
freilich nicht setzen.
Stellen Sie sich die koordinativen Abläufe in Ge- weniger Typfrage als viele meinen (siehe »Wel-
(Special Issue: Modalities of Body
danken vor, zerlegen Sie sie in Einzelschritte, cher Lerntyp bin ich?«, S. 38). Engagement in Mathematical
Activity and Learning. In: Journal
üben und korrigieren Sie sie so lange, bis sie nach Meistens lernen wir sogar, ohne es recht zu of the Learning Sciences 21, 2012)
und nach automatisiert vonstattengehen. Ein- bemerken. Wir meiden die Treppenstufe, an der
maliges Abspeichern genügt hier leider nicht – wir zuletzt hängen blieben. Wir legen uns eine
der Körper ist eine Gewohnheitsmaschine. Replik für die nächste Gardinenpredigt des Chefs
zurecht. Oder wir versuchen den eigenen Nach-
In der Ruhe liegt die Kraft wuchs rechtzeitig von der Riesenpackung Gum-
Oder haben Sie eine weiter gefasste Kompetenz mibärchen im Supermarktregal abzulenken.
im Sinn, die Ihnen bei bestimmten Gelegen- Man kann folglich gar nicht nicht lernen – al-
heiten zupasskäme – etwa souverän verhandeln lerdings wollen wir meist ganz bestimmte Dinge
oder charmant flirten? Oft macht einem hier für bestimmte Zwecke parat haben. Und um uns Lernen mit
nicht mangelndes Wissen einen Strich durch die das zu erleichtern, lohnt es sich, die folgenden Musik?
Rechnung, sondern die Aufregung, das Drum­ Maximen zu beherzigen. Extravertierte Menschen
herum. Dann kommt es darauf an, im entschei- • Faustregel Nummer 1: Wer lernen will, muss kommen mit Hinter­
denden Moment locker zu bleiben und »abzuru- auswählen. Das Wichtige vom Unwichtigen grundmusik im Schnitt
besser zurecht als intro­
fen«, was an Esprit in Ihnen steckt. trennen, sich aufs Wesentliche konzentrieren –
vertierte. Insgesamt ist
Die dafür nötige Handlungskontrolle besor- das ist der erste Schritt zum Lernerfolg. Statt im- die Beschallung aber
gen Teile des Stirnlappens, etwa der präfrontale mer mehr Details anzusammeln und sich im eher hinderlich: Den
Kortex. Um sie zu stärken, muss man sich der je- wahrsten Sinn zu verzetteln, ist Mut zur Lücke anregenden Effekt
macht die Ablenkung oft
weiligen Situation immer wieder aussetzen und gefragt. Wie viel Stoff genug ist, das hängt frei-
zunichte. Gesang können
zwar systematisch – etwa mit steigendem lich von vielen Faktoren ab – etwa von der ver- wir dabei schlechter
Schwierigkeitsgrad. Testen Sie den Ernstfall, sei fügbaren Zeit und der eigenen Begabung. Orien- ausblenden als Instru­
es ein fingiertes Verkaufsgespräch oder der tieren Sie sich am besten an anderen, die das glei- mentalmusik.
(Kämpfe, J. et al.: The Impact
Plausch an der Kneipentheke. che Lernziel verfolgen wie Sie (übrigens ein of Background Music on Adult
Wie man am besten lernt, hängt also mindes­ nützlicher Nebeneffekt von Studienzirkeln und ­Listeners: A Meta-Analysis.
In: Psychology of Music 39,
tens vom Gegenstand, von der Situation und Lerngruppen). S. 442 – 448, 2011)


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Meh r zum Th em a: Auch im Schlaf bringt sich unser Gedächtnis auf


Schnelles Wissen »Reiseflughöhe«, indem es Ballast abwirft (siehe
8 wichtige Fragen und »Können wir im Schlaf lernen?«, S. 40).
Antworten rund ums
• Faustregel Nummer 4: Wer lernen will, muss
Lernen (S. 38)
fühlen. Emotionen sind mit Lernprozessen eng
verwoben. Es kann uns nicht nur ziemlich wur-
men, wenn wir wieder eine Telefonnummer ver-
gessen haben oder uns partout nicht einfällt, was
»Briefmarke« auf Spanisch heißt. Mancher ent-
wickelt regelrecht Angst davor, sein Gedächtnis
könnte ihn im Stich lassen – und blockiert dann
umso eher. Um dem Blackout vorzubeugen, gilt
es, möglichst positive Gefühle mit dem Ge-
lernten zu verbinden. Das mag bei binomischen
Formeln, medizinischen Fachbegriffe oder Straf-
Meike Teichmann

rechtsparagrafen manchmal schwerfallen, doch


es gibt fast immer einen Weg, sich das Lernen an-
genehm zu machen: etwa in spielerischer Form
Quellen
Bjork, R. A. et al.: Self-Regula- • Faustregel Nummer 2: Wer lernen will, muss als Quiz, im Austausch mit anderen oder indem
ted Learning: Beliefs, Tech- verknüpfen. Nichts, was wir lernen, steht isoliert man sich den praktischen Nutzen des Ganzen
niques, and Illusions. In:
für sich. Jedes Datum, jede Vokabel, jede wissen- vor Augen führt. Spaß und Aha-Erlebnisse sind
Annual Review of Psycholo-
gy 64, S. 417 – 444, 2013 schaftliche Theorie und jeder Tanzschritt fügt häufig unterschätzte Zutaten für den bekömm-
Roediger III, H. L. et al.: Ten sich ein in das, was wir schon kennen oder be- lichen Lerncocktail.
Benefits of Testing and Their herrschen. Wie in einem riesigen Netzwerk knüp- Schnüren wir das Wichtigste zum Schluss
Applications to Educational
fen wir beim Lernen Beziehungen zwischen Din- noch einmal handlich zusammen:
Practice. In: Psychology of
Learning and Motivation 55, gen, die zunächst nichts miteinander zu tun hat- Reproduzieren bringt mehr als passives Durch-
S. 1– 36, 2011 ten. Und weil dem Ideenreichtum hierbei kaum nehmen! Auch wenn es häufig Mühe kostet, der
Grenzen gesetzt sind, ist unser Gedächtnis po- Aufwand lohnt sich: eigene Erklärungen suchen,
Weitere Quellen im Internet
tenziell unerschöpflich (siehe »Ist der Speicher- Zusammenhänge nachvollziehbar machen, mit
unter www.gehirn-und-
geist.de/artikel/1204066 platz im Kopf begrenzt?« S. 39). anderen darüber reden!
Der Fundus an vorhandenem Wissen ent- Emotional geht’s leichter! Wer mit Freude lernt,
scheidet mit darüber, ob und wie Neues hängen profitiert davon oft mehr als von ausgeklügelter
Literaturtipps
Gasser, P.: Gehirngerecht bleibt: So können Menschen, die bereits viel Didaktik. Leider lässt unser Bildungssystem dies
lernen: Eine Lernanleitung ­gelernt haben, weitere Inhalte meist leichter be- immer noch zu häufig außer Acht.
auf neuropsychologischer halten; sie haben schlicht mehr Anknüpfungs- Gelernt ist noch nicht erinnert! Um an erwor-
Grundlage. hep, Bern 2010
punkte. Auch für das Gedächtnis gilt: Wer hat, benes Wissen heranzukommen, sollte man den
Mit vielen Exkursen in die
Neuropsychologie gespickter dem wird gegeben! Ernstfall schon beim Lernen proben. Üben Sie,
Ratgeber • Faustregel Nummer 3: Wer lernen will, muss auch bei Stress konzentriert zu bleiben.
Krengel, M.: Bestnote. vergessen. Selbst Gedächtniskünstler vergessen Und wenn das alles nichts nützt, tragen Sie es
Lern­erfolg verdoppeln, Prü-
viel. Ausmisten ist für das Gehirn quasi unver- am besten mit Humor. Wissen ist zwar bekannt-
fungsangst halbieren.
Eazybooks, Berlin, 2. Auflage meidlich, wenn es neue Informationen auf- lich Macht, aber nichts wissen macht ... na, Sie
2012 nimmt, denn das Gedächtnis ist kein starre wissen schon. Ÿ
Praktisches Arbeitsbuch für
­Datenbank, sondern ein lebendiges Netzwerk.
Schüler und Studierende
Metzig, W., Schuster, M.: ­Ak­tuelles verdrängt darin Altes, Erinnerungen
Steve Ayan ist Psychologe und Redak-
Lernen zu lernen: Lernstrate- verblassen, kehren zurück und werden bei jedem teur bei »Gehirn und Geist«. Beim
gien wirkungsvoll einsetzen. Abruf etwas anders gespeichert. Um dieses stän- Türkischlernen setzt er voll und ganz
Springer, Heidelberg, 8. Auf­- auf die Kraft der Emotionen – seine
dige Reorganisieren des Wissens zu unterstüt-
lage 2010 Frau stammt aus der Türkei.
Metakognitives Lernwissen zen, sind zwischen lernintensiven Phasen regel-
zum Selbststudium mäßige Pausen und Müßiggang angebracht.

36 GuG 10_2013


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