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Anforderungenein Medizinprodukte
Anforderungenein Medizinprodukte
Christian Baumgartner
Anforderungen
an Medizinprodukte
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Anforderungen an Medizinprodukte
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Print-ISBN 978-3-446-46881-8
E-Book-ISBN 978-3-446-46882-5
ePub-ISBN 978-3-446-46883-2
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Der Markt für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika (wenn nicht explizit un-
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nicht oder nur nach aufwendiger Nachbringung der erforderlichen Nachweise aller
relevanten Gesetzes- und Normanforderungen in den für ihn wichtigen Märkten in
Verkehr gebracht werden darf. Für den europäischen Markt sind dabei insbeson-
dere die beiden neuen EU-Verordnungen für Medizinprodukte (MPV – EU 2017/745)
und In-vitro-Diagnostika (IVDV – EU 2017/746) sowie die EN ISO 13485:2016 als
relevante Basisanforderungen für Hersteller derartiger Produkte zu nennen.
Das vorliegende Buch liefert eine Orientierung, wie das QM-System und die dazu-
gehörigen Prozesse in einem Unternehmen gestaltet werden müssen, damit Medi-
zinprodukte und Dienstleistungen dem vorgegebenen gesetzlichen Rahmen inner-
halb des gesamten Lebenszyklus entsprechen, d. h. während der Entwicklung,
Zulassung, Herstellung, Installation und Betreuung, wobei insbesondere relevante
Neuerungen der MPV und IVDV behandelt werden. Durch zahlreiche Praxis
beispiele werden die nicht immer einfach zu interpretierenden gesetzlichen Vor-
schriften und Normen verständlich gemacht und auch konkrete Implementie-
rungshinweise gegeben. Dabei werden schwerpunktmäßig all jene Fragestellungen
behandelt, die sich im Laufe der Jahre als wichtig herausgestellt oder durch die
neuen Verordnungen besondere Bedeutung gewonnen haben. Dazu bietet das Buch
eine ausgewogene Mischung aus Expertenwissen, Erfahrungswerten und praxis
erprobten Methoden. Dadurch geben die Beiträge nicht nur einen raschen Über-
blick, was die wichtigsten Anforderungen im Medizinproduktebereich betrifft, son-
dern zeigen auch konkrete und erprobte Wege auf, wie diese Anforderungen in der
VI Vorwort
Praxis umgesetzt werden können. Das Buch versteht sich dabei nicht als wissen-
schaftlich vollständige und detaillierte Abhandlung zu einem Spezialthema. Es
richtet sich vielmehr an alle Personen, die in den Medizinproduktebereich einstei-
gen wollen und an einem Überblick über die wichtigsten regulatorischen Dos &
Don’ts interessiert sind. Dies sind all jene Personen in der Entwicklung, Produk-
tion, Qualitätssicherung, Reklamationsbearbeitung, im Einkauf und Engineering
sowie im Qualitätsmanagement einer Medizinproduktefirma, die sich zu einzelnen
Fragen einen Überblick verschaffen oder sich praktische Tipps holen wollen. Wei-
terhin werden Praktiker angesprochen, die sich ergänzende Hinweise, insbeson-
dere zu den neuen EU-Verordnungen holen wollen, wie sie gewisse Prozesse, Me-
thoden oder Tools besser umsetzen und optimieren können. Erfahrene Mitarbeiter
aus dem QM- und Zulassungsbereich können anhand der Literaturhinweise und
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Ich möchte abschließend allen Autorinnen und Autoren dafür danken, dass sie ihre
Kenntnisse und ihre langjährige Erfahrung aus ihren Fachgebieten in dieses Buch
eingebracht und jene Punkte herausgearbeitet haben, die für das Verständnis des
jeweiligen Themengebietes essenziell sind. Besonders hervorheben möchte ich in
diesem Zusammenhang den Beitrag von Frau Sara Stoppacher, die neben ihrem
Fachkapitel auch in der redaktionellen Arbeit stark engagiert war und insbeson-
dere auch alle Autorinnen und Autoren mit großer Geduld an Abgabefristen und
Formatvorgaben erinnert hat. Besonderer Dank gilt schließlich meiner Frau für ihr
Verständnis für die vielen Abende und Wochenenden, die ich mit der Überarbei-
tung des vorliegenden Buches verbracht habe.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf die gleichzeitige Verwendung der
Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personen
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV
1 QM-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Die wesentlichen Anforderungen der ISO 13485 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2.1 Die neuen Revisionen der ISO 9001 und ISO 13485 . . . . . . . . 5
For personal use only.
2 Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.2 Grundlagen und Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
X Inhalt
3.2.2 USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
3.2.2.1 Zulassungsverfahren gemäß 510(k) . . . . . . . . . . . . . . 78
3.2.2.2 Premarket Approval (PMA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
3.2.2.3 Investigational Device Exemption (IDE) . . . . . . . . . . . 80
3.2.2.4 FDA-Programme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
3.2.2.5 Premarket Requirements: Labeling, Registration,
For personal use only.
Listing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
3.2.3 Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
3.2.4 China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
3.2.5 Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
3.2.6 Brasilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
3.3 Patente und Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
3.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
11 Lieferantenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
11.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
11.2 Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396
11.3 Lieferantenmanagementprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399
11.3.1 Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
11.3.2 Risikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
XX Inhalt
16 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529
17 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537
18 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547
bereich etabliert ist. Ausgelöst durch die oben erwähnten Probleme wurde von der
EU-Kommission eine Neuregulierung des Medizinproduktebereichs in Gang ge-
setzt, deren Ergebnis am 5. April 2017 in Form zweier EU-Verordnungen [6, 7] im
EU-Amtsblatt publiziert wurde. Auch die Rolle der zuständigen Benannten Stelle
geriet bei diesen Vorfällen in Misskredit, weil lange Zeit in Diskussion war, ob
diese die Mängel hätte erkennen müssen [8]. Als Reaktion darauf verschärfte die
EU bereits 2013 die Zulassungsanforderungen für Benannte Stellen [9], wodurch
sich deren Zahl seitdem wesentlich verringert hat (Anmerkung: Mit Stand Mai
2021 sind nur 20 Benannte Stellen nach der neuen Medizinprodukteverordnung
[6] akkreditiert im Vergleich zu über 50 vor zehn Jahren. Die Anzahl Benannter
Stellen, die nach der neuen In-vitro-Diagnostika-Verordnung [7] akkreditiert sind,
beläuft sich sogar nur auf vier!).
Die wesentlichen Neuerungen der beiden genannten EU-Verordnungen [6, 7] sind
dabei:
Höherklassifizierung vieler Produkte, woraus ein erhöhter Aufwand für Test,
Dokumentation und Berichtspflichten resultiert. So werden z. B. nach der
neuen Regelung die meisten Softwareprodukte als Klasse-II-Produkt eingestuft
und nicht wie bisher als Klasse I. Aber auch bestimmte stoffliche und chirur-
gisch-invasive Medizinprodukte werden nach der neuen MPV höher klassifi-
ziert.
XXVI Einleitung
Durch die Höherklassifizierung vieler IVDs wird die Möglichkeit zur Selbstzer-
tifizierung stark eingeschränkt, wodurch die Mehrheit aller IVDs in Zukunft
eine Benannte Stelle benötigen wird.
Höhere Anforderungen bei der Durchführung von klinischen Prüfungen sowie
eine wesentlich erweiterte Anzahl von In-vitro-Diagnostika, die sich einer Leis-
tungsbewertungsprüfung unterziehen müssen.
Einführung eines „Scrutiny-Verfahrens“ für Implantate der Klasse III und ak-
tive Produkte der Klasse IIb, die Arzneimittel zuführen oder ableiten, d. h. be-
stimmte Hochrisikoprodukte müssen einer zusätzlichen Überprüfung durch
ein Expertenpanel unterzogen werden, bevor sie auf den Markt gebracht wer-
den dürfen.
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EU 2017/745
Veröffentlichung Vier Jahre Übergangsperiode für Übersetzung in alle EU-Sprachen, Übergangsfrist für MDD-Zerfikate
Ausführungsrichtlinien, naonale Ausführungsbesmmungen und
Verfügbarkeit Benannte Stellen Ab 26. Mai 2021 können neue Konformitätsbescheini-
gungen nur mehr nach EU 2017/745 erfolgen!
EU 2017/746
Veröffentlichung Übergangsfrist für IVDD-
Fünf/sechs (*) Jahre Übergangsperiode für Übersetzung in alle EU-Sprachen,
Ausführungsrichtlinien, naonale Ausführungsbesmmungen und Zerfikate (*)
Verfügbarkeit Benannte Stellen
Ab 26. Mai 2022/2023 (*) können neue
Konformitätsbescheinigungen nur mehr
nach EU 2017/746 erfolgen!
nicht abgeschlossen ist [10]. Die striktere Regulierung ist für große Medtech-
Konzerne eher verkraftbar. Allerdings wird auch hier durch den Aufwand für die
Umstellung, die zukünftige Einhaltung der MPV-/IVDV-Anforderungen sowie die
Ertragsausfälle durch abgesetzte Produkte, administrative Bürden und Zeitverzö-
gerungen beim Marktzugang mit hohen finanziellen Mehraufwendungen in Milli-
ardenhöhe gerechnet. Noch nicht geklärt ist außerdem, wo in der kurzen zur
Verfügung stehenden Zeit die vielen zusätzlichen Mitarbeiter in den QM- und Zu-
lassungsbereichen für die Umstellung der bestehenden QM-Systeme und Produk-
tunterlagen sowie die Neuzertifizierung der bestehenden Produkte rekrutiert wer-
den sollen. Es ist zu erwarten, dass es zu einer großflächigen Konsolidierung des
Marktes kommen wird. Es gibt sogar Stimmen, die befürchten, dass ein Drittel
aller Medtech-Firmen in Europa verschwinden wird. Speziell die kleinen Firmen
werden aus dem Markt gedrängt oder zu Technologiepartnern oder Zulieferern der
Großkonzerne degradiert. Aufgrund der sehr schleppenden Akkreditierung Be-
nannter Stellen nach den neuen Verordnungen haben nach wie vor viele Unterneh-
men Probleme (insbesondere jene, die neu auf den Markt wollen), während der
Übergangsfrist eine Benannte Stelle zu finden, wodurch es zu Verzögerungen bei
der Neuzertifizierung bis hin zu Lieferstopps bei bestehenden Produkten gekom-
men ist und noch kommen wird.
Nachdem die Kosten für compliance nach den neuen gesetzlichen Vorschriften für
bestimmte Produktgruppen ansteigen werden, werden sowohl KMU als auch große
Konzerne ihr Portfolio genau überprüfen und mit großer Wahrscheinlichkeit ihr
Sortiment straffen. Dabei muss im Rahmen eines Gap Assessments analysiert wer-
Einleitung XXIX
den, welche Produkte, Prozesse und Dokumentationen betroffen sind. Das Pro-
duktportfolio ist dabei nach Alter, Dokumentationsaufwand, Profitabilität und an-
deren Kriterien zu durchleuchten, damit entschieden werden kann, welche
Produkte bleiben und welche aus dem Sortiment zu nehmen oder zu ersetzen sind.
Anschließend ist unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder der Organisa-
tion sowie der Benannten Stelle ein detaillierter Plan zur Umsetzung und Finanzie-
rung zu erarbeiten (siehe Bild 2).
Governance
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Financial
Implicaons
Nofied Bodies Change Management
Interacon and Communicaons
Bild 2 Überlegungen zur Umstellung des Produktportfolios auf die neuen EU-Verordnungen
(© Deloitte)
Ausführungen auch immer wieder auf zwei global relevante Regelungen: einer-
seits auf die ISO 13485 [11], welche in den meisten Ländern das für Medizin
produktehersteller anerkannte QM-System ist. Des Weiteren wird auf die Quality
System Regulation (21 CFR 820/QSR/cGMP) [12] Bezug genommen, welche die
rechtliche Basis für Medizinproduktehersteller in den USA darstellt, aber auch in
vielen anderen Ländern als „Quasi-Standard“ für Medizinprodukte und IVDs aner-
kannt wird. Bei deren Einhaltung wird von den Behörden angenommen, dass ein
Medizinproduktehersteller in der Lage ist, seine Produkte so zu entwickeln, herzu-
stellen und zu betreuen, dass sie in der Serie sicher und spezifikationskonform
funktionieren. Dabei steht speziell die Forderung nach einem sicheren Produkt im
Mittelpunkt des Interesses von Behörden und Anwendern, und viele der gesetz
lichen und normativen Regelungen im Medizinproduktebereich sind nur aus die-
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rungen an ein adäquates QM-System vor. Es wird dabei speziell auf die Forderun-
gen der ISO 13485:2016 respektive der Quality System Regulation eingegangen,
wobei auch die Unterschiede zu den Anforderungen der ISO 9001 [13] hervorgeho-
ben werden. Insbesondere die Ausführungen zu den Dokumentationsanforderun-
gen sind essenziell, wenn die in den nachfolgenden Kapiteln erläuterten Forderun-
gen gesetzeskonform umgesetzt werden sollen.
In Kapitel 2 wird das Thema Risikomanagement abgehandelt. Risikomanagement
spielt eine zentrale Rolle in nahezu allen Prozessen einer Medizinprodukteorgani-
sation. In allen Folgekapiteln wird bei Ausführungen zu diesem Thema daher
dieses Kapitel entweder referenziert oder spezifisch adaptiert angewandt.
Kapitel 3 gibt einen Überblick über das rechtliche Umfeld und die Zulassungsanfor-
derungen und erläutert, welche spezifischen Anforderungen in den wichtigsten in-
ternationalen Märkten zu befolgen sind, um von den Behörden eine Genehmigung
für den Verkauf eines neuen Produkts in diesen Märkten zu erlangen. Es folgt das
Kapitel Entwicklung von Medizinprodukten. Dieses beschreibt im Detail, wie ein
neues Produkt entwickelt werden soll, damit es sicher und funktionsfähig ist, d. h.
es geht um Quality by Design sowie die dabei einzuhaltenden Prozesse.
Kapitel 5 wurde neu in dieses Buch aufgenommen, um der Tatsache Rechnung
zu tragen, dass eine immer größere Anzahl an Medizinprodukten „reine“ Software
lösungen darstellen. Dies reicht von „einfachen“ Handy-Apps bis hin zu komplexen
„Decision-Support-Systemen“ und „Machine-Learning-Applikationen“ für die Diag-
Einleitung XXXI
firma dar. Aus Behördensicht wird in Kapitel 13, Behördenanforderungen und be-
hördliche Inspektionen, dargestellt, welche Aufgaben die Behörden auf EU- und
nationaler Ebene zu erfüllen haben und wie die Behörde die gesetzlichen Anforde-
rungen an die Marktteilnehmer kontrolliert und ihnen Nachdruck verleiht, wobei
insbesondere auf die Inspektionstätigkeit der Behörden eingegangen wird. Außer-
dem wird das Thema Post-Market Surveillance/Vigilanz kurz umrissen, welches
nach der neuen MPV/IVDV eine wesentliche Forderung an Hersteller von Medizin-
For personal use only.
produkten ist.
Die Sicht der Benannten Stelle zeigt in Kapitel 14 exemplarisch auf, welche Anfor-
derungen ein Medizinproduktehersteller bezüglich QM-System und Technischer
Dokumentation zu erfüllen hat, um von der Benannten Stelle die CE-Konformität
seines Produkts bestätigt zu bekommen.
Im abschließenden neuen Kapitel 15 kommt ein Startup zu Wort, das darlegt, wel-
che Herausforderungen ein market newcomer im Medizinproduktebereich zu be-
denken und zu bewältigen hat. Besonders wertvoll sind die jeweils zusammenge-
fassten „Learnings“, die anderen „Einsteigern“ dabei helfen können, die gröbsten
Fehler zu vermeiden und damit Zeit, Ressourcen und Kosten zu sparen.
Die Abfolge der einzelnen Kapitel folgt einer gewissen Logik. Trotzdem können die
Kapitel auch einzeln und in beliebiger Reihenfolge gelesen werden, da sie inhalt-
lich nicht zwingend aufeinander aufbauen. Entsprechende Literaturverweise und
Querverweise zu anderen Kapiteln ermöglichen es der Leserin und dem Leser, wei-
terführende Erklärungen nachzuschlagen. Das Buch versteht sich dabei nicht als
wissenschaftliche Abhandlung. Es richtet sich, gestützt auf relevante Literatur,
vielmehr an alle Personen, die im Medizinproduktebereich einen Überblick über
die wichtigsten regulatorischen Dos and Don’ts erhalten oder sich zu einzelnen
Fragen praktische Tipps und ergänzende Hinweise holen wollen.
Leitfragen am Anfang jedes Kapitels verschaffen dem Leser einen raschen Über-
blick über den Zweck und die inhaltlichen Schwerpunkte dieses Kapitels. Vier ver-
Einleitung XXXIII
MERKE:
Fasst bereits Gesagtes zusammen.
BEACHTE:
Verweist auf kritische gesetzliche Anforderungen, deren Nichtbeachtung negative
Konsequenzen nach sich ziehen kann.
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TIPP:
Gibt praktische Hinweise zur Umsetzung.
BEISPIEL:
Gibt Beispiele zum Verständnis an.
For personal use only.
Am Ende jedes Kapitels gibt es einen Literaturanhang, der die wichtigsten Quellen
des jeweiligen Kapitels enthält, vor allem Gesetze, Normen und Kommentare. Wei-
terführende Literatur wird, soweit sinnvoll, angeführt, wobei jedoch bewusst auf
eine umfangreiche Bibliografie verzichtet wird. Am Ende des Buches erleichtern
ein Glossar, ein Abkürzungsverzeichnis sowie ein Stichwortverzeichnis das Ver-
ständnis und ein rasches Nachschlagen von interessierenden Themen.
Als Besonderheit erhalten Sie zu diesem Buch noch zusätzliches Download-Mate-
rial mit nützlichen Vorlagen und Beispielen.
Literatur
[1] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 169 vom 12. 07. 1993: Richtlinie 93/42/
EWG über Medizinprodukte (MDD).
[2] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 189 vom 20. 07. 1990: Richtlinie
90/385/EWG zum Abgleich der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare
medizinische Geräte (AIMD).
[3] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 331 vom 27. 10. 1998: Richtlinie 98/79/
EG über In-vitro-Diagnostika (IVDD).
[4] 2010 mussten „Metall auf Metall (MoM)“-Hüftimplantate einer amerikanischen Firma zurückgeru-
fen und ausgetauscht werden, weil sich an der Gleitfläche ein Abrieb gebildet hatte und Chrom-
und Kobaltpartikel in den Körper gelangten, die zu Gesundheitsschäden führten. In den weiteren
Jahren kam es zu weiteren Rückrufen schadhafter Hüftimplantate (siehe dazu „Hohe Versagens
rate – Johnson & Johnson ruft Hüftprothesen zurück“, in: Handelsblatt vom 14. 02. 2013. Verfügbar
unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/hohe-versagensrate-johnson-und-johnson-
ruft-hueftprothesen-zurueck/7787658.html, abgerufen am 19. 06. 2021).
XXXIV Einleitung
[5] 2010 wurde bei einem französischen Hersteller eine große Anzahl von schadhaften Brustimplanta-
ten diagnostiziert. Dieser hatte illegal Industrie- anstelle von medizinisch zugelassenem Silikon
verwendet. Weltweit waren rund 400 000 Frauen davon betroffen, welche ihre Brustimplantate
(zum Teil vorsorglich) ersetzen lassen mussten (siehe dazu Wikipedia: „Poly Implant Prothèse“,
verfügbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Poly_Implant_Prothèse, abgerufen am 19. 06. 2021).
Verschlimmert wurde die Situation durch eine mangelnde Rückverfolgbarkeit, die keine eindeuti-
gen Schlüsse zuließ, welche Patientin welches Implantat erhalten hatte.
[6] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie
2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur
Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (MPV).
[7] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie
98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (IVDV).
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[8] Helene Bubrowski: „Wohl kein Schmerzensgeld im Implantate-Skandal“, in: FAZ vom 16. 02. 2017. Ver-
fügbar unter: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/eugh-urteil-zum-brustimplantate-
skandal-tuev-muss-nicht-zahlen-14880659.html, abgerufen am 19. 06. 2021.
[9] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 253/8 Durchführungsverordnung
(EU) Nr. 920/2013 der Kommission vom 24. 09. 2013 über die Benennung und Beaufsichtigung Be-
nannter Stellen gemäß der Richtlinie 90/385/EWG des Rates über aktive implantierbare medizini-
sche Geräte und der Richtlinie 93/42/EWG des Rates über Medizinprodukte.
[10] EU-Parlament verabschiedet Medizinprodukte-Verordnung: BVMed für „nationales Förderprogramm
für MedTech-KMU“, 05. 04. 2017. Berlin. Verfügbar unter: https://www.devicemed.de/eu-parlament-
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SCHWERPUNKTE:
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1.1 Einleitung
In einem Qualitätsmanagementsystem (in weiterer Folge QM-System) legt eine
Organisation ihre Organisationsstrukturen, Verfahren, Prozesse und Ressourcen
sowie die Anforderungen an ihre Produkte und Dienstleistungen fest mit dem Ziel,
reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten, d. h. die Qualität ihrer Produkte und
Dienstleistungen gemäß den Kundenanforderungen aufrechtzuerhalten und zu
verbessern. Darüber hinaus soll ein funktionierendes QM-System sicherstellen,
dass im Fall von Mängeln diese frühzeitig erkannt und nachvollziehbar gelenkt
werden können.
Bei Medizinprodukteherstellern (im Sinne der Richtlinien [1.1] bis [1.3] bzw. der
neuen Verordnungen [1.4] und [1.5]) stehen die beiden Funktionen eines QM-Sys-
tems – reproduzierbare Produkt- und Dienstleistungserbringung sowie gelenkte
Fehlerbehebungsmechanismen – im Fokus, weil die Fehlfunktion eines Produkts
nicht nur den Anwender betreffen, sondern darüber hinaus einen direkten oder
indirekten gesundheitsgefährdenden Einfluss auf den Patienten haben kann. Aus
dieser potenziellen Gefährdungslage heraus ist es verständlich, dass für die
Entwicklung, die Herstellung und die Vermarktung von Medizinprodukten hohe
2 1 QM-Systeme
e) ein Risikomanagement,
f) die klinische Bewertung einschließlich der klinischen Nachbeobachtung,
g) Vorgaben zur Produktrealisierung,
h) ein UDI-System,
i) ein PMS-System (zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen),
j) die Kommunikation mit den zuständigen Behörden, Benannten Stellen, etc.,
k) ein Verfahren für die Meldung von schwerwiegenden Vorkommnissen und
Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld,
l) das Management korrektiver und präventiver Maßnahmen sowie
m) Verfahren zur Überwachung und Messung der Ergebnisse, Datenanalyse und
Produktverbesserung.
Viele der genannten Anforderungen finden sich nicht im weltweit am weitesten
verbreiteten QM-System, der ISO 9001:2015 [1.6]. Im Unterschied zum „traditio-
nellen“ ISO 9001 QM-System finden sich in den beiden genannten Verordnungen
allerdings keine Vorgaben in Hinblick auf „business excellence“ (z. B. Steigerung
von Effizienz der Abläufe und Prozesse, Wissens- und Chancenmanagement, Kun-
denzufriedenheit . . .), weil die kurzfristigen „Stellschrauben“ einer Organisation
im Medizinproduktemarkt zur Verbesserung der Geschäftsergebnisse dort enden
müssen, wo durch Produkt- oder Prozessänderungen eine Gefährdung von Anwen-
dern oder Patienten nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden
kann.
1.2 Die wesentlichen Anforderungen der ISO 13485 3
Das im Bereich der Medizintechnik relevante QM-System ist daher die EN ISO
13485:2016 [1.7]. Sie enthält spezielle Anforderungen, die dem Thema Produkt
sicherheit höchste Priorität geben. Eine zentrale Stellung kommt dabei dem Risiko-
management zu, wo an all jenen Stellen explizit die Etablierung und Umsetzung
eines risikobasierten Vorgehens gefordert wird, wo die Produktfunktionalität oder
die Sicherheit des Patienten beeinträchtigt werden könnte. Die Forderungen der ISO
13485 werden durch eine Vielzahl an nationalen und internationalen Gesetzen, Nor-
men und Standards ausgeführt und ergänzt. Erst im Kontext der gesamten „Regulie-
rungshierarchie“ können die Anforderungen an Medizinproduktehersteller vollstän-
dig verstanden und in ein „hinreichendes“ QM-System implementiert werden.
Für den US-amerikanischen Markt bildet der 21 CFR 820 [1.8], auch QSR oder
cGMP abgekürzt, die gesetzliche Basis für Medizinproduktehersteller. Sie ist in
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BEACHTE:
Bei Vorhandensein eines zertifizierten QM-Systems nach ISO 13485 wurde bisher
angenommen, dass die auf dem Markt zugelassenen Produkte allen Vorschriften
im EU-Raum, insbesondere [1.1] bis [1.3] entsprechen (sogenannte harmonisierte
Norm). Die aktuelle Version der ISO 13485 aus dem Jahr 2016 [1.7] wurde jedoch,
wie etliche andere Normen, nicht mehr mit der neuen Medizinprodukte- bzw. In-
vitro-Diagnostik-Verordnung [1.4] und [1.5] harmonisiert, sodass sich bei Erfüllung
der ISO-13485:2016-Normforderungen nicht automatisch eine Erfüllung aller
Forderungen der beiden oben genannten EU-Verordnungen ergibt.
4 1 QM-Systeme
k) die Verfahren für die Meldung von schwer- Details für Vigilanz-
wiegenden Vorkommnissen und Sicherheits- Reporting und Termine
korrekturmaßnahmen im Feld im Rahmen fehlen
der Vigilanz;
Auch wenn ein QM-System nach ISO 13485:2016 nicht mehr eine „automatische
Übereinstimmung und Compliance“ mit den Anforderungen der MPV bzw. IVDV
bedeutet und jeder Hersteller angehalten ist zu prüfen, ob die neuen EU-Verord-
nungen zusätzliche Anforderungen enthalten, kann die ISO 13485:2016 trotzdem
sehr gut als Basis und Ausgangspunkt für ein „Medizinprodukte-/In-vitro-Diagnos-
tika-konformes QM-System“ herangezogen werden.
Je nach Kritikalität eines Produkts kann der Nachweis der Übereinstimmung des
QM-Systems mit den Anforderungen der angeführten EU-Vorschriften entweder
durch eine Selbstdeklaration des Herstellers erfolgen oder es bedarf einer zusätzli-
chen Bestätigung durch eine sogenannte Benannte Stelle (Notified Body). Erst nach
positiver Bewertung, dass ein mit den EU-Vorschriften konformes QM-System vor-
liegt, gibt es die Ermächtigung zur Kennzeichnung der Produkte mit dem CE-Kenn-
zeichen, was gleichzeitig die Erlaubnis beinhaltet, ein Medizinprodukt oder In-
vitro-Diagnostikum nach Registrierung bei einer national zuständigen Behörde in
der gesamten Europäischen Union in Verkehr zu bringen. Darüber hinaus haben
einige Länder außerhalb der EU spezielle nationale Anforderungen an das QM-
System, wie z. B. Kanada oder Japan, die, falls eine Vermarktung in diesen Ländern
geplant ist, in der Zertifizierung zu berücksichtigen sind. Details dazu siehe Ab-
schnitt 3.2, Punkt „Registrierung“.
1.2 Die wesentlichen Anforderungen der ISO 13485 5
BEACHTE:
Es muss klar zwischen Medizinprodukteherstellern auf der einen Seite und Zulie-
ferern auf der anderen Seite unterschieden werden. Erstere müssen ein den Ge-
setzen [1.1] bis [1.5] konformes QM-System aufrechterhalten, währenddessen für
Letztere ein zertifiziertes QM-System keine unbedingte Notwendigkeit darstellt.
Medizinproduktehersteller fordern jedoch bei der Auswahl ihrer Zulieferer vermehrt
eine Zertifizierung nach einem internationalen Standard oder legen die zutreffen-
den Anforderungen der MPV oder IVDV als vertragliche Bestandteile im Rahmen
einer Qualitätssicherungsvereinbarung fest, z. B. als Zusatz zum einem bestehen-
den ISO-9001-QM-System des Zulieferers (siehe dazu auch Kapitel 11, Lieferan-
tenmanagement). Relevante Zulieferer von Medizinprodukteherstellern ohne zer-
tifiziertes QM-System werden heute kaum noch akzeptiert. Lieferanten von
produktkritischen Materialien und Dienstleistungen wird auf Dauer auch eine
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Zertifizierung nach ISO 13485 nahegelegt. Die vom Hersteller als „kritisch“ ge-
nannten Zulieferer haben nach den neuen EU-Verordnungen [1.4] und [1.5] auch
jederzeit mit unangemeldeten Audits von Behörden oder Notified Bodies zu rech-
nen (Anhang VII (4.5.2) MPV/IVDV).
Beachte in diesem Zusammenhang auch die Anforderungen an Bevollmächtigte,
Importeure und Händler lt. Art. 11 bis 16 MPV und IVDV.
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jetzt durch die gesamte Norm, wobei neben den Risiken auch die Chancen, im Sinn
des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, angesprochen werden. Planung,
Durchführung und Bewertung der Leistung wurden getrennt und damit transpa-
renter zuordenbar. Themen wie Kommunikation und Kompetenz erhielten eine
stärkere Betonung, Wissen und das Managen von Wissen wurden erstmalig expli-
zit gefordert. Spätestens ab September 2018 müssen alle nach ISO 9001 zertifizier-
ten Organisationen ihr QM-System auf die Revision 2015 umgestellt haben.
International stellt die EN ISO 13485 die normative Basis für die Anforderungen
an ein QM-System für Medizinproduktehersteller dar. Dieser Standard beschreibt
ein übergreifendes Managementsystem zum Design, zur Herstellung und zum Ver-
trieb von Medizinprodukten. Die ISO 13485 wurde erstmals 2003 veröffentlicht und
löste früher gültige Dokumente ab, z. B. die ISO 46001 und ISO 46002 (beide von
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1997) sowie die ISO 13488 (von 1996). Diese Erstausgabe wurde in den Jahren
2007, 2009 und 2012 geringfügig modifiziert, bevor sie 2016 umfangreich überar-
beitet und den internationalen Guidelines der IMDRF/GHTF und dem CFR 21 Part
820 angepasst wurde.
Die ISO 13485:2016 [1.7] hat ihre Kapitelstruktur mit acht Kapiteln vorerst beibe-
halten und sich damit noch weiter als bisher von der ISO 9001-Familie entfernt.
Auch inhaltlich wurde die Distanz zwischen den beiden Normen größer. Während
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sich die neue ISO 9001:2015 verstärkt in Richtung Business Excellence-Modell ent-
wickelt, orientiert sich die ISO 13485:2016 weiterhin vordringlich an der Produkt-
sicherheit und -leistung. Das drückt sich unter anderem in den zahlreichen For
derungen nach einem umfassenden Risikomanagement aus. So wird allein in
Kapitel 7, „Produktrealisierung“, achtmal die adäquate Berücksichtigung des „ver-
bundenen Risikos“ gefordert. Ein risikobasierter Ansatz ist z. B. bei der Validie-
rung und Revalidierung von Computersoftware gefordert (Abschnitt 7.5.6) und
auch im Beschaffungsprozess (Abschnitt 7.4.1) wird stärker als bisher auf das Ri-
siko des beschafften Produkts im Zusammenhang mit dem Endprodukt abgestellt.
Sowohl die (initiale) Auswahl von Lieferanten als auch Maßnahmen mit dem Liefe-
ranten aufgrund der Nichterfüllung von Beschaffungsanforderungen müssen im
Verhältnis zum Risiko und unter Einhaltung der geltenden gesetzlichen Bestim-
mungen erfolgen. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen, dass sich in
der ISO 13485:2016 die Hinweise auf „regulatorische Anforderungen“ (Gesetze,
Vorschriften, Bestimmungen, Verordnungen) gegenüber der Ausgabe 2012 von
bisher sieben auf nunmehr 36 erhöht haben. So muss z. B. der Umfang der Rück-
verfolgbarkeit den regulatorischen Anforderungen entsprechen und, falls regulato-
risch gefordert, ein dokumentiertes System zur eindeutigen Geräteidentifikation
umfassen (Abschnitt 7.5.8). Da ein Unique Device Identifier (UDI) in der MPV bzw.
IVDV gefordert wird, ist dies damit automatisch eine Anforderung des QM-Sys-
tems! Um das Produkt vor Veränderung, Verunreinigung oder Beschädigung unter
den zu erwartenden Bedingungen bei der Verarbeitung, Lagerung, Handhabung
1.2 Die wesentlichen Anforderungen der ISO 13485 7
Neu bei den Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen ist, dass ein expliziter
Marktbeobachtungsprozess (Post-Market Surveillance – PMS) gefordert wird und
dass Korrekturmaßnahmen verifiziert werden müssen, um sicherzustellen, dass
keine unerwünschten Nebeneffekte auftreten (siehe u. a. Abschnitt 8.4 und 8.5).
Aufgrund der zahlreichen zusätzlichen Forderungen, inklusive Hinweisen auf re-
gulatorische Anforderungen und Risikomanagement, zusätzlicher Anforderungen
an Validierung, ausgegliederte Prozesse, Lieferantenmanagement, Kundenrück-
For personal use only.
meldungen sowie an Vorgaben und Aufzeichnungen, hat das QM-System nach der
neuen ISO 13485:2016 eine Erhöhung des Arbeitsaufwandes gegenüber der Ver-
gangenheit mit sich gebracht. Der nunmehr große systemische Unterschied zwi-
schen der ISO 9001:2015 und der ISO 13485:2016 und der dadurch zu erwartende
Mehraufwand werden so manchen Hersteller zur Abwägung zwingen, ob er in Zu-
kunft beide Zertifizierungen (ISO 9001 und ISO 13485) aufrechterhalten will oder
ob er mit einer Zertifizierung nach ISO 13485 alleine sein Auskommen findet. Der
ursprüngliche Ansatz, den Einstieg mit der generellen ISO 9001 zu ermöglichen
und anschließend eine weiterführende Spezialisierung durchzuführen, wird auf-
grund der unterschiedlichen Kapitelstruktur und abweichender Anforderungen
neu zu überdenken sein. Es kann jedoch für Firmen, die nicht nur Medizinpro-
dukte herstellen, sondern auch andere Märkte beliefern, sehr wohl gerechtfertigt
sein, auch weiterhin beide QM-Systeme aufrechtzuerhalten. Dies ist jedoch im Ein-
zelfall zu bewerten.
Normen wesentlich vergrößert. Die ISO 13485:2016 [1.7] unterscheidet sich von
der ISO 9001:2015 [1.6] in Kurzform vor allem in folgenden Punkten:
Fokus auf Produktsicherheit und -leistung, wohingegen Business Excellence
kein Thema ist,
hohe Anzahl an geforderten dokumentierten Verfahren (33),
spezifische Anforderungen bei der Erstellung, Freigabe, Änderung und Archi-
vierung von Vorgabe- und Nachweisdokumenten,
vielfacher Verweis auf die Beachtung und Befolgung regulatorischer Vorgaben,
Stakeholder Management eingeschränkt auf Kunden- und regulatorische For-
derungen,
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sind. Jede größere Änderung bedeutet nun, dass ein Teil oder sogar alle dieser
Schritte und Zulassungen neu gestartet werden müssen. Dieser Aufwand kann in
vielen Fällen durch den erwarteten Zusatznutzen nicht begründet werden.
1.2.2.2 Managementverantwortlichkeit
Verantwortung und Befugnisse müssen in der ISO 13485 nicht nur festgelegt und
bekannt gemacht, sondern auch dokumentiert werden. In der regelmäßigen Ma-
For personal use only.
BEACHTE:
Bei vielen Inspektionen, speziell durch die FDA, werden Abweichungen zum Punkt
Managementverantwortlichkeit festgestellt. Vom Management wird in diesem Punkt
erwartet, dass es insbesondere über Reklamationen und Abweichungen regelmäßig
informiert wird und geeignete Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen aktiv unter-
stützt (durch geeignete Prozesse, ausreichende Ressourcen, trainierte Mitarbeiter
und Vorgabe und Nachhalten geeigneter Ziele). Außerdem muss das Management
durch regelmäßige interne Audits sicherstellen, dass alle Vorgaben des QM-Sys-
tems wirksam und nachhaltig umgesetzt werden.
10 1 QM-Systeme
1.2.2.3 Produktentwicklung
Die ISO 13485 fordert in Abschnitt 7.3, dass für Design und Entwicklung ein fest-
gelegtes Verfahren dokumentiert ist. Dieses Verfahren muss für jede Entwick-
lungsphase eine Bewertung, Verifizierung und Validierung des Designs beinhal-
ten. Produktanforderungen (Spezifikationen bzw. Kundenanforderungen) müssen
festgelegt und dokumentiert sein, insbesondere Festlegungen zur Gebrauchs-
tauglichkeit. Dokumentierte Vorgaben für die Übertragung der Entwicklungs
ergebnisse in die Produktion sowie für die Lenkung von Design- und Entwick-
lungsänderungen sind gefordert. Grundsätzlich müssen über alle Design- und
Entwicklungsergebnisse Aufzeichnungen geführt werden (Design History File). De-
tails dazu siehe Kapitel 4, Entwicklung von Medizinprodukten.
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BEACHTE:
Die abschließende Entwicklungsvalidierung ebenso wie klinische Studien müssen
mit Serien- oder zumindest mit „seriennahen“ Teilen und Produkten durchgeführt
werden (siehe auch ISO 13485:2016 Abschnitt 7.3.7).
1.2.2.6 Risikomanagement
MPV und IVDV fordern in Art. 10(2), dass der Hersteller ein Risikomanagement-
system einrichten, dokumentieren, anwenden und aufrechterhalten muss. Wie in
Anhang I, Abschnitt 3 der Verordnungen ausgeführt, muss das Unternehmen
einen kontinuierlichen iterativen Risikomanagementprozess während des gesam-
ten Lebenszyklus eines Produkts (von der Entwicklung über die Produktion, Aus-
lieferung, Inbetriebnahme und Service bis zur Außerbetriebnahme) aufrecht er-
halten. Das heißt, das „Risikomanagement-File“ ist zu allen wichtigen Meilensteinen
während der Produktentwicklung und in weiterer Folge in regelmäßigen Abstän-
den, vor allem aber auch bei Änderungen oder nach Auftreten außergewöhnlicher
Ereignisse (z. B. gehäufte Ausfälle in der Produktion, Kundenreklamationen, Pro-
duktrückrufe, Hinweise aus der Literatur etc.) zu überprüfen und gegebenenfalls
zu aktualisieren. Über den Ablauf des Prozesses sowie die identifizierten Risiken
und die getroffenen Maßnahmen zur Reduzierung der erkannten Risiken müssen
nachvollziehbare Aufzeichnungen geführt werden. Die Ergebnisse aus dem Risiko-
managementprozess sollen unter anderem auch als Anforderungen in neue De-
sign- und Entwicklungsprojekte einfließen. Details dazu siehe auch Kapitel 2, Risi-
komanagement.
12 1 QM-Systeme
BEACHTE:
Im Medizinprodukte- und im In-vitro-Diagnostika-Bereich hat sich die EN ISO
14971:2019 [1.9] als Standard für den Risikomanagementprozess etabliert. Diese
Norm legt die Terminologie, die Grundsätze und den Prozess für das Risikoma-
nagement fest. Obwohl die aktuelle Version dieses Standards (noch) nicht mit der
MPV/IVDV harmonisiert ist, sind die Anforderungen weitgehend abgestimmt und
können, mit geringfügigen Ergänzungen als Leitlinie für eine „State of the Art“-
Umsetzung herangezogen werden.
Hinweise zur Anwendung der ISO 14971 inklusive Informationen zum Zusammen-
hang zwischen den EU-Richtlinien über Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika
können dem Leitfaden der ISO/TR 24971 entnommen werden.
Gegenüber der vorangegangenen Version ISO 14971:2013 wurden vor allem Fest-
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ihrer Leistungsfähigkeit überwacht werden. Das kann z. B. in Form von Verfah-
rensanweisungen erfolgen, die die Festlegung der Kritikalität von zugekauften Tei-
len und Dienstleistungen regeln, die Lieferantenauswahl inklusive Erstmuster
freigabe, die Wareneingangskontrolle etc. Die Auswahl der Lieferanten hat dabei
sowohl die Kritikalität der zugekauften Teile und Dienstleistungen als auch die
Prüfbarkeit/Erkennbarkeit eventueller Produktmängel zu berücksichtigen. Eine
Qualitätssicherungsvereinbarung zwischen Hersteller und Lieferant soll vor Auf-
tragsvergabe abgeschlossen werden, um sowohl die Qualität der gelieferten Pro-
dukte als auch die Fähigkeit des Lieferanten auf Dauer sicherzustellen. Diese Ver-
einbarung soll des Weiteren Verpflichtungen des Lieferanten umfassen, wie z. B.
die Aufrechterhaltung eines QM-Systems, Durchführung von Wareneingangs- und
In-Prozess-Kontrollen, Führung von Aufzeichnungen, Erlaubnis von Inspektionen,
die Mitteilung von Änderungen und eine eindeutige Kommunikationsmatrix (wer
wann bei welchem Ereignis zu informieren ist). Das Ergebnis aller Prüfungen und
Entscheidungen muss entsprechend dokumentiert werden. Details dazu siehe in
Kapitel 11, Lieferantenmanagement.
BEACHTE:
Laut Anhang II Kapitel 3 MPV und IVDV [1.4] und [1.5] muss der Hersteller in der
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BEACHTE:
Produktfreigaben fordern in aller Regel ein Vier-Augen-Prinzip!
Konnte eine Produktprüfung oder Freigabe nicht erfolgreich bestanden werden,
muss zuerst versucht werden, die Ursache dafür zu ergründen. Anschließend sind
geeignete Abhilfemaßnahmen zu setzen, bevor die Prüfungen wiederholt werden
können. Ein testing into compliance ist ein schwerer Verstoß gegen die Anforde-
rungen des QM-Systems.
Ein spezielles Thema der ISO 13485 ist die Identifikation und Rückverfolgbarkeit
von Produkten. Während der gesamten Produktherstellung und während dessen
gesamter Lebensdauer muss das Unternehmen gewährleisten, dass das Produkt
eindeutig identifizierbar ist. Auch hier ist ein dokumentiertes Verfahren gefordert,
welches die Handhabung und die geforderten Aufzeichnungen umfasst. Die Rück-
verfolgbarkeit soll einerseits sicherstellen, dass keine fehlerhaften Produkte den
Markt erreichen; andererseits müssen fehlerhafte Produkte im Markt rasch identi-
fiziert und bei Notwendigkeit etwaige Rückrufe vom Markt, ohne unnötige Zeitver-
14 1 QM-Systeme
1.2.3 Dokumentenmanagement
Eine der Hauptforderungen der ISO 13485, aber auch des 21 CFR 820 ist, dass so-
wohl alle Vorgaben als auch alle Nachweise dokumentiert sein müssen. Ein bei
Medizinprodukteherstellern in der Zwischenzeit allgemein anerkannter Grund-
satz der FDA lautet deshalb: „What is not documented is not existent.“ Dieser
For personal use only.
Grundsatz ist aus den beiden Anforderungen nach Wiederholbarkeit und Rückver-
folgbarkeit zu erklären. Wiederholbarkeit als Voraussetzung für einen stabilen Pro-
zess und daraus folgend reproduzierbare Ergebnisse und „sichere“ Produkte;
Rückverfolgbarkeit als Voraussetzung für die eindeutige Identifikation von fehler-
haften Produkten und die damit verbundene rasche Einleitung von entsprechen-
den Korrekturmaßnahmen. Ein gut beschriebenes, implementiertes und vor allem
„gelebtes“ Dokumentenmanagement ist daher eine der Hauptsäulen eines funktio-
nierenden QM-Systems für Medizinproduktehersteller.
BEACHTE:
Die Anforderung an die Dokumentation hat sich bei den EU-Verordnungen [1.4]
und [1.5] gegenüber den bisherigen Richtlinien [1.1] bis [1.3] wesentlich erhöht,
und es ist zu erwarten, dass in Zukunft von den Benannten Stellen mehr Beanstan-
dungen in diesem Bereich zu erwarten sind, insbesondere betreffend die Technische
Dokumentation lt. Anhang II. Auch bei den Warning Letters der FDA werden in
ungefähr einem Viertel schwere Verstöße gegen die Dokumentenmanagement-
vorschriften festgestellt. Entweder gibt es keine beschriebenen Vorgaben in diesem
Bereich oder das Änderungsmanagement weist gravierende Mängel auf. Aber auch
Fehler bei der Dokumentenaufbewahrung, nicht durchgeführte periodische Reviews
und unzureichende Kommunikation und Schulung der Dokumente werden bean-
standet.
1.2 Die wesentlichen Anforderungen der ISO 13485 15
denden Regularien und Standards zu sein. Für Vorgabedokumente muss ein Ände-
rungswesen beschrieben sein. Es hat sich bewährt, dass für die Erstellung und
Lenkung von Vorgaben der jeweilige Bereichs- oder Prozessverantwortliche Sorge
trägt.
Die Ergebnisse von qualitätsrelevanten Tätigkeiten (z. B. Entwicklung, Test, Prü-
fung, Montage, Wartung, Überwachung, Registrierung, Audit) müssen aufgezeich-
net werden. Diese Nachweisdokumente sollen die Qualität der Produkte und Pro-
For personal use only.
TIPP:
Sitzungsprotokolle, wie z. B. Protokolle von Management- oder Projektteamsitzun-
gen, sind nur dann qualitätsrelevant und müssen gelenkt werden, wenn Sachver-
halte oder Entscheidungen, die Gegenstand oder Ergebnis der Sitzung sind, einen
Einfluss auf die Funktionalität oder Sicherheit der Produkte oder Prozesse haben
könnten und jene Entscheidungen nur in diesen Protokollen dokumentiert werden.
TIPP:
Alle Mitarbeiter sollen in die grundlegenden Prinzipien des Dokumentenmanage-
ments eingeschult werden.
Änderungen am Dokument sollen gelenkt und nur von jenen Personen bewertet
und genehmigt werden, die das schon in der Originalversion durchgeführt haben.
Sind einzelne Personen nicht mehr verfügbar, müssen Personen der entsprechen-
den Funktionseinheit oder entsprechend fachlich versierte Personen als Ersatz ge-
funden werden.
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BEACHTE:
Wenn ein Mitarbeiter abwesend ist, unterschreibt sein offiziell benannter Vertreter
gemäß den dokumentierten Regelungen. Der Name der ursprünglichen Person
muss vom Vertreter ausgestrichen, der Name der vertretenden Person in Klarschrift
hinzugefügt werden.
BEACHTE:
Nachweisdokumente dürfen nur dann geändert werden, wenn sie fehlerhaft oder
unvollständig sind.
For personal use only.
BEISPIEL:
Ein diagnostisches Testkit wird fünf Jahre lang vermarktet. Die maximale Verwen-
dungsdauer beträgt drei Jahre ab Produktion. Daraus ergibt sich folgende minimale
Aufbewahrungsdauer für
Entwicklungsdokumente: Zeit bis zur Produktfreigabe + 5 + 3 + 2 = 10 Jahre ab
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Produktfreigabe/Beginn Serienproduktion
Produktionsaufzeichnungen Testkits: 3 + 2 = 5 Jahre
Reklamationsberichte: 2 Jahre (für Reklamationsstatistiken und -trends gelten in
der Regel wesentlich längere Aufbewahrungsverpflichtungen)
TIPP:
In der Realität haben sich Aufbewahrungsfristen von zehn Jahren etabliert, welche
For personal use only.
sich aus verschiedenen Gründen (z. B. Schutz geistigen Eigentums) auch noch
wesentlich verlängern können. Alle Dokumente müssen innerhalb der Aufbewah-
rungszeit vor Zerstörung oder Veränderung geschützt werden. Bewahren Sie daher
Ihre qualitätsrelevanten Papierdokumente und -aufzeichnungen in feuer-, wasser-
und einbruchssicheren Schränken oder Räumen auf.
Für elektronische Daten sind geeignete Sicherungsverfahren vorzusehen.
Legen Sie elektronische Daten nur auf solchen Speichermedien ab, die für die
vorgesehene Aufbewahrungszeit geeignet sind. Handelsübliche CDs/DVDs sind
z. B. nicht für Aufbewahrungszeiten von über zehn Jahren geeignet.
Stellen Sie bei elektronischen Daten sicher, dass diese auch auf einer zukünftigen
Hardware- und Softwareplattform gelesen werden können. Ansonsten müssen Sie
die entsprechenden IT-Systeme mitarchivieren.
Stellen Sie sicher, dass alle Ihre qualitätsrelevanten Dokumente und Daten inner-
halb vertretbar kurzer Fristen zugreifbar sind (sogenannte Inspektionsvorlagefrist).
BEACHTE:
Mit Inkrafttreten der neuen EU-Verordnungen gelten verlängerte Mindestaufbe-
wahrungsfristen relevanter Dokumente von zehn Jahren und im Falle von implan-
tierbaren Produkten von 15 Jahren (siehe u. a. [1.4] Anhang IX Abschnitt 8 und
[1.5] Anhang IX Abschnitt 7).
1.2 Die wesentlichen Anforderungen der ISO 13485 19
chende Verknüpfung von Originalfile und Ausgabemedium (z. B. File liegt auf
einem zugriffsgeschützten Speichermedium, Zugriff erfolgt ausschließlich über
die Homepage des Firmen-Intranets).
BEACHTE:
Wenn Sie ein ursprüngliches Papieroriginaldokument, z. B. Produktionsaufzeich-
nungen (batch records), einscannen, elektronisch archivieren und anschließend
vernichten wollen, müssen Sie vorab genaue Festlegungen treffen, wie dies zu
For personal use only.
geschehen hat, damit das elektronische Dokument von einer Behörde als äquiva-
lent anerkannt wird. Stellen Sie vor allem sicher, dass ein zumindest stichproben-
artiger Vergleich Papier-/elektronisches Dokument durch eine entsprechend
geschulte Person erfolgt.
1.3 Literatur
[1.1] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 169 vom 12. 07. 1993: Richtlinie
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ordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG
des Rates (MPV). Verfügbar unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2017/745/oj/deu, abgerufen am
19. 04. 2021.
[1.5] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 117/176 vom 05. 05. 2017: Verord-
nung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-
Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der
Kommission (IVDV). Verfügbar unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2017/746/oj/deu, abgerufen
am 19. 04. 2021.
[1.6] Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 9001:2015-11 Qualitätsmanagementsysteme –
Anforderungen.
[1.7] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN ISO 13485:2016 Medical de-
vices – Quality management systems – Requirements for regulatory purposes. 2016. (Deutsche
Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 13485:2016-08, Medizinprodukte – Qua-
litätsmanagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke. Beuth, 2016.).
[1.8] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Code of Federal Regulations Title 21, Volume 1, Part 820
(21 CFR 820), Quality System Regulation 2012, https://www.ecfr.gov/cgi-bin/text-idx?SID=3620d26
f64d1b0bdb3605145d6211b4a&mc=true&node=pt21.8.820&rgn=div5, abgerufen am 19. 06. 2021.
[1.9] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN ISO 14971:2019 Medical de-
vices – Application of risk management to medical devices. 2019. (Deutsche Fassung: Deutsches
Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 14971:2019 Medizinprodukte – Anwendung des Risikoma-
nagements auf Medizinprodukte. Beuth, 2020-07.).
[1.10] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Unique Device Identification, Doc. 2013 – 23059,
24. 09. 2013. Verfügbar unter: http://www.fda.gov/udi/.
[1.11] IMDRF: UDI Guidance – Unique Device Identification (UDI) of Medical Devices, IMDRF/WG/
N7FINAL:2013, Dezember 2013.
[1.12] The EFQM Excellence Model. Verfügbar unter: https://www.efqm.org/efqm-model/, abgerufen
am 28. 03. 2021.
2 Risikomanagement
B. Gübitz, U. Klinger
SCHWERPUNKTE:
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2.1 Einleitung
Risikomanagement wird bei der Realisierung von Medizinprodukten als zentrale
Methode eingesetzt, um einerseits die Qualität der entwickelten und hergestellten
Produkte sicherzustellen und andererseits die Konformität mit den behördlichen
Anforderungen zu gewährleisten.
Ziel des Risikomanagements ist es, Produkte bzw. Prozesse hinsichtlich ihrer Kri-
tikalität zu bewerten und darauf aufbauend entsprechende Maßnahmen zur Risi-
kokontrolle bzw. Risikominimierung zu entwickeln. Dadurch kann die Qualität der
Produkte und Prozesse gesteigert werden. Zusätzlich werden auch nur die wirklich
notwendigen Maßnahmen zur Risikokontrolle ermittelt, was beispielsweise bei
Korrektur- und Präventionsmaßnahmen zur Reduktion der Kosten bzw. Ressour-
cen führen kann.
Im folgenden Kapitel werden die rechtlichen Grundlagen und die Anforderungen
an den Risikomanagementprozess für Medizinprodukte beschrieben. Dabei wer-
den die einzelnen Phasen des Risikomanagementprozesses sowie die zu erstellen-
den Dokumente allgemein erläutert. Weiterhin werden mögliche Methoden zur
Umsetzung des Risikomanagementprozesses dargestellt.
22 2 Risikomanagement
ses in den nationalen Medizinproduktegesetzen (z. B. [2.2], [2.3]) sowie in den seit
2017 in Kraft getretenen europäischen Verordnungen für Medizinprodukte [2.18]
und In-vitro-Diagnostik-Produkte [2.19] gefordert. Die neuen Verordnungen lösen
die bislang geltenden Richtlinien [2.4], [2.5], [2.6] ab, die im Vergleich zu den Ver-
ordnungen das Thema Risikomanagement nun etwas detaillierter behandeln.
Wesentlicher Bestandteil beider Verordnungen sind die in den Anhängen I festge-
haltenen „Allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen“ (general safety
For personal use only.
tätsbewertungsverfahren relevant.
Bild 2.1 zeigt den Zusammenhang zwischen Direktiven (Richtlinien), Gesetzen,
Forderungen und Normen.
Naonale Gesetze
fordert
empfiehlt
In der Norm ISO 14971 wird die Vorgehensweise für die Umsetzung eines Risiko-
managementprozesses für Medizinproduktehersteller dargestellt. Dabei sind sämt-
liche Phasen des Produktlebenszyklus (von der Konzeption bis zur endgültigen
Außerbetriebnahme und Entsorgung) zu betrachten. Die Umsetzung des Risiko
24 2 Risikomanagement
[2.20], die derzeit als Technical Report aufliegt, ausgelagert worden. Die 24971 ist
als praktikabler Leitfaden für die Umsetzung des Risikomanagementprozesses zu
empfehlen.
2.3 Risikomanagementprozess nach
For personal use only.
ISO 14971
Die Anwendung von Medizinprodukten birgt für Patienten bzw. Anwender immer
ein gewisses Risiko. Daher müssen Medizinprodukte so entwickelt, hergestellt
und angewendet werden, dass das Restrisiko für den Patienten bzw. den Anwender
minimiert ist bzw. der Nutzen der Anwendung überwiegt. Nur durch eine hohe
Produktsicherheit und Produktqualität kann eine hohe Patienten- bzw. Anwender-
sicherheit gewährleistet werden. Aus diesem Grunde ist ein Medizinprodukteher-
steller verpflichtet, über den kompletten Produktlebenszyklus einen Risikoma-
nagementprozess zu etablieren.
Bei Risikobeurteilungen für Medizinprodukte betrachtet man generell die Eignung
des inverkehrzubringenden Produkts für seine Zweckbestimmung, wobei die Si-
cherheit für Patienten, Anwender und Dritte im Vordergrund steht, aber auch Aus-
wirkungen auf Umwelt oder Eigentum behandelt werden.
Für Risikobeurteilungen bei der Herstellung von Medizinprodukten steht die Qua-
lität des herzustellenden Medizinprodukts im Fokus.
Für die Etablierung eines Risikomanagementprozesses ist es einerseits notwendig,
die rechtlichen Grundlagen und Anforderungen an den Risikomanagementprozess
zu kennen und andererseits die Anforderungen praxisgerecht umzusetzen. Die
Norm ISO 14971 beschreibt einen Risikomanagementprozess mit folgenden Ele-
menten:
2.3 Risikomanagementprozess nach ISO 14971 25
Risikoanalyse,
Risikobewertung,
Risikobeherrschung,
Bewertung von Informationen aus der Herstellung und der Herstellung nach-
gelagerten Phasen (z. B. Transport, Lagerung, Installation, Verwendung des
Produkts, Wartung, Reparatur, Veränderungen am Produkt, Außerbetrieb-
nahme und Entsorgung).
Bild 2.2 zeigt eine schematische Darstellung des Risikomanagementprozesses
nach ISO 14971.
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For personal use only.
2.3.1 Risikoanalyse
Eine Risikoanalyse (RA) für Medizinprodukte ist als die systematische Verwen-
dung von verfügbaren Informationen zur Identifizierung von Gefährdungen und
Einschätzung von Risiken definiert. Dazu gehört die Untersuchung unterschied
licher Auswirkungen von Ereignissen, die Gefährdungssituationen und Schäden
bewirken können [2.8].
Diese Definition zeigt bereits, dass es notwendig ist, die verschiedenen Begriffe,
die im Risikoanalyseprozess verwendet werden, genauer zu erklären, da Verwechs-
lungen der Begrifflichkeiten häufig zu fehlerhaften Analysen bzw. zu Fehleinschät-
zungen führen könnten:
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Schaden
Physische Verletzung oder Schädigung der menschlichen Gesundheit oder
Schädigung von Gütern oder der Umwelt.
Gefährdung
Potenzielle Schadensquelle.
Gefährdungssituation
For personal use only.
Umstände, unter denen Menschen, Güter oder die Umwelt einer oder mehre-
ren Gefährdungen ausgesetzt sind.
Risiko
Kombination der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Schadens (Auftre-
tenswahrscheinlichkeit) und des Schweregrades dieses Schadens, wobei der
Schweregrad als Maß der möglichen Auswirkungen einer Gefährdung defi-
niert ist.
lung dazu ist die Tabelle C.1 im Anhang C der Norm ISO 14971 [2.8] gut geeignet.
Diese Tabelle beinhaltet Beispiele von Gefährdungen, die in die Gruppen
energetische Gefährdungen,
biologische und chemische Gefährdungen,
leistungsbezogene Gefährdungen
unterteilt werden können. Zusätzlich dienen verschiedene Methoden des Risiko-
managements bzw. der Fehleranalyse als Informationsquellen, um potenzielle Ge-
fährdungen zu identifizieren (z. B. FMEA oder FTA, siehe dazu Abschnitt 2.2).
Bei der Identifizierung von Gefährdungen ist die Differenzierung von Gefährdung
und Gefährdungssituation essenziell für die Einschätzung von Risiken, die mit der
Anwendung des Produkts in Zusammenhang stehen. Ein gutes Verständnis ver-
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BEACHTE:
In Risikoanalysen wird oft diskutiert, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens
eines Fehlers hoch ist. Damit wird die Wahrscheinlichkeitseinstufung auch sehr
hoch angesetzt. Dabei bedenkt man jedoch nicht, dass auch die Gefährdungs
situation mit berücksichtigt werden muss und die Gesamtbeurteilung auf der
Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Schadens basieren muss.
Gefährdung
Gefährdungs-
situaon
P2
Schaden
Wahrscheinlichkeit
Schweregrad des
des Auretens des Risiko
Schadens
Schadens
P1 • P2
Für die Einschätzung von Schäden sollte zuallererst überlegt werden: „Was sind
mögliche maximale und minimale relevante Schäden?“, um in weiterer Folge auf
eine vernünftige Einteilung und Abstufung des Schweregrades zu kommen. Mög
liche Schäden sind z. B.:
Tod,
dauerhafte Behinderung,
Verringerung der Lebenserwartung,
Beeinträchtigung einer Körperfunktion,
Unannehmlichkeiten/Beschwerden.
Zusätzlich sollten für die Einteilung des Schweregrades in unterschiedliche Kate-
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Schadens sind die Einstufungstabellen (siehe Tabelle 2.1 und Tabelle 2.2) als Bei-
spiel angeführt.
Die Anzahl der Grade der Einstufungen sollte nicht zu hoch sein, da die Einteilung
bei qualitativen Stufenbeschreibungen oft nicht klar zuordenbar ist bzw. nicht re-
produzierbar erfolgen kann. Eine Abstufung zwischen drei bis fünf erscheint als
For personal use only.
2.3.2 Risikobewertung
Die Risikobewertung definiert die Norm ISO 14971 als „Prozess des Vergleichs des
eingeschätzten Risikos mit gegebenen Risikokriterien, um die Akzeptanz des Risikos
zu bestimmen“. Da ein Risiko als Kombination von Schadensausmaß und Wahr-
scheinlichkeit betrachtet werden soll, ist eine Matrix als Darstellungsform gut ge-
eignet. Dabei soll jede Kombination der beiden Faktoren einer bestimmten Risiko-
einstufung zugeordnet werden können. Die Unterteilung in zwei Bereiche wird in
der Norm vorgeschrieben, d. h. dass zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen
Risiken unterschieden werden muss:
Akzeptables Risiko = niedriges Risiko = vertretbares Risiko.
Nicht akzeptables Risiko = hohes Risiko = nicht vertretbares Risiko.
Für nicht akzeptable Risiken sind Risikominderungsmaßnahmen verpflichtend
einzuführen.
2.3 Risikomanagementprozess nach ISO 14971 31
In einigen Fällen verwendet man auch eine dritte Einstufung, d. h. eine weitere
Unterteilung des vertretbaren Bereiches in zwei Gruppen: Risiken, die das Krite-
rium der Akzeptanz nahezu überschreiten, sollten gesondert behandelt werden,
und daher sind Risikominderungsmaßnahmen anzuwenden, um diese Risiken auf
das geringste erreichbare Niveau zu verringern, wobei an den Stand der Technik,
die Vorteile der Akzeptanz des Risikos und die praktische Durchführbarkeit einer
weiteren Minderung zu denken ist.
Diese dritte Stufe der Risikobewertung wird oft als mittleres Risiko bezeichnet.
Mittlere Risiken fallen in den sogenannten ALARP-Bereich (as low as reasonably
practicable = so niedrig, wie vernünftigerweise praktikabel). „Darunter versteht
man Setzen von Maßnahmen zur Reduktion eines Risikos, sodass das verbleibende
Restrisiko nicht unzulässig hoch ist und der Aufwand jeder weiteren Maßnahme zur
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verteilt ist – und zwar in dem Ausmaß, dass das Schadensausmaß eine höhere Ge-
wichtung hat als die Wahrscheinlichkeit. Beispielsweise wird die Kombination von
höchstem Schweregrad und niedrigster Wahrscheinlichkeit als mittleres Risiko
eingestuft, wobei im umgekehrten Fall dies lediglich als niedriges Risiko eingestuft
wird. Diese Einteilung erscheint gerade für Medizinprodukte als sinnvoll, da auf
die Auswirkung von Gefährdungen und den damit verbundenen möglichen Scha-
den mehr Wert gelegt werden soll als bei Produkten anderer Verwendungsart.
2.3.3 Risikobeherrschung
BEACHTE:
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dens oder eine Verringerung der Schwere des Schadens bewirkt werden. Schutz-
maßnahmen oder Informationen können letztendlich nur die Wahrscheinlichkeit
des Auftretens des Schadens verringern.
Beispiele für Maßnahmen aller drei Kategorien sind in Bild D.6 der Norm ISO
14971 [2.8] angeführt und sollen einen Anhaltspunkt für Hersteller liefern, wie
Risikominderungsmaßnahmen definiert werden sollten.
TIPP:
Es ist hilfreich, für bestimmte Produkte oder Produktgruppen (Achtung: ähnlicher
Verwendungszweck) vordefinierte Risikominderungsmaßnahmen auszuarbeiten
und den Analyseteams zur Verfügung zu stellen. Diese beinhalten Informationen
zu typischen Gefährdungen und den passenden (bereits bei ähnlichen Produkten
erfolgreich umgesetzten) Minderungsmaßnahmen, die definiert und implementiert
werden sollten.
2.3.3.4 Risiko-Nutzen-Analyse
Es gibt einige Fälle, in denen das mit einem Medizinprodukt verbundene Risiko
über den Herstellerkriterien für ein vertretbares Risiko liegt. Wenn das Restrisiko
unter Anwendung der festgelegten Beurteilungskriterien als nicht akzeptabel be-
urteilt wird und weitere Maßnahmen der Risikobeherrschung nicht realisierbar
sind, darf der Hersteller Daten und Literatur zusammenstellen und bewerten, um
zu bestimmen, ob der medizinische Nutzen der Zweckbestimmung das Restrisiko
überwiegt. Falls dieser Nachweis nicht den Schluss unterstützt, dass der medizini-
sche Nutzen das Restrisiko überwiegt, verbleibt das Risiko als nicht akzeptabel.
Falls der medizinische Nutzen das Restrisiko überwiegt, kann der Hersteller sein
Produkt vermarkten. Es ist jedoch für die Anwender wichtig, dass sie über wesent-
liche Restrisiken und den sich durch das Produkt ergebenden Nutzen entspre-
chend informiert sind, sodass Entscheidungen in Kenntnis der Sachlage getroffen
werden können (aus [2.8]).
2.3 Risikomanagementprozess nach ISO 14971 35
2.3.5 Produktbeobachtung
For personal use only.
Nach Freigabe des Produkts für die Herstellung und die Vermarktung beginnt die
Phase der sogenannten Produktbeobachtung. Die Norm ISO 14971 spricht von
Sammlung von „Informationen aus der Herstellung und der Herstellung nachgelager-
ten Phasen“.
Im Zuge der Risikobeurteilung kann es vorkommen, dass Risiken falsch einge-
schätzt wurden, oder es zeigt sich, dass Maßnahmen nicht den erhofften Erfolg
bringen. Daher nimmt die Überwachung der Wirksamkeit der Risikomaßnahmen
eine wichtige Rolle im Risikomanagementprozess ein. Der Medizinprodukteher-
steller muss ein Verfahren zur Auswertung von Informationen aus der Produktion
und den der Produktion nachgelagerten Phasen (Marktbeobachtung) etablieren.
Dabei sollte Folgendes betrachtet werden:
Gibt es neue Gefährdungen, die bisher nicht erkannt wurden?
Sind in der Praxis Gefährdungen durch aufgetretene Fehler entstanden?
Um damit zu entscheiden, ob
die ursprünglichen Beurteilungen noch Gültigkeit haben und
die Gesamtrisiken noch vertretbar sind.
Bei neuen Gefährdungen oder einer Änderung der Risikoeinschätzung bzw. der
Risikobeurteilung ist generell der Risikomanagementprozess einem Review zu
unterziehen und gegebenenfalls zu überarbeiten.
36 2 Risikomanagement
2.3.6.1 Risikomanagementakte
Die sogenannte Risikomanagementakte (risk management file) beinhaltet die Ge-
samtheit aller im Risikomanagementprozess geforderten und erzeugten Doku-
mente. Als Akte wird hier die Summe aller Einzeldokumente bezeichnet, die tat-
sächlich als gebündelte Einheit verstanden wird. Damit ist gemeint, dass die
Dokumente nicht in verteilten Ablage- oder Dokumentationsverwaltungssystemen
existieren, die erst zusammengetragen werden müssen, um alle Nachweise sicher-
zustellen, sondern gebündelt vorhanden sind. Diese Risikomanagementakte kann
allerdings auch Referenzen auf andere Akten des Herstellers beinhalten, die in
angemessener Zeit die geforderten Dokumente des Risikomanagements bereitstel-
len lassen.
Die Risikomanagementakte beinhaltet im Wesentlichen einen Risikomanagement-
plan, die Summe diversester Risikoanalyseaufzeichnungen, alle Risikobewertun-
gen, den Nachweis der Umsetzung der Risikominderungsmaßnahmen, die Verifi-
zierung derselben und die Beurteilungen der Akzeptanz des Gesamtrestrisikos in
einem entsprechenden Risikomanagementbericht.
2.3 Risikomanagementprozess nach ISO 14971 37
2.3.6.2 Risikomanagementplan
Der Risikomanagementplan ist ein umfangreiches Dokument (oder eine Samm-
lung von Dokumenten), welches alle Aktivitäten des Risikomanagements umfas-
sen muss. Folgende Mindestanforderungen muss der Plan beinhalten:
Beschreibung des Medizinprodukts und der Lebenszyklusphasen, die
dieses Produkt durchläuft, um klarzustellen, was das Anwendungsgebiet des
Risikomanagements umfasst. Die Lebenszyklusphasen sind typischerweise
die Gestaltungs- und Entwicklungsphase, Herstellung, Vertrieb, Betrieb des
Produkts beim Kunden bis hin zur Außerbetriebnahme am Ende der Lebens-
zeit des Produkts.
Festlegung von Verantwortlichkeiten und Befugnissen des involvierten
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bedeutet, dass Kriterien für die Akzeptanz von Risiken festgelegt werden müs-
sen, indem in einer Risikomatrix (Kombination von Schadensausmaß und
Wahrscheinlichkeit) entsprechende Bereiche für vertretbare und nicht vertret-
bare Risiken definiert werden (siehe Abschnitt 2.3.2).
Tätigkeiten der Verifizierung. Dazu gehören alle Aktivitäten zur Bestätigung
der erfolgreichen Umsetzung der Risikominderungsmaßnahmen und auch zur
Bestätigung der Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen. Im Risikomanage-
mentplan muss beschrieben werden, wie diese Tätigkeiten durchgeführt wer-
den.
Verfahren zur Produktbeobachtung. Die Gewinnung von Informationen aus
dem Herstellungsprozess und der Herstellung nachgelagerten Phasen umfasst
in der Regel Auswertungen von Fehlern oder Kundenrückmeldungen. Diese
Auswertungen sind generell nach festgelegten Verfahren durchzuführen, da-
her kann im Risikomanagementplan auch auf diese Verfahrensanweisungen
verwiesen werden.
TIPP:
Wenn immer wieder ähnliche Produkte bzw. ähnliche Kategorien von Medizinpro-
dukten entwickelt werden, macht es Sinn, die Kriterien für die Akzeptanz von Risiken
als Teil des Qualitätsmanagementsystems zu etablieren, z. B. in einer Verfahrens
anweisung für das Risikomanagement. Dadurch wird gewährleistet, dass bei jedem
Entwicklungsprojekt die standardisierten Kriterien angewandt werden – sie müssen
nicht in jeden Risikomanagementplan aufgenommen und begründet werden.
38 2 Risikomanagement
2.3.6.3 Risikoanalyseaufzeichnungen
Alle durchgeführten Risikoanalysen sind entsprechend zu dokumentieren; dies
umfasst die festgestellten Sicherheitsmerkmale, die identifizierten Gefährdungen
und Gefährdungssituationen und die Einschätzung der Risiken für jede Gefähr-
dungssituation. Die sich durch die Einschätzung von Schweregrad und Wahr-
scheinlichkeit ergebenden Risikobewertungen (akzeptable und nicht akzeptable
Risiken) sowie die Festlegung von Minderungsmaßnahmen sind meist ebenso Teil
dieser Dokumentation. Üblicherweise werden Vorlagen in Form von Tabellen oder
eigene Risikomanagementwerkzeuge (Softwaretools) eingesetzt, die es ermögli-
chen, die komplette Dokumentation der Risikoanalyse, Bewertung, Definition und
Verifizierung von Minderungsmaßnahmen und Abschlussbewertung abzubilden.
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2.3.6.4 Risikomanagementbericht
Der Risikomanagementbericht ist eine abschließende Zusammenfassung des Risi-
komanagements vor der Markteinführung des Produkts. Dieser Bericht beinhaltet
Informationen zur vollständigen Umsetzung der im Risikomanagementplan defi-
nierten Aktivitäten (bis zum Zeitpunkt der Produkteinführung) sowie eine Gesamt
risikoakzeptanz und eine Bestätigung, dass geeignete Methoden und Verfahren
existieren, um aus der Herstellung und der Herstellung nachgelagerten Phasen
For personal use only.
2.4 Methoden im Risikomanagement
Bevor die einzelnen Methoden des Risikomanagements (RM) näher beschrieben
werden, sei festgestellt, dass es nicht nur eine Methode für alle Bereiche des Risi-
komanagements gibt (z. B. Risikoanalyse, -bewertung, -beherrschung). Einige
dieser Methoden fokussieren sich z. B. auf die Identifizierung von Risiken (wie die
Fehlerbaumanalyse, Fault Tree Analysis, FTA – siehe auch Abschnitt 2.4.2). Mit
anderen Methoden kann zusätzlich auch noch eine Fehlerbewertung durchgeführt
werden (z. B. Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse FMEA – siehe auch Abschnitt
2.4.3). In vielen Fällen macht es Sinn, die einzelnen Methoden zu kombinieren.
Für die Umsetzung eines Risikomanagementprozesses steht es dem Medizinpro-
duktehersteller generell frei, welche Werkzeuge/Risikomanagementmethoden er
einsetzt.
2.4 Methoden im Risikomanagement 39
TIPP:
Um die Ergebnisse aus dem Risikomanagementprozess über den gesamten Pro-
duktlebenszyklus vergleichbar zu machen, um den Schulungsaufwand zu reduzie-
ren und um Synergien nutzen zu können, sollten die zu verwendenden Risikoana-
lysemethoden in einem Unternehmen vorgegeben bzw. eingeschränkt werden.
MERKE:
Vor der Durchführung von Risikoanalysen muss sichergestellt sein, dass auch alle
externen Personen des Risikomanagementteams (z. B. Lieferanten) in der Risiko-
analysemethodik geschult werden. Das ist auch entsprechend zu dokumentieren.
grads eines Schadens zuständig ist. Zudem sollte festgelegt werden, wer die Umset-
zung der zu implementierenden Maßnahmen durchführt bzw. überwacht.
BEISPIEL:
Die Bewertung des Schadensausmaßes kann z. B. von der Entwicklung gemacht
werden, die Auftrittswahrscheinlichkeit eines Fehlers im Zuge der Herstellung
eines Medizinprodukts z. B. von der Technik.
For personal use only.
MERKE:
Akzeptanzkriterien sind in den Regularien (siehe Abschnitt 2.2) nicht vorgegeben
und müssen vom Unternehmen/der Institution selbst definiert werden.
In Abschnitt 2.3.1.3 finden sich Beispiele für die Kategorisierung des Schwere-
grads eines Schadens bzw. für die Auftretenswahrscheinlichkeit des Schadens; in
Kapitel 8, GEP/GMP-konforme Produktionsanlagen, findet sich ein Beispiel für die
2.4 Methoden im Risikomanagement 41
erhalten, ist der Einsatz von Prozessübersichten (process mapping) [2.10]. In einer
Prozessübersicht werden der ganze Prozess und seine Teilschritte grafisch z. B. als
Flussdiagramm dargestellt (Bild 2.7). Durch diese einfache Darstellung können
Verbindungen zwischen den Aktivitäten, Schnittstellen, Rückkopplungsschleifen
oder Alternativwegen übersichtlich dargestellt werden. Prozessübersichten kön-
nen so helfen, komplexe Prozesse zu verstehen und zu analysieren, um vorhan-
dene Risiken erkennen zu können.
Bild 2.7
Prozessübersicht/
process mapping
42 2 Risikomanagement
Grafische Methoden eignen sich gut für die Analyse von einfachen Prozessen
und für die retrospektive Fehleranalyse. Bei komplexen Prozessen können sie je-
doch schnell unübersichtlich werden. Sie sind leicht erlernbar, einfach durchzu-
führen und dienen zur schnellen Auffindung von Fehlerursachen, Fehlerfolgen
und Fehlern. Grafische Methoden beinhalten im Allgemeinen aber keine Risikobe-
wertung und -kontrolle. Für eine umfassende Umsetzung eines Risikomanage-
mentprozesses müssen sie daher mit anderen Risikomanagementmethoden kom-
biniert werden.
Tabellarische Methoden werden unter anderem für die Analyse und Identifizie-
rung von potenziellen Risiken, deren Bewertung sowie für die Definition von Kont-
rollmaßnahmen verwendet. Bei komplexen Prozessen können die Tabellen beliebig
erweitert und zusätzliche Informationen eingefügt werden (z. B. Verweise auf Roh-
2.4 Methoden im Risikomanagement 43
daten). Durch die Nummerierung der einzelnen Tabellenzeilen kann eine durch-
gängige Rückverfolgbarkeit gewährleistet werden.
In der Praxis hat es sich bewährt, speziell während der ersten Schritte im Risiko-
managementprozess grafische und tabellarische Methoden miteinander zu ver-
knüpfen, um das Auffinden von Fehlern sowie deren Ursachen und Folgen effektiv
und umfassend durchführen zu können.
Die FMEA dient zur präventiven Vermeidung von Fehlern und kann über den kom-
pletten Lebenszyklus eines Medizinprodukts eingesetzt werden. Im Medizinpro-
duktebereich ist sie die wahrscheinlich am häufigsten verwendete Methode im Ri-
sikomanagement, da sie die Prozessschritte Risikoanalyse, Risikobewertung und
Risikokontrolle abdeckt. Die FMEA kann z. B. in folgenden Bereichen eingesetzt
werden:
in der Entwicklung von Medizinprodukten und deren Produktionsanlagen,
bei der Implementierung von Prozessen/Produktionsanlagen,
in der Qualifizierung von Produktionsanlagen bzw. Validierung von Prozessen,
für Sicherheitsrisikoanalysen,
im Änderungs-, Korrektur- und Verbesserungsprozess.
44 2 Risikomanagement
2.4.4 Fehlerbaumanalyse
Die Fehlerbaumanalyse oder Fault Tree Analysis (FTA) ist eine einfache Methode,
um – ausgehend von einem Fehler – alle möglichen Ursachen des Fehlers systema-
tisch zu bestimmen. Sie wird vor allem dann eingesetzt, wenn komplexe Zusam-
menhänge untersucht und dargestellt werden sollen. Die FTA kann prospektiv und
retrospektiv überall dort angewendet werden, wo für einen bestimmten Fehler
strukturiert und dokumentiert die Fehlerursachen gesucht werden müssen. Das
ist z. B.:
bei Abweichungen,
bei Reklamationen,
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technisches Fehlverhalten,
menschliches Fehlverhalten,
externe Einflüsse.
Wie beim Ishikawa-Diagramm bieten sich auch bei der FTA als Ursachengruppen
die „5 M“ – Mensch, Maschine, Material, Methode, Milieu (= Umwelt) – an. Ursa-
chen werden so lange definiert, bis keine neuen Ursachen mehr gefunden werden
können. Aus den möglichen Ursachen lassen sich in weiterer Folge Maßnahmen
zur Risikominimierung ableiten.
Die FTA kennt zwei Hauptgruppen von Symbolen:
Ereignisse (events),
logische Verknüpfungen (gates).
Alle ermittelten Ursachen werden grafisch in einem Fehlerbaum als „Ereignisse“
dargestellt und können mit logischen Operatoren (z. B. UND [&], ODER [≥ 1]) ver-
knüpft werden. Bei den Ereignissen wird z. B. das top event in Form eines Recht-
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ecks dargestellt. Das Rechteck zeigt an, dass sich für ein event (fault event) weitere
Ursachen mit logischen Verknüpfungen darstellen lassen. Können für eine Ur-
sache keine weiteren Ursachen gefunden werden, so wird diese als basic event in
Form eines Kreises dargestellt. Weitere events sind z. B. undeveloped events, die
noch nicht näher untersucht wurden und in Form von Rauten dargestellt werden
(siehe auch Bild 2.12). Da die FTA eine grafische Methode ist, können auch Verbin-
dungen und Schnittstellen leicht dargestellt werden.
For personal use only.
2.4.5 Ishikawa-Diagramm
Das Ishikawa-Diagramm wird auch als Ursache-Wirkungs-Diagramm oder Fisch-
grät-Diagramm bezeichnet. Es ist eines der sieben Qualitätswerkzeuge und eine
einfache Methode, um ausgehend von einem Problem alle möglichen Ursachen
systematisch zu bestimmen. Daher ist sie gut geeignet, in Kombination mit ande-
ren Risikomanagementmethoden (z. B. der FMEA) eingesetzt zu werden. Ein
Ishikawa-Diagramm ist in Bild 2.11 dargestellt.
Ausgehend von einem Problem, welches am rechten Ende der „Hauptgräte“ darge-
stellt ist, werden über die Ursachengruppen der „5 M“ – Mensch, Maschine, Mate-
rial, Methode, Milieu – die möglichen Ursachen ermittelt.
Mithilfe eines Ishikawa-Diagramms können Kausalitätsbeziehungen zwischen
Ursache und Wirkung schnell und effektiv identifiziert werden.
2.5 Wissensbasiertes Risikomanagement 47
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2.5 Wissensbasiertes Risikomanagement
Risikoanalysen weisen in einem Unternehmen oft starke Ähnlichkeiten auf und
das in den „alten Risikoanalysen“ vorhandene Wissen bzw. die dort eingebrachte
Erfahrung könnten dazu verwendet werden, den Risikomanagementprozess (an
dem meist ein Team hochbezahlter Mitarbeiter beteiligt ist!) wesentlich effizienter,
rascher und somit kostengünstiger abzuwickeln. Nur wer weiß dann noch, wo die
alten Risikoanalysen abgespeichert wurden und ob deren Inhalte auch für die neue
Problemstellung ausreichend sind?
Des Weiteren müssen Risikoanalysen, wie in Bild 2.12 dargestellt, über den kom-
pletten Lebenszyklus eines Medizinprodukts durchgeführt werden. Erfahrungen
aus nachgelagerten Prozessen (z. B. Reklamationen oder Änderungen) sollten in
frühere Phasen (z. B. Entwicklung und Produktion) automatisch zurückfließen.
48 2 Risikomanagement
Prospektive Betrachtung
Lieferanten- Qualifizierung
Entwicklung auswahl von Anlagen, Geräten, Räumen,
Transportwegen
Validierung
Auditierung
Herstellungsprozess,
Reinigungsverfahren,
Computersystemen ...
Risikomanagement
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Reklamationen
Änderung von
Out of Specification Abweichungen Verfahren, Systemen,
(OOS)- Resultaten bei Verfahren und Ausgangsmaterialien
Systemen
Retrospektive Betrachtung
Für die Erstellung von Risikoanalysen werden jedoch meist einfache Software-
Tools eingesetzt, z. B. MS-Word/Excel oder einfache Datenbanken. Aus dem Blick-
winkel des Wissensmanagements sind diese Tools implizit. Das heißt, dass damit
das Wiederverwenden, die Analyse und der Austausch von mühevoll erarbeitetem
Risikowissen nur sehr schwer möglich sind. Daher muss man sich auch im Medi-
zinproduktebereich darüber Gedanken machen, wie Risikowissen über den gesam-
ten Lebenszyklus eines Medizinprodukts – von der Entwicklung über die Produk-
tion bis hin zur Produktbeobachtung – schnell und umfänglich zur Verfügung
gestellt werden kann.
Daher rückt der Einsatz von wissensbasierten Risikomanagement-Softwaresyste-
men immer mehr in den Fokus. Auf die Anforderungen an solche Systeme, ihre
Vorteile und Nachteile wird im Folgenden näher eingegangen.
Risikomanagement-Softwaresysteme
Moderne Risikomanagement-Softwaresysteme müssen nicht nur das Erstellen von
Risikoanalysen möglich machen, sie müssen vor allem den automatischen Wissen-
stransfer zwischen den Risikoexperten im Unternehmen über den kompletten Le-
benszyklus eines Medizinprodukts unterstützen, damit vermieden wird, dass Risi-
ken einfach vergessen oder falsch bewertet werden. Um diese Anforderung erfüllen
zu können, sollten die Daten/Datenbankstrukturen in innovativen Risikomanage-
2.5 Wissensbasiertes Risikomanagement 49
koanalysen erhöht werden kann, was natürlich Vorteile bei Audits und Inspektio-
nen mit sich bringt.
Da sich die Methoden FMEA und Ishikawa-Diagramm als Standardmethoden im
Medizinproduktebereich etabliert haben, sollten Softwaresysteme für Risikoma-
nagement zumindest diese Methoden unterstützen. Da die regulatorischen Grund-
lagen bezüglich Risikomanagement aber keine Vorgaben bezüglich FMEA-Struktur
und Inhalte der FMEA (z. B. definierte Formblätter) vorgeben und Unternehmen
For personal use only.
des Produkts am Markt, sondern sind in einem Zyklus über die gesamte Lebens-
dauer des Produkts immer wieder zu durchlaufen.
Für den nachvollziehbaren Beweis über einen etablierten Risikomanagementpro-
zess gegenüber Behörden sind entsprechende Dokumente zu erstellen, die in der
Risikomanagementakte gesammelt vorliegen müssen. Dies sind der Risikoma-
nagementplan, die Risikoanalyseaufzeichnungen inklusive der Risikobewertun-
gen, der Nachweis der Umsetzung der Risikominderungsmaßnahmen und deren
For personal use only.
2.7 Literatur
[2.1] Rempe, P.: Anforderungen an Qualitätsrisikomanagement aus Behördensicht. In: GMP-Berater
(AL59), Kapitel 19.A; GMP Verlag Maas & Peithner, 2021.
[2.2] Bundesministerium für Gesundheit: Bundesgesetzblatt Nr. 657/1996: Medizinproduktegesetz –
MPG, Fassung vom 06. 09. 2012. Verfügbar unter: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?
Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011003, abgerufen am 22. 06. 2021.
[2.3] Bundesministerium für Justiz: Bundesgesetzblatt I S. 3146: Gesetz über Medizinprodukte (Medi-
zinproduktegesetz – MPG), Fassung vom 08. 11. 2011. Verfügbar unter: http://www.gesetze-im-
internet.de/bundesrecht/mpg/gesamt.pdf, abgerufen am 22. 06. 2021.
[2.4] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 169 vom 12. 07. 1993: Richtlinie 93/42/
EWG über Medizinprodukte. Verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do
?uri=OJ:L:1993:169:0001:0043:DE:PDF, abgerufen am 22. 06. 2021.
2.7 Literatur 51
[2.5] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 189 vom 20. 07. 1990: Richtlinie
90/385/EWG zum Abgleich der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantier
bare medizinische Geräte. Verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?
uri=CONSLEG:1990L0385:20071011:de:PDF, abgerufen am 22. 06. 2021.
[2.6] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 331 vom 27. 10. 1998: Richtlinie
98/79/EG über In-vitro-Diagnostika. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
TXT/PDF/?uri=CELEX:31998L0079&from=DE, abgerufen am 22. 06. 2021.
[2.7] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN ISO 13485:2016 Medical de-
vices – Quality management systems – Requirements for regulatory purposes. (Deutsche Fassung:
Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 13485:2016, Medizinprodukte – Qualitätsma-
nagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke. Beuth, 2016.).
[2.8] Europäisches Komitee für Normung (CEN): Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung
(CENELEC): DIN EN ISO 14971:2019 Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf
Medizinprodukte; Deutsche Fassung EN ISO 14971:2019. Beuth 2020.
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[2.9] Global Harmonization Task Force (GHTF): Implementation of risk management principles and
activities within a Quality Management System (SG3/N15R8/2005). 2005. Verfügbar unter:
http://www.imdrf.org/docs/ghtf/final/sg3/technical-docs/ghtf-sg3-n15r8-risk-management-principles-
qms-050520.pdf, abgerufen am 20. 05. 2021 (Anmerkung: im Oktober 2011 durch die IMDRF abge-
löst; siehe www.imdrf.org).
[2.10] International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharma-
ceuticals for Human Use (ICH): ICH Harmonised Tripartite Guidelines – Quality Risk Manage-
ment Q9 – Current step 4 version dated 9 November 2005. Verfügbar unter: https://database.ich.
org/sites/default/files/Q9%20Guideline.pdf, abgerufen am 20. 05. 2021.
For personal use only.
[2.11] Johner, C.; Hölzer-Klüpfel, M.; Wittorf, S.: Basiswissen Medizinische Software. dpunkt, 2011.
[2.12] Preis, R.: Methoden der Risikoanalyse in der Technik. TÜV Austria Akademie, 2009.
[2.13] International Electrotechnical Commission (IEC): International Standard IEC 60812:2018 Failure
modes and effects analysis (FMEA and FMECA). 2018.
[2.14] Maier, M.: Methoden und Instrumente des Qualitätsrisikomanagements. In: GMP-Berater (AL60),
Kapitel 19.D.6; GMP Verlag Maas & Peithner, 2021.
[2.15] International Electrotechnical Commission (IEC): International Standard 61025, second edition:
Fault tree analysis (FTA). 2006.
[2.16] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Guidance for Industry: Juice Hazard Analysis Critical
Control Point Hazards and Controls Guidance, First Edition. 2004. https://www.fda.gov/regulatory-
information/search-fda-guidance-documents/guidance-industry-juice-hazard-analysis-critical-control-
point-hazards-and-controls-guidance-first, abgerufen am 20. 05. 2021.
[2.17] International Electrotechnical Commission (IEC): International Standard 61882, first edition:
Hazard and operability studies (HAZOP studies) – Application guide. 2001.
[2.18] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Regulation (EU) 2017/745 of the European Parlia-
ment and of the Council of 5 April 2017 on medical devices, amending Directive 2001/83/EC,
Regulation (EC) No 178/2002 and Regulation (EC) No 1223/2009 and repealing Council Directives
90/385/EEC and 93/42/EEC (consolated text) (MPV). Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/
legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R0745, abgerufen am 22. 06. 2021.
[2.19] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Regulation (EU) 2017/746 of the European Par-
liament and of the Council of 5 April 2017 on in vitro diagnostic medical devices and re-
pealing Directive 98/79/EC and Commission Decision 2010/227/EU (consolated text). Verfügbar
unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R0746, abgerufen
am 22. 06. 2021.
[2.20] Europäisches Komitee für Normung (CEN); Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung
(CENELEC): ISO/TR 24971:2020 Medical devices- Guidance on the application of ISO 14971, Engli-
sche Fassung (Medizinprodukte - Leitfaden für die Anwendung von ISO 14971); Beuth 2020.
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For personal use only.
3 Rechtliches Umfeld
und Zulassungs
anforderungen
P. Müllner
SCHWERPUNKTE:
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Rechtliches Umfeld
Ist mein Produkt ein Medizinprodukt? Was muss ich bei der Zulassung berück-
sichtigen?
Geplante Änderungen in der europäischen Gesetzgebung
Patente und Lizenzen
For personal use only.
3.1 Einleitung
Wer sein Tätigkeitsfeld im Bereich der Medizinprodukte oder deren Zubehör ansie-
delt, erkennt sehr schnell, dass es sich hier um ein sehr reglementiertes Umfeld
handelt. Schlagwörter wie EU-Verordnungen, EU-Direktiven, Grundlegende An
forderungen oder Sicherheits- und Leistungsanforderungen, länderspezifische
Medizinproduktegesetze, harmonisierte Normen, Gemeinsame Spezifikationen,
Registrierung, aber auch Risikomanagement, Gebrauchstauglichkeit, Patente, Kos-
tenrückerstattung, Cyber Security, Vigilance und viele, viele mehr begleiten einen
über den gesamten Lebenszyklus eines solchen Produkts. In diesem Kapitel soll
ein Überblick über diese verschiedenen Begriffe und deren Zusammenhänge bzw.
Ihnen ein Wegweiser durch diese Welt zur Hand gegeben werden.
Fragen, ob es sich beim Produkt um ein Medizinprodukt oder Zubehör handelt,
welche Nutzungskontexte man abdecken oder welche Zielmärkte und Länder er-
reicht werden sollen, sollten bereits nach der Ideenfindung oder spätestens in der
anschließenden Konzeptionsphase beantwortet bzw. festgelegt werden.
Das rechtliche Umfeld wird grundsätzlich durch länderspezifische Vorgaben wie
zum Beispiel durch Gesetze und weiterführende Verordnungen definiert. Werden
diese im Vorfeld eruiert und ausführlich analysiert, ermöglicht das einen erfolgrei-
54 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
chen und raschen Marktzugang sowie für Patienten und Anwender ein sicheres
Produkt. Aber nicht nur das Verwaltungsrecht (z. B. Regelungen für Marktzugang
und den Betrieb) sollte berücksichtigt werden, sondern auch Rechtsvorschriften
im Vertragsrecht, deliktischen Haftungsrecht sowie im Produkthaftungsrecht müs-
sen als unternehmerisches Risiko bei Planung eines Markteintritts bedacht wer-
den. Speziell letztere sind im Rahmen von Haftungsfällen entscheidend und für die
Rechtssicherheit ausschlaggebend bzw. geben wesentlichen Input zum Verständ-
nis für die potenziellen, je nach Land teilweise horrenden Haftungssummen und
Strafen, die durch Fehler und/oder Fehlhandlungen im Laufe eines Produktlebens-
zyklus entstehen können.
Dementsprechend sollen auch risikominimierende Maßnahmen wie ausreichende
Deckungssummen von versicherbaren Risiken als auch ein vollständiges Quali-
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3.2 Erfolgreicher Marktzugang:
Zulassungsanforderungen erfüllen
Für einen erfolgreichen Markteintritt muss man sich bereits vor oder spätestens in
der Konzeptions- und Entwicklungsphase mit den anzuwendenden regulatori-
schen Anforderungen und länderspezifischen Besonderheiten vertraut machen.
Als wichtigste Voraussetzungen gelten dabei die definierte Zweckbestimmung und
die Festlegung der Vertriebsländer. Aus diesen kann dann bereits eine erste Zulas-
sungsstrategie ausgearbeitet werden. Obwohl zahlreiche Harmonisierungsbestre-
bungen stattfinden bzw. stattgefunden haben, so muss man sich doch sehr intensiv
mit den Zulassungseinzelheiten der Länder und deren kulturelle Auffassungsun-
terschieden vertraut machen. Kosten und time to approval sollten ebenfalls in die
Überlegungen einfließen, da es oft nicht ungewöhnlich ist, dass Zulassungszeiten
über den Ein-Jahres-Zeitraum hinausgehen. Bis zur Einführung der MPV/IVDV hat
sich für viele Hersteller in Europa eine Ersteinführung ihrer Produkte auf den
3.2 Erfolgreicher Marktzugang: Zulassungsanforderungen erfüllen 55
e uropäischen Markt bewährt. Die Reduzierung der Benannten Stellen und die er-
höhten Anforderungen könnte dies jedoch ändern.
In den folgenden Abschnitten werden exemplarisch einige Märkte und ihre Anfor-
derungen vorgestellt.
3.2.1 Europäische Union
Die Bestrebungen der Europäischen Union nach Vereinheitlichung der Zugangsvo-
raussetzungen für den europäischen Markt und zum Abbau von Handelshemmnis-
sen haben über die Jahre viele Erleichterungen für Hersteller gebracht. Medizin-
produkte müssen, um im europäischen Markt überhaupt in Verkehr gebracht
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wo die klinische Bewertung eine zentrale Rolle einnimmt, erklärt der Hersteller in
Form der Konformitätserklärung (eventuell unter Einbindung einer Benannten
Stelle), dass das Produkt in Übereinstimmung mit den Anforderungen der EU-
Verordnung/-Richtlinie ist, und bringt das CE-Kennzeichen am Produkt an. Die
jeweilige nationale oder länderspezifische Marktaufsichtsbehörde hat dabei das
Recht, diese Nachweise einzusehen und zu prüfen.
Die erste grundlegende Frage, mit der man sich jedoch im Rahmen der Entwick-
lung auseinandersetzen muss und bei der die festgelegte Zweckbestimmung des
Produkts eine zentrale Rolle spielt, lautet: „Ist mein Produkt ein Medizinprodukt
oder ähnlich einem Medizinprodukt?“ Weitere Fragen, die sich unmittelbar an-
schließen: „Bin ich überhaupt Hersteller oder einer der Wirtschaftakteure im Sinne
einer Verordnung/Richtlinie?“ und „Was bedeutet Inverkehrbringen?“
BEACHTE:
Nur der Hersteller bestimmt den Zweck des Produkts.
Wenn man die Fragen nach Medizinprodukt und Hersteller eindeutig mit „Ja“ be-
antworten kann, ist im nächsten Schritt zu klären, unter welche der Verordnun-
gen/Richtlinien das Produkt einzuordnen ist. Mit dem Erlass der neuen Europäi-
schen Verordnungen im Frühjahr 2017 hat sich die regulatorische Vorgabelandschaft
grundlegend geändert. Die bekannten drei EU-Direktiven wurden durch zwei
56 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
Der Hersteller muss belegen, dass die Hauptwirkung nicht mittels pharmakologi-
scher, immunologischer oder metabolischer Mittel erreicht wird. Die Beschreibung
der Abgrenzung muss die Definition von pharmakologisch, metabolisch und im-
munologisch berücksichtigen – diese Begriffe wurden in der MedDev-Guideline 2.1/3
[3.8] definiert und sollen auf Grund der Wichtigkeit hier zusammenfassend erklärt
werden.
„Pharmakologisch“1
Eine pharmakologische Wirkung wird interpretiert als Interaktion zwischen Mole-
külen der Substanz und zellulären Bestandteilen, welche typischerweise als Re-
zeptoren bezeichnet werden. Diese Interaktion resultiert typischerweise entweder
in einer direkten Antwort oder blockiert die Antwort auf andere Substanzen. Als
Hilfskriterium kann das Vorhandensein einer Dosis-Wirkung-Korrelation herange-
zogen werden.
Die Definition von „pharmakologisch“ ist dabei unter Berücksichtigung der aktuel-
len Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs zu betrachten. Dieser hat in
einem aktuellen Urteil [3.9] entschieden, dass eine pharmakologische Wirkung
nicht ausschließlich auf menschliche Zellen beschränkt ist. Es sei bereits ein hin-
reichendes Kriterium für das Vorliegen einer pharmakologischen Wirkung, dass
„Immunologisch“2
Eine immunologische Wirkung wird interpretiert als eine Wirkung im oder auf
den menschlichen Körper, welche zu einer Stimulation und/oder Mobilisierung
von Zellen und/oder Produkten führt, welche an einer spezifischen Immunreak-
tion beteiligt sind.
„Metabolisch“3
Metabolische Wirkmechanismen werden interpretiert als eine Beeinflussung der
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MERKE:
EU-Richtlinien (engl. directives) stellen ein übergeordnetes Regelwerk dar, das
nach entsprechend festgelegter Übergangszeit in die jeweilige nationale Gesetz-
gebung übergehen muss, sodass die rechtlich verbindliche Basis weiterhin die
nationale Gesetzgebung ist. Erlassene EU-Verordnungen (engl. regulations) hin-
gegen sind direkt und unmittelbar nach Veröffentlichung im Amtsblatt (Official
Journal) der EU rechtswirksam.
2
Im Sinne der MEDDEV-Guideline 2.1/3 rev 3, 2009.
3
ebd.
3.2 Erfolgreicher Marktzugang: Zulassungsanforderungen erfüllen 59
MERKE:
Die EU-Verordnungen 2017/745 (MP) und 2017/746 (IVD) klassifizieren gemäß
Anhang VIII.
Die Richtlinie 93/42/EWG verwendet zur risikobasierten Klassifizierung Regeln
gemäß Anhang IX, und Richtlinie 98/79/EG verwendet eine Unterteilung in Liste A
und B gemäß Anhang II und andere.
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TIPP:
QM-Zertifizierung und Notified Body sollten aus einer Hand kommen.
Bei der Auswahl sollten Überlegungen wie Anerkennung und Kombination von
Zertifikaten, Bekanntheitsgrad in Marktländern außerhalb der EU, Fachkompetenz
für das entsprechende Produkt, Erreichbar- und Verfügbarkeit und durchschnittli-
che Durchlaufzeiten bei Produktprüfungen in Betracht gezogen werden. Eine voll-
ständige Übersicht entsprechend für jede Verordnung/Richtlinie erhält man auf
der entsprechenden Website der Europäischen Kommission [3.11].
treten sind (Mai 2017), mancher Zusatz gemäß „delegating act“ und „implemen-
ting act“ von der EU-Kommission gemäß des Vertrags von Lissabon noch hinzu-
kommen kann. Daher ist es notwendig jede Entwicklung der anwendbaren
Verordnung sorgfältig zu verfolgen.
MERKE:
Die EU-Kommission wird weitere „delegating and implementing acts“ zu den
For personal use only.
MERKE:
Der Übergang muss definitiv geplant werden. Dabei sind neu definierte bzw.
klargestellte Begriffe wie
Inverkehrbringen – placed on the market,
Bereitstellung auf dem Markt – making available on the market und
Inbetriebnahme – put into service
von entscheidender Bedeutung.
BEISPIEL:
Produkte, die nach der MDD erstmalig in Verkehr gebracht wurden, dürfen nach
Artikel 120 MPV maximal bis Mai 2025 für den Markt bereitgestellt bzw. in Betrieb
genommen werden. Ab diesem Zeitpunkt ist die Konformität nach MDD nicht mehr
zulässig, und lagernde Ware wird entsprechend wertlos.
Die Änderungen der EU-Legislative sind sowohl im Umfang als auch in der Tiefe
äußerst weitreichend. Aus den drei Direktiven wurden zwei Verordnungen – aus
AIMD und MDD wurde zusammen die MPV 2017/745 bzw. aus der IVD die IVDV
2017/746. Umgekehrt sieht man, dass der Umfang deutlich erweitert wurde. Bei
der MDD reichten zur Festlegung der Spielregeln noch 23 Artikel aus, während bei
3.2 Erfolgreicher Marktzugang: Zulassungsanforderungen erfüllen 61
der MPV 123 notwendig wurden bzw. statt den 24 Artikeln der IVD wurden es 113
in der IVDV.
Inhaltlich sind folgende ausgewählte Änderungen überblicksmäßig verabschiedet
worden:
Um die Transparenz umfassend zu steigern sowie die Rückverfolgbarkeit und den
Informationsfluss aller Beteiligten (Wirtschaftsakteure, Benannte Stellen, EU-Kom-
mission, Mitgliedsstaaten etc.) zu verbessern, sollen alle relevanten Informationen
in der EUDAMED-Datenbank landen. Die Registrierung der Produkte geschieht
über einen eindeutigen UDI-Code (Unique Device Identification).
Es wurde neue oder präzisere Anforderungen für die agierenden Wirtschaftsak-
teure – Hersteller, Zulieferer, Importeure, Händler und Handlungsbevollmächtigte
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Eine Involvierung von der Medical Device Coordination Group (MDCG), der EU-
Kommission selbst, Expertenpanels und Referenzlabore sind für Hochrisikopro-
dukte vorgesehen (Scrutiny-Verfahren). Die MDCG veröffentlich zusätzlich zahlrei-
che Guidance-Dokumente auf ihrer Website [3.59], die den Verordnungstext weiter
detaillieren und unbedingt zu berücksichtigen sind.
In der IVDV hat man 4 Risikoklassen (Klassen A-D) definiert und eingeführt, bei
denen risikoreiche Produkte (Klassen B-D) erfordern, dass eine Benannte Stelle
involviert wird (siehe dazu ebenfalls MDCG 2020-16).
Man führt generell das Konzept der „Gemeinsamen Spezifikationen“ ein und um-
geht damit den alten, sehr trägen Harmonisierungsprozess der Normen. Wobei
hier zu berücksichtigen ist, dass nach Auffassung der EU-Kommission auch der
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Article 52 -
MDR Annex I General Safety and Performance Requirements
Annex X
X.6
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Specific
Procedures(*) Annex IX
Annex IX
Conformity Assessment
Conformity Assessment
Based on a QM System
Based on a QM System
I IX.I.2 QM System Assessment
IX.I.2 QM System Assessment
IX.I.3 Assessment of Surveillance
Annex XI IX.I.3 Assessment of Surveillance
IX.II Assessment of Technical
IX.II Assessment of Technical
Documentation
Documentation
(at least 1 representative device per
IIa, IIb, Is, Im, reusable group/category)
III, IIa, IIb
surgical instruments
PART A:
PART B:
Production
Product Verification
Quality Assurance
For personal use only.
IX.5.1
Specific Procedures(*)
CE (*): Class III, implantable devices calssified as class III, class III with integrated medicinal product as defined in Article 1(2) of directive 2001/
83/EC. Class III utilising tissues or cells of human or animal origin or their derivatives and for class IIb active devices intended to administer
CE xxxx
Einer der wesentlichen Unterschiede zur MDD ist, dass der Anhang VI (EG-Konfor-
mitätserklärung Qualitätssicherung Produkt) entfallen ist. Der bisherige Anhang
IV (EG-Prüfung) sowie der Anhang V (Qualitätssicherung Produktion) wird durch
den Annex IX Part B ersetzt, wobei dabei nun jedes Produkt zu prüfen ist und
keine Stichprobenprüfungen mehr vorgesehen sind.
Article 48 -
IVDR
Class A Class B, C, D Class C, D
Annex X
Type Examination
[B-D: Selftest]
[C, D: Companion] [D: Single Batch Verification]
CE CE xxxx
In der IVDV ist der größte Unterschied zu den früheren Routen sichtbar. Benötig-
ten früher ca. 15 % der IVDs eine Benannte Stelle, sind es nach Einführung der
Verordnung vermutlich ca. 85 %. Diese Umkehrung führt definitiv zu einem Eng-
pass bei den Benannten Stellen, denn auch diese müssen entsprechende Ressour-
cen und Kapazitäten schaffen, und zum anderen werden nun die Hersteller ihre
Technische Dokumentation einer Benannten Stelle erstmalig umfangreich offen
legen müssen. Damit zeichnet sich bereits ab, dass sich für die Hersteller der
Markteintritt verzögern wird und die Kosten deutlich steigen dürften.
auch die Kennzeichnung und Gebrauchsanweisungen für das Produkt mit ein. Da-
neben müssen die genauen Schritte und Orte der Produktentstehung – von der
Entwicklung über die Fertigung bis zur Endkontrolle – im Rahmen der Dokumen-
tation dargelegt werden. Die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforde-
rungen (früher Grundlegende Anforderungen) müssen ebenso belegt werden wie
die Sicherheit des Produkts, basierend auf einer Risiko-Nutzen-Analyse und einem
Risikomanagement.
Daneben soll für jedes Produkt eine eindeutige Identifizierung möglich sein. Dafür
wird das Unique-Device-Identification-System (UDI-System) verpflichtend eingeführt.
Mithilfe der UDI kann ein Produkt eindeutig vom Hersteller bis zum behandelnden
Arzt bzw. betroffenen Patienten rückverfolgt werden. Damit soll eine bessere
Transparenz des Systems erreicht und Produktfälschungen erschwert werden. Das
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hende Zertifikate in Anspruch nehmen können, denn da ist das Ende der Über-
gangszeit bereits bei MPV 2021 und bei IVDV 2022 erreicht.
MERKE:
Die Einführung einer einmaligen Produktnummer (Unique Device Identification)
trifft nicht nur auf Europa zu! Auch die USA haben eindeutige Regeln dazu erlassen!
For personal use only.
the-art“). Diesbezüglich lohnt sich aber auch ein Blick in das Produkthaftungs
gesetz, das bei Inverkehrbringen die Kenntnisse von Stand der Wissenschaft und
Technik in Betracht zieht.
MERKE:
Prinzipiell sind Normen und damit auch die harmonisierten Normen freiwillig
einzuhalten. Bei harmonisierten Normen gilt jedoch über das Auslösen der Kon-
formitätsvermutung, dass das darin beschriebene Schutzniveau bei der Auslegung
der Produkte berücksichtigt werden muss und nicht unterschritten werden darf.
Es ist jedoch auch zu prüfen, ob nicht „der Stand der Technik“ bereits ein höheres
Schutzniveau vorsieht!
Normen stellen ein allgemeingültiges Regelwerk dar und definieren nur die Mini-
malanforderung an ein System, ein Produkt oder einen Prozess. Dabei haben drei
Worte besondere Bedeutung bei der Interpretation:
Muss: Diese Vorgabe ist zwingend umzusetzen und lässt keinen Spielraum für
Diskussionen zu.
Soll: Eine Vorgabe ist für die Einhaltung der Norm empfohlen, aber nicht zwin-
gend. Aus der Praxis zeigt sich, dass man aber triftige Gründe gegenüber Be-
nannten Stellen oder Behörden benötigt, dies nicht einzuhalten.
Kann: Dies zeigt einen möglichen Weg zur Erfüllung der Normenvorgabe.
68 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
gen für Sicherheit und Leistungsmerkmale. Zusätzlich kann es dann noch spezifi-
sche Festlegungen im Bereich der Sicherheit (besondere Festlegungen) und/oder
Leistungsmerkmale geben. Entsprechende Normen sind der Liste der harmonisier-
ten Normen als Anhaltspunkt zu entnehmen und auf entsprechende Anwendbar-
keit zu prüfen [3.20].
Für sicherheitstechnische und leistungsmerkmalfordernde Normen werden oft für
internationale Registrierungszwecke objektive Nachweise in Form von CB-Zertifi-
For personal use only.
katen und -Testberichten gefordert. CB steht für certification bodies, die nach dem
CB-Schema gemäß anwendbarer Norm spezifische Tests durchführen und nach po-
sitivem Prüfergebnis ein entsprechendes Zertifikat ausstellen. Nähere Infos siehe
entsprechende Webseite der IECEE [3.21].
Neben diesen international anerkannten Verfahren bieten die Prüfhäuser selbst
auch ihre eigenen Prüfzeichen (z. B. für Deutschland das GS-Zeichen (geprüfte
Sicherheit) von TÜV, Dekra, KEMA, BSI, SGS oder UL u. v. a. m) an, die sehr oft auch
Verwendung finden, um die sicherheitstechnischen Anforderungen für das ent-
sprechende Land nachzuweisen und entsprechend zu kennzeichnen.
Zusätzlich zu den produktspezifischen Normen sind in letzter Zeit auch durch die
fortschreitenden Digitalisierungsinitiativen Standards und Guidelines zum Thema
Cyber Security in den Fokus gerückt. Erwähnenswert sind dabei die ISO 27034
Reihe IEC 80001-5-1, AAMI TIR 57 sowie auch länderspezifische Guides wie der
MDCG 2019-16, der FDA Guide zur Cyber Security oder der MHRA Guide.
In der Praxis hat sich pro Produkt zusätzlich eine „Qualitätsstandardliste“ be-
währt, die jeweils für das entsprechende Produkt eine Übersicht der anzuwenden-
den Normen darstellt sowie als Basis zur Konformitätsbewertung dienen kann.
Werden Normen nur partiell angewendet, ist zu argumentieren, wie die geforder-
ten Schutzziele anderweitig erreicht werden. Falls bereits adaptiert, können die
sogenannten „Z“-Anhänge der Standards dabei unterstützen.
70 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
3.2.1.4 Konformitätsbewertungsverfahren
Nach der Festlegung des Verfahrensweges beginnt gleichzeitig mit der Entwick-
lung des Produkts auch jener Teil der Erstellung der technischen Dokumentation,
der für das Konformitätsbewertungsverfahren benötigt wird. Es hat sich auch als
ratsam erwiesen, falls erforderlich, die Benannte Stelle frühzeitig zu involvieren,
um entsprechend Zeit und Kosten zu sparen. Das vollständige Vorhandensein der
technischen Dokumentation ist bei der Involvierung einer Benannten Stelle vor
deren Prüfung bei der Benannten Stelle und deren Beauftragung eine wesentliche
Hürde. Einige Benannte Stellen lassen maximal drei Nachträge zur technischen
Dokumentation zu. Wenn diese Anträge negativ sind, lehnen sie die Beauftragung
ab und müssen verordnungskonform diese Ablehnung auch in der EUDAMED-
Datenbank hinterlegen!
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A Klinische Bewertung
Laut dem Medizinproduktegesetz (MPG) bzw. den EU-Verordnungen/Richtlinien
müssen die merkmals- und leistungsrelevanten Anforderungen für den vorgesehe-
For personal use only.
MERKE:
Vermische nicht den Begriff „klinische Bewertung“ mit dem der „klinischen
Prüfung“!
Die klinische Bewertung kann erfolgen durch:
wissenschaftliche Literatur,
Berichte über klinische Erfahrungen,
Ergebnisse klinischer Prüfungen,
sowie Kombinationen daraus.
Wissenschaftliche Literatur
Wissenschaftliche Literatur ist in der täglichen Praxis die häufigste Quelle klini-
scher Daten. Basierend auf solchen Daten kann der Nachweis der klinischen Sicher-
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Klinische Erfahrungen
Klinische Erfahrungen und Nachbeobachtung sind ein wichtiger Bestandteil, um
die Sicherheit von Medizinprodukten im klinischen Einsatz zu belegen. Diese wer-
den im Rahmen der Marktüberwachung nach dem erstmaligen Inverkehrbringen
gewonnen und sind daher insbesondere über die Lebenszeit des Medizinprodukts
wichtige Quellen für die klinische Sicherheit. Klinische Erfahrungsberichte als al-
leinige Quelle für eine initiale klinische Bewertung vor dem ersten Marktzugang
sind typischerweise nicht ausreichend. Die Daten müssen rechtens entstanden
sein – eine Pro-forma-CE-Kennzeichnung zur Umgehung von klinischen Prüfun-
gen widerspricht den Anforderungen des Medizinproduktegesetzes.
72 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
Bei der Auswertung von klinischen Erfahrungsberichten muss – ebenso wie bei
der Bewertung von wissenschaftlicher Literatur – die Anwendbarkeit der Daten für
das betrachtete Medizinprodukt belegt werden, vor allem, wenn diese nicht mit
dem eigentlichen, sondern mit einem Vergleichsprodukt gewonnen wurden. Dar-
über hinaus ist zu beachten, dass klinische Erfahrungsdaten für die Abschätzung
der Reklamationsstatistik nur bedingt geeignet sind, da der Umgang mit Vorkomm-
nismeldungen in verschiedenen Ländern zum Teil erheblich variiert.
Klinische Prüfung
Die klinische Prüfung stellt den Nachweis der klinischen Sicherheit und Leistungs-
fähigkeit im Rahmen einer definierten Versuchsanordnung mit menschlichen Pro-
banden dar. Es muss jedoch beachtet werden, dass aus ethischen Gründen im Rah-
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men einer klinischen Prüfung nur solche Informationen erhoben werden dürfen,
welche anders nicht eruierbar sind. So müssen beispielsweise Nachweise der Bio-
kompatibilität, der elektrischen oder funktionalen Sicherheit oder der Usability
bereits vor Beginn einer klinischen Prüfung vorliegen.
Es ist zu beachten, dass Daten aus klinischen Prüfungen nur für neue Produkte als
ausreichend angesehen werden können. Da solche Daten unter besonders kontrol-
lierten Bedingungen erhoben werden, können diese nur bedingt auf den Routine-
For personal use only.
risiko und damit auch das Risiko-Nutzen-Verhältnis neu bewertet werden. Es zeigt
sich also, dass insbesondere die klinische Erfahrung einen besonderen Stellenwert
in der klinischen Bewertung hat.
Die klinische Bewertung ist über das Risikomanagement eng verzahnt mit der
Konformitätsbewertung des betrachteten Medizinprodukts. Die drei Systeme – kli-
nische Bewertung, Risikomanagement und Konformitätsbewertung – können also
nicht isoliert betrachtet werden, sondern haben eine Vielzahl von Schnittstellen.
Eine klinische Prüfung mit Medizinprodukten darf nur durchgeführt werden,
wenn die Sicherheit des Patienten gewährleistet ist. Alle Nachweise der techni-
schen und funktionalen Sicherheit, welche bereits vor Beginn der Prüfung in vitro
durchgeführt werden können, müssen vor Beginn vorliegen. Die Basisanforderun-
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gen für die Durchführung von klinischen Prüfungen am Menschen legt die harmo-
nisierte Norm EN ISO 14155 [3.28] fest. Diese definiert insbesondere Anforderun-
gen an den klinischen Prüfplan oder das Handbuch des klinischen Prüfers, aber
auch die Verantwortlichkeiten von Sponsor, Monitor sowie des klinischen Prüfers.
zeichnet und stellt das entsprechende Äquivalent dar. Der Hersteller hat zu bele-
gen, dass das Produkt die spezifizierten Leistungsdaten – insbesondere Sensitivi-
tät, Spezifität und Wiederholbarkeit, aber auch Präzision – erbringen kann. Dabei
wird zwischen der diagnostischen und der therapeutischen Relevanz und Aussage-
kraft eines Diagnostikums unterschieden. Im Rahmen des Konformitätsbewer-
tungsverfahrens muss der Hersteller belegen, dass das Produkt einerseits tech-
nisch in der Lage ist, diese Leistungsparameter zu erfüllen. Es muss aber auch der
Nachweis erbracht werden, dass diese Parameter eine klinische Signifikanz und
Relevanz für eine Diagnosestellung oder weitere Therapieentscheidung haben.
Die Anforderungen an die Leistungsbewertungsprüfung werden in der harmoni-
sierten Norm EN 13612 [3.29] definiert. Zusätzlich stellen die ISO 20916 [3.62]
bzw. CLSI-Dokumente weitere wertvolle Informationsquellen dar.
Der Aufwand für die klinische Bewertung, insbesondere, wenn in deren Rahmen
eine klinische Prüfung durchzuführen ist, darf nicht unterschätzt werden. Es sind
nicht nur die entsprechenden behördlichen Fristen und Tätigkeiten einzuplanen,
auch rechtliche Vertragsaspekte mit den jeweiligen Partnern (wie z. B. Ärzte, Kran-
kenanstalten, dritte Prüfdurchführende etc.) kosten den Hersteller sehr viel Zeit
und Geld. Eine Einführung und Etablierung von entsprechenden standardisierten
Prozessen kann jedoch den Hersteller diesbezüglich im Wiederholungsfall helfen,
den entsprechenden Aufwand zu minimieren und unliebsamen Überraschungen
vorzubeugen. Eventuell könnten auch externe Dienstleister bei dieser Tätigkeit un-
terstützen.
74 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
sich vor Aufnahme der Tätigkeit bei den Behörden nach nationaler Gesetzeslage zu
melden bzw. registrieren zu lassen.
In Österreich registriert sich der Verantwortliche mit seinem Produkt im Österrei-
chischen Register für Medizinprodukte, in Deutschland wendet man sich an das
Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), falls
dieses noch nicht ins Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) integriert wurde. Für die Schweiz ist die Swissmedic zuständig. Entspre-
chende Internetlinks findet man im Literaturverzeichnis ([3.30], [3.31], [3.32]).
Dies wird jedoch durch die Registrierung in der EUDAMED-Datenbank sukzessive
abgelöst.
Um einen internationalen Informationsaustausch zu unterstützen, strebt man
auch eine einheitliche Nomenklatur für Medizinprodukte an. Zurzeit wird das Uni-
versal Medical Device Nomenclature System (UMDNS) für Medizinprodukte und der
European Diagnostic Market Statistics (EDMS) für In-vitro-Diagnostika verwendet.
UMDNS und EDMS sollen durch den European Medical Device Nomenclature
(EMDN), der als Basis den italienischen CND Code (Classificazione Nazionale dei
Dispositivi medicini) verwendet, abgelöst werden. Dieser ist wiederum neben der
UDI die Grundlage für die Registrierung in der EUDAMED.
In den Harmonisierungsbestrebungen erkennt man auch die verstärkte Bereit-
schaft der Behörden, international zusammenzuarbeiten. Vor allem im Bereich Pa-
tientensicherheit und Informationsaustausch bei Vorkommnissen (Vigilance – Inci-
3.2 Erfolgreicher Marktzugang: Zulassungsanforderungen erfüllen 75
dent Reporting) sind die verpflichtenden Ansätze klar erkennbar (z. B. durch die
verpflichtende Anwendung der IMDRF-Codes im Rahmen der Incident Reports).
Inverkehrbringen
Wenn die Tätigkeiten der Registrierung und die Ausstellung der Konformitätser-
klärung sowie die Anbringung des CE-Zeichens erfolgreich abgeschlossen sind,
kann das Produkt frei am europäischen Binnenmarkt vermarktet und gehandelt
werden.
Auch hier nochmals der Hinweis, dass nationale Gesetzesgegebenheiten, wie z. B.
die entsprechende Landessprache bei der Gebrauchsanweisung oder nationale Re-
gistrierungen wie in Italien, vor Markteinführung eingehalten werden müssen.
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Die Verpflichtungen des Herstellers enden jedoch nicht mit der Inverkehrbringung
des Produkts. Wie in den Regularien festgehalten, ist der Hersteller verantwort-
lich, sich über den ganzen Lebenszyklus um sein Produkt zu kümmern. Dazu ist
eine Marktbeobachtung durchzuführen.
Diese Verpflichtung zur Überwachung leitet sich zum einen aus den Direktiven
und umgesetzten Gesetzen, andererseits aus harmonisierten Normen wie z. B. aus
der Risikomanagement-, Software-Lebenszyklus- oder Qualitätsmanagementnorm
([3.8], [3.10], [3.12]) ab. Hierbei hat der Hersteller Rückmeldungen aus dem Feld
zu bewerten und gegebenenfalls Aktionen daraus abzuleiten. Nach Ansicht über-
wachender Behörden und Benannter Stellen hat der Hersteller auch proaktiv tätig
zu werden, um den Markt zu beobachten.
Gemäß den Richtlinien haben die EU-Mitgliedstaaten nationale Meldesysteme
über Vorkommnisse oder Beinahevorkommnisse zu betreiben, welche in den
nächsten Jahren harmonisiert werden sollen, in denen Hersteller, Betreiber und
Patienten ihre Vorfälle melden können. Hersteller können diese auch nutzen, um
für ihr eigenes Produkt nützliche Informationen im Sinne der Marktbeobachtung
abzuleiten.
pean Association of Notified Bodies for Medical Devices (Team NB), mit dem Ziel,
gegenüber den Behörden und der Industrie mehr Gewicht in Fragen von sicher-
heitstechnischen und ethischen Standards zu haben und Konsens in gewissen Pro-
blemstellungen zu erlangen.
3.2.2 USA
Neben dem europäischen Binnenmarkt ist bei vielen europäischen Herstellern der
US-amerikanische Markt der zweitwichtigste. Daher soll in den folgenden Ab-
schnitten die Zulassungssituation für den US-amerikanischen Markt betrachtet
werden.
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Die Rechtslage
Medizinprodukte unterliegen in den USA gesetzlich dem Federal Food, Drug, and
Cosmetic Act (FD&C Act), der ähnlich wie die Verfassung (Bill of Rights) vom Kon-
gress beschlossen wird. Diese Vorschrift, genau genommen für Medizinprodukte
Chapter V – Drugs and Devices, bildet den gesetzlichen Rahmen, in dem die Be-
hörde FDA (Food and Drug Administration) agieren muss. Diese wiederum konkre-
For personal use only.
tisiert unter der Einhaltung des Administrative Procedure Act, von anderen Federal
Laws und unter Einbeziehung der Öffentlichkeit (bekannt als notice and comment
rulemaking) ihre Regeln und Anforderungen zur Einhaltung des FD&C Act. Für Me-
dizinprodukte wurde dies im 21. Titel des Code of Federal Regulation umgesetzt,
genauer: im CFR Title 21 – Food and Drugs: Parts 800 to 1299 [3.33].
Neben den gesetzlichen Anforderungen, die durch die FDA, also durch die überwa-
chende Behörde überprüft werden, gibt es auch von der Agency der FDA herausge-
gebene Guidance-Dokumente, die als Interpretationshilfen für FDA-Mitarbeiter
und Hersteller dienen sollen. Diese sind im Gegensatz zu den gesetzlichen Rege-
lungen nicht rechtsbindend, haben jedoch für eine erfolgreiche Marktzulassung
große Bedeutung. Daneben gibt es, ähnlich zu den harmonisierten Normen in
Europa, die Recognized Consensus Standards, die zur Erfüllung von gesetzlichen
Anforderungen dienen können. Diese werden wie viele andere nützliche Doku-
mente auf den entsprechenden Webseiten der Agency veröffentlicht.
Wie für den europäischen Binnenmarkt ist die erste Frage, die zu stellen ist: „Fällt
das Produkt unter die Definition ‚Medical Device‘?“
Unter FD&C Sec 201(h) findet man: „A Medical Device is [. . .] an instrument, appa-
ratus, implement, machine, contrivance, implant, in vitro reagent, or other similar or
related article, including a component part, or accessory which is:
recognized in the official National Formulary, or the United States Pharmacopoeia,
or any supplement to them,
3.2 Erfolgreicher Marktzugang: Zulassungsanforderungen erfüllen 77
intended for use in the diagnosis of disease or other conditions, or in the cure,
mitigation, treatment, or prevention of disease, in man or other animals, or
intended to affect the structure or any function of the body of man or other ani-
mals, and which does not achieve any of its primary intended purposes through
chemical action within or on the body of man or other animals and which is not
dependent upon being metabolized for the achievement of any of its primary
intended purposes.“
Hat man dies eindeutig geklärt, ergibt sich im Anschluss die zweite Frage: „Wel-
cher der drei Klassen (Class I, II, III) könnte die FDA das Produkt zuteilen?“
Der erste Unterschied, der zum europäischen System zunächst auffällt, ist, dass nur
die FDA selbst die endgültige Klassifizierung für das jeweilige Produkt vornimmt.
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Somit muss der Hersteller selbst zu Beginn eine Abschätzung der Device-Klasse
durchführen, da von dieser sehr wesentlich der weitere Verfahrensweg abhängt.
Die Klassen sind risikobasiert unterteilt – Class I niederes Risiko, Class III höchs-
tes Risiko. Dementsprechend werden unterschiedliche Anforderungen an die Pro-
dukte gestellt. Allgemein nach FD&C Sec 513:
Class I: General Controls with/without exemptions (Beispiel: Untersuchungs-
handschuhe, Rollstühle).
For personal use only.
BEACHTE:
Klinische Studien = Nachweis wissenschaftlicher Erkenntnisse sind nicht zu ver-
wechseln mit der Erhebung klinischer Performance-Daten.
sem Buch dargestellt) aus 21 Sections, die mit Nachweisen des Medizinprodukts
gefüllt werden müssen. Zu jeder dieser Sections stellt die FDA meistens eine mehr
oder minder detaillierte Beschreibung oder sogar Guidance wie z. B. für Software
(Guidance for the Content of Premarket Submissions for Software Contained in Medi-
cal Devices) auf ihrer Homepage zur Verfügung [3.36].
Um den Review zu beschleunigen, wurden seitens der Behörden zwei wichtige
Neuerungen eingeführt. Zum einen muss der Akt nun auch elektronisch zur Verfü-
gung gestellt werden (siehe dazu die Guideline „eCopy Program for Medical Device
Submissions“), und zum anderen hat die FDA eine Art Eingangsprüfung im Docu-
ment Control Center (DMC) eingeführt (siehe dazu die „Refuse to Accept Policy for
510(k)“). Dabei werden anhand einer internen FDA-Checkliste die grundsätzlichen
Vorbedingungen geprüft, bevor das DMC die Einreichung überhaupt akzeptiert
und annimmt.
Nach Abschluss des Verfahrens (nach den Regularien hat die FDA 90 Tage für das
Review) erhält man von der FDA einen Bescheid, ob das jeweilige Produkt einem
bereits auf dem Markt befindlichen Produkt substantially equivalent ist oder nicht.
Darüber hinaus wird bei positivem Abschluss die Markteinführung erlaubt, und
die einzuhaltenden Auflagen wie beispielsweise jährliche Registrierung, GMP-Auf-
lagen, Listing, Verpflichtungen zum Medical Device Reporting werden aufgelistet.
Zusätzlich wird ein sogenanntes 510(k) Decision Summary nach 21 CFR 807.92
mitgeliefert, das auch in der 510(k)-Datenbank für jedermann einzusehen ist und
eine mehr oder minder kurze Zusammenfassung der eingereichten Daten darstellt.
3.2 Erfolgreicher Marktzugang: Zulassungsanforderungen erfüllen 79
BEACHTE:
Die angeführten 90 Tage zählen nur, wenn die FDA keine Rückfragen hat oder
zusätzliche Dokumente anfordert. Sollten Daten nachgefordert werden, wird die
Zeit so lange angehalten, bis die entsprechenden Daten nachgeliefert wurden.
Sollten entsprechende Daten nicht im vereinbarten Zeitrahmen zur Verfügung
gestellt werden, gilt es zu überlegen, ob die Einreichung nicht zurückgezogen
werden sollte.
einem erfolgreichen Approval erhält die einreichende Partei (meist der Hersteller)
eine Lizenz für den Markteintritt.
Der Zeitrahmen, den die FDA für ein Review zur Verfügung stellt, ist mit 180 Tagen
festgesetzt. In Wirklichkeit beträgt der Zeitrahmen durch Rückfragen und Nachrei-
chungen ein Vielfaches, nicht selten mehrere Jahre. Bevor die FDA einer PMA zu-
stimmt oder diese ablehnt, kann es sein, dass das zuständige FDA advisory board
in einer öffentlichen Anhörung die Fakten mit dem Einreicher diskutiert bzw. wis-
senschaftliche Gutachter beschäftigt und erst im Anschluss daran der FDA eine
Empfehlung zur Annahme oder Ablehnung der PMA gibt. Die Akzeptanz oder die
Abweisung wird der einreichenden Partei wieder mittels eines öffentlichen, be-
gründeten Bescheids mitgeteilt. „Interessierte Parteien“ haben im Anschluss die
Möglichkeit, innerhalb von 30 Tagen einen Rechtseinspruch dagegen einzulegen.
Das heute gebräuchlichste Verfahren stellt die Modular PMA dar (siehe Download-
Material zu diesem Buch), bei der eine Aufteilung der Gesamterfordernisse in Mo-
dulen erfolgt, die jeweils gesondert begutachtet und bewertet werden. Details siehe
FDA Guide „Premarket Approval Application Modular Review“ – Internetlink [3.39].
Zur Erhebung der klinischen Daten im Rahmen einer klinischen Studie zur Unter-
legung der Sicherheit und Wirksamkeit bei einer PMA oder 510(k) muss ein Ansu-
chen für eine IDE gestellt werden.
80 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
TIPP:
Im Vorfeld sollte man eine sogenannte Pre-IDE durchführen. Dies ist eine Abstim-
mung zwischen dem „Sponsor“ (= Einreicher) und dem Office of Device Evaluation
(ODE) der FDA über die Vorgehensweise bei der eigentlichen IDE. Allerdings muss
dabei in Kauf genommen werden, dass es sich hier generell um unverbindliche
Aussagen von Seiten der Behörde handelt. Daher sollte besondere Aufmerksamkeit
in die Vorbereitung der Fragestellung gesetzt werden.
For personal use only.
3.2.2.4 FDA-Programme
Neben den klassischen Zulassungsverfahren gibt es bei der FDA auch spezielle
Verfahren („Programs“), die im Wesentlichen eine Beschleunigung der oben ange-
führten Verfahren mit sich bringen sollen. Vollständigkeitshalber werden sie hier
aufgelistet, Details entnehmen Sie bitte den entsprechenden Webseiten:
Breakthrough Device Program [3.63],
Safer Technology Program (STeP) [3.64],
Digital Health Precertification (Pre-Cert) Pilot Program [3.65],
Q-Submission Program [3.66].
Geschäftsadresse in den USA hat (also kein Postfach) und zu üblichen Bürozeiten
telefonisch erreichbar ist – 21 CFR 807.3 (r).
Zusätzlich zur Registrierung ist für folgende Firmen ein Device Listing gemäß
21 CFR 807 vorgeschrieben:
Hersteller von Medizinprodukten,
Unternehmen, die verpacken, Labeling ändern,
For personal use only.
nischer Standards. Nachweise dazu können auch in Form von Testberichten und
Zertifikaten von Nationally Recognized Testing Laboratories (NRTLs) erbracht werden,
die bei guter Planung gleich mit den Tests für den CB-Bericht durchgeführt werden
können.
3.2.3 Kanada
Die Marktzulassung in Kanada ist im Food and Drug Act festgelegt und in der Me-
dical Device Regulation via Statutory Orders and Regulations 98-282 (SOR 98-282)
geregelt. Diese können in der Canada Gazette, dem offiziellen kanadischen Regie-
rungsamtsblatt [3.44], öffentlich eingesehen werden. Dabei kann man erkennen,
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BEACHTE:
In Kanada ist eine Werbung für Produkte der Klassen II, III und IV nur beim Vor-
handensein einer gültigen Marktlizenz erlaubt, wobei bei Hochrisikoprodukten der
Klasse III und IV die Werbung (die unter Labeling fällt) im Rahmen des Zulassungs-
verfahrens mit eingereicht werden muss.
Für die Klassen II, III und IV ist eine Medical Device License zu beantragen und ein
Formular für das jeweilige Produkt und der entsprechenden Risikoklasse auszufül-
len [3.45], [3.46]. Tabelle 3.1 zeigt typische Vertreter gemäß der Klassifizierungs-
regeln.
Tabelle 3.1 Risikoklassen
I Rollstühle, chirurgische Instrumente
II Diagnostischer Ultraschall, Kontaktlinsen
III Dialysegeräte, orthopädische Implantate
IV Herzschrittmacher
3.2 Erfolgreicher Marktzugang: Zulassungsanforderungen erfüllen 83
parts intended to be used together to fulfil some or all of the device's intended
functions, and that is sold under a single name.“
Test Kit: „means an in vitro diagnostic device that consists of reagents or articles,
or any combination of these, and that is intended to be used to conduct a specific
test.“ [3.47]
Zugelassene Produkte der Klassen II bis IV werden in der öffentlichen Datenbank
MDALL [3.48] angezeigt; erst dann darf die Vermarktung dieser Produkte begin-
For personal use only.
nen.
Für die Klasse I ist keine Medical Device License zu beantragen, jedoch benötigen
Unternehmen, die keinen Vertriebspartner in Kanada haben und ihre Produkte
direkt vertreiben, eine Medical Device Establishment License.
Eine weitere Forderung der Medical Device Regulation, die noch vor einer Anmel-
dung des Produkts geschehen muss, ist eine Zertifizierung des Qualitätsmanage-
mentsystems entsprechend CMDCAS-Regeln (Canadian Medical Device Conformity
Assessment System). Die zugrunde liegende Basis ist die ISO 13485, die um ent-
sprechende Anforderungen aus der Medical Device Regulation erweitert wurde.
Diese Zertifizierung muss durch eine durch Health Canada akkreditierte Stelle
und einen durch Health Canada akkreditierten Auditor durchgeführt werden. Ak-
kreditierte Stellen findet man unter den zitierten Webseiten [3.49], [3.50]. Ab 2019
stellte Kanada das CMDCAS-Programm jedoch ein und stellte verpflichtend auf das
MDSAP (Medical Single Audit Program) um [3.66].
BEACHTE:
Änderungen im QM-System sind der zertifizierenden Stelle und Health Canada
entsprechend vorgesehener Fristen (30 Tage) zu melden.
BEACHTE:
Es gibt auch Forderungen für Subcontractors.
84 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
Für Kanada ist es auch verpflichtend, ein Medical Device Reporting einzuführen.
Dies verlangt die Meldung von Vorfällen in Kanada (Fehler des Systems, Versagen
der Effektivität, Unzulänglichkeiten im Labeling, die zum Tod oder schwerwiegen-
den Verletzungen führen oder hätten führen können) oder Vorfällen außerhalb
von Kanada, wenn das Produkt in Kanada verkauft wird und der entsprechenden
Behörde gemeldet wurde. Achtung: Auch hier gibt es gesetzliche Fristen (10/30
Tage).
Zusätzlich erhöht Kanada die Verpflichtungen für Hersteller im Rahmen der Post
Market Surveillance (Canada Gazette, Part II, Vol. 154, No. 26).
3.2.4 China
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Einer der am schnellsten wachsenden Märkte, auch auf dem Gesundheits- und Me-
dizinproduktesektor, ist China. Daher streben viele Firmen auch hier eine Regist-
rierung ihrer Produkte an, obwohl diese Registrierungen sehr langwierig und
arbeitsintensiv sein können. Notwendige Informationen über Regularien und An-
forderungen sind oftmals nur lokal und in der Landessprache verfügbar. Die Regis-
trierung ist zudem in Englisch und Mandarin durchzuführen.
For personal use only.
Die zuständige Behörde ist die NMPA (National Medical Products Administration)
[3.51], die die Zulassung und Überwachung von Medikamenten und Medizinpro-
dukten übernommen hat. Strukturell ist diese zentrale Behörde ähnlich wie die
FDA organisiert.
Wie in fast allen Ländern der Welt muss man sich auch hier die Frage stellen, wie
China ein Medizinprodukt definiert. Aus den Regulations for the Supervision and
Administration of Medical Devices (State Council Order No. 680) [3.52] erkennt man,
dass es kaum Abweichungen zu den europäischen oder amerikanischen Regula-
rien gibt.
Nach etwaiger Klärung über die Zugehörigkeit des Produkts zu den Medizinpro-
dukten muss eine Klassifizierung durchgeführt werden. Chinas Regularien sehen
eine Unterteilung in drei Medizinprodukteklassen [3.53] gemäß Risiko und An-
wendungsdauer durch die NMPA vor:
„Class I: Medical Devices are those for which safety and effectiveness can be
ensured through routine administration.
Class II: Medical Devices are those for which further control is required to ensure
their safety and effectiveness.
Class III: Medical Devices are those which are implanted into the human body, or
used for life support or sustenance, or pose potential risk to the human body and
thus must be strictly controlled in respect to safety and effectiveness.“
3.2 Erfolgreicher Marktzugang: Zulassungsanforderungen erfüllen 85
Die Klassifizierung, geregelt durch Provisions for Medical Device Classification (Order
No. 15), sieht zur Einteilung auch einen Katalog vor (Medical Device Classification
Catalog (4 – 6-stelliger Code), der für das eigene Produkt genutzt werden kann, wo
bereits verschiedenste Medizinprodukte nach Anwendungsdauer, Invasivität und
Anwendungsort unterteilt sind [3.54].
Bevor nun die eigentliche Registrierung beginnen kann, muss man sich über eine
weitere Anforderung der Behörde Gedanken machen. Die NMPA fordert für alle
Medizinprodukte-, IVD- und Pharmaziehersteller, die keine Niederlassung in China
haben, einen vor Ort befindlichen registrierten Legal Agent and After Sales Service
Agent. Dieser hat die Aufgabe, als
Schnittstelle zwischen Hersteller und NMPA (z. B. für Rückfragen bei der
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Product Testing Report issued by a NMPA recognized testing lab (applicable for
class II and III products)
Clinical Test Report or clinical data (according to specific product)
Product quality guarantee letter of the applicant
Authorization letter written by the applicant to a Representing Agent in China,
letter of promise written by the Representing Agent, and Business License or Orga-
nization Registration Certificate of the agent
For personal use only.
chen. In China ändern sich laufend die Bezeichnungen, Dokumente und Vorlagen
sowie die Gesetze selbst. Es ist eben ein sehr dynamisches Land und ein großer
Markt. Es empfiehlt sich daher sehr, einen Vertrauensmann mit entsprechenden
Kenntnissen und Fähigkeiten vor Ort zu haben.
3.2.5 Japan
In Japan sind Medizinprodukte, Pharmazeutika, In-vitro-Reagenzien, kosmetische
Produkte und Sanitätsbedarf im Pharmaceutical and Medical Device Act (PMDA)
geregelt.
Dieses Gesetz kann wiederum durch Verordnungen wie Governmental Ordinances
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Weiterhin sind für eine JGMP-Inspektion, die spätestens alle drei Jahre notwendig
ist, für den Hersteller und MAH unter anderem wichtig:
Aufbewahrungsfristen gemäß gesetzlicher Vorgaben,
infrastrukturelle Vorgaben (Pest Control, Zugangsbeschränkungen, Bekleidung
etc.),
Risikomanagement.
Zusätzlich sind bei der MHLW folgende Personen zu benennen:
Domestic Warehouse Manager,
Verantwortliche für Sales und Distribution,
Verantwortliche für Reparaturen.
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Class II: Designated Controlled Medical Device und Specially controlled Medical
devices: „Ninsho“ – z. B. Endoskope
Produkte dieser Klasse werden durch einen Recognized Certification Body (RCB)
zertifiziert. Dieser RCB hat eine äquivalente Funktion wie ein Notified Body in
der Europäischen Union. Zum einen führt dieser eine Produktzertifizierung
durch, zum anderen hat dieser ein Qualitätsmanagement-Audit entsprechend
JGMP (MHLW Ordinance No. 169) durchzuführen (da Japan auch Teilnehmer
am MDSAP-Programm ist, könnte dies eine weitere Möglichkeit sein, Kosten
zu bündeln).
Namhafte Notified Bodies haben eine Akkreditierung der PMDA als RCB. Dies
hätte auch den Vorteil, dass der MAH für das Audit im Land außerhalb Japans
eventuell den gleichen Notified Body beauftragen und damit verbundene Kos-
ten einsparen könnte.
Lizenz für MAH und Manufacturing sowie Kijun Tekigo Sho ebenfalls wieder
vorausgesetzt.
Class III (z. B. Ballon-Katheter) und IV (z. B. Herzschrittmacher): „Shonin“
Diese höheren Klassen bedürfen schon eines Approval („Shonin“) direkt durch
die PMDA.
3.2 Erfolgreicher Marktzugang: Zulassungsanforderungen erfüllen 89
BEACHTE:
Klassifizierung ist nicht wie in Europa regelbasiert. Daher ist der Begriff nicht eins
zu eins gleichzusetzen.
Für eine erfolgreiche Produktzulassung benötigt man ein Application Dossier. Dies
ist im Normalfall das Application-Formular plus die STED-Dokumentation nach
IMDRF (vormals GHTF) plus ein Nachweis, dass die Gerätedaten den GHTF Essential
Principles entsprechen (Japan hat die GHTF-Dokumente ins Gesetz übernommen).
Sind dann auch noch die Lizenzen und die Ergebnisse einer positiven JGMP-Inspek-
tion vorhanden, steht einer Vermarktung des Produkts nichts mehr im Wege.
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TIPP:
Beachten Sie in Japan unbedingt die kulturellen Spielregeln. Gelieferte Ware muss
immer makellos sein. Sonst kann man sehr schnell „sein Gesicht verlieren“.
3.2.6 Brasilien
For personal use only.
ANVISA bzw. beauftragte akkreditierte Stellen prüfen alle zwei Jahre die Überein-
stimmung der Anforderungen, wobei angemerkt werden muss, dass jede Ferti-
gungsstätte über ein eigenes Zertifikat zu verfügen hat. Etwaige Kosten für solche
Inspektionen trägt der Hersteller.
Für die Registrierung selbst sind die Unterlagen, wie in den entsprechenden RDCs
und deren Anhängen angegeben, zu erstellen, inklusive der vorgeschlagenen
Kennzeichnung der Geräte (Labeling) und der Gebrauchsanweisung. Teilweise ist
vom Hersteller auch noch ein Free Sales Certificate aus dem Ursprungsland mit
einzureichen.
Dass alles in der Landessprache zu erfolgen hat, wird von den Behörden vorausge-
setzt.
Ist die Prüfung bei ANVISA schlussendlich erfolgreich verlaufen, veröffentlicht
ANVISA die Registrierungsnummer im Diário Oficial da União (DOU). Die Regist-
rierung selbst ist dann für fünf Jahre gültig und muss anschließend wieder erneu-
ert werden.
Wie in zahlreichen anderen Ländern endet die Verantwortung des Herstellers
nicht bei der Registrierung, sondern erfordert auch eine post market surveillance
bzw. ein Vigilance Reporting System. Dementsprechend sind bei Meldungen angege-
bene Fristen einzuhalten.
3.4 Zusammenfassung 91
überprüft werden.
3.4 Zusammenfassung
Dieser Abschnitt zeigte einen Überblick über die gängigsten Zulassungsverfahren
und deren Anforderungen. Spezifische Informationen, auch aufgrund der immer
wieder vorkommenden Änderungen, sind anhand der jeweiligen aktuellen Geset-
zeslage selbst zu erarbeiten oder durch entsprechende Einbindung von globalen
Dienstleistern zuzukaufen. Diese helfen nicht nur bei Übersetzungen und Inter-
pretationsfragen, da diese meist Büros in den jeweiligen Ländern unterhalten, son-
dern stellen ihr Wissen auch für die Suche nach einem Distributor oder Market
Authorization Holder zur Verfügung.
Zusammenfassend erkennt man eine Systematik im Ablauf einer jeden Zulassung/
Registrierung:
Vertrautmachen mit der gesetzlichen Lage des jeweiligen Landes,
Klassifizierung des Produkts,
Notwendigkeit eines Registration Holder, Agenten etc.,
Notwendigkeit einer Importlizenz bzw. Manufacturer License,
92 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
weiterer Folge sind die Bestrebungen für eine globale Harmonisierung zu unter-
stützen, sodass die Vielfältigkeit der notwendigen Unterlagen standardisiert und
der teilweise skurrile Wildwuchs bei den erforderlichen Dokumenten weiter einge-
dämmt werden kann.
Im Rahmen der Entwicklung müssen patent- und lizenzrechtliche Fragen ebenfalls
eindeutig und vollständig geklärt werden.
For personal use only.
3.5 Literatur
[3.1] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 169 vom 12. 07. 1993: Richtlinie
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vorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte und 93/42/
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[3.3] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 331 vom 07. 12. 1998: Richtlinie
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[3.4] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 189 vom 20. 07. 1990: Richtlinie
90/385/EWG zum Abgleich der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare
medizinische Geräte. 1990. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HT
ML/?uri=OJ:L:1990:189:TOC&rid=1, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.5] Europäische Kommission: Webseite der Europäischen Kommission – EUR-Lex Der Zugang zum
EU-Recht. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/content/welcome/about.html, abgerufen am
15. Jan. 2021.
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laments und des Rates vom 9. März 2016 über persönliche Schutzausrüstungen und zur
3.5 Literatur 93
German version EN ISO 13485:2016. (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: Me-
dizinprodukte – Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke
(ISO 13485:2016); Deutsche Fassung EN ISO 13485:2016.).
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classification-070209.pdf, abgerufen 05. Mai 2014.
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EWG des Rates über aktive implantierbare medizinische Geräte und der Richtlinie 93/42/EWG
des Rates über Medizinprodukte. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CE
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[3.15] Die europäische Kommission: Empfehlung 2013/473/EU vom 24. September 2013 zu den Audits
und Bewertungen, die von Benannten Stellen im Bereich der Medizinprodukte durchgeführt
werden http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32013H0473&rid=1,
abgerufen 05. Mai 2014.
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Verfügbar unter: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/single-market-goods/files/blue-guide/
guidepublic_de.pdf, abgerufen am 05. Mai 2014.
[3.17] Europäisches Komitee für Normung (CEN); Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung
(CENELEC): EN ISO 14971:2007 Medical devices – Application of risk management to medical
devices. 2007. (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 14971:2009
Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte. Beuth, 2009.).
[3.18] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN IEC 62366:2007 Medical
devices – Application of usability engineering to medical devices. 2007. (Deutsche Fassungen:
Österreichisches Normungsinstitut: ÖVE/ÖNORM EN 62366:2008 Medizinprodukte – Anwendung
94 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
[3.29] Europäisches Komitee für Normung (CEN): EN 13612:2002 Performance evaluation of in vitro dia-
gnostic medical devices. 2002. (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN
13612:2002 Leistungsbewertung von In-vitro-Diagnostika. Beuth, 2012.).
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bar unter: https://medizinprodukteregister.at/, abgerufen am 15. Jan. 2021.
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3.5 Literatur 95
[3.38] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Webseite der FDA bezüglich PMA. Verfügbar unter:
https://www.fda.gov/medical-devices/premarket-submissions/premarket-approval-pma, abgerufen
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[3.39] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Guidance for Industry and FDA Staff: Premarket Ap-
proval Application Modular Review. 2003. Verfügbar unter: https://www.fda.gov/regulatory-
information/search-fda-guidance-documents/premarket-approval-application-modular-review,
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[3.40] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Webseite der FDA bezüglich Investigational Device
Exemption. Verfügbar unter: https://www.fda.gov/medical-devices/how-study-and-market-your-
device/investigational-device-exemption-ide, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.41] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Webseite der FDA bezüglich Labeling-Vorschriften.
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[3.42] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Webseite der FDA bezüglich How to Register and List.
downloaded from www.hanser-elibrary.com by Jade Hochschule FH WOE on July 10, 2023
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laws-lois.justice.gc.ca/eng/regulations/sor-98-282/fulltext.html, abgerufen am 15. Jan. 2021.
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products.canada.ca/mdall-limh/, abgerufen am 15. Jan. 2021.
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bar unter: https://www.scc.ca/en/accreditation/management-systems/cmdcas/cmdcas-recognized-
certification-bodies, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.50] Health Canada: Quality Management System ISO 13485. Verfügbar unter: https://www.canada.
ca/en/health-canada/services/drugs-health-products/medical-devices/quality-systems-13485.html,
abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.51] National Medical Products Administration: Webseite der NMPA. Verfügbar unter: http://english.
nmpa.gov.cn/, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.52] State Council of the People's Republic of China: State Council Order No. 680. Verfügbar unter:
http://en.osmundacn.com/shows/10/20.html, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.53] State Council of the People’s Republic of China: Rules for Classification. Verfügbar unter: http://
english.nmpa.gov.cn/2019-10/11/c_415411.htm, abgerufen am 15.Jan.2021.
[3.54] ZHIXIE: nmpa Classification (Beispiele). Verfügbar unter: http://www.nmpa-classification.com/
articles/category/chinese-medical-device-classification/, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.55] State Food and Drug Administration: Webseite der SFDA bezüglich der erforderlichen Dokumente
für eine Einreichung. Verfügbar unter: http://eng.sfda.gov.cn, abgerufen am 20. 07. 2012
[3.56] Universität für Bodenkultur Wien: https://boku.ac.at/fos/themen/patente/was-ist-ein-patent, abge-
rufen 28. Jul. 2021.
96 3 Rechtliches Umfeld und Zulassungsanforderungen
[3.57] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 117 vom 05. 05. 2017: Regulation
(EU) 2017/745 of the European Parliament and of the Council of 5 April 2017 on medical devices,
amending Directive 2001/83/EC, Regulation (EC) No 178/2002 and Regulation (EC) No 1223/2009
and repealing Council Directives 90/385/EEC and 93/42/EEC (Text with EEA relevance) Ver
fügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A32017R0745&q
id=1610704840509, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.58] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 117 vom 05. 05. 2017: Regulation
(EU) 2017/746 of the European Parliament and of the Council of 5 April 2017 on in vitro diagnostic
medical devices and repealing Directive 98/79/EC and Commission Decision 2010/227/EU (Text
with EEA relevance) Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELE
X%3A32017R0746&qid=1610705129606, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.59] Europäische Kommission: Medical Device Coordination Group: Guidance – MDCG endorsed docu-
ments. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/health/md_sector/new_regulations/guidance_en,
abgerufen am 15. Jan. 2021.
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[3.60] Europäische Kommission: Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament, den Rat
und den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, Harmonisierte Normen: Verbesserte
Transparenz und Rechtssicherheit für einen uneingeschränkt funktionierenden Binnenmarkt.
Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018DC0764
&from=EN, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.61] Europäische Kommission: Draft standardisation request as regards medical devices in support of
Regulation (EU) 2017/745 and in vitro diagnostic medical devices in support of Regulation (EU)
2017/746, Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/43584?locale=en, abgeru-
fen am 15. Jan. 2021.
For personal use only.
[3.62] International Standard Organisation: ISO 20916 - In vitro diagnostic medical devices — Clinical
performance studies using specimens from human subjects — Good study practice
[3.63] U. S. Food and Drug Administration: Breakthrough Devices Program. Verfügbar unter: https://
www.fda.gov/medical-devices/how-study-and-market-your-device/breakthrough-devices-program, ab-
gerufen am 15. Jan. 2021.
[3.64] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Safer Technologies Program (SteP) for Medical De-
vices. Verfügbar unter: https://www.fda.gov/medical-devices/how-study-and-market-your-device/
safer-technologies-program-step-medical-devices, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.65] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Digital Health Software Precertification (Pre-Cert)
Program. Verfügbar unter: https://www.fda.gov/medical-devices/digital-health-center-excellence/
digital-health-software-precertification-pre-cert-program, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.66] U. S. Food and Drug Administration (FDA): The Q-Submission Program. Verfügbar unter: https://
www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/requests-feedback-and-
meetings-medical-device-submissions-q-submission-program, abgerufen am 15. Jan. 2021.
[3.67] Goverment of Canada: Medical Device Single Audit Program (MDSAP). Verfügbar unter: https://
www.canada.ca/en/health-canada/services/drugs-health-products/medical-devices/activities/
international/transition-medical-device-single-audit-program.html, abgerufen am 15. Jan. 2021.
4 Entwicklung von
Medizinprodukten
P. Müllner
SCHWERPUNKTE:
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zu überwinden?
4.1 Einleitung
Warum dauern Entwicklungsprojekte immer länger als geplant – oder gewünscht?
Wurden die eigentlichen Kundenbedürfnisse und Anforderungen missverstanden?
Liegt es an unklaren Formulierungen oder Zielsetzungen? Sind unterschiedliche
Interessen unter einen Hut zu bringen? Sind Projektleiter zu optimistisch bei der
Planung oder würden sie bei einer realistischen Planung keine Freigabe für ihr
Projektbudget bekommen, wenn sie ehrliche Aussagen über die wahren Aufwände
tätigen würden? Wurde zu oberflächlich geplant, sodass die Koordination der be
teiligten und betroffenen Teammitglieder nicht funktioniert, oder wurden etwa
Urlaube, Schulungen, Abwesenheiten oder Krankheiten in der Zeitplanung verges-
sen? Wurde ein einmal ins Wanken geratener Zeitplan nicht rechtzeitig korrigiert?
Wurden die Änderungen unklar kommuniziert?
Meist ist es nicht ein einziger Grund, sondern eine Kombination der erwähnten
Gründe und Ursachen, die für Terminverzögerungen und Budgetüberschreitungen
verantwortlich sind und oft zu unerwünschten Wiederholungen von Entwicklungs-
98 4 Entwicklung von Medizinprodukten
phasen führen. Wie aber kann man treffsichere Maßnahmen zur Verhinderung
von Verzögerungen schaffen, also einen idealen Entwicklungsfortschritt garantie-
ren? Auf diese Frage soll im vorliegenden Kapitel versucht werden, eine zufrieden-
stellende Antwort zu finden.
Eine wichtige Voraussetzung für einen zielgerichteten Entwicklungsablauf ist, die
Zieldefinition mit dem Intended Use/Intended Purpose und seinen Details in den
Produktanforderungen konsequent zu verfolgen. Denn je zielgerichteter die Ent-
wicklung eines Produkts geführt wird, desto weniger läuft das Projekt Gefahr, ver-
zögert zu werden und Abweichungen von den Zielen zu erfahren. Danach muss
sich auch die Entwicklungsstrategie, die Vorgehensweise, ausrichten.
Qualitätsanforderungen für das zukünftige Produkt müssen von Anfang an be-
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4.2 Gesetzliche Anforderungen
an die Entwicklung
BEACHTE:
Es muss eine sorgfältige Prüfung vorgenommen werden, ob nicht neben den
entsprechenden medizintechnischen Richtlinien bzw. Verordnungen weitere Richt-
linien oder Verordnungen wie z. B. RoHS (Richtlinie zum Einsatz von gesundheits-
gefährdenden Stoffen), WEEE (Waste Electrical and Electronic Equipment), ECO-
Design, Maschinenrichtlinie oder RED (Radio Equipment Directive) für das Produkt
anwendbar sind.
Obwohl die Design Control-Vorschrift der FDA [4.19] (820.30, Subpart C der Quality
System Regulation) nur etwa zwei DIN-A4-Seiten umfasst und die Anforderungen
darin als klar und verständlich angesehen werden können, ist deren vollständige
Einhaltung in der Praxis schwierig, wie die häufigen Beanstandungen bei Audits
und die daraus resultierenden Warning Letters beweisen. Der Grund dafür dürfte in
der generischen Beschreibungsart der angloamerikanischen Gesetzgebung liegen,
die durch die Interpretation der Auditoren unterschiedlich ausgelegt werden kann.
For personal use only.
Mit der Übernahme der Nomenklatur der FDA für die wesentlichen Kernpunkte
einer Entwicklung in den Projekt- und Prozessbeschreibungen kann die Projektlei-
tung wenig falsch machen, sofern die einzelnen Vorschriften richtig und vollstän-
dig interpretiert und exekutiert werden. Es darf nicht übersehen werden, dass laut
FDA Prozessbeschreibungen für die Produktentwicklung vorhanden sein und ein-
gehalten werden müssen.
TIPP:
Vermeiden Sie auf jeden Fall Abweichungen zwischen beschriebenen und gelebten
Prozessen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls die Prozessbeschreibungen an die
gelebte Praxis anzupassen und Änderungen zu begründen.
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gestellt ist.
Der Entwicklungsablauf mit seinen wesentlichen Eckpunkten und Phasen ist in
Bild 4.1 vereinfacht dargestellt. In der Praxis wird insbesondere bei komplexen
Systemprojekten in der Anfangsphase zumeist eine Machbarkeitsphase einzufü-
gen sein, und einzelne Phasen können in Teilphasen gegliedert werden. Entwick-
lungsbegleitend ist der Risikomanagement- bzw. Usability-Prozess zu verfolgen
(siehe Kapitel 2, Risikomanagement).
4.3.1 Projektstart
Auch wenn der Terminus Projektstart nicht in der FDA-Nomenklatur verwendet
wird, ist es sinnvoll, einen solchen offiziell durchzuführen. Schließlich muss der
Auftraggeber ein Projektbudget zur Verfügung stellen und eine Hauptverantwort-
lichkeit für das Projekt mit der Projektleitung benennen.
Bei der Auswahl der Person für die Projektleitung ist auf die persönlichen Eigen-
schaften für diese Führungsaufgabe Wert zu legen. Die Projektleitung muss nicht
nur Führungsqualitäten besitzen, wünschenswert sind fachliche Kenntnis und/
oder Erfahrung in zumindest einem der im Projekt benötigten Fachgebiete sowie
Überblickswissen in den anderen betroffenen Fachbereichen. Je mehr technisches
Grund- oder Fachwissen vorhanden ist, desto weniger Expertise muss bei der Plan
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erstellung oder anderen Aufgaben von extern beschafft werden. Die Expertise der
Projektmitglieder muss in jedem Falle mit einbezogen werden.
In den meisten Fällen wird zunächst ein kleineres Budget für die detaillierte Pro-
jektplanung, für Vorklärungen und Machbarkeitsstudien freigegeben und erst da-
nach das Gesamtbudget für das Projekt nach positiven Machbarkeitsbewertungen.
Ziel dieser Vorklärungsphase ist es, die zunächst oft nur grob definierten Zielset-
For personal use only.
TIPP:
Je höher der Neuheitsgrad des zu entwickelnden Produkts ist, desto sinnvoller ist
es, den Projektprozess in der Anfangsphase weiter zu unterteilen und weitere
Haltepunkte mit Reviews einzuplanen und deren Ziele zu beschreiben. Besonders
die Machbarkeitsanalyse wird bei einem solchen Projekt einen größeren Zeitraum
benötigen, denn ohne klares Realisierungskonzept kann auch kein realistischer
Projektplan erstellt werden.
BEACHTE:
Es ist oft zu beobachten, dass bei Projekten und in Organisationen die Abgrenzung
zwischen Forschung und Entwicklung (der eigentliche Start von Design Control)
nicht klar definiert ist. Die Entwicklung startet in jenem Moment, wo eine syste-
matische Vorgehensweise mit kommerziellem Interesse gewählt wird.
102 4 Entwicklung von Medizinprodukten
4.3.3 Design Input
Design Input kann mit dem folgenden Satz beschrieben werden: „Wir wissen ge-
nau, was zu entwickeln ist, wie wir das Produkt realisieren können und wann das
Produkt für die Vermarktung bereitstehen wird.“ Daher müssen bei Design Input
For personal use only.
TIPP:
Je sorgfältiger Sie den Intended Use/Purpose beachten, desto weniger Schwierig-
keiten sind beim Vergleich mit den letztlich erreichten Produktspezifikationen beim
Design Output zu erwarten.
4.3.4 Design Output
Bei Design Output werden die mit dem fertig entwickelten Produkt tatsächlich er-
reichten Spezifikationen mit den bei Design Input gewünschten Anforderungen
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Funktionsweise des Produkts besonders wichtig sind, in die Prüfungen zum Design
Output einzubeziehen.
BEACHTE:
Im amerikanischen Regelwerk gibt es auch den Terminus: „Essential Design
Output“.
Das ist jener Satz an Design Output-Dokumenten, der „essenziell“ für die Erfüllung
der Produkt-sicherheits- und Leistungsanforderungen ist und unterschiedlichste
Dokumentenarten umfassen kann. Die Zugehörigkeit kann man aus dem Risiko-
management ableiten. Zur schnelleren Auffindung während einer Inspektion könnte
man dem jeweiligen Dokument das Attribut „EDO“ beifügen.
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4.3.5 Design Reviews
Formelle Design Reviews (die ISO 13485 spricht von Entwicklungsbewertung), also
Überprüfungen der Ergebnisse der einzelnen Entwicklungsabschnitte durch pro-
jektexterne, unabhängige Experten, müssen zumindest bei Design Input, Design
For personal use only.
Output, nach Design Transfer und bei der Freigabe durchgeführt werden. Bei kom-
plexen Projekten können solche zu weiteren definierten Projektabschnitten wäh-
rend des Entwicklungsablaufes abgehalten und dokumentiert werden.
Der gesamte Review-Prozess muss in Prozessbeschreibungen festgelegt sein. Bei
der Auswahl der Experten ist auf die Fachgebiete Rücksicht zu nehmen, die es zu
beurteilen gilt. Kriterien für ein erfolgreich absolviertes Review sind die Errei-
chung der Ziele des jeweiligen Projektabschnitts, das Vorliegen der zugehörigen
Dokumentation und im Fall von Abweichungen die Akzeptanz dieser durch Reviewer
und Stakeholder. Die Behebung geringfügiger Abweichungen kann in einer Akti-
onsliste verfolgt werden.
TIPP:
Übergeben Sie die Dokumentation den Reviewern rechtzeitig vor dem Review-
Meeting zur Vorbereitung. Beim Review präsentiert das Entwicklungsteam die
erzielten Ergebnisse im Vergleich zu den gesetzten Zielen, und die Reviewer er-
halten die Möglichkeit, die Ergebnisse zu hinterfragen.
Im Design History File ist zu dokumentieren: der Gegenstand des Reviews, der Pro-
jektabschnitt, Auswahl der Experten, geprüfte Dokumente, Ergebnisse des Re-
views, Reviewer (mit Datum und Unterschrift).
4.4 Weg zu den Eckpunkten: Entwicklungsphasen 105
der Begründung der Wahl des Designs, alle Testpläne und Testprotokolle, alle Re-
view-Ergebnisse, die Validierungsergebnisse und den Konformitätsnachweis ent-
hält, ist zu prüfen und für die Behörden zur Einsicht vorzubereiten. Der Device
Master Record (DMR), der alle Fertigungsdokumente enthält, ist einem Review zu
unterziehen und freizugeben. Gebrauchs- und Serviceanleitungen sowie die Mar-
keting-Dokumentation sind fertigzustellen und freizugeben.
Alle diese Punkte sind von der jeweiligen Organisation abhängig; die Projektlei-
For personal use only.
tung sollte sich bewusst sein, dass auch diese Aktivitäten in ihrer Planung enthal-
ten sein müssen.
TIPP:
Besonders bei neuen Produkten empfiehlt sich die Durchführung eines Reviews
nach Vorliegen von Kundenerfahrungen mit dem Produkt meist nach einer Zeit-
spanne von einem halben bis einem Jahr nach Freigabe. Aufgetretene Probleme,
Fehler und Verbesserungsvorschläge können im Sinne der kontinuierlichen Ver-
besserung zur weiteren Produktpflege analysiert werden.
Bild 4.2
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Dabei stellen die Phasenergebnisse einer Phase bindende Vorgaben für die fol-
gende Phase dar. Auch auf die Systementwicklung, also wenn es mehrere Fachge-
biete zu koordinieren gibt, lassen sich solche Modelle gut anwenden. Sie müssen
4.4 Weg zu den Eckpunkten: Entwicklungsphasen 107
Die FDA empfiehlt eine Vorgehensweise nach einem der Modelle, und diese sollte
auch über den Design History File nachvollziehbar sein.
Jedenfalls sollte sich die Projektleitung mit dem Team auf ein Modell als Teil der
Entwicklungsstrategie einigen und dieses konsequent verfolgen. Mischformen
können nach genauer Abgrenzung und Beschreibung sinnvoll sein.
108 4 Entwicklung von Medizinprodukten
Aber auch agile Methoden, die vornehmlich bei Software-Entwicklungen zum Ein-
satz kommen, werden zunehmend vermehrt eingesetzt (siehe dazu auch Kapitel 5,
Software als Medizinprodukt).
4.4.2.1 Analysephase
In dieser Phase sind die Produktidee vom technischen und wirtschaftlichen Stand-
punkt und die Machbarkeit zu prüfen. Nach Vorliegen der Produktidee sind die
damit verbundenen Kunden-/Benutzeranforderungen und Anwendungsfälle zu
beschreiben. Die Anforderungen werden gelistet, detailliert, Randbedingungen be-
schrieben und mit implizit darin enthaltenen Teilanforderungen.
Folgende Anforderungskategorien sind zu berücksichtigen:
Kunden und Benutzer (diese können unterschiedlich sein) sowie deren Nut-
zungsanforderungen
gesetzliche Vorgaben (gültige Normen sowie Gesetze einzelner Länder),
Marketing (Business-Anforderungen),
organisatorische Anforderungen (Betreiber),
fachliche Anforderungen,
Herstellung und Logistik,
Qualität.
4.4 Weg zu den Eckpunkten: Entwicklungsphasen 109
BEISPIEL:
Anforderung: „Ein Analysator (zur Messung von Blutparametern) wird in Europa
vermarktet.“
Eine implizit enthaltene Unteranforderung ist die Einhaltung der einschlägigen
Normen, unter anderem die der elektrischen Sicherheit. Nun ist unter Berücksich-
tigung der Anwendungsfälle zu klären, ob das Gerät mit Netzspannung oder an-
derer Energieversorgung betrieben werden soll. Daraus ergibt sich nun eine
Mehrzahl von konstruktiven Vorschriften, die Detailanforderungen darstellen und
eine Abhängigkeit zur ursprünglichen Anforderung besitzen.
Weitere Anforderungen betreffen beispielsweise die Größe und das Gewicht des
Geräts. Dabei kann es vorkommen, dass eine solche Anforderung im Widerspruch
zu einer anderen Anforderung oder abgeleiteten Detailanforderung steht. Dazu
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Die Realisierbarkeit muss durch eine Projektrisikoanalyse über den gesamten Pro-
duktlebenszyklus möglich sein hinsichtlich
For personal use only.
Abschluss dieses Schritts folgt die Überprüfung, ob die Funktionen mit der ge-
wählten Aufteilung vollständig und hinreichend erfüllt werden können. Danach
erfolgt die Kontrolle, ob damit auch alle Anforderungen und gewünschten Spezifi-
kationen des zukünftigen Produkts eingehalten werden können und diese auch für
die gedachten Anwendungsfälle geeignet sind.
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For personal use only.
Das Prinzip des Design Input – Festlegung der Anforderungen und Spezifikationen
für das Produkt/System – ist auch auf Systemkomponenten und Module anzuwen-
den. Auch für diese sind Spezifikationen und Subspezifikationen zu beschreiben,
damit im späteren Verlauf der Entwicklung der Design Output für alle Komponen-
ten und Teile nachgewiesen werden kann.
Mithilfe geeigneter Methoden (z. B. der FMEA-Methode, Details siehe Kapitel 2,
Risikomanagement) ist zu prüfen, ob durch die gewählte Zusammenfassung von
Funktionen in die Funktionseinheiten unerwünschte Funktionen als Nebenwir-
kungen entstehen könnten, die der gewünschten Gesamtfunktion hinderlich sein
könnten (siehe Bild 4.6, Pfeile e).
4.4 Weg zu den Eckpunkten: Entwicklungsphasen 111
Es ist wahrscheinlich, dass es mehrerer Durchläufe bis zur Erreichung eines er-
folgversprechenden Konzepts bedarf. Gegebenenfalls kann es sinnvoll sein, Mach-
barkeitsstudien durchzuführen. Jedenfalls sollte nicht mit den weiteren Entwick-
lungsschritten begonnen werden, bevor nicht vorbehaltlos von allen Fachgebieten
die Zustimmung zum Konzept gegeben wurde. Abschließend kann für die einzel-
nen Funktionseinheiten das Design erstellt werden.
TIPP:
Die einzelnen Konzepte, zusammen mit ihren Vor- und Nachteilen, sind sorgfältig
zu dokumentieren. Zum einen ist die Konzeptbeschreibung ein (gesetzlich gefor-
derter) Teil der Basisdokumentation, zum anderen kann im Fall von Problemen
und daraus resultierenden Konzeptänderungen auf das erarbeitete Wissen zurück-
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muss, empfiehlt sich die Ausrichtung der Entwicklungsstrategie auf diese be-
stimmte Funktion. In einem solchen Fall dominieren die Randbedingungen für
diese Funktion das Gesamtdesign, und die anderen Funktionseinheiten müssen
möglichst diese Randbedingungen berücksichtigen. Keinesfalls dürfen allerdings
bei dieser Vorgehensweise die ursprüngliche Zweckbestimmung und die Kunden-
und Benutzeranforderungen für das Produkt außer Acht gelassen werden.
Eine laufende Überprüfung der Kette Anforderungen – (Soll-)Spezifikationen –
Teilspezifikationen bis zum Design hat in dieser Phase die vollständige Erreichung
der Spezifikationen und Anforderungen zu gewährleisten. Diese Vorgehensweise
wird anschaulich im erweiterten V-Modell durch das Feedback auf die vorherge-
hende Ebene dargestellt (siehe Bild 4.6, Pfeile a bis d).
Das Ziel dieser Phase ist eine genaue Beschreibung der Funktionseinheiten unter
Berücksichtigung der Schnittstellen und gegenseitigen Anforderungen vonseiten
der anderen Funktionseinheiten.
Mithilfe von FMEAs oder anderen Analysemethoden werden die gegenseitigen Ab-
hängigkeiten und Einschränkungen der Module/Funktionseinheiten untereinan-
der ermittelt (siehe Bild 4.6, Pfeile e).
112 4 Entwicklung von Medizinprodukten
Kunden- und
Benutzeranforderungen
a Vorläufige Produkt-
j Akzeptanztest
anforderungen
(Validierung)
(Lastenhe)
b
Produktspezifikaonen h Systemtest
(Pflichtenhe) (Verifizierung)
System
c
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FMEAs Tests
e f
Subsystem- g Integraon/
spezifikaonen Modultest
d
Nachweis der
Unit- Spezifikationen
Unit-Test
Spezifikaonen
For personal use only.
Entwicklung
Funkonseinheit 1
Funkonseinheit 2
Funkonseinheit 3
BEISPIEL:
Software und Sensorik
Biosensoren weisen oft nicht ideale Eigenschaften wie Drift- oder Memory-Effekte
auf. Bei einem Analysator für die Messung von Biosignalen verhindern solche
Effekte oft die direkte Erreichung von Spezifikationen hinsichtlich Genauigkeit
und Richtigkeit. Mithilfe von Software können derartige Fehler z. B. durch konti-
nuierliche Aufzeichnung des Signalverlaufes und Berücksichtigung des vorherge-
henden Verlaufes des Sensorsignals korrigiert werden. Mit solchen Maßnahmen
lässt sich die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit in die gewünschten Spezifika-
tionen bringen, auch wenn der Algorithmus einer solchen Korrekturfunktion einer
sorgfältigen Validierung bedarf. In der Software muss jedoch die kontinuierliche
Speicherung des Sensorsignalverlaufs als zusätzliche Anforderung berücksichtigt
werden.
4.4 Weg zu den Eckpunkten: Entwicklungsphasen 113
Diese Beispiele sollen deutlich machen, wie wichtig die Erfassung und Berücksich-
tigung von gegenseitigen Anforderungen von Funktionseinheiten in der Konzept-
phase ist. Wenn man erst zu einem späteren Entwicklungszeitpunkt, z. B. nach der
Systemverifizierung feststellt, dass die zulässige Toleranz für Richtigkeit/Genauig-
keit nicht erreicht wurde, bedeutet das eine Kette von Änderungen und damit Ver-
zögerungen bei der Fertigstellung des Projekts.
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4.4.2.3 Detaildesign
Das Detaildesign bedeutet die Umsetzung der den einzelnen Funktionseinheiten
zugeordneten Konzepte in ein Detailkonzept. Hier erfolgt die Funktionsanalyse al-
ler Komponenten und Bauteile, die bei der Realisierung verwendet werden sollen.
Welche weiteren Funktionen und Eigenschaften besitzen diese? Sind unerwünschte
Eigenschaften denkbar, die es zu kompensieren oder auszuschalten gilt?
For personal use only.
Wenn die Gefahr besteht, dass das Detaildesign eines Moduls „Überraschungen“,
also neue Voraussetzungen (d. h. Anforderungen) an andere Module bringt, sollte
nicht an der Realisierungsphase weitergearbeitet werden, bevor diese Fragen nicht
geklärt sind. Erst mit der Festlegung des Detaildesigns darf das Gesamtdesign be-
stätigt und als bindende Vorgabe für die weiteren Entwicklungsschritte angesehen
werden. Gleichzeitig sind mit diesem Schritt die Zuteilung aller Anforderungen/
Spezifikationen und Subspezifikationen zu den einzelnen Funktionseinheiten und
damit die Festlegung der Verantwortlichkeiten definiert.
TIPP:
Der Einsatz von käuflichen Requirement-Tools zur Verwaltung von Anforderungen/
Spezifikationen und Subspezifikationen ist zumindest bei größeren Projekten
ratsam, nicht nur bei Softwareprojekten.
4.4.2.4 Realisierungsphase
Wenn das Design sorgfältig vorbereitet und beschrieben wurde, kann die Realisie-
rung den Fachleuten überantwortet werden; schließlich stellen die Detailanforde-
rungen eindeutige Vorgabedokumente für die Funktionseinheiten und Module dar.
Üblicherweise ist von den Entwicklern eines Moduls auch die Erfüllung der Detail-
spezifikationen durch entsprechende Funktionsprüfungen zu testen. Die Prüfung
114 4 Entwicklung von Medizinprodukten
jener Detailanforderungen, die von anderen Modulen gestellt wurden und nur zu-
sammen mit diesen geprüft werden können, muss dem nachfolgenden Systemtest
zur Verifizierung überantwortet werden. Es macht aber Sinn, diese vorab durch
eine Simulation zu prüfen.
Sollten sich bei der Realisierung Probleme bei der Erreichung von Subspezifikatio-
nen ergeben, muss das gesamte Team informiert und gemeinsam eine Alternativ-
lösung gesucht werden.
4.4.2.5 Designverifizierung
Unter Designverifizierung versteht man die Überprüfung der bei Design Input
festgelegten Spezifikationen eines Produkts (Systems) unter Berücksichtigung der
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TIPP:
Beginnen Sie mit der Erstellung der Testpläne und dem Design der Testfälle bereits
nach Vorliegen der Produktspezifikationen. Dadurch kann die eindeutige Formu-
lierung der Spezifikationen und vor allem ihre Testbarkeit frühzeitig überprüft und
gegebenenfalls die Formulierung der Anforderungen korrigiert werden.
Das Verifizierungsteam kann bereits unmittelbar nach Vorliegen der Lasten-/
Pflichtenhefte mit der Arbeit beginnen (Planung, Testkonzepterstellung, Testplan
erstellung, Testtool-Entwicklung etc.).
Nach Durchführung von Änderungen an dem Produkt müssten alle Tests wieder-
holt werden, weil die Änderungen einen Einfluss auf die Spezifikationen haben
könnten. Wenn begründet werden kann, dass eine Modifikation mit hoher Wahr-
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scheinlichkeit keinen Einfluss auf das Testergebnis hat, kann das ursprüngliche
Testergebnis weiterhin als gültig betrachtet werden. Dies ist zu dokumentieren.
Zumeist werden bestimmte, relevante Tests nach jeder Änderung wiederholt, ähn-
lich wie dies für Software mit Regressionstests gehandhabt wird.
4.4.2.6 Design Transfer
Als Design Transfer bezeichnet man die Übertragung der Herstellmethoden der
For personal use only.
BEACHTE:
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Die Entwicklung einer Produktionsanlage oder eines Werkzeugs für die Serienpro-
duktion stellt zumeist ein eigenes Projekt dar. Die Vorgehensweise ist ähnlich wie
bei der Produktentwicklung und beginnt bei der Definition der Anforderungen.
Nach Analyse, Design und Realisierung sind daher die Spezifikationen zu testen,
und die Gebrauchstauglichkeit der Anlage ist durch Prüfungen der Anforderungen
zu validieren (siehe auch Kapitel 8, GEP/GMP-konforme Produktionsanlagen).
For personal use only.
4.4.2.7 Designvalidierung
Unter Designvalidierung versteht man die Bestätigung durch Überprüfung, dass
ein Produkt für den angegebenen Einsatzzweck in der Praxis geeignet ist (siehe
auch Kapitel 9, Prozess- und Methodenvalidierung). Im engeren Sinn sind die Ge-
brauchstauglichkeit und die Kundenanforderungen im Kundenumfeld unter Be-
dingungen, die bei der Anwendung denkbar sind, durch geeignete Methoden nach-
zuweisen. Die Methoden sind so zu wählen, dass Richtigkeit und Genauigkeit der
zu ermittelnden Parameter sowie die Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit durch
die Ausschaltung von denkbaren Unsicherheiten und Erfassungsfehlern gewähr-
leistet sind.
Zumeist muss auch der Ausbildungsstand der zukünftigen Benutzer berücksich-
tigt werden. Bei den Prüfungen zur Designvalidierung sind daher auch denkbarer
Fehlgebrauch und Fehlbedienung zu beachten, insbesondere, wenn Restrisiken
(aus der Produktrisikoanalyse) durch Designmaßnahmen nicht ausreichend redu-
ziert werden konnten (siehe [4.16]).
Im V-Modell ist die Designvalidierung durch den obersten horizontalen Pfeil zwi-
schen Anforderungen und Akzeptanztest dargestellt (siehe Bild 4.6, Pfeil j).
Auch für die Designvalidierung muss eine Prozessbeschreibung vorliegen. Für
diese Validierung müssen Produktmuster aus gültigen Produktionslosen einge-
setzt werden. Dabei müssen so viele Produktexemplare verwendet werden, dass
Schwankungen durch Fertigungstoleranzen abgedeckt und vernachlässigbar sind.
4.4 Weg zu den Eckpunkten: Entwicklungsphasen 117
4.4.2.8 Design History
Nicht nur die FDA, sondern auch die europäischen Richtlinien verlangen die Auf-
zeichnung der Entwicklungsgeschichte und der Entwicklungsergebnisse. Wäh-
rend die FDA einen Design History File – die Aufzeichnung des Weges zu den
Entwicklungsergebnissen – fordert, sind in den europäischen Verordnungen/
Richtlinien in den „Grundlegenden Anforderungen“ (Essential Requirements)/
Grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPR) oder auch in der ISO
For personal use only.
4.5.1 Projektmanagement
In einem Entwicklungsprojekt kommt dem Projektmanagement die Bedeutung des
übergeordneten und umfassenden Rahmenprozesses zu. Zweck des Projektma-
nagements sind die Erfassung, Festlegung, Koordination und Überwachung aller
Aktivitäten, Aufgaben und Ressourcen für eine Produktentwicklung unter gegebe-
nen Anforderungen und Randbedingungen.
In der Literatur findet man viel über Projektmanagementmethoden (siehe [4.6], [4.7]
und [4.10]). Darüber hinaus findet man im Internet wertvolle Informationen, unter
anderem von der GPM (Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement), über Mo-
delle, Strukturen und Techniken zum Projektmanagement. Die ausführlichsten Be-
4.5 Prozesse für die Entwicklung 119
bedingungen, unter denen das Produkt angewandt und betrieben wird und funkti-
onieren soll. Dieser wichtige Schritt bedeutet die Formulierung der Zielsetzung für
das Projekt. Die Detaillierung der Anforderungen wird dann im Rahmen des An-
forderungsmanagements vorgenommen.
projekts, vom Aufgreifen der Produktidee bis zur Freigabe des Produkts für die
Vermarktung. Die erforderlichen Aktivitäten für die erfolgreiche Entwicklung
eines Produkts (oder einer Dienstleistung) sind zu koordinieren. Daher kann der
Prozess Projektmanagement als übergeordneter Hauptprozess angesehen werden
(siehe [4.8]).
Die Verantwortlichkeit des Projektmanagements beginnt mit der Ernennung der
Projektleitung und endet (frühestens) mit der Freigabe des Produkts für die Ver-
marktung und der Entlastung der Projektleitung.
Der erste zu initiierende Prozess ist das Anforderungsmanagement, also die detail-
lierte Beschreibung der gewünschten Eigenschaften des Produkts zusammen mit
dem beabsichtigten Einsatzzweck. Dazu müssen alle Wünsche gesammelt und mit
zusätzlichen Erklärungen und Randbedingungen detailliert werden.
In weiterer Folge müssen die gesammelten Wünsche mithilfe von Spezialisten ana-
lysiert und hinterfragt sowie mit Geschäftszielen, Qualitätszielen und allgemeinen
Anforderungen wie Vorschriften und Normen ergänzt werden. Erst nach Vorliegen
einer Sammlung von groben Anforderungen können die erforderlichen Ressour-
cen zusammengestellt und mit ihnen erste Realisierungskonzepte erarbeitet wer-
den. In einem iterativen Prozess sind Ungereimtheiten und Konflikte von Anforde-
rungen auszuräumen und ist die Beschreibung von Anforderungen nachzubessern.
Daher ist die nächste Aufgabe der Projektleitung die Zusammenstellung des
Teams: Welche und wie viele Kapazitäten aus verschiedenen Fachgebieten sind in
120 4 Entwicklung von Medizinprodukten
Die Detailtiefe für die Planung ist von der Art und Komplexität des Projekts ab
hängig und kann durch eine offene Projektrisikoanalyse untermauert werden: Bei
einem Neuentwicklungsprojekt wird beispielsweise die Anforderungsanalyse we-
sentlich aufwendiger sein und meist in mehreren Zyklen ablaufen. Bei einem
„Nachfolge“-Projekt hingegen werden die neuen, zusätzlichen Anforderungen vor-
wiegend hinsichtlich potenzieller Konflikte zu bestehenden Anforderungen zu un-
tersuchen sein.
Zu den Randbedingungen, die zur Bewertung der Machbarkeit eines Projekts ge-
hören, zählen:
Verfügbare Zeit für die Entwicklung unter Berücksichtigung der gesamten Zeit
bis zur Marktreife und damit die
verfügbaren Budgetressourcen unter Berücksichtigung von
Personalressourcen: vorhandene Kompetenz, also Erfahrung, Ausbildung, Wis-
sen und die Anzahl der vorhandenen Projektmitarbeiter mit ihrer Verfügbar-
keit zur gewünschten Zeit im Projektablauf; Kompetenz, die rekrutiert oder
mithilfe von Schulung und Weiterbildung aufgebaut werden muss; Kompetenz,
die extern durch Zukauf von Entwicklungsleistungen beschafft werden muss.
Die Infrastruktur: Entwicklungstools, einschließlich einer Dokumentations-
und Projektkommunikationsplattform, auch die räumliche Situation ist zu be-
rücksichtigen, z. B. die Verfügbarkeit eines Projektraums.
Kommunikation innerhalb des Teams.
Sind alle Stakeholder mit ihren Interessen an dem Projekt bzw. dem zukünfti-
gen Produkt bekannt und haben alle Entscheidungsträger ihr klares Bekennt-
nis zu dem Projekt und dem zukünftigen Produkt gegeben? Gibt es Gegenstim-
men, die das Projekt verzögern oder gar verhindern könnten?
Überprüfung der gesetzlichen Möglichkeiten zur Marktzulassung in den beab-
sichtigten Zielmärkten.
122 4 Entwicklung von Medizinprodukten
TIPP:
Bei der Projektrisikoanalyse sollen alle Projektteammitglieder die Möglichkeit
nutzen, ihre Bedenken gegen einen erfolgreichen Projektverlauf aus ihrer Sicht zu
äußern. Die Projektleitung sollte dabei aufmerksamer Zuhörer sein und die kriti-
schen Stimmen nicht unbeachtet lassen.
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4.5.1.4 Der Projektplan
Die Aufgabenstellung für die Erstellung eines Projektplanes könnte vereinfacht fol-
gend formuliert werden: „Wer macht was wann, und wie sind diese Aufgaben von-
einander abhängig?“ Jedes verantwortliche Projektteammitglied muss sich auch
noch über das „Wie“ der Realisierung im Klaren sein, bevor es seine Zustimmung
For personal use only.
zum Projektplan gibt; das bedeutet, es muss zu jedem Arbeitspunkt im Plan ein
dahinterliegendes Konzept geben.
Der Plan muss eine detaillierte Zuordnung von Personalressourcen zu den einzel-
nen Aktivitäten enthalten, wichtig ist auch die zusätzliche Verankerung von Ver-
antwortlichkeiten zu den einzelnen Aufgaben. Für die Verknüpfung der einzelnen
Aufgaben sind erforderliche Vorarbeiten und das Vorliegen von Ergebnissen oder
Zwischenergebnissen, die zumeist erst im Projektablauf erarbeitet werden kön-
nen, zu berücksichtigen.
Nicht vergessen werden darf die eingeschränkte Verfügbarkeit der Projektbeteilig-
ten – auch sie müssen einmal Urlaub nehmen können, Weiterbildung und Schu-
lung sind einzuplanen. Ausfälle durch Krankheiten können nicht geplant werden,
aber eine eingeplante zusätzliche Woche „Nichtverfügbarkeit“ im Jahr scheint rea-
listisch.
Die zeitgerechte Lieferung der Ergebnisse von externen Entwicklungspartnern
und Zulieferern lässt sich im Projektplan mithilfe von Checkpoints gut verankern,
damit kann der Arbeitsfortschritt bei Externen gut überwacht werden.
Ein Projektplan kann nur dann als verbindlich und realistisch angesehen werden,
wenn das uneingeschränkte Bekenntnis und die Freigabe von allen Beteiligten und
Betroffenen zum Plan bestätigt sind.
4.5 Prozesse für die Entwicklung 123
fügung.
4.5.1.6 Projektabschluss-Review
Nach dem Abschluss des Projekts soll ein Review mit dem Ziel „Was haben wir aus
dem Projekt gelernt, was müssen wir bei zukünftigen Projekten besser machen
und wie können wir es besser machen?“ durchgeführt werden (Lessons Learned).
Damit können die im Projekt gemachten Erfahrungen an andere Projektteams wei-
tergegeben werden. Bewährtes (z. B. Kommunikationsplattformen, Dokumenta
tionssysteme, aber auch Pläne und Formblätter) kann – oft mit nur geringen An-
passungen – wiederverwendet werden. Gleichzeitig sind Prozessbeschreibungen
und Arbeitsanweisungen zu aktualisieren. Solche Reviews sind aus der Sicht eines
QM-Systems sowie nach der Qualitätsnorm [4.20] im Sinne des Kontinuierlichen
Verbesserungsprozesses zwingend erforderlich.
TIPP:
Vermeiden Sie Schuldzuweisungen beim Projektabschlussreview. Wenn Konflikte
ausgeräumt werden müssen, empfiehlt sich die Hilfe eines geschulten, externen
Moderators.
Ein zusätzliches Review kann nach Vorliegen von Erfahrungen aus dem Feld ins-
besondere bei Neuprodukten zur Definition von Produktverbesserungen durchge-
führt werden.
124 4 Entwicklung von Medizinprodukten
die Entwicklung muss kreativ sein, und manche Entwickler fühlen sich durch
Regeln eingeschränkt. Daher ist Fingerspitzengefühl nötig bei der Auswahl der
Person/en, die die Rolle der Qualitätssicherung während der Entwicklung eines
Produkts übernehmen.
Die Etablierung einer Qualitätssicherung während der Produktentwicklung muss
vorrangiges Ziel für Projektleitung und Stakeholder sein, wenn Nachbesserungen
am fertigen Produkt oder an der Dokumentation vermieden werden sollen.
For personal use only.
TIPP:
Bei der Erstellung von Arbeitsanweisungen und Prozessbeschreibungen gilt es,
den Kompromiss zwischen generischen Anweisungen und punktgenauen Beschrei-
bungen zu treffen. Erstere sind leichter einzuhalten, beinhalten aber die Gefahr
eines unzureichend regulierten Prozesses. Genaue Beschreibungen wiederum
bergen die Gefahr in sich, dass sie nicht immer eingehalten werden können bzw.
die Wartung sehr aufwendig ist. In der Praxis bewähren sich generische Beschrei-
bungen, ergänzt um projektspezifische Anweisungen.
4.5 Prozesse für die Entwicklung 125
BEISPIEL:
For personal use only.
BEACHTE:
Prozessbeschreibungen und Arbeitsanweisungen müssen dem Entwicklungsteam
eine Hilfestellung geben, welche Arbeiten wie durchzuführen sind, sodass sich
nicht jedes Teammitglied seine eigenen Regeln erstellen muss.
Als Beispiel für die Beziehungen zwischen den einzelnen Prozessen sind in Bild
4.7 die Beziehungen zwischen dem Anforderungsmanagement und den anderen
Teilprozessen dargestellt. Auf gleiche Weise können die Beziehungen für andere
Teilprozesse veranschaulicht werden.
Produktrisiko- Prozessentwicklung
management und Design Transfer
Projektdokumentation
Partnermanagement
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Elektronikentwicklung Elektroniktest
Modultest
Konstruktion Mechaniktest
Modul-
design
Softwareentwicklung Softwaretest
Entwicklung Sensorik Test Sensorik
Design Control Systementwicklung System Test
Anforderungs-
management
Risiko-
management
Anforderungs-
analyse
Designkonzept
Systemarchitektur
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Moduldesign
Implementierung
For personal use only.
System-
integration
Verifizierung
Design Transfer
Validierung
Änderungs-
u. Konfigurations-
management
Dokumentations-
management
Schulung u.
Wissens-
management
4.5.3.2 Anforderungsmanagement
Das Anforderungsmanagement beschreibt die Erfassung, Sammlung und Doku-
mentation von Produktanforderungen mit den zugehörigen Randbedingungen.
Als erstes Ergebnis dieses Prozesses ist die Beschreibung der Zielsetzung für das
Projekt mit der Formulierung der Produktvision zu erarbeiten. Aus den Wün-
schen und Anforderungen der Kunden und Anwender müssen dann eindeutige,
unmissverständliche, messbare und prüfbare Anforderungen beschrieben wer-
den, die mit unterschiedlicher Gewichtung behaftet sein werden. Die Quelle, die
Gewichtung und die Selektion der einzelnen Produktanforderungen sind zu doku-
mentieren.
Der nächste Schritt ist die Verfeinerung und Ableitung von funktionellen und nicht
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tet die Zielsetzung für die Arbeit des Projektteams. Daher ist das konsequente Be-
treiben dieses Prozesses für einen künftigen Projekterfolg mit einer zielgerichte-
ten Entwicklung von großer Bedeutung. Die Projektleitung muss für diesen Prozess
Verantwortlichkeiten festlegen und die Ergebnisse des Prozesses mithilfe von Re-
views oder anderen geeigneten Mitteln überprüfen.
Der Arbeitsschwerpunkt für das Anforderungsmanagement liegt am Beginn des
Projekts in der Vorklärungs- und Analysephase (siehe Bild 4.8). Danach sind Aktu-
alisierungen und Reviews erforderlich.
Bei der Sammlung von Produktanforderungen/Spezifikationen sind zu berück-
sichtigen:
produktspezifische Anforderungen und Einsatzzweck,
gesetzliche Anforderungen (Normen, Standards, Sicherheit . . .),
Umweltanforderungen,
Anforderungen der Stakeholder (z. B. Stückzahlen, Gewinnerwartung),
Qualitätsanforderungen,
Anforderungen von Produktion, Vertrieb, Service.
Um die notwendigen Ergebnisse des Prozesses abzusichern, müssen folgende
Randbedingungen gewährleistet sein:
Die Kommunikation mit den Kunden/Personen, die die Kundenanforderungen
definiert haben, muss über den nötigen Zeitraum aufrechterhalten bleiben, um
4.5 Prozesse für die Entwicklung 129
4.5.3.3 Risikomanagement
Auf diesen Prozess wird im Detail in Kapitel 2, Risikomanagement, eingegangen,
hier wird daher nur auf die Verbindung zum Anforderungsmanagement Bezug ge-
For personal use only.
nommen. Dieser Prozess beschreibt die Erfassung, Analyse, Bearbeitung und die
laufende Überwachung von Produktrisiken. Das Ziel von Risikomanagement ist
die Gewährleistung der Sicherheit des Produkts bei der vorhergesehenen Anwen-
dung für Patienten, Benutzer und Dritte (z. B. Reinigungspersonal, Service, Ent
sorgung). Für die Entwicklung eines Medizinprodukts ist die Durchführung einer
Produktrisikoanalyse gemäß der Norm [4.15] zwingend vorgeschrieben. Dieser
Prozess ist aber auch für die Entwicklung anderer Produkte sinnvoll, um poten-
zielle Fehler bei der Anwendung zu minimieren – auch unter Berücksichtigung
von vorhersehbarem Fehlgebrauch.
Für viele Risiken wird durch die Prüfung nach Sicherheitsnormen (z. B. EN 60601 – 1,
EN 61010 – 1) und teilweise auch der Essential Requirements bereits ein beträchtli-
cher Teil von Risikopunkten abgedeckt; diese Normen und Vorgaben sind als vor-
weggenommene Risikoanalyse durch Experten zu betrachten. Die produktspezifi-
schen Risiken, die durch das Design oder bei der Anwendung entstehen könnten,
sind jedenfalls durch eine eigene Risikoanalyse zu erfassen und in der Folge in
erster Linie durch Verbesserungen am Design zu minimieren. Die verbleibenden
Restrisiken sind zu kommunizieren, bei einem Medizinprodukt muss der Vorteil
der Anwendung die Risiken überwiegen.
Risikopunkte lassen sich wie Produktanforderungen auch im Anforderungsma-
nagement behandeln. Dazu sollten die Punkte „positiv“ umformuliert werden. Dies
vereinfacht die Umsetzung, der Bezug zur Risikoanalyse muss jedoch erhalten
bleiben.
130 4 Entwicklung von Medizinprodukten
Der Schwerpunkt der Arbeiten für das Risikomanagement (siehe Bild 4.8) liegt in
der Analysephase. Aber auch in der Realisierungsphase sind mit FMEAs oder an-
deren Risikoanalysemethoden (siehe Kapitel 2, Risikomanagement, und [4.15]) Ar-
beiten durchzuführen, die Teil des Risikomanagements sind. Während der späte-
ren Phasen sind Reviews und Dokumentationsaktualisierung erforderlich.
Ein weiterer wesentlicher Teil des Risikomanagements ist die Projektrisikoana-
lyse. Alle Hinderungsgründe, die einem Projekterfolg entgegenstehen könnten,
sind zu erfassen, zu bewerten, Maßnahmen zur Risikominderung sind zu treffen,
und deren Wirksamkeit ist zu prüfen. Projektrisiken müssen aus wirtschaftlichen
Gründen verfolgt werden, sie sind keine gesetzliche Forderung.
TIPP:
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Nicht nur Produktrisiken, auch Projektrisiken können sich während des Projekts
ändern. Daher ist es unzureichend, nur zu Beginn des Projekts eine Projektrisiko-
analyse durchzuführen. Wenn beispielsweise beim Test von Prototypen viele
Testfälle negativ beurteilt werden, kann das bedeuten, dass das gewählte Reali-
sierungskonzept ungeeignet und dadurch der Projekterfolg gefährdet ist.
For personal use only.
wertungsskala benutzt werden, die die Sicht des technisch Machbaren (für dessen
Beherrschung) im Vergleich zum Nutzen berücksichtigt, den das Produkt in seiner
Anwendung bringt. Bei der Erstellung der Systemspezifikationen werden ein oder
mehrere mögliche Realisierungskonzepte und/oder eine zukünftige Systemarchi-
tektur in Betracht gezogen, dazu kann die Durchführung von Machbarkeitsstudien
hilfreich sein. Der Arbeitsschwerpunkt startet nach Vorliegen der Produktanforde-
rungen (siehe Bild 4.8).
4.5.3.5 Systemkonzeptionierung
In Abschnitt 4.4.2.2 wird die Vorgehensweise zur Erstellung des Designs und der
Systemarchitektur beschrieben. Als Ergebnis dieses Teilprozesses muss ein Ge-
samtkonzept vorliegen, das die Erreichung aller Systemspezifikationen und deren
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und die Durchführung von Versuchsreihen werden oft für eine Bestätigung der
Auswahl sinnvoll sein, zuvor müssen aber folgende Punkte geklärt sein:
Die Auswahl der Systemarchitektur aus verschiedenen Lösungsansätzen er-
folgt begründet nach Bewertung der definierten Auswahlkriterien.
Das System ist in einzelne Komponenten aufgeteilt, sodass eine technisch sinn-
volle, machbare und kostenoptimierte Gesamtlösung vorliegt.
Die Systemspezifikationen sind den einzelnen Systemkomponenten (Modulen)
oder dem Gesamtsystem vollständig zugewiesen.
Schnittstellen zueinander und Anforderungen der einzelnen Systemkompo-
nenten untereinander (z. B. Hardware an Software und umgekehrt) sind be-
rücksichtigt und so beschrieben, dass ein Modultest einzeln und so vollstän-
dig, wie dies möglich und sinnvoll ist, durchgeführt werden kann.
System- und Modulspezifikationen sind dokumentiert, kommuniziert und von
allen betroffenen Bereichen freigegeben; ein kontrollierter Änderungsprozess
ist zusammen mit einer geeigneten Kommunikationsmethode etabliert.
Der Arbeitsschwerpunkt liegt auf dem Vorliegen der Anforderungen und Spezifi-
kationen (siehe Bild 4.8).
132 4 Entwicklung von Medizinprodukten
4.5.3.6 Moduldesign
Moduldesign bedeutet die Umsetzung der durch die Systemarchitektur definierten
Vorgaben in die Modulebene. Folgende Ergebnisse sind vorhanden:
Für die einzelnen Systemkomponenten/Module ist ein Realisierungskonzept
ausgearbeitet, das die vollständige Erfüllung der Modulspezifikationen und
der Schnittstellenspezifikationen zu den anderen Modulen gewährleistet.
Ein Testkonzept zur Prüfung der Modul- und Schnittstellenspezifikationen ist
ausgearbeitet.
Die Beziehungen und Abhängigkeiten der einzelnen Modulspezifikationen von
den vereinbarten Kundenanforderungen sind nachvollziehbar hergestellt.
Modul- und Schnittstellenspezifikationen sind gegenseitig geprüft und freige-
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geben.
Risiken für die Umsetzung einzelner Spezifikationen sind kommuniziert und
Verbesserungsmaßnahmen initiiert – gegebenenfalls auch mithilfe anderer
Module.
Der Arbeitsschwerpunkt liegt auf dem Erstellen der Systemarchitektur (siehe Bild
4.8).
For personal use only.
4.5.3.7 Implementierung
Implementierung bedeutet die Umsetzung der Spezifikationen in die technische
Lösung. Alle Konzepte, Prinzipien und Berechnungen von Biosensoren, Reagen-
zien, Berechnungen zur Dimensionierung von mechanischer oder elektronischer
Hardware mit worst case oder statistischen Methoden, Belastungsberechnungen,
Softwarekonzepte, Messtechnikkonzepten etc. müssen dokumentiert und im Fall
von Änderungen die betroffenen Dokumente aktualisiert werden.
Bei der Entwicklung kommt es oft vor, dass Annahmen für Detailspezifikationen
von Modulen getroffen werden müssen, um Spezifikationen für das Gesamtsys-
tem/Produkt erreichen zu können. Diese Annahmen können erst nach Realisie-
rung durch Tests bestätigt werden. Die Gründe für diese Annahmen sollen doku-
mentiert werden.
BEISPIEL:
Die Spezifikation für die Genauigkeit oder auch die zulässige Standardabweichung
eines Messwerts für einen Parameter ist in den Anforderungen festgelegt, z. B. 2 %
des Werts. Zu Beginn der Designphase ist schwer voraussehbar, wie sich die
Anteile dieses zulässigen Gesamtfehlers auf den Sensor, seine Drift, die Kalibrie-
rungs- und Messmethode, die Signalaufbereitung und andere beeinflussende
Systemkomponenten verteilen. Darüber können zunächst nur Annahmen getroffen
und die tatsächlichen Fehleranteile erst nach genauer Prüfung der fertiggestellten
Einzelkomponenten ermittelt werden.
4.5 Prozesse für die Entwicklung 133
BEACHTE:
Wenn bei der ersten Überprüfung eines Moduls ein Designfehler entdeckt wird
und dieser durch eine Designänderung behoben werden muss, sollte dies nicht
ohne Kommunikation an andere möglicherweise betroffene Modulentwickler er-
folgen. Es gehört zur Kultur einer offenen Kommunikation, dass Fehler nicht als
solche, sondern als Probleme, die es zu lösen gilt, betrachtet werden.
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4.5.3.8 Systemintegration
Der Zweck der Systemintegration ist das Zusammenfügen der einzelnen System-
komponenten zum Nachweis, dass die Spezifikationen und Anforderungen an das
Gesamtsystem erfüllt werden. Voraussetzung ist die erfolgreich abgeschlossene
Verifizierung der Systemkomponenten mit dem Nachweis, dass die Anforderungen
an die einzelnen Systemkomponenten erfüllt sind.
Zunächst ist eine Strategie für die Integration und Zusammenschaltung zu erstel-
For personal use only.
len mit dem Ziel, dass die Systemkomponenten und ihre Schnittstellen untereinan-
der und wechselseitig im Sinne des Systemdesigns/der Systemarchitektur geprüft
werden können. Für Änderungen an einer der Systemkomponenten ist eine Re-
gressionsteststrategie zu erstellen. Arbeitsschwerpunkte (siehe Bild 4.8) für die
Systemintegration liegen bei der Erstellung der Systemarchitektur, und während
der Analysephase sind Schnittstellen zwischen den Systemkomponenten und Mo-
dulen und die Aufteilung der Aufgaben unter diesen zu koordinieren. Mit Ende der
Realisierungsphase beginnt der Schwerpunkt mit der Systemzusammenschaltung
und den Systemtests.
BEACHTE:
Vor der Durchführung von Tests müssen Testpläne ausgearbeitet und vorhanden
sein. Nur dann ist eine konsequente und effiziente Abarbeitung der Prüfungen
möglich.
For personal use only.
4.5.3.10 Design-Transfer-Prozess
Ziel und Prinzip des Design Transfers sind in Abschnitt 4.4.2.6 beschrieben, daher
wird hier nur auf die Planung und den Bezug zu den anderen Prozessen eingegan-
gen. Voraussetzung für einen sinnvollen Start des Design Transfers ist der positive
Abschluss der Verifizierung an den Entwicklungsprototyp. Schon bei der Planung
des Design Transfers innerhalb der Projektplanung ist darauf Rücksicht zu neh-
men, will man teure Änderungen an Produktionsmaschinen und Anlagen vermei-
4.5 Prozesse für die Entwicklung 135
4.5.3.11 Designvalidierungsprozess
For personal use only.
Zweck und Prinzip der Designvalidierung sind bereits in Abschnitt 4.4.2.7 be-
schrieben, daher soll hier nur auf die Planung und den Bezug zu den anderen
Prozessen eingegangen werden. Die Designvalidierung ist der letzte durchzufüh-
rende Prozess vor der Freigabe des Produkts für die Vermarktung. Bei der Planung
der Validierung sind die Kundenanforderungen zu analysieren und daraus die Fra-
gestellungen für die Tests zur Validierung zu formulieren (siehe auch die in Bild
4.8 dargestellten Aktivitäten in der Vorklärungsphase). Die Analyse der Kunden-
anforderungen sollte grundsätzlich in einer sehr frühen Phase des Projekts erfol-
gen, schließlich sind die Kundenanforderungen von Beginn an festgelegt.
Zur Unterstützung einer optimalen Gebrauchstauglichkeit empfiehlt es sich, be-
reits mit Prototypen oder Teilen davon (z. B. die Benutzeroberfläche) Vorprüfungen
mit potenziellen Kunden durchzuführen und die Feedbacks zur Optimierung des
Designs zu nutzen (siehe [4.16]). Die abschließenden Validierungstests können zu-
mindest teilweise mit den klinischen Studien beim Anwender kombiniert durchge-
führt werden. Die frühzeitige Einbindung mit der Abklärung der Verfügbarkeit von
(potenziellen) Kunden und Anwendern ist einzuplanen.
Anforderungen der Stakeholder aus der Organisation (Leitung, Marketing, Finan-
zen) sind oft erst im Laufe der Vermarktungsphase überprüfbar.
136 4 Entwicklung von Medizinprodukten
4.5.4 Unterstützende Entwicklungsprozesse
Aktuell gehaltene Dokumentation ist somit eine Voraussetzung für die Durchführ-
barkeit der Produktpflege, und diesen Standpunkt vertreten auch die Behörden. So
gilt z. B. für die FDA: „Was nicht dokumentiert ist, gibt es nicht“, und sie sieht nicht
dokumentierte Änderungen als schwere Regelverletzung an. Sie fordert auch Pro-
zessbeschreibungen oder Arbeitsanweisungen für den Umgang mit Dokumenten,
wie auch in Kapitel 1, QM-Systeme, dargestellt.
BEACHTE:
Die Entwicklungsdokumentation muss so detailliert sein, dass außenstehendes
Fachpersonal in der Lage ist, die Dokumentation in angemessener Zeit ohne
weitere Erklärungen zu verstehen, nachzuvollziehen und Änderungen zur Problem-
behebung durchführen zu können.
Die Qualitätssicherung im Projekt hat daher besonders auf den korrekten Umgang
mit der Dokumentation zu achten. Die Verwendung eines für die Organisation und
die Projektgröße geeigneten Dokumentenmanagementsystems ist empfehlens-
wert, solche Systeme sind am Markt erhältlich.
Innerhalb eines Entwicklungsprojekts sind die Anforderungen an die Dokumenta-
tion zwischen Projektleitung und dem Team zu vereinbaren. Auch die Anforderun-
gen an die Dokumentations- und Kommunikationsplattform sind zu definieren
(Verantwortlichkeiten sind kursiv dargestellt):
138 4 Entwicklung von Medizinprodukten
„Das Rad nicht immer neu zu erfinden“ ist die Motivation für Schulung und Wis-
sensmanagement. Verwertbare Dokumentation aus vorangegangenen Entwick-
lungsprojekten ist Voraussetzung, wenn das erarbeitete Wissen mehrfach genutzt
und somit teure Entwicklungszeit gespart werden soll.
Ein weiteres Argument ist der Schutz des erarbeiteten Wissens durch Patente. Die
Entwicklungsdokumentation ist schließlich der eindeutige Beweis für neuartige
Erfindungen. Umgekehrt dürfen aber auch Patentrecherchen nicht vergessen wer-
den, um die Verletzung fremder Patente zu vermeiden.
Der Aufwand für Schulung und Weiterbildung ist einerseits bei der Verfügbarkeit
der Teammitglieder für die eigentlichen Projektarbeiten einzuplanen; andererseits
sind sie ein wichtiges Instrument, neu verfügbare Mitarbeiter für ihre Aufgabe im
Team vorzubereiten. Besonders in der frühen Projektphase und bei den Übergän-
gen von einer in die nächste Projektphase darf die Schulung des Projektteams auf
die geplanten Werkzeuge wie Projekt-, Test- und Dokumentenmanagement etc.
nicht vergessen werden. Daher liegen die Schwerpunkte für die Schulung üblicher-
weise zu Beginn des Projekts und bei Übergängen auf neue Projektphasen (siehe
Bild 4.8).
4.6 Zusammenfassung 139
4.6 Zusammenfassung
Die vielfältigen und komplexen gesetzlichen Anforderungen an Medizinprodukte
verlangen bei der Entwicklung eines komplexen Systems eine sorgfältige und
strukturierte Planung und Vorgehensweise durch das Projektmanagement.
Der rote Faden für eine Systemproduktentwicklung wird anhand von Projektpha-
sen dargestellt: Beginnend bei der Produktidee mit dem Intended Use/Intended
Purpose, aus der die Anforderungen formuliert und detailliert werden, sind Reali-
sierungskonzepte auszuarbeiten; diese werden mithilfe von Machbarkeitsstudien
selektiert. Die Entwicklungsschritte, die schließlich zur Ausarbeitung der Lösung
führen, werden erläutert. Nach der Realisierung sind die Spezifikationen zu prüfen
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und die Gebrauchstauglichkeit ist nachzuweisen (siehe dazu auch eine kurze Zu-
sammenfassung der Regeln für die Entwicklung aus Sicht der FDA bei den Down-
load-Materialien).
An die Projektleitung werden hohe Anforderungen gestellt: Die fachliche Koordi-
nationsaufgabe über ein meist aus unterschiedlichen Fachdisziplinen zusammen-
gesetztes Team fordert Führungsfähigkeit. Darüber hinaus sind die Fähigkeit für
eine vorausschauende Planung, angemessene Einschätzung und Berücksichtigung
For personal use only.
von Projektrisiken und die Beachtung der Aufgaben aus den Teilprozessen Voraus-
setzungen für eine erfolgreiche Projektführung.
Die für einen effizienten Entwicklungsfortschritt zu beachtenden Teilprozesse und
die daraus abgeleiteten Aufgaben werden erläutert und mit Listen oder Beispielen
ergänzt.
Es wurde dargestellt, wie wichtig eine sorgfältige und vollständige Dokumentation
der gesamten Entwicklungsgeschichte nicht nur für die Erfüllung der gesetzlichen
Vorschriften, sondern auch für einen geordneten Design Transfer in die Produktion
und eine spätere effiziente Produktpflege ist.
140 4 Entwicklung von Medizinprodukten
4.7 Literatur
[4.1] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 169 vom 12. 07. 1993: Richtlinie 93/42/
EWG über Medizinprodukte. 1993. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
TXT/PDF/?uri=OJ:L:1993:169:FULL&from=DE, abgerufen am 25. Jan. 2021.
[4.2] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 247/21 vom 05. 09. 2007: Richtlinie
2007/47/EG zur Änderung der Richtlinien 90/385/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts-
vorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte und 93/42/
EWG des Rates über Medizinprodukte sowie der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen
von Biozid-Produkten, 2007. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
TXT/?uri=OJ:L:2007:247:TOC, abgerufen am 25. Jan. 2021.
[4.3] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 331 vom 27. 10. 1998: Richtlinie 98/79/
EG über In-vitro-Diagnostika. 1998. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
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[4.7] GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement: Webseite der GPM bezüglich SCRUM Agiles
Projektmanagement. Verfügbar unter: https://scrum-master.de/Scrum-Einfuehrung, abgerufen
am 25. Jan. 2021.
[4.8] International Organization for Standardization (ISO); International Electrotechnical Commission
(IEC): ISO/IEC 15504:2004 – Information technology – Process assessment. 2004.
[4.9] Noll, P.; Bachmann, H. R.: Der kleine Machiavelli. Handbuch der Macht für den alltäglichen Ge-
brauch. Droemer Knaur, 2001.
[4.10] Gottesdiener, E.: The Software Requirements Memory Jogger: A Pocket Guide to Help Software
And Business Teams Develop And Manage Requirements (Memory Jogger). GOAL/QPC, 2005.
[4.11] International Organization for Standardization (ISO); International Electrotechnical Commission
(IEC): ISO/IEC 25010:2011 – Systems and software engineering – Systems and software Quality
Requirements and Evaluation (SQuaRE) – System and software quality models. 2011.
[4.12] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Code of Federal Regulations Title 45, Part 160, 162, 164,
45 CFR 160, 162, 164. HIPAA Administrative Simplification 2013. Verfügbar unter: https://www.
hhs.gov/sites/default/files/hipaa-simplification-201303.pdf, abgerufen am 28.Jul.2021.
[4.13] International Electrotechnical Commission (IEC): IEC 80001 – 1:2010 – Application of risk manage-
ment for IT-networks incorporating medical devices. 2010.
[4.14] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 281 vom 23. 11. 1995 Richtlinie
95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und
zum freien Datenverkehr. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
ALL/?uri=OJ:L:1995:281:TOC, abgerufen am 25. Jan. 2021.
[4.15] Europäisches Komitee für Normung (CEN); Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung
(CENELEC): EN ISO 14971:2012 Medical devices – Application of risk management to medical
devices. 2012. (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 14971:2013
Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte. Beuth, 2013.).
4.7 Literatur 141
[4.16] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN IEC 62366 – 1:2015 Medical
devices – Part 1: Application of usability engineering to medical devices. 2015. (Deutsche Fassun-
gen: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN 62366 – 1:2017 Medizinprodukte – Teil 1: Anwen-
dung der Gebrauchstauglichkeit auf Medizinprodukte. Beuth, 2017.).
[4.17] International Electrotechnical Commission (IEC): EN 62304 – Medical device software – Software
life cycle processes. 2006. (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN
62304; VDE 0750 – 101:2007-03 Medizingeräte – Software – Software-Lebenszyklus-Prozesse.
2006. Beuth, 2007.).
[4.18] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 136/3 vom 29. 05. 2007: Berichti-
gung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
18. 12. 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe
(REACH). 2007. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=13999720
03261&uri=CELEX:32006R1907R(03), abgerufen am 21. Jan. 2021.
[4.19] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Code of Federal Regulations Title 21, Volume 1, Part 820
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nung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des
Rates.
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For personal use only.
5 Software als
Medizinprodukt
S. Stoppacher, P. Müllner
SCHWERPUNKTE:
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5.1 Einleitung
Software ist das Herzstück vieler Medizinprodukte. Immer raffiniertere und intelli-
gentere Algorithmen steigern nicht nur die Innovativität, sondern lassen auch das
Effizienzlevel enorm in die Höhe schießen. Besonders Softwarehersteller sind seit
Herausgabe der MPV und der IVDV speziell in Europa gefordert. Neben einer er-
weiterten Definition der Software als Medizinprodukt hat auch die Klassifizie-
rungsregel 11 das Leben vieler KMU schwerer gemacht. So fallen Software und
Applikationen (Apps) nur noch selten in Klasse I, was dementsprechend großen
regulatorischen Aufwand mit sich zieht. Aber auch der Ruf nach Themen wie agi-
ler Softwareentwicklung im Einklang mit den Anforderungen der MPV oder der
US-Design Controls wird lauter, so wie auch der Wunsch nach Klarheit zu Themen
wie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sowie digitale Gesundheits
anwendungen im Bereich der Telemedizin größer wird.
Software muss nach der Verordnung (EU) 2017/745 MPV [5.1] und der Verord-
nung (EU) 2017/746 IVDV [5.2] (Zuordnung gemäß MDCG 2019-11 [5.3]) so aus-
gelegt sein, dass diese Wiederholbarkeit, Zuverlässigkeit und Leistung gemäß
dem bestimmungsgemäßen Gebrauch gewährleistet. Ein Nachweis der Sicherheit
(dafür beide englischen Nomen betrachtend: Safety and Security) und Leistung
(MPV, Kapitel 2, Abschnitt 17.1 und 17.2) hat auch für Software zu erfolgen und
144 5 Software als Medizinprodukt
muss nach dem Stand der Technik entwickelt werden, wobei hier folgende Grund-
sätze geltend werden:
Softwarelebenszyklus,
Risikomanagement,
IT-Sicherheit,
Verifizierung sowie Validierung.
Die normative Grundlage für die Entwicklung von Software als integraler Teil
eines Medizinprodukts oder als Stand-alone-Medizinprodukt (SamD – Software as
Medical Device) ist die Norm EN IEC 62304 [5.4] (die Norm IEC 62304 basiert auf
AAMI SW68 [2001], die wiederum aus der IEC 12207 [1995] abgeleitet ist): „Medi-
zinprodukte – Software – Software-Lebenszyklus-Prozesse“. Es handelt sich dabei
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MPV
Ziel: IT-Sicherheit
Soware-
QM-System Risikomanagement
lebenszyklus
ISO 13485 ISO 14971
IEC 62304
fordert fordert fordert
Ebenso widmen wir uns in diesem Kapitel dem Ansatz der künstlichen Intelligenz
und des maschinellen Lernens. Die regulatorischen Vorgaben lassen sich gerade
für KI/ML-basierte Software oftmals nur sehr schwer umsetzen, da es seitens der
Gesetzgeber noch keine konkreten Vorgaben gibt. Umso wichtiger, dass hier bald
Klarheit geschaffen wird, nicht zuletzt deshalb, da dieser innovative und effiziente
Ansatz stark an Bedeutung gewinnt und in Zukunft in beinahe allen Bereichen der
Medizin zu finden sein wird.
For personal use only.
Außerdem widmen wir uns auch typischen Fragestellungen aus dem Bereich der
IT-Sicherheit und geben einen kleinen Vorgeschmack, wie sich die Zukunft der re-
gulatorischen Anforderungen im Bereich der medizinischen Software voraussicht-
lich weiterentwickeln wird.
Die Risikoklassifizierung erfolgt auf Basis der von der So ware gelieferten Informaonen, die zur weiteren Entscheidungsfindung für diagnossche und therapeusche
Zwecke herangezogen werden.
Führt die Entscheidungsauswirkung zu …
…Tod oder irreversibler
Ja Nein
Verschlechterung des
Gesundheitszustandes
Drier?
…schwerwiegender
Ja Verschlechterung des
Risikoklasse III Gesundheitszustandes
5 Software als Medizinprodukt
oder einem
chirurgischen Eingriff?
Soware zur
Kontrolle von vitalen
Nein
An dieser Stelle sei auch auf die nicht verbindlichen Guidelines der IMDRF hinge-
wiesen, die Hersteller beim Inverkehrbringen ihrer Medizinprodukte unterstützen
sollen. Für Software bietet die IMDRF beispielsweise folgende Guidelines an:
„Software as a Medical Device (SaMD): Clinical Evaluation“
„Software as a Medical Device (SaMD): Application of Quality Management
System“
„Software as a Medical Device (SaMD): Possible Framework for Risk Categori-
zation and Corresponding Considerations“
„Software as a Medical Device (SaMD): Key Definitions“
In folgendem Abschnitt wird kurz die Grundüberlegung zur SaMD-Risikocharakte-
risierung nach dem IMDRF Framework dargestellt, ohne dabei zu sehr ins Detail
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zu gehen. Das Klassifizierungsschema richtet sich hierbei nach dem Leitfaden für
„Possible Framework for Risk Categorization and Corresponding Considerations“
[5.7]. Dieser Leitfaden soll Hersteller bei der Risikoklassifizierung ihrer Software
unterstützen. Das Framework unterscheidet dabei zwischen vier verschiedenen Ri-
sikostufen, wobei Software der Stufe IV die größte Auswirkung auf den Patienten
und die Gesundheit hat, während Stufe I die kleinste Auswirkung darstellt. Eine
Kategorisierung hat risikobasiert gemäß Tabelle 5.1 zu erfolgen. Der große Unter-
For personal use only.
schied zur MPV liegt darin, dass hier vom momentanen Gesundheitszustand des
Patienten ausgegangen wird, während sich die MPV auf den Schweregrad verur-
sachter (Folge-) Schäden konzentriert.
TIPP:
Nach jeder Änderung müssen SaMDs neu kategorisiert werden.
Gute Beispiele zur Klassifizierung lassen sich sowohl in dem MDCG 2019-11
Leitfaden „Guidance on Qualification and Classification of Software in Regu-
lation (EU) 2017/745 – MDR and Regulation (EU) 2017/746 – IVDV“ [5.1] als
auch in der Guideline der IMDRF [5.7] zur Kategorisierung des Risikos von
Software finden.
5.1.2 Sicherheitsklassifizierung
Ein Kernelement der Norm IEC 62304 ist die Sicherheitsklassifizierung für das
Softwaresystem und die Elemente der Software in drei Stufen:
A: Keine Verletzung oder Schädigung der Gesundheit möglich.
B: Keine schwere Verletzung möglich.
For personal use only.
5.1.2.1 Einteilung in Units
Bevor das Softwaresystem die Sicherheitsklassifizierung durchläuft, werden Her-
steller dazu aufgefordert, die Architektur der Software zu beschreiben. Dafür ist
zunächst das Produkt anhand der Systemarchitektur so lange in Untersystemkom-
ponenten aufzuteilen, bis man den Detaillierungsgrad der „Einheit“ erreicht (siehe
Bild 5.3). Der Begriff Einheit, normgemäß einer nicht weiter unterteilbaren Kom-
ponente, ist nicht immer eindeutig verwendet, da es keine Definition von „weiter
unterteilbar“ gibt. Ein „Herunterbrechen“ auf die einzelnen Units ist nicht nur zur
Beschreibung der Systemarchitektur gefordert, sondern ist auch für die Unit-Veri-
fikation für die Klassen B und C (nach Abs. 5.5.5 der IEC 62304) notwendig.
So kann man beobachten, dass unterschiedliche Unternehmen verschiedene
Detaillierungsgrade verwenden. Diese Einheiten sind gemäß obiger Definition zu
klassifizieren, wobei vom worst case in Bezug auf den Schweregrad auszugehen ist.
Folgt man nun der Architektur immer unter Berücksichtigung des höchsten Schwe-
regrades wieder zum Ausgangspunkt, erhält man eine Einstufung für das Produkt
auf Systemebene. Sinnvollerweise verwendet man die ermittelten Überlegungen
wie Schweregrad, Gefährdungen, Ursachen bzw. Ursachenketten auch für die Risi-
koanalyse (nach [5.5]). Am Ende können Softwarekomponenten/-systeme final
einer Sicherheitsklasse zugeordnet werden.
5.1 Einleitung 149
Sowaresystem
Sowarekomponente Sowarekomponente
Sowareeinheit Sowareeinheit
Sowareeinheit Sowareeinheit
Sowarekomponente Sowarekomponente
Sowareeinheit Sowareeinheit
Sowareeinheit Sowareeinheit
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BEISPIEL:
Ein Analysegerät ermittelt lebenswichtige Parameter. Die resultierenden Ergebnisse
werden vom Arzt als Entscheidungsgrundlage herangezogen.
Nach Analyse der Architektur gibt es mehrere Softwaresysteme, die miteinander
For personal use only.
interagieren, aber beispielsweise sind jene Systeme und Teile der Software des
erwähnten Analysegerätes, die zur Aufbereitung und Messung der (kritischen)
Parameter beitragen, mit C einzustufen. Doch nicht alle Teile der Software werden
in diese höchste Klasse einzustufen sein. Würde das Gerät weitere Parameter
messen, die nicht lebenskritische Zusatzinformationen liefern, könnten jene Soft-
wareteile mit A oder B eingestuft werden.
TIPP:
Eine in der Praxis gängige Methode, um den Dokumentationsaufwand zu schmälern,
ist, nicht sicherheitskritische von sicherheitskritischen Systemen getrennt zu
betrachten, indem sie beispielsweise in Subsysteme aufgeteilt werden – sofern
die Vorgaben der Norm dies erlauben (z. B. durch getrennte Implementierung auf
verschiedenen Systemen). Die Subsysteme könnten dann rein theoretisch in un-
terschiedliche Sicherheitsklassen eingestuft werden. Medizinische Apps auf der
anderen Seite werden meist als ganzheitliche Einheit betrachtet. Somit gilt für das
ganze System die gleiche Sicherheitsklassifizierung.
150 5 Software als Medizinprodukt
5.2 Risikomanagement in der
Softwareentwicklung
Im Vordergrund des in der IEC 62304 geforderten Risikomanagements stehen der
Schweregrad und der mögliche Schaden, der durch eine Software verursacht wer-
den kann. Zu diesem Zweck wurde in der Norm die Einteilung von Software(-Kom-
ponenten) in Sicherheitsklassen eingeführt. Für die Bestimmung der Sicherheits-
klasse kommt die 100 %-Wahrscheinlichkeitsannahme zu tragen. Die IEC 62304
schreibt vor, dass Wahrscheinlichkeiten von Fehlfunktionen, die zu Gefährdungen
führen, mit 100 % angenommen werden müssen. Für Hersteller bedeutet das, dass
man davon ausgehen muss, dass Fehler passieren.
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Vor 2015 sorgten die Normspezifikationen bei Herstellern für Unruhe, nachdem
auch hier für das Auftreten von Gefährdungen eine 100 %ige Wahrscheinlichkeit
angenommen werden musste. Dies hat sich jedoch in der darauffolgenden Ausgabe
geändert. So können etwa Risikoeinschätzungen nach der ISO 14971 mit realisti-
scheren Fehlerwahrscheinlichkeiten als lange üblich angenommen werden. Zu-
sammengefasst sind also nicht mehr nur die Einteilung in Sicherheitsklassen, son-
dern auch eine realistische Risikobeurteilung maßgeblich.
For personal use only.
Wie in Bild 5.1 gezeigt, stellt das Risikomanagement ein zentrales Element der
MPV und IVDV dar. Die Konformität des Risikomanagements kann z. B. durch die
harmonisierte Norm ISO 14971 erreicht werden. Für einen ganzheitlichen Über-
blick der Forderungen der ISO 14971 verweisen wir auf das Kapitel 2, Risikoma-
nagement. In diesem Kapitel widmen wir uns daher den bekannten Hürden des
Risikomanagements in der Softwareentwicklung wie der Risikoabschätzung und
das Festlegen der „Eintrittswahrscheinlichkeiten“. Daneben möchten wir uns auch
dem Testen von Software widmen. Die verschiedenen Verfahren, die zur Identifika-
tion von Gefährdungen eingesetzt werden können, werden ebenfalls in Kapitel 2,
Risikomanagement, behandelt.
Bild 5.4 Die Software als Verursacher führt über eine Folge von Ereignissen zu einer oder
mehreren Gefährdungen.
BEISPIEL:
Während die Software einen Patientendatensatz importiert, werden falsche Para-
meter in die Software geladen. Dies führt dazu, dass der Arzt anhand der ihm nun
vorliegenden Patientendaten eine falsche Diagnose stellt und infolgedessen auch
eine ungeeignete Therapie empfiehlt.
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TIPP:
Um eine möglichst große Bandbreite in der Risikoanalyse abzudecken, ist es
sinnvoll, neben dem Risikomanager, dem Entwicklungsteam, mitwirkenden
Testmitarbeitern auch medizinisches Fachwissen in die Risikoanalyse mit
einzubeziehen. Entwickler können nicht für die sichere Anwendung am Pati-
enten und die bestimmungsgemäße Anwendung von Dritten garantieren.
Führt eine Gefährdung zu mehreren Risiken, was in der Praxis der Fall sein
kann, so sind alle Fälle in der Risikoanalyse zu dokumentieren.
152 5 Software als Medizinprodukt
Dokumentationsanforderungen:
For personal use only.
Software Risikomanagementplan
Software Risikoanalyse
Software Risikoklassifizierung
Referenzen zu den getroffenen und umgesetzten Maßnahmen
5.2.2 Tool-Validierung
Neben dem risikobasierten Vorgehen bei der Medizinprodukte-Software möchten
wir hier explizit darauf hinweisen, dass auch verwendete Tools, die sowohl im QM-
System als auch im Entwicklungsprozess beteiligt sind wie beispielsweise die Ent-
wicklungsumgebung, mithilfe eines risikobasierten Ansatzes validiert werden
müssen. Für eine ganzheitliche Übersicht der Forderungen an ein QM-System ver-
weisen wir auf das Kapitel 1, QM-Systeme. Nachdem keine konkreten Anforderun-
gen zur Tool-Validierung in der ISO 13485 bestehen, können hierbei die nicht-har-
monisierte Norm ISO 80002-2 [5.9] oder der GAMP 5 [5.10] als Leitfaden und Best
Practices herangezogen werden.
5.3 Grundsätze in der Softwareentwicklung 153
TIPP:
Es empfiehlt sich, eine für den Standort spezifische Übersichtsliste von eingesetz-
ter Software und deren Notwendigkeit zur Validierung sowie den Status der Vali-
dierung tagesaktuell vorzuhalten.
Dokumentationsanforderungen:
Entsprechende Nachweise pro Entwicklungs- oder Testtool
Meistens in Form von URS-, IQ-, OQ-, PQ-Dokumenten
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TIPP:
Eine zahlenmäßige Definition der Effektivität im Gebrauch wäre beispielsweise die
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Ein Muss in jedem Entwicklungsprozess ist die in bereits Abschnitt 5.1.2 behan-
delte Zuweisung der Sicherheitsklassen. Je höher die Einstufung der Sicherheits-
For personal use only.
klasse, desto detaillierter sind die Elemente des Entwicklungs- und Wartungspro-
zesses einzuhalten und zu dokumentieren, wie z. B. für:
Softwareentwicklungsplanung,
Analyse der Softwareanforderungen,
Design der Softwarearchitektur,
Detaildesign,
Implementierung und Verifizierung der Softwareeinheiten,
Softwareintegration und Integrationsprüfung,
Prüfung des Softwaresystems,
Freigabe der Software,
Planung der Softwarewartung,
Analyse von Problemen und Änderungen,
Implementierung von Änderungen,
Softwarerisikoanalyse und Risikomanagement für Änderungen,
Risikokontrollmaßnahmen und deren Verifizierung,
Softwarekonfigurationsmanagement,
Problemlösungsprozess.
In folgenden Abschnitten wird auf die aufgelisteten Elemente des Entwicklungs-
und Wartungsprozesses näher eingegangen.
5.3 Grundsätze in der Softwareentwicklung 155
5.3.1 Softwareentwicklungsplanung
Voraussetzung für die Umsetzung einer medizinischen Software ist der Soft-
wareentwicklungsplan. Dieser beschreibt, wie und mit welchen Mitteln eine Soft-
ware zu implementieren ist. Ziel ist es, die normativen Anforderungen zu Beginn
eines Projektes im Plan zu berücksichtigen und so Risiken, die durch Software
verursacht werden könnten, zu minimieren. Der Detaillierungsgrad ist auch hier
abhängig vom Risiko festzulegen. Durch den Softwareentwicklungsplan wird nicht
nur eine strukturierte Umsetzung unterstützt, sondern er dient auch als Handbuch
und Kommunikationstool im Entwicklungsteam. Es ist nicht unüblich, dass sich
solche Pläne auch im Laufe des Softwareentwicklungsprozesses anpassen. In die-
sem Fall spricht man von einem lebenden Dokument. Wichtig ist, dass Anpassun-
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TIPP:
For personal use only.
Dokumentationsanforderungen:
Softwareentwicklungsplan
Dokumentationsanforderungen:
Softwareanforderungen
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TIPP:
In der Beschreibung der Anforderungen an die Softwarearchitektur empfiehlt sich
der Einsatz von grafischen UML-Klassendiagrammen.
Dokumentationsanforderungen:
Softwarearchitektur
5.3 Grundsätze in der Softwareentwicklung 157
5.3.4 Detaildesign
Eine Detaildesignbeschreibung erfolgt auf Ebene der bereits beschriebenen Soft-
wareeinheiten. Hier ist anzumerken, dass die Norm je nach Sicherheitsklassifizie-
rung unterschiedliche Vorgaben festlegt [Abschnitt 5.4 der IEC 62304]. Eine mög-
liche Aufteilung eines ganzheitlichen Softwaresystems in seine Komponenten und
Einheiten wird in Bild 5.3 dargestellt. Aus dem Detaildesign müssen die Beziehun-
gen aller Schnittstellen zwischen den Einheiten und externen Komponenten wie
auch zwischen den einzelnen Einheiten hervorgehen. Durch die Entwicklung eines
Detaildesigns soll eine korrekte Implementierung ermöglicht werden.
Dokumentationsanforderungen:
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Detaildesignbeschreibung
TIPP:
Akzeptanzkriterien, die beispielsweise die Codierungsnorm betreffen, können mit
Code-Analyse-Tools überprüft werden.
Dokumentationsanforderungen:
Verifizierung der Softwareeinheiten und Ergebnisse
Prüfung der integrierten Software und Ergebnisse
158 5 Software als Medizinprodukt
Dokumentationsanforderungen:
Integrationsplan
Integrationstests
Integrationsergebnisse
pass/fail
Liste der Normabweichungen
For personal use only.
TIPP:
Kombinationsprüfungen, die sich aus der Integrationsprüfung (Abschnitt 5.3.6)
und der Prüfung des Softwaresystems zusammensetzen, sind erlaubt. Gleiches
gilt für Kombinationsprüfungen, die mehrere Komponenten mit einschließen.
5.3 Grundsätze in der Softwareentwicklung 159
Dokumentationsanforderungen:
Systemtests
Systemtestergebnisse
Freigabedokumentation
beschreibt also, was genau mit Änderungen passieren soll, nachdem die Software
bereits durch den Freigabeprozess gegangen ist. Wichtig ist, dass jede Änderung
erneut das Risikomanagement durchlaufen muss. Damit ist auch die Untersuchung
auf weitere Gefahren verbunden. Eine Genehmigung der Änderungen ist notwen-
dig, bevor diese erneut den Freigabeprozess durchlaufen. In speziellen Fällen
muss auch die Behörde ebenso wie Kunden über diverse Änderungen informiert
werden.
For personal use only.
TIPP:
Durch automatisierte Regressionsprüfungen erhalten Entwickler die nötige Unter-
stützung, um schnell ausschließen zu können, dass beim Lösen des eigentlichen
Problems nicht unbeabsichtigt neue Fehler produziert wurden. Obendrein sparen
Automatisierungen Zeit und Personalaufwand.
Dokumentationsanforderungen:
Wartungsplan
Dokumentation bekannter Fehler
Dokumentation von Rückmeldungen
Dokumentation möglicher Ursachen und Berücksichtigung in der Risiko
managementakte
160 5 Software als Medizinprodukt
5.3.9 Softwarekonfigurationsmanagement
Im Softwareentwicklungsplan muss ebenso das Softwarekonfigurationsmanage-
ment berücksichtigt werden. Dieses enthält neben einer Beschreibung der Soft-
warekomposition auch Informationen darüber, welche Komponenten wie kontrol-
liert werden müssen. Dies betrifft in erster Linie gelenkte Dokumente. Ebenso sind
auch Informationen enthalten, wie Änderungen und Freigaben kontrolliert und
dokumentiert werden müssen. Neben der Software selbst können auch andere Be-
standteile wie beispielsweise Compiler-Versionen und spezifische Einstellungen
der Entwicklungsumgebung kontrolliert werden. Existieren mehrere Versionen
einer Software, dann müssen diese durch eine eindeutige Bezeichnung charakteri-
siert werden. Hierzu empfiehlt sich die Verwendung von Versionsnummern.
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TIPP:
Änderungen müssen dokumentiert und nachvollziehbar sein, deshalb empfehlen
wir
den Einsatz von Versionierungstools, um die Historie der Änderungen und
Freigabe von Software zu dokumentieren (auch für SOUPs).
den Einsatz von Dokumentenmanagementsystemen. Dateien müssen durch
For personal use only.
BEISPIEL:
Versionsnummern bilden die Grundlage einer Versionsverwaltung. Folgendes
Beispiel zeigt einen klassischen Aufbau einer solchen Versionsnummer, welche
sich üblicherweise wie folgt zusammensetzt:
1. 2. 3. - 0001
build number: Wird für den jeweils letzten Build einer Revision erhöht.
patch level: Sind meistens Fehlerbehebungen.
minor release: Sind meist funkonale Erweiterungen.
major release: Sind meist wesentliche Änderungen am Programm.
Dokumentationsanforderungen:
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5.3.10 Problemlösungsprozess
For personal use only.
Dokumentationsanforderungen:
Problemberichte
Prüfungsdokumente
bringen. In diesem Abschnitt zeigen wir eine Möglichkeit, wie sich normative Do-
kumentationsanforderungen und der Scrum-Entwicklungsansatz kombinieren
lassen.
Die Vorteile agiler Softwareentwicklung sind vielseitig, bestechen aber vor allem
durch inkrementelle und kooperative Eigenschaften. Durch kurze Zyklen, soge-
nannte Sprints, kann umgehend auf Fehler reagiert werden. Diese gewonnenen
Erfahrungen lassen sich sogleich in den darauffolgenden Sprint einbauen. Die
Funktionalität und Effizienz der Software wachsen somit mit jedem erfolgten
Sprint. Ein weiterer sehr positiver Effekt, der sich durch den agilen Ansatz ergibt,
ist, dass Kommunikation im Team als auch mit dem potenziellen Kunden im Vor-
dergrund steht, was sich, wie Erfahrungswerte zeigen, absolut positiv auf die ge-
lieferte Software und Dokumentationsartefakte auswirkt.
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daily
Sprint
Die theoretische Vorgehensweise von Scrum stößt in der Praxis immer wieder auf
Hindernisse. Meist liegt es im Zusammenspiel und der Zuordnung von Artefakten,
des aus den Normen bekannten V-Modells (welches unter Umständen als Doku-
mentationsmodell dienen kann), zu denen aus der IEC 62304 bekannten Doku-
mentations- und Review- Anforderungen sowie an dem oft nicht eindeutig formu-
For personal use only.
lierten „Definition of Done“ in der Agilen Welt. Es ist auch zu beobachten, dass
Organisationen, die historisch gewachsen sind oder sehr Hardware-lastig entwi-
ckeln, ein anderes Verständnis von Artefaktfreigaben oder Dokumentationsfreiga-
ben haben. Oft werden Teams aber auch von überproportional vielen Unterschrift-
sammlungen auf Dokumenten aufgehalten, ohne dass diese einen Mehrwert für
den Inhalt bedeuten würden. Zusätzlich hinzukommende nicht-elektronische Do-
kumente und deren Freigabe verzögern wiederum die Projekte erheblich.
TIPP:
Halten Sie Ihre Unterschriftfreigaben auf Dokumenten so schlank wie möglich!
Klären Sie mit den Zieladressaten des Dokuments, ob der Inhalt für dessen Zwecke
geeignet ist.
Nutzen Sie die jeweiligen Sprint Reviews, um gleich den Anforderungen der formal
geforderten Design Reviews nachzukommen. Speziell nach der Anforderungs- und
Architekturerstellung sowie vor der Verifikation.
Kreieren Sie smarte, vollständig digitale, aber validierte Lösungen mit hoher User-
Akzeptanz!
TIPP:
Starten Sie mit einem kleinen Projekt unter fachkundiger Anleitung eines Agile
Coaches! Die Organisation muss meist sehr dynamisch und lernfähig mit den
aufkommenden Stolperfallen sein!
164 5 Software als Medizinprodukt
auch große Risiken, die Hersteller beim Design oft unzureichend berücksichtigen.
Das Risikomanagement spielt hierbei eine elementare Rolle in der Softwareent-
wicklung. Davor macht auch die Verordnung nicht Halt und stellt erhöhte Anforde-
rungen an netzwerkfähige Produkte. Beispielsweise müssen Hersteller Mindest
anforderungen an die IT-Landschaft definieren, wie in Abschnitt 17.4 der MPV
[5.1] beschrieben wird. Diese beziehen sich auf die Hardware, die Eigenschaften
von IT-Netzen, die IT-Sicherheitsmaßnahmen sowie den Schutz vor unbefugten Zu-
For personal use only.
griffen. Eine wesentliche Grundlage für die IT-Sicherheit bildet unter anderem
auch die Datenschutzgrundverordnung, dessen Ziel es ist, personenbezogene Da-
ten zu schützen. Nähere Informationen zur Datenschutzgrundverordnung werden
im Abschnitt 5.6 besprochen.
Vorgaben zur IT-Sicherheit sind nicht nur in den einleitend erwähnten Normen zu
finden, sondern es gelten auch nationale Anforderungen, die Hersteller erfüllen
müssen. So legt die FDA beispielsweise in mehreren Guidance-Dokumenten Anfor-
derungen an die IT-Sicherheit fest. Zumeist geht es aber um die Einhaltung von
IT-Sicherheitszielen, die beim Einsatz medizinischer, netzwerkfähiger Produkte zu
erreichen sind. Sehr oft zieht man dazu die vom BSI formulierte CIA-Triade zur
Einhaltung der IT-Security-Schutzziele heran (siehe auch [5.13], CIA-Triade nach
BSI [5.14]):
Vertraulichkeit (Confidentiality): Schutz und Vertraulichkeit von medizini-
scher Information (Patientendaten) gegen unerlaubten Zugriff, Veränderung
oder Zerstörung/Löschung,
Integrität (Integrity): Integrität der Daten (Vollständigkeit, Richtigkeit, Gültig-
keit),
Verfügbarkeit (Availability): kontinuierliche Verfügbarkeit der medizinischen
Information an den beabsichtigten, autorisierten Stellen (und nur an diesen).
Die genannten CIA-Prinzipien gelten nicht nur für medizinische Produkte, sondern
auch für angeschlossene oder betroffene Systemkomponenten wie Zubehör, Ver-
5.5 IT Security für Software in Medizinprodukten 165
TIPP:
Um IT-Sicherheit über den gesamten Produktlebenszyklus zu gewährleisten, sind
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Externe Datenträger sind besonders kritisch, da ein Kopieren von Daten über sie
sehr leicht möglich ist und über diese die Zugänglichkeit von Daten unkontrolliert
erfolgen kann. Daher sollte auch jeder Zugriff auf Daten mitprotokolliert werden.
Es liegt am Hersteller, die richtige Balance zwischen Patientensicherheit (Safety)
und IT-Sicherheit (Security) zu schaffen. Safety und Security bilden die Pfeiler, auf
denen das Konstrukt der IT-Sicherheit gebaut wird. Wie in dem Leitfaden der
MDCG 2019-16 [5.3] zur Cybersecurity für Medizinprodukte beschrieben wird,
dürfen Safety und Security nicht voneinander getrennt werden. Wir empfehlen
Herstellern, sich an den Vorgaben dieses Leitfadens zu orientieren, nicht zuletzt
deswegen, da auch Auditoren bekanntlich gerne darauf zurückgreifen. Das ist
nicht weiter überraschend, wenn man bedenkt, dass die MDCG der Europäischen
Kommission oftmals beratend zur Seite steht.
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Auch der IMDRF Leitfaden „Principles and Practices for Medical Device Cyber
security “ [5.17] sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Dieser soll Er-
leichterung bei der internationalen Harmonisierung der Cybersicherheitsvor-
schriften für Medizinprodukte schaffen. Dabei werden wichtige Grundprinzipien
und Best Practices vermittelt.
Die 2021-Ausgabe der IEC 60601-4-5 [5.18] gibt als eine der wenigen Normen so-
For personal use only.
genannte Security Levels zur Erreichung der Safety- und Security-Ziele in der Me-
dizintechnik vor (äquivalent zum Industriestandard IEC 62443 [5.19]). Auch diese
Norm kann als Hilfsmittel herangezogen werden, um geeignete Maßnahmen für
die im Risikomanagement festgelegten Sicherheitslevel zu definieren. Das Kern-
element dieser Norm setzt sich aus den verschiedenen Typen der Security Levels
zusammen, die sich wie folgt einteilen lassen:
SL-T (Security Level – Target),
SL-C (Security Level – Capability),
SL-A (Security Level – Achieved).
Durch sie definiert man den Grad der Belastbarkeit gegenüber Cyberangriffen. Die
Soll-Sicherheitsstufe (SL-T) ist jene Sicherheitsstufe, die Hersteller für ein IT-Netz
erreichen wollen. Dabei hat eine Risikobeurteilung zu erfolgen, die die spezifizier-
ten SL-T Levels der einzelnen Zonen eines medizinischen IT-Netzwerks bestimmt.
Aus der SL-C-Stufe geht hervor, ob das SL-T Ziel ohne kompensierende Gegenmaß-
nahmen erfüllt werden kann, wenn das Gerät/die Komponente/etc. ordnungsge-
mäß installiert wurde. Die SL-A-Sicherheitsstufe ist jenes Level, das tatsächlich
erreicht werden konnte. Gemessen werden kann die Erreichung des SL-A-Levels
nach Verfügbarkeit eines Entwurfs oder aber auch nach Inbetriebnahme des IT-
Netzwerks. Anhand dieser Bewertung kann festgestellt werden, wie viele der ur-
sprünglich festgelegten SL-T-Ziele tatsächlich erfüllt werden konnten. Die Norm
empfiehlt, für die jeweils festgelegten Levels das Stufenmodell zu verwenden, wel-
ches in Bild 5.6 dargestellt wird. Je größer die Auswirkungen auf die Sicherheit
5.5 IT Security für Software in Medizinprodukten 167
sind, umso höher muss der Sicherheitslevel eingestuft werden. Die Einstufung er-
folgt von SL 0: Keine besonderen Anforderungen bis hin zu SL 4: Schutz vor vor-
sätzlichen Angriffen mithilfe hochentwickelter Mittel und hoher Motivation.
Sicherheitslevel
hoch
SL 4
SL 3
SL 2
SL 0 SL 1
niedrig Auswirkungen auf
(Paenten)Sicherheit
klein groß
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TIPP:
Bei den umfassenden Anforderungen an die IT-Sicherheit fällt es manch einem
schwer zu entscheiden, wo begonnen werden soll. Neben dem Risikomanagement
als zentraler Mittelpunkt sollten Hersteller zunächst ermitteln, welche Richtlinien
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und Guidelines am zutreffendsten für ihre Software sind. Erst dann sollten weitere
Schritte eingeleitet werden.
5.6 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
In Europa ist die Datenschutzgrundverordnung (General Data Protection Regula-
tion, GDPR) die gesetzliche Grundlage für die Gewährleistung des Schutzes von
personenbezogenen Daten. Auch die MPV (Art. 110) referenziert auf die europäi-
sche Datenschutzgrundverordnung und fordert den Schutz von personenbezoge-
nen Daten. Sie enthält zahlreiche Regelungen, die Hersteller und Betreiber von
Medizinprodukten betreffen ([5.22], [5.23]).
Auch bei der IT-Sicherheit lässt sich der Datenschutz als eines der Schutzziele wie-
derfinden. Ähnlich wie bei der von der BSI formulierten CIA-Triade definiert auch
die DSGVO Anforderungen zu Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit. Zu-
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dem fordert auch die ISO 13485 die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben in Be-
zug auf die Datensicherheit. Durch geeignete Maßnahmen ist ein ausreichender
Datenschutz zu gewährleisten. Solche Maßnahmen können beispielsweise sein:
Zugriffskontrollen, Firewalls, Anti-Viren-Programme sowie Pseudonymisierung
und Verschlüsselung.
Zur Pseudonymisierung gibt es eine Reihe von Methoden wie zum Beispiel krypto-
grafische Verfahren (Hashing, Verschlüsselung etc.). Dabei werden Pseudonyme
For personal use only.
aus Ursprungsdaten abgeleitet. In der Praxis findet man sowohl manuell als auch
zufällig generierte Pseudonyme. Ebenso kann auch eine Kombination beider Me-
thoden zum Einsatz kommen. Die generierten Werte werden anschließend in einer
Tabelle gespeichert [5.24].
Hersteller müssen für die Sicherheit der Daten garantieren und die Nachvollzieh-
barkeit der Datenverarbeitung gewährleisten. Die Anforderungen der Datenschutz-
grundverordnung sollten unbedingt in das Risikomanagementsystem integriert
werden. Häufig ist für die elektronische Datenverarbeitung trotz allem die Zustim-
mung der Betroffenen erforderlich.
die Frage im Raum, ob KI-basierte Software nach momentanem Stand der Gesetz-
gebung überhaupt als Medizinprodukt zugelassen werden kann.
Während bei der Implementierung herkömmlicher Software bereits im Entwick-
lungsprozess darauf geachtet wird, dass deren deterministische Funktionsweise
am Ende gut verifiziert als auch validiert werden kann, stößt man hier bei KI/ML-
Software auf den einen oder anderen Stolperstein. Neben der Erstfehlersicherheit
gelten auch die zu Beginn erwähnten Anforderungen wie Wiederholbarkeit, Zuver-
lässigkeit und Leistungsfähigkeit. Diese lassen sich in der Praxis jedoch nur allzu
schwer umsetzen. Der Grund dafür ist einfach: KI mit maschinellem Lernansatz
arbeitet nach ganz anderen Prinzipien und Vorgehensmodellen [5.25].
Dabei wird in der Entwicklung mit maschinellem Lernen anhand von Eingaben
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und Ergebnissen als Input ein KI-Modell entwickelt, das in der Lage ist, anhand
von neuen Daten probabilistische Vorhersagen zu treffen. Eine wesentliche Rolle
spielt dabei die Qualität der zugrundeliegenden Daten und in welcher Menge diese
zur Modellentwicklung zur Verfügung stehen. Grundsätzlich werden heute zwei
Bereiche unterschieden, nämlich die Klassifikation (Vorhersage einer Kategorie)
und die Regression (Vorhersage eines Zahlenwerts). Entsprechend sind in der Me-
dizintechnik typischerweise KI/ML-Verfahren wie Support Vector Machine, Neuro-
nal Networks, Decision Trees, Nearest Neighbor oder Lineare und Logistic Regres-
For personal use only.
sion im Einsatz.
Die Anpassung des Modells ist durch kontinuierliches Lernen, die Weiterentwick-
lung über die Zeit sowie durch die statistischen Gütekriterien geprägt. Entspre-
chend sind im Rahmen der Zulassungen im Vergleich zur klassischen, nach IEC
62304 normkonformen Softwareentwicklung Diskussionen vorprogrammiert. Vor
allem die Verwendung derselben Begrifflichkeiten, aber deren unterschiedliche
Bedeutung der Begriffe Verifizierung und Validierung sowohl in der Medizinpro-
duktewelt als auch im KI-Umfeld sorgt immer wieder für Verwirrung. Oder was
verstehen Sie unter „Machine Learning Algorithm Validation“?
Aber auch die Softwarevalidierung der verwendeten Werkzeuge und ML-Biblio
theken als SOUP sind als Herausforderung in der Zulassung und in der Entwick-
lungsphase zu sehen und nicht zu unterschätzen. Sie setzen sich über den ganzen
Produktlebenszyklus fort, wo die entsprechenden Release Notes, Bugfixes oder
Anomalien zu beobachten sind.
Eine weitere Herausforderung ergibt sich ebenfalls im Rahmen der klinischen Be-
wertung bzw. im Risikomanagement, wo man sich mit dem Risiko-Nutzen-Verhält-
nis auseinanderzusetzen hat. Dabei ist der Nutzen keine absolute Größe, sondern
orientiert sich an der besten verfügbaren Alternative, die entsprechend auch fest-
zulegen ist. Oft wird diese dann als State-of-the-Art-Methode oder als Goldstandard
bezeichnet. Dennoch sind der Vergleich und eine absolute Maßangabe der Relation
eine nicht triviale Aufgabe.
170 5 Software als Medizinprodukt
sen haben, setzt sich aus der Erklärbarkeit und der Transparenz zusammen. Ent-
sprechend dem Fokus unterscheidet man zwei Arten.
Während man bei klassischen KI-Algorithmen von einer sogenannten White Box
spricht, deren Entscheidungsbasis auf einer transparenten Vorgehensweise wie
z. B. einer Offenlegung der zugrunde liegenden Entscheidungsstrukturen oder Logi-
ken sowie den verwendeten Daten liegt, spricht man bei KI/ML-Algorithmen oftmals
von der sogenannten Black Box. Ein fundamentales Problem dieses Black-Box-
For personal use only.
Darüber hinaus hat die FDA auch erkannt, dass sie in diesem Zusammenhang
auch ihre Zulassungswege bzgl. KI/ML und deren möglichen Änderungen jegli-
cher Art überdenken müssen. Dementsprechend wird in dem Artificial Intelligence
and Machine Learning Discussion Paper der FDA darauf eingegangen [5.29]. Eine
exakte Hilfestellung dazu ist bis dato noch nicht verfügbar und kann oft nur im
direkten Behördenaustausch geklärt werden. Für Europa gibt das Johner Institut
mit seinem Leitfaden zur Anwendung der Künstlichen Intelligenz (KI) bei Medizin-
produkten wertvolle Anregungen. Dieser ist auf der Homepage des Instituts abruf-
For personal use only.
bar [5.30].
Im Moment herrscht aufgrund der hohen Dynamik zu diesem Thema auf allen
Seiten große regulatorische Verunsicherung. Jedem Hersteller kann nur geraten
werden, sich sorgfältig über die aktuelle Gesetzeslage zu informieren bzw. das Vor-
gehen der Interessensgruppen und Behörden genau zu beobachten. Erst mit der
Zeit werden sich durch erste Erfahrungen standardisierte Prozesse und Wege eta-
blieren.
TIPP:
Telemedizinische Applikationen können Teil einer digitalen Gesundheitsanwendung
sein, sofern die Kernfunktion hauptsächlich auf digitalen Technologien beruht.
5.9 Zusammenfassung
Die europäische Verordnung hat in den letzten Jahren für großes Aufsehen bei
Medizinprodukteherstellern gesorgt. Vor allem Hersteller von Medizinprodukte
software haben mit den wenig dynamischen Vorgaben der Verordnung und einer
Reihe von empfohlenen Guidelines zu kämpfen. Manch einem fällt es hierbei
schwer, nicht den Überblick zu verlieren. Der Grund für die immer strikter wer-
denden Verordnungen ist aber eindeutig: Die Anforderungen an die Sicherheit
nehmen stetig zu.
Software muss per Definition demnach so ausgelegt werden, dass Wiederholbar-
keit, Zuverlässigkeit und Leistung gewährleistet sind. Eine Realisierung hat nach
aktuellem Stand der Technik, unter Einhaltung der Grundsätze des Software
lebenszyklus, des Risikomanagements, der IT-Sicherheit und nicht zuletzt auch
unter dem Aspekt der Verifizierung und Validierung zu erfolgen. Deshalb auch
wenig überraschend, dass die Verordnungen und Normen gegenseitige Abhängig-
5.9 Zusammenfassung 173
keiten aufweisen und sich aufeinander stützen. So hat die MPV neben dem grund-
legenden Ziel der Sicherheit speziell auch die IT-Sicherheit ins Auge gefasst. Sie
fordert ein QM-System und verweist dazu auf die ISO 13485, ebenso wie die IEC
62304 für die Einhaltung des Softwarelebenszyklus und die ISO 14971 für das Ri-
sikomanagement. Die neue Verordnung hat außerdem auch bei der Klassifizierung
für Aufregung gesorgt. Kaum eine Software fällt nach aktuellen Formulierungen
mehr in Klasse 1, was vor allem für KMU eine große Herausforderung darstellt.
Basis für die Klassifizierung bildet nach wie vor die Zweckbestimmung, doch an
dem Regelwerk, wann ein Produkt in welche Risikoklasse fällt, wurde stark nach-
geschärft. Das „Framework for Risk Characterization“ der IMDRF kann Herstellern
bei der Risikocharakterisierung eine große Hilfe sein. Wobei zu beachten gilt, dass
zwischen den Anforderungen der MPV und der IMDRF dennoch ein Unterschied
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besteht, nämlich geht die IMDRF vom Gesundheitszustand des Patienten aus, wäh-
rend sich die MPV auf den Schweregrad verursachter Schäden konzentriert. Klar
ist, je höher die Sicherheitsklassifizierung ausfällt, umso mehr steigen auch die
Anforderungen an den Detaillierungsgrad und die Dokumentation. Im Übrigen
darf in QM/IT-Systemen auch auf die Validierung der eingesetzten Tools nicht ver-
zichtet werden. Hierbei lohnt es sich, die nicht harmonisierte Norm ISO 80002-2
oder den GAMP-5-Leitfaden als Stütze heranzuziehen.
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Auch die letzte Ausgabe der Norm IEC 60601-4-5 greift Herstellern bei der Errei-
chung von Safety- und Security-Schutzzielen unter die Arme. Nicht zuletzt unter
Verwendung der von ihnen definierten Security Levels, die sie zur Erreichung der
Schutzziele festgelegt haben. Große Bedeutung im Bereich der IT-Sicherheit hat
der Schutz der Patientendaten, was an die Vorgaben der Datenschutzgrundverord-
nung geknüpft ist. Die Anforderungen an den Datenschutz spannen sich wie ein
großer Bogen über alle Bereiche eines Medizinprodukts. Neben der IT-Sicherheit
spielt der Schutz personenbezogener Daten auch in Bereichen der künstlichen In-
telligenz und des maschinellen Lernens eine immer bedeutendere Rolle. Für die
weitere Datenverarbeitung ist am Ende neben der Anonymisierung der Daten im-
mer auch die Zustimmung der Betroffenen erforderlich.
Transparente Algorithmen, die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung und
die Effizienz durch den KI/ML-Ansatz lassen sich oftmals nur schwer bis gar nicht
mit den gesetzlichen Anforderungen an Medizinprodukte erfüllen. Dennoch sind
innovative Lösungen aus vielen Bereichen der Medizintechnik wie beispielsweise
der bildgebenden Diagnostik nicht mehr wegzudenken. Die FDA geht mit gutem
Beispiel voran und hat bereits einen Guideline-Entwurf veröffentlicht, der es Her-
stellern ermöglicht, KI/ML-Ansätze bei der Entwicklung von Medizinprodukten zu
verwenden und gleichzeitig aber auch die normativen Anforderungen zu erfüllen.
Auch in Europa muss ein Weg geschaffen werden, um gesetzeskonform unterwegs
zu sein und gleichzeitig innovative und effiziente KI/ML-Ansätze in Medizinpro-
dukten integrieren zu können.
5.10 Literatur 175
Die oftmals starren gesetzlichen Vorgaben und die in der Entwicklung immer dy-
namischeren Softwareansätze stehen nicht immer im Einklang. Abschließend
bleibt aber zu sagen, dass das Unmögliche nur auf den ersten Blick unmöglich er-
scheint. Mit dem richtigen Fahrplan können Hersteller sowohl innovative Ansätze
wie beispielsweise agile Softwareentwicklung und die KI/ML-basierten Program-
mieransätze in der Software integrieren und gleichzeitig auch die gesetzlichen
Anforderungen erfüllen. Was in manchen Ländern schon längst Realität ist, bei-
spielsweise Gesetzesentwürfe im Bereich der künstlichen Intelligenz sowie Ge-
sundheitsapplikationen auf Rezept, wird früher oder später auch in anderen Län-
dern nachgezogen werden.
Fakt ist, diese Themen sind längst kein Wunschdenken mehr, sondern schon lange
in unserem Alltag angekommen. Gesetzesgeber sind gefordert, mit Hochdruck an
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5.10 Literatur
For personal use only.
[5.1] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 117/1 vom 05. 05. 2017: Verordnung
(EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinpro-
dukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG
des Rates Verfügbar unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2017/745/oj/deu, abgerufen am
19. 04. 2021.
[5.2] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 117/176 vom 05. 05. 2017: Verord-
nung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-
Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der
Kommission (IVDV). Verfügbar unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2017/746/oj/deu, abgerufen
am 19. 04. 2021.
[5.3] Medical Device Coordination Group (MDCG): Guidance on Qualification and Classification of Soft-
ware in Regulation (EU) 2017/745 – MDR and Regulation (EU) 2017/746 – IVDR. 2019. Verfügbar
unter: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/37581, abgerufen am 25. 05. 2021.
[5.4] International Electrotechnical Commission (IEC): EN 62304 – Medical device software – Software
life cycle processes. 2006. (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN
62304; VDE 0750 – 101:2007-03 Medizingeräte – Software – Software-Lebenszyklus-Prozesse.
2006. Beuth. 2007.).
[5.5] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN ISO 14971:2019 Medical de-
vices – Application of risk management to medical devices. 2019. (Deutsche Fassung: Deutsches
Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 14971:2019 Medizinprodukte – Anwendung des Risiko
managements auf Medizinprodukte. Beuth. 2020-07.).
[5.6] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN ISO 13485:2016 Medical de-
vices – Quality management systems – Requirements for regulatory purposes. 2016. (Deutsche
Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 13485:2016-08, Medizinprodukte –
Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke. Beuth, 2016.).
176 5 Software als Medizinprodukt
[5.7] International Medical Device Regulators Forum (IMDRF): „Software as a Medical Device“: Possible
Framework for Risk Categorization and Corresponding Considerations. 2014. Verfügbar unter:
http://www.imdrf.org/docs/imdrf/final/technical/imdrf-tech-140918-samd-framework-risk-
categorization-141013.pdf, abgerufen am 25. 05. 2021.
[5.8] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): IEC 61508-3:2010-04-02. Functio-
nal safety of electrical/electronic/programmable electronic safety-related systems – Part 3: Soft-
ware requirements. 2010. (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN
61508-3:2011-02. Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer/elektronischer/pro-
grammierbarer elektronischer Systeme - Teil 3: Anforderungen an Software. Beuth. 2011.).
[5.9] Internationale Organisation für Normung (ISO): ISO/TR 80002-2:2017-06. Medizinische Gerätesoft-
ware - Teil 2: Validierung von Software zur Verwendung in der Qualitätssicherung für medizini-
sche Geräte. Beuth. 2017.
[5.10] International Society for Pharmaceutical Engineering (ISPE): GAMP 5 – Ein risikobasierter Ansatz
für konforme GxP-computergestützte Systeme. 2008.
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unter: https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Grundschutz/Kompendium/IT_
Grundschutz_Kompendium_Edition2021.pdf?__blob=publicationFile&v=6, abgerufen am 31. 05. 2021.
[5.15] Microsoft Cooperation: The STRIDE Threat Model. 2009. Verfügbar unter: https://docs.microsoft.
com/en-us/previous-versions/commerce-server/ee823878(v=cs.20), abgerufen am 25. 05. 2021.
[5.16] International Electrotechnical Commission (IEC): IEC 80001 – 1:2010 – Application of risk manage-
ment for IT-networks incorporating medical devices. 2010.
[5.17] International Medical Device Regulators Forum (IMDRF): Principles and Practices for Medical
Device Cybersecurity. 2020. Verfügbar unter: http://www.imdrf.org/docs/imdrf/final/technical/
imdrf-tech-200318-pp-mdc-n60.pdf, abgerufen am 25. 05. 2021.
[5.18] International Electrotechnical Commission (IEC): IEC TR 60601-4-5: Medical electrical equipment;
Part 4-5 Guidance and interpretation; Safety related technical security specifications for medical
devices. 2021.
[5.19] International Electrotechnical Commission (IEC): DIN EN IEC 62443-3-3:2020-01. Industrielle Kom-
munikationsnetze - IT-Sicherheit für Netze und Systeme - Teil 3-3: Systemanforderungen zur IT-
Sicherheit und Security-Level (IEC 62443-3-3:2013 + COR1:2014). Beuth. 2020.
[5.20] International Organization for Standardization: ISO 81001-1:2021. Health software and health IT
systems safety, effectiveness and security — Part 5-1: Security — Activities in the product life
cycle. 2021.
[5.21] Christian Johner: Leitfaden IT-Sicherheit für Medizinprodukte. 2021. Verfügbar unter: https://
github.com/johner-institut/it-security-guideline/, abgerufen am 31. 05. 2021.
[5.22] Wirtschaftskammer Österreich (WKO): EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Datensicher-
heit und Datenschutz. Verfügbar unter: https://www.wko.at/service/wirtschaftsrecht-gewerberecht/
EU-Datenschutz-Grundverordnung:Datensicherheit-und-Daten.html, abgerufen am 31. 05. 2021.
[5.23] Christian Johner: Wissen zu medizinischer Software. EU-Datenschutzgrundverordnung DSGVO.
2018. Verfügbar unter: https://www.johner-institut.de/blog/regulatory-affairs/
eu-datenschutzgrundverordnung-dsgvo/, abgerufen am 31. 05. 2021.
5.10 Literatur 177
[5.29] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Proposed Regulatory Framework for Modifications to
Artificial Intelligence/Machine Learning (AI/ML) – Based Software as a Medical Device (SaMD).
2019. Verfügbar unter: https://www.fda.gov/media/122535/download, abgerufen am 25. 05. 2021.
[5.30] Christian Johner: Leitfaden zur KI bei Medizinprodukten. Verfügbar unter: https://github.com/
johner-institut/ai-guideline, abgerufen am 25. 05. 2021.
[5.31] Christian Johner: Wissen zu medizinischer Software. Digitale Gesundheitsanwendungen Ver
ordnung DiGAV. 2021. Verfügbar unter: https://www.johner-institut.de/blog/gesundheitswesen/
digitale-gesundheitsanwendungen-verordnung-digav/, abgerufen am 31. 05. 2021.
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For personal use only.
6 Sicherheitstechnische
Anforderungen
R. Neubauer, J. Schröttner, C. Baumgartner
SCHWERPUNKTE:
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Warum Sicherheitstechnik?
Welches Maß an Sicherheit ist erforderlich?
Wie kann Produktsicherheit erreicht werden?
Welche Anforderungen stellen die Medizinprodukteregularien?
Was versteht man unter integrierter Sicherheit?
Wie geht man mit Ersten Fehlerfällen um?
Was soll bei der Produktentwicklung berücksichtigt werden?
For personal use only.
6.1 Einleitung
In den Anfängen der Medizintechnik wurde das Augenmerk vermehrt auf die Ge-
rätefunktion beziehungsweise auf die Entwicklung von Methoden und Techniken
für medizintechnische Geräte gelegt. Man musste aber rasch feststellen, bedingt
durch Vorfälle aus dem Praxisalltag, dass der Patienten- und Anwendersicherheit
ebenso eine große Rolle zukam. Das Verständnis darüber und die Erkenntnis, dass
sicherheitstechnische Maßnahmen ebenso wie Leistungsparameter eines Gerätes
normativ geregelt werden müssen, hat in den letzten Jahrzehnten sukzessive zuge-
nommen.
Ein gutes Beispiel dafür liefert die EN 60601 – 1 [6.1], die Hauptnorm für sicherheits-
technische Anforderungen an medizinisch-elektrische Geräte. Wurden in den ersten
beiden Ausgaben (Edition 1, 2) vor allem elektrische und mechanische Sicherheitsas-
pekte betrachtet, wurden in der 3. Edition die Anforderungen durch Einbeziehung
von Biokompatibilität, Gebrauchstauglichkeit (Usability), programmierbare elektri-
sche Systeme und die Verknüpfung mit dem Risikomanagement erweitert. Das spie-
gelt sich auch im Umfang wider. Umfasste die Norm in der Erstausgabe im Jahr 1977
ca. 100 Seiten, so wuchs die Seitenzahl in der Zwischenzeit auf 430 Seiten an.
180 6 Sicherheitstechnische Anforderungen
Sicherheitstechnik wird nun schon seit rund 40 Jahren in Europa gelebt. Sicher-
heitstechnische Aspekte sollten in jeder Lebenszyklusphase einfließen, sei es in
der Prototypenentwicklung, der Serienfertigung oder durch Rückmeldungen von
Anwendern in das Produktdesign.
Die Realität sieht jedoch oft anders aus. Vorwiegend junge Unternehmen und Start-
ups, die sich das erste Mal an die Entwicklung von Medizinprodukten heranwagen,
lassen wichtige Sicherheitsaspekte unberücksichtigt und konzentrieren sich pri-
mär auf die Performance und das Design des Geräts. Die daraus resultierenden
Probleme und Rückschläge bei der Produktprüfung (Typprüfung, Baumusterprü-
fung), wenn beispielsweise die Hauptplatine die erforderlichen Luft- und Kriech-
strecken nicht einhält und infolge ein Re-Design benötigt wird oder die Spritzguss-
form des Gehäuses überarbeitet werden muss, da es nicht den mechanischen
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BEACHTE:
Sicherheitstechnische Aspekte sollten in jedem Abschnitt der Produktentwicklung
einfließen, nachträglich erforderliche Änderungen können kostspielig werden.
For personal use only.
BEISPIEL:
Chirurgischer Laser
Eine große Gefahr geht von der Laserstrahlung, insbesondere von der Leistungs-
dichte aus. Eine Reduzierung der Ausgangsleistung auf Werte, von denen keine
Gefährdung ausgeht, würde zwar das Verletzungsrisiko vermindern, das durch
Reflexionen oder unbeabsichtigten Kontakt mit dem Laserstrahl hervorgerufen
wird, aber die Funktion wäre derart beeinträchtigt, dass sich das Gerät für einen
chirurgischen Einsatz nicht mehr eignen würde.
6.2 Aspekte des Sicherheitskonzepts 181
Ebenso sollte klar sein, dass die geforderten Sicherheitsstandards in der Medizin-
technik einzuhalten sind, welche sich jedoch signifikant auf die Entwicklungskos-
ten und somit auf die Gewinnspanne auswirken.
Bauteile und Baugruppen, die für sicherheitstechnische Aspekte in einem Gerät
eingesetzt werden, stellen einen nicht unwesentlichen Kostenfaktor dar. Ein typi-
sches Beispiel ist die medizinische Mehrfachverteilerdose mit Schutz gegen uner-
laubtes An-/Abstecken. Handelsübliche Mehrfachsteckdosen werden im Baumarkt
für wenige Euro angeboten, medizinische Mehrfachverteilerdosen kosten aber je
nach Ausführung einige Hundert Euro. Die hohen Kosten haben viele Gründe: ge-
ringere Produktionsstückzahlen, Fertigungsmehraufwände, hochwertigere Bau-
teile, um nur einige zu nennen.
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MERKE:
Sicherheitstechnik ist ein Balanceakt, bei dem sich Gerätefunktion und Gebrauchs-
tauglichkeit sowie Patienten- und Benutzersicherheit und Kosten die Waage halten
sollen.
Die Kunst ist es, diesen Punkt zu finden (vgl. dazu Bild 6.1). In Abhängigkeit der
jeweiligen Geräteart und des damit verbundenen Risikopotenzials gilt es, einen
Kompromiss über das Nutzen-Aufwand-Verhältnis zu finden. Hierzu gibt es Hilfe-
stellungen in Richtlinien und Normen, damit ein akzeptables Sicherheitsniveau
erreicht werden kann.
182 6 Sicherheitstechnische Anforderungen
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TIPP:
Ein wichtiges Indiz, dass ein Produkt dem Stand der Technik entspricht, ist der
Nachweis der Konformität mit den derzeit geltenden harmonisierten Normen.
nen.
Die Produkte sind so herzustellen und zu verpacken, dass Lagerung und Trans-
port ihre Eigenschaften nicht verändern.
Unerwünschte Nebenwirkungen dürfen kein unvertretbares Risiko darstellen.
Mit der Forderung nach einem akzeptablen Nutzen-Risiko-Verhältnis wird vom
Hersteller eine Gegenüberstellung des durch die Anwendung des Produkts für Pa-
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BEISPIEL:
Akzeptables Risiko-Nutzen-Verhältnis
Die bei jeder Blinddarmoperation durch den chirurgischen Eingriff entstehende
Narbe, verursacht durch das verwendete Operationsinstrument, gilt, gemessen
am Nutzen für den Patienten, als akzeptabel. Würde dieselbe Narbe bei einer
neuartigen Methode für die Körpertemperaturbestimmung (Fiebermessen) am
Patienten entstehen, würde diese Risiko-Nutzen-Verhältnis negativ ausfallen.
BEISPIEL:
Anwendergruppe
Schon im Design und in der sprachlichen Ausgestaltung der Gebrauchsanweisung
muss die Zielgruppe berücksichtigt werden. So wird bei einem Laien von einem
Wissensstand nach einer achtjährigen Schulausbildung ausgegangen [6.7].
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rücksichtigen und diese auf keinen Fall zu fördern. Wie beispielsweise ein Herstel-
ler, der seinem Laser einen Kurzschlussstecker für den geforderten Türkontakt-
schalter (der Türkontaktschalter dient dazu, den Laserstrahl zu unterbrechen,
wenn jemand unbeabsichtigt den Raum betritt, in dem der Laser in Betrieb ist)
beilegte, damit die „lästige“ Installation eines Sicherheitsschalters eingespart wer-
den kann.
6.3 Technische Anforderung
Zusätzlich wird zu diesen grundsätzlichen Anforderungen eine Reihe von weite-
ren Regeln, die die technische Ausführung in Hinblick auf die Anwender- und Pati-
entensicherheit der Produkte betreffen, in der Medizinprodukterichtlinie bzw. der
neuen Verordnung definiert.
Einige dieser wichtigen Anforderungen sollen nachfolgend genauer betrachtet
werden.
186 6 Sicherheitstechnische Anforderungen
Ebenso stellt die Abnutzung beziehungsweise schon das Altern des Produkts einen
nicht zu unterschätzenden Faktor für die Gerätesicherheit dar. Bewegliche Teile
unterliegen einer natürlichen Verschleißerscheinung, sei es nun der Keilriemen-
antrieb eines Motors, der Knopf eines Stellreglers für Ausgangsgrößen oder die
Folientastatur, die durch die dauernde mechanische Belastung brechen kann. Auch
die Alterungsbeständigkeit von Materialien muss hierbei berücksichtigt werden.
Gummidichtungen oder Schwingungsdämpfer für Motoren sind hierfür ein gutes
Beispiel. Bild 6.3 zeigt typische Beispiele für Abnutzungserscheinungen, die auf
For personal use only.
verordnung geregelt und richten sich vor allem nach dem Gefährdungspotenzial,
welches vom Produkt ausgeht.
Eine nicht unwesentliche Rolle fällt hierbei dem Hersteller zu, der genaue Informa-
tionen zu dieser wiederkehrenden sicherheitstechnischen Überprüfung in seiner
Gebrauchsanweisung, das Prüfintervall, die Kontrolle oder den Austausch von Ver-
schleißteilen oder die Durchführung von Messungen sicherheitstechnisch relevan-
ter Parameter und deren Grenzwerte betreffend, liefern muss. Der exakte Umfang
dieser Informationspflicht kann den zutreffenden Gerätenormen, z. B. EN 60601 – 1
und der EN 62353 [6.10] entnommen werden.
MERKE:
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6.3.2 Verwendete Werkstoffe
For personal use only.
Ein weiterer Aspekt, der bei der Werkstoffwahl berücksichtigt werden sollte, ist,
dass Biokompatibilitätsnachweise vorhanden sind, wenn das Material im bestim-
mungsgemäßen Gebrauch mit dem Patienten oder Anwender in Berührung kom-
For personal use only.
men soll.
TIPP:
Zum Nachweis der Biokompatibilität eignen sich Prüfberichte nach der ISO-
10993-Normenreihe [6.11], aber auch z. B. Oeko-Tex-Zertifikate oder umfangreiche
Marktrecherchen, die nachweisen, dass der Werkstoff bereits in der Medizintech-
nik für ähnliche Anwendungen eingesetzt wird.
Dauerkontakt (>30d)
Nicht invasiv
Blutkreislauf
Gewebe, Knochen
Bild 6.5
anforderungen
Beeinflussungsfaktoren bezüglich Biokompatibilitäts
6.3 Technische Anforderung
189
190 6 Sicherheitstechnische Anforderungen
6.3.3 Sicherheit im Normalfall
Medizinprodukte müssen im Normalfall entsprechend ihrer Zweckbestimmung sicher
sein!
Diese Forderung der Medizinprodukteverordnung, dass Produkte, die sich auf
dem Markt befinden und im bestimmungsgemäßen Gebrauch benutzt werden, als
grundsätzlich sicher betrachtet werden können, stellt aus Sicht des Anwenders
eine Selbstverständlichkeit dar. Ausgenommen, wenn der bestimmungsgemäße
Gebrauch mit einer Gefährdung verknüpft wird. Jeder Benutzer einer Kreissäge
sollte sich der Gefahr bewusst sein, die vom rotierenden Sägeblatt ausgeht. Diese
Gefahr wird im Normalfall akzeptiert, da sie von der benötigten Funktion ausgeht.
Die Akzeptanz, einen elektrischen Schlag bei Inbetriebnahme des Geräts aufgrund
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MERKE:
Integrierte Sicherheit kann durch
1. unmittelbare Sicherheit (konstruktiv),
2. mittelbare Sicherheit,
3. hinweisende Sicherheit
erreicht werden. Dabei gilt als Grundprinzip für die Wahl des Lösungsweges:
Konstruktive Sicherheit vor mittelbarer Sicherheit vor hinweisender Sicherheit!
1. Unmittelbare Sicherheit
Unter diesem Begriff versteht man alle Maßnahmen (meist konstruktive Maßnah-
men, siehe auch Bild 6.6), die eigenständig wirken und zur Beseitigung oder Mini-
mierung der festgestellten Risiken dienen. Diese Abhilfemaßnahmen sind, wenn
sie korrekt durchgeführt wurden, die wirkungsvollsten, denn sie schützen ohne
Mitwirkung von Anwendern, Patienten oder Dritten und werden aus diesem Grund
als primäre Schutzmaßnahme eingesetzt. Ein großer Vorteil dabei ist, dass die
Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen schon in der Entwicklungsphase des Pro-
dukts verifiziert und, wenn notwendig, modifiziert werden kann. Einmal instal-
6.3 Technische Anforderung 191
liert, wirken sie zuverlässig, zumindest gilt das für softwaremäßige Lösungen wie
z. B. Checksummenkontrollalgorithmen. Die einzigen Kriterien bei konstruktiven
Abhilfemaßnahmen, die zum Schutzfunktionsverlust führen können, sind Ver-
schleiß, Alterung oder schlichtweg Defekte. Um den Verlust dieser Schutzwirkung
frühzeitig erkennen zu können, stellt die regelmäßig durchgeführte sicherheits-
technische Kontrolle ein wirksames Instrument dar.
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For personal use only.
Konstruktive Lösungen können jedoch auch Nachteile für eine Entwicklung dar-
stellen. Durch den Einsatz von zusätzlichen Bauteilen (z. B. Trennbausteinen, die
Patientenstromkreis und Netzstromkreis voneinander isolieren), stärkeren Isola
tionen, mechanisch widerstandsfähigeren Gehäusen oder Zugentlastungen von
elektrischen Leitungen, um nur einige Beispiele zu nennen, erhöhen sich die Pro-
duktionskosten und das Gerät vergrößert sich, denn diese Maßnahmen benötigen
zusätzlichen Platz.
Wird das Erfordernis einer unmittelbaren Abhilfemaßnahme erst nach Abschluss
des Entwicklungsprozesses erkannt, so kann die nachträgliche Umsetzung schnell
teuer werden, da diese immer mit einer konstruktiven Änderung des Produkts
einhergeht, sei es des Gehäuses, der Platinen oder anderer Bauteile. Aus diesem
Grund ist es äußerst wichtig, dass sicherheitstechnische Überlegungen in jeder
Produktentwicklungsstufe berücksichtigt und integriert und nicht erst nachträg-
lich an einem fertigen Produkt eingesetzt werden.
192 6 Sicherheitstechnische Anforderungen
BEACHTE:
Konstruktive Sicherheit ist die beste Methode, um Gefährdungen zu verhindern;
diese kann aber nicht immer angewandt werden. Risiken, die von physikalischen
Größen stammen, die für die Funktion des Produkts unbedingt erforderlich sind
(Strahlung, mechanische Kräfte, Ströme), können durch unmittelbare Sicherheits-
vorkehrungen oft nicht entschärft werden.
2. Mittelbare Sicherheit
Kann eine Gefährdung nicht konstruktiv beseitigt werden, bietet die mittelbare
Sicherheit eine gute Alternative. Unter diesem Begriff werden alle Abhilfemaßnah-
men verstanden, die zwar nicht die vom Produkt ausgehende Gefährdung verrin-
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gern, jedoch Patienten, Anwender und Dritte mittels Hilfsmittel davor zu schützen
versuchen.
Als Beispiel können hier Schutzausrüstungen (Brillen, Anzüge), Zugangsbeschrän-
kungen (Schlüsselschalter, Passwörter, ID-Karten) und Überwachungsglieder
(Lichtschranken, NOT-AUS-Taster) genannt werden. Der große Vorteil dieser Maß-
nahmen besteht darin, dass sie auch nach Beendigung des Entwicklungsprozesses
meistens recht einfach bei Bedarf implementiert werden können. Jedoch ist die
For personal use only.
3. Hinweisende Sicherheit
Die hinweisende Sicherheit stellt die schwächste Form einer Sicherheitsmaßnahme
dar und sollte nur in Kombination mit der unmittelbaren oder mittelbaren Sicher-
heit angewandt werden. Hinweisende Sicherheit wird durch Hinweise in der Ge-
brauchsanweisung und vor allem durch Warnschilder und -hinweise erzeugt, die
z. B. am Gerät angebracht werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass inter-
national genormte Symbole (z. B. aus der ISO 7010) verwendet werden. In den ent-
6.3 Technische Anforderung 193
BEACHTE:
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Zu viele Warnhinweise am Gerät bewirken oft das Gegenteil, sie werden dann vom
überforderten Anwender ignoriert!
entsprechen!
Dies bedeutet, das Auftreten eines Einzelfehlers darf nicht zur Gefährdung des
Anwenders, des Patienten oder Dritter führen. Der Fragestellung „Wann tritt ein
Risiko, eine Fehlersituation auf?“ kommt daher eine große Bedeutung zu. Kann der
verwendete Motor schon unter „normalen“ Betriebsbedingungen zu hohe Wick-
lungstemperaturen aufweisen und somit eine Brandgefahr darstellen? Dann hilft
zwar die eingebaute Leistungsregelung im Normalfall, Übertemperaturen zu ver-
meiden, aber der Erste Fehlerfall „Ausfall der Regelung“ muss ebenso von einer
zweiten, von der ersten unabhängigen Methode (z. B. Verwendung einer Tempera-
tursicherung) beherrscht werden. Wird die Gefahrensituation erst unter Fehler
bedingung erreicht, z. B. bei Aufnahme eines zu hohen Gerätestroms, kann diese
Situation durch eine einzige Maßnahme (Sicherung) behoben werden.
Das gleichzeitige Eintreten von zwei voneinander unabhängigen Fehlerfällen ist
nicht zu berücksichtigen. Zum Beispiel das gleichzeitige Versagen einer basisiso-
lierten Leitung, die ein metallisches Gehäuse berührt, und die Unterbrechung der
Schutzleiterverbindung dieses Gehäuseteiles. Jedoch steckt der Teufel wie so oft im
Detail. Erstfehler, die zu Funktionsverlust oder Ansprechen einer Sicherheitsmaß-
nahme führen (Fehlerstromschutzschalter, Leitungsschutzschalter) werden schnell
erkannt und behoben. Der Bruch einer Lage einer doppelten Isolierung wird nur
festgestellt, wenn die äußere Isolationsschicht betroffen ist oder Abweichungen
von Messwerten bei der sicherheitstechnischen Kontrolle festgestellt werden.
194 6 Sicherheitstechnische Anforderungen
Bei der Beherrschung des Ersten Fehlerfalls ist besonderes Augenmerk auf Folge-
fehler zu legen. Die Rekonstruktion dieser Fehlersituationen erweckt zunächst den
Anschein, dass sie auf das Eintreten von zwei unabhängigen Fehlern zurückzufüh-
ren sind, bei genauerer Betrachtung entpuppen sich diese Situationen aber oft als
Folgefehler. Sie resultieren aus einer unzureichenden Fehlerfallabsicherung, z. B.
wenn ein Monitor, der trotz Wandhalterung und Fangkette (diese wurde montiert,
falls die Wandhalterung versagt, sozusagen als Absicherung gegen den Ersten Feh-
lerfall) zu Boden fällt. Die Auffangkette wurde jedoch nicht für die Masse des Bild-
schirms ausgelegt, daher gilt dies als Folgefehler. Bild 6.7 zeigt ein weiteres Bei-
spiel, wie ein Erster Fehlerfall kompensiert werden könnte. Alle wesentlichen
Funktionen für sicherheitsrelevante Funktionen werden hier durch zwei Prozesso-
ren abgesichert.
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Tropfen-
sensor
Lu-
sensor
Tastatur-
Abfrage
Tastatur-
For personal use only.
Matrix
Tastatur-
Abfrage
Display-
Beleuchtung
6.3.5 Normative Anforderungen
Die in der Verordnung spezifizierten sicherheitstechnischen Anforderungen sind,
wie an den vorangegangenen Beispielen ersichtlich, sehr allgemein formuliert. In
den mit der Medizinprodukteverordnung harmonisierten Produktnormen werden
diese Forderungen konkretisiert und auf die Funktionen und Gefährdungen ange-
passt, die von den einzelnen Medizinprodukten ausgehen. Ebenso können in die-
sen speziellen Normen (sogenannte Ergänzungsnormen, für die EN-60601-1 sind
dies die Teile 2) wichtige produktbezogene Risikoeinstufungen erfolgen. In vielen
Ergänzungsnormen werden Fehlerfälle, die allgemein als Erste Fehlerfälle be-
6.3 Technische Anforderung 195
BEACHTE:
Die Recherche der auf das Produkt anzuwendenden Normen stellt eine wichtige
Vorarbeit für den Entwicklungsprozess dar, da aus den Ergänzungsnormen wichtige
produktspezifische Anforderungen hervorgehen können.
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Folgende Grundsätze, die sich aus der Normenreihe EN 60601 und der EN ISO
14971 ableiten lassen, sind allgemein auf jedes Medizinprodukt anwendbar und
sollten daher bei der Entwicklung berücksichtigt werden:
Alle möglichen Ersten Fehlerfälle können eintreten, die Argumentation „Bis
jetzt ist so etwas noch nie passiert“ gilt nicht.
Wird ein Risiko in der Risikoanalyse festgestellt oder trifft eine Risikokonstel-
lation laut Norm auf das Produkt zu, ist es nach der Methode der integrierten
For personal use only.
Sicherheit zu minimieren.
Alles, was ohne Werkzeug zugänglich ist, gilt als berührbar. Natürlich stellt
sich sofort die Frage, was als Werkzeug zu betrachten ist. Die Begriffsdefini-
tion in der EN 60601 – 1 gibt Aufschluss: „Jeder Gegenstand, der zum Festziehen
oder Lösen von Befestigungseinrichtungen oder zur Durchführung von Einstellun-
gen verwendet werden kann“. Dies bedeutet, dass eine Münze, zum Öffnen des
Batteriefachverschlusses, als Werkzeug gilt, ein Körperteil (z. B. Finger) jedoch
nicht.
BEACHTE:
Kann ein Batteriefach (Sicherungshalter, Anschlusskasten etc.) per Hand und ohne
Hilfswerkzeug geöffnet werden, gilt alles im Inneren dieses Faches bzw. Bereiches
als berührbar.
6.4 Sicherheitstechnische Prüfungen
Eine sicherheitstechnische Prüfung des entwickelten Produkts sollte die offizielle
Bestätigung liefern, dass das Produkt den grundlegenden Sicherheitsanforderun-
gen entspricht. Dabei können verschiedene Stufen einer Produktprüfung unter-
schieden werden, die man als Hersteller nutzen kann. So ist es oft sehr ratsam,
bereits im Zuge der Entwicklung begleitende Tests/Prüfungen („Reicht die Trenn-
strecke?“, „Passt das Layoutdesign?“ usw.) durchführen zu lassen, um rechtzeitig
Designänderungen veranlassen zu können. Umfangreichere Aspekte (z. B. Ableits-
trommessungen, Spannungsfestigkeitsprüfungen etc.) sollten nach Fertigstellung
eines ersten Prototyps bei einer kompetenten Prüfstelle untersucht werden. Zum
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eine getrennte Sammlung für alte Elektrogeräte und Ergänzungen in der Konfor-
mitätserklärung des Herstellers.
Wurden die zutreffenden Direktiven, Verordnungen und Gesetze geklärt, kann mit
der Hauptarbeit, der Recherche der zutreffenden harmonisierten Normen begon-
nen werden. Wie bereits in Abschnitt 6.2 erwähnt, gibt es für jede Direktive eine
Liste der dazu harmonisierten Normen. Eine für elektrische medizinische Geräte
immer anzuwendende Norm ist die EN 60601 – 1. Der Teil 1 stellt die Hauptnorm
dar, die prinzipielle Anforderungen behandelt, die alle Geräte erfüllen müssen.
Zusätzlich muss ermittelt werden, ob für das Produkt auch eine spezifische Norm
(Teile 2 der EN 60601) veröffentlicht wurde.
Wenn das Produkt sicherheitsrelevante Software beinhaltet, kommen zusätzlich
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die EN 62304 und für das erforderliche Risikomanagement die EN ISO 14971 zur
Anwendung.
Ob die gefundenen Normen auf das zu entwickelnde Produkt angewendet werden
können, kann dem Kapitel „Anwendungsbereich“, das meist der Einleitung der
Norm nachfolgt, entnommen werden.
Große Sorgfalt sollte darauf gelegt werden, dass die aktuellste Ausgabe der Norm
zur Entwicklung herangezogen wird.
For personal use only.
BEISPIEL:
Normenaktualität: Welche Norm ist die aktuellste?
IEC 60601 – 1:2005+A1:2012
EN 60601 – 1:2006+A1:2013
ÖVE/ÖNORM EN 60601 – 1:2014
Es handelt sich dabei um ein und dieselbe Ausgabe (alle drei sind gleich aktuell),
die nur von den unterschiedlichen Normungsgremien zu unterschiedlichen Zeit-
punkten veröffentlicht wurden.
Gewissheit darüber verschafft meist das Deckblatt der Norm, das den zeitlichen
Bezug der vorliegenden Normenausgabe zur IEC-Ausgabe herstellt.
Im Vorwort der Norm findet sich ein wichtiges Datum, das vom Hersteller zu be-
achten ist. Das DOW (date of withdrawal) gibt den Zeitpunkt an, ab dem die neue
Norm allein gültig ist, da bis zu diesem Zeitpunkt ebenso die Vorgängerversion
noch Gültigkeit besitzt. Das DOW setzt erfahrungsgemäß drei Jahre nach dem Da-
tum der Veröffentlichung (DOP – date of publication) der Norm ein. Diese Über-
gangsfrist wurde gewählt, damit der Hersteller genug Zeit zur Umstellung auf die
neuen Anforderungen hat.
Wer nun die Anforderungen der ermittelten Normen in die Geräteentwicklung ein-
fließen lässt, hat gute Voraussetzungen, keine Überraschungen bei einer sicher-
heitstechnischen Prüfung durch eine akkreditierte Stelle zu erleben.
198 6 Sicherheitstechnische Anforderungen
BEISPIEL:
Prüfpunkte der EN 60601 – 1
Risikomanagement entsprechend EN ISO 14971
Allgemeine Prüfbedingungen (Anzahl der Prüflinge, Umgebungsbedingungen
etc.)
Klassifizierung des Geräts (Schutzklasse, Feuchteschutz (IP), Betriebsart usw.)
Usability (Usability-Akte nach EN 60601 – 1-6)
Nachweis der Biokompatibilität der Teile, die in Kontakt mit Anwender und
Patienten kommen können
Aufschriften (Verwendung der richtigen Symbole, Dauerhaftigkeit)
Gebrauchsanweisung
Sicherheitstechnische Aspekte
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Bei der Überprüfung der sicherheitstechnischen Aspekte wird der Schutz vor elek-
trischen und mechanischen Gefährdungen, übermäßigen Temperaturen und Flüs-
sigkeiten bewertet. Die Themen Genauigkeit von Ausgangswerten, Gefährdungs
situationen und Fehlerbedingungen (Erste Fehler) werden zwar angeschnitten,
detailliertere Anforderungen finden sich im entsprechenden Teil 2, zugeschnitten
auf das entsprechende Gerät. Ein eigenes Kapitel ist den programmierbaren elekt-
For personal use only.
TIPP:
Überblick über häufig anwendbare Normen (auszugsweise):
EN 60601 – 1 Medizinische elektrische Geräte (allgemein)
EN 60601 – 2-X Medizinische elektrische Geräte (typenspezifisch)
EN 60601 – 1-2 EMV
EN 60601 – 1-6 Gebrauchstauglichkeit (EN 62366)
EN 60601 – 1-8 Alarmsysteme
EN 60601 – 1-9 Reduzierung von Umweltauswirkungen
EN 60601 – 1-10 Physiologisch geschlossene Regelkreise
EN 60601 – 1-11 Häusliche Umgebung
EN 60601 – 1-12 Notfalleinsatz
EN ISO 14971 Risikomanagement für Medizinprodukte
EN 62304 Medizingeräte-Software
ISO 10993 Biologische Beurteilung von Medizinprodukten (Reihe)
EN ISO 15223 – 1 Symbole und Kennzeichnungen für Medizinprodukte
EN 62353 Wiederkehrende Prüfung
6.5 Literatur 199
6.5 Literatur
[6.1] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN 60601 – 1:2006+A1:2013 Medi-
zinische elektrische Geräte, Teil 1: Allgemeine Festlegungen für die Sicherheit einschließlich der
wesentlichen Leistungsmerkmale.
[6.2] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 169 vom 12. 07. 1993: Richtlinie
93/42/EWG über Medizinprodukte.
[6.3] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 117 vom 05. 05. 2017: Verordnung
(EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinpro-
dukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG
des Rates.
[6.4] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Summary list of titles and references of harmo-
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nised standards under Directive 93/42/EEC for Medical devices (Ausgabe: OJ C 173 of 13/05/2016.
abgerufen am 29. 06. 2017).
[6.5] Europäisches Komitee für Normung (CEN); Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung
(CENELEC): EN ISO 14971:2012 Medical devices – Application of risk management to medical de-
vices. 2012. (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 14971:2013
Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte. Beuth, 2013.).
[6.6] Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA): Infusion systems (December
2013).
For personal use only.
produkten
SCHWERPUNKTE:
Klinische Bewertung ist aktiver, systematischer und geplanter Lebenszyklus-
prozess unter dem QMS des Herstellers.
Die neue klinische Nutzen-Risiko-Bewertung und der Vergleich mit dem medi-
zinischen State of the Art sind wesentliche Inhalte.
For personal use only.
Das aktuelle MEDDEV zur klinischen Bewertung1 ist eine detaillierte Anleitung,
bis das neue MDCG-Dokument erscheint.
Was sind die sechs Schritte vom klinischen Bewertungsplan bis zum Post
Market Clinical Follow-up (PMCF)?
Der klinische Bewertungsbericht als zentrales Dokument der Technischen
Dokumentation und des Nachweises über die Grundlegenden Sicherheits- und
Leistungsanforderungen.
7.1.1 Einleitung
7.1.1.1 Definition
„Klinische Bewertung“2 bezeichnet einen systematischen und geplanten Prozess
zur kontinuierlichen Generierung, Sammlung, Analyse und Bewertung der klini-
schen Daten zu einem Produkt3, mit dem Sicherheit und Leistung, einschließlich
des klinischen Nutzens, des Produkts bei vom Hersteller vorgesehener Verwen-
dung überprüft wird.
7.1.1.2 Quellen
MPV4: Art. 61 und Anhang XIV
MEDDEV5 2.7/1. rev. 4: Clinical evaluation: Guide for manufacturers and notified
bodies
202 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
7.1.1.3 Bedeutung
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Die Verbesserung der klinischen Bewertung von Medizinprodukten (MP) war eines
der Hauptzielgebiete der MPV und wird von dieser explizit als aktiver systemati-
scher Lebenszyklusprozess unter dem obligatorischen QMS des Herstellers
platziert [7.1, Art.10].
Die verstärkte Betonung klinischer Aspekte in der MPV zeigt sich auch in der
Schaffung einer verbesserten klinischen Infrastruktur des Regelsystems mit (kli-
nischen) Expertenpanels und der Vorbereitung produktgruppenspezifischer kli-
For personal use only.
nischer Guidelines als „Device Specific Guidance“ (DSG) bzw. in Form von Durch-
führungsrechtsakten der EU-Kommission als Gemeinsame Spezifikationen (GS;
Common Specifications CS) für die klinische Prüfung und/oder klinische Bewer-
tung und/oder Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) bestimmter Arten oder
Gruppen von MP. Auch bei den Begrifflichkeiten werden die klinischen Aspekte
nunmehr deutlicher herausgestellt [7.1, Art. 106, Art. 9, Art 2 (44)-(58)],
7.1.2 Entwicklungsgeschichte
Inhaltlich hat die MPV im klinischen Bereich stark von der zeitlich überlappenden
Weiterentwicklung des MEDDEV 2.7/1 rev. 4: „Clinical Evaluation of Medical
Devices“7 durch die klinische Arbeitsgruppe Clinical Investigation and Evaluation
(CIE) der EU-Kommission profitiert und dabei deren wesentliche Gesichtspunkte,
insbesondere deren
Sequenz von Arbeitsschritten der klinischen Bewertung8 und die
deutliche klinische Spezifizierung der Nutzen-Risiko-Abwägung (Benefit/
Risk Determination9; siehe Tabelle 7.1)
ins neue Regelwerk übernommen. Diese bedeutende MEDDEV-Revision musste
der RL-Novelle 2007/47/EG Rechnung tragen, welche damals eine erste verbes-
serte klinische Ausrichtung der MP-Richtlinien 93/42/EWG (Medizinprodukte)
und 90/385/EWG (aktive Implantate) zum Ziel hatte.
7.1 Klinische Bewertung von Medizinprodukten 203
MEDDEV nochmals hinaus und ist diesbezüglich präziser. Diese Elemente der
MPV wurden hier zur MEDDEV 2.7/1 rev. 4 ergänzt bzw. präzisiert, sodass die hier
vorgestellte „Synthese“ der klinischen Bewertung sowohl für die RL 90/385/EWG
und die RL 93/42/EWG, in der Fassung der RL 2007/47/EG, als auch für die MPV
anwendbar ist. In mehreren interpretativen Guidelines des MDCG (Medical Device
Coordination Group) wurden wichtige Aspekte der klinischen Bewertung detail-
lierter dargestellt.
For personal use only.
Bild 7.1
1 Stufen der klinischen Bewertung
von MP nach MEDDEV 2.7/1
rev. 4 und MPV
For personal use only.
Tipp:
For personal use only.
Für die Suche nach validierten surrogate endpoints siehe auch: BEST (Bio-
markers, EndpointS, and other Tools), eine Ressource von FDA und NIH:
https://www.biostatsolutions.com/wp-content/uploads/2016/11/
Bookshelf_NBK326791.pdf
Gemäß der Definition der „klinischen Daten“ handelt es sich dabei um alle Anga-
ben zur Sicherheit oder Leistung, die im Rahmen der Anwendung eines Medizin-
produkts gewonnen werden und aus den dort angegebenen Quellen stammen.
Die Literaturrecherchen betreffen:
den aktuell anerkannten State of the Art in dem betreffenden medizini-
schen Bereich als Benchmark. Damit soll eine fundierte Prüfung auf Akzep-
tanz des Nutzen—Risiko-Verhältnisses von MP gegen den aktuellen State of the
For personal use only.
Art ermöglicht werden; zudem werden damit neben Sicherheit und Wirksam-
keit weitere Anhang I.I.1-Anforderungen27 und die allgemeine Anforderung in
Anhang I.I.828 mit einem aktuellen konkreten Vergleichsmaßstab hinterlegt.
State of the Art inkludiert auch
relevante klinische Anforderungen für das MP und seine Anwendung in
harmonisierten Normen, DSGs, CS,
systematische Reviews29, Metaanalysen30, HTA-Assessments31, Epidemio-
logische Studien32, Reports über Registerauswertungen33 im relevanten
medizinischen Bereich,
einschlägige, methodisch hochwertige aktuelle Guidelines, Consensus
Statements, Behandlungspfade etc. europäischer, internationaler oder nati-
onaler Fachgesellschaften,
Nutzen-Risiko-Profil von Benchmark-Medizinprodukten (mit Rechtfertigung
für deren Auswahl),
das MP selbst (oder das äquivalente MP) und seine intendierten, präzi-
sierten Anwendungsbedingungen.
Methodische Durchführung und Dokumentation der Literaturrecherchen:
1. Literatursuchprotokoll34
Beschreibt die konkrete Planung der Literaturrecherche mit Hintergrund, Ziel-
setzungen und Methodik35 mit Begründungen:
210 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
a) Zielsetzungen
Fragestellungen, die sich aus dem klinischen Bewertungsplan (Stufe 0) er-
geben,
(klinische) Fragestellungen, die sich aus dem Risikomanagement ergeben
haben;
Eine im Health Technology Assessment (HTA) anerkannte strukturierte
Fragetechnik für Literaturrecherchen stützt sich auf das PICO-Schema36:
– P Population(s)/disease(s) or condition(s)37
– I Intervention(s)38
– C Comparator group(s)/control(s)
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– O Outcome(s)/endpoint(s)39
b) Methodik
Ausgehend von den konkreten Fragestellungen jeweils zum MP und sei-
nem Anwendungsbereich (oder äquivalenten MP oder Benchmark MP)
bzw. zum aktuellen State of the Art im med. Einsatzbereich ist festzulegen,
was, wo (in welchen Datendanken und sonstigen Quellen (Internet und an-
deren), wie (z. B mit welchen Suchtermen, Zeitfenster, Auswahlkriterien
For personal use only.
Inwieweit sind die einzelnen klinischen Daten (Studien u. a.) jeweils relevant
für das MP43 oder ein als äquivalent ausgewiesenes MP,
seine Wirksamkeit, klinische Leistung und klinischen Nutzen,
seine klinische Sicherheit, seine klinisch erfassbaren Restrisiken und un-
erwünschten Nebenwirkungen,
die intendierten klinischen Anwendungsbereiche (inkl. Zielgruppen, Indi-
kationen und Kontraindikationen)?
Inwieweit sind die klinischen Daten relevant für den medizinischen State of
the Art im Anwendungsbereich, sodass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des MP
mit dem des aktuellen State of the Art im Anwendungsbereich verglichen und
auf Akzeptabilität geprüft werden kann?
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und in der harmonisierten Norm EN ISO 14155 speziell für den klinischen
Prüfplan (clinical investigation plan – CIP) als explikationsbedürftig angespro-
chen werden (z. B. Sample size, power calculation, klinische Relevanz der End-
points, Validität von surrogate endpoints, Methodik der Messung von end-
points, Adäquanz der Kontrollgruppen, Verteilung prognostischer Faktoren,
Verblindung, Randomisierung, Adäquanz der Zeitspannen des Follow-up etc.).
Wie sind die einzelnen relevanten klinischen Daten anhand obiger Kriterien
nach ihrem Beitrag zur klinischen Bewertung und Evidenz des MP zu gewich-
ten?
Der Wert der einzelnen klinischen Daten, sowohl der herstellereigenen als auch
jener aus der Literatursuche, ist – nach einem Appraisal-Plan, der jeweils Krite-
rien für obige Fragestellungen festlegt – im Hinblick auf diese Fragestellungen zu
bestimmen und ihre Beiträge zur klinischen Evidenz für klinische Leistung/
klinischen Nutzen sowie klinische Sicherheit des MP sind zu gewichten. Höchstes
Gewicht haben üblicherweise pivotale Daten aufgrund gut durchgeführter rando-
misierter kontrollierter klinischer Prüfungen (RCTs) des MP im intendierten An-
wendungsbereich. Das MEDDEV erkennt an, dass für manche MP RCTs möglicher-
weise nicht praktikabel sind und hier andere Studiendesigns45 bzw. andere Quellen
klinischer Daten akzeptabel und argumentierbar sein können. Auch wird darauf
hingewiesen, dass speziell für lange etablierte Technologien bzw. Niedrigrisiko-
produkte qualitatives (deskriptives) statt quantitatives Appraisal akzeptabel sein
kann, was aber in jedem Fall zu rechtfertigen ist.
212 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
Andere klinische Daten müssen gewürdigt und gewichtet werden zur Bestimmung
des aktuellen medizinischen State of the Art, zur Identifizierung bisher unbe-
kannter Gefährdungen oder unerwünschter Nebenwirkungen oder zur Bestim-
mung der Validität von surrogate endpoints.
anerkannten State of the Art. klinischer Nutzen (klinische Leistung) und klini-
sche Restrisiken (inklusive unerwünschter Nebenwirkungen, jeweils nach Mini-
mierung im Sinne des Risikomanagements) des MP sind jeweils nach
Art (nature),
Ausmaß (extent),
Dauer (duration) und
For personal use only.
Die Analyse sollte jedenfalls vor dem Hintergrund der in Stufen 1 und 2 erhobe-
nen, bewerteten und gewichteten klinischen Daten zum anerkannten Stand des
klinischen Wissens im Einsatzbereich vorgenommen werden. Wesentlich ist auch
als Benchmark die Berücksichtigung allfällig einschlägiger DSGs und CS sowie
harmonisierter Normen mit klinischen Anforderungen.
Die Analyse wird sich auf qualitative und quantitative Methoden stützen; bei man-
chen lang etablierten Technologien mit niedrigem Risiko und Niedrig-Risiko-Pro-
dukten kann es sein, dass man sich primär auf qualitative (deskriptive) Methoden
stützen muss. Dies ist in jedem Fall zu rechtfertigen – siehe dazu Kap. IV.3 oben.
Zumeist sind soweit als möglich geeignete quantitative Methoden heranzuziehen.
Methodisch schwache Daten (wie Berichte über einzelne Patienten) gelten im Nor-
malfall nicht als beweiskräftig für Sicherheit und Wirksamkeit49.
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Die Analyse wird sich primär auf pivotale klinische Daten stützen, besonders wenn
diese Daten konkordant sind, was deren Beweiskraft stützt. Bei diskordanten pivo-
talen Daten ist die Gewichtung aus Stufe 2 besonders gefragt. Die Ursachen von
Diskrepanzen sind zu klären.
Bei der Analyse ist jeweils im Auge zu behalten, welches MP (inklusive seiner Mo-
delle, Größen, Varianten) und welche unterschiedlichen intendierten Einsatzberei-
For personal use only.
Bilanz aufweist. Das ausreichende Belegen der klinischen Leistung, des Nut-
zens und der klinischen Sicherheit dieser Niedrigrisikoprodukte auf der Basis
wohletablierter Technologien geringen Risikos allein durch technische und
präklinische Evaluierung (und PMS/PMCF-Daten) ist jedenfalls im Einzelfall
zu belegen.
Für MP mit höherem Risiko, insbesondere von Implantaten bzw. Klasse-III-
Produkten, hat der EU-Gesetzgeber jedenfalls klar gemacht, dass klinische
Daten auf der Basis klinischer Prüfungen für das konkrete Produkt praktisch
immer erforderlich sind und hier well established technologies keinesfalls gel-
tend gemacht werden können [7.1, Art. 61 (4)-(8)], siehe unten.
b) Unabhängig von den Ergebnissen der Gap Analysis ist zu beachten, dass die
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MPV [7.1, Art. 61(4)-(6)] für implantierbare MP und MP der Klasse III je-
denfalls obligatorisch die Durchführung geeigneter klinischer Prüfungen
fordert. Ausnahmen hiervon sind streng limitiert und nur möglich [7.1, Art.
61 (4)-(8)]:
wenn das betreffende MP durch Änderungen eines bereits vom selben Her-
steller in Verkehr gebrachten MP konzipiert wurde, er vom NB bestätigte
Gleichartigkeit52 nachweisen konnte und die klinische Bewertung des
For personal use only.
PMCF-Studien einzubinden.
Bei Nachfolgeprodukten oder Me-too’s dieser bahnbrechenden Produkte ist der
klinische Kenntnisstand bereits angewachsen, sodass größere Ungewissheiten
bei der Nutzen-Risiko-Abwägung zumeist nicht mehr akzeptabel sind56. Auch
hier sind nach MEDDEV 2.7/1. rev.4 jedenfalls PMCF-Studien und ein rasches
Update des CER durch aussagekräftiges PMCF angezeigt.
d) Ausnahmen vom Bedarf nach klinischen Daten57
Der Hersteller kann Ausnahmen vom Bedarf nach klinischen Daten zur Erfül-
lung der Grundlegenden Anforderungen nur mit ausreichender Begründung
geltend machen. Diese Begründung muss sich ableiten vom Risikomanage-
ment und der genauen Darlegung der biologischen Interaktion des MP mit
dem menschlichen Körper, der Funktionsweise des MP und den konkreten
Claims zur klinischen Leistungsfähigkeit und muss den Nachweis führen, dass
nichtklinische, technische und präklinische Bewertungen im konkreten Ein-
zelfall ausreichen, um die Erfüllung der Grundlegenden Anforderungen ohne
klinische Daten zu demonstrieren58. Wichtig ist hier, dass tatsächlich alle
Sicherheits- und Leistungsparameter bereits durch Konformitätsvermutungen
aus harmonisierten Normen (Anhänge Z) abgedeckt werden können. Dies ist
aber vom EU-Gesetzgeber nur als absoluter Ausnahmefall gedacht. In jedem
Fall muss ja ein geeignetes Post Market Surveillance (PMS-System) gefahren
werden, dessen klinischer Teil das PMCF ist. Diese Situation muss vom Her-
steller im CER, vom NB in seinem CEAR gerechtfertigt werden.
216 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
Klinische Leistung
Eine valide klinische Assoziation/wissenschaftliche Validität würde die
(wissenschaftliche) Begründung liefern, warum ein bestimmter Output (basie-
rend auf definierten Inputs und Algorithmen der MDSW) einem bestimmten
klinischen Nutzen in Bezug auf bestimmte (patho-)physiologische klinische
Bedingungen, Prozesse oder Zustände dienen würde. Gewöhnlich stützt sich
dies auf Grundlagenforschung als Ausgangspunkt und möglicherweise auf
vorläufige Ergebnisse (hauptsächlich) explorativer klinischer Untersuchun-
gen, Expertenmeinungen medizinischer Fachgesellschaften, wissenschaftliche
Literaturrecherchen und möglicherweise andere gültige Quellen. Gewöhnlich
beginnt die wissenschaftliche Validität in den frühen Phasen oft als Hinweis
auf eine qualitative Beziehung zwischen dem Output und der angestrebten kli-
nischen Aussagekraft und wird v. a. durch die klinische Validierungsphase
Schritt für Schritt bis zu einer semiquantitativen oder quantitativen Korrela-
tion weiter verfeinert.
Die analytisch/technische Leistung muss sich mit zwei Hauptpunkten befas-
sen:
1) Nachweis der Fähigkeit der MDSW, aus den Eingabedaten genau, zuver-
lässig, reproduzierbar und präzise den beabsichtigten Output zu generieren;
2) das MDSW erfüllt zuverlässig, genau und konsistent die beabsichtigten
Zwecke im realen Einsatz unter den Voraussetzungen der Gebrauchstaug-
7.1 Klinische Bewertung von Medizinprodukten 217
lichkeit, der IT-Safety und der IT-Security in den Kontexten der vorgesehe-
nen Einsatzumgebungen und der vorgesehenen Nutzer und Zielgruppen.
Unter Punkt 1) werden wichtige Parameter der analytischen Leistung diejeni-
gen sein, die auch in der IVDV verwendet werden: Anhang I.II.9.1.a: analyti-
sche Sensitivität und Spezifität, Genauigkeit (aus Richtigkeit und Präzision),
Nachweis- und Bestimmungsgrenzen, Linearität, Cut-off-Values, Messbereich
(Intervall). Unter Punkt 2) würden Parameter wie Gebrauchstauglichkeit in
den vorgesehenen Anwendungsszenarien, Verallgemeinerbarkeit, Verfügbar-
keit, Vertraulichkeit, Integrität, Zuverlässigkeit, Abwesenheit von Cybersicher-
heitslücken gelten.
Die klinische Leistung muss zeigen, dass die Anwender durch die Ergebnisse
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der MDSW durchweg klinisch relevante Benefits erzielen können und dies auf
der Grundlage einer vorhersehbaren und zuverlässigen Nutzung der MDSW
in den vorgesehenen Zielgruppen, Betriebs- und Nutzungsbedingungen, ein-
schließlich Indikationen, Kontraindikationen, genau definierten Zielgruppen,
Einschränkungen und Warnungen.
Die klinische Leistung muss entsprechend den Parametern spezifiziert wer-
den, die teilweise wieder in der IVDV angegeben sind: Anhang I.II.9.1.b) für
For personal use only.
f) Analyse67
5. Schlussfolgerungen68
6. a) PMCF6970
b) Datum des nächsten Durchlaufs der klinischen Bewertung mit Begründung
7. Datum und Unterschriften71
8. Qualifikationen des/der klinischen Evaluator/s/en72
9. Referenzen: Grundsätzlich sollten alle klinischen Daten, Ergebnisse und Schlussfolge-
rungen klar zu entsprechenden Quellen, Literaturstellen bzw. Dokumenten etc. refe-
For personal use only.
renziert werden
10. Annexierte Dokumente73
WICHTIG:
Die Koordinierungsgruppe für Medizinprodukte hat zur Erstellung des PMCF-Plans
eine eigene Guidance zur Verfügung gestellt: MDCG 2020-7: Guidance on PMCF
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plan template
festgehalten. Der Bericht mit seiner Analyse und seinen Schlussfolgerungen wird
zum Update des CER, des Risikomanagements und des PMS verwendet. Der Report
wird damit auch Bestandteil der Technischen Dokumentation im Sinne des An-
hangs II und III der MPV. Der Hersteller muss entsprechend geartete Schlussfolge-
rungen des PMCF Evaluation Reports erforderlichenfalls in präventive und/oder
korrektive Maßnahmen (CAPAs) umsetzen. Hinsichtlich der Frequenz der Bewer-
tungsberichte ist für Implantate und Klasse III-MP eine jedenfalls jährliche Erstel-
lung vorgeschrieben; siehe auch oben angeführte Festlegungen im PMCF-Plan.
WICHTIG:
Die Koordinierungsgruppe für Medizinprodukte hat zu den PMCF Evaluation Reports
eine eigene Guidance zur Verfügung gestellt: MDCG 2020-8: Guidance on PMCF
evaluation report template.
7.1.6 Scientific Advice
In der MPV wurde nunmehr, ähnlich wie im Arzneimittelbereich, vor der Zulas-
sung die Möglichkeit eines „Scientific Advice“ geschaffen [7.1, Art. 61 (2)]. Für MP
der Klasse III und für dem Verfahren nach Art. 54 unterliegende aktive MP der
Klasse IIb kann der Hersteller seinen klinischen Entwicklungsplan und seine Vor-
schläge für klinische Prüfungen einer Konsultation durch ein Expertenpanel nach
Art. 106 (wohl gebührenpflichtig) unterziehen. Dessen Standpunkt hat er dann
gebührend zu berücksichtigen und dies im CER zu dokumentieren. Andererseits
können aber aus einem Scientific Advice keine Rechte im bevorstehenden Konfor-
mitätsbewertungsverfahren abgeleitet werden.
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Abhängigkeit von der Art, Zweckbestimmung, den klinischen Leistungen und Risi-
ken des MP und seiner intendierten Anwendung formulieren, seine(n) klinischen
Evaluator(en) entsprechend auswählen und die Auswahl im CER im Hinblick auf
die Anforderungen begründen. Zu den erforderlichen Kenntnissen und Qualifika
tionen gehören:
allgemeine wissenschaftliche Kenntnisse (Forschungsmethodologie, spezi-
ell in klinischen Prüfungen und Biostatistik; wissenschaftliches Informations-
management und Erfahrung in Literatursuche; Erfahrung in medizinisch-wis-
senschaftlichem Schreiben und regulatorischem Hintergrund)
Kenntnisse über das MP unter Evaluierung und seinen medizinischen
Einsatzbereich (Technologie und klinische Applikation; Diagnose und Manage-
ment der klinischen Anwendungssituationen; Kenntnis medizinischer Alter-
nativen und einschlägiger Behandlungsstandards; medizinisches Spezialfach)
Berufliche Qualifikation, Training und Erfahrung
Einschlägiger akademischer Grad+ ≥ 5 Jahre dokumentierte professionelle
Erfahrung
≥ 10 Jahre dokumentierte professionelle Erfahrung, falls kein akademi-
scher Grad für Einsatzbereich erforderlich ist
Abweichungen sollten jeweils dokumentiert und begründet werden.
222 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
WICHTIG:
Die Koordinierungsgruppe für Medizinprodukte MDCG hat zur Erstellung des SSCP
eine Guidance zur Verfügung gestellt: MDCG-2019-9: Summary of safety and
clinical performance.
Die EU-Kommission kann nähere Details zu Art und Aufmachung dieser Elemente
per Durchführungsrechtsakt festlegen.
7.2 Klinische Prüfung von Medizinprodukten 223
7.2.1 Einleitung
7.2.1.2 Quellen
MPV 86: Kap. VI und Anhang XV
MDCG87 2021-20: Instructions for generating CIV-ID for MDR Clinical Investiga-
tions
MDCG 2021-8: Clinical investigation application/notification documents
MDCG 2020-10/1/2: Guidance on safety reporting in clinical investigations
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Für die klinischen Prüfungen von MP, die anderen Zwecken dienen (z. B. aka-
demische Studien), gelten nach Art. 82 jedenfalls bestimmte Teile der Anforderun-
gen des Kap. VI, speziell dem Schutz der Prüfungsteilnehmer dienende Anforde-
rungen gem. MPV, Art. 63 – 69, die obligatorische Befassung der Ethikkommission,
die Einhaltung der zutreffenden Anforderungen des Anhangs I, der Datenschutz.
Der Mitgliedstaat ist gehalten, speziell zur Gewährleistung ethischer, Sicherheits-
und wissenschaftlicher Grundsätze und zum Schutz der Prüfungsteilnehmer zu-
sätzliche Anforderungen (z. B. auch risiko-differenzierte Genehmigungs- oder
Nichtuntersagungsverfahren, Dokumente wie klinischer Prüfplan, Case Report
Forms etc.) für diese klinischen Prüfungen festzulegen; siehe dazu die entspre-
chenden nationalen Regelungen!
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Bild 7.2 Wesentliche Aspekte klinischer Prüfungen nach der MDR (MPV); (DSG: Device
Specific Guidances88; CS: Common Specifications (produktgruppenspezifische Anforderungen);
MDR: Medical Device Regulation (MPV); CRF: Case Report Forms; CIP: Clinical Investigation
Plan; IB: Investigators brochure; natReg: nationale Regelung; CE-MP: bereits CE-gekennzeich-
netes Medizinprodukt); CIV-ID: individuelle Kennung der Clinical Investigation in EUDAMED,
siehe MDCG 2021-20
226 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
(z. B. State of the Art-Normen). Die Darstellung von Anforderungen und ihrer Erfül-
lung kann etwa in einer Matrix erfolgen, die auch gleich der Vorbereitung der
Technischen Dokumentation gem. Anhang II.4 dienen kann und auch Teil des
Handbuchs des Prüfers ist (Anhang XV.II.2.7.), und Annex 6 des MDCG documents
MDCG 2021-8 (GSPR-Matrix) siehe unten:
Die Dokumentation obiger Aspekte der klinischen Prüfung, ergänzt um die zum
Zeitpunkt der klinischen Prüfung vorliegenden technischen, präklinischen und
For personal use only.
klinischen Daten sowie der exakten Beschreibung des MP, seiner Konzeption,
Technologie, Geschichte und Herstellung, seiner Zweckbestimmung, Anwendung,
notwendigen Zubehörs, spezieller Komponenten90, Lagerung, Instandhaltung,
Wartung, Hygienemaßnahmen, Nutzen-Risiko-Analyse. Risikomanagement, Hin-
weisen auf etwaige unerwünschte Nebenwirkungen, Kontraindikationen und
Warnhinweise etc. erfolgt im Handbuch des Prüfers (Investigator’s Brochure;
IB). Dessen Struktur ist in der MPV: Anhang XV.II.2 dargestellt und in der (harmo-
nisierten) Norm EN ISO 14155 im Detail ausgeführt.
Das Handbuch legt also begründet dar, dass das Prüfprodukt aller Voraussicht
nach gem. Anhang I der MPV sicher und wirksam sein wird und es „reif“ für diese
Phase der Anwendung an Prüfungsteilnehmern ist.
Aktualisierungen und neue Informationen sind dem klinischen Prüfer vom Spon-
sor umgehend zuzuleiten.
Der „klinische Prüfplan“ bezeichnet ein Dokument, in dem die Begründung, die
Ziele, die Konzeption, die Methodik, die Überwachung, statistische Erwägungen,
die Organisation und die Durchführung einer klinischen Prüfung beschrieben
werden [7.1, Art. 2 Nr. 47].
7.2 Klinische Prüfung von Medizinprodukten 227
Die Struktur des klinischen Prüfplans (Clinical Investigation Plan, CIP) ist in der
MPV, Anhang XV.II.3 beschrieben; im Detail ist der CIP in der (harmonisierten)
Norm EN ISO 14155 ausgestaltet91, welche auch die Good Clinical Practice (GCP)
für den Medizinproduktesektor darstellt.
Der CIP soll u. a. aus wissenschaftlicher Sicht darlegen, dass sich durch die Kon-
zeption der konkreten klinischen Prüfung die explizit formulierten, medizinisch
sinnvollen (Prüf-)-Hypothesen wissenschaftlich einwandfrei bestätigen oder wider-
legen lassen.
Daneben leistet der CIP wesentliche Beiträge zur ethischen (z. B. Aufklärung und
Einwilligung; Schutz der Prüfungsteilnehmer und insbesondere vulnerabler Grup-
pen) und organisatorischen (z. B. Rollenbeschreibungen von klinischem Prüfer,
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Art. 69 der MPV enthält Basisregelungen für den Schadensersatz bei klinischen
Prüfungen, wobei hier die Mitgliedstaaten für die Detailgestaltung und der Spon-
sor für die Realisierung der diesbezüglichen EU- und nationalen Vorschriften ver-
antwortlich sind.
Diese Verfahren unter der neuen MPV werden in Tab. 7.4. a) bis e) im Einzelnen
dargestellt.
Beachten Sie aber jedenfalls immer die zugehörigen nationalen Regelungen!
Das Verfahren unter den RL 90/385/EWG bzw. 93/42/EWG ist im MEDDEV 2.7/2
rev. 2 Guidelines for Competent Authorities for making a validation/assessment of
a clinical investigation application under directives 90/385/EEC and 93/42/EC
September 2015, dargestellt und beruht auf den Schritten Antragstellung – Vali-
dierung – Assessment – Entscheidung; für die MPV liegen dazu nunmehr folgende
MDCG-Dokumente vor:
MDCG 2021-8: Clinical investigation application/notification documents, sowie
MDCG 2021-20: Instructions for generating CIV-ID for MDR Clinical Investigations
Klinische Prüfungen, die vor Geltungsbeginn der MPV (vor 26. Mai 2021) nach
den alten Richtlinien eingeleitet wurden, können nach den Richtlinien fortgesetzt
werden; ausgenommen sind die Meldungen über schwerwiegende unerwünschte
Ereignisse und Produktmängel, welche ab 26. Mai 2021 gemäß Art. 80 der MPV
durchgeführt werden müssen (siehe unten).
6. Beendigungsmeldungen
Der Sponsor hat bezüglich der Aussetzung, des vorzeitigen Abbruchs, der Beendigung
in einem oder in allen MS eine Meldepflicht via EUDAMED innerhalb von 15 Tagen,
außer dies erfolgt aus Sicherheitsgründen, dann ist innerhalb von 24 h zu melden.
230 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
Tabelle 7.4 a) bis e): Verfahren der klinischen Prüfung nach MPV: (MS: Mitgliedsstaat;
d = days: Tage)
a) Das Ein-MS-Verfahren bei Hochrisiko-MP (invasive MP der Klasse IIa oder IIb und
MP der Klasse III): jeder MS prüft und entscheidet über Antrag alleine [7.1, Art. 70].
Verfahrensschritt Zeit/Frist [d] Beschreibung
1) Antragstellung mit den Unterlagen gemäß Anhang XV Kap. II
über EUDAMED der MPV. Der Antrag führt zur Generierung
einer unionsweit einmaligen Kennnummer
For personal use only.
komplett sind.
Die bMS geben innerhalb von 7 Tagen nach
Notifizierung ihre Anmerkungen an den kMS
ab, welche dieser gebührend berücksichtigt
und das Ergebnis der Validierung innerhalb
von 10 Tagen post Notifizierung an den
Sponsor mitteilt. Bei Reparaturaufträgen
des kMS an den Sponsor gelten dieselben
Fristen wie beim Einstaatenverfahren.
4) Bewertung <26d<38d<45d Der kMS erstellt innerhalb von 26 Tagen post
des Antrags: post Valid Validierung den Entwurf des Bewertungs
(ev +50d) berichtes; die bMS übermitteln ihre Stellung-
nahmen bis 38 Tage post Validierung, welche
der kMS gebührend berücksichtigt, worauf
der kMS innerhalb von 45 Tage post Validie-
rung den abschließenden Bewertungsbericht
an Sponsor und bMS übermittelt. Bei Klasse
IIb und III Fristverlängerung um 50 d für
Expertenbefassung möglich
5) Schlussfolgerung 45d post Valid Die Schlussfolgerung des kMS kann lauten:
(ev +50d) die Durchführung der klinischen Prüfung ist
Vertretbar;
Vertretbar unter bestimmten Auflagen;
es kann sich nur um Auflagen handeln,
die ihrer Art nach zum Zeitpunkt der Ge-
nehmigung nicht erfüllt werden können.
Nicht vertretbar.
7.2 Klinische Prüfung von Medizinprodukten 233
7.3.1 Einleitung
For personal use only.
SCHWERPUNKTE:
Leistungsbewertung ist ein aktiver, systematischer und geplanter Lebens
zyklusprozess unter dem QMS des Herstellers von IVDs.
Wesentliche drei Bausteine sind: wissenschaftliche Validität, analytische und
klinische Leistung.
Literaturrecherchen, Leistungsstudien und Post-Market-Performance Follow-
up (PMPF) etablieren die klinische Evidenz für ein IVD.
Der Leistungsbewertungsbericht als zentrales Dokument der Technischen
Dokumentation und des Nachweises über die Grundlegenden Sicherheits- und
Leistungsanforderungen.
7.3.1.1 Definition
„Leistungsbewertung“ bezeichnet eine Beurteilung und Analyse von Daten zur
Feststellung oder Überprüfung der wissenschaftlichen Validität, der Analyseleis-
tung und gegebenenfalls der klinischen Leistung eines Produkts [7.3, Art. 2 (44)].
Quellen
IVDV100: Art. 56 und Anhang XIII; Definitionen Art. 2 (36)-(54)
MDCG101 2020-1: Guidance on clinical evaluation (MDR)/Performance evaluation
(IVDR) of medical device software
7.3 Leistungsbewertung von In-vitro-Diagnostika 235
Hintergrund
In analoger Weise zur klinischen Bewertung in der MPV konstituiert die IVDV die
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7.3.1.3 Überblick
Die Leistungsbewertung (siehe Bild 7.3) zielt auf die Bereitstellung ausreichen-
der klinischer Evidenz für das IVD für den wissenschaftlichen Nachweis [7.2,
Anhang XIII.1.3.1]:
der Erfüllung der relevanten Grundlegenden Sicherheits- und Leistungs
anforderungen des Anhangs I der IVDV, speziell von Anhang I Kapitel I und
Anhang I. Abschnitt II.9 (= Parameter für analytische und klinische Leistung) und
für die Erreichung des beabsichtigten klinischen Nutzens104 und der
Sicherheit gemäß dem neuesten Stand der Technik in der Medizin.
Dieser Nachweis wird auf der Basis eines Leistungsbewertungsplans [7.2, An-
hang XIII] (performance evaluation plan), Bereitstellung geeigneter Leistungs
daten über Literatursuche, eigene Leistungsstudien und PMS/PMPF-Daten, über
die Bewertung (appraisal), Analyse samt Schlussfolgerungen aus den Leistungs
daten der 3 Komponenten der Leistungsbewertung105 geführt:
wissenschaftliche Validität,
analytische Leistung und
klinische Leistung.
236 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
fang müssen verhältnismäßig und angemessen in Bezug auf die Merkmale des
IVD einschließlich seiner Risiken, Risikoklasse, Leistung und Zweckbestimmung
sein [7.2, Anhang XIII.A.1].
For personal use only.
Bild 7.3 Überblick über die Leistungsbewertung von IVD nach der IVDV
7.3 Leistungsbewertung von In-vitro-Diagnostika 237
7.3.2 Leistungsbewertungsplan
Die Leistungsbewertung erfolgt auf der Basis des Leistungsbewertungsplans [7.2,
Anhang XIII.A. 1], der die sachgerechte Bearbeitung und Dokumentation der drei
Komponenten der Leistungsbewertung vorsieht, die dann im Bericht über die Leis-
tungsbewertung zusammengeführt werden:
Anhang I.I. und Anhang I.II.9, die mit einschlägigen Daten zur wissenschaftli-
chen Validität und zur Analyse- und klinischen Leistung zu untermauern sind;
Spezifizierung der Methoden, einschließlich der statistischen, die zur Prüfung
der Analyse- und klinischen Leistung des IVD und seiner Beschränkungen
sowie der von ihm gelieferten Informationen angewandt werden;
Beschreibung des neuesten Stands der Technik, einschließlich einschlägiger
harmonisierter Normen, gemeinsame Spezifikationen (GS), Leitlinien oder
Dokumente über best practices;
Spezifizierung der Parameter auf neuestem medizinischen Kenntnisstand zur
Bestimmung der Annehmbarkeit des Nutzen-Risiko-Verhältnisses für die
Zweckbestimmung(en) und für Analyse-/klinische Leistung;
bei Software als IVD, Spezifizierung der Referenzdatenbanken u. a. Datenquel-
len, die als Entscheidungsgrundlage dienen;
Darlegung der vorgesehenen Entwicklungsphasen und Abfolge der Bestimmung
von wissenschaftlicher Validität und Analyse- und klinischer Leistung, inkl.
vorgesehener Meilensteine und potenzieller Akzeptanzkriterien;
Plan für die Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen gem.
IVDV (PMPF-Plan): Anhang XIII.B.
Auslassungen eines oder mehrerer Elemente des Plans sind im Plan selbst zu be-
gründen.
238 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
bracht werden:
Daten aus bereits zugelassenen IVD, welche denselben Analyten oder Marker
messen;
wissenschaftliche Literatur (peer-reviewed);
Consensus-Berichte und wissenschaftliche Gutachten/Stellungnahmen ein-
schlägiger Fachgesellschaften;
Ergebnisse aus Studien zum Nachweis des Wirkprinzips (proof of concept
For personal use only.
studies);
Ergebnisse aus klinischen Leistungsstudien.
Die wissenschaftliche Validität wird im Bericht über die wissenschaftliche Vali-
dität nachgewiesen und dokumentiert.
7.3.2.2 Analyseleistung
Nur wenn das IVD genau das misst, was es messen soll und nichts anderes, kann
man seine Messergebnisse in weiterer Folge sinnvoll mit relevanten Gesundheits-
oder Krankheitszuständen, -prozessen etc. in Beziehung setzen! Die Analyseleis-
tung muss anhand der Parameter des Anhangs I.II.9.1.a) nachgewiesen werden;
ausgenommen sind dabei nur Parameter, deren Nichtanwendbarkeit im Einzelfall
begründet werden kann.
7.3 Leistungsbewertung von In-vitro-Diagnostika 239
7.3.2.3 Klinische Leistung
For personal use only.
„Klinische Leistung“ [7.2, Artikel 2 (41)] bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts,
Ergebnisse zu liefern, die mit einem bestimmten klinischen Zustand oder physiolo-
gischen oder pathologischen Vorgang oder Zustand bei einer bestimmten Zielbe-
völkerung und bestimmten vorgesehenen Anwendern korrelieren.
Die klinische Leistung muss anhand der Parameter des Anhangs I.II.9.1.b) nachge-
wiesen werden; ausgenommen sind dabei nur Parameter, deren Nichtanwendbar-
keit begründet werden kann.
Der Nachweis der klinischen Leistung ist auf der Basis einer oder mehrerer der
folgenden Quellen zu erbringen:
klinische Leistungsstudien,
wissenschaftliche Literatur (peer-reviewed),
aus diagnostischen Routinetests gewonnene Erfahrungen, die veröffentlicht
wurden.
240 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
tiert und über den gesamten Lebenszyklus des IVD durch das PMPF und ggf. das
PMS aktualisiert [7.2, Anhang XIII.A.1.3.3].
7.3.4.1 PMPF-Plan
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Sollte der Hersteller ein PMPF für das IVD nicht für angemessen halten, muss dies
im PMPF-Plan bzw. -Bewertungsbericht ausführlich begründet werden.
eines öffentlich zugänglichen126 und für die Anwender leicht verständlichen Kurz-
berichtes für Sicherheit und Leistung [7.2, Art. 29]. Der Entwurf dieses Kurz
berichtes ist im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens dem NB vorzu
legen, der diesen Entwurf validiert und dann in die EUDAMED-Datenbank hochlädt.
Der Hersteller macht die URL dieses Kurzberichts in der Gebrauchsanweisung
kund.
Die EU-Kommission kann nähere Details zu Art und Aufmachung dieser Elemente
per Durchführungsrechtsakt festlegen.
7.4 Leistungsstudien von IVDs 243
Die im Anhang II des MDCG 2020-1 gegebenen Beispiele beziehen sich im Wesent-
lichen auf MP und sind wegen des identen Grundschemas in Analogie auch auf
IVDs anwendbar.
7.4.1 Einleitung
SCHWERPUNKTE:
Neben Literaturrecherche wichtigste Quelle für klinische Daten für IVDs;
weitgehend parallel zu klinischen Prüfungen von MP und Arzneimitteln konzi-
piert;
was sind kritische Leistungsstudien mit besonderen Anforderungen?
Hauptgewicht liegt auf Erhebung analytischer und klinischer Leistung.
7.4.1.1 Definition
„Leistungsstudie“ bezeichnet eine Studie zur Feststellung oder Bestätigung der
Analyseleistung oder der klinischen Leistung eines Produkts
244 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
7.4.1.2 Quellen
IVDV130: Kap. VI und Anhang XIII.2+3 und XIV; Definitionen in Art. 2 (36)-(54)
GHTF/SG5/N8:2012: Clinical Evidence for IVD Medical Devices – Clinical Perfor-
mance Studies for In Vitro Diagnostic Medical Devices (für EU nicht rechtsverbind-
lich)
EN ISO 20916: In vitro diagnostic medical devices — Clinical performance studies
using specimens from human subjects — Good study practice
7.4.1.3 Hintergrund
Die Notwendigkeit und Gestaltung von Leistungsstudien des Herstellers wird pri-
mär über seinen Leistungsbewertungsplan gemäß Anhang XIII der IVDV und der
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a) das klassische Ein-MS-Verfahren (Art. 66), mit niedrigerem Risiko für die
Prüfungsteilnehmer:
b) Leistungsstudien, bei denen Stichproben mittels chirurgisch-invasiver Ver-
fahren ausschließlich zum Zweck der Leistungsstudie entnommen werden
und wenn die Probennahme kein erhebliches klinisches Risiko für den
Prüfungsteilnehmer darstellt. Hier kann der Sponsor, sofern der MS keine
anderslautenden rechtlichen Bestimmungen hat, sofort nach Antragstel-
lung bei EUDAMED, positivem Votum der Ethikkommission und positiver
Validierung (Fragen: Fällt das Produkt für Leistungsstudien unter die
IVDV? Sind die Unterlagen gemäß IVDV, Anhang XIV.I. komplett?) mit der
Studie beginnen.
c) das klassische Ein-MS-Verfahren (Art. 66), mit höherem Risiko für die Prü-
fungsteilnehmer:
d) Leistungsstudien, bei denen es sich um eine interventionelle klinische
Leistungsstudie handelt oder die Durchführung der Studie zusätzliche in-
vasive Verfahren oder andere Risiken für die Prüfungsteilnehmer beinhal-
tet oder die therapiebegleitende Diagnostika (außer wenn nur Restproben
verwendet werden; hier ist Meldung an die zuständige Behörde erforder-
lich) einbeziehen.
e) Hier gibt es die Verfahrensschritte > Antragstellung > Validierung > As-
sessment und > Entscheidung mit den zugehörigen Fristen, wie bei den
klinischen Prüfungen, siehe dort, wie unter Tabelle 7.4.
7.4 Leistungsstudien von IVDs 247
f) das zunächst (bis 27. Mai 2029) für die Mitgliedstaaten freiwillige, dann
auf Wunsch des Sponsors jedenfalls verbindliche koordinierte Bewertungs-
verfahren (Mehr-Staaten-Verfahren nach IVDV, Art. 74); wie bei den klini-
schen Prüfungen, siehe dort, wie unter Tabelle 7.4.
g) wesentliche Änderung einer Leistungsstudie, gem. IVDV, Art. 71; wie bei
den klinischen Prüfungen, siehe dort, wie unter Tabelle 7.4.
h) die Leistungsstudie CE-gekennzeichneter IVD nach IVDV, Art. 70; wie bei
den klinischen Prüfungen, siehe dort, wie unter Tabelle 7.4.
5. Aufzeichnung und Meldung der bei Leistungsstudien auftretenden uner-
wünschten Ereignisse (Art. 76) entspricht weitestgehend den Bestimmungen
bei klinischen Prüfungen, siehe dort unter Abschnitt 7.2.3
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jeden Produktmangel (device deficiency, DD), der zu SAE hätte führen kön-
nen;
alle neuen Erkenntnisse zu obigen Ereignissen/Produktmängeln.
und die:
Meldepflicht des Sponsors über EUDAMED für (auch betreffend Ereignisse
in am selben Leistungsstudienoplan beteiligten Drittländer:
jedes SAE,
jeden Produktmangel, der zu SAE hätte führen können,
neue Erkenntnisse zu obigen SAE bzw. Produktmängeln.
Bei Leistungsstudien zu CE-gekennzeichneten IVD gelten dieselben Differen-
zierungen wie bei klinischen Prüfungen hinsichtlich Meldung im Vigilanzsys-
tem oder Meldung im Modul Leistungsstudien des EUDAMED.
6. Beendigungsmeldungen, Aussetzen oder Abbruch der Studie, an jeden betei-
ligtem Mitgliedsstaat und für die EU insgesamt, nach Art. 73 IVDV jeweils
über EUDAMED
Fristen: wenn aus Sicherheitsgründen innerhalb von 24 Stunden, sonst inner-
halb von 15 Tagen.
7. Bericht über die Leistungsstudie (Performance Study Report) samt des-
sen Zusammenfassung (Art. 73) entsprechen weitestgehend den Bestim
mungen bei klinischen Prüfungen; Bericht und Summary: im Einzelnen IVDV,
Art. 73 ((5)-(7), Struktur im Anhang XIII.I.2.3.3. und im Detail: EN ISO 20916.
248 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
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For personal use only.
7.5 Literatur
[7.1] MPV: Medizinprodukte-Verordnung der EU: Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie
2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und
zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates; zu finden unter: https://
eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02017R0745-20170505&from=EN.
[7.2] IVDV: In-vitro-Diagnostika Verordnung der EU: VERORDNUNG (EU) 2017/746 DES EUROPÄI-
SCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur
Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission; zu
finden unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02017R0746-20170
505&from=EN.
7.6 Endnoten 249
[7.3] MDCG documents: MDCG Guidances oder MDCG documents sind nicht rechtsverbindliche Leit-
linien der EU Medical Device Coordination Group zur Medizinprodukte- und IVD-Verordnung, zu
finden unter: https://ec.europa.eu/health/md_sector/new_regulations/guidance_en.
[7.4] MEDDEV’s: Medical Device Guidelines; nicht rechtsverbindliche Leitlinien der EU Kommission
zu den Medizinprodukte- und IVD-Richtlinien; zu finden unter: https://ec.europa.eu/health/
sites/default/files/md_sector/docs/md_guidance_meddevs.pdf.
7.6 Endnoten
1 Bei Drucklegung: MEDDEV 2.7.1 rev 4, Juni 2016
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linien https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/md_sector/docs/md_guidance_meddevs.pdf
6 MDCG-Guidelines (oder MDCG documents) = nicht rechtsverbindliche Guidance der EU Koordinie-
rungsgruppe MDCG zur MPV und IVDV: zu finden unter: https://ec.europa.eu/health/md_sector/
new_regulations/guidance_en
7 Bei Drucklegung aktuelle Version = rev 4 des MEDDEV vom Juni 2016; im Folgenden wird diese
Version kurz als MEDDEV angesprochen, mit Sections als Hauptteilen und Appendices als An
hängen
8 Siehe Kap. A.V
9 Siehe auch ähnliche Konzepte und Guidelines der US FDA
10 MPV: Art. 2 (53): „klinischer Nutzen“ bezeichnet die positiven Auswirkungen eines Produkts auf
die Gesundheit einer Person, die anhand aussagekräftiger, messbarer und patientenrelevanter
klinischer Ergebnisse einschließlich der Diagnoseergebnisse angegeben werden, oder eine posi
tive Auswirkung auf das Patientenmanagement oder die öffentliche Gesundheit;
11 Unerwünschte Nebenwirkungen
12 MPV: [7.1, Art. 5 (3)]; die zutreffenden „klinischen“ Anforderungen werden speziell in Anhang I.I.
in enger Nähe zum Risikomanagement dargestellt. Diese Anforderungen sind natürlich im Hin-
blick auf die konkreten klinischen Einsatzbereiche und den konkreten klinischen Nutzen des MP
hochgradig zu spezifizieren und überprüfbar zu machen.
Daneben können sich auch noch spezielle klinische Anforderungen hinsichtlich anderer Ab
schnitte des Anhangs I ergeben, etwa der added value von Arzneimittel- oder nicht-lebensfähigen
biologischen Komponenten menschlichen, tierischen oder organismischen Ursprungs, bei Soft-
ware, oder hinsichtlich der Laienanwendung (Gebrauchstauglichkeit) ergeben.
RL 93/42/EWG: Anhang I.I.6a; RL 90/385/EWG: Anhang I.I.5a
13 Oder ein als äquivalent ausgewiesenes Medizinprodukt. Zu den Äquivalenzkriterien siehe
Kap. A.IV
250 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
14 Siehe Definition in MPV: Art. 2 (52): „klinische Leistung“ bezeichnet die Fähigkeit eines Produkts,
die sich aufgrund seiner technischen oder funktionalen — einschließlich diagnostischen — Merk-
male aus allen mittelbaren oder unmittelbaren medizinischen Auswirkungen ergibt, seine vom
Hersteller angegebene Zweckbestimmung zu erfüllen, sodass bei bestimmungsgemäßer Verwen-
dung nach Angabe des Herstellers ein klinischer Nutzen für Patienten erreicht wird;
15 Siehe Definition in MPV: Art. 2 (53): „klinischer Nutzen“ bezeichnet die positiven Auswirkungen
eines Produkts auf die Gesundheit einer Person, die anhand aussagekräftiger, messbarer und pa-
tientenrelevanter klinischer Ergebnisse einschließlich der Diagnoseergebnisse angegeben wer-
den, oder eine positive Auswirkung auf das Patientenmanagement oder die öffentliche Gesundheit;
16 Z. B. Anforderungen 10 (chemische, physikalische und biologische Eigenschaften, spez. Freiset-
zung von Stoffen oder Partikeln (z. B. Nano)); Anforderung 12 (Arzneimittelkomponente); Anfor
derung 13 (Materialien biologischen Ursprungs); Anforderung 22: Laienanwendung, Usability;
Anforderung 23 (Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung) muss jedenfalls auf Kompatibilität
mit den Ergebnissen der klinischen Bewertung speziell in der Analysestufe geprüft werden.
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Risiken geben.
50 Zur präklinischen Bewertung siehe insbes. die Normenserien EN ISO 10993 bzw EN ISO 18562
51 Hier ist z. B. auch der neuere Arbeitsschutz bezüglich Prävention von „needle-stick injuries“ oder
die Anforderungen des Anhangs I.II.10 betreffend Schutz vor CMR (carcinogene, mutagene oder
reproduktionstoxische Komponenten oder Freisetzungen) oder ED (endocrine disruptors) oder an-
derer toxikologisch relevanter Bestandteile zu beachten
52 Siehe Kap. A.II
53 Siehe dazu auch MDCG 2020-6: Guidance on sufficient clinical evidence for legacy devices
54 Z. B. aus Ausnahmengenehmigungen unter den MP-RL oder gem. Art. 59 der MPV
55 Näheres siehe App. A8 des MEDDEV 2.7/1 rev. 4
56 Siehe MEDDEV: App A8 (b) Subsequent products
57 Siehe Art. 61 (10) dieser Ausnahmefall ist ausführlich zu rechtfertigen, vom Hersteller im CER und
vom NB im CEAR; klinische Daten aus PMS/PMCF nach Kap. VII.1. und Anhang III und XIV der
MPV werden aber auch hier möglich und erforderlich sein
58 Eine MDCG-Guidance zu Well-established technologies (WET) of low risk ist in Vorbereitung
59 Siehe hier EN IEC 62366-1 Medizinprodukte — Anwendung der Gebrauchstauglichkeit auf Medizin-
produkte
60 MEDDEV: Section 11 und Appendices A9-A11
61 Es handelt sich hier um eine exemplarische Darstellung von Struktur und Inhalten des CER auf der
Basis des MEDDEV, adaptiert an die MPV; siehe dazu speziell auch MEDDEV: Appendices A9-11;
Checkliste in Appendix A10; siehe auch validation checklist des TÜV SÜD unter https://www.tuvsud.
com/en/resource-centre
62 Zusammenfassung der Nutzen-Risiko-Abwägung bei den intendierten Zielgruppen und Indikatio-
nen und Nachweis der Akzeptabilität des Nutzen-Risiko-Profils gegen den State of the Art im me-
dizinischen Einsatzbereich.
252 7 Klinische Evidenz für Medizinprodukte und IVD
78 So wird man Probleme bei einem bestimmten Implantat, die auf die Materialzusammensetzung
oder bestimmte technologische/funktionelle Eigenschaften zurückgeführt werden, auch für das
eigene MP prüfen müssen.
79 MEDDEV 2.7/1 rev. 4: Kap. 6.2.3 a (frequency of updates) und b (general considerations on updating
the clinical evaluation)
80 MEDDEV: Section 6.4 und Appendix A8
81 Details siehe MEDDEV: Appendix A11
82 MPV: [7.1, Art. 32]; siehe dazu nunmehr auch das folgende Guidance-Dokument der Koordinie-
rungsgruppe Medizinprodukte der EU: MDCG 2019-9: Summary of safety and clinical performance
83 Ausgenommen Sonderanfertigungen und Prüfprodukte
84 In Anlehnung an US FDA: Summary of Safety and Effectiveness Data (SSED)
85 https://ec.europa.eu/health/md_sector/new_regulations/guidance_en
86 Medizinprodukte-Verordnung (EU) 2017/745, zu finden unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/
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DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02017R0745-20200424&from=EN
87 MDCG Guidances oder MDCG documents sind nicht rechtsverbindliche Leitlinien der EU Medical
Device Coordination Group, zu finden unter: https://ec.europa.eu/health/md_sector/new_regula
tions/guidance_en
88 DSG Device Specific Guidances (mit spezifischen Anforderungen an die klinische Prüfung oder
Bewertung von best. Produktgruppen oder -arten) werden zumeist Vorläufer entsprechender Ge-
meinsamer Spezifikationen (GS; Common Specifications, CS) sein.
89 MPV: [7.1, Art. 2 Nr. 46]: „Prüfprodukt“ bezeichnet ein Produkt, das im Rahmen einer klinischen
For personal use only.
Verwendung des Produkts sowie die Beurteilung der Interferenz(en) und Kreuzreaktion(en) und der
Annehmbarkeit des Nutzen-Risiko-Verhältnisses gemäß Anhang I Abschnitte 1 und 8 erfolgen auf der
Grundlage von Daten zur wissenschaftlichen Validität und zur Analyse und klinischen Leistung, die
einen ausreichenden klinischen Nachweis bieten, gegebenenfalls einschließlich einschlägiger Daten
gemäß Anhang III.“
121 Speziell betr. Anhang I.I.1+8
122 Jeweils mit Begründung!
123 Inkl. Biobanks; diese Aktivitäten sollen gem. Art. 101 der IVDV von EU-Kommission und Mitglied-
staaten gefördert werden.
124 GS: Gemeinsame Spezifikationen (Common Specifications; CS; siehe IVDV: Art. 9)
125 Ausgenommen Sonderanfertigungen und Prüfprodukte
126 Hersteller gibt in Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung an, wo (URL) der Kurzbericht zu fin-
den ist.
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127 Zu Unique Device Identifier (UDI) und SRN (Single Registration Number) siehe IVDV: Kap. III und
Anhang VI
128 Zur vorgängigen korrekten Qualifizierung (und Klassifizierung) von IVD-Software siehe insbeson-
dere auch MDCG 2019-11 „Qualification and classification of software – Regulation (EU) 2017/745
and Regulation (EU) 2017/746“. https://ec.europa.eu/health/md_sector/new_regulations/guidance_
en
129 MDCG 2020-1 Guidance on Clinical Evaluation (MDR)/Performance Evaluation (IVDR) of Medical
Device Software https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/md_sector/docs/md_mdcg_2020_1_
guidance_clinic_eva_md_software_en.pdf
For personal use only.
130 Die neue IVD-Verordnung der EU (Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 5. April 2017), im Folgenden abgekürzt IVDV; zu finden unter: https://eur-lex.europa.
eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02017R0745-20170505&from=EN
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8 GEP-/GMP-konforme
Produktionsanlagen
B. Gübitz, J. Harer
SCHWERPUNKTE:
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Was versteht man unter GEP/GMP und welche rechtlichen Grundlagen gibt
es?
Welche GMP-Anforderungen gibt es an Produktionsanlagen?
Welche Anforderungen gibt es an die Technische Dokumentation, an die GMP-
konforme Kalibrierung, Wartung und Instandhaltung, an die Validierung von
computerisierten Systemen?
Was ist bei der Definition der Anforderungen zu beachten?
Was versteht man unter Validierung, Qualifizierung, Commissioning und Veri-
For personal use only.
fizierung?
Welche Phasen gibt es in der Qualifizierung, welche Qualifizierungsdokumente
müssen erstellt werden und wie werden Qualifizierungsumfang und Qualifizie-
rungstiefe risikobasiert bestimmt?
Was bedeuten die Abkürzungen VMP/QMP, FAT, SAT, DQ, IQ, OQ, PQ?
8.1 Einleitung
Um eine spezifikationskonforme Herstellung von Medizinprodukten zu gewähr-
leisten, sind Produktionsanlagen von Anfang an über ihren kompletten Lebenszy-
klus unter dem Gesichtspunkt der Qualität der herzustellenden Medizinprodukte
zu planen, zu errichten und zu betreiben. Um das gewährleisten zu können, müs-
sen dabei die Anforderungen der beiden Qualitätssicherungskonzepte GEP und
GMP berücksichtigt werden.
Die Abkürzung GMP steht dabei für die „Gute Herstellungspraxis“ (Good Manufac-
turing Practice – GMP) und die Abkürzung GEP für die „Gute Engineering-Praxis“
(Good Engineering Practice – GEP).
258 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Dieses Kapitel behandelt vorrangig die Planung und Errichtung von Produktions-
anlagen zur Herstellung von Medizinprodukten. Ein QM-/GEP-konformer Entwick-
lungsprozess für Medizinprodukte ist im Detail in Kapitel 4, Entwicklung von Medi-
zinprodukten, beschrieben.
Mit dem Begriff „Produktionsanlagen“ sind im Folgenden alle einzelnen bzw. mit-
einander verbundenen Anlagen oder Ausrüstungen gemeint, die zur Herstellung,
Verarbeitung, Prüfung oder zur Verpackung von Medizinprodukten eingesetzt
werden – also zum Beispiel Produktions- und Verpackungsmaschinen, Prüf- und
Kontrollgeräte, Räumlichkeiten oder Mediensysteme (z. B. Luft, Wasser, Prozess-
gas).
Die beiden Qualitätssicherungskonzepte – GMP und GEP – haben zum Ziel, dass
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viert werden und kritische Messgeräte und Vorrichtungen für die Prozesskontrolle
müssen kalibriert sein. Technische Änderungen müssen gemäß einem definierten
Änderungsdienstverfahren ablaufen, und alles muss ausreichend dokumentiert
werden, um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.
Beiden Konzepten ist auch gemein, dass die gewünschte und vorab definierte Pro-
duktqualität erzeugt werden muss und nicht in das Endprodukt „hineingetestet“
werden kann. Produktqualität kann also nur mit einem entsprechenden Produkt-
und Anlagendesign erreicht werden. Durch Kontrollen kann nur bestätigt werden,
dass die Qualität des Medizinprodukts den spezifizierten Anforderungen ent-
spricht.
Im folgenden Abschnitt werden die rechtlichen Grundlagen bezüglich GEP/GMP
beschrieben und die wesentlichen Anforderungen von GEP/GMP an die Planung,
Errichtung und den Betrieb von Produktionsanlagen dargestellt. Dabei werden
speziell folgende relevante Aspekte von GEP/GMP erläutert:
Anforderungen an die Produktionsanlagen,
GMP-konformes Anlagendesign,
Commissioning und Qualifizierung von Produktionsanlagen,
GMP-gerechte Kalibrierung/Wartung/Instandhaltung,
Computervalidierung.
8.2 Rechtliche Grundlagen GEP/GMP 259
Der Begriff GEP findet sich in der Literatur branchenübergreifend, und die Einhal-
tung von GEP wird z. B. bezüglich elektromagnetischer Verträglichkeit für alle sta-
tionären Anlagen (z. B. Industrieanlagen, Kraftwerke, IT-Netzwerke, automatisierte
Lager) gefordert [8.2].
Im pharmazeutischen Bereich ist GEP z. B. über den Standard der American Society
for Testing and Materials International (ASTM E2500 [8.3]) definiert (siehe dazu
auch Bild 8.1).
For personal use only.
Bild 8.1 GEP gemäß ASTM-Standard E2500 für Planung, Errichtung und Verifizierung von
Prozessanlagen
260 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Realisierung von Medizinprodukten sind in Europa z. B. in der Norm DIN EN ISO
13485:2016 [8.9] in Kapitel 7 beschrieben. Diese Norm beschreibt also – in Analo-
gie zu den oben genannten Regelwerken – die GMP-Anforderungen an Medizinpro-
dukte in Europa.
For personal use only.
8.3 GEP-/GMP-konforme Produktion
Um die Anforderungen an die Produktion (gemäß [8.9]) von Medizinprodukten zu
erfüllen und um die in der Produktentwicklung festgelegte Produktqualität erzeu-
gen zu können, müssen die relevanten Produktionsanlagen bei der Planung und
Errichtung entsprechend spezifiziert, entworfen, errichtet und getestet werden.
Der GEP-/GMP-konforme Ablauf ist dabei in Bild 8.2 dargestellt.
Im Folgenden werden die Schritte für eine GEP-/GMP-Anlagenplanung näher be-
schrieben:
Spezifikation von Anlagen – Betreiberanforderung (User Requirement Specifica-
tion – URS),
Commissioning und Qualifizierung von Produktionsanlagen.
8.3 GEP-/GMP-konforme Produktion 261
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ventile, Ex-Schutz),
Anforderungen an Reinigung, Sterilisation, Entleerbarkeit, Belüftung und visu-
elle Inspektionsmöglichkeiten (z. B. für Tanks),
Anforderungen an die Steuerung,
Anforderungen an die Einbindung in bestehende Softwaresysteme,
Anforderungen an Kalibrierung und Wartung,
Anforderungen an die technische Dokumentation
etc.
Bei der Festlegung von Anforderungen ist darauf zu achten, dass diese
ausreichend detailliert sind, damit sie auch in den weiteren Detailspezifikatio-
nen richtig umgesetzt werden können (siehe dazu auch Tabelle 8.1),
einzeln aufgelistet und durchnummeriert werden, um eine Rückverfolgbarkeit
in den nachfolgenden Spezifikationen und Tests zu ermöglichen,
in den nachfolgenden Qualifizierungstests überprüfbar sind; dazu müssen sie
so weit wie möglich zahlenmäßig definiert sein, Toleranzbereiche müssen fest-
gelegt werden.
8.3 GEP-/GMP-konforme Produktion 263
7 Ja Produktberührte Oberflächen:
AISI 316L (1.4404/1.4435) oder gleichwertig
mechanisch & elektropoliert;
Oberflächenrauigkeit Ra < 0,8 mm
Delta-Ferrit-Gehalt: < 3 %
8 Nein Die Anlagenkomponenten und Kontrolleinrichtungen sind so
auszulegen, dass der Energieverbrauch minimiert wird.
For personal use only.
Medizinprodukten gefordert.
Durch die Validierung eines Produktionsprozesses soll dokumentiert nachgewie-
sen werden, dass ein vorab definierter Produktionsprozess fähig ist, ein spezifika-
tionskonformes Produkt – d. h. ein sicheres Medizinprodukt mit gleichbleibender,
definierter Qualität – herzustellen. (Anmerkung: Diese geforderte Produktqualität
wird im Rahmen der Produktentwicklung in den Produktspezifikationen festge-
legt.)
For personal use only.
Der Begriff Validierung ist dabei als Überbegriff für die folgenden Prozesse zu
sehen:
Qualifizierung von Produktionsanlagen,
Validierung der computerisierten Systeme,
Prozessvalidierung,
Reinigungsvalidierung,
Methodenvalidierung.
In der Qualifizierung werden die einzelnen Produktionsanlagen überprüft. In der
Prozessvalidierung wird die standardisierte Fertigungsmethode auf Einhaltung
der Anforderungen überprüft (siehe Kapitel 9, Prozess- und Methodenvalidierung).
Auch alle computerisierten Systeme sind zu validieren, die zur Steuerung bzw.
Überwachung von qualitätsrelevanten Produktionsparametern und zur Archivie-
rung der qualitätsrelevanten Produktionsdaten eingesetzt werden. Hier spricht
man von der Validierung der computerisierten Systeme.
Prozesse zur Reinigung (bzw. Sterilisation) von Medizinprodukten sind zu validie-
ren, wenn der Erfolg der Reinigung bzw. Sterilisation nicht auf andere Art getestet
werden kann. Hier spricht man von der Reinigungsvalidierung. Ebenso sind analy-
tische Methoden zu validieren, die z. B. zur In-Prozess- bzw. Endproduktkontrolle
oder im Zuge der Wareneingangsprüfungen eingesetzt werden, wenn die Pro-
duktqualität nicht direkt geprüft (verifiziert) werden kann. Hier spricht man von
der Methodenvalidierung.
8.3 GEP-/GMP-konforme Produktion 265
In Bild 8.3 sind die beschriebenen Prozesse und ihre Zusammenhänge grafisch
dargestellt.
Validierungsmasterplan
Anlagenkonzept Factory/Site
Funkons-
Funkons- Risiko- Acceptance Test
qualifizierung (OQ)
spezifikaonen analyse (FAT/SAT)
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Factory/Site
Detail- Installaons-
Acceptance Test
spezifikaonen qualifizierung (IQ)
(FAT/SAT)
Lieferant
Bau & Montage
Betreiber
BEACHTE:
In der DIN EN ISO 13485:2016 [8.9] findet man in Abschnitt 7.3 „Entwicklung“
den Begriff Validierung. Die Entwicklungsvalidierung bezieht sich jedoch auf das
Medizinprodukt selbst und muss von der Validierung im Produktionsbereich ge-
trennt betrachtet werden. Die Entwicklungsvalidierung sollte jedoch mit Medizin-
produkten durchgeführt werden, die auf qualifizierten Anlagen und mit einem
validen Herstellprozess erzeugt wurden.
266 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Qualifizierung
Die Qualifizierung ist gemäß AMBO 2009 ein „Teil der Validierung und umfasst alle
Maßnahmen, mithilfe derer nachgewiesen und dokumentiert wird, dass sämtliche die
Produktqualität beeinflussenden Räumlichkeiten, Ausrüstungen oder Hilfssysteme
sachgemäß angelegt oder installiert sind, ordnungsgemäß funktionieren und tatsäch-
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lich zu den erwarteten Ergebnissen führen. Sie umfasst insbesondere die Designquali-
fizierung, die Installationsqualifizierung, die Funktionsqualifizierung und die Leis-
tungsqualifizierung“ [8.6].
Im Zuge einer Qualifizierung wird also in aufeinanderfolgenden Phasen dokumen-
tiert überprüft, ob die Anlagen, Räumlichkeiten, Versorgungssysteme bzw. Analy-
sengeräte zur Herstellung bzw. Überprüfung von Medizinprodukten entsprechend
geplant/designt, geeignet, installiert bzw. aufgestellt sind und ob sie funktionieren
For personal use only.
BEISPIEL:
Installationsqualifizierung: Prüfpunkt R&I-Check
Ist eine Verifizierung (d. h. Prüfung), ob die eingebauten Komponenten/Rohr
leitungen dem Spezifikationsdokument „Rohrleitungs- und Instrumentierungs
diagramm“ entsprechen.
Verifizierung
Verifizierung ist die Bestätigung durch einen objektiven Nachweis, dass die Anforde-
rungen erfüllt werden [8.16] (d. h. Prüfen gegen eine Spezifikation). Im Zuge einer
Verifizierung wird also durch Testen eines Objekts nachgewiesen, dass das Objekt
die festgelegten Anforderungen/Spezifikationen erfüllt (Tabelle 8.2 und Tabelle 8.3).
8.3 GEP-/GMP-konforme Produktion 267
Commissioning
In den letzten Jahren hat der Ansatz des „integrated Commissioning and Qualifica-
tion“ an Bedeutung gewonnen. Gemäß dem Good Practice Guide der ECA [8.17]
versteht man darunter „einen wissenschaftlich und risikobasierten Ansatz in Zusam-
menarbeit mit Lieferanten, der auf Qualitäts-Risikomanagement, wissenschaftlichem
Produkt- und Prozessverständnis und Anwendung der GEP- und GMP-Vorschriften in
enger Zusammenarbeit zwischen Pharmakunden und Lieferanten basiert“.
Im Standard ASTM E2500 [8.3] ist der Begriff Commissioning folgendermaßen de-
finiert: „Ein geplanter, kontrollierter und dokumentierter Ansatz beim Einrichten, An-
fahren, Einregulieren und Einstellen von Ausrüstungen, Anlagen und der Automati-
sierung sowie bei der Überprüfung ihrer Installation, Funktion und Leistung, um
diese in einen voll funktionsfähigen Zustand zu versetzen, der die Sicherheits- und
Benutzer-Anforderungen erfüllt.“
Die notwendigen Überprüfungen in Zuge der Inbetriebnahmetätigkeiten werden
von den Lieferanten der Produktionsanlagen üblicherweise in den folgenden Test-
phasen durchgeführt:
Factory Acceptance Test – FAT,
Site Acceptance Test – SAT.
268 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Der FAT – oder die Werksabnahme – findet dabei beim Lieferanten der Produk
tionsanlagen noch vor deren Auslieferung statt und wird vom Lieferanten gewöhn-
lich gemeinsam mit dem Medizinproduktehersteller durchgeführt.
Der SAT – oder die Abnahme beim Medizinproduktehersteller vor Ort – findet nach
Auslieferung der Produktionsanlagen an ihrem finalen Aufstellungsort statt.
Ziel des „integrated Commissioning and Qualification“-Ansatzes ist es, die Com-
missioning-Tätigkeiten des Lieferanten vollständig in die Qualifizierungstätigkei-
ten des Medizinprodukteherstellers einzubinden, um einerseits doppeltes Testen
zu vermeiden und andererseits auftretenden Mängeln frühzeitig – am besten vor
Auslieferung der Anlagen – zu erkennen.
Analog zur IQ und OQ werden für diese Commissioning-Phasen FAT/SAT-Pläne
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und -Berichte erstellt, der Umfang der Prüfungen wird risikobasiert ermittelt, und
alle Prüfungen und Abweichungen werden gemäße GMP-Anforderungen doku-
mentiert. Dadurch kann in der Installationsqualifizierung – IQ bzw. in der Funkti-
onsqualifizierung (Operational Qualification) – OQ auf Prüfungen des FAT bzw. SAT
referenziert werden (siehe Abschnitt 8.3.3).
Validierung ist ein „dokumentierter Nachweis, der ein hohes Maß an Gewissheit er-
bringt, dass sämtliche die Produktqualität beeinflussenden Prozesse, Methoden oder
Systeme beständig Ergebnisse hervorbringen, die die im Voraus festgelegten Akzep-
tanzkriterien erfüllen“ [8.6].
Für die Durchführung der Prozessvalidierung sowie für die Methodenvalidierung
muss die Qualifizierung der entsprechenden Herstellanlagen und der eingesetzten
Analysengeräte abgeschlossen sein. Für eine ausführliche Beschreibung siehe Ka-
pitel 9, Prozess- und Methodenvalidierung.
Computerisierte Systeme, die qualitätsrelevante Produktionsparameter steuern
bzw. überwachen und/oder Aufzeichnungen über Produktionsergebnisse speichern,
sind zu validieren (siehe dazu Abschnitt 8.5 in diesem Kapitel).
der Qualifizierung dargestellt. Folgende Phasen werden dabei für neue Anlagen/
Geräte unterschieden:
Planung der Qualifizierung,
Designqualifizierung (DQ),
Installationsqualifizierung (IQ),
Funktionsqualifizierung (Operational Qualification – OQ),
Leistungsqualifizierung (Performance Qualification – PQ),
Abschluss der Qualifizierung.
Im Zuge der Qualifizierungsplanung werden einerseits die Rahmenbedingungen
für die Durchführung der Qualifizierung festgelegt, und andererseits wird der Um-
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fang der Qualifizierung definiert. Dafür wird als Planungsdokument ein „Validie-
rungs-/Qualifizierungsmasterplan“ erstellt.
Während der Durchführung der Qualifizierung wird in konsistenten Schritten do-
kumentiert nachgewiesen, dass die Anlagen entsprechend den Anforderungen ge-
plant/designt sind, dass sie entsprechend der Planung installiert sind, funktionie-
ren und dass sie die gewünschte Leistung bringen.
Allen Phasen gemeinsam ist, dass phasenspezifische Qualifizierungspläne und
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-berichte zu erstellen sind (Bild 8.4). Diese Dokumente müssen von entsprechend
qualifizierten oder befugten Personen erstellt, geprüft und genehmigt werden. Die
Verantwortlichkeiten für die Erstellung, Prüfung und Genehmigung von Qualifizie-
rungsdokumenten sowie der Prüfumfang sind im Zuge der Qualifizierungsplanung
festzulegen, z. B. im Validierungs-/Qualifizierungsmasterplan.
Um die Erstell- und Prüfschritte nachvollziehbar zu machen, sollen diese Doku-
mente, z. B. am Dokumentendeckblatt, von den entsprechenden Personen mit Da-
tum und Unterschrift unterzeichnet werden. Um die Unterschriften eindeutig zu-
ordnen zu können, sollte eine Unterschriftenliste geführt werden (z. B. als Anlage
zum jeweiligen Qualifizierungsbericht bzw. zum Validierungs-/Qualifizierungs-
masterplan).
Weiterhin ist eine sinnvolle Reihenfolge im Freigabe-Workflow einzuhalten (Erstel-
lung vor Prüfung; Prüfung vor Genehmigung). Es ist auch zu regeln, wann Qualifi-
zierungspläne und -berichte in Kraft treten (das kann z. B. nach der Genehmigung
der Dokumente mit der letzten Unterschrift erfolgen).
270 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Validierungsmaster-Plan VMP
DQ - DQ -
Plan Bericht
IQ - IQ -
Plan Bericht
OQ - OQ -
Plan Bericht
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PQ - PQ -
Plan Bericht
Qualifizierungs-
Durchführung abschlussbericht Bild 8.4
Qualifizierungsphasen/-pläne und -berichte
In den Qualifizierungsplänen wird dabei spezifiziert, was und wie zu prüfen ist.
For personal use only.
TIPP:
Achten Sie bei der Erstellung von Qualifizierungsplänen darauf, dass die Akzep-
tanzkriterien auch wirklich prüfbar und messbar sind.
BEISPIEL:
Im Zuge der IQ soll im R&I-Check geprüft werden, ob der Einbauort/die Einbaulage
eines Temperatursensors gemäß den Spezifikationen (R&I, Datenblatt) erfolgt ist
(Tabelle 8.4).
Tabelle 8.4 Akzeptanzkriterien/Prüfpunkt (Beispiel)
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erstellt, geprüft und genehmigt ist. Weiterhin sollte mit der Durchführung einer
Qualifizierungsphase erst begonnen werden, wenn der Qualifizierungsbericht der
vorherigen Phase abgeschlossen ist. Die Dokumentation der Qualifizierungsdurch-
führung kann z. B. im Qualifizierungsbericht erfolgen.
Die Qualifizierungsberichte sollen folgende Inhalte aufweisen:
Zusammenfassung der Ergebnisse der einzelnen Prüfungen (inklusive Quer-
verweis auf den Plan),
gegebenenfalls die Beschreibung von Abweichungen sowie die Beurteilung ih-
rer Auswirkungen,
Beschreibung von Änderungen zum Plan und ihre Begründung,
Empfehlung zur Mängelbeseitigung (Mängelliste),
eine formelle Freigabe für den Beginn der nächsten Qualifizierungsphase (An-
merkung: ist in der PQ nicht notwendig, wenn die Freigabe für die Validierung
im Zuge des Abschlusses der Qualifizierung erfolgt).
TIPP:
Achten Sie bei der Dokumentation von Ergebnissen darauf, dass diese vollständig
sind und leserlich dokumentiert werden.
272 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
BEISPIEL:
Vorgegebenes Akzeptanzkriterium
Die Temperatur muss sich innerhalb von 5 – 8,5 °C befinden (Tabelle 8.5).
Tabelle 8.5 Akzeptanzkriterium/Temperatur (Beispiel)
Falsche Dokumentation des Messwerts Richtige Dokumentation des Messwerts
Ja, die Temperatur befindet sich innerhalb Gemessene Temperatur: 6,4 °C
von 5 – 8,5 °C Akzeptanzkriterium erfüllt: Ja
Mängel und Abweichungen, die bei der Durchführung der Qualifizierung auftre-
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BEISPIEL:
Kritischer/unkritischer Mangel
Installationsqualifizierung (IQ): R&I-Check
Anlage entspricht nicht dem R&I → kritischer Mangel, da Spezifikation nicht ein-
gehalten wurde.
R&I falsch – kritischer Mangel → Änderung des Spezifikationsdokuments.
Komponenten nicht beschriftet → kritisch, wenn Funktionen in OQ dadurch beein-
flusst werden könnten (z. B. manuelles Schalten von Ventilen); ansonsten unkritisch.
Die DQ wird mit der Erstellung des DQ-Berichts abgeschlossen. Durch den DQ-
Bericht wird bestätigt, dass das Anlagendesign und die Planungsunterlagen den
GMP- und Betreiberanforderungen entsprechen und keine Mängel vorliegen, die
die nachfolgende IQ behindern würden.
(OQ) soll nachgewiesen werden, dass die Anlagen entsprechend der Planung funk-
tionieren. Mit der Durchführung der OQ kann begonnen werden, nachdem der IQ-
Bericht genehmigt wurde. Um doppeltes Testen zu vermeiden, kann in der QQ ggf.
auch auf die Prüfung des FAT bzw. SAT verwiesen werden.
Typische OQ-Prüfungen sind unter anderem:
Überprüfung, ob die notwendige Betriebsdokumentation vorhanden und gege-
benenfalls freigegeben ist (z. B. Herstellvorschriften),
Überprüfung, ob die notwendigen Arbeitsanweisungen (für Bedienung, Reini-
gung, Wartung/Instandhaltung und Kalibrierung der Anlage) vorhanden und
geschult sind,
Überprüfung der Kalibrierdokumentation für qualitätsrelevante Messinstru-
mente, bevor mit der Aufzeichnung von OQ-Daten begonnen wird,
Tests von kritischen Prozessschritten, Parametern, Alarmen, Verriegelungen
(gegebenenfalls ermittelt durch die Risikoanalyse),
Tests von kritischen Funktionen (gegebenenfalls ermittelt durch eine Risiko-
analyse),
Alarm- und Stresstests.
Die OQ wird mit der Erstellung des OQ-Berichts abgeschlossen. Durch den OQ-Be-
richt wird bestätigt, dass die Anlage im Rahmen der vorgesehenen Arbeitsbereiche
wie spezifiziert arbeitet und keine Mängel vorliegen, die die nachfolgende PQ be-
hindern würden.
276 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
wird bestätigt, dass das System über einen längeren Zeitraum gleichbleibend und
reproduzierbar innerhalb der vorgegebenen Bereiche arbeitet und spezifikations-
konforme Produktqualität liefert und keine Mängel vorliegen, die die nachfol
genden Validierungsphasen, bzw. bei Medien den Betrieb der Anlage, behindern
würden.
8.3.4 Risikobasierte Qualifizierung
In der DIN EN ISO 13485 [8.9] und im 21 CFR 820 [8.5] ist gefordert, dass alle
Prozesse der Produktion sowie der Dienstleistungserbringung zu validieren sind,
deren Ergebnis nicht durch nachfolgende Erfassung oder Messung verifiziert wer-
den kann. Dieser Satz gilt also vornehmlich für die Prozessvalidierung. Für die
Qualifizierung, die auch Verifizierungstests beinhaltet, bedeutet dies, dass im Me-
dizinproduktebereich alle Herstellanlagen, Medien und Produktionsräume unter
GEP-/GMP-Kriterien getestet (qualifiziert) werden müssen, die Einfluss auf quali-
tätsrelevante Parameter des Produkts haben könnten.
Die Beurteilung, welche Systeme zu qualifizieren sind (Qualifizierungsumfang), ist
die erste Stufe in einem risikobasierten Qualifizierungsansatz. In der zweiten Stufe
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BEISPIEL:
Kritische Qualitätsattribute (qualitative und quantitative Merkmale = cQA) einer
Vakuumflasche
Material: Glas
Größe: 250 ml
steril
pyrogenfrei
etc.
(Zweckbestimmung: zum Aderlass, zur Reinfusion)
Hat die Anlage Einfluss auf die Reinigung oder Sterilisation des Medizinpro-
dukts?
Werden von der Anlage qualitätsrelevante Prozessdaten, Daten zur Rückver-
folgbarkeit, Daten zur Produktbeurteilung erzeugt und/oder elektronisch ver-
arbeitet?
Ist eine Frage für eine Prozessanlage mit „Ja“ zu beantworten, so ist diese als qua-
lifizierungsrelevant einzustufen. Das Impact Assessment legt den Umfang der Qua-
lifizierung fest, sagt jedoch noch nichts über die „Qualifizierungstiefe“ – also die
notwendigen Prüfungen im Zuge von Commissioning und Qualifizierung aus.
Diese C&Q-Prüfungen werden für qualifizierungsrelevante Prozessanlagen durch
eine weitere Risikobeurteilung – meist in Form einer Fehler- Möglichkeits- und
Einflussanalyse (FMEA) – definiert.
Wird im Impact Assessment einer Prozessanlage keine Frage mit „Ja“ beantwortet,
so hat diese keinen Einfluss auf die Qualität bzw. die Sicherheit eines Medizinpro-
dukts und kann ausschließlich im Zuge der Inbetriebnahme (Commissioning) im
FAT und SAT überprüft werden.
tiefe zu definieren. Dazu hat sich folgende Vorgehensweise als effektiv und umfas-
send erwiesen:
Definition der Prozessparameter/Einflussgrößen der Anlage/des Systems, die
die Qualität des herzustellenden Produkts beeinflussen können,
Ermittlung und Bewertung der Risiken, die diese Prozessparameter/Einfluss-
größen negativ beeinflussen könnten, und
Festlegung der risikoreduzierenden Maßnahmen und damit der Commissio-
ning- und Qualifizierungsprüfungen (Qualifizierungstiefe).
umflasche).
Auf Basis der Produktanforderungen werden die Anforderungen an die Prozess
anlage in der User Requirement Specification (URS) definiert (siehe Bild 8.6). Hier
wird auch die erste Einstufung bzgl. GMP-Kritikalität der einzelnen Anforderun-
gen vorgenommen (siehe Abschnitt 8.3.1)
p T
URS:
- Druck = min. 1 bar (cPP)
Produkt- Prozess: - Temperatur = min. 121 °C (cPP)
entwicklung: Autoklavieren - Zeit Autoklavieren =
- Flasche = min. 20 min (cPP)
steril (cQA) - Sensoren: PICA, TICA (cAS)
- Entleerbarkeit (cAS)
- …………
Medizinprodukt: Prozessanlage:
Vakuumflasche Autoklave
Bild 8.6 Zusammenhang zwischen den Produktanforderungen und den Anforderungen an die
Prozessanlage
280 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Autretenswahrscheinlichkeit
Ausgehend von einer Fehlerfolge, die am rechten Ende der „Hauptgräte“ darge-
stellt ist, können dann zum Beispiel über die Ursachengruppen der „5 Ms“ –
Mensch, Maschine, Material, Methode, Milieu – und deren zugehörige Detailur
sachen die möglichen Fehler ermittelt werden (siehe Bild 8.8).
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For personal use only.
Dafür müssen alle kritischen Fehlerfolgen definiert werden, die Einfluss auf die
Produktqualität haben können. Die Fehlerfolgen entsprechen der Nichteinhaltung
der Spezifikation der kritischen Prozessparameter (cPP) bzw. kritischen Aspekte
(cAS) (siehe Tabelle 8.6).
Ausgehend von diesen Fehlerfolgen kann die Risikoidentifikation mittels Ishikawa-
Diagrammen sehr gezielt erfolgen, wobei man sich wirklich nur auf die relevanten
Risiken konzentriert und damit viel Diskussion und Zeit spart.
TIPP:
Um bei der Risikoidentifikation und Analyse Zeit zu sparen und um sich auf die
wirklich relevanten Risiken konzentrieren zu können, hat es sich als praktikabel
erwiesen, von der Fehlerfolge auszugehen. Dabei werden zuerst alle Fehlerfolgen
des zu betrachtenden Systems (Prozess, Produkt, Equipment etc.) ermittelt und
bewertet.
Nur für die Fehlerfolgen, die eine Bedeutung für das zu betrachtende System
haben, werden im Anschluss – z. B. mittels Ishikawa-Diagramm – die korrespon-
dierenden Fehler/Fehlerursachen ermittelt.
BEACHTE:
Es gibt hilfreiche Softwaretools, die Ishikawa-Diagramme und FMEAs simultan
erstellen können.
In der FMEA können dann die nächsten Schritte – die Bewertung der Risiken s owie
die Definition von Maßnahmen zur Risikobeherrschung – erfolgen.
Risikobewertung
Die Bewertung der ermittelten Risiken wird im Bereich der Qualifizierung anhand
folgender Kriterien durchgeführt:
der Auftretenswahrscheinlichkeit des Fehlers (A) bedingt durch seine Ursache,
der Entdeckungswahrscheinlichkeit des Fehlers (E) in der Anlage/im System,
Bedeutung der Fehlerfolge (B).
Die FMEA ist eine quantitative Risikoanalyse. Bei der Bewertung der Risiken in
der Qualifizierung werden der Auftretenswahrscheinlichkeit (A) und Entdeckungs-
wahrscheinlichkeit (E) des Fehlers sowie der Bedeutung der Fehlerfolge (B) Zah-
lenwerte zugeordnet.
8.3 GEP-/GMP-konforme Produktion 283
MERKE:
Die Zahlenwerte für die Auftritts- und Entdeckungswahrscheinlichkeit sind gegen-
läufig.
For personal use only.
MERKE:
RPZ = A B E
(Risikoprioritätszahl = Auftretenswahrscheinlichkeit · Bedeutung · Entdeckungs-
wahrscheinlichkeit)
Die RPZ gilt als Kennzahl dafür, ob ein Risiko ausreichend kontrolliert ist. Befindet
sich die RPZ über einem vorab definierten Grenzwert, so gilt das Risiko als nicht
ausreichend kontrolliert und es müssen Maßnahmen zur Reduktion des Risikos
definiert werden. Dazu muss zuerst festgelegt werden, ab wann ein Risiko nicht
mehr akzeptabel ist. Diese Festlegung ist unternehmensspezifisch zu treffen. In
der FMEA wird dazu z. B. ein Grenzwert (eine bestimmte Zahl) für die Akzeptanz
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BEISPIEL:
RPZ = 24
For personal use only.
125
RPZ
Maßnahmen müssen
RPZ > 24 Maßnahmen müssen definiert werden
definiert werden
RPZ = 26
1
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Weiterhin ist es auch möglich, dass ein Risiko über dem Grenzwert liegt (z. B.
RPZ = 25), obwohl die Folge keinen Einfluss auf die Produktqualität hat (z. B.
B = 1). Um dem Rechnung zu tragen, ist es sinnvoll, neben der Definition von
Grenzwerten noch Zusatzregeln aufzustellen, wie:
Für kritische Risiken muss eine gesonderte Betrachtung erfolgen, auch wenn
For personal use only.
die RPZ unter dem Grenzwert liegt. Es muss beurteilt werden, ob trotzdem
Maßnahmen zur Risikoreduzierung notwendig sind (siehe Bild 8.9, rechter
Teil).
Für unkritische Risiken (z. B. B = 1) müssen nicht unbedingt Maßnahmen ge-
setzt werden, auch wenn die RPZ über dem Grenzwert liegt.
Auch die Schritte der Risikobewertung und Risikobeurteilung werden in das
FMEA-Formblatt eingetragen (siehe Bild 8.10).
Risikobeherrschung
Wenn sich die RPZ über einem vorab definierten Grenzwert befindet, so gilt das
Risiko als nicht ausreichend kontrolliert, und es müssen Maßnahmen zur Beherr-
schung des Risikos definiert werden.
Dabei müssen folgende Fragestellungen betrachtet werden:
Was kann man tun, um zu hohe Risiken zu vermeiden oder zu vermindern?
Ist das verbleibende (Rest-)Risiko akzeptabel oder sind weitere Maßnahmen
notwendig?
Sind durch Maßnahmen neue Risiken aufgetreten?
Maßnahmen zur Risikoreduktion können sich dabei auf die Verringerung der Auf-
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(A · B · E)
Falscher Messwert 4 Fehlfunktion 3 Temperatur im 5 60
Temperatursensor Autoklav <
T001 121 °C
In Tabelle 8.7 ist eine zweistufige FMEA dargestellt. Prinzipiell kann für die Quali-
fizierung eine einstufige oder eine zweistufige FMEA verwendet werden.
In einer einstufigen FMEA werden nach dem Auffinden von Fehler, Folge und Ur-
sache entsprechende Maßnahmen zur Risikoreduktion definiert, und danach wird
die Risikobeurteilung durchgeführt. Die Definition von Maßnahmen erfolgt so
8.3 GEP-/GMP-konforme Produktion 287
lange, bis die RPZ unter dem festgelegten Grenzwert liegt, das verbleibende (Rest-)
Risiko also akzeptabel ist.
BEACHTE:
Ein Hersteller kann das „akzeptable Risiko“ nicht beliebig festlegen, sondern muss
das Risiko „so gering wie mit vertretbarem Aufwand möglich“ festlegen. Erhöhte
Kosten sind kein Argument, primäre risikomindernde Maßnahmen nicht zu reali-
sieren.
Bei der zweistufigen FMEA wird eine zusätzliche Risikobeurteilung vor der Defini-
tion von Maßnahmen durchgeführt – es gibt also eine zweite Beurteilung der Risiko-
prioritätszahlen. Durch die erste Beurteilung soll ermittelt werden, ob ein Risiko
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überhaupt kritisch ist. Nur für kritische Risiken müssen dann Maßnahmen defi-
niert werden, so lange, bis das verbleibende (Rest-)Risiko akzeptabel ist.
Die zweistufige FMEA ist zwar in der Durchführung ein wenig aufwendiger, hat
jedoch den Vorteil, dass nur Maßnahmen festgelegt werden, die für die Risiko
reduktion wirklich wirksam sind.
Maßnahmen in der Qualifizierung können z. B. sein:
For personal use only.
TIPP:
Nicht alle Qualifizierungstests müssen aus der Risikoanalyse kommen. Standard-
prüfungen – wie z. B. die Überprüfung der korrekten Beschriftung von Bauteilen
vor Ort – können in anderen Dokumenten (z. B. SOPs, Vorlagen für Qualifizierungs-
pläne etc.) festgelegt werden.
288 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Werden in einer FMEA Maßnahmen definiert, so ist auch zu prüfen, ob diese Maß-
nahmen ein neues Risiko verursachen können. Der Risikomanagementprozess
ist – beginnend bei der Risikoidentifikation – neu zu starten, und die Ergebnisse
werden in die FMEA-Tabelle eingetragen.
8.4 GMP-konformes Anlagendesign
Um die GMP-Grundsätze an Produktionsanlagen und Produktionsräume zu erfül-
len, müssen „Räumlichkeiten und Anlagen so angeordnet, geplant, konstruiert, nach-
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gerüstet und instand gehalten sein, dass sie für die vorgesehenen Arbeitsgänge geeig-
net sind“ [8.19]. Weiterhin muss gemäß diesen Grundsätzen gewährleistet sein,
dass ihre Anordnung und Gestaltung so ausgeführt ist, dass eine gründliche Reini-
gung und Wartung möglich ist und die Produktqualität durch die Produktionsanla-
gen und Produktionsräume nicht beeinträchtigt wird. Im Folgenden werden diese
Anforderungen konkretisiert, und die Umsetzung in die Praxis wird beschrieben.
For personal use only.
8.4.1 Anforderungen an Produktionsräume
Im GMP-Bereich müssen Produktionsräume „für die vorgesehenen Arbeitsgänge ge-
eignet sein“. Das heißt, sie müssen so gestaltet sein, dass sie das Produkt und/oder
das Personal und/oder die Umgebung nicht negativ beeinflussen. Herstellbereiche
(Produktionsräume, Lagerbereiche etc.) sind also entsprechend den Anforderun-
gen und den Risiken des herzustellenden Produkts in Hygienezonen bzw. Rein-
raumklassen einzuteilen.
Um die Hygiene im Betrieb zu gewährleisten, ist neben der Personalhygiene (Klei-
dung und Verhalten der Mitarbeiter) und der Produktionshygiene (Produkthand-
habung/Anlagenreinigung) auch ein GMP-gerechtes Design der Herstellbereiche
notwendig.
Die Anforderungen an die Produktions- und Lagerräume sowie gegebenenfalls die
Kontrolllabors sind gemäß den Anforderungen des herzustellenden/prüfenden
Produkts zu definieren. Dabei sind z. B. folgende Punkte zu beachten/festzulegen:
Anordnung und ausreichende Größe der Produktions- und Lagerräume (z. B.
auch für die Bereitstellung und Zwischenlagerung von Materialien),
Abgrenzung der Räume (Zonenkonzept, Schalenmodelle, Schleusen),
Druckstufen-/Überströmungskonzepte,
kreuzungsfreier und reibungsloser Personal- und Materialfluss,
8.4 GMP-konformes Anlagendesign 289
Ausführung von Wänden, Decken, Böden und Einbauten (glatt, inert, leicht zu
reinigen und zu desinfizieren; resistent gegen Reinigungsmittel und sonstige
Stoffe),
Ausführung von Übergängen (z. B. Hohlkehlen),
Abwehr und Bekämpfung von Schädlingen.
Die Einhaltung der zulässigen Grenzwerte kann gegebenenfalls den Einsatz von
For personal use only.
Lüftungs- und Klimaanlagen erfordern und muss über ein valides Monitoring-Sys-
tem sichergestellt und dokumentiert werden.
Folgende technische Dokumente sind für eine GMP-konforme Planung, Errichtung
und Instandhaltung von Produktionsräumen zu erstellen bzw. vom Lieferanten zu
fordern:
Betreiberanforderung/Lastenheft,
Gebäudelayout/Raumplan,
Raumbuch,
Zonenkonzept inklusive Reinraumklassen, Differenzdruck-/Überströmungs-
konzepte,
Personal- und Materialflussplan,
Datenblätter, technische Spezifikationen, Konstruktionszeichnungen (Wände,
Decken, Böden, Einbauten),
Arbeitsanweisungen für Betrieb, Reinigung, Wartung/Instandhaltung, Ände-
rungsdienst,
Kalibrierdokumentation von Messgeräten,
Dokumentation der Wareneingangskontrolle,
Abnahmetests (z. B. Filterintegritätstest)
etc.
290 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
8.4.2 Anforderungen an Produktionsanlagen
Im GMP-Bereich müssen Produktionsanlagen analog zu den Produktionsräumen
„für die vorgesehenen Arbeitsgänge geeignet sein“. Das heißt, sie müssen so gestaltet
sein, dass mit ihnen das Produkt spezifikationsgemäß hergestellt werden kann
und die Reinheitsanforderungen an das Produkt eingehalten werden. Die Anforde-
rungen an die Produktionsanlagen sind gemäß den Anforderungen des herzustel-
lenden/prüfenden Produkts zu definieren. Dabei sind z. B. folgende Punkte zu be-
achten/festzulegen:
Ausführung von Anlagen/Anlagenteilen (Anlagenteile sollen im Betrieb, für
die Reinigung und Wartung einfach und schnell und möglichst ohne Werkzeug
austauschbar sein; alle Bauteile sollten gut zugänglich sein; Einsatz von
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wartungsfreien/-armen Komponenten),
Hygienic Design (leicht zu reinigende, totraumarme Ausführung, Entleerbarkeit,
Vermeidung von Kreuzkontamination durch z. B. geschlossene Systeme etc.),
Bauteile dürfen keine Partikel, Öl oder Abrieb an das Produkt abgeben (Einsatz
von entsprechenden Materialien/Werkstoffen, die beständig gegen die einge-
setzten Medien und Reinigungsmittel sind; Einsatz von geeigneten Motoren/
For personal use only.
Antrieben etc.),
Ausführung und Verarbeitung von Stählen/Edelstählen (z. B. Schwarz-Weiß-
Trennung bei Lagerung und Verarbeitung, Festlegung von Schweißverfahren
und Anforderungen an Schweißnahtbearbeitung und Oberflächenrauigkeiten,
Werkstoffzertifikate),
Ausführung von lösbaren Verbindungen (diese sollten so weit wie möglich ver-
mieden werden und möglichst totraumarm ausgeführt sein, z. B. durch Flansch
oder Tri-Clamp-Verbindungen),
Einsatz von beständigen Dichtwerkstoffen für produktberührende Dichtun-
gen/Membrane,
gegebenenfalls automatisierte Reinigungs-/Sterilisationsverfahren für Anla-
gen/Anlagenteile (CIP/SIP),
Anforderungen an Medien (Qualitäts-, Reinheitsanforderungen von Prozess-
wasser, Gasen etc.),
Anforderungen an die Anlagenreinigung (WIP/CIP/SIP-Anlagen – washing/
cleaning/sterilization in place),
Regelung und Monitoring von kritischen Prozessparametern,
Kennzeichnung von Anlagen/Anlagenteilen,
Kalibrierung von Mess-, Wäge-, Aufzeichnungs- und Kontrollausrüstungen,
präventive Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen.
8.4 GMP-konformes Anlagendesign 291
Armaturen-/Bauteil-/Komponentenlisten,
Arbeitsanweisungen bzw. Bedienungsanleitungen für Betrieb, Reinigung,
Wartung/Instandhaltung, Änderungsdienst etc.
Prüfzeugnisse und Zertifikate:
Materialzertifikate (Werkstoffnachweise aller produktberührenden Materi-
alien: Abnahmeprüfzeugnis für metallische Erzeugnisse, FDA-Konformi-
For personal use only.
tätsbescheinigungen),
Schweißnahtdokumentation, Schweißproben,
gesetzlich geforderte Zertifikate (z. B. EG-Konformitätsbescheinigung),
Reinigungsbestätigungen,
Dokumentation der Wareneingangskontrolle,
Abnahmetests (z. B. Vollständigkeits-/Installationskontrolle, Drehrichtungs-
prüfung elektrischer Antriebe, Druckproben, Kontrolle auf Anlagenent-
leerbarkeit).
Dokumente bezüglich Wartung, Kalibrierung und Testverfahren:
Logbuch/Geräteordner,
Wartungsdokumentation,
Ersatz-/Verschleißteilliste,
Kalibrierdokumentation von Messgeräten,
Abnahmeprotokolle der Anlagen/Geräte (z. B. FAT/SAT-Protokolle des Lie-
feranten),
Hardware- und Softwaretestprotokolle,
Testprotokolle von Sicherheitseinrichtungen bzw. von Störmeldungen etc.
292 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
zu haben.
Die Technische Dokumentation ist speziell für die Qualifizierungsphasen (IQ, OQ)
von entscheidender Bedeutung. Werden die Dokumente nicht vom Lieferanten mit-
geliefert, müssen sie vom Anlagenbetreiber erstellt werden, um die Qualifizierung
erfolgreich abschließen zu können. Dabei können z. B. aufwendige Tests beim
Nachweis der Materialien notwendig werden.
Für die Ablage und Archivierung der Technischen Dokumentation ist es hilfreich,
For personal use only.
8.4.4 GMP-gerechte Kalibrierung
Da die Überwachung von Herstellprozessen meist mittels automatisierter Prozess-
kontrollen erfolgt, muss sichergestellt werden, dass diese Messgeräte regelmäßig
bezüglich ihrer Präzision bzw. Richtigkeit überprüft werden. Das ist die Aufgabe
der Kalibrierung (siehe auch Abschnitt 10.8, Mess- und Prüfmittel, in diesem Buch).
Für GMP-relevante Anlagen müssen alle kritischen Prozesskontrollen – also alle
Messgeräte, die einen Einfluss auf die Produktqualität haben können – ermittelt
und regelmäßig gemäß klar definierter Vorgaben kalibriert werden.
Ein essenzieller Bestandteil eines GMP-konformen Kalibrierungssystems ist die
Festlegung von Kalibrierintervallen. Intervalle werden häufig mit zeitlichen Inter-
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vallen definiert (z. B. monatlich, halbjährlich, jährlich). Die Festlegung der Kali
brierintervalle sollte risikobasiert erfolgen. Dabei können z. B. folgende Kriterien
herangezogen werden:
Hat die Messgröße Einfluss auf die Produktqualität?
Wie empfindlich ist das Messgerät gegenüber äußeren Einflüssen?
Wie oft wird das Messgerät benötigt?
Um eine GMP-konforme Kalibrierung ordnungsgemäß durchführen zu können,
For personal use only.
8.4.5 GMP-konforme Instandhaltung
8.4.5.1 Vorbeugende Instandhaltung
Im GMP-Bereich müssen Produktionsanlagen und Produktionsräume vorbeugend
instand gehalten werden. Die durchzuführenden Tätigkeiten sind zu planen und
alles muss so dokumentiert werden, dass die Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist.
8.4 GMP-konformes Anlagendesign 295
Ziel der vorbeugenden Instandhaltung ist es, die Funktion und Leistungsfähigkeit
von Produktionsanlagen und Produktionsräumen über ihre gesamte Nutzungs-
dauer zu gewährleisten und eine hohe Verfügbarkeit sicherzustellen [8.20]. Dabei
müssen Instandhaltungsmaßnahmen so durchgeführt werden, dass der valide Sta-
tus der Anlagen nicht beeinträchtigt wird.
Zu den geplanten, vorbeugenden Instandhaltungsmaßnahmen zählen im Wesent
lichen folgende wiederkehrende Tätigkeiten:
Inspektion,
Wartung,
Re-Kalibrierung.
Die Inspektion dient zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustands von Pro-
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duktionsanlagen und -räumen bzw. zur Feststellung und Beurteilung von Mängeln.
Die Wartung umfasst die Gesamtheit aller Maßnahmen, die zur Bewahrung des
Soll-Zustands von Produktionsanlagen und -räumen durchgeführt werden und be-
inhaltet die eigentliche Kernaufgabe der geplanten Instandhaltung. Alle kritischen
Prozesskontrollen – also alle Messgeräte, die einen Einfluss auf die Produktquali-
tät haben können – müssen gemäß klar definierter Vorgaben rekalibriert werden.
Um eine GMP-konforme vorbeugende Instandhaltung ordnungsgemäß durchfüh-
For personal use only.
Als erster Schritt bei der Umsetzung einer GMP-konformen vorbeugenden Instand-
haltung sind alle mit der Instandhaltung verbundenen Aktivitäten zu planen und
zu beschreiben (SOPs). Dazu sollten die Anlagen/Anlagenteile identifiziert und zu
Instandhaltungsgruppen zusammengefasst werden. Für diese Instandhaltungs-
gruppen können dann die Verantwortlichkeiten festgelegt werden.
Für jede Instandhaltungsgruppe wird ein Instandhaltungsplan erstellt, der die
durchzuführenden Tätigkeiten beschreibt. Die detaillierte Durchführung der In-
standhaltungsmaßnahmen wird in Wartungs-/ Kalibrierprotokollen dokumentiert.
Davor müssen die Mitarbeiter auf die entsprechenden Anweisungen (SOPs) ge-
schult werden. Die Dokumentation der Durchführung der Instandhaltungsmaß-
nahmen kann z. B. im Logbuch der Prozessanlagen erfolgen. Wenn automatisierte
Systeme für die Verwaltung/Durchführung der vorbeugenden Instandhaltung ein-
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8.4.5.2 Risikobasierte Instandhaltung
Generell kann man zwischen vier gängigen Instandhaltungsstrategien unterschei-
den [8.20], [8.21]:
Ausfallstrategie: Hier werden die Anlagen(teile) bis zum Auftreten eines
Schadens bzw. Ausfall der Anlage betrieben und so maximal ausgenutzt. Diese
Strategie ist jedoch für den Medizinproduktebereich nicht sinnvoll, da bereits
vor einem Ausfall ein potenzielles Risiko für das herzustellende Medizinpro-
dukt bestehen kann.
Präventive zeitgesteuerte Instandhaltungsstrategie: Hier werden die
Anlagen(teile) nach einer vordefinierten Zeit ausgetauscht. Diese Strategie ist
zwar gut planbar, aber Anlagen(teile) werden eventuell schon ausgetauscht,
obwohl deren Verschleißgrenze noch nicht erreicht ist.
Präventive zustandsorientierte Instandhaltungsstrategie: Hier wird der
tatsächliche Abnutzungsgrad der Anlagen ermittelt. Für diese Strategie ist
jedoch ein hoher Aufwand für die Ermittlung des Abnutzungsgrades der
Anlagen(teile) notwendig, was hohe Inspektionskosten mit sich bringt.
In den letzten Jahren geht man in der Instandhaltung daher immer mehr den
Weg einer risikobasierten Instandhaltung [8.20]. Ziel dieser Instandhal-
8.4 GMP-konformes Anlagendesign 297
tungsstrategie ist es, mit möglichst geringem Aufwand und ohne Risiko für das
herzustellende Medizinprodukt eine optimale Verfügbarkeit der Anlagen zu
gewährleisten.
Bei dieser Instandhaltungsstrategie werden die Entscheidungen über die Auswahl
der durchzuführenden Maßnahmen sowohl unter Berücksichtigung der Qualität
als auch der Wirtschaftlichkeit getroffen.
Als erster Schritt der risikobasierten Instandhaltung wird eine Gefährdungsana-
lyse zur Ermittlung der kritischen Anlagen durchgeführt. Dazu wird für jede An-
lage die Auftretenswahrscheinlichkeit (A) einer Störung bzw. die Auswirkung der
möglichen Störungen (Bedeutung, B) ermittelt. Die Ergebnisse der Gefährdungs-
analyse werden grafisch dargestellt (siehe Bild 8.9). Für die Bewertung der Ausfall-
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Prozessanlagen, die sich auf der kritischen (oberen) Seite der grafischen Darstel-
lung befinden, werden als kritische Prozessanlagen eingestuft, da sie ein hohes
Ausfalls- und Produktrisiko aufweisen (Bild 8.11).
298 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Für diese kritischen Prozessanlagen ist – in einem zweiten Schritt – eine detail-
lierte Risikoanalyse durchzuführen. Dazu hat sich als Methode der Wahl die Feh-
lermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA) herauskristallisiert (siehe Kapitel 2,
Risikomanagement).
CIP-Anlage
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Autoklav
For personal use only.
Für jeden Teil der kritischen Prozessanlagen werden die möglichen Risiken be
züglich Produktqualität und Produktionsausfall ermittelt. Dabei werden alle mög-
lichen Fehler sowie die zugehörigen Fehlerfolgen und Ursachen der Teilkompo
nenten analysiert und bewertet. Ist das mögliche Gefährdungspotenzial (die
Risikoprioritätszahl RPZ) zu hoch, so sind geeignete Maßnahmen zur Reduktion
des Risikos zu treffen (siehe Tabelle 8.9). Diese Maßnahmen sind dann im Zuge der
Durchführung der Instandhaltung umzusetzen.
8.5 Computervalidierung
Computer, automatisierte Anlagen und Softwaretools werden in nahezu allen GxP-
relevanten Bereichen eingesetzt, sei es in der Entwicklung (Rohdaten, Entwick-
lungsaufzeichnungen – Design History File, DHF), in der Produktion (Herstellvor-
schriften – Device Master Record, DMR), Produktionsaufzeichnungen, Labordaten
oder Produktfreigabedaten (Device History Record, DHR), in der Logistik (Material-
fluss, Lager, Versand), bei klinischen Studien oder im QM-System (Vorgabedoku-
mente, Reklamations- und CAPA-System). Computerisierte Systeme sind für einen
wirtschaftlichen Ablauf der meisten Prozesse unerlässlich. Sie erhöhen durch ein
fehlerhaftes Design eines ihrer Systeme aber auch das Risiko, dass negative Aus-
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wirkungen auf die Qualität des Endprodukts bzw. auf die Validität GxP-relevanter
Vorschriften und Dokumente eintreten können.
Bei komplexer Software ist ein 100 %iger Funktionstest nahezu unmöglich. Um das
Auftreten von Fehlern bei computerunterstützten Systemen trotzdem zu verhin-
dern bzw. so weit wie möglich zu reduzieren, fordern die entsprechenden Regula-
rien, dass computerisierte Medizinprodukte entsprechend konzipiert, entwickelt
und validiert werden müssen (siehe dazu die Ausführungen in der ISO 13485 Ab-
For personal use only.
BEACHTE:
In der MPV und IVDV finden sich keine direkten Vorgaben bezüglich Validierung
von computerisierten Systemen und Tools. Indirekt kann aber aus verschiedenen
Anforderungen abgeleitet werden, dass valide und validierte Systeme und Prozesse
Grundvoraussetzung dafür sind, dass die Anforderungen dieser Verordnungen
auch bei serienmäßiger Herstellung eingehalten werden können. Siehe dazu u. a.
MPV Art. 10 (9)g, Anhang II 3.b), Anhang VII 4.5.2.b) und Anhang IX 2.2.c) bzw.
IVDV Art. 10 (8)g, Anhang II 3.2.a), Anhang VII 4.5.2.b) oder Anhang IX 2.2.c).
8.5 Computervalidierung 301
Was bedeutet nun konkret „Validierungspflicht“, und was fordern der 21 CFR Part
11 sowie der Annex 11 der EU-GMP-Guides darüber hinaus in Bezug auf elektroni-
sche Aufzeichnungen und Unterschriften?
8.5.1 Validierung – Überblick
MERKE:
Alle relevanten Systeme müssen vor ihrem produktiven Einsatz validiert sein und
während ihres produktiven Einsatzes im validierten Zustand gehalten werden.
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BEACHTE:
Oft werden die Anforderungen an die Softwarevalidierung mit den Anforderungen
in der Equipment- und Prozessvalidierung vermischt.
So sind noch heute die Begriffe Design Qualification (DQ), Installation Qualification
(IQ), Operational Qualification (OQ) und Performance Qualification (PQ) gängige
Bezeichnungen verschiedener Phasen während der Softwareentwicklung und des
Tests. Ungeachtet dessen, dass sich diese Begriffe gut zur Organisation der ver-
schiedenen Softwarevalidierungsaufgaben bewährt haben, werden diese Begriffe
von vielen Softwareexperten heute anders verwendet und verstanden.
8.5.2 Validierungsansätze
Die Validierungsaufwände für ein computerisiertes System oder eine Software sol-
len sich primär am Risiko orientieren, das von diesem System bzw. dieser Software
im Lauf der Produktentstehung auf die Sicherheit und Funktionsfähigkeit des End-
produkts ausgehen könnte. Weiterhin ist bei der Beurteilung die Komplexität des
Systems heranzuziehen. So wird z. B. eine automatisierte Stanzmaschine wenig
Validierungsaufwand erfordern, weil die erzeugten Teile im Zuge der Weiterver-
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wendung einfach gegen die Spezifikationen geprüft werden können, bzw. werden
fehlerhafte Teile in einem weiteren Verarbeitungsschritt wahrscheinlich erkannt
und aussortiert. Andererseits werden komplexe Systeme wie ein firmenweites
Materialmanagementsystem, ein Dokumentenmanagementsystem, eine Barcode-
Beschriftungsanlage oder ein automatisches Inspektionssystem in der In-Prozess-
kontrolle (IPK) oder in der Qualitätskontrolle (QC) umfangreiche Tests und
Nachweise erfordern.
For personal use only.
TIPP:
Folgende Systeme (computerisierte Systeme, Produktionsanlagen, Prüfsysteme)
sind im Normalfall nicht validierungspflichtig:
Überwachte Prüf- und Messmittel wie z. B. Multimeter und Thermometer,
die für den vorgesehenen Zweck und gemäß ihren Spezifikationen eingesetzt
werden und an die keine darüber hinausgehenden Anforderungen hinsichtlich
Messrichtigkeit und Einsatzbedingungen oder sonstige Anforderungen gestellt
werden.
Registriertes, aber nicht überwachtes Equipment wie z. B. Blutroller und
Zentrifugen, die für den vorgesehenen Zweck eingesetzt werden und an die
keine besonderen Anforderungen hinsichtlich Einsatzbedingungen oder sons-
tige Anforderungen gestellt werden.
Einfache Hilfsmittel im Produktrealisierungsprozess wie z. B. Aufnahme-
schienen, Einpressdorne, Schneide- oder Klebevorrichtungen.
IT-Infrastrukturkomponenten wie Server, Netzwerkkomponenten, Worksta-
tions, Speichersysteme sowie standortübergreifend zur Verfügung gestellte
Betriebssysteme und Standardsoftware, die über die IT-Abteilung installiert
wird, z. B. MS Word, MS Visio oder MS Project; weiterhin Excel-Arbeitsmappen,
die nur zur Textverarbeitung verwendet werden.
Systeme, die in sehr frühen Phasen der Produktentwicklung eingesetzt werden,
wo noch keine endgültigen Leistungs- oder Spezifikationsnachweise
geführt werden.
304 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
TIPP:
OTS-Betriebssysteme müssen nicht als separate Programme validiert werden.
Validierungstests der Anwendungssoftware auf Systemebene müssen jedoch alle
Einsatzmöglichkeiten des verwendeten Betriebssystems adressieren, inklusive der
Bedingungen bei maximaler Systemauslastung, der Datenprozesse und des Um-
gangs mit Systemfehlern und Speichereinschränkungen, die für die bestimmungs-
gemäße Verwendung des Benutzerprogramms maßgeblich sein könnten.
Als erster Schritt soll in einer groben Klassifizierung festgelegt werden, ob ein
System überhaupt GxP-relevant ist oder ob auf eine Validierung verzichtet werden
kann. Die GxP-Relevanz wird systemspezifisch durch Fragestellungen nach dem
Einsatzzweck des Systems bzw. nach den generierten Daten und Dokumenten fest-
gestellt. Im Zuge dessen ist ebenfalls anzugeben, ob die Daten und/oder Doku-
mente elektronisch aufgezeichnet werden. GxP-relevante Prozesse sind z. B.:
Entwicklungsprozesse (DHF – Design History File),
For personal use only.
Produktherstellung
Vorgaben (DMR – Device Master Record),
Nachweise (DHR – Device History Record),
Qualitätsmanagementprozesse (QSR – Quality System Record),
Produktregistrierung.
TIPP:
Falls Computer dazu eingesetzt werden, Papierausdrucke von elektronischen
Daten und Aufzeichnungen zu erstellen, und diese Papierausdrucke alle Vorschrif-
ten der GxP erfüllen und sich die Organisation im regulierten Bereich einzig auf
diese Papierausdrucke stützt, dann fällt dieses Computersystem nicht unter die
Regelungen des Annex 11 bzw. des Part 11.
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Systemkategorien
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Die Festlegung des Umfangs und der Tiefe für einzelne Tests wird zusätzlich durch
eine funktionale Risikoanalyse (z. B. FMEA) bestimmt. Die Detailplanung für den
Validierungsumfang wird anschließend in einem Validierungsregister festgelegt.
BEACHTE:
For personal use only.
TIPP:
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Elektronische Aufzeichnungen
Computerisierte Systeme, die elektronische Aufzeichnungen bzw. elektronische
Unterschriften verwenden, müssen die Authentizität, Integrität, Vertraulichkeit
und Verfügbarkeit aller qualitätsrelevanten Daten gewährleisten. Computerisierte
Systeme sind deshalb so zu entwerfen respektive zu „designen“ (was während der
Validierung nachzuweisen und auch während des gesamten Lebenszyklus des Sys-
tems sicherzustellen ist), dass
geeignete physikalische und/oder logische Maßnahmen implementiert wer-
den, um den Zugang zu computergestützten Systemen auf autorisierte Perso-
nen zu beschränken.
Dies kann z. B. durch die Verwendung von persönlichen Kennworten, Schlüs-
seln oder biometrischen Verfahren erfolgen.
308 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
bei der manuellen Eingabe kritischer Daten die Richtigkeit dieser Datenein-
gabe durch eine zusätzliche Prüfung abgesichert wird. Diese zusätzliche Prü-
fung kann mithilfe einer validierten elektronischen Methode oder durch einen
zweiten Anwender erfolgen.
beim Datenaustausch mit anderen Systemen geeignete Kontrollmechanismen
für die korrekte und sichere Übertragung und Verarbeitung der Daten vorgese-
hen sind.
Daten durch physikalische und elektronische Maßnahmen vor Beschädigung
geschützt werden und die Entdeckbarkeit ungültiger und veränderter Daten
sichergestellt ist. Anhand eines automatischen Audit Trails muss ersichtlich
sein, wann und durch welchen Benutzer welche elektronischen Aufzeichnun-
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MERKE:
Der Umfang der Maßnahmen, um diese Forderungen sicherzustellen, hängt immer
von der Kritikalität des computergestützten Systems ab!
Elektronische Unterschriften
Elektronische Aufzeichnungen können elektronisch signiert werden. Dieser Unter-
schrift kommt dieselbe rechtliche Bedeutung zu wie einer händischen Signatur bei
Papierdokumenten. Beim Einsatz von elektronischen Unterschriften ist die Ein-
deutigkeit von Unterschriften zu gewährleisten. Es ist weiterhin sicherzustellen,
dass sowohl der Name des Unterzeichnenden als auch das Datum und der Zeit-
punkt der Unterschrift dauerhaft mit dem zugehörigen Dokument verbunden sind.
Außerdem muss die Bedeutung der Unterschrift (z. B. Autor, Prüfer, Genehmiger)
klar aus dem Dokument hervorgehen.
8.5.5 Periodische Evaluierung
Computerisierte Systeme müssen periodisch vom Systemverantwortlichen (system
owner), gegebenenfalls unter Beiziehung von Experten aus anderen Bereichen (IT,
QA), evaluiert werden, um zu bestätigen, dass sie sich noch im validen Zustand
8.5 Computervalidierung 309
TIPP:
Insbesondere bei Anwendungen, die auf Softwareprodukte zugreifen, die auch im
Office-Bereich bzw. in Nicht-GxP-Systemen stark verbreitet sind (z. B. Windows-
Betriebssysteme, Microsoft Excel und Access, Oracle-Datenbanken, Labview-
Programmierumgebung), sind Benutzer validierter Computersysteme und Software
mit regelmäßigen Security Patches konfrontiert. Da diese häufig von der zentralen
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IT-Abteilung auf die gesamte Organisation ausgerollt werden, hat man als Anwen-
der in regulierten Bereichen oft nicht einmal die Möglichkeit zu entscheiden, ob
das Nichtausrollen des Security Patch oder die Änderung durch das Ausrollen ein
größeres Risiko für die Systemstabilität und -valididät darstellt.
Zur Risiko- und Aufwandsminimierung bei Security Patches/Updates von Office-
Systemen empfiehlt es sich daher, standardisierte Schnelltests auf definierten
Testrechnern durchzuführen. Die Definition der Tests erfolgt dabei unter Einbezie-
hung aller beteiligten Bereiche, meist im Rahmen der Validierung. Umfangreiche
For personal use only.
Updates (z. B. Umstellung von Windows 10 auf Windows 11 oder Einführung einer
komplett neuen Version von z. B. Excel) werden aber sinnvollerweise in eigenen
Projekten zusammen mit der IT-Abteilung abgewickelt.
8.5.6 Lieferantenbewertung
Werden computerisierte Systeme, Software oder CSV-relevante Dienstleistungen
von Dritten bezogen (z. B. Entwicklung, Herstellung, Installation, Konfiguration,
Wartung), so ist eine formale Leistungsvereinbarung zwischen dem Medizinpro-
duktehersteller und dem Dritten abzuschließen, in der die Verantwortlichkeiten
des Dritten eindeutig beschrieben sind. Dies gilt analog für zugelieferte Produkte
oder Dienstleistungen der internen IT-Abteilung. Je nach Systemrisiko und Sys-
temkategorie wird vordefiniert, welche der nachfolgenden Nachweise zur Lieferan-
tenqualifizierung für die Validierung erforderlich sind:
Life-cycle-Analyse: Dokumentierte Internetrecherche zur Leistung des zuge-
kauften Systems/der zugekauften Software (z. B. Berichte in User-Foren, Fach-
artikel), zum Umgang des externen Lieferanten mit Fehlern (z. B. bug list-Ana-
lyse), Änderungen, Versionen und bekannt gewordenen Sicherheitslücken;
dies bietet sich insbesondere bei großen Softwareherstellern an, bei denen ein
direkter Zugang über die im Folgenden genannten Möglichkeiten in den aller-
meisten Fällen nicht möglich ist.
310 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Audit: Ist die umfassendste Art, Sicherheit darüber zu erlangen, dass der Lie-
ferant in der Lage ist, die Anforderungen dokumentiert mit hoher Wahrschein-
lichkeit zu erfüllen. Die Notwendigkeit eines Audits sollte auf einer Risikobe-
wertung basieren und ist nur bei kritischen Lieferanten oder Produkten (siehe
Kapitel 11, Lieferantenmanagement) ins Auge zu fassen.
Abhängig vom Risiko des produzierten Medizinprodukts, dem möglichen Einfluss
For personal use only.
des zugekauften computerisierten Systems bzw. der gelieferten Software auf die
Qualität und Sicherheit des Medizinprodukts muss die Vollständigkeit der vom
Lieferanten zur Verfügung gestellten Informationen geprüft und müssen eventu-
elle Lücken bewertet werden. Sind die erhaltenen Informationen nicht ausrei-
chend, um die ins Auge gefasste Software oder computerunterstützte Anwendung
ausreichend bewerten zu können, sind entweder entsprechende Tests zu planen
oder mögliche Alternativen zu suchen. Der Hersteller soll weiterhin die möglichen
Konsequenzen berücksichtigen, sollte der Softwarelieferant seine Dienste einstel-
len (z. B. durch Insolvenz).
Soll ein validiertes GxP-relevantes System bei einem externen Lieferanten/Partner
eingesetzt bzw. zu ihm transferiert werden, so sind eigene Installations-/Über
gabeprotokolle zu erstellen, die Folgendes nachweisen sollen:
die ordnungsgemäße Installation/Inbetriebnahme beim externen Lieferanten,
die Klärung der Zuständigkeit für die Wartung und Kalibrierung des extern
installierten Systems,
die erfolgreiche Durchführung dokumentierter (kurzer) Funktionstests laut
Checkliste,
die Unterzeichnung einer Übernahmebestätigung nach Installation und erfolg-
reich abgeschlossenem Funktionstest.
8.5 Computervalidierung 311
8.5.7 Best Practice
steht sehr schnell eine hohe Zahl an Softwaretools oder computerisierten Anlagen
in den GxP-relevanten Bereichen. Für eine rasche Erstklassifizierung hat sich ein
einfaches Erstbewertungsformular bewährt, das erlaubt, in wenigen Minuten die
Frage „Computervalidierung ja/nein?“ zu beantworten. Dadurch wird verhindert,
dass speziell Tools und Applikationen in der Entwicklung nicht erfasst werden und
damit in weiterer Folge ein Sicherheits- und Inspektionsrisiko darstellen. Etwas
Ähnliches gilt für den Validierungsumfang – die zusätzlichen Validierungsaufwen-
dungen werden nur dann von den Mitarbeitenden akzeptiert, wenn sie in einem
For personal use only.
erklärbaren Verhältnis zum Risiko der Software oder des computerisierten Sys-
tems stehen.
Geregelter Stilllegungs-/Migrationsprozess
Folgende Fälle werden für validierte Systeme am Ende ihres operativen Einsatzes
geregelt:
Entzug (z. B. Lizenz läuft aus),
Datenmigration bzw. Archivierung,
Stilllegung (möglicherweise nur vorübergehend),
Entsorgung.
Die Abwicklung erfolgt mittels Risikoeinschätzung und wird in einem Statusände-
rungsformular dokumentiert. Im Fall einer Datenmigration bzw. Archivierung ist
grundsätzlich Folgendes zu beachten:
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8.6 Zusammenfassung
Bei der Entwicklung von Medizinprodukten sowie bei der Planung, der Errichtung
und dem Betrieb von Produktionsanlagen sind die Anforderungen der Good Engi-
neering Practice (GEP) umzusetzen. Dabei sind zusätzlich zum etablierten Enginee-
ring-Prozess, wie er z. B. für Chemie- und Erdölindustrieanlagen eingesetzt wird
(z. B. Basic-, Detail-Engineering, FAT, SAT), im Wesentlichen die Anforderungen
der Guten Herstellungspraxis (GMP) zu berücksichtigen.
GEP wird branchenspezifisch über technische Normen definiert. Die zusätzlich
einzuhaltenden GMP-Anforderungen sind in den USA über den 21 CFR 820 und in
Europa über die fISO 13485 definiert. Um diese GMP-Anforderungen zu erfüllen,
müssen z. B. alle qualitätsrelevanten Anforderungen an die Produktionsanlagen
und Produktionsräume in einer Betreiberanforderung festgelegt werden. Die kor-
rekte Spezifikation bzw. Errichtung von kritischen Produktionsanlagen und Pro-
duktionsräumen sowie deren korrekte Funktionsweise, Leistungsfähigkeit und
Prozessfähigkeit sind im Zuge der Qualifizierung/Validierung zu überprüfen, um
sicherzustellen, dass die gewünschte Produktqualität reproduzierbar hergestellt
8.7 Literatur 313
8.7 Literatur
For personal use only.
[8.1] World Health Organization (WHO): WHO Technical Report Series, No. 961 – Annex 5: Supplemen-
tary guidelines on good manufacturing practice for heating, ventilation and air-conditioning
systems for non-sterile pharmaceutical dosage forms. 2011. Verfügbar unter: https://apps.who.
int/iris/bitstream/handle/10665/44079/WHO_TRS_961_eng.pdf;jsessionid=55816099C28706DE41
30E62186029C6C?sequence=1#page=%20106#, abgerufen am 14. 04. 2021.
[8.2] European Parliament and of the Council: Directive 2014/30/EU of the European Parliament and of
the Council of 26 February 2014 on the harmonisation of the laws of the Member States relating
to electromagnetic compatibility (recast). In: Official Journal of the European Union, L 96/794.
2014. Verfügbar unter: EUR-Lex - 32014L0030 - EN - EUR-Lex (europa.eu), abgerufen am 14. 04. 2021.
[8.3] American Society for Testing and Materials International (ASTM): ASTM E2500 – 20: Standard Guide
for Specification, Design, and Verification of Pharmaceutical and Biopharmaceutical Manufactu-
ring Systems and Equipment. 2020.
[8.4] Europäisches Komitee für Normung (CEN): EN ISO 9170-1:2020 Terminal units for medical gas
pipeline systems - Part 1: Terminal units for use with compressed medical gases and vacuum.
(Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 9170-1:2020 Entnahmestellen
für Rohrleitungssysteme für medizinische Gase - Teil 1: Entnahmestellen für medizinische
Druckgase und Vakuum. Beuth, 2020.).
[8.5] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Code of Federal Regulations Title 21, Volume 1, Part
820 – Quality System Regulation, 21 CFR 820. 2017. Verfügbar unter: https://ecfr.federalregister.
gov/current/title-21/chapter-I/subchapter-H/part-820?toc=1, abgerufen am 14. 04. 2021.
[8.6] Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend: Bundesgesetzblatt Nr. 324/2008: Arznei-
mittelbetriebsordnung 2009 – AMBO 2009, Fassung vom 14. 04. 2021. In: Rechtsinformationssys-
tem des Bundes (RIS). 2012. Verfügbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe
?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20005989, abgerufen am 14. 04. 2021.
[8.7] European Commission: EudraLex – Volume 4 Good manufacturing practice (GMP) Guidelines. Ver-
fügbar unter: https://ec.europa.eu/health/documents/eudralex/vol-4_en, abgerufen am 14. 04. 2021.
314 8 GEP-/GMP-konforme Produktionsanlagen
Final Guidance for Industry and FDA Staff: General Principles of Software Validation. 2002. Ver-
fügbar unter: http://www.fda.gov/downloads/MedicalDevices/DeviceRegulationandGuidance/
GuidanceDocuments/ucm085371.pdf, abgerufen am 14. 04. 2021.
[8.12] Global Harmonization Task Force (GHTF): Quality Management Systems – Process Validation
Guidance (SG3/N99-10 Edition 2). 2004. Verfügbar unter: http://www.imdrf.org/docs/ghtf/final/
sg3/technical-docs/ghtf-sg3-n99-10-2004-qms-process-guidance-04010.pdf, abgerufen am 14. 04. 2021.
[8.13] European Commission: EudraLex – Volume 4 Good manufacturing practice (GMP) Guidelines –
Annex 15 to the EU Guide to Good Manufacturing Practice: Qualification and Validation. 2001.
Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/files/eudralex/vol-4/2015-10_
For personal use only.
[8.24] European Commission: EudraLex – Volume 4 Good manufacturing practice (GMP) Guidelines –
Annex 11 to the EU Guide to Good Manufacturing Practice: Computerised Systems. 2011. Verfügbar
unter: https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/files/eudralex/vol-4/annex11_01-2011_en.pdf,
abgerufen am 30. 04. 2021.
[8.25] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Code of Federal Regulations Title 21, Volume 1, Part 11 –
Electronic Records; Electronic Signatures, 21 CFR Part 11. 2017. Verfügbar unter: https://www.
accessdata.fda.gov/scripts/cdrh/cfdocs/cfcfr/CFRSearch.cfm?CFRPart=11, abgerufen am 30. 04. 2021.
[8.26] International Society for Pharmaceutical Engineering (ISPE): GAMP 5: A Risk-Based Approach to
Compliant GxP Cumputerized Systems. 2008. Verfügbar unter: https://ispe.org/publications/
guidance-documents/gamp-5, abgerufen am 30. 04. 2021.
[8.27] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Guidance for Industry: Part 11, Electronic Records;
Electronic Signatures – Scope and Application. 2003. Verfügbar unter: https://www.fda.gov/
downloads/regulatoryinformation/guidances/ucm125125.pdf, abgerufen am 30. 04. 2021.
[8.28] U. S. Food and Drug Administration (FDA): FDA/CBER Guidance for Industry and Food and Drug
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30. 04. 2021.
[8.31] International Organization for Standardization (ISO): ISO/IEC 27001:2013– Information techno-
logy – Security techniques – Information security management systems – Requirements“. Inter-
national Organization for Standardization, October 2013, abgerufen am 30. 04. 2021.
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For personal use only.
9 Prozess- und
Methodenvalidierung
J. Harer
SCHWERPUNKTE:
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Was sind der gesetzliche Rahmen sowie die anwendbaren Richtlinien und
Normen für Medizinprodukte und IVDs?
Welche Relevanz hat die Prozessvalidierung und welche wesentlichen Anfor-
derungen bestehen für die Planung, Durchführung und Dokumentation?
Welche Weichen können bereits in der Prozessentwicklungsphase gestellt
werden, damit die Prozessvalidierung gelingt und die Validität des Prozesses
im Produktlebenszyklus weiter erhalten werden kann?
Wie kann in der Praxis mit Mängeln und besonderen Validierungssituationen
For personal use only.
umgegangen werden?
Was ist das Ziel der Methodenvalidierung, und welche Parameter werden in
einer Methodenvalidierung nachgewiesen?
9.1 Prozessvalidierung
Prozessvalidierung soll einen objektiven Nachweis liefern, dass ein Prozess be-
ständig ein Ergebnis gemäß den vordefinierten Spezifikationen erbringt. Damit
soll sichergestellt werden, dass während der Entwicklung eines Produkts erzielte
Ergebnisse auch während der Serienfertigung mit großer Wahrscheinlichkeit er-
bracht werden können. Das Thema Prozessvalidierung wird international in zahl-
reichen Vorgaben und Guidelines behandelt und auch gefordert. Es handelt sich
dabei sowohl um gesetzliche Forderungen als auch um Normen oder Empfehlun-
gen. Will ein Unternehmen seine Produkte in einem bestimmten Markt vertreiben,
so sind die Gesetze des betreffenden Markts einzuhalten. Manche Märkte orientie-
ren sich auch an den gesetzlichen Anforderungen anderer Staaten. Vor allem die
USA, deren gesetzliche Anforderungen durch die Food and Drug Administration
(FDA) überwacht werden, gelten international als Maßstab. Die FDA bietet zudem
besonders umfassende Interpretationen der gültigen US-Vorschriften an. Die Aus-
318 9 Prozess- und Methodenvalidierung
führungen dieses Kapitels orientieren sich daher auch stark an den Anforderun-
gen der US-amerikanischen Behörde.
[9.2] (und in Abschnitt 7.5.7 für Sterilprozesse) „muss die Organisation sämtliche
Prozesse der Produktion und Dienstleistungserbringung validieren, deren Ergebnis
nicht durch nachfolgende Erfassung oder Messung verifiziert werden kann. Die Vali-
dierung muss (dabei) die Fähigkeit dieser Prozesse zur beständigen Erreichung der
geplanten Ergebnisse darlegen.“ Ähnlich der US-amerikanische Code of Federal
Regulations 21 CFR 820.75(a) [9.3]: „Where the results of a process cannot be fully
verified by subsequent inspection and test, the process shall be validated with a high
degree of assurance and approved according to established procedures.“
Darüber hinaus gibt die Guidance for Industry, Process Validation: General Princip-
les and Practices [9.4] wertvolle Anhaltspunkte zur korrekten Planung, Durchfüh-
rung und Dokumentation von Prozessvalidierungen. Obwohl dieses Dokument
streng genommen für den Pharmabereich gültig ist, sind die Prinzipien und die
Vorgehensweise identisch bei Medizinprodukten anwendbar und werden auch von
Inspektoren bei Überprüfungen als „Stand der Technik“ herangezogen. Es betont
vor allem die Wertigkeit der Prozessentwicklung für die Prozessvalidierung und
ist die derzeit aktuellste Richtlinie zum Thema.
Auf europäischer Ebene existiert ebenfalls eine Richtlinie aus dem Pharmabereich,
der Annex 15 to the EU Guide to Good Manufacturing Practice [9.5], welcher analog
für Medizinprodukte herangezogen werden kann.
Auf globaler Ebene ist darüber hinaus eine Richtlinie der Global Harmonization
Task Force (GHTF) von Bedeutung, die ausschließlich für den Medizinprodukte
9.1 Prozessvalidierung 319
bereich gilt. Die Quality Management Systems – Process Validation Guidance [9.6]
betont die besondere Situation der Prozessvalidierung im Medizinproduktebe-
reich, der im Vergleich zur Pharmaindustrie eine Vielzahl von Technologien um-
fasst, die beispielsweise von einfachen, händisch zu bedienenden Werkzeugen bis
zu komplexen, computergestützten Analysesystemen reichen kann. Die Richtlinie
geht auch darauf ein, dass Faktoren wie das Produktionsvolumen, die Anzahl von
Fertigungsschritten oder beispielsweise zerstörende Prüfungen einen großen Ein-
fluss auf die Herangehensweise an die Prozessvalidierung haben, und bietet Lö-
sungsansätze über statistische Verfahren (vgl. Methodenvalidierung). Die FDA ver-
weist für den Medizinproduktebereich ausdrücklich auf die GHTF-Richtlinie (vgl.
[9.4]). Die Berücksichtigung der GHTF-Richtlinie und der beschriebenen FDA-
Richtlinie aus dem Pharmabereich ergibt eine sinnvolle Kombination an praxisori-
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entierten Vorgaben.
TIPP:
Publikationen und diverse Guidance Papers von Arbeitskreisen, Industrieverbänden
und Behörden (insbesondere der FDA – siehe www.fda.gov) sind aufschlussreiche
Quellen für Details der, sowie für den aktuellen Zugang zur Prozessvalidierung.
Lohnenswert kann auch sein, sich mit Auditergebnissen (z. B. den FDA Warning
For personal use only.
9.1.2.1 Definitionen
„Process validation means establishing by objective evidence that a process con-
sistently produces a result or product meeting its predetermined specifications“
[9.3].
„The collection and evaluation of data, from the process design stage through
commercial production, which establishes scientific evidence that a process is
capable of consistently delivering quality products“ [9.4].
320 9 Prozess- und Methodenvalidierung
9.1.2.2 Nutzen
Der Aufwand für die Planung und Durchführung der Prozessvalidierung kann
For personal use only.
hoch sein, aber ihr Nutzen wiegt das bei Weitem auf, wie beispielsweise:
Sichtbarkeit/Messbarkeit der Prozessqualität unter Routinebedingungen,
Beitrag zur internen Entscheidung für die Marktfreigabe (Produzierbarkeit,
Lieferfähigkeit etc.),
dokumentierter Nachweis für interne Zwecke (Prozessverbesserungen, Erken-
nen von Schwachstellen, firmeninterne Anforderungen etc.),
dokumentierter Nachweis für externe Zwecke (Voraussetzung für Marktein-
tritt, Nachweispflicht gegenüber Behörden, schnellere Reklamationsbearbei-
tung etc.),
dokumentierter Nachweis als vertragliche Bedingung bei OEM-Partnerschaf-
ten oder als Zulieferer an Medizinproduktehersteller.
9.2 Die Rolle von Prozessentwicklung und Risikomanagement 321
MERKE:
Die Ergebnisse der Prozessvalidierung zeigen, wie umsichtig in der Prozessent-
wicklungsphase, im Besonderen im Risikomanagementprozess, gearbeitet wurde.
Je mehr Prozesswissen in dieser Phase erworben und je besser der Prozess cha-
rakterisiert wurde, desto weniger Mängel werden bei der Prozessvalidierung und
For personal use only.
Auch die FDA [9.4] hält fest, dass der Erfolg einer Prozessvalidierung von den erar-
beiteten Informationen während der Produkt- und Prozessentwicklung abhängt.
Wichtige Erkenntnisse, die in diesen Phasen erarbeitet werden sollen, betreffen:
Einflussfaktoren bzw. Ursachen von möglichen Schwankungen zu erkennen,
Schwankungen und deren Auswirkung auf das finale Produkt zu ermitteln,
Maßnahmen, um Schwankungen zu kontrollieren, die in einem angemessenen
Verhältnis zum Risiko des Prozesses bzw. Produkts stehen.
Dabei ist entscheidend, das erarbeitete Wissen umfassend, also nachvollziehbar,
fundiert und auffindbar zu dokumentieren. Anhand gut dokumentierter Ergeb-
nisse kann bei unvorhergesehenen Problemen und bei Produkt- bzw. Prozessver-
besserungen viel schneller und effizienter reagiert werden. Es erleichtert aber
auch Erklärungen bei möglichen Inspektionen durch Behörden.
Der Risikomanagementprozess sollte während der Prozessentwicklung dazu ge-
nutzt werden, den Aufwand und die Tiefe der Validierungsaktivitäten zu steuern.
In dieser Phase werden sich jene Punkte als kritische Parameter herauskristalli-
sieren, die validierungsrelevant sind.
322 9 Prozess- und Methodenvalidierung
MERKE:
Der Risikomanagementprozess ist im gesamten Produktlebenszyklus ein zentrales
Thema. In der Literatur sowie in den Vorgaben wird in diesem Zusammenhang
häufig vom risk based approach, also dem risikobestimmten Ansatz, gesprochen.
Dabei sollen Entscheidungen den Risikokriterien angemessen gefällt werden.
TIPP:
Vergessen Sie im Rahmen der Risikoanalysen nicht die Bewertung der Schnittstel-
len zwischen den einzelnen Prozesseinheiten.
Begründen Sie nachvollziehbar, wenn Risiken nicht vermindert werden (z. B. Feh-
ler erzeugt nur internen wirtschaftlichen Schaden durch höhere Nacharbeitskos-
ten, hat aber keinen direkten Einfluss auf den Kunden) oder werden können (z. B.
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Zunächst gilt es, den Prozess hinsichtlich seiner Einflussgrößen und Schwankun-
gen kennenzulernen. Das statistische Verhalten von Prozessen kann beispiels-
weise mittels Qualitätsregelkarten beschrieben werden. Die erhobenen Daten er-
lauben Rückschlüsse auf Prozessstörungen, deren Ausmaß und Ursachen. Darauf
aufbauend soll der Prozess so weit entwickelt und verbessert werden, dass er ver-
lässlich zu einem spezifikationskonformen Endprodukt führt, also stabil, be-
herrscht und fähig ist [9.6]. Der Erfolg der anschließend getroffenen Verbesse-
rungsmaßnahmen kann wiederum mittels statistischer Methoden gut gemessen
und dargestellt werden.
Es bieten sich zahlreiche statistische Methoden für Untersuchungen an, um die
Fähigkeit und Stabilität des Prozesses anhand der gewonnenen Daten zu analysie-
ren und zu dokumentieren, darunter:
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Fähigkeitsuntersuchung,
Abnahmestichprobenplan,
Kontrollkarten,
Statistische Versuchsplanung/Design of Experiments (DoE),
Toleranzanalyse,
For personal use only.
Varianzanalyse (ANOVA),
Messsystemanalyse.
Als ergänzende Werkzeuge haben sich in der Praxis beispielsweise die FMEA und
die Fehlerbaumanalyse/Fault Tree Analysis (FTA) als nützlich erwiesen (siehe dazu
auch Kapitel 2, Risikomanagement). Die angeführten Methoden und Werkzeuge
sind nur ein Auszug aus vielen Möglichkeiten [9.6]. Es wird empfohlen, sich mit
deren Potenzial sorgfältig auseinanderzusetzen (beispielsweise [9.9] und [9.10]),
um die passende Methode für die betreffende Fragestellung zu finden.
Methoden, die im Rahmen der Produkt- und Prozessentwicklung eingesetzt wer-
den, sind nicht grundsätzlich validierungspflichtig. Im Vordergrund steht, dass die
Methoden wissenschaftlich fundiert sind (z. B. spezifisch, sensitiv und genau) und
verlässliche Ergebnisse bringen. Immer zu beachten ist, dass die Messmittel und
Geräte, die für die Analysen verwendet werden, verlässlich funktionieren, gewar-
tet, kalibriert oder qualifiziert sind und ihrem Verwendungszweck entsprechend
eingesetzt werden [9.4].
Für die Anwendung analytischer Methoden für die Produktfreigabe sollen aller-
dings die cGMP-Anforderungen des 21 CFR Part 210 [9.11] und 211 [9.12] beach-
tet werden. Eine Methodenvalidierung kann dafür notwendig werden (siehe auch
Abschnitt 9.5 dieses Kapitels). Für die Prozessvalidierung bedeutet dies, dass die
Validierung der analytischen Methoden bis zur Fertigung der Prozessvalidierungs-
Chargen erfolgreich abgeschlossen sein muss.
324 9 Prozess- und Methodenvalidierung
9.4 Die Prozessvalidierung
Im folgenden Abschnitt wird kurz dargestellt, welche organisatorischen und in-
haltlichen Voraussetzungen für den Beginn der Prozessvalidierung geschaffen
werden sollten. Anschließend werden der Ablauf sowie die erforderliche Doku-
mentation erläutert und anhand von Beispielen dargestellt.
In der Literatur und den zugrunde liegenden gesetzlichen Vorgaben werden Be-
grifflichkeiten aus der Anlagenqualifizierung, beispielsweise Installation Qualifica-
tion (IQ), Operational Qualification (OQ) und Performance Qualification (PQ), mit
der Prozessvalidierung vermischt bzw. in Verbindung gebracht. Das rührt daher,
dass Herstell- und Prüfprozesse, abhängig vom Automatisierungsgrad, oftmals
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nicht klar von den eingesetzten Anlagenfunktionen getrennt werden können. Be-
sonders in der PQ gibt es Überschneidungen mit den Aktivitäten der Prozessvali-
dierung. Im Extremfall sind PQ und Prozessvalidierung deckungsgleich. Meistens
aber wird aufgrund der Aneinanderreihung von Anlagen und manuellen Tätigkei-
ten nach der Anlagen-PQ eine Prozessvalidierung nötig sein (siehe auch Kapitel 8,
GEP/GMP-konforme Produktionsanlagen).
For personal use only.
TIPP:
Damit die Prozessvalidierung im Unternehmen gelingen kann, gilt es zunächst,
dem Management und der Belegschaft zu erklären, warum sie sich mit diesem
Thema beschäftigen müssen. Vor allem das Management muss von der Notwen-
digkeit und Sinnhaftigkeit von Prozessvalidierungen überzeugt werden und in
weiterer Folge die erforderlichen Ressourcen und Tools zur Durchführung zur
Verfügung stellen. Auch die Erarbeitung von Verfahrens- und Arbeitsanweisungen
sowie standardisierten Vorlagen, die in das QM-System integriert werden, sind
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche und effiziente Durchführung aller Vali-
dierungsaktivitäten.
Prozessentwicklung,
Prüfmittelüberwachung
etc.
Vor allem in komplexen Validierungsprojekten muss zuerst eine Projektorganisa-
tion und deren Aufgaben und Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Auch eine
geregelte Kommunikationsstruktur ist für den erfolgreichen Ablauf des Projekts
erforderlich, z. B. Meetings des Lenkungsteams, zugänglicher Termin- und Fort-
schrittsplan für alle Teammitglieder, Update per E-Mail bei Erreichung wesentli-
cher Meilensteine, periodische Status-Updates an die Projektleitung und das vali-
dierende Team durch die (Teil-)Projektleiter.
Die Aufgaben der Validierungslenkung werden zumeist von einem Fachexperten
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9.4.1 Masterplanung
Die Masterplanung ist eine der ersten prozessvalidierungsspezifischen Aktivitäten
und ermöglicht die Darstellung der Zusammenhänge im Validierungsprojekt. Für
größere Validierungsprojekte wird empfohlen, sämtliche validierungsrelevanten
Teilaspekte in Einheiten zu gliedern und die Vorgehensweise in einem übergeord-
neten Projektdokument zu beschreiben (siehe Bild 9.1). Jeder Teilaspekt sollte wie-
derum in einem Validierungsmasterplan (VMP) beschrieben und grob geplant
werden. Die Gliederung in inhaltlich verwandte Bereiche (z. B. Produktionsberei-
che, gleiche Anlagen, gleiche Gebäude) oder strategieverwandte Vorgehensweisen
kann sehr zum effizienten Ablauf beitragen.
In kleinen, überschaubaren Validierungs(teil)projekten kann auf den VMP ver-
zichtet und nur ein Validierungsplan (VP) erstellt werden.
326 9 Prozess- und Methodenvalidierung
Übergreifender VMP
Projektspezifische Pläne
QMP VMP
Bereich 2 Bereiche 2 + 3
QMP
Bereich 3
Üblicherweise dient der VMP als Dachdokument. Für die jeweiligen Validierungen
wird ein separater VP erstellt. Der VP kann grundsätzlich gleich aufgebaut wer-
den, er enthält jedoch detailliertere Angaben.
BEACHTE:
Zu jedem Validierungsmasterplan, wie auch zu den einzelnen Validierungsplänen,
wird abschließend ein Bericht (VMB/VB) erstellt. Inhaltlich orientiert sich der VMB
an den Festlegungen des VMP. Die Ergebnisse sollten den definierten Akzeptanz-
kriterien gegenübergestellt, auf Mängel und Abweichungen soll eingegangen und
eine zusammenfassende Bewertung soll erstellt werden.
Dokumentation
Zu regeln ist in diesem Zusammenhang vor allem, wie die Ein-Eindeutigkeit der zu
erstellenden Dokumente gewährleistet werden kann, beispielsweise durch die Ver-
gabe von Projektnummern, die Regelung der Dokumentenversionierung, -benen-
nung und -archivierung (siehe Abschnitt 1.2.3). Ablagen als Papierkopien haben
For personal use only.
den Vorteil, dass sie bei Fragen griffbereit und übersichtlich zur Verfügung gestellt
werden können, während die Ablage in Dokumentenmanagementsystemen platz-
sparend ist und elektronisch gespeicherte Dokumente für spätere Projekte einfa-
cher zur Verfügung stehen. In beiden Fällen muss besonderes Augenmerk auf die
Wiederauffindbarkeit gelegt werden.
TIPP:
Eine 100 %-Kontrolle kann zwar die Prozessvalidierung ersetzen, aber langfristig
hohe Kosten verursachen. Eine statistisch abgesicherte Prüfmethode in Kombina-
tion mit einer Prozessvalidierung ist daher oft effizienter und ebenso effektiv.
manuelle Schneideprozesse,
Prüfungen auf Oberflächenbeschaffenheit, Farbe und Trübung,
visuelle Prüfung von Leiterplatinen,
Herstellung und Prüfung von Kabelbäumen.
Prozesse, für die das Entscheidungsmodell angewendet werden soll, sind beispiels-
weise bestimmte
Reinigungsprozesse,
manuelle Assemblierprozesse,
Abfüllprozesse.
BEACHTE:
Wenn das Ergebnis eines (Teil-)Prozesses softwaregestützt verifiziert wird, muss
die Software für diesen Zweck validiert und die Hardware qualifiziert sein (siehe
Abschnitt 8.5, Computervalidierung).
330 9 Prozess- und Methodenvalidierung
9.4.2.3 Validierungsansatz
Der prospektive Validierungsansatz ist nach heutigem Stand der Technik der
Regelfall der Prozessvalidierung und gilt für alle neuen Produkte, Produktionsver-
fahren und wesentlichen Prozessänderungen. Prospektive Validierung bedeutet,
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BEISPIEL:
Beispiele für die Wahl einer begleitenden Validierung:
a) Validierung eines bestehenden Prozesses: Die Datenanalyse im Rahmen
der Risikobetrachtung belegt eine hohe Stabilität des Prozesses in der Ver-
gangenheit. Strategie: Die Zahl der Validierungslose wurde mit drei definiert.
Die Standardlose sind allerdings so groß, dass sie nur ein- bis zweimal jährlich
gefertigt werden (zur Vermeidung von hohen Kosten für Lagerung oder Über-
schussproduktion).
b) Prozessänderung: Ein neues Prüfverfahren soll eingeführt werden, welches
das alte Prüfverfahren ablösen soll. Die Durchlaufzeit für die Produktion beträgt
sechs Wochen, und das Produkt hat eine Haltbarkeitsdauer von sechs Mona-
ten. Strategie: Die Zahl der Validierungslose wurde mit 15 definiert. Ein scale-
down der Validierungslosgröße ist aufgrund der prozesstechnisch bzw. statis-
tisch relevanten Mindestproduktionsmenge nicht möglich. Um den
Qualitäts- und Haltbarkeitsanforderungen des Kunden zu genügen, müssen
die Lose sofort ausgeliefert werden (zur Vermeidung hoher Kosten für die
Verschrottung von Gut-Validierungslosen).
Üblicherweise wird bei der begleitenden Validierung die Qualität der auszulie-
fernden Produkte durch zusätzliche Prüfmaßnahmen abgesichert. In den vorhin
genannten Beispielfällen könnte eine erhöhte Stichprobenanzahl die begleitende
Validierung rechtfertigen, gegebenenfalls kann die erfolgte Methodenvalidierung
des verwendeten Prüfverfahrens ins Treffen geführt werden.
9.4 Die Prozessvalidierung 331
9.4.2.4 Validierungsfamilien
Um bei gleichartigen/verwandten Produkten Aufwand zu sparen, können Validie-
rungsfamilien gebildet werden. Voll validiert wird dabei nur ein ausgewählter Re-
präsentant der Familie, die Ergebnisse gelten dann für die gesamte Familie. Die
übrigen Familienmitglieder können auf Basis eines reduzierten Validierungsum-
fangs freigegeben werden. Diese Vorgehensweise ist empfehlenswert bei Produk-
ten, deren Herstellung auf denselben oder vergleichbaren qualifizierten Anlagen
For personal use only.
erfolgt und die sich beispielsweise nur durch die Chargengröße oder die Menge
der aktiven Einsatzstoffe unterscheiden. Ausgewählt als Familienvertreter wird
das „risikoreichste“, d. h. das am schwierigsten zu fertigende Produkt. Diese Vorge-
hensweise muss vorab festgelegt werden.
9.4.3.1 Validierungsstrategie
Vor Erstellung des Validierungsplans muss eine Validierungsstrategie festgelegt
werden. Die Validierungsstrategie sollte zum betreffenden Produkt, seiner Herstel-
lung und Prüfung passen. Sie sollte in jeder Hinsicht risikobasiert definiert wer-
den und beispielsweise folgende Aspekte festlegen:
Validierungsansatz – prospektiv, begleitend, retrospektiv,
Familienbildung/Auswahl eines oder mehrerer Repräsentanten,
Anzahl der Validierungs-Chargen (die Fertigung von drei aufeinanderfolgen-
den Validierungs-Chargen galt lange als Standardansatz, vor allem für die Va-
lidierung von etablierten, stabilen Herstell- und Prüfprozessen. Bei neuen Pro-
zessen müssen statistische Kriterien für die Anzahl der Validierungs-Chargen
herangezogen werden),
geplanter zeitlicher Rahmen,
9.4 Die Prozessvalidierung 333
Besonderheiten wie
Abgrenzung zu Prozessteilen, die nicht Gegenstand der Validierung sind,
Vor- oder Nachbedingungen für die Freigabe,
Gegebenheiten für den vorzeitigen positiven Abschluss (beispielsweise
zehn Chargen, bei x Chargen ohne Mängel mit einem durchschnittlichen
und/oder jeweiligen Yield von mindestens xx % gilt die Validierung als er-
folgreich und kann abgeschlossen werden),
Gegebenheiten für einen vorzeitigen negativen Abschluss (beispielsweise
bei erstmaliger Überschreitung des erlaubten within-lot-Ausschusses von
x % wird die Validierung abgebrochen, der Prozess entspricht aus Kosten-
gründen nicht den definierten Spezifikationen und muss vor der erneuten
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BEISPIEL:
Validierungsstrategie für die Abfüllung einer Kalibrierlösung
Familienvalidierung und Chargengröße/Scale-up-Szenario: Ausgewählt wurde die
kleinste Flasche als am schwierigsten abzufüllendes Gebinde (120 ml repräsen-
tativ für 120, 180 und 340 ml). Die maximale Chargengröße beträgt 6000 Stück
For personal use only.
9.4.3.2 Validierungsplan
Ist die Validierungsstrategie festgelegt, wird als nächster Schritt ein Validierungs-
plan erstellt. Der Validierungsplan beschreibt alle erforderlichen Aktivitäten für
den Nachweis, dass ein Prozess gleichbleibend und fähig ist, das vorgesehene Er-
gebnis zu erzielen. Ein freigegebener Validierungsplan ist die Voraussetzung für
den Beginn der Validierung und sollte folgende Inhalte umfassen:
Rahmenbedingungen
Zweck und Geltungsbereich,
zugrunde liegender und gültiger Validierungsmasterplan,
Verantwortlichkeiten (Name und Funktion der verantwortlichen Personen
für die Durchführung, Prüfung und Genehmigung).
334 9 Prozess- und Methodenvalidierung
TIPP:
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Die Schnittstelle zu den eingesetzten Materialien kann in der Praxis ebenfalls re-
levant sein, da Schlüsseleinsatzstoffe häufig kritische Parameter sind. Ihre Bedeu-
tung bzw. Validierungsrelevanz wird oft durch das Vorhandensein einer Waren
eingangskontrolle unterschätzt und tritt dann unerwartet zutage, wenn (im
Routinebetrieb) „plötzlich etwas nicht funktioniert“. Definieren Sie daher nach
Möglichkeit auch die Schlüsseleinsatzstoffe im Validierungsplan.
For personal use only.
TIPP:
Der Prüfumfang für die Validierung ist in aller Regel höher als für den Routine
betrieb.
Beschreiben Sie genau, was, wie und wie oft verifiziert bzw. gemessen werden
muss und welche statistische Relevanz die Prüfungen haben. Beschreiben Sie
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auch, wann gemessen werden muss, was die Annahme- und Rückweisekriterien
sind und wie die Dokumentation der Ergebnisse zu erfolgen hat.
Achten Sie bei der Darstellung Ihrer Vorgehensweise und Ergebnisse sorgfältig
auf Klarheit. Kommentieren Sie beispielsweise in der Losdokumentation ein un-
erwartetes Ereignis nicht nur mit „Fehler“, sondern geben Sie an, welcher Fehler
aufgetreten ist, wie er verursacht wurde und wer ihn festgestellt hat. Damit unter-
stützen Sie sowohl das durchführende Projektteam als auch die spätere Beant-
wortung von internen Fragestellungen und die vertrauenserweckende Darstellung
For personal use only.
TIPP:
Üblicherweise werden Validierungs-Chargen aufeinanderfolgend gefertigt. Im
Rahmen der Validierungsstrategie ist es aber möglich, vorab Situationen zu defi-
nieren, um Chargen aus der Validierungsbewertung ausnehmen zu können.
BEISPIEL:
Erlaubte Ausnahmesituationen
Der definierte Routineprozess für die Produktherstellung sieht In-Prozess-
Kontrollen vor, aufgrund welcher der Prozess frühzeitig, also noch vor der
Endkontrolle, abgebrochen werden kann.
Es kommt während des Herstellprozesses zu einem dokumentierten Anlagen-
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fehler oder einem menschlichen Fehler, der vor Fertigstellung und Prüfung des
Validierungsloses erkannt wird. Auch hier kann der Prozess vorzeitig abgebro-
chen und das Los aus der Validierungsbewertung genommen werden.
Für die Dokumentation der Prüfungen während der Validierung hat sich in der
Praxis bewährt, den beteiligten Mitarbeitern geeignete Formulare bereitzustellen.
Hier sollen z. B. die Chargennummer, Fertigungsstart, Prüfpunkte, Akzeptanzbe-
reiche und Prüfergebnisse sowie der Name und die Signatur des durchführenden
For personal use only.
BEACHTE:
Dokumentieren Sie alle Abweichungen von der im Validierungsplan definierten
Vorgehensweise und den Routineherstellungs- und -prüfvorgaben. Schulen Sie
auch das Personal vorab, wie Abweichungen während der Validierung zu doku-
mentieren sind und wer zu informieren ist. Die Dokumentation soll so erfolgen,
dass auch im Nachhinein die Relevanz des Mangels bewertet werden kann.
9.4.3.4 Validierungsbericht
Sobald alle Validierungstätigkeiten und Prüfungen abgeschlossen sind, werden die
Rohdaten ausgewertet und wird der Validierungsbericht erstellt. Im Validierungs-
bericht werden Ergebnisse und Mängel in möglichst prägnanter Weise zusammen-
gefasst sowie der Erfüllungsgrad aller festgelegten Akzeptanzkriterien dokumen-
tiert. Sollten noch Punkte offenbleiben, müssen diese in ihrer Auswirkung auf die
Gültigkeit der Validierung risikobewertet, und ihre Nachverfolgung muss festge-
legt werden.
Der Validierungsbericht dokumentiert die Vollständigkeit der erstellten Nach-
weise und stellt den Validierungsstatus des entsprechenden (Teil-)Prozesses fest.
Die Validierung ist abgeschlossen, sobald der Validierungsbericht samt den erfor-
9.4 Die Prozessvalidierung 337
TIPP:
Der Bericht sollte auch dann erstellt werden, wenn die Validierung fehlgeschlagen
ist, um dem zuständigen Management die Möglichkeit zu geben, über die weitere
Vorgehensweise zu befinden und für die weiteren Schritte einen dokumentierten
Startpunkt zu haben.
Qualitätssicherung),
Referenz zum gültigen Validierungsplan und Masterplan,
Referenz zu den wesentlichen Nachweisdokumenten wie etwa der Anlagen-
qualifizierung, Reinigungsvalidierung, Methodenvalidierung sowie der gülti-
gen Version der Prozessrisikoanalyse,
Anzahl und Identifikation der Validierungs-Chargen und die jeweilige Char-
For personal use only.
gengröße,
Referenz auf die Herstell- und Prüfprotokolle der Validierungs-Chargen, die
Rohdaten sollten als Kopien beigelegt werden,
eindeutige Identifikation der verwendeten Schlüsseleinsatzstoffe/-komponen-
ten,
Ergebnisse der Validierungsprüfungen
Routineprüfungen (In-Prozess-Kontrollen und QC-Ergebnisse) und Validie-
rungstests,
Stichprobenidentifikation mit Referenz zum Stichprobenplan,
Vergleich der Resultate mit den zuvor festgelegten Akzeptanzkriterien,
Beschreibung aller Mängel und Abweichungen,
Erläuterung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen,
formales Abschluss-Statement und je nach Ergebnis
Freigabe für den Routinebetrieb,
Freigabe für den Routinebetrieb mit zusätzlichen Maßnahmen,
keine Freigabe für den Routinebetrieb.
338 9 Prozess- und Methodenvalidierung
TIPP:
Jeder erfolgreich abgeschlossene Validierungsbericht soll eine klar formulierte
Aussage enthalten, dass der validierte Prozess für den vorgesehenen Einsatz
freigegeben ist, z. B.: „Der Prozess <ABC> wurde gemäß Vorschrift <SOP> geprüft
und ist für den produktiven Einsatz in <XYZ> freigegeben.“
TIPP:
Spätestens im Validierungsbericht sollten jene Parameter spezifiziert werden,
deren Änderungen eine Prüfung auf Re-Validierung anstoßen, wie beispielsweise
die Änderung eines kritischen Einsatzstoffes, die Erhöhung der Losgröße oder die
Änderung wesentlicher Prozessgrößen.
BEISPIEL:
Für die Abfüllung einer IVD-Reagenz in Flaschen wurden Flaschendichtheit, Ge-
wicht/Füllmenge und Etikettierung/Beschriftung als Risiken erkannt und als va-
lidierungsrelevant eingestuft. Die Qualifizierung der Abfüllanlage inklusive der
anlageneigenen 100 %-In-Prozess-Kontrollen wurde zuvor positiv abgeschlossen.
For personal use only.
Laut Validierungsplan wird die gesamte Charge direkt nach der Abfüllung auf
Dichtheit überprüft. Anschließend wird eine festgelegte Stichprobe an Flaschen
drei Tage lang kopfüber gelagert und danach erneut visuell auf Dichtheit geprüft.
Eine weitere Prüfung erfolgt nach weiteren sieben Tagen Kopfüber-Lagerung, um
weiteren Ausschuss zu detektieren (Summe zehn Tage).
Ergebnis: Nach drei Tagen werden undichte Flaschen identifiziert, nach weiteren
sieben Tagen keine. Der Prozess ist somit in der Lage, unmittelbare Abfüllfehler
in der 100 %-Prüfung zu erkennen und fehlerhafte Produkte auszuschließen. Ein
schleichendes Dichtheitsproblem kann jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden.
Der Prozess wird unter der Bedingung der Beibehaltung der zusätzlichen Maßnah-
men (Kopfüber-Lagerung und Dichtheitsprüfung drei Tage nach der Produktion)
freigegeben. Aufgrund der hohen Kosten für die Zusatzprüfungen und Lagerung
wird jedoch nach Möglichkeiten gesucht, den Prozess langfristig zu verbessern.
Maßnahmen: In eingehenden Ursachenanalysen, Tests und Prozessrisikoanalysen
wurden Toleranzprobleme bei den Flaschendichtungen identifiziert. Die Ursache
liegt beim Flaschenlieferanten. In Zusammenarbeit mit den internen Anlagenspe-
zialisten und den Konstrukteuren sowie Mitarbeitern des Lieferanten werden das
Design der Flaschendeckel und die Warenausgangskontrolle des Lieferanten
(Vorgaben der Produktqualitätsprüfplanung – PQP) verbessert. Sobald der Fehler
beseitigt ist, wird die Prozessvalidierung mit verbesserten Flaschendeckeln wie-
derholt.
Über die Prozessvalidierung hinausgehend wurden die festgestellten Mängel sowie
die getroffenen Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen entsprechend den
Forderungen der ISO 13485 im CAPA-Prozess dokumentiert.
340 9 Prozess- und Methodenvalidierung
9.4.4 Besondere Rahmenbedingungen
Nicht immer ist es möglich, die Prozessvalidierung entwicklungsbegleitend vorzu-
bereiten und durchzuführen, vor allem dann nicht, wenn das Unternehmen mit
einem bestehenden Produkt in einen neuen Markt eintreten will oder die Herstel-
lung eines bereits am Markt befindlichen Produkts übernommen werden soll. Die
Analyse von bestehenden Produktionsdaten (historical data) kann in die Validie-
rung einfließen [9.6].
BEISPIEL:
Erstmalige Validierung eines etablierten Herstellprozesses
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Auch hier ist es sinnvoll, eine Kombination von Validierungslosen und Historical
Data Review durchzuführen. Sind jedoch umfassende Daten vorhanden (beispiels-
weise aus Herstellaufzeichnungen, Anlagenlogbüchern, Kontrollkarten, Prüf- und
Freigabeaufzeichnungen, Kundenrückmeldungen, Fehlermeldungen aus dem Markt,
Service- und Auditberichten), und sind diese Daten ausreichend und angemessen,
um einen Herstellprozess als stabil, reproduzierbar und unter Kontrolle auszuwei-
sen, kann ein eingehender Bericht über diese Datenanalyse eine Prozessvalidierung
ersetzen.
TIPP:
For personal use only.
Etablieren Sie in Ihrem Änderungsprozess z. B. einen Checkpunkt für die Re-Vali-
dierungsrelevanz und definieren Sie, wo immer möglich, standardisierte Kriterien,
die erfüllt sein müssen, damit eine Re-Validierung entfallen kann.
Textbeispiel 1:
„Wenn ein neuer Mitarbeiter Aufgaben im Herstellprozess übernimmt, so muss
dieser zunächst dokumentiert geschult werden und nach einer Einarbeitungszeit
von x Wochen kann er unter Mitarbeit und Verantwortung des Vorarbeiters für die
Alleinverantwortung freigegeben werden. Eine Änderung unter diesen Vorausset-
zungen ist kein Anlass für eine Re-Validierung.“
Textbeispiel 2:
„Der Ersatz eines Prüfmittels durch ein spezifikationsgleiches Prüfmittel für den-
selben Einsatzzweck stellt keinen Anlass für eine Re-Validierung dar. Der Eignungs-
nachweis ist jedoch zu erbringen.“
BEACHTE:
Entscheidungen gegen eine Re-Validierung trotz einer signifikanten Änderung
müssen begründet und dokumentiert werden.
erst die Summe von kleinen Änderungen zu Problemen. Zahlreiche Quellen emp-
fehlen als Abhilfe einen formalen periodischen Review, ob eine Re-Validierung er-
forderlich ist oder nicht.
9.5 Methodenvalidierung
In den Herstellprozessen und in der Produktfreigabe werden analytische Metho-
den vielfältig angewandt. Um Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit der ana-
lytischen Ergebnisse sicherzustellen, müssen Prozesskontroll- und Freigabe
methoden verwendet werden, die sich auf ein anerkanntes Normal oder einen
international harmonisierten Standard beziehen. Sollte es keinen normierten Stan-
dard geben, sind „Masterstandards“ selbst herzustellen und unter definierten Be-
dingungen aufzubewahren. Über mathematische Modelle und definierte Hand-
lungsabläufe werden wichtige Parameter wie Selektivität, Präzision, Richtigkeit,
Arbeitsbereich, Nachweisgrenzen oder Robustheit einer Methode abgesichert.
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BEACHTE:
Für eine erfolgreiche Prozessvalidierung sind validierte Methoden Voraussetzung.
In der ISO 13485:2016 wird in Abschnitt 8.1 nur kryptisch gefordert, dass „ange-
messene Methoden“ anzuwenden sind. In der EU-Verordnung über Medizinpro-
dukte [9.1] finden sich auch keine weiterführenden diesbezüglichen Anforderungen.
For personal use only.
Selektivität,
Richtigkeit,
Präzision,
Linearität,
Arbeitsbereich,
Nachweisgrenze,
Bestimmungsgrenze,
Robustheit.
Die Definitionen und detaillierten Vorgehensweisen zur Bestimmung dieser Me-
thoden können der Literatur [9.14] bis [9.19] entnommen werden. Weitere Defini-
tionen und Beispiele finden sich im Download. Auch für Spezialmethoden (z. B.
Chromatografie, Elektrophorese, Fluoreszenzanalysen, enzymatische Methoden,
Reinigungsmethoden) finden sich auf den Homepages der angeführten Organisa
tionen die entsprechenden Richtlinien und Erklärungen.
BEACHTE:
Vor Start jeder Methodenvalidierung steht eine Risikobetrachtung, die den Umfang
For personal use only.
9.5.2.3 Voraussetzungen
Vor Start einer Methodenvalidierung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt
sein:
Die Testmethode muss in schriftlicher Form vorliegen.
Die eingesetzten Prüfmittel/Prüfvorrichtungen müssen validiert bzw. kalib-
riert und ein GxP-konformes Umfeld muss vorhanden sein.
Die Mitarbeiter müssen entsprechend geschult sein.
9.5.2.4 Validierungsplan
Im Validierungsplan ist festzulegen:
Ziel der Validierung,
Beschreibung der zu validierenden Methode, gegebenenfalls sind gewünschte
Anpassungen der Methode zu beschreiben,
Beschreibung der zu untersuchenden Validierungsparameter,
Akzeptanzkriterien für jeden Validierungsparameter,
346 9 Prozess- und Methodenvalidierung
9.6 Zusammenfassung
Die Forderung nach Prozessvalidierung ist nicht nur eine regulatorische Kernfor-
derung im Bereich der Medizinprodukteherstellung, sie bietet darüber hinaus
auch die Möglichkeit, die eigenen Herstell- und Prüfprozesse besser kennenzuler-
nen und Verbesserungspotenziale im Sinne eines wirksamen Qualitätsmanage-
mentsystems auszuloten. Die Prozessvalidierung kann als Prüfstein der Prozess-
qualität verstanden werden. Die Herausforderung der Prozessvalidierung ist es,
den Umfang risikobasiert auf das „richtige“ Maß festzulegen, d. h. sich auf das We-
sentliche zu konzentrieren, ohne das Wichtige zu vergessen, den Prozess im Zuge
des Produktlebenszyklus valide zu halten und weiterhin die dafür nötigen Maß-
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9.7 Literatur
[9.1] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte fordert im Anhang II Technische
Dokumentation Artikel 3 und 6 „vollständige Informationen und Spezifikationen einschließlich
der Herstellprozesse und ihrer Validierung“, stellt aber keine konkreteren inhaltlichen Anforde-
rungen. Im Text finden sich allerdings verstreut noch weitere Anforderungen in Bezug auf eine
Validierungspflicht der Herstellprozesse für Wiederaufbereitung und Sterilfertigung. Analoges
gilt für die IVDV (EU) 2017/746.
[9.2] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN ISO 13485:2016: Medizinpro-
dukte – Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke. Ausgabe
2016 – 07-01. (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 13485:2016 bzw.
Österreichisches Normungsinstitut: ÖVE/ÖNORM EN ISO 13485:2016.).
[9.3] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Code of Federal Regulations Title 21, Volume 1, Part 820
(21 CFR 820), Quality System Regulation, Medical Devices. [Revised as of April 1, 2020].
[9.4] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Guidance for Industry, Process Validation: General
Principles and Practices, Januar 2011.
[9.5] European Commission: Annex 15 to the EU Guide to Good Manufacturing Practice, März 2015
[9.6] Global Harmonization Task Force (GHTF): /GHTF/SG3/N99-10:2004 (Anmerkung: im Oktober 2011
durch die IMDRF abgelöst; siehe www.imdrf.org).
348 9 Prozess- und Methodenvalidierung
[9.17] Eurachem: Guide to Quality in Analytical Chemistry. 3. Auflage, 2016, Verfügbar unter: https://
www.eurachem.org/index.php/publications/guides/qa, zuletzt abgerufen am 13. Mai 2021.
[9.18] Deutsches Umweltbundesamt: Leitlinie zur Methodenvalidierung. Verfügbar unter: https://www.
umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/2832.pdf, zuletzt abgerufen am:
08. 06. 2021.
[9.19] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): DIN EN ISO/IEC 17025:2018-03
General requirements for the competence of testing and calibration laboratories. (Deutsche und
englische Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: Allgemeine Anforderungen an die Kom-
petenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien (ISO/IEC 17025:2018-03). Beuth, 2018.).
[9.20] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): DIN ISO 5725 – 2:2020-10 Accuracy
(trueness and precision) of measurement methods and results - Part 2: Basic method for the
determination of repeatability and reproducibility of a standard measurement method (ISO
5725 – 2:2019). (Deutsche Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: Genauigkeit (Richtig-
keit und Präzision) von Messverfahren und Messergebnissen – Teil 2: Grundlegende Methode
für Ermittlung der Wiederhol- und Vergleichpräzision eines vereinheitlichten Messverfah-
rens (ISO 5725 – 2:2019). Beuth, 2020.). Verfügbar unter: https://www.beuth.de/de/norm/
din-iso-5725-2/51022686, zuletzt abgerufen am 08. 06. 2021.
[9.21] Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN ISO 55350 – 18:1987-07 Begriffe der Qualitätssicherung
und Statistik – Begriffe zu Bescheinigungen über die Ergebnisse von Qualitätsprüfungen; Quali-
tätsprüf-Zertifikate. Titel (Englisch): Concepts in quality and statistics; concepts relating to cer-
tificates on results of quality inspections; quality inspection certificates. Beuth. Verfügbar unter:
https://www.beuth.de/de/norm/din-55350-18/1352671, zuletzt abgerufen am: 08. 06. 2021.
[9.22] Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN 32645:2008-11: Chemische Analytik – Nachweis-, Er
fassungs- und Bestimmungsgrenze unter Wiederholbedingungen – Begriffe, Verfahren, Aus
wertung. Nachweis-, Erfassungs- und Bestimmungsgrenzen. Beuth, 2008. Titel (Englisch):
Chemical analysis – Decision limit, detection limit and determination limit under repeatability
conditions – Terms, methods, evaluation. Verfügbar unter: https://www.beuth.de/de/norm/
din-32645/110729574, zuletzt abgerufen am: 08. 06. 2021.
9.7 Literatur 349
[9.23] Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN 38402 – 51:2017-05 Deutsche Einheitsverfahren zur Was-
ser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung; Allgemeine Angaben (Gruppe A) – Teil 51: Kalibrie-
rung von Analysenverfahren – Lineare Kalibrierfunktion (A 51). Beuth, 2017. Titel (Englisch):
German standard methods for the examination of water, waste water and sludge – General in
formation (group A) – Part 51: Calibration of analytical methods – Linear calibration (A 51). Ver-
fügbar unter: https://www.beuth.de/de/norm/din-38402-51/272448891, zuletzt abgerufen am:
08. 06. 2021.
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For personal use only.
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For personal use only.
10 Herstellung und
Qualitätssicherung
gemäß cGMP
J. Harer
SCHWERPUNKTE:
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durchzuführen sind. Im Anhang II der MPV/IVDV findet sich dazu unter Punkt
3.2.a lediglich: „Informationen, die es ermöglichen, die Herstellungsprozesse wie Pro-
duktion, Montage, Prüfung des Endprodukts und Verpackung des fertigen Produkts
zu verstehen.“ Allerdings wird im zweiten Teil dieses Absatzes darauf verwiesen,
dass „zum Audit des Qualitätsmanagementsystems oder zu sonstigen durchzuführen-
den Konformitätsbewertungsverfahren detailliertere Informationen vorgelegt werden
müssen“. Für die weiteren Hinweise zur Ausgestaltung der Produktherstellung
wird daher in diesem Kapitel hauptsächlich die wichtigste QM-Systemvorschrift,
die ISO 13485 [10.3], herangezogen. Weiterhin wird bei den weiteren Betrach
tungen auch die Quality System Regulation berücksichtigt [10.4] (QSR – 21 CFR
Part 820; auch referenziert als cGMP – current Good Manufacturing Practice), um
auch die Anforderungen der wichtigsten internationalen Märkte abzudecken.
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Die ISO 13485:2016 fordert in Abschnitt 7.5.1 „Lenkung der Produktion und der
Dienstleistungserbringung “:
„Die Produktion und die Dienstleistungserbringung müssen so geplant, durchgeführt,
überwacht und gelenkt werden, dass sichergestellt ist, dass das Produkt der Spezifika-
tion entspricht. Soweit angemessen muss die Lenkung der Produktion unter anderem
Folgendes umfassen:
For personal use only.
Dokumentation von Verfahren und Methoden für die Lenkung der Produktion,
Qualifikation der Infrastruktur,
Implementierung von Überwachungen und Messungen der Prozessparameter und
Produkteigenschaften,
Verfügbarkeit und den Gebrauch von Überwachungs- und Messmitteln,
Implementierung festgelegter Arbeitsvorgänge für das Kennzeichnen und Ver
packen und
Implementierung von Produktfreigabe, Liefertätigkeiten und Tätigkeiten nach der
Lieferung.
Die Organisation muss für jedes Medizinprodukt oder jede Charge von Medizinpro-
dukten eine Aufzeichnung erstellen und aufrechterhalten, die eine Rückverfolgbarkeit
ermöglicht und die hergestellte Menge und die für den Vertrieb genehmigte Menge
identifiziert. Die Aufzeichnungen müssen verifiziert und genehmigt werden.“
Ähnlich fordert der 21 CFR 820.70(a): „Each manufacturer shall develop, conduct,
control, and monitor production processes to ensure that a device conforms to its spe-
cifications. Where deviations from device specifications could occur as a result of the
manufacturing process, the manufacturer shall establish and maintain process con-
trol procedures that describe any process controls necessary to ensure conformance to
specifications.“
10.2 Wareneingang 353
Abweichungsmanagement,
Rückverfolgbarkeit,
Prüfmittelmanagement,
Raum-, Klima- und Bekleidungsvorschriften,
Lagerung und Transport,
Installation und Service.
For personal use only.
10.2 Wareneingang
Wie in Kapitel 11, Lieferantenmanagement, beschrieben, wird heute bei vielen
Medizinprodukteherstellern ein großer Teil der Wertschöpfung von Zulieferern
und Dienstleistern erbracht. Diese „Auslagerung“ bringt neben vielen Vorteilen
allerdings den Nachteil mit sich, dass die zugekauften Materialien, Komponenten
oder Dienstleistungen nicht unter dem QM-System des Herstellers laufen und so-
mit die Gefahr besteht, dass nicht spezifikationsgemäße Teile oder Dienstleistun-
gen „importiert“ werden. Durch geeignete Prozesse und Kontrollen im Warenein-
gang muss der Hersteller deshalb sicherstellen, dass alle gelieferten Produkte und
Serviceleistungen dauerhaft mit gesetzlichen und den vereinbarten Beschaffungs-
anforderungen übereinstimmen. Das Ausmaß der vom Zulieferer bereitzustellen-
den Unterlagen und Nachweise hängt dabei von der Kritikalität der zugelieferten
Produkte oder Dienstleistungen ab und ist im Vorhinein in Form festgeschriebener
Vorgaben und Akzeptanzkriterien zu definieren. Wenn der Hersteller beabsichtigt,
Verifizierungs- oder Validierungstätigkeiten beim Lieferanten durchzuführen,
muss er die vereinbarten Tätigkeiten und die dabei anzuwendenden Methoden zur
Freigabe des Produkts in den Beschaffungsunterlagen festlegen. Weiterhin sind
Aufzeichnungen über alle Tätigkeiten zu führen.
354 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
BEACHTE:
Aufgrund der neuen Verordnungen für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika
ist in Zukunft mit häufigeren, auch unangemeldeten Inspektionen durch die nati-
onalen Aufsichtsbehörden und Benannten Stellen direkt bei Ihren Zulieferern zu
rechnen. Berücksichtigen Sie bei den vertraglichen Regelungen mit Ihren Zuliefe-
rern, dass diese den Aufsichtsbehörden und Benannten Stellen bei Anforderung
jederzeit Zutritt zu ihren Geschäftsräumlichkeiten und Produktunterlagen gewäh-
ren [10.5].
Auch die bisher praktizierten Original Equipment Manufacturer-/Private Label
Manufacturer-Beziehungen müssen mit Gültigkeit der MPV/IVDV überarbeitet
werden. Laut den neuen EU-Verordnungen muss der bisherige PLM jetzt als Her-
steller die vollständige Technische Dokumentation vorhalten und kann bei einer
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Inspektion oder einem Audit durch die Behörde oder die Benannte Stelle nicht
mehr, wie in der Vergangenheit, wenn es Fragen zur Entwicklung oder Fertigung
gibt, an den OEM verweisen, der dann Zugriff auf die Technische Dokumentation
und sein Know-how gewährt. Wie der PLM vom OEM, der naturgemäß ein starkes
Interesse daran hat, sein Know-how zu schützen, die erforderlichen Angaben und
Dokumente zu Entwicklungs- und Fertigungsprozessen, zu verwendeten Materia-
lien und Prüfmethoden etc. bekommt, ist noch offen und muss im Einzelfall geklärt
werden. Auch die Begriffe „OEM“ und „PLM“ im bisherigen Sprachgebrauch sind
damit hinfällig, denn der PLM gilt als Hersteller, unabhängig davon, ob er das
For personal use only.
Produkt selbst gefertigt oder bei anderen Unternehmen eingekauft und nur noch
sein eigenes Label angebracht hat.
10.2.1 Wareneingangsprozesse
Schriftliche Vorgaben sollen sicherstellen, dass die gelieferten Komponenten, Fer-
tigungsmaterialien und Produkte nach Entgegennahme ordnungsgemäß identifi-
ziert, bearbeitet und gelagert werden. Die Aufzeichnungen in der Wareneingangs-
kontrolle (WEK) sollen dabei Folgendes umfassen:
zu kontrollierende/zu überprüfende Produkteigenschaften,
Kriterien zur Akzeptanz oder Rückweisung,
Testmethode(n), Stichprobenzugpläne,
die eingesetzten Prüfmittel und Testvorrichtungen,
die Ergebnisse der durchgeführten Wareneingangsprüfungen,
Unterschrift derjenigen Person(en), die die Akzeptanzprüfungen durchgeführt
hat (haben) und
Freigabe oder Rückweisung der Lieferung/geprüften Produkte.
10.2 Wareneingang 355
BEACHTE:
Die Wareneingangskontrolle verbessert nicht die Qualität der gelieferten Kompo-
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Als minimale Eingangskontrolle (z. B. für einen Standard- oder Katalogteil oder
wenn der Lieferant der Komponente eine gute Lieferhistorie hat) wird erwartet,
dass alle eingehenden Komponenten und Produkte zumindest einer visuellen
Kontrolle im Hinblick auf Verschmutzung und/oder Beschädigung und Vollstän-
digkeit unterzogen werden und dass die gelieferten Teile als diejenige identifiziert
werden, die auf der Bestellung angeführt sind. Zumindest die Beschreibung des
überprüften Produkts und die gelieferte Anzahl müssen schriftlich dokumentiert
werden.
TIPP:
Wenn Sie messende Prüfungen durchführen, dokumentieren Sie die Ergebnisse
nicht nur als „ok“ bzw. als „nok“, sondern notieren Sie auch die gemessenen Werte.
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Dies verbessert die statistische Aussagekraft wesentlich und ermöglicht ein zeit-
nahes Monitoring und damit ein rasches Erkennen möglicher negativer Trends.
Wenn zugelieferte Komponenten erst als Teil des fertigen Produkts getestet wer-
den, muss dieser Test fehlerhafte und außerhalb der Spezifikationen liegende Kom-
ponenten erkennen können und nicht nur ergeben, dass das fertige Produkt die
Spezifikationen nicht erfüllt. Hersteller, die sich entschließen, zugekaufte Kompo-
For personal use only.
nenten oder Produkte in der WEK nicht zu testen und auch keine Rückhaltemuster
aufzuheben, müssen zumindest in der Lage sein, diese Entscheidung zu begrün-
den. Diese Entscheidung soll dabei auf Faktoren basieren wie dem Wissen, dass
der Lieferant in der Vergangenheit immer Waren in bester Qualität geliefert hat,
oder dem positiven Leistungsverhalten einer Komponente in der Vergangenheit.
Hersteller können sich nur dann darauf verlassen, dass der Lieferant die verein-
barten Tests durchführt, wenn der Hersteller das Qualitätssystem des Lieferanten
festgelegt hat oder kennt, insbesondere dessen Prüf- und Messstrategie. Weiterhin,
wenn der Hersteller dem Lieferanten Spezifikationen mitgeteilt hat, die die Akzep-
tanzgrenzen des Herstellers für diese Komponenten oder Materialien entspre-
chend genau definieren, und wenn gleichzeitig eine entsprechende Qualitätssiche-
rungsvereinbarung, auch bekannt unter GMP Agreement, zwischen dem Hersteller
und dem Zulieferer abgeschlossen wurde.
Auf die Prüfung der zugelieferten Teile kann in der WEK des Herstellers verzichtet
werden, wenn stattdessen die mitgelieferten Zertifikate geprüft und die mitgelie-
ferten Prüfdaten einem Review unterzogen und bewertet werden. Wenn die Ab-
nahme der gelieferten Waren nur auf einem Zertifikat oder den mitgelieferten
Prüfdaten des Zulieferers basiert, muss der Hersteller allerdings in regelmäßigen
Abständen die Validität des Zertifikats oder der beim Zulieferer erhobenen Prüf
daten durch eine Lieferantenbewertung (z. B. Audit oder Bestätigung der zertifi-
zierten Ergebnisse durch sporadische In-house-Nachprüfung) verifizieren.
10.2 Wareneingang 357
kann.
Wenn es keine Erfahrungswerte bezüglich Lieferqualität oder Leistungscharakte-
ristika gibt, müssen spezielle Schritte unternommen werden, um sicherzustellen,
dass die gelieferten Waren die geforderten Spezifikationen erfüllen. Dies kann z. B.
bedeuten, dass jede gelieferte Charge bemustert und getestet wird, oder es werden
alle für die Funktion und Sicherheit des Endprodukts kritischen Komponenten
schon vor der Serienfreigabe umfänglich risikobewertet, bemustert und geprüft
freigegeben.
358 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
Reduzierte
Prüfung
1 Schlecht-Prüfung
2 Gut-Prüfungen
oder Defektmeldung
Normale
Prüfung
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1 Schlecht-Prüfung
2 Gut-Prüfungen
oder Defektmeldung
For personal use only.
Verschäre
Start
Prüfung
3 Schlecht-Prüfungen
Musterprüfung
trotz Reklamaon
Prüfung
ausgesetzt
10.2.3 Stichprobenprüfung
Bei der Überprüfung der Bauteile und anderer Produkte auf Einhaltung der Akzep-
tanzkriterien kann der Hersteller entweder alle Komponenten testen oder nur
einen Teil davon. Falls ein 100 %-Test nicht möglich ist, muss der Hersteller eine
10.2 Wareneingang 359
probenprüfung sowohl für den Hersteller als auch für Dritte darstellen kann, weil
immer eine gewisse Restwahrscheinlichkeit bestehen bleibt, dass fehlerhafte Pro-
dukte aufgrund des begrenzten Stichprobenumfanges nicht erkannt werden.
Fragen wie die unten stehenden sollten daher bedacht werden, bevor man sich für
einen bestimmten Prüfplan entscheidet:
Welche Konsequenzen könnte eine Fehlfunktion nach sich ziehen (Produkt
rückruf, Produkthaftungsklage, regulatorische Konsequenzen)?
For personal use only.
Ist der Defekt für den Nutzer klar erkennbar? Wenn nicht, was sind die Konse-
quenzen bei Verwendung des fehlerhaften Produkts?
Handelt es sich um zerstörende Prüfungen oder erlaubt der Stand der Technik
eine 100 %-Prüfung für diesen Teil oder das Endprodukt?
Erwartet oder akzeptiert der Markt Geräte, die stichproben- und/oder muster-
geprüft wurden?
Hersteller sollten sich dessen bewusst sein, dass es nicht immer eine einfache Ant-
wort auf diese Fragen gibt. Inwieweit ein „nur stichprobengeprüftes“ Produkt ak-
zeptiert wird, ergibt sich unter anderem auch durch den Preis, den der Nutzer zu
zahlen bereit ist – eine 100 %ige Prüfung kostet normalerweise mehr als eine Stich-
probenprüfung. Zerstörende Prüfungen machen eine 100 %-Prüfung überhaupt un-
möglich. Ob Stichproben- und Musterprüfungen von bestimmten Produkten für
den Nutzer akzeptabel sind, ändert sich auch mit der Technologie. Wo 100 %-Prü-
fungen nicht möglich sind, ist normalerweise eine Prozess- und Produktvalidie-
rung mit einer nachfolgenden Stichprobenprüfung die Methode der Wahl, um fort-
laufend spezifikationskonforme Produkte herstellen zu können. Bei homogenen
Medien wie Flüssigkeiten ist z. B. ein Probenzugplan „Anfang – Mitte – Ende“ üb-
lich und ausreichend, um die Homogenität des Mediums nachzuweisen.
360 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
BEACHTE:
Alle Stichprobenpläne enthalten ein inhärentes Risiko, schlechte Chargen zu ak-
zeptieren oder gute Chargen zurückzuweisen. Ein Hersteller muss sich des Risikos
bewusst sein, dass eine von ihm gewählte Stichprobenprüfung fehlerhafte Teile
nicht mit 100 %iger Sicherheit erkennen kann. Annahmekennlinien z. B. zeigen in
grafischer Form die Wahrscheinlichkeit, wie bei einem bestimmten Prüfniveau und
einer bestimmten Anzahl defekter Teile der Stichprobenplan trotzdem zur Ent-
scheidung führen kann, das Los zu akzeptieren, was als „Annahmewahrschein-
lichkeit“ beschrieben wird.
10.3 Herstellprozess
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Es muss sichergestellt werden, dass nur mit qualifizierten Anlagen und validierten
Abläufen gearbeitet wird und dass alle Unterlagen dafür vor Ort greifbar sind. Bei
der Ausführung der Produktionsschritte muss sich jeder Mitarbeiter genau an je-
den einzelnen Schritt in den Anweisungen (Herstell-, Prüf-, Verpackungs-, Reini-
gungs- und Kalibrieranweisungen sowie Wartungspläne) halten. Es ist darauf zu
achten, dass nur aktuelle Vorgabedokumente verwendet werden. „Veraltete“ Vor-
schriften haben am Arbeitsplatz nichts verloren, sie müssen beim Herstell- oder
For personal use only.
Laborleiter bzw. in der QS sicher und vor unberechtigtem Zugriff geschützt aufbe-
wahrt werden. Die Dokumentation eines jeden Arbeitsschritts in der Produktion
muss zu 100 % mit der durchgeführten Tätigkeit übereinstimmen. Anderenfalls ist
in jedem Fall eine Abweichungsmeldung zu erstellen.
10.3.1 Mitarbeiterschulung
Es ist darauf zu achten, dass die Mitarbeiter, speziell in den Fertigungs- und Prüf-
bereichen, in allen Vorgaben und Arbeitsschritten nachweislich geschult sind. Ein
adäquates Training ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Mitarbeiter in der Lage
ist, seine Aufgaben so zu erfüllen, dass die Qualität und Sicherheit des Produkts
nicht nachteilig beeinflusst wird.
Sowohl die ISO 13485:2016 (in Abschnitt 6.2) als auch die QSR/21 CFR 820 (in
Absatz 25(b)) fordern, dass die Kenntnisse und Fertigkeiten der Mitarbeiter vom
Hersteller folgendermaßen sicherzustellen sind:
Trainingsanforderungen sind für jeden Mitarbeitenden/jede Funktion festzu-
legen, wobei die Mitarbeiter auf die Relevanz ihrer Arbeiten und deren Ein-
fluss auf die Qualität der Produkte zu unterweisen sind.
Trainings sind durchzuführen und Aufzeichnungen darüber zu führen.
Die Wirksamkeit der durchgeführten Trainings ist zu evaluieren.
362 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
BEACHTE:
Bei vielen Behördeninspektionen werden Defizite im Bereich Mitarbeiterausbildung
festgestellt. Gründe dafür sind:
mangelnde Kenntnis über die regulatorischen Anforderungen,
nicht ausreichendes Budget,
keine adäquat ausgebildeten Trainer,
keine Zeit für Training und Dokumentation.
Häufig fehlen Vorgaben, welche Mitarbeiter/Funktionen in welchem Umfang ge-
schult werden müssen und ob regelmäßige Schulungswiederholungen erforderlich
sind. Die Wirksamkeit der Schulungen wird nicht evaluiert, ein „gelesen und ver-
standen“ ist insbesondere bei Arbeitsanweisungen, die Fertigungs- oder Prüf-
schritte beinhalten, nicht ausreichend. Schulungsaufzeichnungen werden nicht
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TIPP:
Führen Sie bei Chargen- oder Produktwechsel eine sogenannte line clearance
durch, d. h. entfernen Sie sämtliche Materialien, Unterlagen und Produktionsmit-
tel der vorhergegangenen Produktion, bevor Sie mit der Herstellung oder Verpa-
ckung der neuen Charge bzw. des neuen Produkts beginnen. Dies betrifft auch
ausgeschiedene und entsorgte Materialien. Nur so können Sie Verwechslungen
und Untermischungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vermeiden.
10.3 Herstellprozess 363
Obere Grenze
For personal use only.
Alarmgrenzen Warngrenzen
Untere Grenze
10.4 In-Prozess-Kontrolle
In-Prozess-Kontrollen (IPKs) sind ein wesentlicher Bestandteil innerhalb des Pro-
duktionsprozesses. Durch das Vorsehen von In-Prozess-Kontrollen bei qualitätsbe-
stimmenden Schritten oder kritischen Punkten werden die Produktqualität und
die Stabilität des Produktionsprozesses wesentlich erhöht, und sie können durch
Festlegung von Maßnahmen bei Überschreitung von festgelegten Prozessparame-
tern noch weiter verbessert werden. IPKs erlauben:
ein vorzeitiges Eingreifen in den Produktionsprozess bei negativen Trends von
spezifizierten und gemessenen Parametern,
eine Reduktion der Ausschusskosten, weil nicht spezifikationskonforme Pro-
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10.5 Endkontrolle
Die Kontrolle des Endprodukts umfasst typischerweise eine Überprüfung der
Leistungsmerkmale, der Etikettierung, des Aussehens und der Konfiguration des
Endprodukts, um sicherzustellen, dass das Produkt die in den Produktionsvorga-
bedokumenten (DMR = Device Master Record) festgelegten Spezifikationen/Akzep-
tanzkriterien erfüllt. Für viele Medizinprodukte erfordert dieser „Sicherstellungs-
nachweis“ eine messtechnische oder chemische Analyse, elektrische und/oder
mechanische und/oder andere technische Prüfungen. Für einige einfache Pro-
dukte, wie z. B. ein Brillengestell, kann aber schon eine optische Kontrolle oder
eine Kontrolle auf Maßgenauigkeit ausreichend sein, um die Akzeptanz nachzu-
weisen.
10.5 Endkontrolle 365
BEACHTE:
Es entspricht dem heutigen Stand der Technik, dass die Prozesskontrollen und die
Endkontrolle des Herstellers durch eine Prüfung des fertigen Produkts ergänzt
werden, z. B. durch Messungen mit Kontrollmaterialien bzw. Referenzproben. Aus
einer begrenzten Anzahl von Einheiten des Endprodukts gültige Schlussfolgerun-
gen zu ziehen, ist allerdings nur möglich, wenn geeignete prozessinterne Prüf-,
Überwachungs- und Kontrollverfahren in den Zwischenstadien der Herstellung die
Homogenität der gesamten Charge des Endprodukts sicherstellen. Es reicht, ba-
sierend auf statistischen Überlegungen, die Prüfung kleiner Stichproben aus,
vorausgesetzt, es wurde bereits durch andere Mittel ein ausreichendes Maß an
Prozessstabilität und Konformität nachgewiesen [10.21].
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trennt werden.
10.5.2 Produktfreigabe
Hersteller von medizintechnischen Produkten müssen ausreichende Kontrollen
etablieren, damit nur Produkte freigegeben werden, die alle Tests und Prüfungen
erfolgreich bestanden haben. Jeder Hersteller muss geeignete Methoden zur Frei-
gabe des Endprodukts einführen und pflegen, die sicherstellen, dass jedes Ferti-
gungslos des Endprodukts alle geforderten Akzeptanzkriterien erfüllt. Dadurch
erhält man größtmögliche Sicherheit, dass die Fertigung kontrolliert abläuft. End-
produkte sollen nicht zum Versand freigegeben werden, bevor
alle Tätigkeiten, die in den Herstellervorgaben gefordert werden, abgeschlos-
sen sind,
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BEACHTE:
Wenn ein Produkt einen Test nicht besteht, darf dieser Test nicht so lange wieder-
holt werden, bis er endlich (durch Zufall) bestanden wird. Die Ursache des Problems
For personal use only.
muss gefunden und beseitigt werden, bevor der Test wiederholt werden darf. Wenn
die Akzeptanzkriterien eines Herstellers ein wiederholtes Testen und Nacharbeiten
gestatten, muss es für diese Akzeptanzmethode eine fundierte Grundlage geben.
10.5.3 Aufzeichnungen
Während eines Fertigungsprozesses und den damit zusammenhängenden Prüfun-
gen werden diverse Aufzeichnungen laut den allgemeinen oder produktspezifi-
schen Arbeitsanweisungen, Herstell- und Prüfvorschriften verfasst. Die Produktent
stehungsakte ist die Zusammenfassung aller Fertigungs- und Prüfaufzeichnungen
über den gesamten Fertigungszeitraum eines Produkts. Diese Aufzeichnungen
bestätigen, dass die Fertigung des Produkts gemäß den aktuellen Vorgabedoku-
menten abgelaufen ist.
MERKE:
Die Aufzeichnungen, vom Wareneingang bis zur Auslieferung, sind Teil der Tech-
nischen Dokumentation lt. Anhang II MPV und IVDV. Die Benannten Stellen prüfen
bei ihren Audits stichprobenartig, ob die Prozesse des Herstellers in Bezug auf
Herstellungs- und Prozesskontrollen, Produktdokumentation sowie Kontrolle der
Beschaffung, den Konformitätsanforderungen entsprechen [10.7]!
10.5 Endkontrolle 367
TIPP:
Für alle Aufzeichnungen gilt (siehe auch Abschnitt 1.2.3, Dokumentenmanagement):
Schreiben Sie lesbar und verwenden Sie einen unverwischbaren Stift.
Verwenden Sie zum Ausbessern keinen Korrekturlack.
Führen Sie Durchstreichungen so aus, dass der ursprüngliche Text lesbar bleibt.
For personal use only.
TIPP:
Vor dem Unterzeichnen eines Freigabeprotokolls soll die nominierte Person auf
Folgendes achten:
Eindeutigkeit, Klarheit, Richtigkeit und Plausibilität der Daten.
Richtigkeit der mathematischen Operationen ist geprüft.
Manuelle Eintragungen (z. B. Prüf- und Messdaten aus einer IPK oder QC) oder
Korrekturen sind mit Namenskürzel bzw. Unterschrift und dazugehörigem
Datum versehen (Format soll dabei eindeutig sein, z. B. dd-mmm-yyyy).
Prüfdaten lassen nachvollziehbar erkennen, ob Spezifikationen erfüllt wurden
oder nicht. Eine Anlage von Messwerten ohne deren Bewertung ist nicht aus-
reichend!
Formulare und Abhaklisten sind vollständig ausgefüllt, nicht verwendete Felder
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sind gestrichen.
Eventuelle Abweichungsmeldungen, die das Produkt bzw. das Los betreffen,
sind in Kopie den Begleitpapieren beizulegen.
Bei Eintragungen, die in den Prüf- bzw. Fertigungspapieren aufscheinen, ist
die Richtigkeit geprüft (z. B. install before-Daten, Seriennummern, Auftrags-
nummern, Losnummern).
Bei Etiketten ist die Übereinstimmung zwischen Bezeichnung und Inhalt über-
prüft worden.
Bei Verpackungsbegleitdokumenten: Kommissionierung des Auftrags und
For personal use only.
BEACHTE:
Bevor Sie ein Dokument unterschreiben, kontrollieren Sie dieses genau! Unter-
schreiben Sie nichts, was Sie nicht getan, gesehen, überwacht oder überprüft
haben. Alle Abweichungen müssen dokumentiert und unverzüglich dem Vorge-
setzten gemeldet werden.
10.6 Rückverfolgbarkeit 369
10.6 Rückverfolgbarkeit
Durch beschriebene Verfahren zur eindeutigen Identifizierung der Produkte muss
über den gesamten Produktionsprozess sichergestellt sein, dass Verwechslungen
verhindert und Produkte im Fall einer Reklamation eindeutig zugeordnet werden
können, um ein mögliches Sicherheitsrisiko für den Benutzer oder den Patienten
eingrenzen zu können. Die Festlegung, auf welcher Stufe eine Rückverfolgbarkeit
für das Produkt erforderlich ist (auf Geräte-, Baugruppen- oder Losnummer), soll
auf einer Risikoabschätzung basieren, die die Gesundheitsgefährdung abschätzt,
die entsteht, wenn das Produkt die Leistungsanforderungen bei sachgemäßer Ver-
wendung nicht erfüllt. All diese Überlegungen müssen entsprechend dokumen-
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BEACHTE:
Ein Hersteller muss die Funktionsweise und die Ausfallmöglichkeiten seines Pro-
dukts und jeder einzelnen Komponente im Endprodukt eingehend analysieren und
anschließend entscheiden, welche Bauteile unter den verschiedenen Ausfallsze-
narien kritisch zu bewerten sind. Diese Analysen und Zuverlässigkeitsprüfungen
sollen bereits während der Designphase durchgeführt werden, um eindeutig jene
For personal use only.
TIPP:
„Unkritische“ Komponenten und Produkte (z. B. elektrische Stecker, Netzkabel
und einfache mechanische Komponenten) fallen nur selten aus. Eine umfassende
Rückverfolgbarkeit für diese Teile kann daher entfallen. Außerdem kann ein Her-
steller auch mehrere Einzelkomponenten einer Baugruppe zusammenfassen und
dadurch die Anzahl an Prüfungen und Aufzeichnungsaktivitäten merklich redu
zieren.
Wenn es die Größe und Beschaffenheit des Produkts/Teils zulässt, kann direkt
am Produkt/Teil eine Prüfkennzeichnung angebracht werden. Diese erfolgt in
Form von Stempeln, Aufklebern oder durch entsprechende Beschriftung. Die
Form der Kennzeichnung ist so zu wählen, dass sie auf Dauer leserlich und
geschützt vor Verlust und Beeinträchtigung durch Umwelteinflüsse ist.
Indirekte Kennzeichnung durch den Fertigungsfortschritt:
Wenn der Fertigungs- und Prüfzustand eindeutig erkennbar und in den Ar-
beitsunterlagen nichts Anderes festgelegt ist, kann nach Vereinbarung mit der
nachfolgenden Stelle auf weitere Kennzeichnungen verzichtet werden (z. B.
entsprechende Arbeitsfolge im Arbeitsplan: Prüfen → Verpacken → laut Doku-
mentation ist daher die verpackte Ware geprüft). Dies ist jedoch nur dann zu-
lässig, wenn Verwechslungen oder Missverständnisse mit Sicherheit ausge-
schlossen werden können.
10.6.2 Rückhaltemuster
Rückhaltemuster dienen als Vergleichsproben bei der Untersuchung von internen
und externen Problemfällen bzw. zur Absicherung gegen unbegründete Reklama-
tionen. Der Hersteller hat zu definieren, von welchen Materialien/Produkten zu
welchen Zeitpunkten wie viele Rückhaltemuster gezogen werden müssen. Diese
10.7 Abweichungsmanagement 371
und in ein geeignetes Gefäß umgefüllt werden kann. Die Kennzeichnung muss
dabei den Materialnamen, die Materialnummer, die Chargennummer und das Um-
fülldatum enthalten.
10.7 Abweichungsmanagement
Der Begriff „Abweichung“ bezieht sich auf:
Abweichungen von Spezifikationen zu Produkteigenschaften (z. B. Funktion,
Aussehen, Aggregatzustand, Packmittelmaße),
Nichterreichung von Spezifikation für Prüfkriterien (Gewicht, Abmessung,
Analysenwert – Sensitivität und Wiederfindung),
Abweichung von festgelegten Produktionsabläufen (z. B. Reihenfolge bzw.
Dauer von Verfahrensschritten, Verwendung nicht klassifizierter Prüfmittel
oder Methoden),
Abweichungen in der Zusammensetzung von Produkten (z. B. Art/Material-
nummer, Menge verwendeter Rohstoffe),
Abweichung von spezifizierten Umgebungsbedingungen (z. B. Temperatur,
Partikel- oder Keimzahlen, Luftfeuchte, Alarmsituationen),
372 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
Abweichungsmeldung
(Entscheidungsbeauragter, QA)
For personal use only.
Noz im Freigabedokument
(Techniker, Laborant)
BEACHTE:
Man spricht nicht von einer Abweichung, wenn folgende Sachverhalte vorliegen:
Wenn von Richtwerten oder Warngrenzen abgewichen wird.
Wenn von Soll-Werten abgewichen wird, diese Soll-Werte aber durch Maß
nahmen erreicht werden können, welche in einem ablaufspezifischen Vorgabe
dokument beschrieben sind, z. B. Nachsteuern eines pH-Werts im Rahmen der
IPK.
Fehler, die weder die Funktionsfähigkeit des Produkts beeinträchtigen noch
zu einer Diskrepanz zu zulassungsrelevanten Dokumenten führen (z. B. leicht
versetzt sitzendes Etikett, dessen Barcode immer noch einwandfrei lesbar ist).
Offensichtliche Fehler, die rechtzeitig bemerkt wurden, das betroffene Produkt
verworfen wurde bzw. die falschen Messdaten als ungültig gekennzeichnet
wurden und danach der Verfahrensschritt bzw. die Messung, bei der der Feh-
ler auftrat, wiederholt werden (z. B. offensichtlicher Ablesefehler).
10.7 Abweichungsmanagement 373
Wenn der genaue Ablauf durch ein bereichsspezifisches Verfahren geregelt ist
(z. B. Reklamationsabwicklung im Rahmen der Wareneingangskontrolle bzw.
Musterprüfung oder beim run-in von Geräten im Zuge der Herstellung).
In den genannten Fällen wird der Vorfall entsprechend den ablaufspezifischen
Vorgabedokumenten bearbeitet und dokumentiert.
disponiert werden. Siehe dazu die Anforderungen der ISO 13485, Abschnitt 8.3
[10.3] sowie der QSR Kapitel 820.90 [10.4]. Für Produkte, die nicht den vorgegebe-
nen Prüf- oder Dokumentationsspezifikationen entsprechen, sind klar definierte
Vorgaben, Zuständigkeiten und Abläufe beim Auftreten bzw. Erkennen von Abwei-
chungen festzulegen, damit nicht entsprechende Produkte sicher ausgesondert
und vollständige Aufzeichnungen zu diesen Aktivitäten geführt werden (siehe Un-
terlagen zum Download; Ablaufbeschreibung beim Auftreten von Abweichungen).
For personal use only.
BEACHTE:
Im Fall einer negativen Prüfung oder gravierenden Abweichung während des
Produktionsprozesses kommt es zu einer Rückweisung, das Produkt muss der
QS-Abteilung zur eingehenden Bewertung vorgelegt werden. Diese entscheidet,
ob das Produkt im Rahmen einer Sonderfreigabe ausgeliefert, anderweitig dispo-
niert (z. B. eingeschränkte Benutzung), nachgearbeitet oder verschrottet werden
soll. In der Argumentation der Sonderfreigabe muss unter „Beschreibung der
Abweichung/Ursache“ klar erkennbar sein, dass kein Risiko für den Benutzer oder
Patienten und volle Funktionsfähigkeit des Produkts gegeben sind. Einer Weiter-
verwendung darf nur dann zugestimmt werden, wenn eine negative Auswirkung
der Abweichung auf die Funktionsfähigkeit des Produkts oder auf die Sicherheit
von Anwender und Patienten mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
Falls nicht gewährleistet werden kann, dass die erforderliche Produktqualität trotz
der Abweichung erreicht wird, muss die Freigabe zur Weiterverwendung abgelehnt
und das betroffene Produkt entsprechend gelenkt werden.
374 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
BEACHTE:
[10.1] bis [10.4] fordern, dass die Überwachung und Kontrolle der Herstellung von
Produkten durch eine (der Organisation des Herstellers angehörende) für die
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Vor einer Entscheidung über die Genehmigung zur Weiterverwendung bzw. einer
Sonderfreigabe sowie zur Festlegung der Notwendigkeit und des Umfangs von zu-
For personal use only.
10.7.2 Geplante Abweichungen
Wenn ein Verfahrensschritt auf eine andere Art und Weise durchgeführt wird, als
im entsprechenden Vorgabedokument beschrieben ist, und diese Abweichung von
vornherein bekannt oder sogar beabsichtigt ist, wird dies als „geplante Abwei-
10.8 Mess- und Prüfmittel 375
chung“ bezeichnet. In diesem Fall ist die Ursache für die Abweichung bekannt und
das Risiko für das Produkt wird als gering bzw. akzeptabel eingestuft. Beispiele
sind wie folgt:
Die Änderung eines Vorgabedokuments ist zwar geplant, kann aber bis zum
Produktionstermin nicht umgesetzt werden, sodass das tatsächliche Vorgehen
nicht den aktuell geltenden Vorgaben entspricht.
Wenn Änderungen von Rezepturen und/oder Produktionsverfahren zur Lö-
sung von Produktproblemen oder zur Verfahrensoptimierung erst nach einer
Validierung im Detail feststehen und trotzdem sofort umgesetzt werden sollen.
Entscheidungen über geplante Abweichungen werden in den entsprechenden Qua-
litätsbesprechungen getroffen und dokumentiert.
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equipment, Mess- und Prüfmittel (im Weiteren als „Prüfmittel“ bezeichnet) sind
die unabdingbare Voraussetzung, um zuverlässige Aussagen über die Qualität und
Funktionsfähigkeit der hergestellten Produkte zu bekommen.
Aus diesem Grund fordert die ISO 13485:2016 in Abschnitt 7.6, dass jede Organi-
sation ein dokumentiertes Verfahren besitzen muss, das sicherstellt, dass Messun-
gen durchgeführt werden können und in einer Weise durchgeführt werden, die mit
den Anforderungen an die Messung vereinbar sind. Zur Sicherstellung gültiger
Ergebnisse ist unter anderem gefordert, dass die Mess- und Prüfmittel folgende
Anforderungen erfüllen müssen. Sie müssen:
in festgelegten Abständen oder vor dem Gebrauch anhand von Messnormalen
kalibriert oder verifiziert werden,
bei Bedarf justiert oder nachjustiert werden,
entsprechend gekennzeichnet werden, damit der Kalibrierstatus erkennbar ist,
gegen Verstellungen gesichert werden,
vor Beschädigung und Verschlechterung während der Handhabung, Wartung
und Lagerung geschützt werden.
Analog fordert der 21 CFR 820.72(a): „Each manufacturer shall establish and main-
tain procedures to ensure that equipment is routinely calibrated, inspected, checked,
and maintained. The procedures shall include provisions for handling, preservation,
and storage of equipment, so that its accuracy and fitness for use are maintained.“
376 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
10.8.1 Grundsätze
Der Inhalt der Prüfmittelüberwachung kann im Wesentlichen mit den folgenden
vier Grundsätzen beschrieben werden:
Prüfmittel werden so ausgewählt und eingesetzt, dass ihre Eigenschaften und
Spezifikationen den Anforderungen aus den Einsatz- bzw. Prüfspezifikationen
entsprechen.
Um den einwandfreien Zustand von Prüfmitteln zu gewährleisten, werden sys-
tematische Instandhaltungs- und Kalibriertätigkeiten geplant und durchge-
führt.
Durch entsprechende Aufzeichnungen ist eine angemessene Rückverfolgbar-
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keit sichergestellt, um im Fall von Fehlern oder Abweichungen bei den Prüf-
mitteln die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß beurteilen zu können, wie
sich diese Mängel auf die Produktqualität auswirken könnten.
Es werden nicht nur einzelne Messeinrichtungen oder Komponenten für sich
allein betrachtet, sondern auch andere Fehlereinflüsse sowie Komponenten
in der gesamten Messkette bis hin zur Rückführbarkeit auf ein anerkanntes
„Normal“.
For personal use only.
TIPP:
Im Zuge von Audits führt die Überprüfung des Prüfmittelbereichs in vielen Orga-
nisationen zu Abweichungen. In den meisten Fällen sind das „triviale“ Punkte wie:
Die Anzeigeauflösung und die Toleranzen des verwendeten Prüfmittels sind
nicht ausreichend für die Anforderungen des Prüflings (z. B. Toleranz beim
Prüfling von maximal plus/minus zwei Hundertsteln zulässig → Kalibrierabwei-
chung beim Prüfmittel von plus/minus drei Hundertsteln erlaubt).
Trending wird nicht durchgeführt: Schiebelehre hat eine maximal zulässige
Kalibrierabweichung von drei Hundertsteln → im ersten Jahr ist die festgestellte
Abweichung durch die Kalibrierstelle 1,3 Hundertstel, im zweiten Jahr 2,7
Hundertstel → die Schiebelehre wird weiterverwendet, obwohl mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass bei der nächstjährigen Kalibrierung
der zulässige Toleranzbereich überschritten wird und durch die Abschätzung,
ob durch diese Abweichung wichtige Produktspezifikationen verletzt wurden,
ein Vielfaches der Kosten einer neuen Schiebelehre entsteht.
Die Organisation kalibriert ihre Prüfmittel mit einem Satz Normale, berück-
sichtigt aber nicht, dass auch Normale in gewissen Abständen überprüft
werden müssen.
Ein Prüfmittel wird außer Betrieb genommen → es wird vor Stilllegung aber
nicht kalibriert, wodurch nicht nachgewiesen werden kann, dass das Prüfmit-
tel seit der letzten erfolgreich bestandenen Kalibration noch in einem „kont-
rollierten“ Zustand war.
10.8 Mess- und Prüfmittel 377
Ein Prüfmittel wird justiert, bevor überprüft wurde, ob die spezifizierten Tole-
ranzen noch eingehalten werden → es ist nachträglich nicht mehr möglich
nachzuvollziehen, ob das Prüfmittel vor der Instandhaltung noch in Ordnung
war oder nicht.
Solche „trivialen“ Mängel bedeuten im Endeffekt für eine Organisation, dass die
Konformität ihrer Produkte mit den festgelegten Anforderungen nicht verlässlich
durch Tests und Messungen nachgewiesen werden kann und dadurch hohe Fehler-
oder Folgekosten auftreten können.
10.8.2.1 Klassifizierung
For personal use only.
10.8.2.2 Überwachung
Bei der Spezifikation der Vorgaben und Akzeptanzkriterien für die Prüfmittelüber-
wachung ist festzulegen, ob das Prüfmittel für den vorgesehenen Einsatz geeignet
ist und womit die laufenden Anforderungen erfüllt werden können. Das heißt, die
Prüfmittelspezifikationen werden von den Anforderungen an das zu überwa-
chende Produkt abgeleitet. Dabei werden Angaben bezüglich Messbereich, Richtig-
keit, Präzision, Robustheit und Dauerhaftigkeit unter festgelegten Umgebungsbe-
dingungen betrachtet.
Nur wenn die Anforderungen für den Einsatz sowie die Produktspezifikationen
und -merkmale bekannt sind, sind die nachfolgende Risikoabschätzung und die
Festlegung von Überwachungsintervall und Überwachungsmodalitäten möglich.
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BEACHTE:
Die festgelegten Prüfmittelspezifikationen müssen so weit gehen, dass die Rück-
führung auf ein Bezugsnormal mit bekannter Genauigkeit und Stabilität gegeben
ist, vorzugsweise auf nationale oder internationale Normale/Standards. Soll die
Kalibrierung durch Vergleichsmessung an einem kalibrierten Referenzgerät durch-
geführt werden, sind dessen Genauigkeit und Stabilität zu berücksichtigen. Meist
ist es dabei notwendig, dass das Referenzgerät eine höhere Genauigkeitsklasse
For personal use only.
Bei der Abschätzung, welche Ausfall- und Fehlerrisiken ein Prüfmittel haben kann,
sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen:
geforderte Genauigkeit des Prüfmittels im Verhältnis zur Spezifikation des
Produkts,
Herstellerangaben über Garantie und Einsatzlebensdauer des Prüfmittels,
zu erwartende Betriebs- und Umgebungsbedingungen,
Einsatzhäufigkeit und Belastung des Prüfmittels,
Erfahrungen mit vergleichbaren Prüfmitteln
sowie mögliche Fehlerauswirkungen auf
Funktion der geprüften Produkte,
Sicherheit und Umwelt,
Gewährleistungs-, Reparatur- und Nacharbeitskosten.
Möglichkeiten zur Erkennung bzw. Korrektur von Fehlentscheidungen aufgrund
falscher Prüfergebnisse sind während der Risikobewertung in Betracht zu ziehen.
Der Benutzer eines Prüfmittels wählt aufgrund der Anforderungen aus den Prüf-
spezifikationen bzw. aus den Betreiberanforderungen und unter Berücksichtigung
von Anforderungen im Hinblick auf Qualifizierung und Validierung ein geeignetes
Prüfmittel aus. Ist kein geeignetes Prüfmittel vorhanden, muss ein Neukauf oder
10.8 Mess- und Prüfmittel 379
MERKE:
Die Kalibrierung muss den verwendeten Arbeitsbereich des Prüfmittels vollständig
und durch eine ausreichende Anzahl an Kalibrierpunkten abdecken. Die Toleranzen
des Prüfmittels müssen dabei den Akzeptanzkriterien des Prüflings entsprechen.
Wird ein Prüfmittel nur in größeren Zeitabständen bzw. unter sich ändernden An-
forderungen verwendet, so kann der Anwender auf eine regelmäßige Überwa-
chung verzichten und die Überwachung vor jedem Einsatz oder nur an jenen Tagen
durchführen, an denen das Prüfmittel tatsächlich eingesetzt wird.
Ist für ein Prüfmittel keine Überwachung vorgesehen, muss darauf geachtet wer-
den – besonders wenn das Prüfmittel im gemeinsamen Umfeld mit überwachten
Prüfmitteln eingesetzt wird –, dass es nicht zur Überprüfung von qualitätsrelevan-
ten Merkmalen eingesetzt wird.
Als Grundlage für die Bewertung des Status eines Prüfmittels bzw. zur Entschei-
dung, ob eine Wartung oder Instandhaltung notwendig ist, werden je nach Anwen-
dungszweck und Eigenschaften des Prüfmittels folgende Überwachungsmodalitä-
ten definiert:
380 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
10.8.3 Prüfmitteldokumentation
Prüfmittelspezifikationen sind gemäß der Klassifizierung festzulegen, entspre-
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nach Absprache mit der Kalibrierstelle – zu definieren (z. B. DKD- oder ÖKD-Kalib-
rierschein). Wenn es sich nicht um eine „Erstkalibrierung“ vor dem ersten Einsatz
handelt, ist außerdem der Ist-Zustand vor einer etwaigen Justage zu dokumentie-
ren. Welche Angaben tatsächlich erforderlich sind, ist in jedem Einzelfall abzuwä-
gen. Wenn die Eindeutigkeit gegeben ist, kann statt detaillierter Spezifikationen
auch auf Normen verwiesen werden.
Um die Verfügbarkeit von überwachten Prüfmitteln dauerhaft zu gewährleisten,
sind die definierten Überwachungsmodalitäten und Intervalle in entsprechende
Pläne und Aufträge umzusetzen. Der Prüfmittelverantwortliche pflegt dazu die
Daten in den entsprechenden Datenbanken und Dokumenten, überwacht den Sta-
tus und plant termingerecht die anstehenden Aktivitäten. Die Prüfmitteldaten sind
mit entsprechenden Statusmerkmalen zu versehen, um überwachte Prüfmittel von
nicht überwachten unterscheiden zu können. Auch vorübergehende Zustände wie
z. B. die Neueinführung oder Änderung bezüglich Einsatz oder Spezifikation sowie
Terminüberschreitungen müssen erkennbar sein, damit Planungsaktivitäten ent-
sprechend gesteuert werden können.
TIPP:
Zur eindeutigen Kennzeichnung des Prüfmittels ist ein Etikett fix am Equipment
anzubringen, das weder feuchtigkeits- noch lichtempfindlich ist. Ist z. B. aufgrund
der Größe kein geeigneter Platz zum Anbringen eines Etiketts vorhanden, muss
der aktuelle Status durch andere Maßnahmen sichergestellt werden (z. B. Farb
codierung).
10.8 Mess- und Prüfmittel 381
wirkungen auf die hergestellten bzw. geprüften Produkte abzuklären sowie für
eine entsprechende Dokumentation zu sorgen.
TIPP:
Werden Prüfmittel bereits vorab nach Kritikalitätsstufen eingeteilt, so kann der
Aufwand im Falle von Abweichungen wesentlich reduziert werden, weil bereits
vorab festgelegt wurde, welche Stellen in die Fehlerabklärung mit einbezogen
werden müssen und in welchem Umfang die Dokumentation der rückwirkenden
For personal use only.
10.8.4.1 Qualitätssicherungsmaßnahmen
Im Abweichungsfall sind die möglichen Auswirkungen auf hergestellte bzw. ge-
prüfte Produkte unter Einbeziehung der verantwortlichen Stellen zu klären, wobei
je nach Auswirkung auf Funktion, Sicherheit und Umwelt, Zufriedenheit des Be-
nutzers, Gewährleistungs-, Reparatur- und Nacharbeitskosten sowie unter Abwä-
gung der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten entsprechende quali-
tätssichernde Maßnahmen einzuleiten sind.
Die Entscheidung über die getroffenen Maßnahmen ist zu dokumentieren, falls
erforderlich können auch weiterführende Prozesse aufgrund einer festgestellten
Abweichung eines Prüfmittels angestoßen werden (z. B. Abweichungsmanage-
ment, CAPA, Änderungswesen).
Nach erfolgter Abklärung hat der Anwender oder eine andere zuständige Stelle
dafür zu sorgen, dass fehlerhafte Prüfmittel justiert, repariert oder ersetzt werden.
BEACHTE:
Nach erfolgter Justage/Reparatur muss eine neuerliche Prüfung (Kalibrierung,
Vergleichsmessung . . .) durchgeführt werden. Erst wenn die festgelegten Akzep-
tanzkriterien erfüllt werden, kann die Freigabe für den weiteren vorgesehenen
Einsatz erfolgen.
382 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
BEISPIEL:
Vorgeschriebener Kalibrierzyklus ist ein Jahr.
Aktueller Kalibriertermin ist der 30. 06. 2021.
Spätester nächster Kalibriertermin ist der 30. 06. 2022.
Tatsächlich wurde die Kalibrierung am 21. 06. 2021 durchgeführt.
Spätester nächster Kalibriertermin ist der 21. 06. 2022.
10.8 Mess- und Prüfmittel 383
mins schaffen.
BEACHTE:
Bei monatsgenauer Festlegung des Fälligkeitstermins besteht die Gefahr einer
inhomogenen Auslastung des in den Kalibrierprozess involvierten Personals. Es
kommt bei dieser Methode im Regelfall zu einer Spitzenauslastung zum Monats-
ende, weil häufig die anstehenden Kalibrierungen bis zum letzten Tag aufgescho-
For personal use only.
BEACHTE:
Oft besteht ein Missverständnis, dass ein nicht mehr benötigtes Prüfmittel ohne
weitere Aktionen oder Bewertungen aus dem Prozess genommen werden kann.
Richtig ist jedoch, dass ein nicht mehr benötigtes Prüfmittel, auch wenn der nächste
berechnete Kalibriertermin noch nicht erreicht wurde, vor der Außerbetriebnahme
einer abschließenden Bewertung zu unterziehen ist.
10.8 Mess- und Prüfmittel 385
Ausnahme von dieser Regel bilden Prüfmittel, welche in der Einsatzperiode einen
Defekt erleiden. In diesen Fällen ist oft eine messtechnische Bewertung nicht mehr
möglich. Hier finden der risikobasierende Ansatz und/oder die Vorgehensweise
bei Abweichungen Anwendung.
In diesen Fällen ist es daher vorteilhaft, die Verantwortung für alle zur Verfügung
gestellten Produktions- und Prüfmittel explizit dem externen Lieferanten zu über-
tragen. Dies kann in einer Qualitätssicherungsvereinbarung oder im Liefervertrag
erfolgen. In diesen Vereinbarungen/Verträgen soll klar festgelegt werden, dass die
Verantwortung für die Kalibrierung und Wartung aller beigestellten Produktions-
und Prüfmittel in der Verantwortung des Lieferanten liegt, unabhängig davon, wer
Entwickler, Hersteller und/oder Eigentümer dieser Produktions-/Prüfmittel ist.
For personal use only.
dem Unique Device Identifier (UDI) zu, der lt. [10.16] verpflichtend für jedes Medi-
zinprodukt/In-vitro-Diagnostika ist. Der UDI ist eine Abfolge numerischer oder
alphanumerischer Zeichen, die mittels eines weltweit anerkannten Identifizie-
rungs- und Codierungsstandards erstellt wurde. Das UDI-System ermöglicht die
eindeutige Identifizierung von Medizin- und IVD-Produkten und erleichtert deren
Rückverfolgung. Sonderanfertigungen und Prüfprodukte benötigen keinen UDI.
Der UDI besteht aus einer, dem Hersteller und dem Produkt eigenen UDI-Produkt-
kennung (UDI Device Identifier – UDI-DI) und einer UDI-Herstellungskennung (UDI
Production Identifier – UDI-PI). Der UDI-DI ist die primäre Kennung des Produkts.
Sie dient als „Zugangsschlüssel“ zu Informationen in der geplanten zentralen
europäischen UDI-Datenbank und ist in der EU-Konformitätsbescheinigung aus
zuweisen. Der UDI-PI kennzeichnet die Produktionseinheit des Produkts. Dazu ge-
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hören die Seriennummer, die Losnummer, die Software-Identifikation und das Her-
stellungs- oder Verfallsdatum oder beide Daten. Der UDI soll in maschinenlesbarer
Form (z. B. Strichcode, RFID-Chip) und in vom Menschen lesbarer Form am Pro-
dukt oder auf der Verpackung angebracht werden. Bei Platzmangel kann der UDI-
Code nur in maschinen- oder in menschenlesbarer Form aufgebracht bzw. auch auf
einer nächsthöheren Verpackungsebene angebracht werden. Details und umfang-
reiche Beschreibung siehe [10.17]. Bild 10.6 zeigt ein Beispiel eines UDI-Codes.
For personal use only.
Bild 10.6 Beispiel eines Unique Device Identifiers mit 2-D-Barcode (Quelle: NiceLabel, http://
www.nicelabel.com/blog/2016-06-16/udi-labeling-mistakes-best-practices/, 25. 05. 2021)
Bevor ein Produkt in Verkehr gebracht wird, muss der Hersteller oder Importeur bei
der Zuteilungsstelle um einen Basis-UDI-DI ansuchen. Anschließend gibt er diesen
zusammen mit den anderen in Anhang VI Teil B aufgeführten zentralen Datenele-
menten zu diesem Produkt in die UDI-Datenbank ein. Bei Produkten, die eine Be-
nannte Stelle benötigen, muss diese die Richtigkeit der eingegebenen Informationen
bestätigen. Bild 10.7 und Bild 10.8 zeigen die Übergangsfristen für das UDI-Labeling.
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Bild 10.7
Medizinprodukte
Übergangsfristen UDI-Labeling für
10.9 Verpackung und Kennzeichnung
389
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For personal use only.
390
Bild 10.8
In-vitro-Diagnostika
Übergangsfristen UDI-Labeling für
10.10 Lagerung und Transport 391
BEACHTE:
Falls Sie Produkte in den USA auf den Markt bringen wollen – die FDA hat bereits im
Jahr 2013 eine Regelung zur UDI-Pflicht eingeführt [10.18]. Hochrisikoprodukte der
Klasse III mussten bereits im September 2014 eine UDI-Kennzeichnung tragen, im-
plantierbare und lebenserhaltende Geräte folgten bis September 2015, Klasse-II- und
-I-Produkte mussten bis September 2016 bzw. 2018 umgestellt sein. Die „Ausrollung“
der geplanten zentralen europäischen UDI-Datenbank ist für 2021 vorgesehen.
Einen guten Überblick über die wichtigsten Prinzipien, Inhalte und Ausformungen
eines global harmonisierten UDI-Systems bietet eine Anleitung der IMDRF [10.19].
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BEISPIEL:
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Sie haben ein Produkt (z. B. ein Reagenz), das gekühlt zwischen zwei und acht
Grad Celsius gelagert und transportiert werden muss. In diesem Fall empfiehlt es
sich, einen Spediteur zu verwenden, der Kühltransporte mit einer lückenlosen
Temperaturaufzeichnung anbieten kann. Alternativ können Sie einer solchen
Lieferung einen oder mehrere Datalogger beilegen. In beiden Fällen ist die Tem-
peraturverteilung im Fahrzeug aber bereits im Vorfeld zu validieren.
For personal use only.
10.12 Zusammenfassung
Kontrollierte Herstell- und Prüfprozesse im Zuge der Serienfertigung sind für die
Funktion und die Sicherheit eines Medizin- oder IVD-Produkts von entscheidender
Bedeutung. Aus diesem Grund enthalten sowohl die ISO 13485 als auch die QSR
strikte Forderungen zu den Vorgabe- und Nachweisdokumenten sowie zur Umset-
zung der einzelnen Prozessschritte. Bei der Umsetzung der Kontrollen und Prüfun-
gen wird dabei jeweils auf eine „statistische Rationale“ verwiesen, die im Detail
den Fachnormen entnommen werden kann.
Für die Beherrschung der Prozesse sind weiterhin kontrollierte Arbeitsumgebun-
gen Voraussetzung, für eine nachvollziehbare Prozesskontrolle geeignete und
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überwachte Prüfmittel. Der Fertigungs- und Prüfstatus eines Produkts muss jeder-
zeit während aller Stufen der Serienproduktion definiert und ersichtlich sein. Tre-
ten im Zuge der Serienfertigung Mängel oder Abweichungen auf, sind diese m ittels
Abweichungsmanagement zu bewerten und geeignete Korrekturen oder Korrek-
turmaßnahmen einzuleiten. Alle Aufzeichnungen während der Serienfertigung
eines Produkts müssen in einer Produktakte gesammelt und über einen festgeleg-
ten Zeitraum archiviert werden. Weiterhin wurden mit der neuen Medizinpro-
For personal use only.
10.13 Literatur
[10.1] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie
2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur
Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (MPV).
[10.2] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der
Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (IVDV).
[10.3] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN ISO 13485 Medizinpro
dukte – Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke. EN ISO
13485:2016-03, Beuth, 2016.
[10.4] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Code of Federal Regulations Title 21, Volume 1, Part 820
(21 CFR 820), 2020 – 04.
[10.5] Hinweise auf Inspektionen durch die nationalen Aufsichtsbehörden und Benannten Stellen bei
Zulieferern finden sich u. a. in der MPV Art. 93 (3b), Anhang. VII Abs. 4.5.2 & Abs. 4.10, Anhang
394 10 Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP
IX Abs. 2.3 & 3.3 & 3.4 und analog in der IVDV Art. 88 (3b), Anhang VII Abs. 4.5.2 & Abs. 4.10,
Anhang IX Abs. 2.3 & 3.3 & 3.4.
[10.6] Nähere Hinweise in: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN ISO 2859 – 1:2014-08 Annahmesti-
chprobenprüfung/Attributprüfung. Beuth, 2014 sowie Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN
ISO 3951 – 1:2016-06 Annahmestichprobenprüfung/Variablenprüfung. Beuth, 2016. Eine Über-
sicht/Einführung in das ISO-2859-Attribut-Stichprobensystem bietet die ISO 28590:2017-10 „An-
nahmestichprobenprüfung anhand fehlerhafter Einheiten oder Fehler (Attributprüfung)“/
(Sampling procedures for inspection by attributes - Introduction to the ISO 2859 series of stan-
dards for sampling for inspection by attributes“). Beuth, 2017.
[10.7] MPV/IVDV, jeweils Anhang VII Punkt 4.5.2.
[10.8] MPV, Anhang I Kapitel I Punkt 7 sowie Anhang I Kapitel II Punkt 11.7.
[10.9] IVDV, Anhang I Kapitel I Punkt 7 sowie Anhang I Kapitel II Punkt 11.5.
[10.10] EN ISO 13485:2016-03, Kapitel 7.5.11a Produkterhaltung.
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Weiterführende Literatur
Pfeifer, T.; Schmitt, R. (Hrsg.): Masing Handbuch Qualitätsmanagement, 7. überarbeitete Auflage,
Hanser, 2021.
Wappis, J.; Jung, B. (Hrsg. Kurt Matyas): Null-Fehler-Management – Umsetzung von Six Sigma, 6. aktu-
alisierte Auflage, Hanser, 2019.
11 Lieferanten
management
J. Harer
SCHWERPUNKTE:
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11.1 Einleitung
Einer strukturierten Ausgestaltung der Hersteller-Lieferanten-Beziehung wird
heute noch von den meisten – vor allem kleinen und mittleren – Unternehmen
bzw. Zulieferern der Medizintechnik wenig Beachtung geschenkt, auch wenn dies
sowohl von den relevanten QM-Systemvorschriften als auch von den internationa-
len, europäischen und nationalen Gesetzen klar gefordert wird. Dass sich bis heute
noch keine vollständige normenkonforme Ausgestaltung und Kontrolle effektiver
Lieferantenbeziehungen etabliert hat, davon zeugt unter anderem auch die hohe
Anzahl an Beanstandungen betreffend den Beschaffungsbereich bei Behördenins-
pektionen. So erscheint dieser Bereich in den letzten Jahren regelmäßig in mehr
als einem Viertel aller FDA Warning Letters [11.1].
Im Unterschied zur Automobilindustrie, die mit hohem Einkaufsvolumen bei ihren
Lieferanten eine große Durchsetzungsmacht aufgebaut hat, haben es kleine und
mittlere Medizinproduktehersteller wesentlich schwerer, ihre Qualitäts- und Kon
trollanforderungen bei ihren Lieferanten regulatorisch konform umzusetzen. Die
396 11 Lieferantenmanagement
11.2 Rechtliche Grundlagen
Schon in den 1980er-Jahren haben die Behörden erkannt, dass Lieferanten nicht
nur einen wesentlichen Beitrag zur Produktherstellung leisten, sondern auch ein
Risiko für die Produktqualität darstellen. Aus diesem Grund wurde bereits zu
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dieser Zeit in den für die Medizintechnik relevanten Regularien und Normen fest-
gelegt, dass der Hersteller für die vorgabenkonforme Ausgestaltung der zugekauf-
ten Produkte und Dienstleistungen verantwortlich ist.
In Europa müssen die Hersteller sicherstellen, dass ihre Produkte die Anforderun-
gen der spezifischen EU-Verordnungen (z. B. MPV [11.2] und IVDV [11.3]) erfüllen.
In den genannten EU-Verordnungen wird vom Hersteller gefordert, als Teil der
„Technischen Dokumentation“, alle Stellen einschließlich Lieferanten und Unter-
For personal use only.
MERKE:
Die Hersteller von Medizinprodukten tragen die letztendliche rechtliche Verant-
wortung für ihre Produkte und Dienstleistungen, egal, woher sie ihre Komponenten,
Materialien oder Dienstleistungen beziehen. Auch bleibt der Hersteller im Fall von
Produktproblemen aufgrund von fehlerhaften zugekauften Komponenten, Materi-
alien oder Dienstleistungen dafür verantwortlich, dass Gefährdungen durch ein
fehlerhaftes Produkt unverzüglich beseitigt werden. Aus diesem Grund ist es
essenziell, dass Hersteller ein effektives System zum Managen und Überwachen
ihrer Lieferanten etablieren.
BEACHTE:
Die Erwähnung von „Produkten und Dienstleistungen, die auf anderen Wegen emp-
fangen werden . . .“ in der QSR bedeutet, dass Prozesse im Einkauf und/oder im
Wareneingang alle Produkte und Dienstleistungen abdecken müssen, die von
außerhalb des Herstellers kommen, egal, ob eine Zahlung stattfindet oder nicht.
Dies beinhaltet demnach auch Produkte oder Dienstleistungen, die von einer
Konzerntochter oder sogar vom Kunden beigestellt werden. Die Guidance on
Supplier Control der GHTF [11.6] legt klar fest, dass als Lieferant jeder zu sehen
ist, der nicht Teil des QM-Systems des Herstellers ist.
Bei der anschließenden Forderung der ISO 13485 [11.7] wird klar auf die Natur und
das Risiko des zugelieferten Produkts abgestellt: „Die Organisation muss Kriterien für
die Beurteilung und Auswahl von Lieferanten festlegen. Diese Kriterien müssen:
auf dem Einfluss des beschafften Produkts auf die Qualität des Medizinprodukts
beruhen;
dem mit dem Medizinprodukt verbundenen Risiko entsprechen.“
Wie die ISO 13485 weist auch die QSR in Artikel 50(2) bei den mit dem Lieferanten
vereinbarten Kontrollmaßnahmen auf die „Angemessenheit“ hin: „Define the type
and extent of control to be exercised over the product, services, suppliers, contractors,
398 11 Lieferantenmanagement
and consultants, based on the evaluation result.“ Mit evaluation ist dabei die Forde-
rung der ISO 13485 Abs. 7.4.1 a) angesprochen, wonach die Organisation Lieferan-
ten aufgrund deren Fähigkeit beurteilen und auswählen muss, Produkte entspre-
chend den Anforderungen der Organisation zu liefern. Analog fordert die QSR in
Artikel 50(a): „Each manufacturer shall evaluate and select potential suppliers, con-
tractors and consultants on the basis of their ability to meet specified requirements.“
Weiterhin fordert die ISO 13485 in Abs. 7.4.1 noch:
„Die Organisation muss Kriterien für die Beurteilung und Auswahl von Lieferan-
ten festlegen.“
„Die Organisation muss die Überwachung und Wiederbewertung von Lieferanten
planen. Die Leistung des Lieferanten zum Erfüllen der Anforderungen an das be-
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Behörden und Benannte Stellen werden demnach bei einem Hersteller im Inspek-
tionsfall überprüfen, welche Lieferanten und Unterauftragnehmer Auslegungs-,
Herstell- oder Prüftätigkeiten durchgeführt haben und ob dokumentierte Nach-
weise bezüglich der Eignung des Lieferanten und der Kontrolle der Produkte und
Dienstleistungen des Lieferanten vorhanden sind [11.8] (siehe dazu auch das
Guidance-Dokument der GHTF über Audits of Manufacturer Control of Suppliers
[11.9]). Ist ein dokumentierter Nachweis nicht möglich, führt dies dazu, dass das
QM-System des Herstellers als nicht richtlinienkonform beurteilt wird.
Die Etablierung eines definierten, dokumentierten und risikobasierten Lieferan-
tenmanagementprozesses wird im Folgenden dargestellt. Dieser orientiert sich an
den gesetzlichen und normativen Anforderungen und gibt in der Praxis erprobte
Hinweise zur Evaluierung, Auswahl, Qualifizierung und laufenden Überwachung
von Lieferanten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den die Qualität und Sicherheit
des Produkts betreffenden Aspekten. Kommerzielle Auswahl- und Bewertungskri-
terien wie Marktstellung, Termin- und Liefertreue oder finanzielle Ausstattung
werden nur insofern in Betracht gezogen, als sie für die Versorgungssicherheit von
Relevanz sind. Die übrigen kommerziellen Überlegungen wie Kosten, Vertrags
gestaltung etc. werden nur am Rand erwähnt und können im Detail in den zahl
reichen Lieferantenmanagement-Publikationen nachgelesen werden. (siehe z. B.
[11.20]).
11.3 Lieferantenmanagementprozess 399
11.3 Lieferantenmanagementprozess
Unter Lieferantenmanagement versteht man die Gestaltung, Lenkung und Ent-
wicklung von aktuellen und zukünftigen Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Für
die folgenden Ausführungen stehen insbesondere die qualitätssichernden und
von den internationalen Medizinproduktevorschriften und Normen geforderten
Schritte im Zentrum des Interesses. Der Beschaffungsprozess beginnt meist schon
in einer frühen Entwicklungsphase, wo anhand der ersten vorliegenden Produkt
spezifikationen, und basierend auf der strategischen Ausrichtung und einer Ana-
lyse der im Haus vorhandenen Skills, Technologien, Ressourcen und Kostenstruk-
turen, eine grundsätzliche make-or-buy-Entscheidung getroffen wird. In weiterer
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Kommerzielle
Aspekte
Lieferanten-
auswahl
Die Auswahl der Lieferanten und das Festsetzen von Kriterien zur Überwachung
der mit dem Lieferanten vereinbarten Produkt- und Dienstleistungsmerkmale be-
steht typischerweise aus sechs Phasen, und zwar gemäß [11.6] aus der
Planung (Definition der Rollen und Risikoeinschätzung),
Vorauswahl möglicher Lieferanten (Informationsbeschaffung),
Bewertung und Auswahl des Lieferanten (Nachweise, Prüfungen, Audits, Be-
wertung),
400 11 Lieferantenmanagement
11.3.1 Planung
Während der Planung, Entwicklung und Realisierung eines neuen oder bestehen-
den Produkts soll der Hersteller möglichst frühzeitig entscheiden, welche Kompo-
nenten, Materialien oder Dienstleistungen er von extern zukaufen bzw. welche er
selbst her- bzw. bereitstellen will. Daraus ergeben sich jene Schritte, die erforder-
lich sind, um die geeigneten Lieferanten auszuwählen und in weiterer Folge die
Zusammenarbeit mit diesen zu regeln und zu kontrollieren.
TIPP:
Oft werden bereits von den Entwicklungsmitarbeitern weitreichende Festlegungen
in Richtung eines bestimmten Lieferanten getroffen (z. B. Festlegung zu enger
Toleranzen, spezieller Entwicklungstools oder Fertigungsmethoden). Dies führt
gerade bei kleineren Unternehmen dazu, dass im weiteren Lieferantenauswahl- und
Lieferantenevaluierungsprozess eine ausgewogene Bewertung weiterer in Frage
kommender potenzieller Lieferanten nicht mehr möglich ist. Forderungen an den
Lieferanten nach einem adäquaten QM-System oder nach Maßnahmen zur Absi-
cherung der Produktqualität können in späteren Phasen der Produktentwicklung
und Fertigung dann nicht mehr oder nur mit hohem Aufwand und Zusatzkosten
erfüllt werden.
11.3 Lieferantenmanagementprozess 401
In einem ersten Schritt legt nun die Person oder Stelle, die ein Produkt anfordert,
die Vorgaben an das zugekaufte Produkt fest. Diese Vorgaben (auch über den Ge-
brauch und Nutzen der zugekauften Komponenten, Materialien oder Dienstleis
tungen) müssen klar und genau sein und sollen so früh wie möglich an den Liefe-
ranten kommuniziert werden. In einem nächsten Schritt werden potenzielle
Lieferanten vom Einkauf (oft in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fach
experten aus der Entwicklung und Produktion) identifiziert und Informationen be-
züglich der Qualifikation der ausgewählten Lieferanten eingeholt. Dies kann über
das Einfordern von Dokumenten direkt vom Lieferanten erfolgen, durch Internet-
recherchen und durch das Abrufen von Behördeninformationen (z. B. über die FDA
Watch List oder Warning Letters etc.), aber auch durch das Einholen bereits vorhan-
dener Erfahrungen mit dem identifizierten Lieferanten (z. B. Termintreue oder
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TIPP:
For personal use only.
Das Thema Corporate Social Responsibility hat in den vergangenen Jahren zuneh-
mend an Bedeutung gewonnen und wird ein zunehmend wichtigeres Entschei-
dungskriterium bei der Auswahl von Lieferanten werden. Erweitern Sie daher Ihr
Lieferantenauswahlverfahren um diesen Punkt und bauen Sie entsprechende
Fragen in Ihre desk audits oder Vor-Ort-Assessments ein.
Liegen diese Informationen vor, kann mit der Erstellung der Design-, Entwick-
lungs-, Qualitäts- und Einkaufspläne begonnen werden. Diese Pläne geben unter
anderem den Kontrollumfang für die zugekauften Produkte und Dienstleistungen
vor sowie die erforderlichen Maßnahmen zur Qualifizierung und laufenden Über-
wachung des Lieferanten. Diese Pläne müssen dabei die Kritikalität des betroffe-
nen Produkts/der betroffenen Dienstleistung widerspiegeln.
MERKE:
Alle festgelegten Abläufe, Prüfungen, Ergebnisse und Entscheidungen müssen
dokumentiert werden. Abweichungen von den vorgegebenen Prozessen müssen
begründet und in der Dokumentation angeführt werden.
402 11 Lieferantenmanagement
11.3.2 Risikobewertung
Während der Planung muss der Hersteller all jene Risiken identifizieren, die sich
aus dem Zukauf des Produkts ergeben. Die Bewertung der Risiken, die sich durch
das Produkt bzw. den Lieferanten ergeben können, bestimmen nämlich wesent-
lich, welche Maßnahmen bei der Lieferantenqualifikation und beim Festlegen der
Überwachungs- und Kontrollschritte gesetzt werden müssen, um die Produkt
qualität und Lieferfähigkeit langfristig sicherzustellen [11.10]. Das Identifizieren,
Evaluieren, Bewerten, Vermeiden bzw. Verringern der Risiken umfasst dabei alle
Phasen des Lieferantenmanagementprozesses und folgt dem in Kapitel 2, Risiko-
management, beschriebenen Ablauf. Zu Beginn sollen vor allem die folgenden Fra-
gen beantwortet werden:
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MERKE:
Die Corona-Pandemie 2020/21 hat die Wichtigkeit einer verlässlichen Lieferkette
deutlich gemacht. Lebensnotwendige Medizinprodukte konnten aufgrund unter-
brochener Lieferketten oft wochenlang nicht produziert und geliefert werden.
Die identifizierten Risiken müssen in weiterer Folge evaluiert werden, um die Art
und das Ausmaß der zur Beherrschung der erkannten Risiken erforderlichen Kon-
trollen zu definieren. Die aus der Risikobewertung resultierenden Kontrollmaß-
nahmen müssen dokumentiert und in den weiteren Phasen der Lieferantenqualifi-
zierung sowie während der gesamten Lieferzeit umgesetzt werden.
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Antwortzeit). Diese Prüfung soll auch die „Infrastruktur“ des Lieferanten beinhal-
ten (z. B. Entwicklungsressourcen, Produktionsanlagen, QM-System), um sicherzu-
stellen, dass der Lieferant die nötige Qualität, Leistung und Zuverlässigkeit der
gelieferten Produkte und Dienstleistungen während des gesamten Produktlebens-
zyklus bereitstellen kann. Der Einkauf, die Qualitätsabteilung sowie bei Bedarf
Experten aus den technischen Bereichen sollen bei der Vorauswahl gemeinsam die
betriebliche und technologische Kompetenz eines Lieferanten überprüfen und be-
werten. Die Auswahl des potenziellen Lieferanten soll dabei gemäß den vordefi-
nierten Kriterien erfolgen, wobei die „Kritikalität“ des Endprodukts die Anforde-
rungen an die betrieblichen und technologischen Fähigkeiten des Lieferanten
wesentlich mitbestimmt [11.11].
BEACHTE:
Eine Zertifizierung nach ISO 9001 bzw. ISO 13485 soll beim Lieferantenauswahl-
verfahren positiv in die Bewertung miteinbezogen werden. Bei kritischen Produk-
ten und Dienstleistungen ist ein vorhandenes QM-Zertifikat allein aber kein aus-
reichender Nachweis für die Eignung eines Zulieferers. Der Hersteller muss trotz
Vorliegen eines QMS-Zertifikats überprüfen, ob ein Lieferant in der Lage ist, zu-
verlässig Produkte oder Dienstleistungen gemäß den vereinbarten Spezifikationen
zu liefern, d. h. zumindest die kritischen Einrichtungen und Prozesse sind beim
Zulieferer einer gesonderten Prüfung und Bewertung unterziehen.
404 11 Lieferantenmanagement
Engpassprodukt Schlüsselprodukt
kri
sch
Objektbezogenes Risiko
gering hoch
Beschaffungsvolumen
Kritische Produkte haben einen direkten Einfluss auf die Produktqualität. Typischer-
weise sind das komplexe Systembauteile, die spezielle Prüfvorrichtungen erfordern
(z. B. elektronische oder optische Messmodule), oder Teile, die nur zerstörend ge-
prüft werden können oder nach speziellen Methoden hergestellt werden (wie z. B.
Kleben, Schweißen). Aber auch kritische Dienstleistungen (z. B. Softwareentwick-
lung, Sterilisation) fallen in diese Kategorie. Unkritische Produkte hingegen haben
keinen oder nur geringen Einfluss auf die Qualität, Funktion oder Sicherheit des
Gesamtsystems (z. B. Katalogteile, einfach zu prüfende mechanische Teile).
Die zusätzliche Berücksichtigung des Kontrollniveaus eines zugekauften Teils/
einer zugekauften Dienstleistung (d. h. Umfang der internen Kontrollen wie z. B.
Überprüfung der Analysenzertifikate, Wareneingangskontrolle auf Basis statisti-
scher Methoden oder 100 %-Tests, In-Prozess- und Endkontrollen, Validierungsak-
tivitäten) erlaubt in einem weiteren Schritt festzulegen, wie ein potenzieller Liefe-
rant, dem Risikoniveau angemessen, qualifiziert und überwacht werden muss, um
zu einer ausreichenden Sicherheit, Verfügbarkeit und Kosteneffizienz des Pro-
dukts zu gelangen.
Diese Betrachtungsweise führt zu einer Bewertungsmatrix (siehe Tabelle 11.2), die
die Produkte nach ihrer Kritikalität und nach ihrer Erkennbarkeit von Fehlern ein-
stuft und darauf aufbauend für jede Gruppe die geeigneten Qualifizierungs- und
Kontrollmaßnahmen festlegt.
406 11 Lieferantenmanagement
Tabelle 11.2 Produktbewertungsmatrix
Kontrollniveau
Kontrollniveau beim Hersteller
beim Hersteller
Material-
krikalität gering hoch
kritisch 2 3
Kritikalität
Material /
Service
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unkritisch 3 4
BEISPIEL:
Kritikalitätsklassen
Kritikalität 1: Ein fertiges Medizin- oder IVD-Produkt; Produkt benötigt bei
Änderung einen hohen Re-Validierungsaufwand (z. B. klinische Studien, Lager-
tests); kritische Dienstleistungen (z. B. Softwareentwicklung, Sterilisation);
Produkt/Material wird von einem Lieferanten mit Monopolstellung bezogen.
Kritikalität 2: Ein kritisches Produkt/Zukaufteil mit niedriger Prüfintensität
auf Herstellerseite (z. B. Material wird beim Zulieferer mit speziellen Methoden
hergestellt wie z. B. Kleben, Lackieren), es ist nur eine zerstörende Prüfung
möglich bzw. die Methode kann nicht einfach evaluiert werden; Systembauteile
und Elektronikboards, die spezielle Prüfvorrichtungen erfordern; hersteller-
spezifische Rohmaterialien.
Kritikalität 3: Ein kritisches Produkt mit hoher Prüfintensität (z. B. ein funk
tionsbestimmendes Spritzgussteil, optische oder elektronische Bauteile mit
100 %-Prüfung) oder ein nicht kritisches Produkt mit geringen Kontrollen auf
Herstellerseite (z. B. CNC-gesteuerte mechanische Frästeile mit einfach zu
überprüfenden Abmessungen).
Kritikalität 4: Ein nicht kritisches Produkt mit hohem Kontrollniveau oder ein
Produkt mit geringem Einfluss auf Qualität, Funktion oder Sicherheit (z. B.
Katalogteile, einfach zu prüfende mechanische Teile, nicht funktionsbeeinflus-
sende Gehäuseteile, Hilfsstoffe).
11.3 Lieferantenmanagementprozess 407
MERKE:
Die Einstufung der Kritikalität eines Zukaufteils kann immer nur unter Berücksich-
tigung des konkreten Anwendungsfalls eines Produkts erfolgen.
So kann z. B. die Fehlfunktion einer Spindelwelle in einem Fall zu einem relativ
unkritischen Funktionsstopp führen (z. B. bei Verwendung der Spindelwelle zum
Öffnen/Schließen einer Probeneingabeklappe) oder aber zu einer lebensbedro-
henden Fehlfunktion (falls die Spindelwelle als Antriebswelle in einer Medikamen-
tenpumpe eingesetzt ist). Ähnliches gilt für Dienstleistungen. So kann eine Soft-
ware-Fehlfunktion in einem Fall nur zu einem „Schönheitsfehler“ führen (z. B.
Ausgabeformat eines Ausdrucks), in einem anderen Fall kann diese Fehlfunktion
aber zu einer falschen Abtastung eines Messsignals und damit in weiterer Folge
zu falschen Messwerten führen.
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Als Nachweis, dass der Lieferant in der Lage ist, die ins Auge gefassten Produkte
und Dienstleistungen spezifikationsgerecht zu liefern, können unter anderem fol-
gende Bewertungen und Aufzeichnungen herangezogen werden:
Vorhandensein eines zertifizierten QM-Systems,
Analysenzertifikate/Konformitätsbestätigungen,
Test- und Verifikationsnachweise (z. B. von Erstmustern, Erstchargen oder Proto
typen),
Nachvollziehbarkeit aller Prozessschritte (Produkt, Ausstattung, Tätigkeiten,
vorgesehene Prüfungen und Messungen „was, wie, wann, wie oft, womit, von
wem“, Probenzugplan, Prüfmittel, Prüfmethoden),
Nachweis der Prozessfähigkeit und Prozessleistung (z. B. Cpk-Wert, Fehlerrate
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in ppm),
erfolgreiche Prozessvalidierung,
Änderungswesen (Produkte, Prozesse),
Antwortzeiten im Reklamationsfall,
erfolgreich bestandenes Lieferantenaudit.
Alle festgelegten Schritte müssen dokumentiert werden und der Kritikalität des
For personal use only.
11.3.4.1 Lieferantenaudit
Wenn ein Audit zur Bewertung des Lieferanten erforderlich ist, muss ein Team
zusammengestellt werden, das von einem entsprechend qualifizierten Experten
der Qualitätsabteilung oder der Einkaufsabteilung geleitet wird. Je nach Bedarf
können Mitarbeiter aus Fertigung, Entwicklung oder IT beigezogen werden.
11.3 Lieferantenmanagementprozess 409
TIPP:
Wenn Sie ein Audit planen, bedenken Sie, dass das mit hohen Kosten auf beiden
Seiten verbunden ist. Sie können im Schnitt, inklusive Vorbereitung und Nachver-
folgung, mit zwei bis vier FTE-Wochen/Lieferantenaudit rechnen. Machen Sie sich
daher zuerst bewusst, ob ein Audit überhaupt erforderlich ist, und wenn ja, was
Sie genau bei Ihrem Lieferanten evaluieren wollen. Müssen Sie z. B. wirklich das
gesamte QM-System überprüfen, wenn bereits ein zertifiziertes System vorhanden
ist, oder wollen Sie Ihre Zeit besser in einen Prozess-/Produktreview investieren?
Um die Auditbelastung gering zu halten, sollten größere Organisationen auch
prüfen, ob, wann und von welcher Teilorganisation ein Lieferant bereits evaluiert
wurde, und sich dann intern abstimmen, inwieweit Audits gegenseitig anerkannt
werden können. Lieferanten sollten ihrerseits versuchen, bei größeren Firmen
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Audittermine zu bündeln.
BEACHTE:
Folgende Mängel werden häufig bei Lieferantenaudits gefunden:
Qualitätsziele sind definiert, aber bei Nichterreichung sind keine Gegenmaß-
nahmen erkennbar.
Managementreviews finden nicht regelmäßig statt, die Ergebnisse werden
nicht ausreichend dokumentiert, die Inhalte stimmen nicht mit den Vorgaben
der Norm überein. Maßnahmen bei Nichterreichung der Ziele sind nicht nach-
vollziehbar oder fehlen gänzlich.
410 11 Lieferantenmanagement
QL = 100 − (10 × K − 5× E − 1× G )
Wobei gilt
QL: Qualitätslevel des Lieferanten anhand des Auditergebnisses
100: Basis/Maximum (keine Abweichungen gefunden)
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K: Kritische Abweichungen
E: Erhebliche Abweichungen
G: Geringfügige Abweichungen
Je nach Anzahl und Schwere der festgestellten Abweichungen führt dies zu einer
Lieferantenklassifizierung wie in Tabelle 11.5 beschrieben. Die endgültige Klassifi-
zierung eines neuen Lieferanten wird im Regelfall, gemäß einem vorgegebenen
For personal use only.
Bei etablierten Lieferanten wird vor allem die laufende Lieferperformance (Pro-
duktqualität, Liefertreue) die Klassifizierung des Lieferanten beeinflussen. Dessen
ungeachtet kann ein negatives Auditergebnis zu einem Knock-out-Kriterium wer-
den, auch für einen bestehenden Lieferanten.
Der Hauptauditor (oder ein delegiertes Auditteammitglied) ist für die Nachverfol-
gung und Überprüfung der vom Lieferanten zugesagten Korrektur- bzw. Vorbeuge-
maßnahmen verantwortlich.
11.3.4.2 Dokumentenprüfung
Das Konzept der Dokumentenprüfung (desk audit) wurde definiert, um eine kos-
tengünstige Alternative zu einem Vor-Ort-Audit anzubieten bzw. um sich rasch
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einen Überblick über einen Lieferanten zu verschaffen. Ein desk audit findet
vornehmlich bei unkritischen Zulieferteilen/Dienstleistungen Anwendung. Eine
Dokumentenprüfung kann entsprechend dem Ermessen des Reviewteams ein Vor-
Ort-Audit nach sich ziehen.
Der Umfang einer Dokumentenprüfung hängt von der Komplexität des Produkts
sowie der kommerziellen Stellung des Lieferanten ab.
Dokumentenprüfungen können Folgendes enthalten, sind aber nicht darauf be-
For personal use only.
schränkt:
Unternehmensorganigramme,
Verfahrensabläufe,
Vorgabedokumente,
Zertifikate, Genehmigungen, Lizenzen,
Ergebnisse von Behördeninspektionen (z. B. FDA Warning Letter),
Lieferantenbefragung (Fragebogen mit wirtschaftlichen und Qualitätsfragen,
vom Lieferanten auszufüllen).
11.3.4.3 Lieferantenannahme
Nach Vorliegen aller benötigten Informationen und nach Abschluss aller Evaluie-
rungsaktivitäten sollen die Nachweise über die in dieser Phase durchgeführten
Bewertungen und die Eignung des Lieferanten wie folgt dokumentiert werden:
Bewertungs- und Auswahlkriterien,
erhaltene Dokumente und Berichte,
Entscheidungen und Begründungen,
Erstvereinbarungen.
Wenn ein möglicher Lieferant als geeignet bewertet wurde, soll der Hersteller die
Eignungsentscheidung dokumentieren, z. B. durch Hinzufügen des Lieferanten in
eine offizielle Liste zugelassener Lieferanten. Diese Liste ist auch verpflichtender
11.3 Lieferantenmanagementprozess 413
umsetzbar ist, muss eine Änderung des Produkt- oder Prozessdesigns ins Auge
gefasst werden.
TIPP:
Die Einführung und Überprüfung der notwendigen Kontrollen bei Sublieferanten
soll idealerweise vom tier1-Lieferanten durchgeführt werden. Der Hersteller kann
diese Aufgabe aber auch selbst in die Hand nehmen, wenn z. B. der tier1-Lieferant
keine geeigneten Ressourcen oder Fähigkeiten für diese Aufgaben besitzt.
TIPP:
Hersteller und Lieferant sollen bereits während der Musterlieferungsphase einen
Qualitätssicherungsplan erarbeiten, in den sowohl die Anforderungen des Herstel-
lers als auch die Erfahrungen des Lieferanten mit seinem Prozess einfließen.
Damit können Fehler bereits früh in der Wertschöpfungskette entdeckt und somit
Prüf- und Nichtqualitätskosten reduziert werden.
For personal use only.
TIPP:
Rechnen Sie zur Mindestaufbewahrungszeit noch zwei Jahre als Puffer für mögliche
Reklamationsbearbeitungen hinzu.
von potenziell kritischen Fehlern erlaubt, die von den Behörden geforderten
Antwortzeiten einzuhalten.
Der Lieferant soll dem Hersteller, der Behörde und der Benannten Stelle gegen
Voranmeldung zu normalen Bürozeiten den Zutritt zu jenen Räumlichkeiten
gewähren, in denen die Produkte entwickelt und produziert werden. Informa
tionen und Daten über Produkte und die dazugehörigen Prozesse sind auf An-
frage verfügbar zu machen.
Der Lieferant muss den Hersteller sofort verständigen, wenn er Kenntnis er-
langt, dass defekte Teile an diesen verschickt wurden.
Am Ende dieser Phase sind die Vereinbarungen mit dem ausgewählten Lieferanten
etabliert, und die laufenden Kontrollen können beginnen.
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BEACHTE:
Bei internen Lieferanten wird es nicht immer vertragliche Qualitätssicherungsver-
einbarungen oder Bestellungen geben. Ungeachtet dessen soll darauf geschaut
werden, dass zumindest eine Mindestform an formellen Vereinbarungen zwischen
den involvierten Abteilungen definiert ist, damit die Einhaltung aller relevanten
und rechtlich geforderten Anforderungen sichergestellt werden kann.
For personal use only.
umfänge
1 3 Jahre(1) 3 Jahre 1 x/Jahr 1 x/Jahr 3 Jahre
2 5 Jahre 5 Jahre 1 x/Jahr 1 x/Jahr 5 Jahre
3 Nein Nein 1 x/Jahr Nein Nein
4 oder nicht quali- Nein Nein Nein Nein Nein
tätsrelevant
(1) Vor-Ort-Audit erforderlich, Dokumentenprüfung oder Zertifikatsnachweise sind nicht ausreichend!
Wenn ein Lieferant während der regelmäßigen Evaluierung ein oder mehrere Kri-
terien nicht gemäß Vereinbarung erfüllen kann, soll zuerst ein Entwicklungsplan
zwischen ihm und dem Hersteller aufgesetzt werden, wie die aufgetretenen
Schwachstellen eliminiert werden können. Ist ein Lieferant weiterhin nicht in der
Lage, die an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen, oder ist er nicht an der Be-
hebung der festgestellten Mängel interessiert, muss der Hersteller entweder er-
gänzende Kontrollen in seiner Organisation veranlassen, um sicherzustellen, dass
die geforderten Spezifikationen eingehalten werden, oder er muss die Suche nach
einem neuen Lieferanten starten.
Die Entscheidung, ob ein Lieferantenaudit durchzuführen ist oder ob andere Maß-
nahmen zur Re-Qualifikation ausreichend sind, soll dabei anhand eines vordefi-
nierten Entscheidungsbaumes erfolgen. Dabei werden nicht nur die regelmäßig
vorgesehenen Audits für Produkte der Kritikalitätsklassen 1 und 2 geplant, son-
dern auch die aktuelle Qualitätslage und Liefertreue aller Lieferanten in Betracht
gezogen. Anhand eines derartigen Entscheidungsbaums kann einfach nachvoll
11.3 Lieferantenmanagementprozess 417
Lieferanten- Ebene 1
gesamtliste
mit Angabe der
Materialkritikalität
Nein Nein
Risikoklasse Ausscheiden, weil kein qualitäts-
sonstige Gründe
1&2 oder geschäftskritischer Teil
Ja
Nein
Nein
Audit erforderlich Im folgenden Jahr
lt. Zeitplan? wieder prüfen
Ja
Ja
Ausscheiden mit
Begründung
z. B. seit Jahren keine Reklamation,
Verlagerung der Produktion, neues
Nein Projekt noch nicht abgeschlossen,...
Ebene 3
Zusätzlicher Bedarf aus
Lieferantenentwicklung (Abweichungen,
Auditjahresplan Reklamationen, Q-Besprechung) oder
Teileverlagerung/Standortwechsel, oder
neuer Lieferant
Ebene 4
Ebene 1 enthält eine Auflistung aller aktiven Lieferanten. Daraus werden in einem
zweiten Schritt alle Lieferanten der Risikoklasse 1 und 2 ausgewählt, um „strate-
gisch wichtige“ Lieferanten ergänzt und in Ebene 2 als „potenzielle Auditkandida-
ten“ eingetragen. Von den „potenziellen Auditkandidaten“ werden nun jene her-
ausgesucht und in Ebene 3 abgelegt, bei denen gemäß Tabelle 11.6 im kommenden
Jahr ein Audit fällig wird. In diese Ebene werden nun auch noch all jene Lieferan-
ten hinzugefügt, die aufgrund „sonstiger Bewertungsergebnisse“ (Abweichungen,
Reklamationen, Standortverlagerungen, gravierende Änderungen in deren Prozes-
sen oder in deren QM-System etc.) für ein Audit infrage kommen. Auf der anderen
Seite kann die Auditperiode bei „erstklassigen“ Lieferanten auch verlängert wer-
den. Nach einer Abschlussbewertung durch die Qualitätsabteilung und den Ein-
kauf entsteht schlussendlich ein Lieferanten-Jahresauditplan (Ebene 4). Dieser ist
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len beim Hersteller und/oder Lieferanten fortgesetzt werden. Der Lieferant muss
innerhalb einer vereinbarten Periode objektive Beweise der Wirksamkeit seiner
Korrekturmaßnahmen erbringen. Im Extremfall muss der Hersteller einen Alter-
nativlieferanten suchen.
BEACHTE:
Die Behörden sind laut MPV/IVDV angehalten, angekündigte und erforderlichen-
falls unangekündigte Kontrollen in den Räumlichkeiten der Wirtschaftsakteure
sowie in den Räumlichkeiten von Zulieferern und/oder Unterauftragnehmern
durchzuführen [11.17]. Auch die Benannten Stellen sind verpflichtet, regelmäßige
Audits und Bewertungen durchzuführen, um sich davon zu überzeugen, dass der
betreffende Hersteller das genehmigte Qualitätsmanagementsystem und den Plan
zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen anwendet. Diese Audits und Bewer-
tungen schließen Audits in den Betriebsstätten des Herstellers und gegebenenfalls
den Betriebsstätten der Zulieferer des Herstellers und/oder seiner Subunterneh-
mer ein [11.18]. Bei Vorliegen kritischer Vigilanzfälle können sowohl die Behörden
als auch die Benannte Stelle entscheiden, ob sie kurzfristige oder unangekündigte
Audits und Produktprüfungen vor Ort durchführen [11.19].
11.4 Zusammenfassung 419
Sorge zu tragen, dass diese Aufgaben klar an den Lieferanten kommuniziert wer-
den und dass dies auch in den vertraglichen Vereinbarungen festgehalten wird.
Die CAPA-Prozesse des Lieferanten müssen dabei den Regularien und den Stan-
dards, wie in Kapitel 12, Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen, beschrieben,
entsprechen. Die Dokumentation aller CAPA-Aktivitäten eines Lieferanten muss
nach Anforderung auch dem Hersteller zugänglich gemacht werden.
Sind relevante Änderungen vonseiten des Lieferanten geplant, so sind diese recht-
For personal use only.
zeitig vor deren Umsetzung dem Hersteller mitzuteilen, und dessen Einverständ-
nis ist einzuholen. In so einem Fall kann es notwendig sein, das geänderte Produkt
neu zu qualifizieren und/oder die bestehenden qualitätssichernden Maßnahmen
anzupassen.
BEACHTE:
Die FDA fordert im 21 CFR 820.50 eindeutig, dass sich der Hersteller gegenüber
Änderungen proaktiv absichern muss: „Purchasing documents shall include, where
possible, an agreement that the suppliers, contractors or consultants agree to notify
the manufacturer of changes in the product or service so that the manufacturer may
determine whether the changes may affect the quality of a finished device.“ Analog
auch ISO 13485 [11.16].
11.4 Zusammenfassung
Sowohl die ISO 13485 als auch der 21 CFR 820 fordern klar, dass der Hersteller ein
dokumentiertes Verfahren eingeführt haben muss, um sicherzustellen, dass die
beschafften Produkte die festgelegten Anforderungen erfüllen. Art und Umfang
der Maßnahmen, die zur Qualifizierung des Lieferanten und zur Absicherung des
420 11 Lieferantenmanagement
beschafften Produkts angewandt werden, müssen dabei der Kritikalität des be-
schafften Produkts sowie der Stellung des Lieferanten angemessen sein. Nur durch
eine gezielte Anwendung des Risikomanagements können dabei der Kritikalität
des beschafften Produkts adäquate Evaluierungs- und Kontrollmaßnahmen in der
Hersteller-Lieferanten-Beziehung bestimmt und implementiert werden. Audits
spielen bei kritischen Produkten eine wichtige Rolle in der Lieferantenqualifizie-
rung und in der laufenden Lieferantenbewertung. Sie müssen jedoch von weiteren
Maßnahmen zur Informationsgewinnung, Qualitätssicherung, Lieferbewertung
und Lieferantenentwicklung begleitet werden, um mit vertretbaren Kosten das ge-
wünschte Kontrollniveau erreichen zu können. Ein derart strukturiertes und kon-
sequent umgesetztes Lieferantenmanagement wird mittelfristig betrachtet nicht
nur die geforderte Vorschriftenkonformität mit sich bringen, sondern auch eine
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11.5 Literatur
[11.1] F-D-C Reports: „The Silver Sheet“. Vol. 14, Nr. 12. Dezember 2010.
For personal use only.
[11.2] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 117/1 vom 05. 05. 2017: Verordnung
(EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinpro-
dukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der
Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/
EWG des Rates Verfügbar unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2017/745/oj/deu, abgerufen am
19. 04. 2021.
[11.3] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 117/176 vom 05. 05. 2017: Verord-
nung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-
Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der
Kommission (IVDV). Verfügbar unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2017/746/oj/deu, abgeru-
fen am 19. 04. 2021.
[11.4] Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 13485:2016, Medizinprodukte – Qualitäts
managementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke. Ausgabe: 2016 – 07-01.
[11.5] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Code of Federal Regulations Title 21, Volume 21, Part
820 (21 CFR 820). 2017.
[11.6] Global Harmonization Task Force (GHTF): GHTF/SG3/N17R9:2008, Quality Management Sys-
tem – Medical Devices – Guidance on the control of products and services obtained from
suppliers. Verfügbar unter: http://www.imdrf.org/documents/documents.asp, abgerufen am
19. 04. 2021.
[11.7] DIN EN ISO 13485:2016 Abs. 7.4.1 c) & d).
[11.8] MPV Anhang II Artikel 3; IVDV Anhang II Artikel 3.2.
[11.9] Global Harmonization Task Force (GHTF): GHTF/SG4/N84:2010, Guidelines for Regulatory Audi-
ting of Quality Management Systems of Medical Device Manufacturers, Part 5: Audits of Manu-
facturer Control of Suppliers. Verfügbar unter: http://www.imdrf.org/documents/documents.
asp, abgerufen am 19. 04. 2021.
[11.10] DIN EN ISO 13485:2016 Abs. 7.4.1 d.
11.5 Literatur 421
[11.11] H. J. Thomann (Hrsg.): Der Qualitätsmanagement-Berater, TÜV Media, 24. Aktualisierung, Kapi-
tel 10110.
[11.12] Pfefferli, H.: Lieferantenqualifikation: Die Basis für Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltigen Er-
folg. Expert, 2002.
[11.13] Boutellier, R.; Corsten, D.: Basiswissen Beschaffung. Hanser, 2002.
[11.14] MPV Anhang II Artikel 3c)/IVDV Anhang II Artikel 3.2.b).
[11.15] DIN EN ISO 13485:2016 Abs. 7.4.1.
[11.16] DIN EN ISO 13485:2016 Abs. 7.4.2.
[11.17] MPV Artikel 93.3(b)/IVDV, Artikel 88.3(b).
[11.18] MPV/IVDV, Anhang IX Kapitel 1, Artikel 3.3 und 3.4.
[11.19] MPV/IVDV, Anhang VII Artikel 4.10.
[11.20] Hofbauer, G.; Mashhour, T.; Fischer, M.: Lieferantenmanagement: Die wertorientierte Gestaltung
der Lieferbeziehung. In: Betriebswirtschaftslehre kompakt. De Gruyter Oldenbourg, 2016.
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12 Korrektur- und
Verbesserungs
management
J. Harer
SCHWERPUNKTE:
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Wie ist das regulatorische Umfeld, insbesondere im Hinblick auf die Anfor
derungen von ISO 13485:2016, 21 CFR 820, MPV (EU 2017/745) und IVDV
(EU 2017/746)?
Wie soll ein Korrektur- und Verbesserungsmanagement aufgesetzt werden,
damit es den gesetzlichen Vorgaben in „angemessener Weise“ entspricht?
Wie sollen Korrektur- und Verbesserungsprozesse in der Praxis gelenkt werden,
um hohe Prozesssicherheit bei gleichzeitig hoher Effizienz zu erreichen?
Wie gliedert sich der Korrektur- und Verbesserungsprozess?
For personal use only.
12.1 Einleitung
Hersteller von medizinischen Produkten müssen sicherstellen, dass ihre am Markt
platzierten Produkte nicht nur den bestimmungsgemäßen Gebrauch ermöglichen,
sondern auch für Anwender und Patient sicher sind. Dazu müssen sie ein QM-
System etablieren, das über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg gewähr-
leistet, dass die Erwartungen vonseiten der Kunden und Behörden mit größtmög
licher Konsistenz erfüllt werden. Auch wenn moderne QM-Systeme in den
vergangenen Jahren stark das Konzept eines Quality by Design in den Vordergrund
ihrer Anforderungen gestellt haben, ist dies alleine nicht ausreichend, um die Si-
cherheit und Funktionalität des Produkts auch über den gesamten Produktlebens-
zyklus, der bei Medizinprodukten ohne Weiteres zehn bis zwanzig Jahre betragen
424 12 Korrektur- und Verbesserungsmanagement
12.2 Rechtliche Grundlagen
In allen wichtigen Märkten müssen die Hersteller von Medizinprodukten ein QM-
System nachweisen, welches mittels dokumentierter Prozesse die Sicherheit und
spezifizierte Funktionsfähigkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen sicherstellt.
Dies fordert z. B. die ISO 13485:2016 [12.2] in § 8.5.1 explizit: „Die Organisation
muss alle Veränderungen ermitteln und implementieren, die zur Sicherstellung und
Aufrechterhaltung der fortdauernden Eignung, Angemessenheit und Wirksamkeit des
Qualitätsmanagementsystems sowie zur Sicherheit und Leistung des Medizinprodukts
erforderlich sind; dafür sind Qualitätspolitik, Qualitätsziele, Auditergebnisse, Über-
wachungen nach Inverkehrbringen, Datenanalysen, Korrekturmaßnahmen, Vorbeu-
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Auch wenn sich die beiden Regelwerke in einzelnen Details unterscheiden mögen,
decken sich ihre Hauptforderungen zu den Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen.
Wichtig ist beiden Regelwerken außerdem das aktive Einbinden des Managements
und, wenn gesetzlich gefordert, die Einbindung des benannten Sicherheitsbeauf-
tragten für Medizinprodukte in allen Stufen des Korrektur- und Verbesserungspro-
zesses.
Auch die neue MPV [12.5] und IVDV [12.6] fordern, dass „die Hersteller nach dem
Inverkehrbringen ein angemessenes System zur Überwachung ihrer Produkte planen,
einrichten, dokumentieren, anwenden, instand halten und auf den neuesten Stand
bringen müssen, welches geeignet sein muss, aktiv und systematisch einschlägige Da-
ten über die Qualität, die Leistung und die Sicherheit eines Produkts während dessen
gesamter Lebensdauer zu sammeln, aufzuzeichnen und zu analysieren sowie die er-
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BEACHTE:
For personal use only.
Planung
For personal use only.
Management- Datenerfassung
review & Analyse
CAPA Prozess
Implemen- Bedarfser-
erung milung
12.3.1 Planung
Die Planung des Korrektur- und Verbesserungsprozesses muss auf das Kern
geschäft abgestimmt sein und sowohl die Unternehmensabläufe als auch das
QM-System unterstützen. Der Korrektur- und Verbesserungsprozess wird dabei
wesentlich von der Art der erzeugten Produkte, von den Anforderungen des ent-
sprechenden Marktes, von den dort existierenden Kundenwünschen und den dort
relevanten Vorschriften bestimmt.
428 12 Korrektur- und Verbesserungsmanagement
Als ersten Schritt der Planung muss sich das Management überlegen, was die kri-
tischen Prozesse und Bereiche im Hinblick auf Qualität und gesetzliche Anforde-
rungen sind. Basierend darauf müssen jene Datenquellen festgelegt werden, die
für die Messung, Analyse und die daraus abgeleiteten Korrektur- und Verbesse-
rungsmaßnahmen relevant sind. Daten, die einen Hinweis auf die Produkt- bzw.
Prozessqualität oder Prozessleistung geben, werden üblicherweise aus folgenden
Quellen gespeist:
Prüfergebnisse aus dem Wareneingang, der Fertigung und Produktfreigabe,
Kundenreklamationen und Serviceberichte,
Auditberichte,
Lieferantenreviews,
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BEISPIEL:
Sie stellen Sensoren zur Bestimmung des Blutzuckerwerts her und produzieren
typischerweise Losgrößen von 1000 Sensoren. Sie wissen aus Ihren Designveri-
fikationsstudien, dass bis zu 5 % aller Sensoren die angegebenen vier Wochen
In-use-Lebensdauer nicht erreichen. Basierend auf diesen Testergebnissen macht
es keinen Sinn, bei Reklamation zum frühzeitigen Ausfall von einem, zwei oder
drei Sensoren zu einem bestimmten Los einen CAPA-Fall zu eröffnen. Unter Be-
rücksichtigung einer gewissen „Dunkelziffer“ ist es aber z. B. ratsam, bei mehr als
fünf Kundenreklamationen aus einem Los bereits ein intensiveres Monitoring zu
starten, um ein weiteres Anhalten des negativen Trends sofort zu erkennen. Ist
jedoch ein Anstieg der reklamierten Sensoren über mehrere Lose erkennbar oder
werden mehr als z. B. zehn Sensoren eines einzelnen Loses reklamiert, öffnen Sie
einen CAPA-Fall und beginnen sofort mit den entsprechenden Maßnahmen.
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Bei Reklamationen, die eine negative Auswirkung auf das Messergebnis oder die
Sicherheit von Patient oder Anwender erwarten lassen („potenziell kritische Re-
klamation“), sind allerdings sofort geeignete Korrekturen bzw. Korrekturmaßnah-
men einzuleiten, und es hat eine Meldung an die zuständige Behörde zu erfolgen.
BEACHTE:
Die MPV [12.8] und IVDV [12.9] fordern in Abschnitt 2 „Vigilanz“, dass Hersteller
For personal use only.
zur Meldung „statistisch signifikanter Trends“ verpflichtet sind, die zu Risiken für
die Gesundheit oder Sicherheit der Patienten, Anwender oder anderer Personen
führen oder führen könnten und die in Anbetracht des beabsichtigten Nutzens
nicht akzeptabel sind.
Der Hersteller ist dabei verpflichtet im Rahmen eines Plans festzulegen, wie solche
Vorkommnisse zu behandeln sind und welche Methodik angewendet wird, um
jeden statistisch signifikanten Anstieg der Häufigkeit oder des Schweregrades
dieser Vorkommnisse festzustellen.
Während des Lebenszyklus eines Produkts müssen diese Kriterien einem regel-
mäßigen Review unterzogen und bei Bedarf angepasst werden. Aufgrund der Er-
fahrungen mit dem System über den gesamten Lebenszyklus kann es auch erfor-
derlich sein, neue Kriterien für die Bewertung der Sicherheit und Funktionsfähigkeit
eines Produkts oder Prozesses einzuführen. In gleicher Weise empfiehlt es sich,
Kriterien, die sich für die Bewertung als nicht adäquat erwiesen haben, aus dem
Datenkatalog zu streichen.
BEACHTE:
Werden für die Messung, Auswertung und Speicherung der Daten Softwaretools
For personal use only.
12.3.3 Verbesserung
Das Ergebnis aus der Datensammlung und Analyse kann, bei Überschreiten der
vorgegebenen Akzeptanzkriterien, zu folgenden Eskalationsszenarien führen:
Keine weitergehenden Maßnahmen erforderlich (es liegt kein systematischer
Fehler vor, die Auswirkungen sind vernachlässigbar),
Korrektur erforderlich (es liegt kein systematischer Fehler vor, die Auswirkun-
gen des Einzelfehlers müssen allerdings beseitigt werden),
Korrekturmaßnahmen mit oder ohne vorhergehende Korrektur erforderlich
(es liegt ein systematischer Fehler vor; abhängig von den Auswirkungen des
Fehlers müssen diese entweder zuerst beseitigt werden oder man kann direkt
in die Verbesserungs- und Vorbeugemaßnahmen einsteigen).
Der Entscheidungsbaum und der daraus abgeleitete Ablauf sind in Bild 12.2 darge-
stellt.
12.3 Phasen des Korrektur- und Verbesserungsprozesses 431
Abweichungen
Kundenreklamaonen
Audits
Managementreview
Marktbeobachtung
Trending
Verbesserungen
Nein
Akzeptanzgrenzen
überschrien?
Ja
Risikoeinstufung nach
vorgegebenen Kriterien
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(Risikoklassen)
Nein
Maßnahmen Dokumentation
erforderlich? und Abschluss
Ja
Ja Korrektur /
Sofortmaßnahme
Fehlerbeseigung
erforderlich?
durchführen
Nein
Ursachenanalyse
Durchführung Risikoanalyse
Ja
Krikalität
erhöht?
Nein
Nein
Wirksamkeit
gegeben?
Ja Bild 12.2
Bericht und Managementreview
Auslösung und Umsetzung von Korrektur- und
Verbesserungsmaßnahmen
432 12 Korrektur- und Verbesserungsmanagement
Wird im Zuge des Monitorings festgestellt, dass eines der festgelegten Akzeptanz-
bzw. Eskalationskriterien verletzt wurde, so ist unverzüglich eine Bewertung durch-
zuführen, inwieweit dadurch ein Risiko für den Patienten oder Anwender gegeben ist
(„initiale Risikobewertung“) und ob bzw. welche Aktionen erforderlich sind, das vor-
handene Risiko auf ein akzeptables Niveau zu senken. Die Einstufung erfolgt dabei
anhand einer Risikomatrix, die die Auftretenswahrscheinlichkeit und das Schadens
ausmaß in Betracht zieht (Details siehe Kapitel 2, Risikomanagement).
Als Ergebnis dieser Einstufung ergeben sich unterschiedliche Kritikalitätsklassen
laut Tabelle 12.1, die die Art und Priorität der Aktionen steuern.
Kritikalität Kriterien
Gering Schadensereignis stellt ein geringes bzw. kein Risiko für die Gesundheit oder
Sicherheit von Anwendern und/oder Patienten dar.
Es sind keine negativen Auswirkungen auf die Stabilität, die Spezifikationen
oder den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Produkts zu befürchten.
Fehler ist eindeutig für den Anwender erkennbar; ein isolierter Fall
begrenzt auf ein Produkt/Fertigungslos.
Bei Audits: geringe Abweichung (isolierte Abweichung bezüglich Pro-
For personal use only.
BEACHTE:
Die MPV [12.10] und IVDV [12.11] fordern im Abschnitt 2, „Vigilanz“, dass Her-
For personal use only.
TIPP:
Da die Meldefrist, insbesondere bei Kundenreklamationen, sehr kurz ist (weil oft
nicht alle erforderlichen Informationen vorliegen, um einen solchen Fall innerhalb
weniger Tage eindeutig klären zu können), ist anzuraten, rechtzeitig einen einfachen
Bewertungskatalog zu erstellen, der auch der einzelnen Landes-/Vertriebsorga-
nisation erlaubt, innerhalb dieser kurzen Frist zu entscheiden, ob eine Behörden-
meldung erforderlich ist oder nicht. So kann z. B. eine „vorläufig bestätigte“
Messwertabweichung von über 30 Prozent innerhalb der gesetzlichen Frist gemel-
det werden, auch wenn die detaillierte Datenanalyse und Fehleruntersuchung noch
längere Zeit in Anspruch nimmt. Da innerhalb dieser Frist kaum mit einer länger-
fristig wirksamen Beseitigung des Fehlers zu rechnen ist, soll rechtzeitig auch ein
spezialisiertes „Krisenteam“ organisiert werden, um rasch die notwendigen Kor-
rekturen innerhalb der Organisation, aber auch im Feld umzusetzen.
434 12 Korrektur- und Verbesserungsmanagement
Eine Korrektur für sich allein ist in den meisten Fällen nicht ausreichend, um den
unerwünschten Zustand (Produktfehler, Prozessabweichung, negativer Trend, feh-
lerhafte Vorgaben, menschliche Fehlleistungen etc.) langfristig und wirtschaftlich
vertretbar zu beseitigen.
In diesen Fällen müssen geeignete Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen ein-
geleitet werden, um die genannten Fehler und Abweichungen zu eliminieren oder
zumindest die negativen Auswirkungen zu reduzieren. Diese Korrektur- und Ver-
besserungsphase umfasst, wie in Bild 12.2 dargestellt, typischerweise die folgen-
den Aktivitäten:
Untersuchung zur Feststellung der Fehlerursache(n),
Festlegung und Umsetzung von möglichen Verbesserungsmaßnahmen,
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Fehlers bzw. der Abweichung untersucht und dokumentiert werden. Dann muss
die untersuchende Stelle versuchen, den Umfang und den Kontext der vorliegen-
den Abweichung vollumfänglich zu verstehen. Dazu kann es erforderlich sein, die
erhaltenen Informationen zum vorliegenden Fall zu analysieren und gegebenen-
falls zusätzliche Daten anzufordern. Falls erforderlich, können ähnliche Fälle in
der Vergangenheit verglichen, Dokumente angefordert, vergleichbare Produkte
oder Prozesse herangezogen, Prozessverantwortliche befragt oder Anlagen und
Abläufe vor Ort angesehen werden. Inhalt dieses ersten Schritts ist somit primär
das Verstehen und, wenn möglich, Verifizieren der Abweichung, nicht jedoch die
Ergründung aller möglichen Fehlerursachen.
TIPP:
Es ist nicht immer möglich, ausreichend Informationen zu erhalten, um einen
Fehler vollständig verstehen, rekonstruieren und bestätigen zu können. Für diesen
Fall legen Sie rechtzeitig fest, wann Sie Ihre „Datensammlung“ beenden wollen
und wie Sie mit unvollständigen Informationen weiter vorgehen wollen. Eine über-
lange Datensammlung verzögert nicht nur den Beginn notwendiger Korrekturen
und Korrekturmaßnahmen, sie ist auch wirtschaftlich nicht vertretbar. Versuchen
Sie in diesen Fällen nach dem Pareto-Prinzip vorzugehen und fehlende Daten z. B.
durch eine Risikoanalyse oder durch Tests von Rückhaltemustern zu ergänzen.
12.3 Phasen des Korrektur- und Verbesserungsprozesses 435
Sind der Umfang und der Kontext der vorliegenden Abweichung erfasst, wird im
nächsten Schritt versucht, die Fehlerursachen zu ergründen. Dies ist der entschei-
dende Teil der Untersuchung, weil das Ergründen der Ursachen für die Nichtkon-
formität (bzw. mögliche Nichtkonformität) eines Produkts, Prozesses bzw. des QM-
Systems Voraussetzung dafür ist, die Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen
so festzulegen, dass ein Wiederauftreten des Fehlers verlässlich verhindert werden
kann. Der Umfang der Untersuchung und Dokumentation muss dabei dem Sach-
verhalt und dem Risiko angemessen sein, d. h. je höher das Risiko, desto umfassen-
der muss die Ursachenanalyse gestaltet werden.
Aufbauend auf den Untersuchungen in den vorangegangenen Schritten sollen die
erhobenen Informationen und Daten bewertet werden, wobei Folgendes zu beach-
ten ist:
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Symptome sollen sauber von den Ursachen getrennt werden. Das Hauptaugen-
merk soll auf die Beseitigung der Ursachen und nicht der Symptome gelegt
werden.
Es ist davon auszugehen, dass nicht nur eine, sondern mehrere Ursachen der
Abweichung zugrunde liegen.
Normalerweise ist nicht die erste gefundene Ursache die tatsächliche Fehlerur-
For personal use only.
sache; Ziel muss es sein, die „darunter liegenden“ Ursachen (underlying root
causes) zu eruieren.
Alle gefundenen Zusammenhänge zwischen den aufgetretenen Symptomen
und den zugrunde liegenden Ursachen sind zu dokumentieren.
BEISPIEL:
Eine Trendanalyse ergibt, dass im Feld vermehrt Ausfälle bei einem Ersatzteil
auftreten. Die Untersuchung zeigt, dass sich die Verklebung eines Kunststoffteiles
löst (Symptom).
Die Ursachenanalyse (Stufe 1) zeigt, dass ein abgelaufener Kleber eingesetzt
wurde.
Die weiterführende Ursachenanalyse (Stufe 2) ergibt, dass es keine adäquate
Prüfung zur Feststellung der Verklebung gibt und dass der zuständige Mitarbeiter
außerdem nicht darin geschult war, vor Verwendung das Ablaufdatum des Klebers
zu prüfen.
Die noch weiterführende Ursachenanalyse (Stufe 3) fördert zutage, dass die fir-
menweiten Schulungsunterlagen zum Umgang mit Chemikalien nicht auf neuestem
Stand sind.
Als Sofortkorrektur wird der abgelaufene Kleber gegen einen frischen Kleber
ausgetauscht. Als Korrekturmaßnahmen werden die Schulungsunterlagen ange-
passt und alle Mitarbeiter darin geschult. Als präventive Maßnahme wird zudem
begonnen, nach alternativen Verbundmethoden zu suchen.
436 12 Korrektur- und Verbesserungsmanagement
Wenn ein systematischer Fehler erkannt wurde, muss der Hersteller nicht jedes
einzelne Produkt mit denselben diagnostizierten Symptomen neuerlich analysie-
ren. Allerdings reicht die Untersuchung eines einzelnen Produkts im Regelfall
nicht, um Symptome eindeutig festzulegen. Wenn die Untersuchung eines Pro-
dukts oder eines Prozesses einen Fehler bzw. eine Abweichung ergibt wie z. B. eine
ausgefallene Komponente oder einen Designfehler, so ist die Untersuchung erst
dann abgeschlossen, wenn auch alle weiteren infrage kommenden Produkte oder
Prozesse auf Vorliegen dieses Fehlers oder dieser Abweichung hin untersucht wur-
den. Ist die Abweichung durch ein fehlerhaftes Design entstanden, ist das Design
gemäß den Änderungs- und Entwicklungsvorgaben anzupassen.
Das Ergebnis der Ursachenanalyse kann sowohl das Risiko als auch die Identifizie-
rung von Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung beeinflussen. Es ist daher nach dem
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TIPP:
For personal use only.
Achten Sie darauf, dass die Erstrisikoanalyse und die Ursachenanalyse innerhalb
einer „angemessenen Zeit“ durchgeführt werden (spätestens jeweils innerhalb
eines Monats, bei kritischen Nonkonformitäten natürlich rascher). Planen Sie die
Umsetzung der Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen und kontrollieren Sie
auch hier die Einhaltung der geplanten Termine. Terminabweichungen/-verlänge-
rungen sind zu begründen und zu dokumentieren.
TIPP:
War ein „menschliches Versagen“ Ursache eines Fehlers, reicht ein Schulungs-
nachweis des betroffenen Mitarbeiters allein nicht aus, um die Wirksamkeit
nachzuweisen. Erst z. B. das Nicht-Wiederauftreten desselben Fehlers innerhalb
eines angemessenen Zeitraums wird als adäquater Nachweis gesehen.
Ähnliches gilt z. B. für die Schulung einer neuen Herstellvorschrift, wo zusätzlich
zum Schulungsnachweis eines Mitarbeiters der Nachweis einer fehlerfreien Her-
stellung über x Lose erforderlich sein kann.
Schlägt der Nachweis der Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen fehl, muss der
Hersteller wieder zurück an den Anfang der Untersuchung und nochmals nachfra-
gen,
ob er das Problem vollständig verstanden hat (welche Produkte, Prozesse, Be-
reiche in welchem Zusammenhang betroffen waren, welche Symptome auftra-
ten etc.),
ob er die Ursachen vollständig erfasst hat und
ob die geplanten Lösungen mit den erkannten Ursachen korrelieren und die
durchgeführten Umsetzungsmaßnahmen wie geplant implementiert wurden.
438 12 Korrektur- und Verbesserungsmanagement
12.3.4 Managementreview
Das Management ist auf unterschiedlichen Ebenen zu verschiedenen Zeiten in den
Korrektur- und Verbesserungsprozess einzubinden. Dies kann entweder über die
Genehmigung einzelner Maßnahmenschritte oder durch regelmäßige Berichte er-
folgen. Zusätzlich ist das Management dafür verantwortlich, dass für den Korrek-
tur- und Verbesserungsprozess klare Verantwortlichkeiten existieren und ausrei-
chend Ressourcen für die Messung und Datenanalyse sowie für die Umsetzung der
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TIPP:
CAPA-Kenngrößen wie „Ø Durchlaufzeiten“, „Anzahl offener Fälle“, „Anzahl von
Langläufern“ oder „Termintreue“ bieten sich an, um die Performance des CAPA-
Prozesses zu monitoren und gegebenenfalls geeignete Verbesserungsmaßnahmen
zu initiieren. Insbesondere können dadurch Ressourcenengpässe und Know-how-
For personal use only.
Der Hersteller muss des Weiteren klar definierte Vorgaben besitzen, wie sicher-
heitsrelevante Vorfälle unverzüglich an das Management, die Benannte Stelle so-
wie die zuständige Behörde kommuniziert werden. Außerdem muss er nachwei-
sen, dass er Mechanismen etabliert hat, wie er die Wirksamkeit des QM-Systems
auf Dauer aufrechterhalten kann. Dazu gehören insbesondere regelmäßige Quali-
tätsreviews durch das Management, die auch Korrektur- und Verbesserungsmaß-
nahmen sowie wichtige Korrekturen umfassen (siehe dazu auch die Forderung der
ISO 13485:2016 Absatz 5.6). Es bleibt dem Hersteller überlassen, welche Daten er
für das Managementreview heranziehen will. Allerdings ist es bei den Korrektur-
und Verbesserungsmaßnahmen nicht ausreichend, nur reine „Prozessgrößen“ wie
Anzahl der umgesetzten Maßnahmen oder Durchlaufzeiten zu berichten. Die prä-
sentierten Daten müssen zumindest die wesentlichen qualitätsrelevanten Korrek-
turen sowie Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen beinhalten.
Gemäß MPV [12.12] und IVDV [12.13] ist der Hersteller außerdem verpflichtet,
einen Bericht zu erstellen, der eine Zusammenfassung der Ergebnisse und Schluss-
folgerungen der Analysen der gesammelten Daten nach dem Inverkehrbringen
enthält, zusammen mit einer Begründung und Beschreibung etwaiger ergriffener
Präventiv- und Korrekturmaßnahmen. Dieser Bericht ist Teil der Technischen Do-
kumentation. Er ist regelmäßig zu aktualisieren (bei Klasse-I-Produkten nur auf
Anfrage) und der Behörde oder der Benannten Stelle vorzulegen (bei Klasse-I- und
-II-Produkten auf Ersuchen).
12.5 Literatur 439
12.4 Zusammenfassung
Die Hersteller von Medizinprodukten müssen dafür Sorge tragen, dass ihre am
Markt platzierten Produkte während der gesamten Produktlebensdauer den be-
stimmungsgemäßen Gebrauch ermöglichen und für Anwender und Patient keine
Gefährdung darstellen. Um dies sicherzustellen, fordern alle relevanten Vorschrif-
ten, dass die Hersteller von Medizinprodukten, und mit Einschränkungen auch
deren Zulieferanten, bei Produktfehlern oder bei Abweichungen in qualitätsrele-
vanten Prozessen oder QM-Systembereichen definierte Prozesse etabliert haben,
um die Auswirkungen möglicher Fehler und Abweichungen möglichst gering zu
halten. Je nach Kritikalität des Fehlers oder der Abweichung sind entsprechende
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12.5 Literatur
[12.1] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Aktuelle Daten der Beanstandungen, in den von der
FDA ausgestellten 483er Inspektionsberichten der Jahre 2015 bis 2020 zeigen, dass fast 50 %
aller Beanstandungen den Punkt 21 CFR 820.100 „Corrective and preventive actions (CAPA)“
betreffen, verfügbar unter https://www.fda.gov/inspections-compliance-enforcement-and-criminal-
investigations/inspection-references/inspection-observations, zuletzt abgerufen am 08. 06. 2021.
[12.2] Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC): EN ISO 13485:2016 Medical
devices – Quality management systems – Requirements for regulatory purposes. (Deutsche
Fassung: Deutsches Institut für Normung e. V.: DIN EN ISO 13485:2016, Medizinprodukte – Quali-
tätsmanagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke. Ausgabe: 2016 – 07-01.).
[12.3] Japan, Ministry of Health, Labor and Welfare: MHLW No. 169, 2004 „Ministerial Ordinance on
Standards for Manufacturing Control and Quality Control for Medical Devices and In-vitro Dia-
gnostic Reagents“. Anmerkung: Am 29. Juli 2016 veröffentlichte die MHLW eine administrative
Erklärung „Handling of the revision of ISO 13485 in QMS surveillance“ in der grosso modo
festgehalten wird, dass Unternehmen, deren QM-System den Anforderungen der ISO13485:2016
entspricht, auch der MHLW Ordinance No. 169 Chapter 2 entspricht.
440 12 Korrektur- und Verbesserungsmanagement
[12.4] U. S. Food and Drug Administration (FDA): Code of Federal Regulations Title 21, Volume 1, Part 820
(21 CFR 820). April 2017.
[12.5] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Artikel 83 und 84 der Verordnung (EU) 2017/745
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 05. 2017 über Medizinprodukte, zur Ände-
rung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG)
Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates
(MPV).
[12.6] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Artikel 78 und 79 der Verordnung (EU) 2017/746
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 05. 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur
Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (IVDV).
[12.7] Global Harmonization Task Force (GHTF): GHTF/SG3/N18:2010: „Quality management system for
Medical Devices – Guidance on corrective action and preventive action and related QMS proces-
ses“, final document, 04. 11. 2010. Verfügbar unter: http://www.imdrf.org/docs/ghtf/final/sg3/
technical-docs/ghtf-sg3-n18-2010-qms-guidance-on-corrective-preventative-action-101104.pdf, zuletzt
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abgerufen am 08. 06. 2021.
[12.8] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Artikel 88 der Verordnung (EU) 2017/745 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 05. 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung
der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG)
[12.9] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: IVDV Artikel 83 der Verordnung (EU) 2017/746
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 05. 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur
Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (IVDV).
[12.10] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: MPV Artikel 87 (1) bis (5) der Verordnung (EU)
2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 05. 2017 über Medizinprodukte,
For personal use only.
zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verord-
nung (EG).
[12.11] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: IVDV Artikel 82 (1) bis (5) der Verordnung (EU)
2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 05. 2017 über In-vitro-Diagnostika
und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission
(IVDV).
[12.12] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Artikel 85 & 86 und Anhang III Artikel 1.2 der
Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 05. 2017 über
Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002
und der Verordnung (EG).
[12.13] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: IVDV Artikel 80 & 81 und Anhang III Artikel 2 der
Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. 05. 2017 über
In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/
EU der Kommission (IVDV).
13 Behördenanforderungen
und behördliche
Inspektionen
M. Guggenbichler, J. Harer
SCHWERPUNKTE:
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Wie wird sichergestellt, dass nur geeignete Produkte dem Markt zur Verfügung
gestellt werden?
Was bedeuten behördliche Inspektionen von Medizinprodukteherstellern?
Welche Bedeutung haben Konformitätsbewertungsverfahren – insbesondere
Risikomanagement, Biokompatibilität sowie elektrische und funktionale
Sicherheit?
Was sind die besonderen Schwerpunkte der Inspektionen?
Wie laufen die Inspektionen bei Herstellern und Anwendern ab?
For personal use only.
13.1 Einleitung
In der Europäischen Union dürfen nur solche Medizinprodukte in Betrieb genom-
men und angewendet werden, welche den gesetzlichen Anforderungen an Medi-
zinprodukte entsprechen und die mit dem CE-Kennzeichen versehen sind. Die CE-
Kennzeichnung als solche bedeutet, dass das Produkt mit (zumindest) einer
europäischen Verordnung oder Richtlinie konform ist (CE = Conformité Européene,
also europäische Konformität). Unter welchem Regelwerk das Produkt auf den
Markt gebracht wird, kann anhand der Konformitätserklärung identifiziert wer-
den. Die CE-Kennzeichnung ist der Beleg, dass ein (Medizin-)Produkt den dafür
geltenden Anforderungen entspricht und in Europa verkehrsfähig ist. Als Nach-
weis der Verkehrsfähigkeit für den gesamten europäischen Markt gilt primär die
CE-Kennzeichnung eines Medizinprodukts gemäß dem anwendbaren Recht (MPG
und Richtlinie bzw. Verordnung) in Verbindung mit der Konformitätserklärung.
442 13 Behördenanforderungen und behördliche Inspektionen
Der Ursprung der CE-Kennzeichnung von Medizinprodukten liegt in den drei euro-
päischen Richtlinien AIMDD [13.1], MDD [13.2] und IVDD [13.3] bzw. deren natio-
naler Umsetzung, den nationalen Medizinproduktegesetzen. Diese drei europäischen
Richtlinien wurden mit 5. April 2017 durch die zwei europäischen Verordnungen
MPV [13.4] bzw. IVDV [13.5] abgelöst. Dabei löst die MPV die beiden Richtlinien
AIMDD und MDD ab, die IVDV die Richtlinie IVDD. Als europäische Verordnungen
sind diese – unter Berücksichtigung der jeweiligen Übergangsfristen – unmittel-
bar anwendbares Recht und müssen (im Gegensatz zu europäischen Richtlinien)
nicht in nationales Recht umgesetzt werden.
Die beiden Verordnungen traten mit 26. April 2017 in Kraft. Die Übergangsfrist
für Medizinprodukte (MPV) endete mit 26. Mai 2021, für In-vitro-Diagnostika
(IVDV) endet sie (lt. Wissensstand zur Drucklegung) am 26. Mai 2022 – ab diesem
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13.2.1 Deutschland
Das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) [13.11], eingeführt durch
das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) [13.12], löst das bisher
gültige Medizinproduktegesetz (MPG) [13.13] ab. Das MPDG dient der Durchfüh-
rung und Ergänzung der EU-Verordnungen und ist für Medizinprodukte (gemäß
MPV - EU 2017/745) ab dem 26. Mai 2021 (MPDG §1) anzuwenden. Für In-vitro-
Diagnostika (gemäß IVDV - EU 2017/746) ist das MPDG ab dem 26. Mai 2022 gül-
tig, bis zu diesem Zeitpunkt gilt für IVDs das MPG in der bis einschließlich 25. Mai
2021 geltenden Fassung (MPDG §2).
Das MPDG regelt vergleichbare Themen wie das MPG, ist jedoch nicht wie bisher
eine deutsche Umsetzung der europäischen Anforderungen, es ist vielmehr zu-
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terte Verantwortung. Nicht zuletzt müssen sich auch Betriebe, in denen Medizin-
produkte als Systeme aufbereitet/sterilisiert werden, bei den Behörden registrieren.
Das MPDG wird noch durch verschiedene Durchführungsverordnungen ergänzt
(siehe Bild 13.1).
Für die Überwachung der Betriebe und Einrichtungen, Sponsoren und Hersteller
sind lt. MPDG §77 verschiedene Bundes- und Landesbehörden zuständig. Die kon-
krete Überwachung von Betreibern, Herstellern und anderen Wirtschaftsakteuren,
wie z. B. Importeuren oder Händlern, ist ausschließlich auf Landesebene durch die
Landesbehörden, zum Teil gemeinsam mit den nachgeordneten Bezirksregierun-
gen, (§85 1 MPDG) geregelt.
Eine Übersicht gibt seit 2020 das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro-
dukte (BfArM), vor 2020 das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation
und Information (DIMDI) [13.14].
Um einen deutschlandweit harmonisierten Ansatz der Marktüberwachung zu er-
reichen, ist seit 1. April 2013 die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz
bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) für die Koordinierung der Markt-
überwachungstätigkeiten zuständig. Die ZLG ist zudem für die Benennung und
Überwachung der Benannten Stellen sowie die Anerkennung von Laboratorien in-
nerhalb Deutschlands zuständig (Art. 35 MPV). Auch die Hersteller sind selbst in
der Pflicht ein eigenes Post-Market Surveillance-System (PMS) aufzubauen, um
aktiv nach Gefährdungspotenzialen zu suchen und die Sicherheit und Leistungs
fähigkeit ihrer Produkte zu gewährleisten (Art. 7 MPV).
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For personal use only.
Interna onale
n Interna onale
n IInterna onale
Interna onale
nale e
IInterna onale
n IInterna onale
N Normen
Normen Interna onalee
N N
Normen
Normen
produkten/IVDs
Harmonisieren
Gelten unmielbar
(Durchführungswirkung)
Europäische EU-Verordnung 2017/745 über EU-Verordnung 2017/746 über
Verordnungen Medizinprodukte (MDR / MPV) in Vitro Diagnos k (IVDR / IVDV)
überarbeitet neu
13.2.2 Österreich
Die gesetzliche Grundlage für Medizinprodukte ist im österreichischen Medizin-
produktegesetz [13.17] mit den zugehörigen Verordnungen geregelt, welches
ebenfalls an die neuen EU-Verordnungen angepasst wurde.
For personal use only.
13.2.3 Schweiz
Die gesetzlichen Anforderungen in der Schweiz sind im schweizerischen Heilmit-
telgesetz [13.18] festgelegt, welche für Medizinprodukte auf die Medizinprodukte-
verordnung MepV SR 812.213 [13.19] verweist. Dieses stellt die schweizerische
Umsetzung der europäischen Richtlinien bzw. EU-Verordnungen dar. Aufgrund
bilateraler Abkommen [13.20] zwischen der EU und der Schweiz waren in der
Schweiz hergestellte Medizinprodukte bis 26. 05. 2021 jenen aus der EU gleichge-
setzt.
Die revidierte MepV, welche seit Juli 2020 zugänglich war, wurde durch den Ab-
bruch der Verhandlungen um das InstA am 19. 05. 2021 ergänzt, wobei die Schweiz
dem Umstand Rechnung trägt, dass sie damit zum EU-Drittstaat geworden ist. Da-
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mit gilt prinzipiell, dass für die Einfuhr von Medizinprodukten unter der MPV von
der Schweiz in die EU ein europäischer Bevollmächtigter benannt und im Labelling
angegeben sein muss. Zum Zeitpunkt der Drucklegung war nicht bekannt, wie die
weiteren nationalen Verordnungen im Detail angepasst werden, um der Drittstaa-
ten-Realität rechtsverbindlich Rechnung zu tragen. Insbesondere fehlten zum Zeit-
punkt der Drucklegung verbindliche Vorgaben zu Übergangsfristen für Medizin-
produkte nach MDD und AIMDD.
For personal use only.
MERKE:
Schwerpunkte bei der Überwachung von Herstellern können je nach Hintergrund
der Inspektion auf verschiedene Themen gelegt werden. Häufig werden jedoch im
Rahmen von Herstellerinspektionen die folgenden Aspekte geprüft:
Abgrenzung und Klassifizierung der Medizinprodukte in Kombination mit der
Einbindung einer Benannten Stelle,
Nachweis der klinischen Sicherheit und Wirksamkeit (klinische Bewertung),
Dokumentation des Vigilanzsystems,
Konformitätsbewertungsverfahren – Schwerpunkte auf Risikomanagement,
Biokompatibilität sowie elektrische und funktionale Sicherheit,
Produktionsprozesse – ein Inspektionsschwerpunkt liegt auf der Freigabe
dokumentation und wie sichergestellt ist, dass nur geeignete Produkte dem
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lich durch das BASG und in der Schweiz durch die Swissmedic). Um spezielle Frage-
stellungen im Rahmen der Inspektion abklären zu können, können weitere Fach-
experten hinzugezogen werden.
Je nach Inspektionsziel und Hintergrund kann dabei die Inspektion angekündigt
oder unangekündigt erfolgen. In der Regel wird die Inspektion jedoch mit einer
Frist von bis zu sechs Wochen vor Inspektionsbeginn angekündigt, um die Ver
fügbarkeit der Ansprechpartner zu gewährleisten. Im Rahmen dieser Voran
kündigung werden häufig zusätzliche Dokumente angefordert, um die Inspek
tionsvorbereitung und -planung zu vereinfachen. Dabei soll im Rahmen der
Inspektionsschwerpunktsetzung insbesondere vermieden werden, dass einzelne
Systeme doppelt (z. B. durch Behörde und Benannte Stelle) geprüft werden. Dafür
ist beispielsweise der letzte Auditbericht der Benannten Stelle für die Aufsichtsbe-
hörde zur Einsicht vorzuhalten. Der Hersteller sollte im Gegenzug sicherstellen,
dass die relevanten Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Typischerweise wer-
den zumindest der Qualitätsmanagementverantwortliche sowie jeweils ein Pro-
duktverantwortlicher für die Hauptproduktgruppen benötigt. Im Rahmen der Ein-
führungs- und Abschlussbesprechung hat sich auch bewährt, dass zumindest ein
Mitglied der Geschäftsführung zur Verfügung steht, damit etwaige Abweichungen
bereits direkt vor Ort besprochen und erklärt werden können.
13.3 Arten von Inspektionen 449
In der Regel ergibt sich im Rahmen der Inspektion folgender grober Ablauf:
Einführungsbesprechung
Im Rahmen der Einführungsbesprechung wird der Hintergrund der Inspek-
tion dargelegt, werden die handelnden Personen sowie deren Aufgaben vorge-
stellt und wird der Zeitplan für die Dauer der Inspektion festgelegt. Seitens des
Unternehmens sollte eine kurze Präsentation des Unternehmens vorbereitet
werden. Fokus sollte hier auf der Unternehmensstruktur (Organigramm, An-
zahl der Mitarbeiter) sowie auf der Vorstellung der Produkte und der wichtigs-
ten Fertigungstechnologien liegen.
Firmenrundgang
Ziel des Firmenrundgangs ist es, den Inspektoren einen ersten Eindruck über
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zu reduzieren.
Der abschließende Bericht ist von der Behörde in das elektronische EUDAMED-
System einzugeben [13.21] und soll darüber allen europäischen Mitgliedstaa-
ten sowie auch der Benannten Stelle zugänglich sein.
Bei unmittelbarer Gesundheitsgefährdung („Gefahr im Verzug“) können auch
direkt vor Ort weitreichende Maßnahmen erlassen werden. Diese können bis zur
(vorübergehenden) Schließung von Produktionsanlagen oder zum Auslieferungs-
For personal use only.
13.3.2 Anlassbezogene Inspektion
Bei anlassbezogenen Inspektionen steht das Abklären der auslösenden Fragestel-
lung an erster Stelle. Meist handelt es sich dabei um die Überprüfung der Ursa-
chenanalyse nach einer Vorkommnis-Meldung sowie den daraus abgeleiteten Kor-
rektur- oder Vorbeugemaßnahmen. Im Rahmen solcher Inspektionen sollen die
vom Hersteller durchgeführte Ursachenanalyse sowie die daraus abgeleiteten Kor-
13.3 Arten von Inspektionen 451
Nachweisen, dass das Produkt die Definition eines Medizinprodukts erfüllt (siehe
Glossar). Besonders häufig stehen die Definition und Beschreibung des Hauptwirk-
mechanismus des Produkts im Vordergrund der Betrachtung. Der Hersteller muss
belegen, dass der Hauptwirkmechanismus weder pharmakologisch noch metabo-
lisch noch immunologisch erreicht wird.
Werden im Rahmen einer solchen anlassbezogenen Inspektion Abweichungen zu
den gesetzlichen Vorgaben festgestellt, müssen die Auswirkungen für die Gesund-
For personal use only.
heit von Patienten, Anwendern und Dritten bewertet werden. Basierend darauf
werden die weiteren Maßnahmen zum Erreichen eines gesetzeskonformen Status
festgelegt. Mögliche Maßnahmen können beinhalten:
vom Hersteller eigenverantwortlich definierte und umgesetzte Korrektur- oder
Vorbeugemaßnahmen,
zwischenzeitlicher Stopp der Anwendung oder des Vertriebs der Produkte,
Rückruf aller am Markt befindlichen betroffenen Medizinprodukte.
sen nach, dass Arbeitsschritte korrekt durchgeführt werden. Im Rahmen der Pro-
duktfreigabe (Endkontrolle) wird z. B. geprüft, ob die Materialzertifikate vorliegen,
ob alle In-Prozess-Kontrollen positiv durchgeführt wurden, die Kennzeichnung der
Produkte in Ordnung ist und ob die gesamte notwendige Dokumentation vollstän-
dig vorhanden ist.
TIPP:
Eine gute Produktionsdokumentation enthält beispielsweise, welcher Mitarbeiter
zu welchem Datum welchen Produktionsschritt durchgeführt hat, damit die Rück-
verfolgbarkeit im Fehlerfall möglich gemacht wird (siehe dazu auch Kapitel 10,
Herstellung und Qualitätssicherung gem. cGMP).
13.3.3.3 Weitere Inspektionsschwerpunkte
Abgrenzung und Klassifizierung von Medizinprodukten
Wie bereits im Kapitel 4, Entwicklung von Medizinprodukten, vorgestellt, ist die
Abgrenzung und Klassifizierung von Medizinprodukten von grundsätzlicher Be-
deutung für die Auswahl des korrekten Konformitätsbewertungsverfahrens. Daher
haben behördliche Inspektionen sehr häufig diesen Schwerpunkt.
454 13 Behördenanforderungen und behördliche Inspektionen
BEISPIELE:
Ein Wundverband oder Heftpflaster hat die Aufgabe, eine Wunde vor mechanischer
Belastung zu schützen. Dies wird vor allem durch die Polsterung der Wundfläche
in Kombination mit einer Ruhigstellung des verletzten Körperteils erreicht. Eine
pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung durch das Produkt
ist nicht zu erwarten, auch wenn das Produkt durch die Ruhigstellung regenerative
Zellprozesse begünstigt.
Ein Röntgengerät nutzt die unterschiedliche Adsorption aufgrund unterschiedlicher
Dichte von menschlichem Gewebe, um den Körper zu durchleuchten – auch hier
ist keine pharmakologische, immunologische oder metabolische Hauptwirkung zu
erwarten, auch wenn eine Interaktion zwischen dem Gewebe sowie den Röntgen-
strahlen nicht ausgeschlossen werden kann.
Eine Hüftgelenksprothese ersetzt ein verletztes oder beschädigtes Gelenk. Dabei
wird insbesondere die physiologische Beweglichkeit (wieder)hergestellt. Auch
dieser Hauptwirkmechanismus ist nicht als pharmakologisch, immunologisch oder
metabolisch anzusehen, auch wenn der vorhandene Knochen im Rahmen von
metabolischen Prozessen in vorgesehene Strukturen des Implantats einwächst
und eine feste Verbindung herstellt.
13.3 Arten von Inspektionen 455
Nachweis des klinischen Nutzens vorliegen muss. Diese Forderung wurde mit der
Richtlinie 2007/47/EG [13.31] präzisiert, dass der Hersteller für jedes Medizinpro-
dukt – unabhängig von der Risikoklassifizierung – eine klinische Bewertung er-
stellen muss.
Die MPV widmet der klinischen Bewertung und Prüfung einen umfangreichen Ab-
schnitt [13.32], der die Planung, Durchführung, Bewertung und Dokumentation
im Detail regelt. Aufgrund der hohen Wertigkeit, die die beiden EU-Verordnungen
der klinischen Prüfung respektive Leistungsbewertung zuschreiben, wurde die-
For personal use only.
sem Thema in diesem Buch ein eigenes Kapitel gewidmet (siehe Kapitel 7, Klini-
sche Evidenz für Medizinprodukte und IVD).
Die mit Juni 2016 veröffentlichte MEDDEV-Guideline 2.7/1, rev. 4 [13.33] stellt
eine zusätzliche Anleitung für die Erstellung einer klinischen Bewertung dar. Die
Vorgaben wurden in weiten Teilen direkt in den Gesetzestext der MPV übernom-
men, sodass die MPV konkrete Anforderungen an die Qualifikation der Durchfüh-
renden, die Qualität der Daten sowie die Vergleichbarkeit der im Rahmen von wis-
senschaftlicher Literatur behandelten Produkte mit den für die klinische Bewertung
gegenständlichen Produkten enthält.
werden und durch eine dafür qualifizierte Person erfolgen (siehe auch Kapitel 10,
Herstellung und Qualitätssicherung gemäß cGMP), die Verantwortung für diesen
Prozess ist Bestandteil der Aufgaben der für das Einhalten der Regulierungsvor-
schriften verantwortlichen Person. So kann nachvollziehbar belegt werden, dass
zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens das Produkt die gültigen Anfor-
derungen erfüllt hat. Diese beinhalten neben den Kundenanforderungen auch ge-
setzliche Anforderungen, den aktuellen Stand der Technik – z. B. in Form von
Guidance-Dokumenten, (harmonisierten) Normen – oder Gemeinsamen Spezifika
tionen (GS).
Medizinprodukte müssen zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens den
gültigen (gesetzlichen) Anforderungen entsprechen. Es ist dabei zu berücksichti-
gen, dass jedes einzelne Produkt erstmalig in Verkehr gebracht wird – der Begriff
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des erstmaligen Inverkehrbringens erstreckt sich damit nicht auf einen Produkt-
typ, sondern betrifft jede einzelne Charge bzw. jede einzelne Seriennummer. Die
Europäische Kommission hat den Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens in
einem Interpretationsdokument zur MDD genauer dargelegt [13.34], dieses kann
jedoch weiterhin sinngemäß angewendet werden. Eine Grundvoraussetzung ist,
dass das Produkt von der Produktionsstätte zur Distributionskette transferiert
wird. Das Einlagern in den Lagerräumlichkeiten des Herstellers erfüllt in der Regel
For personal use only.
noch nicht die Definition des erstmaligen Inverkehrbringens, da sich das Produkt
noch unter der vollen Verantwortung des Herstellers befindet. Es muss ein physi-
scher oder zumindest nomineller Verantwortungsübergang stattfinden.
Im Rahmen von Inspektionen wird besonderes Augenmerk auf die Eignung der
Prozess- und Arbeitsanweisungen für die Freigabe gelegt. Diese müssen für den
Mitarbeiter verständlich sein. Im Rahmen von Trainings müssen die Mitarbeiter
auf diese Dokumente geschult werden. Um die Schulung belegen zu können, ist
diese zu dokumentieren.
Wichtig für eine effiziente Steuerung der Produktionsprozesse ist die Kennzeich-
nung des Status eines Produkts. Insbesondere bei Arbeitsschritten, deren Ergeb-
nis nicht offensichtlich ist – z. B. Sterilisationsprozesse, Zwischen- oder Endfrei-
gabe –, ist wichtig, dass der Status eindeutig gekennzeichnet ist. Nur so kann die
Verwechslungsgefahr zwischen z. B. behandelten (sterilisierten) und unbehandel-
ten (unsterilen) Produkten weitgehend reduziert werden. Ein weiterer einfacher
Schritt zur Reduktion von Verwechslungen ist z. B. die Kreuzungsfreiheit von
Wegen oder eine saubere line clearance.
13.3 Arten von Inspektionen 457
und Österreich.
13.3.4.1 Erfassung in Registern
Alle aktiven Medizinprodukte, die für den Betrieb bereitstehen, müssen – unab-
hängig von den Besitzverhältnissen (also auch für Miet- und Leihgeräte) – in einem
Bestandsverzeichnis erfasst werden. Darüber hinaus definiert die Gerätedatei zu-
sätzliche Informationen, welche für prüfpflichtige Medizinprodukte (sicherheits-
For personal use only.
Die korrekte Einweisung der Anwender stellt sicher, dass die Geräte richtig be-
dient, vorbereitet und aufbereitet werden. Art, Umfang und Tiefe der Einschulung
dafür sollen vom Hersteller festgelegt werden. Der Betreiber der Gesundheitsein-
richtung hat jedoch sicherzustellen, dass die Anwender auf die Medizinprodukte
geschult werden. Die Schulung kann sowohl durch Mitarbeiter des Herstellers
(Medizinprodukteberater) als auch durch bereits mit dem Gerät vertraute Mitar-
beiter des Krankenhauses erfolgen.
Um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, muss auch die Durchführung und
Teilnahme an Schulungen dokumentiert werden. Dies kann entweder zentral im
Bestandsverzeichnis erfolgen, gerätespezifisch in Form eines Logbuchs oder an-
wenderspezifisch in Form eines Schulungspasses. In der Praxis besonders bewährt
hat sich die Kombination aus zentraler Erfassung und personenspezifischem Schu-
lungspass, da so ein bestmöglicher Überblick für jeden einzelnen Anwender ge-
währleistet ist.
BEACHTE:
Der Betreiber (z. B. eine Krankenanstalt) hat sich bei der Validierung der Aufberei-
tungsprozesse nach den Vorgaben des Herstellers zu richten.
Die Herstellerverpflichtung ist es, ausreichend detaillierte Aufbereitungsanwei-
sungen zur Verfügung zu stellen, sodass diese in der Praxis umgesetzt werden
können. Das beinhaltet eine ausführliche Beschreibung, wie Medizinprodukte
zerlegt werden können, welche Reinigungs- oder Desinfektionsmittel/Konzentra-
tionen/Prozessparameter mit dem Produkt verträglich sind, sowie welche Steri-
lisationsverfahren geeignet sind.
sierten Norm EN ISO 17664 [13.37] entsprechen. In der Praxis bedeutet das, dass
mindestens ein geeignetes, validiertes Verfahren zur Aufbereitung der Medizin-
produkte beschrieben sein muss.
Aufgabe der Gesundheitseinrichtung ist es, eigene validierte Aufbereitungspro-
zesse unter Berücksichtigung der Herstellervorgaben zu etablieren. Alle Aspekte
der Aufbereitung – beginnend mit der Vorreinigung über Reinigung und Desinfek-
tion bis zu Sterilisation, Schulung der Mitarbeiter und der dafür notwendigen Pro-
For personal use only.
zessmittel – müssen bei der Validierung berücksichtigt werden. Auch die im Rou-
tinebetrieb erstellte Dokumentation und deren Eignung sind zu bewerten. Diese
Dokumente sollen in der Gesundheitseinrichtung verfügbar sein, um den validier-
ten Status belegen zu können.
Jeder in der täglichen Routine durchgeführte Aufbereitungsprozess muss eine
Bewertung des Prozesses und basierend darauf eine formale Freigabe für die An-
wendung der Produkte beinhalten. Dabei gewährleistet die Dokumentation des
Routinebetriebs, dass der validierte Prozess für jede Aufbereitungs-Charge nach-
vollziehbar eingehalten wird.
TIPP:
Die Beschreibung dieser Verfahren muss in Europa übliche Prozesse referenzieren.
Für Sterilisationen sind in Europa beispielsweise Verfahren mit 121 °C (für 15 Mi-
nuten) oder 134 °C (für drei bzw. meist fünf Minuten) üblich. Das in den USA übliche
Sterilisationsverfahren von 270 °F für vier Minuten (132 °C) ist in Europa unüblich
und sollte daher auch nicht als alleiniges Sterilisationsverfahren angegeben werden.
MERKE:
Die MPV definiert Anforderungen für Einmalprodukte hinsichtlich der Aufbereitung.
So muss die Vorgabe, dass ein Produkt als Einmalprodukt in Verkehr gebracht
wird, europaweit einheitlich sein. Es ist nicht mehr möglich, dass Produkte in einem
Mitgliedstaat als Einmalprodukte und in einem anderen Mitgliedstaat als wieder-
verwendbare Produkte in Verkehr gebracht werden. Des Weiteren muss der
Hersteller angeben, warum ein Einmalprodukt nicht wiederaufbereitet werden
kann.
Sofern es nationale Regelungen zulassen, können Einmalprodukte wiederaufbe-
reitet werden. Zum Zeitpunkt der Drucklegung ist die Aufbereitung von Einmal-
produkten – mit speziell überwachten und validierten Verfahren – in Deutschland
zulässig. In Österreich wurde eine solche Vorgabe im nationalen MPG nicht um-
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TIPP:
Die Verwendung von elektronischen Listen (z. B. mittels Microsoft Excel) hat sich
in der Praxis oft als problematisch erwiesen. Es können versehentlich Daten un-
wiederbringlich gelöscht werden. Des Weiteren können auch Manipulationen an
solchen Listen nur schwer nachvollzogen werden. Damit kann die Datenintegrität
nur schwer bewiesen werden. Als Gold-Standard zeigt sich die Einführung von
validierten Datenbanksystemen, welche über entsprechende Zugriffsberechtigun-
gen und einen Audit-Trail die Datenintegrität gewährleisten. Details dazu siehe
Abschnitt 8.5, Computervalidierung. Eine Alternative stellt die Verwendung von
durchnummerierten Papierlisten dar.
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nicht begründbare Verzögerung“. Häufig kann zum Zeitpunkt der Meldung jedoch
noch nicht abgeschätzt werden, ob eine Fehlfunktion des Medizinprodukts ursäch-
lich am Vorkommnis beteiligt ist. Um den Zusammenhang abklären zu können,
definieren die MPV und IVDV Maximalfristen, innerhalb derer eine Abklärung er-
folgen soll. Kann am Ende der Fristen nicht eindeutig ausgeschlossen werden, dass
das Medizinprodukt bzw. dessen Fehlfunktion ursächlich am Vorkommnis betei-
ligt war, soll trotzdem eine Meldung an die Behörde erfolgen.
For personal use only.
Die Meldefristen hängen von der Schwere des Vorkommnisses ab [13.42] und lauten:
Bedrohung der öffentlichen Gesundheit:
Unverzüglich, allerspätestens jedoch zwei Kalendertage nach Benachrichti-
gung des Herstellers.
Bedrohung der öffentlichen Gesundheit ist das unmittelbare Risiko des Todes,
einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands einer Per-
son oder einer schweren Erkrankung, die sofortige Abhilfemaßnahmen erfor-
dert und signifikante Morbidität oder Mortalität verursachen kann.
Tod oder unerwartete schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigung:
Der Hersteller muss jedes schwerwiegende Vorkommnis unverzüglich,
nachdem er den Kausalzusammenhang zwischen dem Produkt und dem Vor-
kommnis hergestellt hat, an die zuständige Marktaufsichtsbehörde melden.
Die Meldung muss jedoch spätestens innerhalb von 15 Kalendertagen, nach-
dem der Hersteller über das Vorkommnis benachrichtigt wurde, erfolgen, auch
wenn der Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem Vorkommnis nicht
innerhalb dieser Zeit erhoben werden kann.
Die allgemeine Meldepflicht von Vorkommnissen und Beinahe-Vorkommnis-
sen ohne Tod des Patienten ist auf 15 Kalendertage beschränkt.
Im Fall des Todes oder einer unvorhergesehenen schwerwiegenden Ver-
schlechterung des Gesundheitszustands muss die Meldung innerhalb von
zehn Kalendertagen erfolgen.
13.3 Arten von Inspektionen 463
TIPP:
Für eine möglichst vollständige Erstmeldung von Herstellern oder Vertreibern
können die elektronischen Meldeformulare verwendet werden. Das europäische
Meldeformular findet sich auf der Internetseite der Europäischen Kommission:
https://ec.europa.eu/health/sites/default/files/md_sector/docs/md_guidance_
meddevs.pdf unter https://ec.europa.eu/docsroom/documents/41681.
Eine deutsche Übersetzung bieten die jeweiligen Behörden auf ihren Internetseiten
an:
Deutschland: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Formulare/DE/
Medizinprodukte/Meldeformular_Vorkommnisse.pdf
Österreich: https://www.basg.gv.at/marktbeobachtung/meldewesen/
medizinprodukte#c22082
Schweiz: https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/medizinprodukte/
vorkommnisse---fsca-melden--materiovigilance-.html
Neben dem Formular ist es sinnvoll, auch die maschinenlesbare XML-Datei zu
übermitteln, um Tipparbeit und Tippfehler zu reduzieren.
Ziel der Meldung ist, so rasch und vollständig wie möglich die Ursache für das
Vorkommnis zu finden und basierend auf diesen Erkenntnissen die Notwendigkeit
von Korrektur- oder Vorbeugemaßnahmen festzulegen. Die Information der Be-
hörde ist sinnvoll, da neben dem Hersteller auch die Betreiber die Verpflichtung
zur Meldung von Vorkommnissen haben.
464 13 Behördenanforderungen und behördliche Inspektionen
TIPP:
Häufig kann es sinnvoll sein, auch die für den Hersteller zuständige Marktauf-
sichtsbehörde über Korrekturmaßnahmen im Feld zu informieren, auch wenn das
Produkt nicht im jeweiligen Land vertrieben wird. Wenn mit der Meldung eindeu-
tig klar ist, dass das Produkt im jeweiligen Mitgliedsstaat nicht vertrieben wurde,
können Rückfragen bereits im Vorfeld verhindert werden.
13.4 Die FDA-Herstellerinspektion
Die zuständigen nationalen europäischen Behörden sind angehalten, auf geeignete
Art und Weise die Übereinstimmung der Merkmale und der Leistung von Produk-
ten zu kontrollieren [13.44]. Dies erfolgt u. a. durch angekündigte und erforderli-
chenfalls unangekündigte Kontrollen in den Räumlichkeiten der Wirtschaftsak-
teure sowie in den Räumlichkeiten von Zulieferern und/oder Unterauftragnehmern
und, falls erforderlich, in den Einrichtungen beruflicher Anwender. Dieses Markt-
überwachungsprogramm umfasst demnach nicht nur alle in einem europäischen
Mitgliedstaat ansässigen Hersteller von Medizinprodukten, sondern auch deren
Zulieferer, bei außereuropäischen Herstellern auch deren jeweiligen europäischen
Bevollmächtigten und Importeur. Ebenso wie europäische Behörden führt die Food
and Drug Administration (FDA) Inspektionen bei Herstellern und Anwendern
durch. Das FDA-Inspektionsprogramm umfasst bereits seit vielen Jahren nicht nur
US-inländische Hersteller und Unternehmen, sondern in den letzten Jahren ver-
stärkt auch Hersteller mit einer Betriebsstätte außerhalb der USA, welche Pro-
dukte in den amerikanischen Markt liefern. Jedes Unternehmen, das Medizinpro-
dukte oder IVDs entwickelt oder herstellt, egal wo, kann bzw. muss irgendwann
466 13 Behördenanforderungen und behördliche Inspektionen
ten Fall wird vor allem nachvollzogen, ob das Design des neuen Produkts sicher ist,
ob die erhobenen Daten schlüssig sind und ob die Herstellprozesse validiert wur-
den. Im zweiten Fall will die Behörde vor allem klären, was die Ursache für das
Vorkommnis war und welche Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen das Unterneh-
men daraus abgeleitet hat.
Routineinspektionen haben das Ziel, die Qualität der in den USA in Verkehr ge-
brachten Medizinprodukte sicherzustellen. Im Rahmen von Routineinspektionen
For personal use only.
BEACHTE:
Ergebnisse von internen Audits und Ergebnisse des Managementreviews bzw. von
Lieferantenbewertungen können von den Inspektoren der FDA im Rahmen eines
Audits nicht direkt gefordert und eingesehen werden. Allerdings können die Ins-
pektoren im Rahmen der Überprüfung des CAPA-Systems nachvollziehen, inwieweit
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BEACHTE:
Die Vorgehensweise wie auch die Rechte der FDA-Inspektoren unterscheiden sich
je nachdem, ob das Audit innerhalb oder außerhalb der USA durchgeführt wird.
In den USA haben die Inspektoren umfassende Rechte zur Umsetzung von Sofort-
maßnahmen vor Ort, welche auch das Tragen von Waffen einschließt. Außerhalb
der USA werden die Audits meist vier bis sechs Wochen vorangekündigt. Die FDA
kann sich den Zutritt zu einer Betriebsstätte eines nicht-US-amerikanischen Her-
stellers zwar nicht erzwingen, allerdings ist im Fall einer Zutrittsverweigerung bzw.
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Ein Audit durch die FDA hat in der Vergangenheit vielen Unternehmen mehr Kopf-
zerbrechen bereitet als andere Behördenaudits. Ein Grund dafür war, dass von der
For personal use only.
BEACHTE:
Durch die Anforderungen der MPV und IVDV bezüglich Marktüberwachung, durch
die erhöhte „Transparenz“ aufgrund der EUDAMED-Datenbank sowie durch Har-
monisierungsbestrebungen der Behörden der wichtigsten Märkte (siehe Abschnitt
13.5) ist zu erwarten, dass in Zukunft auch bei Inspektionen durch europäische
Behörden mit schwerwiegenderen Konsequenzen gerechnet werden muss.
2016 wurden bei Herstellern von Medizinprodukten mehr als 2.175 Inspektionen
des Qualitätssystems durch die FDA-Behörde durchgeführt, davon ungefähr zwei
Drittel bei US-amerikanischen Firmen. Werden während der Inspektion gravie-
rende Mängel entdeckt, haben die FDA-Inspektoren eine Vielzahl von Möglichkei-
ten, um die „compliance“ wiederherzustellen und Produkte – vorübergehend oder
dauerhaft – vom amerikanischen Markt zu entfernen:
Beobachtungen – mündlich während der Inspektion mitgeteilt
Typischerweise die einfachste Möglichkeit des Inspektors, Abweichungen zu
den Vorgaben zu kommunizieren. Diese müssen natürlich entsprechend nach-
13.4 Die FDA-Herstellerinspektion 469
ist, sondern auch deshalb, weil mit einem „483er“ bereits ein beträchtlicher
Imageschaden verbunden sein kann.
Schriftliche Warnung – Warning Letter
Ein Warning Letter stellt die nächste Eskalationsstufe durch die FDA dar. Er
geht häufig bereits mit einem vorübergehenden Vertriebs- und Importverbot
einher. Ein Warning Letter bedeutet in der Regel dringenden Handlungsbedarf,
weil die Behörde rasch, meist innerhalb von zwei Wochen, geeignete Vor-
For personal use only.
schläge zur Beseitigung der gefundenen Observations fordert und auch deren
Umsetzung regelmäßig überwacht. Bei nicht entsprechenden oder nicht zeit
gerechten Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen drohen weitere Eska-
lationsschritte. Da Warning Letters auf der FDA-Homepage publiziert werden,
fordern häufig auch andere Behörden weltweit eine Umsetzung von Korrektur-
maßnahmen basierend auf den Findings des Warning Letters.
Von den 57 Warning Letters, die im Jahr 2016 von der FDA an Hersteller und
Importeure von Medizinprodukten verschickt wurden, betrafen 24 US-ameri-
kanische Unternehmen und 33 Unternehmen außerhalb der USA, insbeson-
dere Firmen in Großbritannien (6), China (6) und Deutschland (4). Die Ent-
wicklung der letzten 15 Jahre (2004 gingen noch fast 90 % aller Warning Letter
an US-Firmen) zeigt deutlich, dass die FDA verstärktes Interesse auf auslän
dische Firmen gelegt hat. Dies ist unter anderem auf einige Vorfälle in den
Jahren 2008 bis 2010 zurückzuführen, als durch fehlerhafte Produkte und Ma-
terialien eine Reihe von Todesfällen auftraten. Zu erwähnen ist in diesem Zu-
sammenhang der sogenannte „Heparinfall“ im Februar 2008, als verunreinig-
tes, von Baxter aus China zugekauftes Heparin in Dialysefiltern allergische
Reaktionen verursachte, die zum Tod einer beträchtlichen Anzahl von Pati-
enten führte [13.52]. Dies und auch andere ähnliche Vorfälle führten zu star-
kem Druck von Seiten der US-amerikanischen Öffentlichkeit, ausländische
Hersteller und Zulieferer effektiver zu überwachen. Die FDA reagierte darauf
einerseits mit einer Erhöhung der Inspektionsfrequenz bei ausländischen Her-
stellern und Zulieferern, andererseits mit einem zusätzlichen Fokus auf Liefe-
470 13 Behördenanforderungen und behördliche Inspektionen
rer können bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz gerichtlich belangt werden.
BEACHTE:
Unabhängig von den oben genannten Strafen durch die Behörden erfordert die
Beseitigung von gefundenen Observations hohe Aufwendungen. Um aus einem
Warning Letter wieder herauszukommen, fallen nicht selten Kosten im ein- bis
zweistelligen Millionenbereich an. Werden auch die wirtschaftlichen Folgewirkun-
gen, verursacht durch Produktrückrufe, Importsperren und verzögerte Produkt-
neuzulassungen mitgerechnet, kann der Schaden durch Nichteinhaltung der gel-
tenden Regeln (non-compliance) bei großen Unternehmen auch acht- bis
neunstellige Kosten verursachen. Beispiele dazu existieren.
TIPP:
Eine sorgfältige Vorbereitung und professionelle Begleitung sind unabdingbar,
wenn ein Unternehmen eine Behördeninspektion ohne Beanstandungen absolvie-
ren möchte. Beachten Sie insbesondere folgende Punkte:
Allgemeine Vorbereitung:
Überprüfen aller Vorgabedokumente auf Aktualität,
Beschriftungen und Aufzeichnungen prüfen,
Review aller Prozesse auf Abweichungen und Trends,
Reklamationen, Änderungen und Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen der
letzten Jahre einem Review unterziehen,
Beheben von erkannten Abweichungen.
13.5 Medical Device Single Audit Program – MDSAP 471
sphäre.
Inspektoren nie allein und nie warten lassen.
Inspektoren nie selbst am Computer arbeiten lassen, auf aktivierten Passwort-
schutz achten.
Verhalten während der Inspektion:
Sprechen Sie nur, wenn Sie gefragt werden.
Nur antworten, was Sie gefragt wurden, keine „freiwilligen“ Informationen.
Nur zu Themen antworten, die in der eigenen Verantwortung liegen.
For personal use only.
Klar, konsistent und ehrlich antworten, nicht raten, glauben oder meinen. Wenn
Sie nicht sicher sind, den Vorgesetzten fragen.
Diskussion mit dem Inspektor meiden.
Keine „inoffiziellen“ Dokumente wie Listen, Zusammenfassungen oder Entwürfe
verwenden.
13.5.1 Teilnehmende Behörden
Am MDSAP beteiligen sich fünf internationale Behörden:
Therapeutic Goods Administration of Australia,
Health Canada,
Agência Nacional de Vigilância Sanitária (Brasilien),
Japan’s Ministry of Health, Labour and Welfare, and the Japanese Phar-
maceuticals and Medical Devices Agency,
United States Food and Drug Administration (FDA).
Die Europäische Union sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Be-
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rung des Herstellers als Voraussetzung für den Markteintritt und löste damit das
bisher etablierte CAMDCAS (Canadian Medical Device Conformity Assessment Sys-
tem) mit 31. Dezember 2018 ab. Ebenfalls für den japanischen Markt ist eine
MDSAP-Zertifizierung sowohl für Hersteller als auch für die Market Authorisation
Holder verpflichtend. Gemäß den Marktzugangsvoraussetzungen für Australien ist
ein Markteintritt entweder über die CE-Kennzeichnung der Produkte im Rahmen
der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition) möglich; als Alternative zu
CE-gekennzeichneten Medizinprodukten ist der Weg über die MDSAP-Zertifizie-
rung gemeinsam mit einer nationalen Zulassung möglich. Für den Marktzugang in
Brasilien muss der Hersteller ein Qualitätssicherungssystem in Übereinstimmung
mit den Anforderungen der brasilianischen GMP (Good Manufacturing Practice)
belegen – ein Qualitätsmanagementsystem, welches MDSAP-zertifiziert ist, gilt
der ANVISA als Nachweis, dass ein solches System etabliert ist. Die US-amerikani-
sche FDA akzeptiert ein MDSAP-zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem als Er-
satz für die durch die FDA durchgeführten Routineinspektionen – Inspektionen im
Rahmen von PMA-Verfahren (Premarket Approval) oder anlassbezogene Inspektio-
nen können dadurch jedoch nicht ersetzt werden.
Es ist jedoch zu beachten, dass im Rahmen der Entscheidung eines Herstellers, das
Qualitätsmanagementsystem nach MDSAP zertifizieren zu lassen, die nationalen
Anforderungen aller am MDSAP teilnehmenden Behörden verpflichtend sind,
wenn der Hersteller die Produkte im jeweiligen Land in Verkehr bringt. Alle Behör-
den, in deren Zuständigkeitsbereich die Medizinprodukte in Verkehr gebracht wer-
13.5 Medical Device Single Audit Program – MDSAP 473
den, erhalten vollen Zugriff auf die Auditberichte, welche im Rahmen der MDSAP-
Zertifizierung und Überwachung erstellt werden. Es ist nur möglich, die
Anforderungen einzelner MDSAP-Behörden auszulassen, wenn die Produkte in
den jeweiligen Ländern nicht vertrieben werden.
BEISPIEL:
Ein Hersteller bringt Medizinprodukte in Australien, den USA und Kanada auf den
Markt. Im australischen Markt werden die Produkte mit dem CE-Kennzeichen
vertrieben, für den US-amerikanischen Markt besteht eine Registrierung nach
510k. Aufgrund der kanadischen Anforderungen muss der Hersteller sich im
Rahmen des MDSAP zertifizieren lassen. Damit müssen im Rahmen des MDSAP-
Audits die nationalen Anforderungen der australischen, kanadischen und US-
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Es sollte bei der Entscheidung zur Einführung des MDSAP jedoch nicht übersehen
werden, dass ein negatives Auditergebnis zu Maßnahmen aller am MDSAP teilneh-
menden Behörden und damit zu einem – zumindest vorübergehenden – Vertriebs-
verbot der Produkte in fünf der größten Medizinproduktemärkte weltweit führen
kann.
For personal use only.
13.5.2.1 Das Management-Subsystem
Das Topmanagement des Unternehmens muss gewährleisten, dass das eingeführte
Qualitätsmanagementsystem angemessen und wirksam ist und aufrechterhalten
wird. Dafür müssen von der obersten Leitung die notwendigen Ressourcen identi-
fiziert und zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren muss das Topmanagement
die Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems in regelmäßigen Abständen
bewerten (Managementbewertung). Die Anforderungen an das Management-Sub-
system umfassen dabei neben dem Normkapitel 5 der ISO 13485 auch die Anfor-
derungen an Auswahl und Training der Mitarbeiter (Normkapitel 6.2) sowie der
Infrastruktur und Arbeitsumgebung (Normkapitel 6.3 und 6.4).
Der Hersteller muss gezielt Informationen betreffend die Produkte, Prozesse sowie
das Qualitätsmanagementsystem sammeln und auswerten. Ziel ist es, vorhandene
und mögliche Probleme bei den Produkten, bei Prozessen oder im Qualitätsma-
nagementsystem zu untersuchen und geeignete Korrektur- oder Vorbeugemaßnah-
men zu treffen.
Das Unternehmen muss Verfahren etablieren, die sicherstellen, dass die Medizin-
produkte die Anforderungen der Anwender erfüllen, für die Zweckbestimmung
geeignet sind und spezifische (z. B. nationale) Anforderungen erfüllen – siehe
hierzu auch das Subsystem „Marktzulassung und Registrierung“. Die Anforderun-
gen müssen anhand eines gelenkten Prozesses identifiziert und in Produktspezifi-
kationen umgesetzt werden. Dazu muss das Unternehmen Kontrollprozesse ein-
richten, dokumentieren, implementieren und aufrechterhalten.
13.5.2.7 Beschaffung
Der Beschaffungsprozess hat eine starke Verbindung zu den drei Kern-Subsyste-
men Messung, Analyse und Verbesserung, Design und Entwicklung sowie Produk-
tion und Dienstleistungserbringung. Die Prozesse sollen gewährleisten, dass be-
schaffte Rohmaterialien, Komponenten und Dienstleistungen die vordefinierten
Anforderungen erfüllen. Spezielles Augenmerk ist dabei auch darauf zu legen,
dass – unter Berücksichtigung der Kritikalität der Komponenten oder Dienstleis-
tungen – die Anforderungen aus dem Qualitätsmanagement auch bei Auftragneh-
mern oder Dienstleistern erfüllt werden.
13.6 Zusammenfassung
Neben den Benannten Stellen kontrollieren auch die nationalen Marktaufsichts
behörden, dass die am europäischen Markt befindlichen Medizinprodukte und In-
vitro-Diagnostika den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Besonderer
Schwerpunkt ist dabei die korrekte Definition der Medizinprodukte – der Nachweis,
dass die Produkte korrekt abgegrenzt und klassifiziert werden. Eine besondere
Herausforderung stellt des Weiteren der Nachweis der klinischen Wirksamkeit
und Sicherheit dar – dieser Prozess muss eng mit dem Risikomanagementprozess
verknüpft sein. Die Anforderungen an die klinische Bewertung wurden seit 2010
immer weiter erhöht – die Anforderungen der MEDDEV-Guideline 2.7/1, rev 4 so-
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wie der MPV und IVDV sind eine konsequente Weiterführung dieser Entwicklung.
Auch die korrekte Implementierung des Reklamations- und Meldesystems stellt
einen wichtigen Baustein für die Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Medizin-
produkte dar, welche im Rahmen von Audits durch Benannte Stellen sowie Stich-
probenkontrollen im Rahmen von Behördeninspektionen geprüft werden. Der
Schwerpunkt auf klinische Daten als Nachweis der Leistungsfähigkeit und Sicher-
heit war bereits in der Vergangenheit ein essenzieller Bestandteil der Technischen
For personal use only.
Dokumentation, wird aber durch die beiden neuen EU-Verordnungen noch weiter
verstärkt.
Inspektionen durch die Behörden bzw. Audits der Benannten Stellen sollen dabei
sicherstellen, dass der Hersteller die gesetzlichen Pflichten erfüllt und die Pro-
dukte sicher und spezifikationskonform sind. Die Überprüfung erfolgt entweder
im Rahmen konkreter Vorkommnisse oder als Routineinspektion und kann sowohl
beim Hersteller oder Vertreiber, beim Zulieferer, aber auch beim Anwender (Betrei-
ber) stattfinden.
Eine besondere Herausforderung für Hersteller stellt ein Audit durch die US-ame-
rikanische FDA-Behörde dar. Die besondere Aufgabe ist es, die detaillierten Vorga-
ben und Anforderungen aus dem amerikanischen Recht umzusetzen und durch
eine konsequente Auditvorbereitung negative Konsequenzen am US-amerikani-
schen Markt zu vermeiden.
Für einige internationale Märkte – Australien, Brasilien, Japan, Kanada und die
USA – wurde mit dem MDSAP (Medical Device Single Audit Program) ein harmoni-
sierter Ansatz geschaffen, wie die Routine-Herstellerüberwachung geregelt wer-
den kann. Der stark formalisierte Ansatz auf Basis der ISO 13485 deckt dabei so-
wohl allgemeine Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme als auch die
spezifischen nationalen Anforderungen der Teilnahmestaaten ab.
13.7 Literatur 477
13.7 Literatur
[13.1] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts-
vorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte (90/385/
EWG). Verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1990L
0385:20071011:de:HTML, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.2] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Richtlinie 93/42/EWG des Rates über Medizin-
produkte. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A01993
L0042-20071011&qid=1625654396798, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.3] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates über In-vitro-Diagnostika. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/
DE/TXT/?uri=CELEX%3A01998L0079-20120111&qid=1625654480226, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.4] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Par-
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laments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie
2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur
Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (MPV). Verfügbar unter:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32017R0745, abgerufen am
01. 07. 2021.
[13.5] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der
Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (IVDV). Verfügbar
unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32017R0746, abgeru-
For personal use only.
fen am 01. 07. 2021.
[13.6] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung Nr. 765/2008 vom 09. 07. 2008 über
die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der
Vermarktung von Produkten. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/
?uri=CELEX%3A32008R0765&qid=1625654798846, abgerufen am 01. 07. 2021. [13.7].
[13.7] MPV Kapitel VII Abschnitt 3 (Artikel 93 ff.).
[13.8] IVDV Kapitel VII Abschnitt 3 (Artikel 88 ff.).
[13.9] MPV Artikel 100 bzw. IVDV Artikel 95.
[13.10] MPV Artikel 93 (3b) bzw. IVDV Artikel 88 (3b).
[13.11] Bundesministerium für Justiz: Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz MPDG vom 28. April
2020 (BGBl. I S. 960), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 12. Mai 2021 (BGBl. I S.
1087). Verfügbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/mpdg/BJNR096010020.html, abgerufen
am 01. 07. 2021.
[13.12] Bundesministerium für Justiz: Gesetz zur Anpassung des Medizinprodukterechts an die Ver
ordnung (EU) 2017/745 und die Verordnung (EU) 2017/746 (Medizinprodukte-EU-Anpassungs
gesetz – MPEUAnpG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. 04. 2020 (BGBl. I S. 960).
Verfügbar unter:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_
Verordnungen/GuV/M/Anpassung_des_Medizinprodukterechts.pdf, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.13] Bundesministerium für Justiz: Medizinproduktegesetz MPG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 07. 08. 2002 (BGBl. I S. 3146), zuletzt geändert durch Art. 223 der Verordnung vom 19. 06. 2020
(BGBl. I S. 1328). Verfügbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/mpg/MPG.pdf, abgerufen
am 01. 07. 2021.
[13.14] Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): Übersicht der deut-
schen Marktüberwachungsbehörden (Anmerkung: Inhalte des ehemaligen Deutschen Instituts
für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) wurden in die BfArM-Internetseiten
478 13 Behördenanforderungen und behördliche Inspektionen
vom 17. Oktober 2001 (Stand am 1. August 2020), SR 812.213. Verfügbar unter: https://www.fedlex.
admin.ch/eli/cc/2001/520/de, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.20] Europäische Gemeinschaft: Abkommen (ABl. L114 vom 30. 04. 2002, S. 369 i. d. aktuellen Fassung)
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die
gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (zum Zeitpunkt der Drucklegung
nicht anwendbar). Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX
%3A02002A0430%2805%29-20170728&qid=1625657111566, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.21] MPV Artikel 93 (7) bzw. IVDV Artikel 88 (7).
For personal use only.
[13.22] MPV Artikel 94, Artikel 95 (1 & 4) sowie Artikel 96 (2) bzw. IVDV Artikel 89, Artikel 90 (1 & 4)
sowie Artikel 92 (2).
[13.23] MPV Artikel 15 (1 & 3) bzw. IVDV Artikel 15 (1 & 3).
[13.24] MPV Kapitel V Abschnitt 2 (Artikel 52 ff.) bzw. IVDV Kapitel V Abschnitt 2 (Artikel 48 ff.).
[13.25] MPV sowie IVDV: jeweils Artikel 2 in Verbindung mit Anhang VIII.
[13.26] Global Harmonization Task Force (GHTF)/International Medical Device Regulators Forum
(IMDRF): Principles of In Vitro Diagnostic (IVD) Medical Devices Classification, 09.002.2007.
Verfügbar unter: http://www.imdrf.org/docs/ghtf/archived/sg1/technical-docs/ghtf-sg1-n045r12-
in-vitro-diagnostic-classification-070209.pdf, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.27] Europäische Kommission: MEDDEV 2.1/3, rev. 3, Dezember 2009: Medical Devices: Guidance
document – Borderline products, drug-delivery products and medical devices incorporating, as
an integral part, an ancillary medicinal substance or an ancillary human blood derivative. Ver-
fügbar unter: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/10328/attachments/1/translations/en/
renditions/pdf, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.28] Europäischer Gerichtshof: Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 06. 09. 2012. Ersuchen
um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Deutschland. Richtlinie 2001/83/
EG – Humanarzneimittel – Artikel 1 Nr. 2 Buchst. b – Begriff „Funktionsarzneimittel“ – Definition
des Begriffs „pharmakologische Wirkung“. Rechtssache C-308/11. Verfügbar unter: http://eur-lex.
europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62011CJ0308:DE:NOT, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.29] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Richtlinie 2003/12/EG der Kommission zur Neu-
klassifizierung von Brustimplantaten im Rahmen der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinpro-
dukte. Verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2003:028:0
043:0044:de:PDF, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.30] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Richtlinie 2005/50/EG der Kommission zur Neu-
klassifizierung von Gelenkersatz für Hüfte, Knie und Schulter im Rahmen der Richtlinie 93/42/
EWG über Medizinprodukte. Verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.
do?uri=OJ:L:2005:210:0041:0043:de:PDF, abgerufen am 01. 07. 2021.
13.7 Literatur 479
[13.31] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Richtlinie 2007/47/EG des Rates vom 05. 09. 2007
zur Änderung der Richtlinien 90/385/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte und 93/42/EWG des Rates
über Medizinprodukte sowie der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-
Produkten. Verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:3
2007L0047&qid=1515344583594&from=EN, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.32] MPV Kapitel VI (Artikel 61 ff.) sowie Anhang XIV & XV.
[13.33] Europäische Kommission: MEDDEV 2.7/1, rev. 4, June 2016: Clinical Evaluation: A Guide for Ma-
nufacturer and Notified Bodies under Directives 93/42/EEC and 90/385/EEC. Verfügbar unter:
https://ec.europa.eu/docsroom/documents/17522/attachments/1/translations/en/renditions/pdf,
abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.34] Europäische Kommission: „Interpretative Document of the Commission’s Services – Placing on
the Market of Medical Devices“, 16. 11. 2010: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/10265/
attachments/1/translations/en/renditions/pdf, abgerufen am 08. 07. 2021.
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[13.35] Bundesministerium für Justiz: Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von
Medizinprodukten (MPBetreibV), in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. 08. 2002 (BGBl. I
S. 3396), zuletzt geändert durch Art. 7 V vom 21.4.2021 I 833. Verfügbar unter: http://www.gesetze-
im-internet.de/mpbetreibv/index.html, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.36] Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend: Medizinprodukte-Betreiberverordnung
(MPBV), BGBl. II Nr. 70/2007. Verfügbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/II/2007/70,
abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.37] Deutsches Institut für Normung e. V.: EN ISO 17664: Sterilisation von Medizinprodukten – Vom
Hersteller bereitzustellende Informationen für die Aufbereitung von resterilisierbaren Medizin-
For personal use only.
[13.52] Food and Drug Administration (FDA): Position Statement on Heparin Safety Concerns, Verfügbar
unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5178817/, abgerufen am 01. 07. 2021.
[13.53] Medical Device Single Audit Program (MDSAP). Verfügbar unter: https://www.fda.gov/
MedicalDevices/InternationalPrograms/MDSAPPilot/, abgerufen am 01. 07. 20218.
[13.54] International Medical Device Regulators Forum (IMDRF): Working groups N3, N4, N5 & N6,
Dec. 2013. Verfügbar unter: http://www.imdrf.org/documents/documents.asp, abgerufen am
01. 07. 2021.
[13.55] MDCG 2020-14, Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/health/sites/default/files/md_sector/
docs/md_2020-14-guidance-mdsap_en.pdf, abgerufen am 01. 07. 2021
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For personal use only.
14 Die Benannte Stelle
J. Schröttner und C. Baumgartner
SCHWERPUNKTE:
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MERKE:
Benannte Stellen sind unparteiliche und unabhängige Unternehmen (meist privat-
wirtschaftlich organisiert und betrieben), die die hohen Anforderungen und Stan-
dards hinsichtlich der Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten kontrollieren
und sicherstellen sollen.
482 14 Die Benannte Stelle
der Notifizierung (Datenbank der Benannten Stellen, NANDO) dürfen die Tätigkei-
ten als Benannte Stelle ausgeführt werden. Jede Benannte Stelle erhält eine vier-
stellige Kennnummer zur eindeutigen Identifizierung und Rückverfolgbarkeit (vgl.
MPV, Kapitel IV, Benannte Stellen).
For personal use only.
MERKE:
Grundsätzlich können die Anforderungen in vier Bereiche unterteilt werden:
1. Organisatorische Anforderungen
2. Anforderungen an das Qualitätsmanagement
3. Anforderungen an Ressourcen
4. Verfahrensanforderungen
14.2 Welche Anforderungen werden an Benannte Stellen gestellt? 483
1. Organisatorische Anforderungen
Neben der vollständigen Dokumentation der Rechtspersönlichkeit und des Rechts-
status der Benannten Stelle ist auch die Organisationsstruktur mit allen Zustän-
digkeiten und Berichtslinien eindeutig zu definieren. Einer der wesentlichsten As-
pekte ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Stelle. Sie muss jedenfalls
eine „dritte“ Stelle sein, die mit dem Hersteller des Produkts und dessen Konformi-
tät in keinerlei (auch nicht mit direkten Mitbewerbern) geschäftlichen Verbin-
dung (auch nicht beratend) steht. Potenzielle Interessenkonflikte sind zu prüfen,
damit die Unparteilichkeit garantiert werden kann. Ebenso sind die Benannten
Stellen der Vertraulichkeit in Bezug auf die Informationen bei der Durchführung
der Konformitätsbewertungstätigkeit verpflichtet.
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MERKE:
Es gibt Ausnahmen, wo eine Offenlegung der erlangten Informationen durch eine
Benannte Stelle gesetzlich vorgeschrieben ist.
3. Anforderungen an Ressourcen
Die Aufgaben einer Benannten Stelle sind mit höchster beruflicher Integrität und
der erforderlichen Fachkompetenz auszuführen. Die dazu notwendige Personal-
ausstattung reicht von ausreichend administrativem über technisches bis hin zu
wissenschaftlichem Personal. Dieses muss entsprechende Qualifikationskriterien
(Fachkenntnisse, Erfahrungen und Kompetenzen) im Bereich der einschlägigen
Produkte und Technologien erfüllen können. Grundsätzlich kann zwischen den
sogenannten produktbezogenen Prüfungen und den Prüfungen des Qualitätsma-
nagementsystems unterschieden werden. Nachweisliche Kenntnisse und Erfah-
rungen für jenes Personal sind beispielsweise in folgenden Bereichen nachzuweisen
(Auszug aus der MPV 2017/745):
Abschluss eines Hochschul- oder Fachhochschulstudiums,
vierjährige Berufserfahrung im Bereich der Gesundheitsprodukte und Erfah-
rung im Bereich der Konformitätsbewertungsverfahren,
484 14 Die Benannte Stelle
Software,
Verpackung,
Produkte, die als integralen Bestandteil ein Arzneimittel enthalten,
Produkte, die aus Stoffen oder Kombinationen von Stoffen bestehen, die vom
menschlichen Körper aufgenommen oder lokal im Körper verteilt werden, und
verschiedene Arten von Sterilisationsverfahren.
For personal use only.
MERKE:
Die Anforderungen an Benannte Stellen sind in den letzten Jahren deutlich gestie-
gen und werden von der Behörde strikt kontrolliert [14.2], [14.3], [14.4]. Dies
betrifft natürlich auch die Überwachung der beim Hersteller anzuwendenden
Verfahren. Somit steigen bei der Konformitätsbewertung die Anforderungen an
den Hersteller, um eine lückenlose Dokumentation als Nachweis für die Benannte
Stelle zu gewährleisten.
14.2 Welche Anforderungen werden an Benannte Stellen gestellt? 485
4. Verfahrensanforderungen
In diesem Bereich ist festgelegt, dass die Benannte Stelle über dokumentierte Pro-
zesse und detaillierte Verfahren für die Durchführung der Konformitätsbewer-
tungstätigkeiten (von der Antragstellung bis zur Entscheidungsfindung und Über-
wachung) verfügen muss. Hierbei sind erforderlichenfalls Besonderheiten der
Produkte (z. B. Sterilität) zu berücksichtigen. Auf einfachste Weise könnte ein Ver-
fahren die in Bild 14.1 dargestellten Schritte umfassen.
Antrag
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Antragsprüfung und
Vertragsabschluss
Ressourcen-
zuweisung
Konformitätsbe-
wertungstägkeiten
For personal use only.
Berichtslegung
Abschließende
Prüfung
Entscheidung und
Zerfizierung
Laufende
Bild 14.1
Überwachungs-
Vereinfachte Darstellung der Tätigkeiten einer Benannten Stelle von
tägkeiten
der Antragstellung bis zur Überwachungstätigkeit
Nach einem förmlichen Antrag durch den Hersteller hat die Benannte Stelle diesen
zu überprüfen. Anschließend ist ein schriftlicher Vertrag zwischen Notified Body
und Antragsteller abzuschließen, welcher die eindeutigen Geschäftsbedingungen
sowie die Verpflichtungen und Rechte beider Parteien beinhaltet. Nach der inter-
nen Ressourcenzuweisung durch die Benannte Stelle für jede Bewertungsaufgabe
wird mit den eigentlichen Konformitätsbewertungstätigkeiten (z. B. Produktprü-
fung, Audit des Qualitätsmanagementsystems, Begutachtung der klinischen Be-
wertung bzw. Leistungsbewertung (IVD)) begonnen. Nähere Informationen dazu
486 14 Die Benannte Stelle
BEACHTE:
For personal use only.
Je nach Klasse des Medizinprodukts kann vom Hersteller schließlich eines der
Konformitätsbewertungsverfahren bzw. eine Kombination hieraus gewählt wer-
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den. Tabelle 14.2 gibt einen Überblick über die zu wählenden bzw. kombinierba-
ren Verfahren nach der Verordnung MPV 2017/745 und Tabelle 14.3 nach der
Verordnung IVDV 2017/746.
BEACHTE:
In Tabelle 14.2 und Tabelle 14.3 betreffen Anhang II und III die Anforderungen an
die Technische Dokumentation, die für alle Konformitätsklassenklassen zu erfüllen
sind.
488 14 Die Benannte Stelle
Im Wesentlichen ergibt sich eine Beteiligung bzw. der Tätigkeitsumfang der Be-
nannten Stelle aus der Kombination der Risikoklasse des Produkts und des vom
Hersteller gewählten Konformitätsbewertungsverfahrens. Ab einer Risikoklasse
Is, Im, Irs (MPV) bzw. As (IVDV) ist jedenfalls das Hinzuziehen einer Benannten
Stelle erforderlich. Lediglich Produkte der Risikoklasse I (MPV) bzw. A (IVDV) kön-
nen ohne Beteiligung einer Benannten Stelle in Verkehr gebracht werden. Der Her-
steller erklärt in eigener Verantwortung die Konformität seines Produkts durch
Ausstellung einer Konformitätserklärung. Zu beachten ist jedoch, dass der Herstel-
ler die vollständige Technische Dokumentation gemäß den Anforderungen der Ver-
ordnung (Anhang II und III) zu erstellen hat, diese auf aktuellem Stand hält und zu
jedem Zeitpunkt verfügbar hat.
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BEACHTE:
Der Hersteller ist verpflichtet, die Technische Dokumentation seines Produkts
vollständig, aktuell und ständig verfügbar zu haben. Beispielsweise muss eine
Vorlage derselben gegenüber der Marktaufsichtsbehörde jederzeit möglich sein.
MERKE:
Bei Klasse-I- bzw. Klasse-A-Produkten ist eine Beteiligung einer Benannten Stelle
For personal use only.
nicht erforderlich.
Gilt eine Software per Definition als ein Medizinprodukt, so ist diese als aktives
Medizinprodukt einzustufen und zu klassifizieren. Hierzu ist in der Medizinpro-
dukteverordnung (MPV) eine neue Klassifizierungsregel (Regel Nr. 11) hinzuge-
kommen. Grundsätzlich wird Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu
liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke her-
angezogen werden, in die Klasse IIa eingestuft [14.2]. Sollten sich diese Entschei-
dungen derart auswirken, dass es zum Tod oder einer irreversiblen Verschlechte-
rung des Gesundheitszustands einer Person kommt, wäre sie der Klasse III
zuzuordnen. Ist eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands
einer Person oder ein chirurgischer Eingriff die Folge, so wäre die Software der
Klasse IIb zuzuordnen. Software, die für die Kontrolle von physiologischen Prozes-
sen bestimmt ist, gehört zur Klasse IIa. Kann diese Kontrolle von vitalen physiolo-
gischen Parametern zu einer unmittelbaren Gefahr für den Patienten führen, so
wäre sie der Klasse IIb zuzuordnen. Sämtliche andere Software bleibt der Klasse I
zugeordnet. Für In-vitro-Diagnostika (IVDs) gilt ähnlich, dass „Software, die ein Pro-
dukt steuert oder dessen Anwendung beeinflusst, derselben Klasse zugerechnet wird
wie das Produkt. Ist die Software von anderen Produkten unabhängig, so wird sie für
sich allein klassifiziert“. Es gibt jedoch keine eigene Klassifizierungsregel für Soft-
ware.
14.4 Aufgaben einer Benannten Stelle im Zuge des Konformitätsbewertungsverfahrens 489
BEACHTE:
Diese neue Einteilung medizinischer Software stellt eine wesentliche Änderung
zur bisherigen Klassifizierung nach der Richtlinie 93/42/EWG dar. Ein beträchtli-
cher Anteil an Software-Medizinprodukten, die bisher nach MPV in die Klasse I
gefallen sind, werden nach der neuen Medizinprodukteverordnung jedenfalls höher
eingestuft und unterliegen somit der Kontrolle und laufenden Überwachung durch
einen Notified Body.
Benannten Stelle überprüft werden. Die Beteiligung ist jedoch begrenzt auf fol-
gende Aspekte:
Aspekte, die mit der Herstellung, der Sicherung und Aufrechterhaltung der
Sterilität zusammenhängen (bei Is-Produkten),
Aspekte, die mit der Bewertung der messtechnischen Anforderungen zusam-
menhängen (bei Im-Produkten),
For personal use only.
BEACHTE:
In dieser Phase kommt es zur Entscheidung, ob ein besonderes Audit für Liefe-
ranten oder Unterauftragnehmer oder für beide notwendig ist. Dies ist der Fall,
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wenn die Konformität des Produkts durch Tätigkeiten der Zulieferer erheblich
beeinflusst wird, und insbesondere, wenn der Hersteller keine ausreichende Kon-
trolle über seine Zulieferer nachweisen kann (vgl. MPV 2017/745 bzw. IVDV
2017/746 Anhang VII).
Im sogenannten Auditplan sind dann die Ziele, Kriterien und der Umfang des Au-
dits festzulegen, damit die besonderen Anforderungen für die betroffenen Pro-
For personal use only.
dukte, Technologien und Prozesse berücksichtigt werden. Zusätzlich sind für Pro-
dukte der Klassen IIa und IIb bzw. der Klassen B und C Stichprobenpläne für die
Bewertung der Technischen Dokumentation zu erstellen, damit die volle Band-
breite der vom Hersteller erfassten Produkte abgedeckt wird. Nach Zuweisung von
entsprechend autorisiertem Personal kann die Durchführung der einzelnen Audits
beginnen. Hierbei ist die Benannte Stelle für Folgendes zuständig:
Audit des Qualitätsmanagementsystems des Herstellers, um festzustellen,
dass das QM-System und damit die erfassten Produkte die einschlägigen Be-
stimmungen dieser Verordnung erfüllen (von der Auslegung über die Endqua-
litätskontrolle bis zur dauerhaften Überwachung),
auf Grundlage der einschlägigen Technischen Dokumentation sind die Prozesse
und Teilsysteme des Herstellers zu überprüfen, insbesondere in Bezug auf:
Auslegung und Entwicklung,
Herstellungs- und Prozesskontrollen,
Produktdokumentation,
Kontrolle der Beschaffung einschließlich der Überprüfung der beschafften
Produkte,
Korrektur- und Präventivmaßnahmen für die Überwachung nach dem In-
verkehrbringen und
die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen,
14.4 Aufgaben einer Benannten Stelle im Zuge des Konformitätsbewertungsverfahrens 491
BEACHTE:
Eine gute Übereinstimmung mit den Anforderungen der MPV 2017/745 bzw. der
IVDV 2017/746 für Qualitätsmanagementsysteme ergibt sich durch die Anwen-
dung der EN ISO 13485. Diese Norm kann also als Basis zur Erfüllung der MPV
2017/745 bzw. der IVDV 2017/746 herangezogen werden.
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2. Produktprüfung
Bewertung der Technischen Dokumentation
Im Fokus dieser Überprüfung steht die Bewertung der Konformität der Auslegung
des Produkts mit der Verordnung. Dabei sind auch die Begutachtung der klinischen
Bewertung bzw. der Leistungsbewertung sowie gegebenenfalls besondere Verfahren
For personal use only.
TIPP:
Die erforderlichen Produktprüfungen müssen nicht unmittelbar von der Benannten
Stelle durchgeführt werden. Vom Hersteller vorgelegte Prüfberichte werden jedoch
nur berücksichtigt, wenn diese von zuständigen und vom Hersteller unabhängigen
Konformitätsbewertungsstellen (z. B. einer akkreditierten Prüfstelle) erstellt wurden.
492 14 Die Benannte Stelle
Bezug auf die Bewertung klinischer bzw. leistungsbezogener Aspekte des Pro-
dukts zu überprüfen. Dabei ist insbesondere Folgendes angemessen zu berück-
sichtigen:
die Planung, Durchführung, Beurteilung, Berichterstattung und gegebenen-
falls Aktualisierung der klinischen Bewertung bzw. Leistungsbewertung mit
den Recherchen in der wissenschaftlichen Literatur und der (vor)klinischen
Erprobung (z. B. Laboruntersuchungen, Erprobung der simulierten Verwen-
dung, Computermodelle, Verwendung von Tiermodellen),
die Art und die Dauer des Körperkontakts und die damit verbundenen beson-
deren biologischen Risiken,
die Schnittstelle zum Prozess des Risikomanagements und
die Beurteilung und Analyse der verfügbaren Daten und ihrer Relevanz in Be-
zug auf den Nachweis der Konformität mit den grundlegenden Sicherheits-
und Leistungsanforderungen (Anhang I)
Ist schließlich der Zeitpunkt gekommen, die klinische Bewertung bzw. die Leis-
tungsbewertung zu überprüfen, so müssen zusätzlich noch folgende Aspekte im
Detail begutachtet werden:
die Planung, Durchführung, Bewertung, Berichterstattung und Aktualisierung
der klinischen Bewertung gemäß Anhang XIV der MPV bzw. der Leistungs
bewertung gemäß Anhang XIII der IVDV [14.2, 14.4],
14.4 Aufgaben einer Benannten Stelle im Zuge des Konformitätsbewertungsverfahrens 493
4. Besondere Verfahren
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vate,
Produkte, die aus Stoffen bestehen, die vom menschlichen Körper aufgenom-
men oder lokal im Körper verteilt werden,
therapiebegleitende Diagnostika.
TIPP:
Hersteller, die Produkte auf den Markt bringen wollen, welche unter Umständen
„besondere Verfahren“ benötigen, sollten sich bei der Benannten Stelle genau
über die Vorgehensweise und zu berücksichtigende Fristenläufe erkundigen.
5. Berichterstattung
Alle Schritte der Konformitätsbewertung sind von Benannten Stellen zu dokumen-
tieren, sodass die Schlussfolgerungen aus der Bewertung eindeutig sind. Es muss
die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung von der Benannten Stelle der-
art belegt werden, dass selbst für Personen, die nicht in die Bewertung eingebun-
den waren (z. B. das Personal von benennenden Behörden), ein objektiver Nach-
weis für die Einhaltung dieser Anforderungen vorliegt.
494 14 Die Benannte Stelle
6. Erneute Zertifizierung
Wie in Bild 14.1 veranschaulicht, ist das gesamte Verfahren nach erfolgreichem
Abschluss der Konformitätsbewertungstätigkeiten und den darauffolgenden Schrit-
ten bis zur Zertifizierung noch nicht abgeschlossen. Zumindest alle fünf Jahre hat
eine Überprüfung im Hinblick auf eine erneute Zertifizierung und die Erneuerung
von Bescheinigungen stattzufinden. Im Rahmen dieser Verfahren wird der betref-
fende Hersteller verpflichtet, eine Zusammenfassung der Änderungen am Produkt
und der wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Produkt vorzulegen (vgl. dazu
Anhang VII der MPV 2017/745 bzw. IVDV 2017/746). Dies umfasst auch:
alle Änderungen am ursprünglich genehmigten Produkt, einschließlich der
noch nicht mitgeteilten Änderungen,
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BEISPIEL:
Änderungen am medizinischen, wissenschaftlichen oder technischen Wissensstand
können sein:
neue Behandlungen,
Änderungen an Testmethoden,
neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu Materialien und Komponenten ein-
schließlich Erkenntnissen in Bezug auf ihre Biokompatibilität,
Erfahrungen aus Studien zu vergleichbaren Produkten,
14.5 Erfahrungen aus Sicht einer Benannten Stelle 495
BEACHTE:
For personal use only.
TIPP:
Häufigste Beanstandungen im Bereich des Audits des Qualitätsmanagementsys-
tems:
Unzureichend festgelegte Verantwortlichkeiten und Befugnisse.
Mangelhafte Dokumentenlenkung (Verweis auf Vorlagen, Freigabeverfahren
etc.).
Mangelhafte Lenkung und Überwachung externer Dokumente, wie z. B. von
Normen oder IMDRF-Leitfäden (Dokumente sind nicht verfügbar oder Suche
erfolgt z. B. in zu großen Abständen).
Mitarbeiter geben Dokumente frei, obwohl sie nicht dafür autorisiert sind.
Klare Stellenbeschreibungen von Beauftragten der obersten Leitung oder
Sicherheitsfachkräften fehlen.
Die Weiterbildung von Mitarbeitern wird häufig vernachlässigt.
Managementbewertungen gehen kaum auf die regulatorischen Anforderungen
ein.
Einsatz unqualifizierter Mitarbeiter (z. B. im Bereich Risikomanagement oder
auch für interne Audits).
Entwicklungseingaben in Bezug auf die regulatorischen Anforderungen werden
vernachlässigt.
496 14 Die Benannte Stelle
TIPP:
Häufigste Beanstandungen im Bereich der Produktprüfung:
Die Medizinproduktakte ist nicht auf aktuellem Stand (z. B. Einarbeitung jähr-
For personal use only.
TIPP:
Häufigste Beanstandungen im Bereich der klinischen Prüfung:
Verfahren zur klinischen Bewertung wurden nicht in Anlehnung an die Vor
gaben (Verordnung, MDCG 2020-5 [14.5]) festgelegt.
Mangelhafte Personenqualifikation, sowohl hinsichtlich der Personen, welche
die Recherche durchführen, als auch hinsichtlich der abschließenden Bewer-
tung.
Der Umfang der recherchierten Literaturstellen ist unzureichend.
Die wissenschaftliche Bewertung der Literaturstellen ist mangelhaft und nicht
nachvollziehbar dokumentiert.
Die klinische Bewertung wird nicht auf aktuellem Stand gehalten.
Das PMCF-Verfahren bzw. deren Ergebnisse fließen nicht in die klinische
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Bewertung ein.
14.6 Literatur
For personal use only.
[14.1] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 169 vom 12. 07. 1993: Richtlinie
93/42/EWG über Medizinprodukte.
[14.2] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie
2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur
Aufhebung der Richtlinien 9s0/385/EWG und 93/42/EWG des Rates.
[14.3] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Amtsblatt Nr. L 253/8 Durchführungsverordnung
(EU) Nr. 920/2013 der Kommission vom 24. 09. 2013 über die Benennung und Beaufsichtigung
benannter Stellen gemäß der Richtlinie 90/385/EWG des Rates über aktive implantierbare me-
dizinische Geräte und der Richtlinie 93/42/EWG des Rates über Medizinprodukte.
[14.4] Europäisches Parlament und Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der
Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission.
[14.5] Europäische Kommission: MDCG 2020-5, April 2020, Clinical Evaluation – Equivalence: A guide
for manufacturers and notified bodies.
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For personal use only.
15 Praxisbeispiel eines
Start-ups
T. Zajki-Zechmeister
SCHWERPUNKTE:
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15.1 Einleitung
For personal use only.
Mit den Neuerungen der MPV und IVDV (siehe Kapitel 3, Rechtliches Umfeld und
Zulassungsanforderungen) und einem allgemeinen Trend in Richtung maximaler
Patientensicherheit (siehe Kapitel 6, Sicherheitstechnische Anforderungen) werden
die Anforderungen an die Medizintechnikbranche (Medtech) immer komplexer
und umfangreicher. Während sich die Fragestellung einer angemessenen Regulie-
rung maßgeblich an Großkonzernen und etablierten Unternehmen orientiert, gibt
es eine Gruppe von Unternehmen, welche bei dieser Diskussion nur unzureichend
betrachtet wurden, nämlich Start-ups.
Start-ups sehen sich in der Medtech-Branche oftmals mit scheinbar unüberwind-
baren Hürden konfrontiert: Einerseits gelten die MPV/IVDV und weitere Regula-
rien ausnahmslos für alle Hersteller und Entwickler von Medizinprodukten, und
es gibt keine Ausnahmeklauseln für Start-ups. Großunternehmen haben erfahrene
Teams und können zusätzliches Budget dafür aufwenden, die gesteigerten regula-
torischen Anforderungen zu erfüllen, wohingegen ein Start-up diese Ressourcen
meist nicht besitzt.
Zum anderen ist es auch der „Kulturschock“ zwischen etablierten Herstellern und
Start-ups. Die Start-up-Kultur ist geprägt von User-orientierten Entwicklungen,
agilen Methoden sowie raschen Entscheidungen und flexiblen Adaptionen. Regula-
rien und Normen sind hingegen sehr starr und erlauben nur limitiert Flexibilität,
wodurch die Innovationskraft nicht selten eingebremst wird. Während die generel-
500 15 Praxisbeispiel eines Start-ups
frontiert sind. Im Wesentlichen ist es eine „Dos and Don’ts“-Liste für Einsteiger in
die Branche, um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu maximieren und große Fehler
vermeiden zu lernen.
Anmerkung: Wenn nicht extra betont, sind mit Medizintechnik und MPV auch In-
vitro-Diagnostika und die IVDV mitgemeint, jedoch gelten Verweise nur für die
Artikel der MPV.
MERKE:
Market Research soll in enger Zusammenarbeit mit den zukünftigen Anwendern/
Kunden erfolgen und sich nicht nur auf sekundäre Quellen verlassen.
For personal use only.
Zweckbestimmung
Nachdem die Kundenanforderungen spezifiziert, die Märkte analysiert und die
Ideen definiert wurden, beginnt der erste regulatorische Schritt, nämlich die Fest-
legung der Zweckbestimmung. Diese Tätigkeit scheint trivial zu sein, da lediglich
erklärt werden muss, wie das Medizinprodukt funktioniert und was der medizini-
sche Mehrwert oder Nutzen sein soll. Die Zweckbestimmung bestimmt aber fast
alle folgenden regulatorischen Anforderungen an das Produkt. Einige wenige Bei-
spiele sind: Die Medizinprodukteklasse, der Umfang der klinischen Bewertung,
der Rahmen, wie das Produkt beworben werden darf, die Entscheidung, ob eine
Benannte Stelle (siehe Kapitel 14, Die Benannte Stelle) notwendig ist oder nicht,
sowie das gesamte Qualitäts- und Risikomanagement. Die Festlegung der Zweckbe-
stimmung kann Wochen bis Monate dauern. Es ist auch nicht unüblich, dass die
Zweckbestimmung im Laufe des Projektes modifiziert wird. Einer der wichtigsten
502 15 Praxisbeispiel eines Start-ups
Aspekte, den es zu berücksichtigen gilt, ist, dass jede Behauptung in der Zweck
bestimmung auch klinisch nachgewiesen werden muss (siehe Kapitel 7, Klinische
Evidenz für Medizinprodukte und IVD).
MERKE:
Je „unkritischer“/„kritischer“ die Zweckbestimmung, desto geringer/höher sind
die klinischen Anforderungen, die umgesetzt werden müssen.
die damit verbundenen Zeiten und Kosten minimiert werden können, indem bei-
spielsweise erst mit einer Wellness/Fitness/Commodity-Variante des Produkts be-
gonnen wird. Diese Strategie ist unter gewissen Voraussetzungen empfehlenswert.
Die Methode wird häufig als „Beachhead“-Strategie bezeichnet [15.1] und kann im
Wesentlichen wie folgt zusammengefasst werden:
1. Von den möglichen Märkten wird ein erster Markt ausgewählt, welcher einer-
seits lukrativ ist und andererseits Interesse an einer nicht-medizinischen Vari-
ante des Produkts besitzt.
2. In diesem Markt werden erste Erfahrungen gesammelt, aber auch erste Um-
sätze erzielt, um einen positiven Cash-Flow und damit das Budget zu generie-
ren, um die Weiterentwicklung zum Medizinprodukt zu finanzieren
Wenn ein Start-up diese zweiphasige Strategie verfolgt, dann ist die eindeutige
Formulierung der Zweckbestimmung als nichtmedizinisches Produkt essenziell.
Das Fitnessprodukt und die dazugehörige Werbung dürfen niemals medizinische
Behauptungen beinhalten, die in Artikel 2 Absatz 1 der MPV [15.2] genannt sind.
Anhand dieser Beispiele wird ersichtlich, dass der Tausch von nur wenigen Worten
in der Zweckbestimmung zwischen einem Medizinprodukt und einem Fitness-/
Lifestyle-Produkt unterscheiden kann.
BEACHTE:
For personal use only.
Einer der größten Hürden ist der bereits erwähnte Verantwortliche für Regulie-
rungsvorschriften. Mindestvoraussetzungen sind unter anderem ein abgeschlosse-
nes Studium in medizinprodukterelevanten Wissenschaften und ein Jahr Berufs
erfahrung, welche auch die Interaktion mit einem Qualitätsmanagementsystem
voraussetzt. Nicht weniger fordernd ist die MEDDEV 2.7/1 Revision 4 [15.5] (Klini-
sche Bewertungen), in welchem zum Beispiel ein akademischer Abschluss und
fünf Jahre Expertise auf dem Forschungsgebiet als Mindestanforderung festgelegt
werden.
Eine der ersten regulatorischen Tätigkeiten muss es daher sein, einerseits die not-
wendigen Positionen und Qualifikationen für das Projekt und das Produkt zu iden-
tifizieren und andererseits einen Soll-Ist-Vergleich der Teamqualifikationen durch-
zuführen. Nur selten besteht das eigene Team aus erfahrenen Medizintechnikern
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und Ärzten, die bereits etliche Medizinprodukte entwickelt und auf den Markt ge-
bracht haben. Dies bedeutet aber nicht, dass das auch zwingend eine Vorausset-
zung sein muss. Mit den folgenden drei Schritten können die Qualifikationsanfor-
derungen erfüllt werden:
1. Es müssen alle Positionen und Qualifikationen identifiziert werden, die für das
Unternehmen und das Produkt essenziell sind. Dazu müssen die MPV und
nationale Gesetze, aber auch anwendbare Normen und Guidance-Dokumente
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untersucht werden.
2. Die kollektiven Erfahrungen und Kompetenzen des Teams müssen aufgelistet
werden. Dabei sollte nicht zu eng gedacht werden: Jedes Studium, jede Ausbil-
dung oder Zertifizierung könnte dazu beitragen, eine der Mindestqualifikatio-
nen zu erfüllen.
3. Es muss eine Zuordnung aufgestellt werden, welche Personen am ehesten für
welche Rollen oder Qualifikationen geeignet sind. Dabei müssen auch etwaige
Lücken identifiziert und eine Strategie etabliert werden, wie diese Lücken ge-
schlossen werden können.
Nicht immer sind alle Qualifikationen zu Beginn vorhanden, hierfür gibt es aber
Lösungen. Zum Beispiel erlaubt Artikel 15 der MPV, dass die verantwortliche Per-
son bei kleinen Unternehmen auch ausgelagert werden kann [MPV Artikel 15 Ab-
satz 2]. Für Qualifikationen in den Bereichen Biokompatibilität [15.6], Risikoma-
nagement oder Usability [15.7] bieten Akademien, Benannte Stellen und ähnliche
Organisationen Schulungen an, welche anerkannt werden und auch als Qualifika-
tionsnachweis dienen. Selbst bei der Klinischen Bewertung können externe Exper-
ten mit deren Abfassung beauftragt werden.
Einige der häufigsten Rollen für Mindestqualifikationen in der Medizintechnik
werden in Tabelle 15.1 aufgelistet, wobei die Liste keinen Anspruch auf Vollstän-
digkeit erhebt, da es unter anderem auch nationale Abweichungen gibt.
15.5 Zeit- und Finanzierungsaspekte 505
Es ist nicht zwingend notwendig, von Beginn an ein Team aus Medizintechnik
experten vorzuweisen; jedoch müssen die einzelnen Personen gewillt sein, sich
selbst fortzubilden, um die notwendigen Mindestqualifikationen zu erlangen. Ab-
schließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Informationen über notwendige
Qualifikationen und Anforderungen durch das gesamte Team diffundieren müs-
sen. Nicht jedes Mitglied muss ein vollständiges regulatorisches Wissen vorwei-
sen, jedoch sollte ein gemeinsames Grundverständnis im Unternehmen vorliegen,
was es bedeutet, ein Medizinprodukt zu entwickeln.
For personal use only.
MERKE:
Bereits zu Beginn eines Projekts müssen relevante Profile und Qualifikationen
identifiziert und eine Planung für die Schließung etwaiger Kompetenzlücken aus-
gearbeitet werden.
Verfügung, es gibt aber Gemeinsamkeiten. Der Pool beginnt bei regionalen Förde-
rungen, die eventuell allgemeine Innovationen vorantreiben möchten, und endet
bei nationalen oder europäischen Förderstellen, die auch größere Summen inves-
tieren. In der Praxis ist es projektentscheidend, die Förderlandschaft früh zu prü-
fen und dabei nicht nur auf branchenspezifische Ausschreibungen im Biotech- und
Medtech-Bereich zu achten, sondern auch allgemeine Förderungen zu berücksich-
tigen.
Bei Investoren steht ein breites Spektrum zur Verfügung. Einige Beispiele dafür
sind: Friends & Family, Privat Equity, Venture Capital Fonds, strategische Investo-
ren und Crowdfunding Investments. Die Verlockung ist groß, sofort Investoren zu
organisieren; dies kann aber langfristig zu einer Sackgasse werden. Investoren
betrachten immer das Verhältnis von Risiko zu Rendite. Medtech-Projekte sind
teuer und können erst relativ spät auf den Markt gebracht werden, gleichzeitig ist
ein lineares Wachstum realistisch, was den Break-even hinauszögert. Aus Sicht der
Investoren bedeutet dies: hohes Risiko und niedrige Rendite. Daher ist es sehr un-
wahrscheinlich, dass ein Investor mit einer größeren Summe in einer Frühphase
einsteigt, ohne große Anteile des Unternehmens zu fordern.
Im Falle einer Kombination aus Investoren und Förderstellen, gilt es, Förderungen
oder auch Kredite zu akquirieren, solange sich das Projekt in der Frühphase befin-
det. Dies stellt eine Möglichkeit dar, um die ersten Meilensteine erreichen zu kön-
nen. Sobald eine Zulassung vorliegt und die Marktphase beginnt, ist der beste Zeit-
punkt gekommen, um auch mit externen Investoren in Kontakt zu treten, da nun
15.6 Vom Prototypen zum Serienprodukt und die dazugehörige Dokumentation 507
das Risiko geringer und die Rendite klarer ersichtlich ist. Dies ist ein möglicher
Weg, der die eigenen Zeitressourcen schont und gleichzeitig Chancen maximiert,
kontinuierlich ausreichend Gelder zu erhalten, ohne den Großteil der Firmen
anteile abtreten zu müssen.
TIPP:
Bei vorbereitenden Tätigkeiten für Investorengespräche sollen nicht nur die Aspekte
der Medtech-Branche vorbereitet werden (z. B. Timeline bis zur CE-Kennzeichnung),
sondern auch der Wissensstand eines Investors zu diesem Thema (Experte oder
branchenfremd) ist zu bedenken.
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Der Produktentwicklungsprozess
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Einer der natürlichsten Prozesse in zahlreichen Start-ups ist es, ein Produkt in
zahlreichen Iterationen zu entwickeln. Zu Beginn werden erste Prototypen entwi-
ckelt, während nach Kundenrückmeldungen und eigenen technischen Erkenntnis-
sen das Produkt schrittweise angepasst wird. In einer solchen Trial-and-Error-
Phase ist es aus Sicht der Gründer nicht das Ziel, bereits viel Dokumentation
durchzuführen, sondern die Technologie oder die Lösung so schnell wie möglich
zu optimieren. Genau hier gilt es aber dringend zu beachten, dass die MPV [MPV
Anhang II], aber auch Normen wie die ISO 13485 (siehe Kapitel 1, QM-Systeme)
eine strikte Dokumentationsstruktur fordern (siehe Abschnitt 15.11 für eine Auf-
teilung, wann welcher Dokumentationsaufwand notwendig ist).
Bei den Forderungen der Produktentwicklung wird schnell ersichtlich, dass sich
sowohl die Verordnung als auch Normen allgemein sehr stark auf das V-Modell
stützen (siehe Kapitel 4, Entwicklung von Medizinprodukten), jedoch ist dieses nicht
verpflichtend. Es können auch Wasserfallmodelle, Spiralmodelle (siehe Kapitel 4)
oder sogar agile Methoden wie Scrum (siehe Kapitel 5, Software als Medizinpro-
dukt) verwendet werden. Wichtig ist aber zu beachten, dass unabhängig vom Mo-
dell zwei Bedingungen erfüllt werden:
1. Die geforderten Meilensteine der regulatorischen Anforderungen sind inklu-
diert,
2. das Modell verstößt nicht gegen Anforderungen einzelner Normen, wie zum
Beispiel der IEC 62304 für die Softwareentwicklung (siehe Kapitel 5).
508 15 Praxisbeispiel eines Start-ups
In der Praxis hat sich eine Kombination aus dem V-Modell mit agilen Teilschritten
bewährt. Dieses Modell verlangt zwar, dass zu Projektbeginn alle Aspekte berück-
sichtigt werden (z. B. auch Aspekte der Gebrauchsanweisung oder einzelner Nor-
men), dafür erhält das Team aber einen Überblick der to dos, und es sinkt auch das
Risiko, dass Anforderungen zu Beginn übersehen werden. Direkt in der Implemen-
tierungsphase wird aber nicht selten auf agile Methoden zurückgegriffen, insbe-
sondere wenn Softwarekomponenten entwickelt werden.
stellt),
grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen (wie werden diese er-
füllt),
Nutzen-Risiko-Analyse und Risikomanagement (vollständiges Risikomanage-
ment),
Verifizierung und Validierung (Nachweis der Vollständigkeit und Funktionali-
tät),
Post Market Surveillance (Überwachung nach der Inverkehrbringung).
TIPP:
Eine vollständige Stakeholder-Analyse und Festlegung der Requirements bereits
zu Beginn hilft, den Umfang des Projekts möglichst genau abzustecken und spätere
Änderungen des Projekt-Scopes zu vermeiden. Auch Regularien und Normen
sollen bei der Stakeholder-Analyse herangezogen werden.
15.7 In-House oder Outsourcing? 509
Es besteht zwischen einer Gruppe von Innovatoren (dem Start-up-Team) und einem
Auftragsentwickler immer eine Informationsasymmetrie. Das Start-up-Team ist be-
züglich der Produkteigenschaften immer auf dem neuesten Stand und erhält vom
Markt ständig neue Updates. Außerdem hat das Team aufgrund der emotionalen
Bindung zum Produkt höchste Ansprüche und gibt sich mit mittelmäßiger oder
schlechter Qualität nicht zufrieden. Auftragsentwickler andererseits verfolgen das
Ziel, die im eigenen Unternehmen bereits bewährten Prozesse und Technologien
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TIPP:
Schon zu Beginn des Projekts muss genau untersucht werden, welche Aspekte
der Entwicklung, der Herstellung und der Wartung ausgelagert werden und welche
im Unternehmen verbleiben sollen.
510 15 Praxisbeispiel eines Start-ups
aufgesetzt werden muss, sondern das gesamte Team muss geschult werden und in
weiterer Folge auch danach arbeiten. Mittelfristig gibt es aber fast kein Start-up,
welches ein QMS nicht auch als essenzielle Unterstützung und als Mehrwert sieht.
Probleme können einfacher und schneller identifiziert, nachvollzogen oder sogar
verhindert werden, alle Teammitglieder haben klare Verantwortlichkeiten, und die
definierten Prozesse beschreiben eindeutig, wie einzelne Tätigkeiten umzusetzen
sind.
For personal use only.
Für die maximale Effizienz wird empfohlen, zunächst die wichtigsten Elemente
eines QMS einzurichten (beispielsweise Qualitätsmanagementhandbuch, Pro-
duktentwicklungs- oder Dokumententenlenkungsprozesse) und erst anschließend
mit der Produktentwicklung zu beginnen. So kann gleich QMS-konform entwickelt
und dokumentiert werden, und es werden doppelte Arbeitsaufwände vermieden.
Ebenfalls darf niemals vergessen werden, dass ein QMS nicht nur eine regulatori-
sche Anforderung ist, sondern auch ein Sicherheitsmechanismus, um für Pati-
enten und Kunden ein qualitativ hochwertiges und sicheres Produkt zu entwickeln
und zu verkaufen.
BEACHTE:
Ob eine Benannte Stelle notwendig ist, ergibt sich aus der Klassifizierung. Ein
künstliches „Drehen“ an dieser Klassifizierungsschraube kann gefährlich sein.
Ohnedies gelten die meisten Grundanforderungen der MPV für alle Medizinpro-
dukteklassen (QMS, PMS, klinische Bewertung).
Bei Start-ups wird oftmals die Konformitätsbewertung nach Anhang IX als größte
Hürde gesehen, da nicht nur das Produkt bewertet wird, sondern auch ein QMS,
welches in der Praxis nach ISO 13485 eingerichtet wird. Trotzdem ist dieses Ver-
fahren in vielen Fällen das sinnvollste. Einige Gründe hierfür sind:
Benannte Stellen priorisieren häufig Kunden, die sowohl das Produkt als auch
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TIPP:
For personal use only.
Konkret bedeutet dies, dass eine Benannte Stelle so früh wie möglich eingebunden
werden sollte, auch wenn die technische Dokumentation noch weit von der Fertig-
stellung entfernt ist. Nachdem der Erstkontakt zu einer Benannten Stelle teilweise
eine Hürde darstellt (örtliche Nähe und Scope der Benannten Stelle, sind dort Res-
sourcen verfügbar – manche Benannte Stellen reagieren erst nach Wochen oder
Monaten, andere ignorieren eine Anfrage komplett), werden folgende Praxistipps
empfohlen:
Die Suche nach einer Benannten Stelle sollte begonnen werden, unmittelbar
nachdem die Zweckbestimmung definiert wurde und ein erster Prototyp vor-
liegt.
Das eigene Netzwerk, Inkubatoren und andere Stakeholder sollten genutzt
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TIPP:
Die Europäische Union bietet für die Suche die NANDO-Datenbank an, welche frei
zugänglich ist. Achtung: Bei nicht deutschsprachigen Benannten Stellen können
Sprachbarrieren und zusätzliche Reisekosten entstehen.
Ebenfalls zu bedenken ist, dass eine Kooperation mit einer Benannten Stelle eine
langfristige Entscheidung ist. Ein Wechsel ist zwar möglich [MPV Artikel 58], sorgt
aber für Komplikationen und Zeitverzögerungen.
MERKE:
Die Suche und Auswahl einer Benannten Stelle soll bereits in der Projektfrühphase
umgesetzt werden, und bei Möglichkeit sollen schon frühzeitig Vorverträge unter-
zeichnet werden.
15.11 Der Start-up-Spirit im regulatorischen Umfeld: Das Zwei-Phasen-Programm 513
besserte Prototypen erstellt. Die Entwicklung ist sehr kundennah und soll rasch
Ergebnisse hervorbringen, die so konzipiert sind, dass sie den Anforderungen des
Marktes entsprechen. Hier muss aber unbedingt beachtet werden, dass unter kei-
nen Umständen Versuche an Patienten durchgeführt werden dürfen, da dies sehr
schnell zu einer klinischen Prüfung umgedeutet werden kann.
Sobald der Prototyp einen Zustand erreicht hat, bei welchem sich sowohl Kunden
als auch das Team einig sind, dass nun die wichtigsten Eigenschaften vorhanden
sind, wird ein cut-off gesetzt, und es beginnt die zweite Phase, die Medizinproduk-
teentwicklung. Ab diesem Zeitpunkt werden eine MPV-konforme Entwicklung und
Dokumentation durchgeführt, die Ergebnisse aus Phase 1 dienen als Input für die
zweite Phase.
BEACHTE:
Dem Entwicklungsteam muss bekannt sein, wo die Grenzen zwischen einer „Vor-
Entwicklungstätigkeit“ und einer Entwicklung nach Medizintechnikvorgaben liegen.
Auch muss der Dokumentationsumfang für die zwei Phasen verstanden werden
(siehe auch Abschnitt 4.3).
514 15 Praxisbeispiel eines Start-ups
muss sorgfältig überlegt werden, woher die Materialien und Komponenten für das
Produkt kommen.
Ein häufiger Irrglaube ist, dass die Fertigung weniger strikt oder gar nicht regu-
liert ist. Im Gegenteil, Herstellprozesse, Lieferanten und eine Bill of Material (BOM)
sind sowohl in der MPV [MPV Anhang II Abschnitt 3] als auch in der ISO 13485
[15.10] ein Thema. Die regulatorischen Anforderungen können in drei Kernfragen
zusammengefasst werden:
For personal use only.
BEISPIEL:
Besonders bei mechanischen Komponenten wie z. B. Kunststoffteilen ist es ver-
lockend, die ersten Teile kostengünstig mittels z. B. 3D-Druck-Verfahren herstellen
zu lassen, damit die Verifikation und Validierung durchzuführen und bei der Serien-
produktion auf ein Spritzgusswerkzeug umzustellen. Dies kann problematisch sein,
da Validierungstests an Serienprodukten oder seriennahen Produkten durchgeführt
werden müssen, sich die mechanischen Eigenschaften und die Biokompatibilität
zwischen z. B. 3D-Druck- und Spritzgussmaterialien aber wesentlich ändern können.
Generell müssen für die Einrichtung der Supply Chain Monate eingeplant werden.
Bei hochsensiblen Aspekten wie Sterilität oder biologischen Materialien ist eventuell
sogar noch mehr Zeit einzuplanen, um inakzeptable Lieferungen, schlechte Pro-
duktqualität oder ein ineffizientes Preis-Leistungs-Verhältnis zu vermeiden. Selbst
bei scheinbar simplen Komponenten wie Etiketten ist es üblich, dass mehr als eine
15.13 Klinische Prüfungen 515
Iteration notwendig ist, bis alle Spezifikationen passen. Bei kritischen Teilen ist es
erforderlich, die Lieferanten zu auditieren, wobei die geografische Komponente für
Start-ups ein wichtiges Entscheidungskriterium sein kann. Es macht einen Unter-
schied, ob ein Lieferant drei Autostunden oder sieben Flugstunden entfernt ist.
Ein oftmals unterschätzter Faktor ist die Assemblierung/Fertigung und Qualitäts-
sicherung der Serienprodukte. Wie bei der Entwicklung besteht auch hier die Mög-
lichkeit, entweder im eigenen Unternehmen zu fertigen oder einen Lohnfertiger zu
beauftragen. Besonders wenn die Assemblierungstätigkeiten simpel und die Stück-
zahlen niedrig sind, sollte zu Beginn eine interne Assemblierung eingerichtet wer-
den. Insbesondere Anlaufschwierigkeiten können durch das eigene Team am bes-
ten analysiert und beobachtet werden.
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MERKE:
Bei der Supply Chain und der Fertigung muss schon früh in der Entwicklung ent-
schieden werden, welche Aspekte ausgelagert werden und welche nicht. Falls die
Produktherstellung nicht zu komplex ist und die Stückzahlen in den ersten Jahren
selbst bewältigt werden können, wird empfohlen beide Aspekte selbst zu verwal-
ten (siehe auch Kapitel 10 und 11).
For personal use only.
15.13 Klinische Prüfungen
Die klinische Bewertung sowie die klinischen Prüfungen haben in der MPV im
Gegensatz zur MDD eine noch stärkere Gewichtung bekommen und stellen für
Start-ups eine ganz eigene Herausforderung dar. Bereits beim Erstkontakt zu För-
derstellen oder medizinischen Experten muss klar ersichtlich sein, ob und wenn ja
in welchem Umfang, klinische Prüfungen durchgeführt werden müssen. Spätes-
tens ab diesem Zeitpunkt entdecken viele, dass eine klinische Prüfung meist einen
unvermeidbaren Meilenstein während der Validierung eines Medizinprodukts dar-
stellt.
In der Tat hat die MPV zu diesem Thema einige zusätzliche Anforderungen ge-
bracht. Der Fokus rückte einmal mehr auf das Thema Sicherheit, und es wurde
festgelegt, dass klinische Daten nur aus folgenden vier Quellen akzeptiert werden:
klinische Prüfungen mit dem eigenen Produkt,
Daten von äquivalenten Produkten,
wissenschaftliche Fachliteratur über das eigene Produkt oder äquivalente Pro-
dukte,
Post Market Surveillance-Daten über das eigene Produkt.
516 15 Praxisbeispiel eines Start-ups
Obwohl die MPV nur für Klasse-III-Produkte und Implantate zwingend eine klini-
sche Prüfung voraussetzt [MPV Artikel 61 Absatz 4], bleibt insbesondere bei inno-
vativen Produkten aber häufig auch keine andere Wahl, als eine klinische Prüfung
durchzuführen. Die Begründung hierfür liegt darin, dass die Start-ups keine klini-
schen Daten aus den oben genannten Quellen vorweisen können.
Solche Prüfungen können durchaus zum Bottleneck der Entwicklung und Validie-
rung werden. Es sei zwar erwähnt, dass eine Ausnahmeklausel existiert [MPV Ar-
tikel 61 Absatz 10], bei welcher auf die Beurteilung mittels klinischer Daten ver-
zichtet werden kann, jedoch ist diese Route meist nur für harmlose Produkte oder
Produkte mit einer etablierten Technologie verfügbar. Es sollte geprüft werden, ob
dies eine mögliche Alternative darstellt.
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Eine klinische Prüfung ist mit sehr großem Aufwand verbunden, wodurch entspre-
chende Zeit und finanzielle Ressourcen eingeplant werden müssen. Die MPV wid-
met diesem Thema etliche Artikel, ergänzend gibt es auch nationale Regelungen.
Für ein solches Unterfangen müssen zunächst Ethikkommissionen und nationale
Behörden involviert werden, aber es bedarf auch einer Klinik, medizinischen Uni-
versität oder einer ähnlichen Einrichtung, die die Prüfung tatsächlich durchführt.
Die logische Konsequenz ist, dass die Themen klinische Bewertung und klinische
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Prüfung nicht erst nach der Verifikationsphase des Produkts erstmalig behandelt
werden dürfen, sondern schon bei der ersten Rohfassung der Zweckbestimmung.
Es sei aber explizit festgehalten, dass eine klinische Prüfung nicht nur regulato-
risch gefordert wird, sondern auch als Unterstützung in Vertriebs- und Marketing-
aktivitäten gesehen werden kann.
BEACHTE:
Es ist bereits nach der Festlegung der Zweckbestimmung die Notwendigkeit
einer klinischen Prüfung zu klären. Im Falle einer Prüfung sind Einreichungen an
Ethikkommissionen und Behörden entsprechend den genannten Mindestanfor-
derungen vorzulegen, um unnötige Iterationen vor einer Prüfungsentscheidung
zu vermeiden.
ein Eigenvertrieb angestrebt wird oder nicht. Es gilt im Wesentlichen zwei Fragen
zu klären: Welche Vertriebsschienen sind aufgrund der Produkteigenschaften
sinnvoll und sollen diese selbst oder mit Partnern umgesetzt werden?
15.14.1 Produkteigenschaften
Nicht jeder Vertriebsweg ist für jedes Produkt geeignet. Daher muss eine Liste von
Aspekten analysiert werden: Handelt es sich um eine stand-alone-Software, die
schnell verbreitet werden kann, ist es ein kleines und vielleicht günstiges Produkt,
das in Massen verkauft werden soll, oder handelt es sich um ein hochkomplexes
Produkt, bei welchem angedacht ist nur wenige Stück pro Jahr zu verkaufen? Zu-
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15.14.2 Vertriebsmöglichkeiten
Ein Medizinproduktevertrieb ist weder einfach aufzubauen noch kostengünstig
zu betreiben. Je nach gewählter Strategie können Aspekte wie Investments oder
Skalierungsmöglichkeiten stark davon beeinflusst werden. Ohne auf allzu viele
Kombinationsmöglichkeiten einzugehen, stehen im Allgemeinen drei Methoden
zur Auswahl:
1. Eigenvertrieb,
2. Vertrieb über Distributoren,
3. hybride Lösung.
Eigenvertrieb
Der Vorteil des Eigenvertriebs ist, dass von Beginn an ein direkter Kontakt zu den
Kunden besteht und somit ein kontinuierlicher Austausch stattfindet, welcher die
eigene Marktposition stärkt. Ein solcher Input ist insbesondere in der initialen
Marktphase von größter Bedeutung. Der große Nachteil ist, dass die meisten Start-
518 15 Praxisbeispiel eines Start-ups
ups noch unbekannt sind und der Aufbau eines Teams und einer Marke äußerst
kostspielig sind. Interne Business Developer und Vertriebspersonen sind notwen-
dig, um die Nachfrage zu generieren. Diese Personen kosten viel, und aus diesem
Grund müssen schon bei den initialen Planungen klare und quantitative Meilen-
steine und Ziele vereinbart werden. Bei der Bezahlung dieser Personen soll eine
Mischung aus Provision und Fixum vereinbart werden.
Distributoren
Der Vorteil bei der Kooperation mit Distributoren ist (in diesem Kontext sind Medi-
zinproduktehändler gemeint und keine Apotheken, Drogeriehandelsketten oder
Sanitätshäuser), dass sie in vielen Fällen eine nationale oder internationale Repu-
tation besitzen und zusätzlich über ein etabliertes Vertriebssystem verfügen. Mit
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diesem Netzwerk ist es viel einfacher möglich, an potenzielle Kunden und Key
Opinion Leader zu gelangen. Der Nachteil ist, dass Händler meist Margen von 35
bis 50 % des Netto-Endverkaufspreises des Produkts fordern und darüber hinaus
eine ständige Betreuung benötigen. Vorsicht ist auch bei Distributionsverträgen
mit sehr großen Distributoren geboten, die gleich mehrere Länder übernehmen
möchten. Wenn es hier zu Kooperationsschwierigkeiten kommt, kann es schnell
passieren, dass wichtige Schlüsselmärkte für Jahre blockiert sind.
For personal use only.
Hybride Lösung
In der Praxis hat sich in vielen Fällen die zeitversetzte hybride Strategie bewährt.
Das Team sollte am Anfang unbedingt mindestens einen Markt selbst kontrol-
lieren, um Erfahrungen zu sammeln und eine starke Verbindung mit den Kunden
zu haben. Zusätzlich muss bewiesen werden, dass das Vertriebskonzept funktio-
niert. Danach können erste Kooperationen mit Distributoren oder Handelsagenten
geschlossen werden, um auch hier erste Erfahrungen zu sammeln.
TIPP:
Übertragen Sie einem Distributor in einem Vertrag nicht zu viele Gebiete oder
setzen Sie besser mit demselben Distributor mehrere Verträge für einzelne Gebiete
auf, damit Sie im Fall von non-performance des Distributors in einzelnen Märkten
gezielt aussteigen können.
MERKE:
Die Auswahl des Vertriebskanals muss bereits in der Frühphase des Projekts
bestimmt werden. Die Kanäle und Partner sind noch vor der Produktzulassung zu
testen.
15.15 Pre-Marketing-Aktivitäten vor der Zulassung 519
15.15 Pre-Marketing-Aktivitäten
vor der Zulassung
BEACHTE:
Diese Pre-Marketing-Aktivitäten gelten nur für den europäischen Wirtschaftsraum
und dürfen nicht automatisch auf andere Regionen extrapoliert werden.
MERKE:
Pre-Marketing muss sehr vorsichtig betrieben werden. Auch unentgeltlich abge-
gebene Produkte gelten als in Verkehr gebracht. Die Behauptungen und Werbe-
versprechen müssen der Zweckbestimmung entsprechen.
Die Zulassung ist abgeschlossen, es wurde viel Zeit und Energie in das Pre-Marke-
ting investiert, und das Produkt steht bereit und kann verkauft werden. Es scheint,
als müsse das Produkt nur noch ausgeliefert und die steigenden Umsätze beobach-
tet werden. In Wirklichkeit aber beginnt nun die wohl spannendste Frage für ein
Start-up, nämlich ob das angedachte Business-Modell tatsächlich funktioniert und
Kunden das Produkt annehmen.
Meist kommt es vor, dass gerade die zu Beginn prognostizierten Umsätze nicht mit
For personal use only.
TIPP:
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Strategieanpassung ist, dass für
eine solche Adaption die nötige Liquidität und Zeit zur Verfügung stehen. Es ist
ratsam, bereits in der frühen Planung einen Sicherheitspuffer dafür einzukalkulie-
ren. Dies ermöglicht dem Start-up, im ersten Jahr nach der Zulassung genügend
Erfahrungen sammeln zu können. Im Idealfall stehen genügend Reserven zur
Verfügung, um zwölf Monate ohne nennenswerte Umsätze die Kosten zu decken
und gleichzeitig über ein Marketingbudget zu verfügen, welches ein an das Produkt
angepasste Marketing ermöglicht. Die Arbeit mit sinnvollen Metriken wie Umsätze,
Kundenanzahl, Konversionsraten oder Ähnliches sind hier zu empfehlen.
MERKE:
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oder gewartet werden muss. Dies können beispielsweise Probleme, neue Kunden-
wünsche oder sogar neue Einsatzgebiete für das Produkt sein. Die von der MPV
geforderte PMS [MPV Artikel 10 Absatz 9] ist zwar eine Grundanforderung, jedoch
obliegt es dem Unternehmen, die Ergebnisse der PMS auch in das Vertriebs- und
Marketingkonzept einfließen zu lassen. Befragungen können mithilfe von Fragebö-
gen, Interviews oder Anwendungsstudien durchgeführt werden. Unabhängig von
dem gewählten Befragungsinstrument geht es im Wesentlichen immer um Interak-
tionen mit den tatsächlichen Anwendern und Kunden. Daraus lassen sich weitere
Optimierungen am Produkt ableiten. Ein weiterer Outcome solcher Befragungen
könnte sein, dass das Produkt zwar in Ordnung ist, die Zielgruppe aber noch er-
gänzt werden muss.
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TIPP:
Anwender bieten in den meisten Fällen ihre Meinung und ihr Feedback kostenlos
an. Start-ups sollten diese Gelegenheit unbedingt wahrnehmen, um ihre Zielgrup-
pen und Kunden besser verstehen zu lernen.
MERKE:
Soweit möglich sollte die PMS dazu genutzt werden, um Kundenfeedback zu er-
For personal use only.
halten und einen engen Austausch mit ihnen zu ermöglichen. Diese Informationen
sind dann in das Marketing und eventuell in die Produktweiterentwicklung einzu-
arbeiten.
dauern, solche Studien durchzuführen. Des Weiteren sollte erwähnt werden, dass
Krankenkassenerstattungen nicht extrapolierbar sind. Das heißt, wenn ein Pro-
dukt in einem Land erstattet wird, bedeutet dies nicht automatisch, dass dies auch
in anderen Ländern der Fall sein wird, es erhöht lediglich die Chancen.
Es gibt mehr als genug unrealistische Businesspläne, die behaupten, in zwei Jah-
ren global am Medizinproduktemarkt etabliert und mit der CE-Kennzeichnung er-
stattungsfähig zu sein. Es gilt, die Meilensteine und Pläne realistisch zu konzipie-
For personal use only.
ren, denn solche Fehler werden meist weder von potenziellen Investoren noch von
Förderstellen verziehen und können der eigenen Reputation erheblich schaden.
TIPP:
Beweisen Sie zuerst in einem Zielmarkt zu, dass Ihr Business-Modell funktioniert,
und beginnen Sie erst danach mit einer Expansion in weitere Märkte. Mehr Länder
und Distributoren bedeuten zu Beginn nicht automatisch mehr Absatz.
15.19 Design/Produktmodifikation
Unabhängig vom Testumfang eines Produkts ist es kaum möglich, alle erdenkba-
ren Szenarien abzudecken und zu prüfen. So können beispielsweise Software Bugs
erst nach einer Zeit identifiziert werden, Materialien verlieren ihre mechanischen
Zug- und Festigkeitseigenschaften oder verfärben sich. Womöglich sind auch
Änderungen aufgrund von Anwendungsfehlern oder neu identifizierten Risiken
notwendig. Um solche Szenarien rechtzeitig zu berücksichtigen und die damit ver-
bundenen (regulatorischen) Risiken zu reduzieren, werden folgende drei Maß
nahmen empfohlen.
524 15 Praxisbeispiel eines Start-ups
umgesetzt werden können, zum Beispiel mit Prozessen, welche dem „Lean“-Ansatz
folgen [15.11]. Es gilt, bei der Dokumentation auf die Qualität und nicht auf die
Quantität zu achten, mehr Dokumentation bedeutet nicht immer, dass Prozesse
effizient sind. Auch das CAPA-System (Corrective Action/Preventive Action) (siehe
Kapitel 12, Korrektur- und Verbesserungsmanagement), welches ein Grundbaustein
eines QMS ist (siehe Kapitel 1, QM-Systeme), muss gut etabliert sein. Diese Bau-
steine sollten daher nicht als Hindernis, sondern als Möglichkeit gesehen werden,
Adaptionen zu beschleunigen. Auch eine gut geführte Lieferantenliste kann Her-
For personal use only.
steller dabei unterstützen, rasch auf Änderungen zu reagieren. Zum Beispiel sollte
zu jedem kritischen Lieferanten ein Backup-Lieferant geführt werden, um Versor-
gungsengpässe zu vermeiden.
BEACHTE:
Es ist bereits zu Beginn der Entwicklung zu berücksichtigen, dass Produkte gewar-
tet und modifiziert werden müssen. Die Auswirkungen einer kleineren oder grö-
ßeren Änderung sind an das Entwicklungsteam zu kommunizieren.
15.20 Einsparpotenzial mit den richtigen Maßnahmen 525
Versteht der potenzielle Partner die Technologie des Produkts zumindest auf
einer oberflächlichen bis mittleren Ebene?
Kann der potenzielle Partner die Vision und Mission des Start-ups teilen? Gibt
es jenseits der monetären Entlohnung auch weitere Aspekte, warum ein Part-
ner sich für das Projekt interessiert?
Hat ein potenzieller Partner Verständnis für die Dynamik und die Agilität eines
Start-ups?
MERKE:
Zumindest eine Person im eigenen Team muss sich mit der Thematik Regulatory
Affairs auseinandersetzen [MPV Artikel 15]. Zu Beginn ist es ratsam externe
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Unterstützung zu nutzen.
15.21 Zusammenfassung
For personal use only.
Am Ende dieses Kapitels ist für alle Leser klar, die bereits ein Medizintechnik-
Start-up gegründet haben oder gerade dabei sind, eines zu gründen, dass ein sol-
ches Unterfangen mit außergewöhnlichen Hürden und Auflagen verbunden ist.
Hochkomplexe und starre Regularien, ein herausfordernder Markt und ein hoher
Kapitalbedarf prägen diese Industrie. Ein Medtech-Start-up setzt ein Team voraus,
welches einen eisernen Willen vorweist und in der Lage ist, Herausforderungen
und zum Teil Extremsituation zu meistern.
Dennoch beschließen viele, diesen Pfad zu gehen:
Sie wollen einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und schreiben als Pioniere
auf ihrem Gebiet Medizingeschichte, gleichgültig wie groß der Anteil daran ist.
Sie haben die Vision und Mission, Menschen zu helfen, seien es Familienmit-
glieder, Freunde oder Bekannte.
Sie wissen, dass sie in der Medizintechnik eine einzigartige Möglichkeit haben,
Forschung und Entwicklung zu betreiben und neue Innovationen zu erarbeiten.
Sie wissen, dass es in dieser Branche nicht möglich ist, schnelles Geld zu ma-
chen. Die Uhren in der Medizintechnik ticken zwar langsamer, dafür aber
umso genauer – das sorgt für Stabilität.
Diese Ziele und Motivationen sind es aber, die es möglich machen, sich täglich den
Herausforderungen der MPV und der Medizintechnik zu stellen und erfolgreich
Medizinprodukte auf den Markt zu bringen. Einem Menschen zu helfen, mag nicht
die Welt verändern, aber es kann die Welt für diesen einen Menschen verändern.
15.22 Literatur 527
15.22 Literatur
[15.1] Bill Aulet: Disciplined entrepreneurship: 24 steps to a successful startup. John Wiley & Sons.
2013.
[15.2] Europäische Kommission: Verordnung (EU) 27017/745 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der
Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates. Europäische Kommission. 2017 | Europäi-
sche Kommission. Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Be-
schlusses 2010/227/EU der Kommission. Europäische Kommission. 2017.
[15.3] Europäische Kommission: Richtlinie 2014/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 16. April 2014 über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
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die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/5/
EG. Europäische Kommission. 2014.
[15.4] Europäische Kommission: Verordnung (EU) Nr. 722/2012 der Kommission vom 8. August 2012
über besondere Anforderungen betreffend die in der Richtlinie 90/385/EWG bzw. 93/42/EWG
des Rates festgelegten Anforderungen an unter Verwendung von Gewebe tierischen Ursprungs
hergestellte aktive implantierbare medizinische Geräte und Medizinprodukte. Europäische
Kommission. 2012.
[15.5] Europäische Kommission: Clinical evaluation: a guide for manufacturers and notified bodies
under directives 93/42/EEC and 90/385/EEC. Europäische Kommission. 2016.
For personal use only.
[15.6] ISO: Biological evaluation of medical devices – Part 1: Evaluation and testing within a risk ma-
nagement process (ISO 10993-1:2018, including corrected version 2018-10). ISO. 2018.
[15.7] IEC: Medical devices – Part 1: Application of usability engineering to medical devices (IEC
62366-1:2015 + IEC 62366-1:2015/A1:2020). IEC. 2020.
[15.8] Hippel, Erich von: Democratizing innovation. The MIT Press. 2006.
[15.9] IEC: Medical device software – Software life-cycle processes (IEC 62304:2006 + IEC 62304:2006/
A1:2015). IEC. 2015.
[15.10] ISO: Medical devices – Quality management systems – Requirements for regulatory purposes
(ISO 13485:2016). ISO. 2016.
[15.11] George, M. L.; Rowlands, D.; Kastle, B.: Was ist Lean Six Sigma? Springer-Verlag. 2007.
[15.12] MDCG: Guidance on significant changes regarding the transitional provision under Article 120
of the MDR with regard to devices covered by certificates according to MDD or AIMDD. MDCG.
2020.
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For personal use only.
16 Abkürzungen
der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die An-
wendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Pro-
dukten menschlicher Herkunft
ALARP as low as reasonably practicable (so niedrig, wie vernünftigerweise
praktikabel)
ANOVA Varianzanalyse
ANVISA Agência Nacional de Vigilância Sanitária (brasilianische Gesund-
heitsinspektionsbehörde)
ASTM American Society for Testing and Materials
audit trail systemgenerierte Aufzeichnung aller GxP-relevanten Änderungen
und Löschungen im System
B Bedeutung der Fehlerfolge
BASG Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Österreich)
BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Deutschland)
BMG Bundesministerium für Gesundheit (Deutschland)
BOM Bill of Material
CAPA Corrective Actions and Preventive Actions (Korrektur- und Vorbeuge-
maßnahmen)
CB Certification Body
530 16 Abkürzungen
IP Intellectual Property
DIE Investigational Device Exemption
IEC International Electrotechnical Commission
IECEE International Commission on the Rules for the Approval of Electrical
Equipment
INMETRO Instituto Nacional de Metrologia, Qualidade e Tecnologia (Brasilien)
IP Intellectual Property
IPK In-Prozess-Kontrolle
IQ Installation Qualification (Installationsqualifizierung)
IRB Institutional Review Board
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VB Validierungsplanbericht
VMP/VMB Validierungsmasterplan/Validierungsmaster-Bericht
VP Validierungsplan
WEEE Waste Electrical and Electronic Equipment (Richtlinie zur Entsorgung
von elektronischen Altprodukten)
WEK Wareneingangskontrolle
For personal use only.
IPK und
Endkontrolle.Vom Lieferanten mitgelieferte Prüfauf-
zeichnungen und Zertifikate:
Auftragspapiere,
Verpackungsmuster,
Abweichungsmeldungen,
Freigabepapiere.
Device Master Record (DMR) Der Device Master Record ist die Zusammenstellung der
Fertigungsdokumentation, er ist das Ergebnis der Entwick-
lungsarbeiten und des Design Transfer. Er enthält alle für
den Einkauf, die Fertigung, den Zusammenbau und die
Benützung des Produkts notwendigen Informationen:
Spezifikationen für das Produkt,
Spezifikationen der verwendeten Materialien, Bauele-
mente, Module und Komponenten,
Konstruktionszeichnungen, Schaltpläne, Bestückungs-
pläne, Zusammenstellungszeichnungen,
für enthaltene Software: Object Files und die Prozess-
beschreibungen für den Transfer der erforderlichen
Daten und/oder des exekutierbaren Codes auf das
Produkt; Prozessbeschreibungen für die Parametrisie-
rung,
Herstellvorschriften,
Prüf- und Qualitätskontrollvorschriften,
540 17 Glossar
Reagenzien, Enzyme).
Dienstleistungen (von einem Lieferanten bezogen) z. B.:
Entwicklung und Design,
Produktion (Zusammenbau, Druck, Verpackung
etc.),
Dokumentenarchivierung,
Transport/Lagerung,
Sterilisation,
For personal use only.
Kalibration,
Raummonitoring (z. B. Messung mikrobiologischer
oder Staubpartikel in Reinräumen),
Beratung.
Produktspezifikationen Man versteht darunter die Zusammenstellung von allen
Herstell- und Prüfanweisungen, Bauteil- und Materialspezifi-
kationen, Zeichnungen und allgemeinen Herstellungsstan-
dards für die Produktion, die für die reproduzierbare und
zuverlässige Herstellung des Produkts mit gleichbleibender
Qualität erforderlich sind.
QM-System Teil eines Managementsystems bezüglich der Qualität
(EN ISO 9001:2015, 3.5.4)
Qualifizierung Beweisführung, dass Ausrüstungsgegenstände einwandfrei
(AMWHV 2006, Anlage 2) arbeiten und tatsächlich zu den erwarteten Ergebnissen
führen. Der Begriff Validierung wird manchmal um das Kon-
zept der Qualifizierung erweitert.
Qualifizierung Ist „Teil der Validierung und umfasst alle Maßnahmen, mit-
(AMBO 2009) hilfe derer nachgewiesen und dokumentiert wird, dass sämt-
liche die Produktqualität beeinflussenden Räumlichkeiten,
Ausrüstungen oder Hilfssysteme sachgemäß angelegt oder
installiert sind, ordnungsgemäß funktionieren und tatsäch-
lich zu den erwarteten Ergebnissen führen. Sie umfasst
insbesondere die Designqualifizierung, die Installations
qualifizierung, die Funktionsqualifizierung und die Leistungs-
qualifizierung“.
17 Glossar 545
S
ymbole Annahme 360
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Appraisal 210
8D-Bericht 360
Arbeitsplatz 362
510(k) 78
Arbeitsumgebung 11
Archivierung 18
A Archivierungsfristen 363
Assemblierung 514
Abschätzung 152
Audit 310
Abweichungen 338, 346, 371, 433
– beim Hersteller 85
– geplante 374
For personal use only.
– des Qualitätsmanagementsystems
Abweichungsmanagement 363
490, 495
Abweichungsmeldung 361, 368
Audit Trail 308
Active Implantable Medical Devices
Aufbereitungsanweisung 459
(AIMD) 442
Aufbewahrung 18
adverse events; AE 229
Auftretenswahrscheinlichkeit 26, 282,
Agência Nacional de Vigilância Sanitária
432
(ANVISA) 472
Aufzeichnungen 18, 300, 307, 352, 360,
Agilität 161, 499
363, 366, 368, 369, 372, 376, 408
Akzeptanzkriterien 326, 355, 366
Ausfallstrategie 296
Alarmgrenzen 363
Allgemeine Sicherheits- und Leistungs
anforderungen 22 B
Alterung 186
Baseline-Audit 466
Analysenzertifikat 408
batch records 19
Änderungen 19, 103, 115, 292, 294, 302,
Behördeninspektion 124, 395, 424
340, 342, 414, 419, 437
Beinahe-Vorkommnis 461
Änderungsdienst 294
Bekleidungsvorschriften 11
Änderungsdienstverfahren 258, 296
Benannte Stelle 4, 14, 74, 366, 396,
Änderungsmanagement 136
438, 481, 511
Änderungswesen 15, 324, 408
– Anforderungen an 482
Anforderungen 108, 128, 353
– Definition 481
– an Arbeitsplatz 362
– Konformitätsbewertungsverfahren
– an Mess-/Prüfmittel 375, 377
489
– technische 185
548 18 Index
Benutzbarkeit 153 D
Beobachtungen 468
Daten
Betreiber 458
– Analyse 212
Betreiberanforderungen 261, 307
– Beurteilung 210
Bevollmächtigter 443
– Generierung 209
Bewertung
– Identifizierung 209
– klinische 70, 201, 455
– klinische 205
– vorklinischer Aspekte 492
Datenschutz 168, 172, 174, 176
Bewertungsbericht, klinischer 217
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
Bewertungsplan, klinischer 207
168
Bezugsnormal 378
Design 523
Biokompatibilität 188
Design Control 99, 467
Black Box 170
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Entwicklungsphasen 99
Gefährdungslage 1
Entwicklungsprojekt 97, 99, 118, 137
Gefährdungssituation 26
Entwicklungsprozess 261
Global Harmonization Task Force (GHTF)
Erfahrung, klinische 71
318
Erfolgswahrscheinlichkeit 500
GMP Agreement 356
Erster Fehlerfall 193
Good Engineering Practice (GEP) 257
Essential Requirements 117
Good Manufacturing Practice (GMP)
Establishment Registration 80
257, 259
For personal use only.
Inspektion 90, 295, 398, 447 Klassifizierung 59, 77, 82, 85, 89, 305,
– anlassbezogene 450 311, 453
– durch Behörde 124, 395, 424 Kompatibilität 153
Inspektionsschwerpunkte 453 Kompetenzaufbau 503
Installation 275, 310, 392 Konformitätsbestätigung 408
Installation Qualification 324 Konformitätsbewertungsverfahren 70,
Installationsqualifizierung 274 486, 510
Instandhaltung 376 – Beanstandungen 495
– risikobasierte 296 Konformitätserklärung 55, 74, 441
– vorbeugende 295 Konformitätszertifikat 414
Instandhaltungsstrategie Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
– präventive zeitgesteuerte 296 (KVP) 8, 105, 123, 339
– präventive zustandsorientierte 296 Korrekturen 19, 360, 366, 367, 393,
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Produktionsumgebung 342
Produktlebenszyklus 165
R
Produktmodifikation 523
Produktprüfung 491 Räumlichkeiten 362
– Beanstandungen 496 Re-Evaluierung 365
Produktrisiko 404 Registrierung 74
Project Backlog 162 Regulatory Affairs 525
Projektrisiko 130 Reinigungsvalidierung 264
For personal use only.
Schulung 138, 295, 326, 336, 361, 458 SOUP 152, 160
Schweizerisches Heilmittelinstitut Sperrlager 355, 360, 391
(Swissmedic) 447 Stand der Technik 182
Schweregrad 26 Start-up 499
Scope, regulatorischer 501 Statistik
Scoping 207 – Grundlagen 359
Scrum 162, 163 – Methoden 322, 392
Security 166 Stichproben 365
For personal use only.
U Vier-Augen-Prinzip 380
Vigilance Reporting 86, 90
Übergangsfrist 442
Vigilanz 14, 429, 433, 460
Überwachung durch Behörden/
V-Modell 105, 111, 174
Benannte Stellen 75
Vorbeugemaßnahmen 9, 341
UDI Device Identifier (UDI-DI) 388
Vorgabedokument 15
UDI Production Identifier (UDI-PI) 388
Vorkommnis 460
Umgebungsbedingungen 363
Unique Device Identification 14
Unique Device Identifier (UDI) 388 W
United States agent 81
Wareneingang 353, 397
United States Food and Drug
Wareneingangskontrolle (WEK) 12, 275,
Administration (FDA) 472
354, 355, 371
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Units 148
Warngrenzen 363
Unverzüglichkeit 462
Warning Letter (WL) 14, 99, 395, 401,
Ursachenanalyse 374, 435
469
Usability 461
Wartbarkeit 154
User Requirement Specification (URS)
Wartung 295
261, 279
Wasserfallmodell 105
US-Marktzugang 76
Weiterverwendung 373, 374
Well Established Technologies of low risk,
For personal use only.
V WET 213
Wellnessprodukt 501
Validierung 144, 152, 153, 169, 176, 264
Werkstoffe 187
Validierungsansatz 330
White Box 170
Validierungsbericht 336
Wiederaufbereitung 458
Validierungsfamilien 331
Wiederholbarkeit 143, 169
Validierungsplan 325, 333
Validierungsstrategie 332
Verbesserungsmaßnahmen 436 Z
Verbesserung, ständige 9
Zeit 505
Verfahrensanforderungen 485
Zertifikat 291, 356
Verfügbarkeit 164
Zertifizierung 5, 413
Verifizierung 133, 144, 154, 156, 157, 169,
Zuverlässigkeit 143, 154, 169
266, 328
Zweckbestimmung 501
Verpackung 387
– festgelegte 55
Vertraulichkeit 164
Verwechslungen 365
19 Die Autoren
Seit 2016 ist er als leitender Auditor und Fachexperte – insbesondere im Bereich
aktive Produkte, Instrumente und Sterilisation – bei der Benannten Stelle mdc –
medical device certification GmbH tätig und hat 2020 die Leitung der Benannten
Stelle übernommen.
Daneben hält er Vorträge zum Thema Qualitätsmanagement, Einstufung und Klas-
sifizierung von Medizinprodukten, Zulassungsverfahren für Medizinprodukte,
Risikomanagement bzw. Aufbereitung von Medizinprodukten. Auch war er für
10 Jahre an der FH Oberösterreich als Universitätslektor im Bereich Regulatory
Affairs im Master-Studiengang „Medical Engineering“ tätig.
bare Risiken und qualitätsgesichert zur Heilung oder Linderung der Krankheit zu
verhelfen. Herr Schröttner ist auch seit über 20 Jahren im Bereich der Medizinpro-
duktezulassung an der staatlich akkreditierten Prüf- und Zertifizierstelle für Medi-
zinprodukte (kurz PMG) tätig. Er ist QM/GMP-Experte für Medizinprodukte Ent-
wicklung und Herstellung und Lead-Auditor für Qualitätsmanagementsysteme
nach EN ISO 13485 und 9001.
For personal use only.
Die Autoren
Dr. Johann Harer war über 25 Jahre in der Diagnostikindustrie tätig und ist
Geschäftsführer des Human.technology Styria Clusters.
Prof. Dr. Christian Baumgartner ist Professor und Vorstand des Institutes Institut
für Health Care Engineering mit Europaprüfstelle für Medizinprodukte.
9 783446 468818