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Prof. Dr.

Friedhelm Reichert Fachbereich I

Arbeitsblatt: Rücktritt vom Kaufvertrag

Händler Hugo (H) verkauft an Karsten (K) ein neues Trekkingbike der Marke „Sommerschwalbe“ zum
Preis von 1.800 €. Nachdem K mit dem Fahrrad fünf Monate lang gefahren ist, stellt er fest, dass das
Unterrohr gebrochen ist. Hugo gibt sich nach dem Besuch von K zerknirscht und sichert ihm zu, ihm
innerhalb von einer Woche einen neuen Rahmen zu liefern. Als K das Fahrrad mit dem brandneuen
Rahmen in der darauffolgenden Woche näher in Augenschein nimmt, fällt ihm auf, dass die
Lackierung an einigen Stellen abblättert. Seine technikbegeisterte Freundin stellt fest, dass die
Lackierung offenbar entgegen DIN EN 971 – 1:1996-09 ohne Grundanstrich erfolgt ist. Zudem weisen
die Felgen, weil sie bei dem Transport offenbar einen Schlag abbekommen haben, eine „Acht“ auf.

Karsten hat jetzt die Nase voll und will jetzt sofort sein Geld zurück, zumal er zwischenzeitlich den
Spaß am Fahrradfahren verloren hat und das Geld lieber in eine gebrauchte Vespa investieren
möchte.

Wie ist die Rechtslage?

Abwandlung: Bei der Nachlieferung ist die Lackierung ordnungsgemäß. Hugo weigert sich, die Reifen
zu zentrieren, er habe „an der Möhre ohnehin nix verdient“. Die Kosten der Reifenzentrierung (Dauer
5 Minuten) liegen bei ca. 10 €. K würde aus den obigen Gründen (Hobbyaufgabe) am liebsten Geld
haben. Wie ist die Rechtslage?

Bitte begründen Sie Ihr Ergebnis ausführlich in gutachterlicher Form unter Heranziehung der
einschlägigen Normen!

Arbeitsform: Gruppenarbeit

Arbeitszeit: ca. 10 Minuten


Prof. Dr. Friedhelm Reichert Fachbereich I

Anspruchsgrundlage für Ansprüche auf Rücktritt bei behebbaren Mängeln sind die § § 437 Nr. 2 i. V.
m. §§ 440, 323 BGB .

1. Notwendig für einen Anspruch nach den § § 437 Nr. 2 i. V. m. §§ 440, 323 BGB ist zunächst
ein Kaufvertrag. Ein solcher wurde hier nach dem Sachverhalt zwischen K und V
geschlossen.
2. Für einen Rücktrittsanspruch nach den obigen Vorschriften müsste außerdem ein Sach- oder
Rechtsmangel im Sinne der §§ 437, 434 BGB vorliegen. Im vorliegenden Fall kommt nur ein
Sachmangel in Betracht. In § 434 BGB sind 7 verschiedene Fallgruppen aufgeführt. Im
Hinblick auf die konkrete Beschaffenheit der Sache haben die Parteien keine Vereinbarung
getroffen, so dass ein Sachmangel im Sinne der 1. Alt. Nicht vorliegt. Im vorliegenden Fall
dürfte es aber an der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendungseignung (§ 433 Abs. 1
S. 2 Nr. 1 BGB) fehlen, da beiden Parteien den Zweck des Kleides kannten, ein Abendkleid mit
offenen Nähten aber zu seinem vorgesehenen Zweck gerade nicht verwendet werden kann.
Ein Sachmangel liegt damit offensichtlich vor.
3. Der Mangel müsste ferner erheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB.

[Anmerkung: Diese Prüfungsvoraussetzung wird leicht übersehen, da sie etwas „versteckt“ in § 323
Abs. 5 S. 2 BGB auftaucht. Aus der vorgenannten Norm ergibt sich, dass bei unerheblichen Mängeln
ein Rücktritt gerade nicht möglich sein soll. In diesem Fall kommen nur die „normalen“
Gewährleistungsrechte Nachterfüllung/Nachbesserung in Betracht; werden diese – wie hier –
abgelehnt – kann der Käufer nur nach §§ 437, 441 BGB mindern.]

Im vorliegenden Fall ist der Mangel nach dem Sachverhalt erheblich, da einerseits die Kosten
des V für die Nachbesserung geringfügig sind und andererseits das Kleid für die K nicht
tragbar, m. a. W. völlig unbrauchbar ist.

[Anmerkung: Im Rahmen der Erheblichkeit findet eine Interessenabwägung statt, bei dem
insbesondere der Aufwand der Mangelbeseitigung mit den Beeinträchtigungen aufgrund des Mangels
verglichen werden.]

4. Schließlich muss der Käufer entsprechend § 323 Abs. 1 grundsätzlich eine angemessene Frist
zur Nacherfüllung gesetzt haben bzw. den Ablauf dieser Frist abgewartet haben. Der Ablauf
einer solchen Frist ist aber aus Sachverhalt nicht erkennbar.

Dies gilt aber nicht ausnahmslos. In nach § 323 Abs. 2 BGB sind vielmehr eine Reihe von
Ausnahmen bestimmt (Leistungsverweigerung/Fixgeschäft/besondere Umstände). Auch §
440BGB stellt Ausnahmen zu der o. a. Regel der erfolglosen Fristsetzung vor Rücktritt auf
(Verweigerung/Fehlschlagen/ Unzumutbarkeit der Nacherfüllung). Im vorliegenden Fall komm
insbesondere die Verweigerung beider Arten der Nacherfüllung nach § 440 S. 1 1. Alt. BGB in
Betracht, da V sowohl die Nachbesserung als auch die Nachlieferung verweigert.

Im Ergebnis sind damit alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, so dass K vom Kaufvertrag


zurücktreten kann.

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