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Wolfgang Burr

Michael Stephan Hrsg.

Technologie,
Strategie und
Organisation
Technologie, Strategie und Organisation
Wolfgang Burr · Michael Stephan
(Hrsg.)

Technologie,
Strategie und
Organisation
Herausgeber
Wolfgang Burr Michael Stephan
Stuttgart, Deutschland Marburg, Deutschland

ISBN 978-3-658-16041-8 ISBN 978-3-658-16042-5  (eBook)


DOI 10.1007/978-3-658-16042-5
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Festschrift zum 65. Geburtstag
von
Alexander Gerybadze
Vorwort

Die Autoren und Herausgeber widmen diese Festschrift „Technologie, Stra-


tegie und Organisation“ Alexander Gerybadze zu seinem 65. Geburtstag.
Mit dieser Festschrift soll die bisherige wissenschaftliche Lebensleistung
und das akademische Werk von Alexander Gerybadze gewürdigt werden.
Neben der Anerkennung der wissenschaftlichen Leistung drücken Fest-
schriften aber immer auch ein persönliches Element, die Verbundenheit zu
und Dankbarkeit gegenüber dem Jubilar aus. Durch einen Beitrag zu einer
Festschrift betont jeder Autor, dass er den zu ehrenden Kollegen aus ge-
meinsamer Zusammenarbeit in der Vergangenheit und Gegenwart kennt und
wertschätzt. Alle beteiligten Autoren und natürlich auch die Herausgeber
dieser Festschrift kennen und schätzen Alexander Gerybadze als wissen-
schaftlichen Kollegen, teilweise auch als Kollegen aus der Privatwirtschaft.
Manche Autoren und Herausgeber haben den Jubilar zudem im akademi-
schen Betreuungsverhältnis als Doktorvater oder Habilitationsbetreuer zu
schätzen gelernt.

Neben dem Ausdruck der akademischen und persönlichen Wertschätzung


erfüllen Festschriften wie diese aber eine weitere wichtige Funktion: In
Zeiten hohen Publikationsdrucks und der allgegenwärtigen Fokussierung auf
A-Journals und internationale Publikationen ist der Beitrag für eine Fest-
schrift auch eine willkommene Abwechslung für die einzelne Forscherin,
weil Beiträge für Festschriften oft mehr thematische und methodische Frei-
heitsgrade und mehr Raum für Kreativität und Spontanität bieten als Beiträ-
ge in peer reviewed Journals.

Zum Gelingen der vorliegenden Festschrift haben viele Akteure beigetragen.


Zuerst sind hier die Autoren und Autorinnen der Einzelbeiträge zu nennen,
die trotz vielfältiger beruflicher Verpflichtungen sich die Zeit für die Erstel-
lung eines Beitrags genommen haben. Besonderen Dank schulden wir als
Herausgeber unseren Verwaltungsangestellten in Stuttgart und Marburg,
Frau Gabriela Börcsök, Frau Christel Dehlinger und Frau Claudia Schneider,
die uns bei der Vorbereitung, Planung und Organisation des Projektes sowie
bei der Zusammenstellung und Formatierung des Buches wertvolle Hilfe
geleistet haben. Unserer Lektorin Frau Susanne Göbel vom Gabler Verlag
sind wir für die sehr effiziente und erfreuliche Zusammenarbeit ebenfalls zu
großem Dank verpflichtet. Der Péter Horváth Stiftung danken wir ganz be-
VIII Vorwort

sonders für ihre großzügige Spende, die es ermöglichte, einen Teil der Kos-
ten der Bucherstellung abzudecken. Wir als Herausgeber sind den Autoren
der Einzelbeiträge und den vielen anderen Unterstützern für ihre kreativen
Ideen und ihre wertvollen Beiträge zum Gelingen des Gesamtwerkes beson-
ders dankbar. Das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit ist eine Festschrift,
die viele Themen aufgreift, mit denen sich Alexander Gerybadze in seinem
Forschungsleben bisher beschäftigt hat und weiterhin beschäftigen wird.
Seine ihm freundschaftlich verbundenen Schüler und Fachkollegen wün-
schen Alexander Gerybadze noch viele produktive und kreative Jahre und
freuen sich auf den weiteren Gedankenaustausch und Zusammenarbeit mit
ihm.

Prof. Dr. Wolfgang Burr und Prof. Dr. Michael Stephan

Stuttgart und Marburg 2016


Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................ VII

Wolfgang Burr und Michael Stephan


Leben und Werk von Alexander Gerybadze ..................................... 1

A. Theoretische und fachhistorische Grundlagen der


Innovationsforschung .................................................................... 5

Oskar Grün
Entwicklung und Stand der deutschsprachigen
betriebswirtschaftlichen Innovationsforschung ................................ 7

I. Vorbemerkungen .......................................................................... 7
II. Von der Deskription zum Management von Innovationen ............ 8
III. Von der intraorganisationalen zur interorganisationalen
Innovation (Open Innovation) ...................................................... 10
IV. Von der singulären Innovation zur Innovationslandschaft ............ 14
V. Vom Innovations-Hero zum Innovations-System ......................... 15
VI. Vom Innovationsenthusiasmus zur Balance zwischen Routine und
Innovation (Ambidextrie) ............................................................. 17
VII. Von der Nische zum Mainstream ................................................. 20
1. Die Ausbreitung der Innovationsforschung innerhalb der
Betriebswirtschaftslehre .......................................................... 20
2. Die Community der InnovationsforscherInnen ........................ 22
3. Der Stand der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen
Innovationsforschung im internationalen Vergleich ................ 23
Literatur ............................................................................................... 25
X Inhaltsverzeichnis

Michael Stephan
Evolution, Innovation und Wettbewerb: Beiträge von Alexander
Gerybadze zur Entwicklung einer evolutorischen Theorie der
Unternehmung .................................................................................... 31

I. Das wissenschaftliche Oeuvre von Alexander Gerybadze ............ 31


II. Definition und Abgrenzung der evolutorischen Theorie
der Unternehmung von orthodoxen Perspektiven ......................... 33
1. Orthodoxe versus evolutorische Theorien der Unternehmung . 33
2. Evolutorische Ökonomik als paradigmatische Grundlage
für eine einzelwirtschaftliche evolutorische Theorie der
Unternehmung ........................................................................ 37
3. Anforderungen an eine evolutorische Theorie der
Unternehmung ........................................................................ 41
III. Evolutorische Theorie der Innovation und die Rolle der
Unternehmung: Beiträge der Dissertationsschrift ......................... 44
1. Die evolutorische Theorie von Nelson und Winter als
Grundlage der Dissertationsschrift .......................................... 44
2. Überblick über die Dissertationsschrift von
Alexander Gerybadze .............................................................. 47
3. Kritik und Weiterentwicklung des Modells von Nelson
und Winter .............................................................................. 49
4. Fazit: Beiträge der Dissertation zur evolutorischen Theorie
der Unternehmung .................................................................. 52
IV. Kapitaltheoretisch-institutionelle Fundierung der evolutorischen
Theorie: Beiträge der Habilitationsschrift .................................... 54
1. Definition der Kooperation und Ausgangsüberlegungen ......... 54
2. Dynamischer kapitaltheoretischer Kern der Theorie................ 56
3. Kapitaltheoretische Begründung der Kooperation ................... 57
4. Fazit: Beiträge der Habilitationsschrift zur evolutorischen
Theorie der Unternehmung ..................................................... 59
Inhaltsverzeichnis XI

V. Synthese: Zusammenfassung der Erklärungsbausteine von


Gerybadze zu einer evolutorischen Theorie der Unternehmung .... 60
Literatur ............................................................................................... 62

Jörg Freiling und Thomas Baron


A Resource-based View of Entrepreneurial Ecosystems .................. 65

I. Introduction.................................................................................. 65
II. Resource-based Theory and Entrepreneurial Ecosystems ............. 66
III. Austrian Capital Theory and Capitals of Entrepreneurial
Ecosystems .................................................................................. 69
IV. Architects of the Capital Structure of Entrepreneurial
Ecosystem .................................................................................... 72
V. Capital Goods of (Thriving) Entrepreneurial Ecosystems ............. 73
VI. A Capital Model of Entrepreneurial Ecosystems .......................... 73
VII. Complex Capital Structure of Entrepreneurial Ecosystems ........... 77
VIII. Conclusion & Outlook ................................................................. 79
References ............................................................................................ 80

B. Innovation: Strategie und Organisation ........................................ 85

Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir


Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie –
Das Beispiel der Automotive Branche ............................................... 87

I. Digitalisierung als Treiber des gegenwärtigen technisch-


ökonomischen Paradigmenwechsels ............................................. 88
1. Digitalisierung – ein erklärungswürdiger Begriff .................... 88
a) Transformation von Atomen zu Bits (Digitization) ............ 88
b) Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft
(Digitalization) .................................................................. 89
XII Inhaltsverzeichnis

2. Technologische Revolutionen und Digitalisierung .................. 89


3. Ökonomische Wirkungsprinzipien der Digitalisierung ............ 91
II. Digitalisierung am Beispiel der Automotive Branche ................... 94
1. Mobilität als Ökosystem ......................................................... 96
2. Das Auto als Plattform ............................................................ 98
3. Veränderung von Geschäftsmodellen ...................................... 101
III. Fazit ............................................................................................. 107
Literatur ............................................................................................... 108

Péter Horváth
Geschäftsmodellinnovationen durch Digitalisierung –
Neue Herausforderungen an den Controller ..................................... 113

I. Digitalisierung: Auch der Controller ist gefordert ........................ 113


II. Innovationsdruck auf Geschäftsmodelle durch Digitalisierung ..... 114
1. Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand ...................................... 114
2. Geschäftsmodellinnovationen durch Internet der Dinge .......... 117
III. Der Controller im Prozess der Geschäftsmodellinnovation ........... 120
1. Ganzheitliches Innovationsmanagement erforderlich .............. 120
2. Rolle des Innovationscontrollings ........................................... 122
3. Erweiterung der Controllerkompetenz notwendig ................... 123
IV. Der Controller weiter „Single Source of Truth“? .......................... 123
Literatur ............................................................................................... 124

Bernd H. Kortschak
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG ........................................ 127

I. Einleitung..................................................................................... 127
1. Problemstellung ...................................................................... 127
2. Zielsetzung des Beitrages........................................................ 128
II. Innovationen unter veränderten Rahmenbedingungen .................. 128
1. Innovationen aus wirtschaftlicher Perspektive ........................ 128
Inhaltsverzeichnis XIII

2. Die Vollendung des Binnenmarktes und die


nationalstaatliche Deregulierung ............................................. 130
III. Innovationstreiber ........................................................................ 134
1. Das Streben nach kürzeren Reisezeiten im
Hochgeschwindigkeitsreiseverkehr ......................................... 134
2. Das Streben nach höherer Auslastung im Güterverkehr .......... 137
a) Die automatische Mittelpufferkupplung ........................... 137
b) Forschungsprogramme ..................................................... 141
IV. Welche Innovationen hat die Deutsche Bahn AG nun konkret
seit 1994 umgesetzt? .................................................................... 144
V. Zusammenfassung und Ausblick .................................................. 145
Literatur ............................................................................................... 149

Wolfgang Burr, Christopher Sauerhoff und Johann Valentowitsch


Der moderierende Einfluss des Managementteams auf das
Innovationsverhalten großer Familienunternehmen – eine
explorative Analyse............................................................................. 153

I. Einleitung..................................................................................... 153
II. Explorative Analyse ..................................................................... 154
1. Zielsetzung ............................................................................. 154
2. Stichprobe ............................................................................... 156
3. Operationalisierung ................................................................. 159
4. Ergebnisdiskussion ................................................................ 160
III. Limitationen ................................................................................. 164
IV. Forschungsausblick ...................................................................... 164
Literatur ............................................................................................... 165
Anhang ................................................................................................. 169
XIV Inhaltsverzeichnis

Uschi Backes-Gellner
Die Rolle der dualen Berufsausbildung für das
Innovationssystem in Deutschland ..................................................... 171

I. Die Zusammenarbeit von dual ausgebildeten Fachkräften und


Hochschulabsolventen als Grundlage des deutschen
Innovationsmodells ...................................................................... 171
II. Stärken der dualen Berufsausbildung ........................................... 174
III. Aktuelle Herausforderungen der dualen Berufsausbildung ........... 176
IV. Schlussfolgerungen ...................................................................... 178
Literatur ............................................................................................... 180

Tom Sommerlatte
Vertrauensbasierte Führung als Grundlage nachhaltiger
Innovationsleistung und organisationaler Flexibilität ...................... 183

I. Spurenanalyse: Wie entwickelten sich Innovationsberatung und


Innovationsmanagement? ............................................................. 183
II. Wendepunkt: Eine neue Dimension des Wandels ......................... 187
III. Die neue Innovationsherausforderung heute: Vertrauen ............... 188
IV. Gestaltung eines vertrauensbasierten Innovationsklimas .............. 189
Literatur ............................................................................................... 191

Erich Zahn
Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution
von Unternehmen und Umwelt .......................................................... 193

I. Einführung ................................................................................... 193


II. Zur strategischen Unternehmensführung aus einer
dynamischen Perspektive ............................................................ 193
1. Wettbewerbsdynamik und Wettbewerbsvorteile ...................... 193
2. Strategie – ein dynamisches Konstrukt ................................... 196
Inhaltsverzeichnis XV

III. Exploitation und Exploration ....................................................... 197


1. Wesensmerkmale .................................................................... 198
2. Strategische Balance ............................................................... 200
3. Mechanismen zur Anpassung der strategischen Balance ......... 201
a) Dynamic Organizational Capabilities ............................... 202
b) Dynamic Managerial Capabilities..................................... 205
IV. Ausblick ....................................................................................... 207
Literatur ............................................................................................... 210

C. Innovation und internationale Unternehmenstätigkeit .................. 217

Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari und Stephan Buse


Innovating for Emerging Markets? An Assessment of
German Hidden Champions’ Strategies ............................................ 219

I. Introduction.................................................................................. 219
II. Research Objective ...................................................................... 222
III. Research Design ........................................................................... 224
IV. Findings ....................................................................................... 224
V. Surveyed Firms’ Activities in the BRIC Countries ....................... 225
VI. Targeted Market Segments in China and India ............................. 227
VII. Product development strategies in China and India ...................... 229
VIII. Composition of company product portfolios in China .................. 230
IX. Composition of company product portfolios in India ................... 230
X. Role of China and India in Product Development ......................... 231
XI. Discussion & Managerial Implications ......................................... 233
Note ...................................................................................................... 236
References ............................................................................................ 236
XVI Inhaltsverzeichnis

Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann


Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und
sektorübergreifende Partnerschaften ................................................ 239

I. Bedeutung von Nachhaltigkeitsinnovationen für die deutsche


Wirtschaft .................................................................................... 239
II. Hindernisse auf dem Weg von der Invention zur Innovation ........ 240
III. Potenziale länder- und sektorübergreifender Partnerschaften mit
Unternehmungen und Organisationen in Emerging Markets ......... 242
IV. Länder- und sektorübergreifende Nachhaltigkeitsinnovationen
an der Schnittstelle von Innovationsmanagement, Internationalem
Management und Nachhaltigkeitsmanagement ............................. 245
V. Wertschöpfung durch Hybridisierung in länder- und
sektorübergreifenden Partnerschaften: ein interdisziplinäres
Forschungsprogramm .................................................................. 250
1. Betrachtung der Unternehmung aus multiplen Logiken .......... 251
2. Hybridisierungsmanagement als Interaktionsmanagement
heterogener Akteure ................................................................ 252
3. Hybridisierung nicht (nur) als Restriktion, sondern als
Treiber für Wertschöpfung ...................................................... 253
VI. Zusammenfassung und Fazit ........................................................ 254
Danksagung .......................................................................................... 255
Literatur ............................................................................................... 256

Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber


Institutional Voids als Herausforderung internationaler
Unternehmenstätigkeit in Entwicklungs- und Schwellenländern .... 261

I. Zunehmende Bedeutung von Entwicklungs- und Schwellenländern


für MNEs ..................................................................................... 261
II. Westliche Unternehmen in der Dilemmafalle von Institutional
Voids und informellen Geschäftspraktiken ................................... 264
Inhaltsverzeichnis XVII

1. Definitorisch-theoretischer Rahmen eines Zugangs zu


Institutional Voids ................................................................ 264
2. Zur realwirtschaftlichen Problematik informeller
Geschäftspraktiken ............................................................... 265
3. Mögliche Konsequenz der Existenz informeller
Geschäftspraktiken für FDI und Export ................................. 269
III. Empirische Untersuchung FDI- und exportbezogener
Verhaltensmuster in Entwicklungs- und Schwellenländern .......... 270
IV. „Trading Favors“ als Mittel gegen Institutional Voids ................. 276
V. Fazit ............................................................................................. 279
Literatur ............................................................................................... 281
Anhang ................................................................................................. 284

Stefan Schmid und Frederic Altfeld


Airbus - Managing the legacy of a complex international merger ... 287

I. Airbus’ starting years ................................................................... 288


1. Airbus’ foundation as Europe’s response to US dominance
in the aviation industry ........................................................... 288
2. Specific characteristics of the aviation industry ...................... 289
II. The merger: Airbus as part of EADS ............................................ 290
1. The foundation of EADS ........................................................ 290
2. EADS’ top management structure ........................................... 292
3. Airbus’ configuration of production activities ......................... 294
III. The crisis and Airbus’ response.................................................... 296
1. Airbus in crisis ........................................................................ 296
2. Reshaping the top management structure ................................ 297
3. Streamlining production activities........................................... 299
IV. The future of Airbus: Expanding the global footprint? ................. 301
References ............................................................................................ 305
XVIII Inhaltsverzeichnis

D. Interdisziplinäre Bezüge der Innovationsforschung ...................... 309

Reinhold Bauer
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand technikhistorischer
Forschung ............................................................................................ 311

I. Definition des Untersuchungsgegenstandes .................................. 314


II. Das Bildtelefonsystem „Picturephone“ ......................................... 317
III. Der Mikrowellenherd „Radarange“ .............................................. 320
IV. Fazit ............................................................................................. 323
Literatur ............................................................................................... 328

Andreas Pyka und Tobias Buchmann


Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie................... 333

I. Einleitung: Die Transformation von Produktionssystemen als


evolutionärer Prozess ................................................................... 333
II. Grenzen des Wachstums? ............................................................. 335
III. Wissen, Innovation und Technologie ........................................... 341
IV. Soziologie des Wandels................................................................ 344
V. Ökonomie .................................................................................... 348
VI. Beispiel – werkstoffbasierte Bioökonomie ................................... 354
VII. Schlussbetrachtungen ................................................................... 356
Literatur ............................................................................................... 357

Harald Hagemann
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra ... 363

I. Einleitung..................................................................................... 363
II. Industrie/Wirtschaft 4.0. Impulse für Wachstum, Beschäftigung
und Innovation ............................................................................. 367
Inhaltsverzeichnis XIX

1. Werden durch die Einführung neuer Technologien


gesamtwirtschaftlich mehr Arbeitsplätze geschaffen
oder vernichtet? ...................................................................... 370
2. Inwieweit weicht die Qualifikationsstruktur der neu
geschaffenen Arbeitsplätze von denjenigen der vernichteten
alten Arbeitsplätze ab? ........................................................... 370
3. Welche Wirkungen hat die Einführung neuer Technologien
auf die Reallöhne und die Einkommens- und
Vermögensverteilung? ............................................................ 374
III. Mikroelektronik und Beschäftigung – Zum Pro und Contra einer
neuen Technologie aus beschäftigungstheoretischer Sicht ............ 375
IV. Schlussbetrachtungen ................................................................... 382
Literatur ............................................................................................... 384

Engelbert Westkämper
Diffusion der Informations- und Kommunikationstechnik in die
industrielle Produktion ...................................................................... 389

I. Einführung ................................................................................... 389


II. Die 3. Industrielle Revolution ...................................................... 390
III. Die Phase des Überganges von der rechnergeführten Produktion
(CIM) zum Cyber-Physischen System Produktion ....................... 394
IV. Die 4. Industrielle Revolution ...................................................... 396
V. Ausblick auf die Produktion der Zukunft .................................... 398
VI. Zusammenfassung ........................................................................ 401
Literatur ............................................................................................... 401

Autorenverzeichnis ............................................................................... 403


Schriftenverzeichnis Alexander Gerybadze .......................................... 407
Leben und Werk von Alexander Gerybadze

Wolfgang Burr und Michael Stephan

Alexander Gerybadze hat am 28.06.2016 seinen 65. Geburtstag gefeiert. In


diesem Jahr 2016 gibt es noch ein zweites Jubiläum für ihn zu feiern:
Alexander Gerybadze ist nun seit fünfundzwanzig Jahren Hochschullehrer!
Als Hochschullehrer und Wissenschaftler hat er die Entwicklung der öko-
nomischen und betriebswirtschaftlichen Innovationsforschung maßgeblich
mitgeprägt und auch im Internationalen Management wichtige Beiträge
geleistet. Seine wissenschaftliche Laufbahn führte Alexander Gerybadze
über verschiedene Stationen im In- und Ausland.
Alexander Gerybadze hat von 1972 bis 1977 an der Universität Heidelberg
Mathematik und Wirtschaftswissenschaften studiert. Von 1977 bis 1979 war
er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Malte Faber am Alfred-
Weber-Institut für Sozial- und Staatswissenschaften der Wirtschaftswissen-
schaftlichen Fakultät der Universität Heidelberg. In den Jahren 1979 und
1980 war Alexander Gerybadze Research Fellow an der Stanford University.
Im Jahr 1980 schloss er an der Universität Heidelberg bei Malte Faber auch
seine Promotion zum Thema „Evolutorische Modelle der Innovation“ ab.
Die Doktorarbeit wurde 1982 unter dem Titel „Innovation, Wettbewerb und
Evolution“ im J.C.B. Mohr-Verlag veröffentlicht. Im Kern hat Alexander
Gerybadze in seinem Frühwerk die evolutorische Ökonomik mit der Innova-
tionsforschung verbunden.
Nach dem Abschluss seiner Promotion hat Alexander Gerybadze zunächst
den Weg in die wissenschaftlich orientierte Beratung und Unternehmenspra-
xis eingeschlagen. Von 1981 bis 1984 hat er am VDI-Technologiezentrum in
Berlin im Themenfeld der Forschungs- und Innovationspolitik gearbeitet. Im
Zeitraum 1984 bis 1990 arbeitete er für Managementberatung Arthur D.
Little International (ADL) als Strategieberater. Ab 1987 baute er dort als
Partner und Mitglied des Europäischen Direktoriums von ADL den Bera-
tungsschwerpunkt für Technologie- und Innovationsmanagement aus.
Parallel zu seiner Tätigkeit bei Arthur D. Little International hat sich Ale-
xander Gerybadze Ende der 1980er Jahre wieder seiner wissenschaftlichen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_1
2 Wolfgang Burr und Michael Stephan

Karriere zugewandt und seine Habilitation zum Thema „Strategische Allian-


zen und Netzwerke“ verfolgt, die an der Universität Heidelberg von Prof.
Dr. Günter Liesegang betreut wurde. Die Habilitation hat er im Jahr 1991
abgeschlossen und 1994 unter dem Titel „Strategic Alliances and Process
Redesign“ bei De Gruyter veröffentlicht. Im Kern entwickelt er in seiner
Habilitationsschrift eine evolutorische Theorie der Kooperation. Waren die
früheren wissenschaftlichen Arbeiten von Alexander Gerybadze (insbeson-
dere zum Thema Innovation) noch stark volkswirtschaftlich geprägt, so
zeichnet sich in seiner Habilitation doch deutlich eine Hinwendung zur Be-
triebswirtschaftslehre ab.
Den ersten Ruf auf eine Professur erhielt Alexander Gerybadze im Jahr
1991, kurz nach Abschluss seiner Habilitation, an die Universität St. Gallen.
Zwischen 1991 und 1995 baute er dort den neuen Ausbildungsgang und
Forschungsschwerpunkt Technologiemanagement auf. Im Jahr 1996 nahm
Alexander Gerybadze den Ruf an die Universität Hohenheim auf den Lehr-
stuhl für Internationales Management an. Nach der Rufannahme baute er
dort neben dem Lehrstuhl auch die Forschungsstelle Internationales Ma-
nagement und Innovation auf. Der Universität Hohenheim blieb Alexander
Gerybadze bis heute verbunden, trotz ehrenhafter Rufe z. B. an die Universi-
tät Erfurt auf den Lehrstuhl für Innovationsökonomie. Die großen Leistun-
gen von Alexander Gerybadze insbesondere in der Innovationsforschung
spiegelten sich wieder in seiner Aufnahme im Juli 2009 in die Experten-
kommission Forschung und Innovation. In diesem sechsköpfigen Sachver-
ständigenrat, der die Deutsche Bundesregierung zu den Themen Bildung,
Forschung und Innovation berät, war er von 2009 bis 2014 Mitglied. In 2014
ist Alexander Gerybadze als Mitglied der Deutschen Akademie für Tech-
nikwissenschaften (acatech) aufgenommen worden. Acatech ist die von
Bund und Ländern geförderte nationale Akademie und Stimme der Tech-
nikwissenschaften im In- und Ausland.
Alexander Gerybadze hat bereits vor seiner Ernennung zum Professor wäh-
rend seiner Praxistätigkeit beim VDI Technologiezentrum und bei ADL
fortlaufend publiziert und seine kontinuierlich hohe Publikationstätigkeit
immer beibehalten. Sein umfangreiches Schriftenverzeichnis umfasst Artikel
in renommierten Fachzeitschriften, z. B. in Research Policy, zahlreiche Bü-
cher, Zeitschriften- und Sammelbandbeiträge. Darunter sind sehr viele inter-
nationale Publikationen.
Leben und Werk von Alexander Gerybadze 3

Alexander Gerybadze hat sich in seinem wissenschaftlichen Werk vor allem


(aber nicht nur) auf die folgenden Themenfelder konzentriert:
1. Evolutorische Ökonomik und ihre Anwendung auf Innovation und Struk-
turwandel;
2. Evolutorische Theorie der Unternehmung;
3. Geschichte der Innovationsforschung;
4. Resource and competence based view of the firm als Strategie- und
Innovationstheorie;
5. Management von Dienstleistungsinnovationen;
6. Internationales Management, vor allem Globalisierung von Forschung
und Innovation durch multinationale Unternehmen;
7. Strategische Unternehmensführung;
8. Unternehmensorganisation;
9. Diffusion neuer Technologie- und Innovationsfelder in der Praxis (z. B.
neue Werkstoffe im Turbinenbau, Rolle von Normungs- und Standardi-
sierungsgremien).
Alexander Gerybadze hat zahlreiche Promotionen an der Universität St.
Gallen und der Universität Hohenheim betreut. Seine Schüler/innen und
akademischen Enkel lehrten bzw. lehren heute an den Universitäten Bay-
reuth, Marburg, Potsdam und Stuttgart sowie an Fachhochschulen, viele
andere arbeiten in leitenden Positionen in der unternehmerischen Praxis,
z. B. bei der Deutschen Bahn, der Deutschen Telekom, in der Unterneh-
mensberatung, aber auch in der herstellenden Industrie, z. B. bei der Daim-
ler AG und bei ZF Friedrichshafen. Seine umfangreiche Forschungs- und
Praxiserfahrung verdichtete Alexander Gerybadze in seinem Lehrbuch „In-
novationsmanagement“, das 2004 bei Vahlen erschien.
Er führte zahlreiche Drittmittelprojekte durch, u. a. zusammen mit dem
BMBF und dem Fraunhofer-ISI Institut. Die Ergebnisse des genannten Ko-
operationsprojektes wurden u. a. veröffentlicht unter dem Titel „Globales
Management von Forschung und Innovation“ im Jahr 1997 im Schaeffer-
Poeschl Verlag.
Ein Wesenszug von Alexander Gerybadze war immer sein Interesse an ande-
ren Menschen, er hat sich immer darum gekümmert, dass seine Studierenden
und seine Mitarbeiter sich weiterentwickeln und neue Wege gehen. Er ist ein
fordernder Betreuer wissenschaftlicher Arbeiten, dem die Innovativität und
4 Wolfgang Burr und Michael Stephan

Qualität der von ihm betreuten Arbeiten sehr wichtig ist. Alexander Gery-
badze liegt die universitäre Lehre sehr am Herzen. Dies zeigt sich z. B. in
den innovativen Lehrformen, die er als Pionier in Deutschland sehr früh
eingeführt hat. Das Arbeiten mit Case Studies und sein regelmäßig stattfin-
dendes Projektseminar zu Innovation seien hier besonders hervorgehoben:
Alexander Gerybadze war einer der ersten in Deutschland, der im Fach Be-
triebswirtschaft das Arbeiten mit Case Studies systematisch in der universi-
tären Lehre eingesetzt hat. Besonders beliebt sind bei den Studierenden
seine sehr anspruchsvollen und arbeitsaufwändigen Projektseminare, in
denen er mit den Studierenden Probleme der Unternehmenspraxis analysiert
und gemeinsam mit Partnerunternehmen bearbeitet.
Von seinen Freunden und Kollegen wird Alexander Gerybadze vor allem
wegen seiner kreativen Ideen, seiner Beharrlichkeit bei der Durchführung
von Forschungskooperationen sowie insbesondere aufgrund der Breite sei-
ner Expertise und Interessensgebiete sehr wertgeschätzt. Insbesondere auch
seine (ehemaligen) Mitarbeiter und akademischen Schüler profitieren bis
heute von seiner Expertise und seinen kreativen Inspirationen.
Alexander Gerybadze ist ein Grenzgänger zwischen Theorie und Empirie,
zwischen Wissenschaft und Praxis. Er fühlt sich in beiden Welten zuhause
und ist immer an interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den Technikwissen-
schaften, Historikern und Volkswirten interessiert. Er wirkt mit seinen Pub-
likationen und Vorträgen in die Wissenschaft und die unternehmerische
Praxis hinein. Seine Schüler verdanken ihm viel: Inspirationen für künftige
Forschungsarbeiten, gute Gespräche, wertvolle Ratschläge und das Vorbild
eines Hochschullehrers, der Theorie und Praxis immer kreativ verbunden hat
und der Forschung stets treu geblieben ist. Wir wünschen ihm noch viele
produktive, gesunde und schöne Jahre.
A. Theoretische und fachhistorische Grundlagen
der Innovationsforschung
Entwicklung und Stand der deutschsprachigen
betriebswirtschaftlichen Innovationsforschung

Oskar Grün

Der Beitrag ist eine überarbeitete Fassung eines Vortrags, den der Autor im
Rahmen der Ringvorlesung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Fakultät aus Anlass des 350-Jahres-Jubiläums der Universität Kiel am
18. Juni 2015 gehalten hat.

I. Vorbemerkungen
Der Zeithorizont unserer Betrachtung erstreckt sich von den 60er Jahren bis
zur Gegenwart. Die 60er Jahre wurden als zeitlicher Beginn gewählt, weil
damals ein Entwicklungsschub einsetzte, den Wolfgang Burr als „erste Blü-
tezeit“ der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Innovationsforschung
charakterisiert (Burr 2014, S. 19 ff.). Für die Darstellung der Entwicklung
haben wir die Veränderungen im Forschungsgegenstand als dominantes
Gliederungskriterium gewählt, wohl wissend, dass die Auswahl der For-
schungsgegenstände subjektiv und jedenfalls nicht vollständig ist (zur Kritik
an sog. Entwicklungsphasen vgl. Brockhoff 2002, S. 387). Die folgenden
Veränderungen scheinen uns besonders markant und auch für die Innovati-
onspraxis relevant zu sein: Von der Deskription zum Management von In-
novationen (II), von der intraorganisationalen zur interorganisationalen In-
novation (III), von der singulären Innovation zur Innovationslandschaft (IV),
vom Innovations-Hero zum Innovations-System (V) und vom Innovations-
enthusiasmus zur Balance zwischen Routine und Innovation (VI). Die Rei-
henfolge in der Behandlung der Veränderungen des Forschungsgegenstandes
ist nicht als deren chronologische Abfolge zu verstehen, und die Verände-
rungen sind weder unabhängig noch überschneidungsfrei. Der Beitrag
schließt mit einem Blick auf die Ausbreitung der Innovationsforschung in-
nerhalb der Disziplin Betriebswirtschaftslehre: Von der Nische zum Main-
stream (VII).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_2
8 Oskar Grün

II. Von der Deskription zum Management von Innovationen


Unter den hier ausgewählten Entwicklungspfaden ist jener von der Deskrip-
tion zum Management sicherlich der mit dem geringsten Überraschungspo-
tential. Es liegt auf der Hand, dass sich die Betriebswirtschaftslehre, deren
Domäne das Management ist, nicht mit der Deskription von Innovationspro-
zessen begnügt. Diese immanente Gestaltungsabsicht wurde dadurch ver-
stärkt, dass eine beträchtliche Zahl von InnovationsforscherInnen fachlich
von der Organisation (als Lehre von der Gestaltung von Prozessen und
Strukturen) abstammt. Dies trifft neben anderen auch auf Eberhard Witte zu,
dem wegen der großzahligen empirischen Analyse und der Anwendung
(damals) neuartiger Erhebungs- und Auswertungsmethoden im Projekt „Co-
lumbus“ eine Pionierrolle in der deutschsprachigen Innovationsforschung
zugeschrieben wird (Burr 2014, S. 20 f.). Als Beleg für die frühe Gestal-
tungsabsicht zitieren wir Witte, der mit seinem Team innovative Entschei-
dungsprozesse untersucht hat und die These vertritt, „... dass der Entschluss
nicht nur von den probleminhaltlichen Variablen, sondern auch von der
formalen Ordnungsstruktur abhängt, in der der Entscheidungsprozess ab-
läuft“ (Witte 1968, S. 2).
Diese Gestaltungsabsicht schmälert den Stellenwert der Deskription nicht,
weil die organisatorische Gestaltung die Kenntnis des jeweils zu gestalten-
den Objekts – hier des Innovationsprozesses – voraussetzt. Folgerichtig galt
es zunächst, die inhaltliche, personelle und zeitliche Dimension von Innova-
tionsprozessen aufzudecken. Entgegen damals weitverbreiteter Vorstellun-
gen von der Entscheidung als punktueller Akt in den Köpfen souveräner
Manager („Geistesblitz“) zeigten die empirischen Befunde, dass innovative
Entscheidungsprozesse multioperational, multipersonal und multitemporal
sind – die Voraussetzungen für das Management von Innovationen waren
also gegeben. Hauschildt und Salomo (2011, S. 29) verstehen darunter die
„dispositive Gestaltung von Innovationsprozessen“ und sie stellen damit die
einzelnen Innovationsprozesse in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung.
Die Erkenntnis, dass Innovationen nicht nur gestaltet werden können, son-
dern auch der Gestaltung bedürfen, setzte sich in der deutschsprachigen
betriebswirtschaftlichen Forschung rasch durch und bereits 1993 erschien
die 1. Auflage der Monographie „Innovationsmanagement“ von Hauschildt.
Er bezeichnete sie ausdrücklich als „Lehrbuch“, was auf einen fortgeschrit-
Entwicklung der deutschsprachigen Innovationsforschung 9

tenen Reifegrad des Wissens schließen lässt, betont jedoch, dass die Gestal-
tung von Innovationsprozessen eine Aufgabe ist, „... die sich erheblich von
den traditionell betrachteten Aufgaben des Top-Managements unterscheidet“
(Hauschildt 1993 im Vorwort).
Die Reaktion der Praxis auf die Vorstellung vom „Entscheiden als organi-
sierbare Arbeit“ war gespalten. Eine positive Reaktion waren die Antwort-
und Zustimmungsquoten zum Projekt „Columbus“ (knapp 91% und 84%),
die man zumindest so interpretieren kann, dass die Fragestellung des For-
schungsprojekts „Columbus“ von der Praxis als relevant eingeschätzt wurde
(Witte 1968, S. 11 f.). Es gab jedoch auch negative Reaktionen. Ein promi-
nentes Vorstandsmitglied einer nicht minder prominenten deutschen Welt-
firma wies Ende der 60er Jahre Wittes These vom Entscheiden als organi-
sierbare Arbeit mit scharfen Worten und unter Hinweis auf die unverzicht-
bare Genialität von Top Managern zurück. Als Ende 1978 Klaus Brockhoff
gemeinsam mit Kieler Kollegen ein Universitätsinstitut zur Verbesserung
der Innovationsaktivitäten in Schleswig-Holstein vorgeschlagen hatte, stellte
eine Industrie- und Handelskammer dazu fest, dass sich aus den Ergebnissen
einer Umfrage „die Notwendigkeit der ... vorgeschlagenen Einrichtung eines
Universitäts-Instituts für Technologie- und Innovationsforschung nicht ab-
leiten lasse.“ Oder noch drastischer: „Wie man Innovationen realisiere, wis-
se die Wirtschaft auch ohne akademische Hilfe. Professoren wüssten zu
wenig aus der Praxis, um sich mit diesen Gebieten zu beschäftigen“ (Brock-
hoff 2012, S. 229).
Jürgen Hauschildt, Klaus Brockhoff und andere Pioniere haben sich nicht
entmutigen lassen. Ihr Credo lautete: „Innovationen sind machbar!“ Dies sei
am Beispiel der Promotoren, dem wohl am intensivsten untersuchten Ge-
genstand der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Innovationsfor-
schung, erläutert. Das Basiskonzept wurde im Rahmen des bereits erwähn-
ten Projekts „Columbus“ entwickelt. Demnach waren Promotoren wichtig,
um Barrieren zu überwinden: Der Fachpromotor sollte Wissensbarrieren
überwinden und der Machtpromotor Willensbarrieren. Beide Rollen, ob im
Gespann oder in Personalunion, wirken sich positiv auf die Effizienz inno-
vativer Entscheidungsprozesse aus. Sie werden allerdings nicht formell be-
auftragt, vielmehr handelt es sich um informelle Akteure, die sich aus eige-
nem Antrieb (intrinsische Motivation!) in den Innovationsprozess einschal-
ten (Witte 1973). Das Basiskonzept wurde später von Hauschildt und seinen
10 Oskar Grün

Schülern – insbesondere von Gemünden und Walter – um den Prozess- und


den Beziehungspromotor erweitert: Ersterer soll als Gesprächspartner von
Fach- und Machtpromotor innerbetriebliche administrative Barrieren über-
winden („Nicht Dürfen“), der zweitgenannte solche Barrieren, die auf Seiten
externer Partner auftreten (vgl. Hauschildt/Chakrabarti 1988; Gemünden/
Walter 1995). Neuere empirische Ergebnisse lassen vermuten, dass bei ho-
hen Innovationsgraden der sog. Champion, der mehrere Rollen in sich ver-
eint (s. u.), besser geeignet ist, während bei niedrigen Innovationsgraden das
arbeitsteilige Promotorenkonzept Vorteile aufweist (Hölzle 2014, S. 205).
Ehe wir den Entwicklungspfad zum Innovationsmanagement verlassen,
gehen wir kurz auf die Bedeutung des Projektmanagements für das Innova-
tionsmanagement ein (siehe das „Institut für Projektmanagement und Inno-
vation, IPMI“ von Martin G. Möhrle an der Universität Bremen). Das For-
menspektrum von Projekten reicht von Aufgabenstellungen, die nur gering-
fügig von Routineaufgaben abweichen, bis zu solchen mit hohem Innovati-
onsgrad, hoher Komplexität und hoher Relevanz für die Projektunternehmer.
Dementsprechend eignen sich dafür unterschiedliche Projekt-Organisations-
formen, von der Stabs-Projektorganisation bis zur Projektgesellschaft. Er-
gänzend zu diesen strukturellen Varianten bietet das Projektmanagement ein
reichhaltiges Instrumentarium zur Prozessgestaltung (Projektstrukturpläne,
Phasenschemata mit Meilensteinen, Netzpläne, Funktionendiagramme, Pro-
jektinformationssysteme und Projekthandbücher). Da Projekte definitions-
gemäß innovativ sind, lag ein Rückgriff auf dieses Konzept nahe. Das Ver-
hältnis zwischen Projektmanagement und Innovationsmanagement ist aller-
dings noch nicht abschließend geklärt.

III. Von der intraorganisationalen zur interorganisationalen


Innovation (Open Innovation)
Am Beginn der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Innovationsfor-
schung war man auf die intraorganisationale Perspektive fokussiert: Im
Forschungsprojekt „Columbus“ wurden ein singulärer, gut abgrenzbarer
innovativer Entscheidungsprozess und die jeweils innovierende Unterneh-
mung (der Innovator) untersucht. Es wurde zwar bereits in den damaligen
Hearings zur Problem-Analyse klar, dass neben Mitarbeitern der Innova-
toren insbesondere Mitarbeiter der EDV-Hersteller am Innovationsprozess
Entwicklung der deutschsprachigen Innovationsforschung 11

mitwirken. Ihnen wurde jedoch zunächst kein erfolgsrelevanter Einfluss


zugeschrieben. Man ging also davon aus, dass die jeweiligen Innovatoren
weitgehend autonom agierten („Closed Innovation“).
Das änderte sich Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre. Gemünden stellte in
seiner Publikation über Innovationsmarketing (1981) fest, dass der Innovati-
onserfolg von der Kooperation mit den Lieferanten abhängt, wobei bei nied-
rigen Innovationsgraden die Delegation an den Lieferanten vorteilhaft ist,
während der Erfolg bei hohem Innovationsgrad von einer „ausgewogenen
Arbeitsteilung“ abhängt (d. h. der Lieferant arbeitet sich in die Anwen-
dungsdomäne des Verwenders und dieser in die technologische Domäne des
Lieferanten ein). Bereits früher (1976) hat von Hippel nachgewiesen, dass
der Innovationsgrad mit zunehmender Einschaltung der Nutzer (Kunden) in
den Innovationsprozess steigt. Demnach ist die jeweilige Kooperationsstra-
tegie (mit Kunden, Lieferanten etc.) ein wichtiger Erfolgsfaktor der Innova-
tion.
Ein Blick über den Tellerrand der Innovationsforschung lehrt, dass die Zeit
reif war für diesen Wechsel von der intra- zur interorganisationalen Per-
spektive (vgl. die Jahrestagung 1994 des Verbandes der Hochschullehrer für
Betriebswirtschaft mit dem Generalthema „Die Dimensionierung des Unter-
nehmens“). Das folgende Zitat findet sich in der 1996 erschienenen Mono-
graphie zum Thema grenzenlose Unternehmung: „Die klassischen Grenzen
der Unternehmung beginnen zu verschwimmen, sich nach innen wie nach
außen zu verändern, teilweise auch aufzulösen“ (Picot et al. 1996, S. 2).
Im Jahr 2003 hat Henry Chesbrough mit seinem gleichnamigen Buch das
Schlagwort „Open Innovation“ in die Debatte eingeworfen. Es geht um die
Integration externer Partner in den Innovationsprozess, basierend auf der
Grundannahme, dass Unternehmungen nicht über alle für eine erfolgreiche
Innovation notwendigen Kompetenzen verfügen. In der weiteren Folge wird
die Open Innovation nach Maßgabe der Flussrichtung des Wissens in die
Typen „outside-in“, „inside-out“ und als deren Kombination in „coupled“
differenziert. Die Partnersuche und die vertragliche Gestaltung i. S. von
Rechtssicherheit haben sich dabei laut Herstatt/Nedon (2014) als besonders
erfolgskritisch erwiesen.
Potentielle Partner der outside-in-Variante sind insbesondere Lieferanten,
Kunden, Mitbewerber, Forschungseinrichtungen und staatliche Förderungs-
12 Oskar Grün

einrichtungen. Die Einbindung der Lieferanten in den Innovationsprozess


hat eine lange Tradition und große wirtschaftliche Bedeutung. Dementspre-
chend gelten die F&E-Kompetenz und die Innovationsfähigkeit als wichtige
Kriterien bei der Auswahl der Lieferanten. Die Automobilindustrie liefert
eine Fülle von Beispielen für die Rolle der Lieferanten als „Innovationsmo-
tor“ im Hinblick auf neue Werkstoffe, auf neue Produktionsverfahren, neue
Anlieferungsverfahren (Just in Time!) und auf neue Systeme wie seinerzeit
das ABS. Viele Produzenten erhalten ihre wichtigsten Anregungen für inno-
vative Neuerungen nicht aus der Branche (also von den Mitbewerbern),
sondern von den Zulieferanten und sie bemühen sich mit ihnen um partner-
schaftliche Beziehungen. Das gilt sowohl für Rohstofflieferanten als auch
für Teilelieferanten und für Lieferanten von Investitionsgütern (vgl. Kaluza
2014). Demnach gibt es die Open Innovation schon wesentlich länger, als es
die literarische Ersterwähnung im Jahr 2003 (s. o.) vermuten lässt.
Nicht minder bedeutsam ist die Einbindung der Kunden in den Innovations-
prozess. Lange Zeit ging man in Wissenschaft und Praxis davon aus, dass
Neuprodukte und neue Verfahren auf Ideen und Entwicklungen von Herstel-
ler-Unternehmungen zurückgehen. Ein Großteil der Methoden und Instru-
mente des Innovationsmanagements unterstellte passive Kunden, die man
nicht nach konkreten Vorschlägen für neue oder verbesserte Produkte fragen
darf. Das entspricht der sog. „Henry Ford-Haltung“, denn dem Pionier der
Massenfertigung von Autos wird immer wieder der Ausspruch zugeschrie-
ben: „If I had asked my customers what they wanted, they would have said:
faster horses“ (Franke 2014, S. 303). Demgegenüber fußt die User Innovati-
on auf der Prämisse des aktiven Kunden. Das ist ein Paradigmenwechsel.
Die ökonomische Logik, die zur Nutzerinnovation führt, ist die folgende:
Ein User hat ein dringendes Problem und dementsprechend einen hohen
potentiellen Nutzen von dessen Lösung. Gibt es diese nicht, wird er versu-
chen, sie zu entwickeln – sofern der erwartete Nutzen die Kosten der Lösung
übersteigt. User können auch Unternehmungen sein, beispielsweise Auto-
mobilhersteller, die Industrieroboter für die Zwecke ihrer Produktion wei-
terentwickeln (Grün/Franke 2014, S. 311 f.).
Das Konzept der User Innovation des Amerikaners von Hippel (1976) wurde
von der deutschsprachigen Innovationsforschung relativ rasch rezipiert und
hat in der weiteren Folge zu einer Reihe von Gemeinschaftspublikationen
geführt (vgl. u. a. Herstatt/von Hippel 1992 bzw. Franke et al. 2006). Ergeb-
Entwicklung der deutschsprachigen Innovationsforschung 13

nisse dieser Forschung sind einerseits der empirische Nachweis der Verbrei-
tung der User Innovation sowohl bei technologisch anspruchsvollen Indust-
riegütern als auch bei Konsum- und Massengütern sowie im Dienstleis-
tungsbereich; andererseits wird analysiert, durch welche Maßnahmen User
Innovation ermöglicht bzw. unterstützt werden kann, z. B. durch die Bereit-
stellung von sog. Toolkits als Design- und Entwicklungswerkzeuge für
maßgeschneiderte Lösungen (vgl. Franke/Piller 2004), durch die Einschal-
tung von Lead Usern (vgl. Herstatt/von Hippel 1992) oder durch die Bildung
von User Communities wie bei Open sowie Cloud Software. Neuerdings
spricht man von „Ecosystems“ und bezeichnet damit einen längerfristigen
Verbund von Produzenten, Lead Usern und User Community (Hienerth et al.
2013).
Unsere seitherigen Überlegungen zur interorganisationalen Innovation un-
terstellten meist dyadische Beziehungen zwischen den Akteuren. Frühe Ar-
beiten von Gemünden u. a. (1992) belegen dagegen, dass die Zusammenar-
beit von Innovatoren in kooperativ konzipierten Netzwerken ein wesentli-
cher Erfolgsfaktor ist. Voraussetzung für diesen Erfolg ist u. a. die sog.
Netzwerkkompetenz, ein Konstrukt, das Gemünden und Ritter 1997 vorge-
schlagen und später empirisch bestätigt haben. „Die Netzwerk-Fähigkeit
eines Unternehmens beschreibt die Fähigkeit zum Eingehen, Erhalten und
Nutzen von Beziehungen zu verschiedenen externen Partnern“ (Ritter et al.
2014, S. 268 und S. 271 mit Verweis auf Walter et al. 2006).
Es hat sich ein eigener Forschungszweig entwickelt, der sich mit der Mes-
sung der Netzwerk-Kompetenz beschäftigt. Angesichts der Vielzahl und
Vielfalt der Innovatoren und ihrer externen Partner ist eine nahezu beliebig
große Zahl von Netzwerkkonfigurationen denkbar, die sich hinsichtlich ihrer
Größe, ihrer Diversität, der Stärke ihrer Beziehungen und der Zentralität des
Innovators unterscheiden (vgl. dazu Fliaster 2014).
Eine Sonderform der Netzwerkkonfiguration sind die Cluster. Sie sollen
insbesondere die Innovationsfähigkeit von KMUs steigern. Auch mit dieser
Variante der Netzwerkkonfiguration hat sich die deutschsprachige Innovati-
onsforschung beschäftigt. Als Beispiel seien Jungwirth und Müller erwähnt,
die zu dem Ergebnis kommen, dass der Erfolg von Clustern von der Exis-
tenz eines externen und unabhängigen Clustermanagements abhängt, also
von der jeweiligen Governance-Struktur (vgl. Jungwirth/Müller 2014).
14 Oskar Grün

Es gibt Fälle, in denen die Einschaltung externer Innovatoren und die inter-
organisationale Perspektive nicht nur eine Option, sondern eine Vorausset-
zung für das Gelingen von Innovationen sind. Dies gilt für die sog. Multior-
ganization Enterprises (MOEs, innovative Großvorhaben wie Universitäts-
kliniken oder Verkehrsbauten, welche die Kapazität eines einzelnen Innova-
tors übersteigen; vgl. Grün 2004). Noch deutlicher ist die interorganisationa-
le Perspektive im Fall der sog. Systeminnovationen ausgeprägt. Beispielhaft
seien die Einführung des Containers oder der Kreditkarte als Keimzellen
disruptiver Veränderungen des globalen Transportsystems bzw. des Zah-
lungsverkehrs genannt, die zu einem „Game Changing“ führen. Dieser Inno-
vationstyp setzt u. a. das Zusammenwirken einer Vielzahl von selbständigen
Innovatoren („Enablern“) aus unterschiedlichen Branchen inklusive Behör-
den und öffentlichen Verwaltungen voraus (vgl. Grün u. a. 2008).

IV. Von der singulären Innovation zur Innovationslandschaft


Die Innovationsforschung war lange Zeit auf den singulären Innovationspro-
zess fokussiert: „Historisch war das einzelne Innovationsprojekt die domi-
nierende Analyseeinheit. Arbeiten auf der Unternehmens- oder Programm-
ebene waren eher selten“ (Ernst 2014, S. 418 f.). Diese anfängliche Fokus-
sierung der Forschungsanstrengungen auf den singulären Fall war sinnvoll,
um die Zahl der zu beobachtenden Einflussfaktoren überschaubar zu halten.
Die Managementlehre hat das Problem der Pluralität von Innovationsprozes-
sen jedoch früh erkannt, wie die folgenden beiden Hinweise belegen. Mari-
ann Jelinek (1979) beschrieb am Beispiel von Texas Instruments eine duale
Organisationsstruktur, welche die Basisorganisation („Operating Mode“) mit
der Unternehmungsstrategie („Strategic Mode“) verknüpft. Letztere wird bis
auf die Ebene der Projekte heruntergebrochen, von denen es bei Texas In-
struments seinerzeit schon ca. 250 gab. Merkmale dieser dualen Organisati-
onsstruktur waren die intensive Einbindung des Top Managements (durch
Zielvorgaben und Steuerungsimpulse), eine matrixartige Verknüpfung der
Mitarbeiter in beiden Handlungsfeldern („Doppelfunktionalität“), eine hoch
entwickelte integrative Unternehmungskultur und ein der dualen Struktur
angepasstes Rechnungswesen.
Entwicklung der deutschsprachigen Innovationsforschung 15

In diesem Zusammenhang ist auch Henry Mintzberg mit seiner berühmten


Publikation über „Structure in Fives“ (1983) zu erwähnen. Eine seiner fünf
sog. Konfigurationen ist die „Adhocracy“, die sich vor allem durch große
Flexibilität und großes Innovationspotential auszeichnet und deshalb die für
projektorientierte Unternehmungen geeignetste Organisationsform darstellt.
Relativ spät aber umso nachhaltiger haben sich Gemünden und seine Schüler
mit dem Management von Innovationslandschaften beschäftigt, das vor
allem für projektorientierte Unternehmungen relevant ist (sie sprechen des-
halb auch von „Projekt(e)landschaften“). Dazu ein Extrembeispiel: Die Sie-
mens AG führt pro Jahr mehr als 25.000 Einzelprojekte durch und generiert
aus der Projektarbeit 50% des Umsatzes (Zahlen lt. einem Siemensmitarbei-
ter, zitiert bei Kock et al. 2012, S. 4). Dazu bedarf es eines Multiprojektma-
nagements als einem „ganzheitlichen Management einer Projektelandschaft
durch entsprechende Organisationsstrukturen, Methoden, Prozesse und An-
reizsysteme“ (Dammer et al. 2006, S. 149).
Das Problem des Multiprojektmanagements resultiert jedoch nicht nur aus
der Vielzahl der Projekte, sondern daraus, dass sie aufeinander aufbauen,
dass sie in Konkurrenz um kritische Ressourcen stehen und ihren Nutzen
häufig nur in Kombination mit anderen Projekten voll entfalten (Projektsy-
nergie). Dementsprechend wird das Management komplexer Projektland-
schaften zu einer Kernkompetenz projektorientierter Unternehmungen. Em-
pirische Untersuchungen bestätigen die Vorteilhaftigkeit eines hoch entwi-
ckelten Multiprojektmanagements (Kock et al. 2012).

V. Vom Innovations-Hero zum Innovations-System


Die Frage nach den entscheidenden Treibern der Innovation wird in der
Forschung seit langem diskutiert und kaum ein(e) Forscher(in) versäumt, auf
den frühen Beitrag von Joseph Schumpeter hinzuweisen, der dem Unter-
nehmer (zuerst dem Gründer, später auch dem Manager) eine herausragende
Funktion beim „Erkennen und Durchsetzen neuer Möglichkeiten auf wirt-
schaftlichem Gebiet“ zuschrieb. Als „Neuerungen“ bzw. „neue Kombinatio-
nen“ nennt er im Einzelnen (1928, S. 483): Die Erzeugung und Durchset-
zung neuer Produkte oder neuer Qualitäten von Produkten, die Einführung
neuer Produktionsmethoden, die Schaffung neuer Organisationen der Indust-
16 Oskar Grün

rie (z. B. Vertrustung), die Erschließung neuer Absatzmärkte und die Er-
schließung neuer Bezugsquellen (zur Kritik an Schumpeter vgl. u. a. Pfeif-
fer/Staudt 1975, Sp. 1945 f.).
Insbesondere die amerikanische Innovationsforschung hält lange an dem
monopersonalen Konzept eines herausragenden Individuums im Innovati-
onsprozess fest und stützt so die „Great Man“-Theorie (Schon 1963). Der
omnipotente „Champion“ als herausragende Persönlichkeit vereinigt mehre-
re Rollen in sich und verfügt über vier Kompetenzen: Aktives Suchen nach
und Fördern von Ideen, Netzwerkbildung, Verantwortungsübernahme und
Investitionen in die Idee sowie Persistenz bei Rückschlägen (Walter et al.
2011).
Hauschildt geht der Frage nach, warum monopersonale Konzepte so populär
sind und erklärt das mit ihrer leichten Handhabbarkeit:
„Die Forschung schien es damit leicht zu haben, denn diesen Menschen
kann man bei Befragung verlässlich bestimmen..., seine besonderen Fä-
higkeiten und Beiträge erfassen..., seine Stellung im Unternehmen ohne
Schwierigkeiten kennzeichnen“ (Hauschildt 2004, S. 195).
Die deutschsprachige Innovationsforschung – allen voran Eberhard Witte –
ist einen anderen Weg gegangen. Sie suchte nicht das Individuum, den
„Great Man“, sondern Personen, die in der Lage waren, Willensbarrieren
und Fähigkeitsbarrieren zu überwinden und sie hat diese Funktionen dem
Macht- bzw. dem Fachpromotor zugeschrieben. Aus dem Gespann wurde
später durch den Prozesspromotor eine Troika bzw. durch den Beziehungs-
promotor eine Quadriga (s. o.).
Die Rolle und die Bedeutung der anderen Mitwirkenden am Innovationspro-
zess wurden lange Zeit vernachlässigt. So behandelte Hauschildt noch in der
3. Auflage seines Innovationsmanagements (2004, S. 191 ff.) nur die Promo-
toren als „Akteure der Innovation“. Die Perspektiverweiterung bezüglich der
Akteure dürfte u. a. der oben geschilderten Öffnung der Innovationsfor-
schung gegenüber dem Projektmanagement geschuldet sein. Dort hat man
den Projektteams neben dem Projektleiter schon lange die ihnen gebührende
Aufmerksamkeit geschenkt und deren Größe, Zusammensetzung und Füh-
rung eingehend behandelt (vgl. Högl 1998).
Entwicklung der deutschsprachigen Innovationsforschung 17

Von der Oelsnitz und Eickhölter (2014, S. 308) orten hier einen paradigma-
tischen Wandel „hin zu einem postheroischen Management ..., dem der Ein-
zelkönner eher suspekt ist und der daher nicht mehr im Zentrum der Unter-
nehmensführung steht“. Sie sehen darin den konsequenten Schritt zur
„Emanzipierung vom ‚great man‘“ und zur „Verlagerung innovativer Ver-
antwortung in eine projektorientierte Teamstruktur“. Sie lenken die Auf-
merksamkeit auf die sog. Venture- und die Heavyweight-Teams (ebenda,
S. 308 ff.). Erstere sind „sehr selbständig operierende Gruppen mit innovati-
ven Spezialaufgaben“. Heavyweight-Teams vereinen die fachlichen und
hierarchischen „Schwergewichte“. Sie arbeiten „in hohem Maße autonom
und ohne bürokratische Schranken“. U. a. soll die Entwicklung des Macin-
tosh von Apple und des Prius-Modells von Toyota auf Heavyweight-Teams
zurückgehen. Konsequenterweise spricht man neuerdings von Innovations-
Systemen. Es handelt sich um „das Positions- und Kompetenzgefüge sowie
um das Kommunikations- und Interaktionsgefüge des Innovationsmanage-
ments“ (Hauschildt/Salomo 2011, S. 57). Das Innovations-System umfasst
also alle Akteure der Innovation: Champions, Promotoren, Teams, aber auch
Opponenten und externe Beteiligte wie Kunden oder Lieferanten sowie Ak-
teure, die geheim, also nicht autorisiert innovieren (sog. Bootlegging, vgl.
Globocnik/Salomo 2014). Folgt man diesem Ansatz, dann sind nicht nur die
einzelnen Innovationsprozesse Objekte der Gestaltung und damit des Inno-
vationsmanagements, sondern auch das Innovations-System als die Infra-
struktur für die Innovationsprozesse. Ansatzpunkte dieser Gestaltung sind
die Innovationskultur, die Institutionalisierung der Innovationstätigkeit so-
wie schließlich deren hierarchische und nicht-hierarchische Koordination
(vgl. Hauschildt/Salomo 2011, S. 59 ff.).

VI. Vom Innovationsenthusiasmus zur Balance zwischen Routine und


Innovation (Ambidextrie)
Angesichts der überragenden Bedeutung der Innovation für Unternehmun-
gen, Branchen und Volkswirtschaften ist es nicht verwunderlich, dass sich
verbreitet Innovationsenthusiasmus und Innovationsleidenschaft entwickelt
haben. Sie gipfeln im Imperativ des in Wien geborenen Peter F. Drucker:
„Innovate or Die!“ (1999). Die Gefahr einer Überbewertung der Innovation
hat Hauschildt dazu veranlasst, den Innovationsbegriff eng zu fassen, um
18 Oskar Grün

„einem ungebändigten Innovationsaktivismus entgegen(zu)wirken, der jedes


auftretende Problem sofort als Innovation kennzeichnet und einer gesonder-
ten Behandlung zuführen will“ (Hauschildt, 2004, S. 28). Er zitiert in der
weiteren Folge Nolan, der die Gefahren des Innovationsenthusiasmus aus
Praxissicht benennt (ebenda, S. 29), nämlich u. a. „die Überflutung mit neu-
en Ideen“ und der „Mangel an Kapazität, die Großzahl kreativer Gedanken
zu verarbeiten“.
Damit ist ein Stichwort gefallen, das einen Weg zur Vermeidung einer über-
schießenden Innovationsaktivität aufzeigt, nämlich die Beachtung der Inno-
vationskapazität. In kurzfristiger Betrachtung determiniert die Innovations-
kapazität (insbesondere die Human-Ressourcen) das Volumen der Innovati-
onstätigkeit. Damit bleibt jedoch die Frage nach der mittel- und langfristig
angemessenen Innovationstätigkeit offen, zumal diese die Innovationskapa-
zität determinieren sollte und nicht umgekehrt. Die Beantwortung dieser
Frage setzt voraus, dass man neben der Innovation auch die Routine in den
Blick nimmt. Dabei sind zwei verschiedene Aspekte zu beachten, nämlich
Innnovation und Routine in einer Folgebeziehung (Sequenz) und Innovation
und Routine in einer Parallelbeziehung (Koexistenz).
Die sequenzielle Variante (Routine vor und nach Innovation) fokussiert auf
die einzelnen Innovationsprozesse. Dem Übergang von der Routine zur In-
novation wird in der Literatur u. a. mit der Behandlung von Innovationswi-
derständen (Barrieren) breiter Raum gewidmet. Dagegen findet der Über-
gang von der Innovation zur Routine vergleichsweise geringe Beachtung.
Dabei gilt: „Erst aus der laufenden Verwertung der Innovation erwächst der
Erfolg“ und
„Innovationen sind nicht Routine, sollen es aber eines Tages werden. Es
ist eine strategische Aufgabe, Innovationsmanagement und Routinema-
nagement zu trennen und wieder zu verknüpfen“ (Hauschildt 2004,
S. 59).
Es kommt also zunächst darauf an, die Innovationen von den laufenden
Betriebs- und Markttätigkeiten zu trennen. Später, nach einem schwer zu
prognostizierenden Zeitraum ist der Innovationsprozess in das Routinege-
schäft zu überführen. Dies ist eine spezifische, noch wenig erforschte Trans-
ferleistung. Schewe (1994, S. 44) spricht in diesem Zusammenhang von
„Transfer Efficiency“.
Entwicklung der deutschsprachigen Innovationsforschung 19

Die Koexistenz-Variante von Innovation und Routine wurde früh themati-


siert und wird im neueren Schrifttum unter dem Stichwort Ambidextrie be-
handelt. Darunter versteht man die Beidhändigkeit i.S. von gleich ausge-
prägter Geschicklichkeit beider Hände im Unterschied zur Rechts- und
Linkshändigkeit (Bibliographisches Institut 1971, Stichwort „Ambidextrie“).
Übertragen auf das Verhältnis von Innovation und Routine bedeutet dies
nicht nur deren Koexistenz, sondern gleich hohe Ansprüche an Innovations-
und Routinemanagement (vgl. Duncan 1976).
Güttel und Konlechner (2014), an die wir uns im Folgenden anlehnen, sehen
in der Ambidextrie einen „Ansatz zur Balancierung von Effizienz und Inno-
vativität“. Sie greifen dabei wie viele andere InnovationsforscherInnen auf
das Konzept von Exploration und Exploitation zurück, das March (1991) als
Ausdruck zweier verschiedener Lernmodi entwickelt hat. Dementsprechend
beziehen sich „Exploration auf Innovation und das Generieren von neuem
Wissen, Exploitation hingegen auf Effizienz und das Ausbeuten etablierter
Erfolgsmuster“ (Güttel/Konlechner 2014, S. 346). Das führt zu zwei Prob-
lemen: (1) Wie kann man einerseits verhindern, dass Exploration die Exploi-
tation verdrängt und Unternehmungen zwar ständig experimentieren, jedoch
in keinem Geschäftsfeld hinreichend etabliert sind und Renten generieren?
(2) Wie kann man andererseits verhindern, dass Unternehmungen zu lange
auf eingespielte Routinen setzen und versäumen, Innovationen zur Siche-
rung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit zu starten und durchzusetzen?
Als prominentes Beispiel dieses Problems wird häufig das Verschlafen der
digitalen Fotografie durch Polaroid und Kodak zitiert, die beide zu lange an
der bewährten analogen Technik festgehalten haben (Güttel/Konlechner
2014, S. 348; zur Interdependenz von Change und Stability vgl. Farjoun
2010).
Als Optionen zur Lösung dieser anspruchsvollen Managementaufgabe bieten
sich die Differenzierung und die Integration von Exploration und Exploi-
tation an. Die Differenzierung kann nach Funktionsbereichen, in Form von
Projekten oder durch die Bildung von Spin-offs erfolgen. Für die Integration
sind gezielte Interventionen des Top Managements (u. a. Sicherung des
Wissenstransfers), die Zusammenarbeit von explorativ und exploitativ orien-
tierten Mitarbeitern in Projekten sowie unternehmungskulturelle Anstren-
gungen bedeutsam (vgl. Güttel/Konlechner 2014, S. 353 ff.).
20 Oskar Grün

VII. Von der Nische zum Mainstream


In diesem abschließenden Kapitel werden drei Fragen behandelt:
í Wie hat sich die Innovationsforschung in der Betriebswirtschaftslehre etab-
liert?
í Wie formiert sich die Community der InnovationsforscherInnen?
í Wo steht die deutschsprachige betriebswirtschaftliche Innovationsforschung
im internationalen Vergleich?

1. Die Ausbreitung der Innovationsforschung innerhalb der


Betriebswirtschaftslehre
Als Indikatoren dieses Diffusionsprozesses eignen sich die Rückbesinnung
auf die Anfänge der Innovationsforschung und der Grad ihrer Institutionali-
sierung durch die Bildung von Forschungsschwerpunkten sowie die Errich-
tung von Lehrstühlen und Instituten.
Die Anfänge der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Innovationsfor-
schung hat Wolfgang Burr (2014, S. 19 ff.) recherchiert und 19 Publikatio-
nen zwischen 1965 und 1980 ausgewählt. Die Innovationsforschung beweg-
te sich damals in einer Nische und es gab seinerzeit in Deutschland noch
keine Lehrstühle für Innovation. Die Verfasser dieser Publikationen waren
fast ausnahmslos Nachwuchswissenschaftler, darunter viele, die später zu
anerkannten Hochschullehrern wurden (u. a. Klaus Brockhoff, Alfred Kie-
ser, Hans-Horst Schröder und Norbert Thom mit Arbeiten zur Forschungs-
planung, zur Bedeutung von Produktinnovationen für das Unternehmungs-
wachstum, zur Produktionsfunktion von F&E und zur Effizienz betrieblicher
Innovationsprozesse). Diese Wissenschaftler hatten prominente Betreuer wie
Horst Albach, Erwin Grochla, Erich Gutenberg, Edmund Heinen, Werner
Kern, Werner Kroeber-Riel, Heribert Meffert, Robert Nieschlag und Hans
Ulrich. Diese Liste der Fachprominenz erhellt auch, dass die frühen Beiträge
zur Innovationsforschung nicht an einem Standort, sondern an mehreren
bedeutenden Universitäten im deutschsprachigen Raum entstanden sind.
Was die fachliche Herkunft der Beiträge betrifft, reicht das Spektrum von
der Investitionstheorie bis zur Produktionswirtschaft und zum Marketing.
Die weit überwiegende Zahl stammt jedoch aus der Organisations- und der
Managementlehre, so dass man diese beiden Fachgebiete als die Keimzellen
Entwicklung der deutschsprachigen Innovationsforschung 21

der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Innovationsforschung be-


zeichnen kann. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, denn jedes dritte
Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission Technologie, Innovation und
Entrepreneurship (TIE, s. u.) ist auch Mitglied der Kommission Organisati-
on. Unter methodischen Aspekten ist bemerkenswert, dass es neben einigen
wenigen Beiträgen zur begrifflichen Klärung und zur Klassifikation von
Sachverhalten viele frühe theoretisch-konzeptionelle Arbeiten und eine be-
merkenswerte Anzahl von empirischen Arbeiten gab. Diese empirische Aus-
richtung zeichnet die deutschsprachige betriebswirtschaftliche Innovations-
forschung also seit ihren frühen Anfängen aus.
Die Institutionalisierung der Innovationsforschung erstreckte sich über ei-
nen längeren Zeitraum. Ein erster Versuch zur Institutionalisierung eines
Studien- und Forschungsschwerpunktes in Kiel scheiterte 1978 am Wider-
stand einer Industrie- und Handelskammer (s. o.). Der nächste Versuch war
erfolgreicher. Er startete mit einem Workshop im Februar 1984 unter der
Ägide der Stiftung Volkswagenwerk. Das Thema lautete „Management von
Forschung, Entwicklung und Innovationsprozessen“. Noch im selben Jahr
(1984) wurden in Kiel erstmals das Wahlfach „Innovationsmanagement“
eingerichtet und eine „Forschungsstelle für Technologie- und Innovations-
management“ gegründet.
Damit war der Durchbruch geschafft. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft
richtete einen Forschungsschwerpunkt zum Thema „Theorie der Innovation
im Unternehmen“ ein, der mehr als 20 Einzelprojekte umfasste und von
1986 bis 1992 gefördert wurde. Zwischenzeitlich stärkte Kiel die institutio-
nelle Basis durch Gründung eines „Instituts für Technologie- und Innovati-
onsmanagement“ (1990), verbunden mit der Einrichtung des ersten deut-
schen Lehrstuhls mit derselben Bezeichnung. Im Jahr 1990 wurde an der
Kieler Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät unter der Leitung
von Sönke Albers, Klaus Brockhoff und Jürgen Hauschildt ein Graduierten-
kolleg mit der Bezeichnung „Betriebswirtschaftslehre für Technologie und
Innovation“ eingerichtet (vgl. Brockhoff 2002 sowie Albers et al. 2001).
Der letzte Schritt der Institutionalisierung der Innovationsforschung betraf
ihre Verankerung im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft.
Am 11. März 1998 haben 19 Betriebswirte den Antrag auf Errichtung einer
Wissenschaftlichen Kommission „Technologie- und Innovationsmanage-
22 Oskar Grün

ment (TIM)“ gestellt. Unter den 19 Antragstellern waren so prominente


Kollegen wie Horst Albach. Dem Antrag wurde auf der Pfingsttagung des
Verbandes 1998 in Wien statt gegeben. Seit 2010 trägt die Kommission die
Bezeichnung „Technologie, Innovation und Entrepreneurship, TIE“).
Resümierend ist zu sagen, dass die Diffusion der Innovationsforschung in-
nerhalb der Betriebswirtschaftslehre nach einer Häufung von Publikationen
in den 60er und 70er Jahren spätestens gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
zu einem Durchbruch geführt hat. Die Innovationsforschung zählt heute zu
den anerkannten und forschungsstärksten Bereichen in der Betriebswirt-
schaftslehre.

2. Die Community der InnovationsforscherInnen


Der Wissenschaftlichen Kommission „Technologie, Innovation und Entre-
preneurship“ gehören laut dem aktuellen Verzeichnis des Verbandes der
Hochschullehrer für Betriebswirtschaft (2014, eigene Auswertungen) insge-
samt knapp 250 Mitglieder an, das sind mehr als 10% aller Verbandsmit-
glieder. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Intensität, in der sie sich mit
Innovation beschäftigen. Nahezu 100 Mitglieder (ca. 40%) sind an einer
Institution tätig, deren Hauptaufgabe die Lehre und Forschung auf zumin-
dest einem der drei Felder Innovation, Technologie oder Entrepreneurship
sind. Weitere knapp 30% der Mitglieder sind in Lehre und Forschung zwar
mit anderen Hauptaufgaben betraut (häufig Organisation oder Marketing),
sie engagieren sich aber zumindest in der Forschung in einem der drei ge-
nannten Themenfelder. Demnach sind zwei Drittel der TIE-Mitglieder im
Bereich Innovation oder Technologie oder Entrepreneurship forschungsak-
tiv.
Der Aspekt der regionalen Verteilung der Innovationsforschung ist insofern
beachtenswert, als Gerybadze (2014, S. 56 f.) in einem kritischen Vergleich
der deutschsprachigen mit der angelsächsischen Innovationsforschung be-
klagt, dass es der deutschsprachigen Forschung an der räumlichen Konzent-
ration und der engen Vernetzung hochproduktiver Forscher mangelt. Dazu
der folgende Befund: In den Kernländern des Verbandes der betriebswirt-
schaftlichen Hochschullehrer (Deutschland, Österreich und Schweiz) ist die
Community flächendeckend verteilt: Von A wie Aachen bis Z wie Zürich
und von Kiel im Norden Deutschlands bis Klagenfurt im Süden von Öster-
Entwicklung der deutschsprachigen Innovationsforschung 23

reich. Es gibt kaum einen renommierten Universitätsstandort ohne zumin-


dest ein Mitglied dieser ForscherInnen-Community.
Die von Gerybadze aufgeworfene Frage nach regionalen Zentren der
deutschsprachigen Innovationsforschung ist wie folgt zu beantworten: Ein
erstes Zentrum entstand mit der Einrichtung eines Graduiertenkollegs in den
1990er Jahren in Kiel (s. o.). Derzeit ragt die TU München mit neun Innova-
tionsforscherInnen (aus dem Kreis der Mitglieder des Verbandes der Hoch-
schullehrer für Betriebswirtschaft, Stand 2014) heraus, gefolgt von St. Gal-
len mit sieben ForscherInnen. Weitere sieben Universitäten verzeichnen fünf
InnovationsforscherInnen. Daneben gibt es außeruniversitäre Forschungsein-
richtungen wie das von Dietmar Harhoff geleitete Max-Planck-Institut für
Innovation und Wettbewerb in München. Der Forderung Gerybadzes nach
räumlicher Schwerpunktbildung der Innovationsforschung wird also an eini-
gen Standorten entsprochen.

3. Der Stand der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen


Innovationsforschung im internationalen Vergleich
Der Objektbereich der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Innovati-
onsforschung hat sich durch die Beschäftigung mit Managementaspekten,
mit interorganisationalen Arrangements, mit Innovationslandschaften, mit
Innovations-Systemen und mit der Balance zwischen Innovation und Routi-
ne nicht nur verändert, sondern auch erheblich ausgeweitet. In diesem Zu-
sammenhang ist ein weiterer, hier nicht näher untersuchter Entwicklungs-
pfad des Forschungsgegenstands zu erwähnen: Das Forschungsinteresse
konzentriert sich nicht mehr auf For Profit-Unternehmungen, sondern erfasst
auch Non Profit-Unternehmungen wie jene des Gesundheits- und Sozialbe-
reichs (vgl. Schultz et al. 2012) sowie Innovationen in Schwellen- und Ent-
wicklungsländern (vgl. Högl/Weiß 2014). Hand in Hand mit dieser Auswei-
tung hat sich auch eine Spezialisierung der ForscherInnen vollzogen, d. h.
sie fokussieren zunehmend auf bestimmte Forschungsfragen, sei es die User
bzw. Lead User Innovation (wie Franke und Herstatt) oder das Management
von Innovations(Projekt-)landschaften (wie Gemünden) oder die Verwer-
tung von Innovationen im Patentwesen (wie Henkel).
Unter methodischen Aspekten zeichnet sich die deutschsprachige Innovati-
onsforschung von Anbeginn durch eine bemerkenswerte empirische Aus-
24 Oskar Grün

richtung aus (vgl. Ernst 2014, S. 414 und Lüthje 2003). In diesem Punkt ist
sie auf Augenhöhe mit der internationalen, insbesondere der angelsächsi-
schen Forschung. Holger Ernst stellt nach der Analyse von mehr als 500
Aufsätzen im Journal of Product Innovation Management (JPIM, Erhe-
bungszeitraum 2000 bis 2012) fest, dass davon mehr als drei Viertel empiri-
sche Beiträge sind und dass die Studien überwiegend auf Primärdaten aus
beachtlichen Stichprobengrößen basieren (Median zwischen 101 und 200
Beobachtungen). Auf der Basis dieser soliden empirischen Daten können
nicht nur Theorien mit anspruchsvollen Auswertungsverfahren (wie Mehr-
ebenen-Analysen) getestet, sondern auch relevante Schlussfolgerungen für
die Praxis gezogen werden (Ernst 2014, S. 417 ff.). Da ca. 10% der Aufsätze
von deutschsprachigen ForscherInnen verfasst sind, kommt er zu dem
Schluss, dass die Innovationsforschung aus dem deutschsprachigen Raum
„gut aufgestellt“ ist, „um auch zukünftig theoretisch und praktisch relevante
Erkenntnisse zu liefern“ (Ernst 2014, S. 433). Die deutschsprachige be-
triebswirtschaftliche Innovationsforschung hat demnach in relativ kurzer
Zeit und auch im internationalen Vergleich einen beachtlichen Reifegrad
erreicht und sich zu einem auch in der Praxis stark beachteten Mainstream
entwickelt, wie die zahlreichen Innovationsprogramme, Innovationsforen
und Innovationspreise belegen.
Wir schließen unsere Bestandsaufnahme der deutschsprachigen betriebswirt-
schaftlichen Innovationsforschung mit einem Blick auf ihr durchaus beacht-
liches Entwicklungspotential. Bei Durchsicht der Themen, die bei den Jah-
restreffen der TIM- bzw. TIE-Kommission behandelt wurden, fällt auf, dass
sich der jeweilige Untersuchungsgegenstand zunehmend verengt. Diese
Verengung des Objektbereichs kann man als Beleg für eine fortgeschrittene
Reife der Forschung interpretieren, wobei der zunehmende Publikations-
zwang sicherlich auch eine Rolle spielt. Skeptiker stellen allerdings die
Frage, ob diese Verengung des Objektbereichs dem Anspruch „erheblich vor
erhebbar“ gerecht wird. Wünschenswert wären mehr konzeptionelle und
mehr Arbeiten, die den Stand des Wissens resümieren sowie die empirische
Relevanz der Forschung für die Praxis aufzeigen. Das hieße im Sinne der
Ambidextrie, mehr Exploitation und nicht nur Exploration zu betreiben.
Noch eine Bemerkung zum Stichwort „erheblich“: In einer Studie zum In-
novationsverhalten der deutschen Wirtschaft wird festgestellt, dass die In-
novationstätigkeit der KMUs seit einiger Zeit abnimmt, insbesondere in
Entwicklung der deutschsprachigen Innovationsforschung 25

Betrieben unter 500 Beschäftigten (Rammer et al. 2016, S. 12). Bedenkt


man die überragende Bedeutung der KMUs für die Gesamtwirtschaft, dann
ist das ein alarmierender Befund und zugleich ein Appell an die Innovati-
onsforschung, sich vermehrt mit dem Innovationsverhalten der KMUs zu
beschäftigen (vgl. u. a. Walther 2004 und Schewe/Becker 2009).
Wünschenswert wäre auch eine stärkere Differenzierung der Forschung nach
Maßgabe der Innovationsarten. Neben der unbestrittenen Differenzierung
hinsichtlich des Neuigkeitsgrades („Innovationsgrad“, z. B. inkrementale vs.
radikale Innovation; vgl. die Realtypen bei Schlaak 1999), wäre auch die
Differenzierung unter dem Aspekt der Häufigkeit und des Volumens der
Innovation geboten. Das bedeutet, die Unterschiede zwischen häufig auftre-
tenden (repetitiven), eher kleinvolumigen Innovationen (typisch für F&E-
Projekte) und singulären Großvorhaben aufzuzeigen, wobei letztere mit
erheblich größerem Risiko für die Innovatoren behaftet sind. Hinsichtlich
der Innovationsarten ist auch die stärkere Differenzierung nach Produkt- und
Verfahrensinnovationen ratsam. Erstere müssen am Markt durchgesetzt
werden, letztere verursachen dagegen unternehmungs-interne Durchset-
zungsprobleme wie die Vermeidung von additivem Change.
Ein weiterer Problemkreis, der verstärkter Forschungsanstrengungen bedarf,
ist die Überführung der Innovation in den Routinemodus und damit zusam-
menhängend die Dimensionierung der Innovationskapazität sowie die Ba-
lancierung von Routine und Innovation (s. o.). Diesbezügliche Forschungs-
anstrengungen sollen den Handlungsspielraum zwischen den Alternativen
Innovieren („Innovate!“) und Untergang („Die!“) ausloten und nützen.

Literatur

In den zitierten Beiträgen der jüngst erschienenen Sammelwerke „Innovation, Theorien, Konzepte
und Methoden der Innovationsforschung“ (Hrsg. Wolfgang Burr, Stuttgart 2014) und „Motoren der
Innovation, Zukunftsperspektiven der Innovationsforschung“ (Hrsg. Carsten Schultz/Katharina
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berücksichtigt werden konnten.
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Evolution, Innovation und Wettbewerb:
Beiträge von Alexander Gerybadze zur Entwicklung
einer evolutorischen Theorie der Unternehmung

Michael Stephan

I. Das wissenschaftliche Oeuvre von Alexander Gerybadze


Das wissenschaftliche Oeuvre von Alexander Gerybadze ist groß und um-
fasst zahlreiche Monographien und Herausgeberwerke sowie eine Vielzahl
von Artikeln, die in wissenschaftlichen Zeitschriften und Sammelwerken
veröffentlich wurden. Gerybadze hat national und international publiziert, in
den renommiertesten Verlagen und auch in den führenden wirtschaftswis-
senschaftlichen Fachzeitschriften. Das ist für einen angesehenen Wissen-
schaftler seiner Zunft, der sein Fach maßgeblich mitgeprägt hat, zunächst
noch nichts ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist aber sicherlich die Bandbrei-
te der Themen, mit denen Gerybadze sich im Zuge seines wissenschaftlichen
Wirkens bis heute beschäftigt hat.
Zu Beginn seines akademischen Schaffens hat Gerybadze sich vorder-
gründig mit volkswirtschaftlichen Themen, insbesondere mit Themen des
technologischen Wandels und der industrieökonomischen Wirkung von
Innovationen beschäftigt. Sein volkswirtschaftlicher Betrachtungshorizont
ist bis heute geblieben – zu seinen Forschungsinteressen zählen nach wie
vor nationale Innovationssysteme sowie die Industrie- und Innovations-
politik (u. a. Gerybadze 1988, 2001, 2015). Spätestens jedoch mit seiner
Habilitationsschrift hat sich Gerybadze auch der unternehmerischen und
betriebswirtschaftlichen Perspektive zugewandt: Seine Arbeiten auf dem
Gebiet der BWL decken vielfältige Themengebiete ab. „Epizentren“ seiner
Forschung bilden das Technologie- und Innovationsmanagement, das strate-
gische Management, die Organisation sowie das internationale Management.
Die Interessensgebiete von Alexander Gerybadze sind zwar vielfältig, die
vielfältigen Themenfelder hat er jedoch stets miteinander verknüpft. So hat
er z. B. in der Schnittmenge zwischen dem Innovationsmanagement und
dem internationalen Management als einer der ersten gemeinsam mit Guido

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_3
32 Michael Stephan

Reger die neuen Muster und Strategien der Internationalisierung der F&E-
Tätigkeiten von Unternehmen untersucht (u. a. Gerybadze/Reger 1999). Und
auch sein Lehrbuch zum Technologie- und Innovationsmanagement (Gery-
badze 2004) ist durchgehend von der strategischen und organisatorischen
Perspektive der Unternehmensführung geprägt. Die Vielfalt der Forschungs-
felder von Gerybadze wird aber nicht nur durch die fachliche Kombination
einzelner Themen verknüpft. Vielmehr ergibt sich die Kohärenz durch drei
paradigmatische Leitmotive, die sich durch sein gesamtes wissenschaftliches
Oeuvre ziehen:
1. Innovationen: Alexander Gerybadze ist Innovationsforscher mit „Leib
und Seele“: Das Thema „Innovation“ zieht sich als das zentrale Motiv durch
all seine Arbeiten. In der deutschen Betriebswirtschaftslehre und in der In-
dustrieökonomik zählt er zu den Pionieren der Innovationsforschung.
2. Mikro- und Makroblick: Gerybadze ist Grenzgänger zwischen der mikro-
und makroökonomischen Perspektive. Seine Arbeiten sind geprägt von der
Verknüpfung der volks- und betriebswirtschaftlichen Sicht. In der makro-
ökonomischen Perspektive lässt sich die Entwicklung von Branchen und
Volkswirtschaften nicht verstehen ohne das Verständnis des individuellen
Unternehmens. Und auch die Analyse und das Verständnis (des Erfolgs) von
innovierenden Unternehmen erfordert die Berücksichtigung des volkswirt-
schaftlichen bzw. industriellen Ökosystems (Gerybadze 1995a, S. 2).
3. Evolutorische Perspektive: Die Arbeiten von Gerybadze decken viele
Themenfelder ab und doch basieren all seine Forschungsarbeiten auf den
Axiomen der evolutorischen Ökonomik (vgl. dazu ausführlich Abschnitt II).
In seinen konzeptionell angelegten Arbeiten hat er viele substanzielle Bei-
träge zur Entwicklung einer evolutorischen Theorie der einzelwirtschaft-
lichen Unternehmung gelegt.
Die Beiträge von Alexander Gerybadze zur Entwicklung einer evolutori-
schen Theorie der einzelwirtschaftlichen Unternehmung stehen im Mittel-
punkt des vorliegenden Beitrages zu dieser Festschrift. Der vorliegende
Artikel greift insbesondere die Theoriebeiträge in seiner Dissertations- und
Habilitationsschrift auf. Im folgenden Abschnitt II werden zunächst die
allgemeinen, axiomatischen Anforderungen an eine evolutorische Theorie in
Abgrenzung zur neoklassischen, d. h. orthodoxen Theorie der Unterneh-
mung definiert. In Abschnitt III wird dann der Beitrag der Dissertations-
Evolution, Innovation und Wettbewerb 33

schrift von Gerybadze zur evolutorischen Theorie der Innovation dargestellt


und gewürdigt. In der Dissertationsschrift werden vor allem Prozesse der
Wissensakkumulation und -verwertung analysiert. Im Portrait der Habilitati-
onsschrift in Kapitel IV steht dagegen die institutionelle Frage nach der Vor-
teilhaftigkeit von Unternehmens- versus Markt- versus Kooperationslösun-
gen im Mittelpunkt der Betrachtung.

II. Definition und Abgrenzung der evolutorischen Theorie der


Unternehmung von orthodoxen Perspektiven

1. Orthodoxe versus evolutorische Theorien der Unternehmung


Orthodoxe einzelwirtschaftliche Theorien unterstellen, dass Unternehmen
eine universal gültige Zielfunktion besitzen, die sie zu maximieren versu-
chen. Das zu erreichende Optimum wird als Gleichgewichtszustand betrach-
tet, den die Unternehmen im Zuge der Optimierung ihrer Zielgrößen anstre-
ben. Orthodoxe Theorien gehen dabei von einem ex ante festgelegten und
mehr oder weniger homogenen Ressourcenbestand der Unternehmen aus.
Gerybadze (1995a) fasst die drei strukturellen Eckpfeiler der orthodoxen
einzelwirtschaftlichen Theorie der Unternehmung wie folgt zusammen:
1. Die Unternehmung wird durch ihre Produktionsfunktion und Produktions-
kapazität definiert, welche sich im Kern nicht von der Ressourcenausstatt-
ung der Wettbewerber abheben,
2. ihr Verhalten wird auf Maximierung bzw. Optimierung reduziert und
3. es dominiert die Suche und das Streben nach Gleichgewicht.
In den neoklassischen Ansätzen wird die Zielerreichung, d. h. das Optimie-
rungsverhalten der Unternehmung beschränkt durch ihre vordefinierte tech-
nische Produktionsfunktion und die Produktionskapazität. Gerybadze
(1995a, S. 6) spricht in diesem Zusammenhang von „production set“, als
„specification of the set of things that the firm knows how to do and which it
can mobilize instantaneously and at negligible cost“. In der neoklassischen
Betrachtung verfügen die Unternehmen innerhalb einer Branche über sehr
ähnliche bzw. im Wesentlichen identische produktive Ressourcen („produc-
tion sets“). In der aggregierten Betrachtung führt dies zu einem Gleichge-
34 Michael Stephan

wichtszustand: Wettbewerb wird zwischen den mehr oder weniger gleich-


artigen Unternehmen über den Preis geführt und führt zur Erosion der über-
schüssigen Gewinne. Obwohl alle Unternehmen die Optimierung ihrer Ziel-
größen anstreben und versuchen, ihre Konkurrenten zu übertreffen, führt der
intensive Wettbewerb sukzessive zu einer Reduktion in der Vielfalt des
Angebots und damit auch der unterschiedlichen Erfolgsmuster:
„All firms, no matter how smart and efficient they are, and despite their maximization
thrust, will only realize the equilibrium market rate of return, except for some minor peri-
ods of distortion or adaptation“ (Gerybadze 1995a, S. 6).

In der neoklassischen Denktradition wird also nicht nur vom individuellen


Ressourcenbestand der Unternehmen, sondern auch von ihrem individuellen
Verhalten abstrahiert. Gerybadze (1995a, S. 2 f.) begründet dies wie folgt:
„The advent of the neoclassical school of thought with its emphasis on equilibrium eco-
nomics and price competition between large numbers of ‚faceless‘ traders led to a conse-
quential neglect of the elementary function. Within the Walras-Cournot competitive equi-
librium framework, there is no need to analyze the properties or the behaviour of firms.
Firms are simple representations of production sets and pursue clearly defined objective
functions. Their behaviour is instantaneously integrated into orderly patterns of aggre-
gates; the behaviour of the elementary units does not matter as long as few simple axioms
are satisfied.“

Nicht immer wurde in der Wirtschaftswissenschaft die Rolle des einzelnen


Unternehmens bzw. Einzelunternehmers so stiefmütterlich behandelt wie in
der neoklassischen Ökonomik. Zu Beginn der Entwicklung der ökonomi-
schen Disziplin haben sich klassische Ökonomen wie David Ricardo, Adam
Smith oder Jean-Baptiste Say durchaus mit dem Verhalten von Unternehmen
und mit der Rolle des Entrepreneurs in differenzierter Form auseinander-
gesetzt. Gerybadze (1995a, S. 2) erklärt das Interesse der klassischen Öko-
nomen am Unternehmen bzw. Unternehmer wie folgt: „During the formative
years of the capitalist market system, phenomena of disequilibrium and
small numbers had to be taken into consideration.“ Flankierend hierzu ist
eine weitere (mögliche) Erklärung für das Interesse der klassischen Ökono-
men an der Rolle der Unternehmung und am Unternehmer ins Feld zu füh-
ren: Mit Ausnahme von Adam Smith waren die meisten klassischen Öko-
nomen nicht nur Ökonomen, sondern konnten auch auf eigene Erfahrungen
als Unternehmer zurückgreifen (siehe z. B. Say und Ricardo).
Evolution, Innovation und Wettbewerb 35

In der Phase der Dominanz der Neoklassik und der orthodoxen Theorie der
Unternehmung gab es zwar immer auch vereinzelte Ansätze der Formulie-
rung einer „unorthodoxen Theorie“ der Unternehmung, die mit den Eck-
pfeilern der Neoklassik bewusst gebrochen und evolutorische Annahmen ge-
setzt haben (insb. Joseph A. Schumpeter 1912 und Edith Penrose 1959),
jedoch keimte das Interesse an einer neuen Theorie der Unternehmung mit
„unorthodoxen“ Axiomen in verstärkter Form erst in den 1960er auf und
intensivierte sich dann in den 1970er Jahren. Vorreiter waren in den 1960er
Jahren insbesondere die verhaltenswissenschaftlichen Ansätze in der Orga-
nisationsforschung (Simon 1959; Cyert/March 1963), die mit neoklassischen
Annahmen gebrochen und sich dezidiert mit dem individuellen Verhalten
von Unternehmen und Individuen in der Organisation auseinandergesetzt
haben. Neben diesen Arbeiten auf der Mikroebene entstanden in den 1960er
aber auch Arbeiten im Kontext der Industrieökonomik, welche die Unter-
nehmung und ihr individuelles Verhalten stärker in den Mittelpunkt rückten.
Es reifte dabei die Erkenntnis, dass eine stärkere Integration und analytische
Verbindung zwischen der Makro- und Mesoebene erforderlich ist, um die
industrielle Entwicklungsdynamik und den diskontinuierlichen Wandel zu
verstehen. Wichtige Impulsgeber und Pioniere waren in diesem Kontext
Richard Nelson und Sidney G. Winter (u. a. 1974, 1977, 1982).
Warum ist das Interesse an einer „unorthodoxen“, evolutorischen Theorie
der Unternehmung gerade in dieser Phase ab den 1960er Jahren aufgekeimt
und erstarkt? Gerybadze (1995a) begründet dies u. a. mit dem Entstehen von
zahlreichen Hochtechnologiebranchen in den USA, insbesondere in den
Bereichen der Mikroelektronik, Telekommunikation und der Computer-
technik. In diesen generischen Technologiefeldern entwickelten sich die
USA ab den 1960er Jahren zum weltweit führenden Innovationsstandort, an
dem eine Vielzahl radikaler technologischer Entwicklungen ihren Ursprung
nahm. Ausschlaggebend für diese dynamische und zum Teil auch diskonti-
nuierliche technologische Entwicklung war einerseits die massive öffentli-
che Forschungsförderung im Rahmen der U. S.-amerikanischen Rüstungs-
und Raumfahrtprogramme (vgl. Gerybadze 1988). Andererseits haben in
dieser Phase große Technologieunternehmen, wie bspw. AT&T, IBM, Nati-
onal Semiconductor oder Texas Instruments ihre Budgets für Forschung und
Entwicklung (F&E) auch unabhängig von staatlichen Förderprogrammen
erheblich aufgestockt, die eigenen Innovationsaktivitäten intensiviert und in
36 Michael Stephan

die neuen Technologiefelder kanalisiert. Die sich durch die technologischen


Innovationsschübe verändernden industriellen Rahmenbedingungen im Kon-
text der Mikroelektronik, Telekommunikation und Computertechnik wider-
sprachen zunehmend den orthodoxen Modellvorstellungen der Neoklassik:
(1) Beständige technologische und mitunter radikale Veränderungen führen
zu diskontinuierlichem Wandel der Rahmenbedingungen und rauben dem
System den Gleichgewichtssinn. (2) Die Hochtechnologiebranchen der Mik-
roelektronik, Telekommunikation und Computertechnik werden in den
1960er und 1970er Jahren von großen, integrierten Konzernen dominiert,
oligopolistische Strukturen lösen Polypole ab. (3) In den oligopolistischen
Industrielandschaften dominiert der Innovationswettbewerb den Preiswett-
bewerb. (4) Grundlage für den Innovationswettbewerb zwischen den Unter-
nehmen sind spezifische Investitionen in Forschung und Entwicklung; Un-
ternehmen akkumulieren individuelle und heterogene Ressourcenprofile und
demzufolge ist die Annahme von homogenen „Production Sets“ obsolet.
Kurzum, die Annahmen der orthodoxen Theorie greifen in der Praxis der
Hochtechnologiesektoren nicht mehr und taugen damit nicht für die ökono-
mische Analyse der Industrieevolution und des technologischen Wandels:
„The responsive analysis of developments in high-technology related industries required
the application of intellectual concepts which had to be distinctly different from main-
stream economic theory. […] Systems were persistently in disequilibrium, and the re-
source allocation process was seen at odds with the familiar assumptions of the competi-
tive equilibrium model. To understand, evaluate or even predict developments and choice
processes correctly, it was thus necessary to also be concerned with the behaviour of the
micro-units, i.e. with the business firms.“ (Gerybadze 1995a, S. 4).

In diese Erklärungslücken der neoklassischen Theorie stoßen die evolu-


torischen Ansätze in der Ökonomie. In Anbetracht einer dynamischen Um-
weltentwicklung und damit verbundenen Unsicherheiten ist das orthodoxe
Optimierungskalkül infolge von Ambiguitäten inadäquat (March 1994) und
das Streben nach einem langfristigen Gleichgewichtszustand schlicht und
ergreifend nicht möglich. Anstelle des Strebens nach Gleichgewichtszustän-
den sind Unternehmen zur permanenten Veränderung gezwungen, um sich
an die sich wandelnden Umweltsituationen anzupassen und sich im Wettbe-
werb behaupten zu können. Die evolutorischen Theorien zur Erklärung des
ökonomischen Wandels und Fortschritts brechen nicht nur mit der statischen
Sichtweise und endogenisieren den Wandel, sondern sie rücken auch den
individuellen Ressourcenbestand und das individuelle Verhalten der Unter-
Evolution, Innovation und Wettbewerb 37

nehmen sowie das Verhalten der Individuen im Unternehmen in den Mittel-


punkt: „For exactly these reasons, evolutionary theories of economic change
call for a new micro-foundation which is distinctly different from orthodox
microeconomic theory.“ (Gerybadze 1995a, S. 4).
Bevor im Detail die Anforderungen an eine evolutorische Theorie der Un-
ternehmung skizziert werden, gibt der folgende Abschnitt eine Einführung
in die evolutorische Perspektive in der Ökonomik.

2. Evolutorische Ökonomik als paradigmatische Grundlage für eine


einzelwirtschaftliche evolutorische Theorie der Unternehmung
Die evolutorische Ökonomik, in der auch die evolutorische Theorie der Un-
ternehmung beheimatet ist, stellt heute eine wichtige Grundlage, oder besser
Perspektive in der modernen Ökonomik dar (Child 2012; Dosi/Mazzucato
2006; Galambos 2006; Nelson/Winter 1982). Die evolutorische Ökonomik
ist kein geschlossener, d. h. in sich kohärenter und konsistenter Theorie-
ansatz, vielmehr beherbergt sie verschiedene Strömungen sowohl in der
Volks- als auch Betriebswirtschaftslehre. Die evolutorische Ökonomik ist
Sammelbecken für verschiedene Erklärungsansätze, welche mit ähnlicher,
d. h. evolutorischer Perspektive den Wandel sowie die Wandlungs- und
Überlebensfähigkeit von Unternehmungen, von Industrien (als Populationen
von Unternehmen) und Volkswirtschaften zu erklären versuchen.
Welche Bedeutung hat das axiomatische Adjektiv „evolutorisch“? Der Be-
griff ‚Evolution‘ stammt aus dem Lateinischen und leitet sich vom Verb
‚volvere‘ ab, was so viel bedeutet wie „rollen“ oder „fließen“. Das Verb
‚evolvere‘ gibt dieser fließenden Bewegung auch eine konkrete und vorbe-
stimmte Richtung, im Sinne von „entrollen“ (vgl. Hodgson/Knudsen 2006,
S. 1 ff.). Der Evolutionsbegriff wurde zum ersten Mal im 18. Jahrhundert
zur Beschreibung der Entwicklung natürlicher Phänomene vom deutschen
Biologen von Haller (1744) verwendet. In den Sozial- und Wirtschaftswis-
senschaften findet der Begriff der Evolution erst seit den 1970er Jahren
Verwendung. In der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre betont das Adjektiv
„evolutorisch“ die Abgrenzung zum rein statischen Gleichgewichtsdenken
der neoklassischen Ökonomik:
38 Michael Stephan

„Man will, nein, man muss erklären, woher Wachstum und Wandel kommen, und zwar
‚endogen‘, mit Bordmitteln der Theorie, statt dies einfach in Form unerklärter Konstanten
in die benutzten Gleichungen einzufügen.“ (Moldaschl 2013, S. 115).

Diesen Mangel an dynamischer Perspektive betont auch Gerybadze (1982,


S. 7) im Zuge seiner Diagnose der „strukturellen Fehlspezifizierungen und
Defizite“ der neoklassischen Wirtschaftstheorie: „Eine dynamische Un-
gleichgewichtstheorie, innerhalb derer Wandlungs- und Anpassungsprozesse
analysiert werden können, wurde nur unzureichend entwickelt.“
In der BWL haben sich erste evolutorische Denkmuster in den 1960er Jah-
ren gezeigt und sich in den 1970er Jahren vor allem im Bereich der Ma-
nagement- und Organisationstheorien etabliert:
„As part of the open-systems revolution in organization theory, evolutionary models blos-
somed in the 1970s. Within a short period of time, scholars formulated evolutionary ac-
counts to explain phenomena ranging from the micro to the macro levels of organization.“
(Murmann et al. 2003, S. 41).

Neben der Abkehr vom statischen Gleichgewichtsdenken der neoklassischen


Ökonomik und der Endogenisierung der Veränderungsdynamik und des
Wandels in die Theorie sind noch mindestens vier weitere Axiome evolu-
torischer Denkmuster zu nennen, die sich jedoch aus dem übergeordneten
Ungleichgewichts-Axiom ableiten und dieses präzisieren:
(1) Lernprozesse und Innovationen als Impulsgeber des Wandels: Die meis-
ten evolutorischen Modelle und Theorien endogenisieren den Wandel mit
Hilfe von Lernprozessen auf individueller und organisationaler Ebene. In-
tentionale Lernprozesse sind – im Gegensatz zum zufallsbedingten (tech-
nischen) Fortschritt in der Neoklassik – Grundlage des Innovationsgesche-
hens. Innovationen und der damit induzierte Wandel werden in der konzep-
tionellen Betrachtung entweder zum Explanans oder Explanandum gemacht.
(2) Pfadabhängigkeiten beeinflussen Richtung und Muster des Wandels:
„History Matters!“, d. h. die wirtschaftliche Evolution ist geprägt durch ihre
eigene Geschichte (u. a. Arthur 1994; David 1986). Pfadabhängigkeiten
wirken ambivalent und erzeugen eine produktive Spannung im Evolutions-
prozess. Einerseits wirken etablierte Strukturen, die aus Ereignissen und
Entwicklungen in der Vergangenheit resultieren, konservierend auf den
künftigen Entwicklungsverlauf. Die Entwicklung entlang vorgezeichneter
Trajektorien führt zu inkrementellem Wandel, der mit Exploitation von vor-
Evolution, Innovation und Wettbewerb 39

handenem Wissen und positiven Effizienzwirkungen einhergeht. Anderer-


seits blockieren Pfadabhängigkeiten radikale Innovationen und damit die
Abkehr von tradierten Strukturen im Sinne der Variation auf der Suche nach
überlegenen Alternativen, die sich in der (Unternehmens-)Umwelt durch-
setzen (Cantwell 2006; Stephan 2014).
(3) Analogieschlüsse aus den Naturwissenschaften: Theoretische Erkennt-
nisse zur Entwicklungsdynamik aus den Naturwissenschaften dienen als
Referenzkonzepte, um die Evolution von Unternehmen und ihre Muster in
der Ökonomie abzubilden (Alchian 1950; Aldrich 1979; Hodgson/Knudsen
2006; Nelson/Winter 1982). Standen zu Beginn der 1970er Jahre noch sys-
temtheoretische Ansätze (Kybernetik, offene Systemtheorie, Theorie der
Selbstorganisation) im Mittelpunkt der Analogieschlüsse (Murmann et al.
2003, S. 23), so dienen heute vorwiegend evolutionsbiologische Ansätze als
Referenzkonzepte. Zu nennen sind hier insbesondere das Darwin’sche
Schema mit den Prinzipien der Variation, Selektion und Reproduktion sowie
Lebenszykluskonzepte, welche die Entwicklung von Unternehmen und In-
dustrien in Form idealisierter Entwicklungsstadien und Zyklenverläufe be-
schreiben.
(4) Integration von mikro-, meso- und makroökonomischer Betrachtung: Für
die Analyse und das Verständnis des Wandels und des Überlebens von Un-
ternehmen ist die Integration von mikro-, meso- und makroökonomischen
Betrachtungsebenen erforderlich (Gerybadze 1982, S. 7). So basiert die
Wandlungs- und Innovationsfähigkeit einer Unternehmung auf der Lern-
und Veränderungsfähigkeit ihrer Mitglieder und gleichzeitig bewirken die
Innovationsaktivitäten der Unternehmung Wandel und Veränderung auf
Industrieebene. Und in der gegenläufigen Kausalität schaffen verändernde
industrielle Rahmenbedingungen das Antezedens für den Erfolg und Misser-
folg der Innovationsbemühungen der einzelwirtschaftlichen Akteure.
Die evolutorische Ökonomik ist im Bereich der Management- und Organisa-
tionsforschung ein Sammelbecken für verschiedene Erklärungsansätze, die
zwar auf verschiedenen Erklärungs- bzw. Betrachtungsebenen ansetzen und
ihren Ausgangspunkt auf der Mikro- oder Mesoebene haben, die aber die
(meisten der) zuvor genannten Axiome teilen. Zu den wichtigsten Wegbe-
reitern und Vertretern der evolutorischen Perspektive in der Organisations-
40 Michael Stephan

und Managementforschung, welche Alexander Gerybadze inspirierten und


auf die er auch explizit in seinen Forschungsarbeiten zurückgreift, zählen:
í auf der Mikroebene u. a. Karl Weick sowie Richard M. Cyert und James G.
March. Karl Weick (1995, 2001) ist der kognitiven Organisationsforschung
zuzurechnen und verfolgt einen sozialpsychologischen Ansatz. Er verknüpft
sozialpsychologische Konzepte mit evolutionsbiologischen Erkenntnissen
und weitet damit den epistemologischen und inhaltlichen Rahmen der kogni-
tiven Organisationsforschung (Wetzel 2001, S. 159). Er beschreibt Organisa-
tionen nicht als statisches Gebilde, sondern begreift das Organisieren als dy-
namischen Prozess. Organisieren beinhaltet Weick zufolge vor allem sinn-
stiftende Aktivitäten, bei denen Umweltsituationen interpretiert und gedeutet
werden (‚Sensemaking‘). Diese Sinnstiftung schließt aber auch Prozess-
schritte des Gestaltens der Umwelt ein (‚Enactment‘), in denen durch be-
wusste Selektion relevanter Umweltausschnitte und Wahl von Interpre-
tationsmustern die soziale Realität aktiv gestaltet wird. Die Arbeiten von
Richard M. Cyert und James March zum organisationalen Lernen werden in
der Regel nicht dem evolutionsökonomischen Lager zugeordnet, sondern
vielmehr der verhaltenswissenschaftlichen Theorie der Unternehmung (vgl.
auch Murmann et al. 2003, S. 23). Dennoch schaffen Cyert und March mit
ihrem Modell zum organisationalen Lernen wichtige evolutorische Grund-
lagen. Sie übertragen Verhaltensmodelle des individuellen Lernens auf das
Lernen in der Organisation. Lernprozesse werden durch externe Ver-
änderungen ausgelöst und erweitern den Handlungs- und Entscheidungs-
horizont von Organisationen. Entscheidungen und Handlungen, die zu einer
unbefriedigenden Zielerfüllung führen, werden, dem evolutorischen Selekti-
onsmechanismus folgend, von der Organisation nicht reproduziert, erfolgrei-
che dagegen institutionalisiert. Organisationen lernen aus ihren Erfahrungen
(Pawlowsky/Neubauer 2001, S. 261).
í auf der Mesoebene u. a. Howard E. Aldrich (1979), der in seinem Ansatz die
Entwicklung von Unternehmen in einem kohärenten Modell mithilfe der
evolutorischen Grundprinzipien der Variation, Selektion und Retention er-
klärt. Dem Ansatz zufolge lässt sich der Erfolg oder Misserfolg von Unter-
nehmen damit erklären, wie gut sich ihre Eigenschaften bzw. Merkmale
(„Traits“) in der Selektionsumgebung bewähren („Organizational fitness“).
Evolution, Innovation und Wettbewerb 41

í auf der Makroebene u. a. Michael Hannan und John Freeman (1977) sowie
Richard Nelson und Sidney Winter (1982). Hannan und Freeman verbinden
in ihrem Ansatz zur Population Ecology (Populationsökologie) soziologi-
sche und industrieökonomische Erkenntnisse mit dem Darwin’schen Schema
und beschäftigen sich mit der Entwicklung von Unternehmenspopulationen
in Wechselwirkung mit anderen Populationen und ihrer Umwelt. Die einer
Population zugehörigen Unternehmen zeichnen sich durch eine gemeinsame
Grundstruktur aus, also z. B. durch ähnliche Ressourcenprofile und/oder
ähnliche Strategien und Geschäftsmodelle. Die evolutorischen Ansätze und
Forschungsarbeiten von Nelson und Winter aus den 1970er und -80er Jahren
bauen explizit auf den Arbeiten Schumpeters auf. Nelson und Winter bezie-
hen sich jedoch nicht nur auf Schumpeter. Durch die Synthese der Arbeiten
von Schumpeter, den verhaltenswissenschaftlichen Erklärungsansätzen ins-
besondere von Simon (1955) und Cyert und March (1963) sowie anderer
evolutorischer Ansätze, z. B. Alchian (1950), haben sie ein Fundament zur
Formulierung und Formalisierung einer modernen Theorie der Industrieevo-
lution gelegt – ein Fundament welches die Mikrofundierung auf Unterneh-
mensebene einschließt und als Wegbereiter für die Entwicklung der ressour-
cen- und kompetenzbasierten Perspektive (vgl. u. a. Barney 1991; Teece et
al. 1997) in der Managementforschung angesehen werden kann.
Von den hier skizzierten Ansätzen und Vertretern der evolutorischen Per-
spektive hat ohne Zweifel der Ansatz von Nelson und Winter den größten
Einfluss auf das Werk von Alexander Gerybadze und seine Beiträge zur
Entwicklung einer evolutorischen Theorie der Unternehmung ausgeübt.
Insbesondere in seiner Dissertationsschrift hat sich Gerybadze ausführlich
mit dem evolutorischen Ansatz von Nelson und Winter auseinandergesetzt.
Aus diesem Grund wird dieser Ansatz im folgenden Kapitel III auch einer
detaillierteren Betrachtung unterzogen.

3. Anforderungen an eine evolutorische Theorie der Unternehmung


Auf welchen Axiomen beruht eine evolutorische Theorie der einzelwirt-
schaftlichen Unternehmung und welche Fragestellungen stehen im Mittel-
punkt des Erkenntnisinteresses? Natürlich muss auch eine evolutorische
Theorie die elementaren Fragen nach der Existenz und dem Erfolg von ein-
zelwirtschaftlichen Unternehmungen erklären. Aus dem Grundaxiom der
evolutorischen Ökonomik, welches die permanente Veränderungsdynamik
42 Michael Stephan

bzw. Ungleichgewichtssituation in den Mittelpunkt des Wirtschaftens rückt,


leitet sich eine weitere Fragestellung ab: Wie verhalten sich (erfolgreiche)
Unternehmen im Wandel? Wie reagieren sie auf Veränderungen und wie
prägen sie Veränderungen in ihrer Umwelt aktiv durch das eigene Handeln
mit? Im Mittelpunkt des Interesses der evolutorischen Theorien der Unter-
nehmung stehen unternehmerische Lernprozesse, welche die Grundlage für
Produkt-, Prozess- und organisationale Innovationen der Unternehmen bil-
den. Das Handeln des Managements ist in der evolutorischen Unterneh-
mensführung nicht durch das Streben nach Optimierung des kurzfristigen
Gewinns, sondern durch den Wunsch nach Verbesserung der Lern- und da-
mit Innovationsfähigkeit geleitet (vgl. u. a. Macharzina/Wolf 2012, S. 78).
Die strategischen und organisationalen Grundlagen der Innovationsfähigkeit
von Unternehmen bilden ein Leitmotiv in den Forschungsarbeiten von
Gerybadze. Diesem Thema hat er nicht nur zahlreiche Forschungsaufsätze,
sondern auch sein Lehrbuch zum Technologie- und Innovationsmanagement
gewidmet (Gerybadze 2004).
In der evolutorischen Perspektive werden die Lern- und Innovationsprozesse
von Unternehmen maßgeblich durch ihre Ressourcenposition beeinflusst.
Evolutorische Theorien gehen von der Heterogenität des Ressourcenbestan-
des von Unternehmen aus. Eben auf diese heterogenen und spezifischen
Ressourcenprofile sind die Ungleichgewichte im Wettbewerb zwischen
Unternehmen zurückzuführen. Ferner endogenisieren evolutorische Theo-
rien den Wandel auch auf Unternehmensebene und berücksichtigen explizit,
dass sich der Ressourcenbestand, aber auch die Zielsetzungen der Unterneh-
men ändern können bzw. sogar müssen, um langfristig erfolgreich zu sein
(Freiling/Reckenfelderbäumer 2007, S. 43). Mit dem Zusammenspiel von
Innovation und der Ressourcenposition von Unternehmen hat sich Gerybad-
ze intensiv in seiner Dissertation beschäftigt (Gerybadze 1982).
Die unternehmensspezifische Ressourcenbasis kann den Erfolg von Unter-
nehmen im inkrementellen Wandel begründen, aber auch Last im diskonti-
nuierlichen Wandel sein. In der evolutorischen Theorie sind Pfadabhängig-
keiten (in der Ressourcenakkumulation) auch in der einzelwirtschaftlichen
Betrachtung des Unternehmens von zentraler Bedeutung. Der Entwicklungs-
pfad von Unternehmen ist durch die aktuelle Ressourcenbasis und damit
durch Entscheidungen in der Vergangenheit geprägt. Das Ergebnis der Ent-
wicklung entspricht unter Wettbewerbsbedingungen nicht immer der opti-
Evolution, Innovation und Wettbewerb 43

malen Allokation von Ressourcen (March 1994; Stephan 2014). Eine zentra-
le Fragestellung in der evolutorischen Perspektive ergibt sich in der Folge,
wie Unternehmen aus dieser Pfadabhängigkeit ausbrechen können. Der
„Ausbruch“ aus vorgezeichneten Entwicklungspfaden kann durch explora-
tive interne Lernprozesse angestoßen werden. Der „Ausbruch“ kann aber
auch durch den Zugriff auf unternehmensexterne Ressourcen gelingen. Mit
dem Zugriff auf externe Ressourcen rückt eine weitere Fragestellung in das
Scheinwerferlicht der mikroökonomischen evolutorischen Theorie, nämlich
die Frage nach den organisatorischen Grenzen bzw. externen Schnittstellen
von Unternehmen. Auch diesem Thema hat sich Alexander Gerybadze aus-
giebig gewidmet, z. B. im Rahmen seiner Habilitationsschrift „Strategic
Alliances and Process Redesign“ (Gerybadze 1995).
Über die genannten Axiome und Relevanz der aufgeworfenen Frage-
stellungen besteht in der mikroökonomischen evolutorischen Forschung
weitestgehend Einigkeit. Dennoch bleibt eine zentrale und oft gestellte Fra-
ge hinsichtlich der Komposition einer mikroökonomischen Theorie der Un-
ternehmung offen, nämlich die Frage nach der Verankerung bzw. Einbettung
auf der Mikro- und Makroebene: Wie viel Mikrofundierung ist einerseits
notwendig, um die Lern- und Innovationsprozesse in den Unternehmen
nachvollziehen zu können, und wieviel Makrobezug ist auf der anderen
Seite erforderlich, um das Wechselspiel zwischen Industrie- und Unterneh-
mensevolution verstehen zu können? Gerybadze betont die Bedeutung der
Kommensurabilität der evolutorischen Theorie der Unternehmung mit den
Erkenntnissen aus der Mikrofundierung:
„evolutionary theories of economic change call for a new micro-foundation which is dis-
tinctly different from orthodox microeconomic theory. Even though evolutionary econo-
mists do not necessarily have to delve into the micro-micro world of business behaviour
and organization, their analysis of the behaviour of aggregates must be in consonance with
underlying assumptions about the behaviour and the capabilities of ‚stylized‘ business
firms“ (Gerybadze 1995a, S. 4).

Die Hauptanforderung sieht er aber, unter Bezugnahme auf Nelson und Win-
ter (1982), in der engen Vertaktung der Theorie der Unternehmung mit der
Makroebene:
„The task of developing an evolutionary theory of the firm lies primarily in building an
explicit theory of industry behaviour, and not so much in a detailed analysis of individual
firm behavior.“ (Gerybadze 1995a, S. 4).
44 Michael Stephan

Alexander Gerybadze hat sich in sehr vielen seiner Arbeiten mit evolutions-
ökonomisch relevanten Themen beschäftigt und zahlreiche Bausteine für
eine evolutorische Theorie der Unternehmung geschaffen. In seinem wissen-
schaftlichen Oeuvre stechen aber doch zwei Arbeiten heraus, in denen er
sich sehr fokussiert mit der Bildung einer evolutorischen Theorie der ein-
zelwirtschaftlichen Unternehmung beschäftigt hat. Im Folgenden werden die
Beiträge seiner Dissertationsschrift („Innovation, Wettbewerb und Evoluti-
on“, 1982) und seiner Habilitationsschrift („Strategic Alliances and Process
Redesign“, 1995) zur Theoriebildung dargestellt und gewürdigt.

III. Evolutorische Theorie der Innovation und die Rolle der Unter-
nehmung: Beiträge der Dissertationsschrift
Ziel der Dissertationsschrift von Alexander Gerybadze ist es, „Ein Konzept
zu entwerfen, um die Theorie des technischen Wandels einzubetten in die
Marktprozesstheorie einerseits und die Theorie des Gleichgewichts anderer-
seits (Gerybadze 1982, S. III).“ Gerybadze legt hierbei wichtige Grundlagen
für die Entstehung einer evolutorisch geprägten ökonomischen Theorie der
Innovation unter Verknüpfung von makro- und mikroökonomischen Be-
trachtungen. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich auch explizit mit
der Rolle der Unternehmung im Prozess des technologischen Wandels. Zent-
raler Anknüpfungspunkt in seiner Dissertationsschrift ist neben den Arbeiten
Schumpeters vor allem die evolutorische Theorie von Richard R. Nelson
und Sidney G. Winter (1982), die ebenfalls das innovierende Unternehmen
in den Mittelpunkt ihrer evolutorisch geprägten industrieökonomischen
Analysen stellen.

1. Die evolutorische Theorie von Nelson und Winter als Grundlage


der Dissertationsschrift
Die U. S.-amerikanischen Ökonomen Richard R. Nelson und Sidney G.
Winter haben sich in den 1960er und frühen 1970er Jahren mit der Wirkung
von technologischem Fortschritt und Innovationen auf den Wettbewerb und
das wirtschaftliche Wachstum beschäftigt. Eine wichtige Rolle spielen in
ihren Arbeiten und Simulationen auch die Rahmenbedingungen des techno-
logischen Fortschritts, insbesondere das nationale Innovationssystem. In den
späten 1970er und 1980er Jahren haben Nelson und Winter dann damit be-
Evolution, Innovation und Wettbewerb 45

gonnen, die Mikroebene, d. h. das individuelle Verhalten von Unternehmen


im Innovationsprozess in ihre Simulationen und Modelle einzubeziehen.
Durch die Verbindung der Meso- und Makroebene in der industrie-
ökonomischen Analyse der Wirkung von Innovationen haben Nelson und
Winter wichtige Grundlagen für die evolutorische Theorie der innovierenden
Unternehmung gelegt.
Der evolutorische Ansatz von Nelson und Winter baut explizit auf den Ar-
beiten Schumpeters auf:
„The influence of Joseph Schumpeter is so pervasive in our work that it requires particular
mention here. Indeed, the term ‚neo-Schumpeterian‘ would be as appropriate a designation
for our entire approach as ‚evolutionary‘.“ (Nelson/Winter 1982, S. 39).

Nelson und Winter beziehen sich jedoch nicht nur auf Schumpeter. Durch
die Synthese der Arbeiten von Schumpeter, den verhaltenswissenschaftli-
chen Erklärungsansätzen insbesondere von Simon (1955) und Cyert und
March (1963) sowie anderer evolutorischer Ansätze, z. B. Alchian (1950),
haben sie ein Fundament zur Formulierung und Formalisierung einer mo-
dernen Theorie der Industrieevolution gelegt – ein Fundament welches eine
Mikrofundierung auf Unternehmensebene einschließt und als wichtiger
Wegbereiter für die Entwicklung der ressourcen- und kompetenzbasierte
Perspektive zum dominanten Paradigma in der Managementforschung ange-
sehen werden kann (Stephan 2014, S. 236).
Ursprüngliches Ziel von Nelson und Winter in ihren frühen Arbeiten war es,
durch eine Formalisierung der verbalen Überlegungen und Modelle Schum-
peters einen Beitrag zur Weiterentwicklung der innovationsorientierten The-
orie der Unternehmung, des Wettbewerbes und des industriellen Wandels zu
leisten (vgl. Nelson/Winter 1982, S. 39 ff.; 1973, S. 440 ff.; 1974, S. 886;
1977, S. 271 ff.). In ihren Partialmodellen für einzelne Industrien spezifizie-
ren sie Verhaltensregeln der Unternehmen, die Bedingungen des Faktor-
angebots, der Endnachfrage und die Menge der technologischen Möglichkei-
ten im Innovationswettbewerb (Gerybadze 1982, S. 116). Gerade durch die
Spezifikation von Verhaltensregeln wird die unternehmerische Perspektive
explizit in die Modelle einbezogen. Nelson und Winter leisten damit Pio-
nierarbeit bei der Integration von industrieökonomischen und mikro-
ökonomischen Theorien der Unternehmung. Die Verhaltensregeln leiten sie
aus verhaltenswissenschaftlichen (behavioristischen) Theorien, insbesondere
46 Michael Stephan

aus den grundlegenden Arbeiten von Simon (1955) sowie von Cyert und
March (1963) ab. Gerybadze (1982, S. 118) bemerkt hierzu:
„Die Besonderheit der Modelle von NELSON und WINTER liegt in der ‚Synthese‘ der
Theorien von SCHUMPETER und den Arbeiten der behavioristischen Schule. Von der
behavioristischen Theorie entlehnen sie die Annahmen über das Verhalten von Firmen,
von SCHUMPETER das allgemeine Verständnis kapitalistischer Wettbewerbs- und Ent-
wicklungsprozesse.“

Die Verhaltensannahmen zu den Unternehmen beinhalten folgende Elemente


(Nelson/Winter 1982, S. 35): In komplexen Entscheidungssituationen (z. B.
im Innovationsmanagement) handeln Akteure beschränkt rational; meist
kommen einfache Entscheidungsregeln (Heuristiken) zum Einsatz, welche
das Handeln leiten; „Firms satisfice“ – Unternehmen haben meist keine
universal gültige Zielfunktion, die sie zu maximieren versuchen, sie sind
vielmehr auf einen Interessenausgleich ihrer Anspruchsgruppen bedacht. Die
behavioristische Fundierung begründen Nelson und Winter mit den Beson-
derheiten bei der Durchsetzung von Innovationen: Gerade in ungewohnten,
neuartigen Situationen müssen andere Annahmen als in der orthodoxen ne-
oklassischen Theorie über das Verhalten von Unternehmen (und Individuen)
gelten (vgl. Gerybadze 1982, S. 117).
In ihrem Hauptwerk „An Evolutionary Theory of Economic Change“ aus
dem Jahr 1982 fassen Nelson und Winter ihre Arbeiten in einem kohärenten
Bezugsrahmen zusammen und entwickeln einen evolutorischen Ansatz des
innovationsgetriebenen technologischen und wirtschaftlichen Wandels. Ana-
lysefokus im Kernmodell ist das Innovationsgeschehen und die Evolution in
Industrien: Unternehmen betreiben Forschung und Entwicklung und können
mittels von Innovationen einen (technischen) Vorsprung gegenüber Wettbe-
werbern erzielen. Durch Imitationsbemühungen kommt es zur Diffusion des
technologischen Wissens im Markt. Wettbewerber versuchen den technolo-
gischen Vorsprung des Pionierunternehmens aufzuholen, der seinerseits
mittels Innovationen den Vorsprung halten und ausbauen möchte. Dieses
Kernmodell basiert auf drei grundlegenden Bausteinen, wobei insbesondere
der erste und zweite Baustein den Bezug zur verhaltenswissenschaftlichen
Theorie der Unternehmung herstellen:
Evolution, Innovation und Wettbewerb 47

1. Baustein: Organisatorischen Routinen (Fähigkeiten)


2. Baustein: Suchstrategien (Suchroutinen) von Unternehmen, sowie
3. Baustein: Marktliche und industrielle Rahmenbedingungen.
In Analogie zu evolutionsbiologischen Entwicklungsprozessen lassen sich
mit den drei Bausteinen Innovations- und Entwicklungsprozesse im darwi-
nistischen Sinne beschreiben. Organisatorische Routinen haben im Modell
von Nelson und Winter die Rolle von Genen, welche die Unternehmen prä-
gen. Die Suchstrategien der Unternehmen können durch ihren z. T. stochas-
tischen Charakter zu zufälligen Mutationen und damit zu Variation führen:
„Routines in general play the role of genes in our evolutionary theory. Se-
arch routines stochastically generate mutations.“ (Nelson/Winter 1982,
S. 400). Die marktlichen und industriellen Rahmenbedingungen fungieren
schließlich als Selektionsumgebung. Sie sind dafür verantwortlich, dass
Unternehmen mit ihren Innovations- oder Imitationsaktivitäten im Wettbe-
werb Erfolg haben. Die Rahmenbedingungen werden bestimmt durch die
Eigenschaften und das Verhalten der Wettbewerber, der Zulieferer sowie der
Kunden im Markt. Analog zur Evolutionsbiologie beschreibt der evoluto-
rische Ansatz das Wachstum von Populationen. Es geht also vordergründig
nicht um das Wachstum einzelner Unternehmen, sondern um die Entwick-
lung der Population all jener Unternehmen, die den betreffenden Genotyp
(Routinen) besitzen oder die betreffenden Routinen imitieren. Unternehmen
sind in diesem Bezugsrahmen fähig, von erfolgreich innovierenden Unter-
nehmen zu lernen und zu imitieren und ihre organisatorischen Fähigkeiten
(Routinen) entsprechend anzupassen. Streng genommen handelt es sich also
nicht um ein Modell im darwinistischen, sondern eher im lamarckschen
Sinn. Dieser Bezugsrahmen bildet die Grundlage für Simulationen, die Nel-
son und Winter modellieren, um die Auswirkungen von Innovationen auf die
Industriestruktur, aber auch die Auswirkungen der Industriestruktur auf die
Innovationstätigkeit und den technologischen Wandel zu analysieren.

2. Überblick über die Dissertationsschrift von Alexander Gerybadze


In seiner Dissertation „Innovation, Wettbewerb und Evolution“ knüpft Ale-
xander Gerybadze an die Forschungsarbeiten von Nelson und Winter aus
den 1970er Jahren an und skizziert eine evolutorische Theorie der Inno-
vation und des technologischen Wandels. Analog zur methodischen Vor-
gehensweise von Nelson und Winter entwickelt auch Gerybadze Modellsi-
48 Michael Stephan

mulationen des Innovationswettbewerbs. Bevor im Folgenden auf die Wei-


terentwicklung der Modelle von Nelson und Winter eingegangen (III.3) und
der Beitrag zur Entwicklung einer evolutorischen Theorie der Unterneh-
mung herausgearbeitet wird (III.4), sollen zunächst die zwei zentralen Per-
spektiven in der Schrift hervorgehoben werden.
Die Dissertation ist geprägt durch eine Prozessperspektive, in der Innova-
tionsprozesse und insbesondere die Analyse von Diffusionsprozessen im
Mittelpunkt stehen. Im Fokus der Diffusion steht die Angebotsseite: Wie
verbreiten sich technologische Innovationen über die Zeit unter den Wettbe-
werbern einer Branche bzw. im Wechselspiel zwischen Branchen und wel-
che Auswirkung hat dies auf den Erfolg der Unternehmen und die Industrie-
struktur? Mit dieser Prozessperspektive ist die Schrift nicht nur geprägt von
den Arbeiten von Nelson und Winter und natürlich auch durch die Pionier-
arbeiten Schumpeters. Gerybadze (1982, S. 8) beruft sich ferner auch expli-
zit auf die Ansätze der „Österreichischen Schule“. „Ein prozeßtheoretischer
ökonomischer Ansatz der Innovationsforschung weist mehrere methodische
Parallelen zu den Arbeiten der österreichischen Schule auf.“ Bei der „Aus-
trian School“ handelt es sich nicht um eine in sich homogene theoretische
Schule, vielmehr umfasst sie eine Gruppe von heterodoxen Ökonomen, die
sich in Abgrenzung zur Neoklassik auf die Analyse evolutorischer Prozesse
im Kontext wirtschaftlicher Abläufe und Handlungen konzentrieren. Durch
die Betonung der evolutorischen Akkumulation von Wissen durch den Un-
ternehmer und die Betrachtung der dynamischen Unsicherheit bietet die
Austrian School wichtige Anknüpfungspunkte für die Innovationsforschung.
„Der zeitlosen Analyse von Gleichgewichtszuständen seitens dieser Schule [der Neoklas-
sik; Anm. d. Verf.] stellen österreichische Ökonomen die Untersuchung zeitlicher Abfol-
gen von Handlungen gegenüber; der Begriff der Zeit hat für C. MENGER, BÖHM-
BAWERK und V. HAYEK einen zentralen Stellenwert für die ökonomische Analyse“
(Gerybadze 1982, S. 8). […] Mit der Betonung der Zeitdimension steht in der Österreichi-
schen Schule nicht die Analyse von Gleichgewichtszuständen im Vordergrund, sondern
die Untersuchung der Anpassungsprozesse.“

Neben der Prozessperspektive prägt die Dissertationsschrift auch der res-


sourcenorientierte Blick auf die innovierenden und imitierenden Unterneh-
men. Unternehmensspezifisches Wissen ist für Gerybadze die entscheidende
unternehmerische Ressource im Innovationsprozess. Er integriert in seine
Modelle explizit die Prozesse der Identifikation und Absorption von exter-
Evolution, Innovation und Wettbewerb 49

nem Wissen durch die Unternehmen. Die Prozesse der „Internalisierung“


von externem Wissen und der Akkumulation von technologischem „Know-
how“ durch Forschung und Entwicklung sind in den Modellen elementar für
das Verständnis der Diffusionsprozesse und des technologischen Wandels.
Mit dieser ressourcenorientierten Sicht taucht er in der Analyse der Unter-
nehmen tiefer in die Mikroebene ein als Nelson und Winter mit den Konzep-
ten der organisationalen Routinen und Suchroutinen.

3. Kritik und Weiterentwicklung des Modells von Nelson und Winter


Nelson und Winter gehen in ihren Modellen davon aus, dass Innovationsan-
strengungen von Unternehmen stets zu einer Verbesserung und damit zu
einer „Aufwärtsbewegung“ führen. Gerybadze (1982, S. 14) kritisiert diese
einschränkende Annahme: „Unternehmen können sich nicht mehr darauf
verlassen, daß eine vermutete technische Weiterentwicklung auch tatsäch-
lich zu einer ‚Aufwärtsbewegung‘ führt“. Nelson und Winter rechtfertigen
diese Annahme dadurch, dass sie sich auf reine Prozessinnovationen be-
schränken, die ausschließlich unternehmensintern wirken und zu Kostensen-
kungen führen. An diesem restriktiven und neuralgischen Punkt in der Theo-
rie von Nelson und Winter setzt Gerybadze (1982, S. 153) an und benennt
drei zentrale Kritikpunkte, an die er mit seinen Modellen anknüpft:
(1) Nelson und Winter analysieren in ihren Modellen ausschließlich Prozess-
innovationen. Produktinnovationen bleiben unberücksichtigt, obwohl sie im
Prozess des technologischen Wandels die zentrale Rolle einnehmen.
(2) Nelson und Winter betrachten nur prozesstechnologischen Wandel, der
sich „disembodied“ vollzieht, also auf der geistigen, stofflosen Ebene bleibt
und keine realen Investitionen nach sich zieht. In der Praxis gehen aber
Prozessinnovationen meist mit Investitionen in neue Maschinen, Werkzeuge
oder Anlagen einher. Unternehmen, welche auf neue Prozesstechnik setzen,
werden auch auf Investitionsgüter aus anderen Industrien angewiesen sein.
(3) Infolge des Ausblendens von Investitionsgütern als Grundlage für Pro-
zessinnovationen werden in den Modellen von Nelson und Winter auch
keine Wechselbeziehungen zwischen Anwendern und Herstellern von Inves-
titionsgütern berücksichtigt, obwohl diese den Ablauf von Innovations-
prozessen maßgeblich beeinflussen können.
50 Michael Stephan

Im Kernteil der Schrift entwickelt Gerybadze drei Modellrahmen für seine


Simulationen, die jeweils einen der oben genannten Kritikpunkte aufgreifen
und z. T. aufeinander aufbauen:
„Wir wollen im weiteren Verlauf […] prozeßtheoretische Modelle der Produktinnovation,
des ‚embodied‘ sich vollziehenden technischen Wandels und des Zusammenspiels zweier
Industrien entwickeln. Die Art und Geschwindigkeit des technischen Wandels ist unserer
Theorie zufolge nicht allein auf die Gesamtheit der Suchaktivitäten innerhalb der einzel-
nen Industrien zurückzuführen, sondern vor allem auf die Koordination vielfältiger, von
Firmen in vielen Industrien unabhängig voneinander verfolgter Neuerungsschritte, die sich
über Märkte vollzieht.“

Im ersten Modellrahmen analysiert Gerybadze die Wirkung von Produkt-


innovationen. Er fokussiert dabei inkrementelle Innovationen, welche an der
Qualität der Produkte ansetzen. Bei der Analyse von Produktinnovationen,
ist die restriktive Annahme der „stetigen Aufwärtsbewegung“ von Nelson
und Winter nicht zu rechtfertigen, zumal sich Produktinnovationen im Wett-
bewerb durchsetzen und im Markt bewähren müssen. Nicht jede Produkt-
innovation wird eine breite Diffusion im Markt erfahren. In der Basis-
simulation führen anhaltende inkrementelle Innovationen zu verstärkter
Konzentration im Wettbewerb. Etablierte Technologieführer profitieren
durch ihr „aggressives“ Investitionsverhalten, „da die technologischen Spit-
zenreiter absolut und relativ sehr viel höhere Gewinne erzielen als bei ge-
ringem […] technologischen Wandel“ (Gerybadze 1982, S. 200). Je höher
aber die F&E-Aufwendungen sind und je geringer die Nachfrage nach neuen
Produkten ist, desto weniger profitieren die Technologieführer von ihren
inkrementellen Innovationsbemühungen und desto geringer sind die Kon-
zentrationseffekte. Insbesondere der Nachfrage kommt eine entscheidende
Rolle zu. Gerybadze (1982, S. 217 f.) zeigt, dass der Erfolg mit inkremen-
tellen Produktinnovationen stark vom Adaptionsverhalten der Nachfrage,
d. h. von der Geschwindigkeit der Nachfrageentwicklung nach dem neuen
Produkt abhängt. Die Nachfrageentwicklung beeinflusst zudem das Ausmaß,
in dem sich imitierende Unternehmen auf die Produktion der neuen Güter
einstellen und sich der Diffusionsprozess der Produktinnovation vollzieht.
Im zweiten Modellrahmen rückt Gerybadze diesen Diffusionsprozess von
Innovationen im Wettbewerb zwischen Unternehmen einer Industrie in den
Mittelpunkt seiner Analysen. Ausganspunkt des Modells sind Produktinno-
vationen in einer vorgelagerten Industrie, welche als Investitionsgüter in der
Evolution, Innovation und Wettbewerb 51

analysierten Branche zum Einsatz kommen. Die Umstellung auf die „neu-
artigen Produzentengüter“ bewirkt in der analysierten Branche Prozess-
innovationen, welche den innovierenden bzw. adaptierenden Unternehmen
eine Erhöhung der Produktivität ermöglichen. Im Gegensatz zu Nelson und
Winter vollzieht sich der prozesstechnologische Wandel damit „embodied“
und es treten Wechselwirkungen bzw. Koordinationsprobleme zwischen den
beiden Industrien auf:
„Fragen beispielsweise viele Firmen der Industrie II ein neuartiges Produzentengut nach,
das nur von einer einzigen Firma der Industrie I [vorgelagerte Industrie; Anm. d. Verf.]
angeboten wird, so ist der Markt für dieses Gut durch ein technologisch bedingtes Ange-
botsmonopol gekennzeichnet. Der Preis für das neue Produzentengut wird dann relativ
hoch sein und die möglichen Gewinne für frühe Adopter sind gering“ (ebd., S. 244 f.).

Kern des Modells ist ein „kompetitiver Diffusionsprozess“, der aufzeigt, wie
der Wettbewerbsmechanismus in einer Industrie unter Unsicherheiten die
Umstellung auf bzw. Adaption von neuen Prozesstechnologien auslöst, ver-
stärkt oder hemmt. Die Wettbewerber in der Industrie sind heterogen und
unterscheiden sich dabei hinsichtlich ihrer Verhaltensweisen und Fähigkei-
ten, die bislang ungenutzten Prozesstechnologien anzuwenden. Die Modell-
simulationen zeigen u. a., welch wichtige Rolle den Fähigkeiten von Unter-
nehmen im Innovationswettbewerb zukommt: Durch „aggressives Investiti-
onsverhalten“ und den Aufbau technologischer Fähigkeiten können die frü-
hen Adaptoren, d. h. die Pioniere der Anwendung von Prozessinnovationen,
einen Know-how-Vorsprung aufbauen und ihre überlegenen Fähigkeiten
erfolgswirksam im Wettbewerb einsetzen.
Im dritten Modellrahmen analysiert Gerybadze konkret das Zusammenspiel
zwischen den Herstellern und Anwendern neuer Investitionsgüter:
„Innovationsprozesse sind zu einem wesentlichen Teil Prozesse der interindustriellen Ko-
ordination komplementärer Handlungen. Die Art der Koordination entscheidet darüber, ob
und wo technischer Wandel eingeleitet wird und wie erfolgreich (bzw. verlustreich) die
Innovationshandlungen für die Beteiligten sind“ (ebd., S. 303).

Im Kontext des dritten Modellrahmens werden die Abstimmungsprozesse


zwischen Unternehmen aus der herstellenden und anwendenden Industrie
genauer analysiert. Der Koordinationsprozess kann einerseits über Preise
und Gewinne, andererseits aber auch durch Informationsaustausch und Ko-
operation erfolgen (ebd., S. 304). In diesem Kontext thematisiert Gerybadze
auch das Phänomen des „demand-pull“, in dem Unternehmen aus der an-
52 Michael Stephan

wendenden Industrie noch nicht am Markt befindliche Investitionsgüter über


direkte Beziehungen zu den Herstellern anregen bzw. einfordern:
„Eine Firma der Industrie II entdeckt z. B. ein bestimmtes neues Produktionsverfahren,
kann aber die dafür erforderlichen Werkzeuge und Maschinen nicht selbst herstellen. Sie
formuliert ihr Problem gegenüber einer Firma der Industrie I, die sich nunmehr um die
Entwicklung eines Produzentengutes mit den gewünschten Merkmalen bemüht.“ (ebd.,
S. 321).

4 Fazit: Beiträge der Dissertation zur evolutorischen Theorie der


Unternehmung
Sowohl in Rahmen seiner konzeptionellen Modellbildung als auch in den
Modellsimulationen leistet Alexander Gerybadze drei substanzielle Beiträge
für die Entwicklung einer evolutorischen Theorie der Unternehmung:
(1) Erfolgreiche Unternehmen innovieren und imitieren zugleich: Die Evo-
lution von Unternehmen (und Industrien) im Wettbewerb basiert sowohl auf
Innovations- als auch auf Imitations- und Anpassungsprozessen. Gerybadze
(1982, S. 75) betont in seiner Theorie explizit die beiden Rollen des Unter-
nehmers als Innovator und Imitator:
„Unternehmer verkörpern die zwei genannten Rollen in einer Person; sie führen dadurch
die beiden Funktionen des Wettbewerbssystems aus. Im Rahmen der Anreizfunktion ver-
halten sie sich als Auslöser von Veränderungsprozessen und ‚zerstörerischen‘ Kräften. Im
Zusammenhang mit der Allokationsfunktion wirken sie als Anpasser an neue Gleichge-
wichtszustände. […] innovatives und imitatives Handeln sind als ‚langfristige Arbitrage‘
anzusehen.“

(2) Grundlage für erfolgreiche Innovation und Adaption ist die Wissensbasis
von Unternehmen: Das Innovations- und Adaptionsverhalten von Unterneh-
men wird in den Modellen maßgeblich durch ihre Ressourcenausstattung
geprägt und im Mittelpunkt steht die Ressource Wissen:
„Die Fähigkeit zur Übernahme neuer Techniken hängt zum einen davon ab, in welchem
Maße sich die Firmen Informationen beschaffen können. […] Zum anderen unterscheiden
sich die Firmen auch bei gleichem Informationsstand hinsichtlich der Interpretation und
Umsetzung ihrer Kenntnisse. Die Verfügbarkeit über anwendbares technisches Wissen ist
ein Bestandteil der Ressourcenausstattung von Firmen. […] Die Ressourcenausstattung
insgesamt entscheidet über die Fähigkeiten von Firmen zur Übernahme technischer Neue-
rungen.“ (ebd., S. 239).
Evolution, Innovation und Wettbewerb 53

Die Ressourcenausstattung ist gleichermaßen bedeutsam für den Erfolg der


F&E-betreibenden wie der imitierenden Unternehmen.
(3) Der erfolgreiche Aufbau einer unternehmerischen Wissensbasis bedingt
Absorptions- und Akkumulationsprozesse: Innovationsprozesse basieren in
den Modellen auf Prozessen des Transfers und der Diffusion von Wissen.
Erfolgreich innovierende bzw. adaptierende Unternehmen müssen nicht nur
in der Lage sein, eigenes Wissen intern über F&E zu akkumulieren, sondern
auch externes Wissen zu absorbieren. Zu dieser „Internalisierung techno-
logischer Möglichkeiten“ stellt er mehrere „Thesen“ auf (ebd., S. 77 ff.):
í „Wissenschaftlich-technische Internalisierung“: Unternehmen greifen das
allgemein verfügbare wissenschaftlich-technische Grundlagenwissen auf
und ergänzen dieses durch unternehmensinterne, angewandte Forschung und
Entwicklung, durch die das allgemein verfügbare Wissen erst verstanden
und nutzbringend eingesetzt werden kann. Dieser Prozess der Internalisie-
rung bzw. Absorption von allgemein verfügbarem Wissen führt zum Aufbau
der unternehmensspezifischen Wissensbasis.
í „Internalisierung unter Rivalen“: Innovative Unternehmen betreiben F&E
und tragen durch Spillover-Effekte zur Weiterentwicklung des Wissens-
standes auch von Konkurrenten bei:
„Selbst wenn ihre Forschungsergebnisse nur spezielles Wissen umfassen, gibt es stets an-
dere Firmen, die sich z. B. aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur selben Branche dieses Wissen
zu eigen machen können.“ (Gerybadze 1982, S. 79).

í „Internalisierung innerhalb vertikaler Marktstrukturen“: Innovationsprozesse


sind gekennzeichnet durch die Interaktion und Koordination von Aktivitäten
zwischen Unternehmen aus verschiedenen Wertschöpfungsstufen und In-
dustrien. In seinen Modellsimulationen thematisiert Gerybadze beispielhaft
die Wechselbeziehungen zwischen den Herstellern neuartiger Investitions-
güter, die als Prozessinnovationen in der nachgelagerten Industrie zum Ein-
satz kommen. Im Zuge der Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen aus
verschiedenen Industrien und Wertschöpfungsstufen entstehen ebenfalls
Spillover-Effekte, im Zuge von rein marktlichen Zuliefer- und Abnehmerbe-
ziehungen oder im Rahmen von Innovationskooperationen: Die Anwender
der Investitionsgüter lernen von ihren Zulieferern und diese wiederum profi-
tieren vom Anwendungswissen ihrer Kunden.
54 Michael Stephan

In der Gesamtbetrachtung leistet Gerybadze mehrere substanzielle Beiträge


zur Entwicklung der ressourcenorientierten Perspektive im Kontext der evo-
lutorischen Theorie der Unternehmung: Mit der Betonung des Faktors Wis-
sen im Innovationswettbewerb zeigt er, dass Wissen nicht nur eine Schlüs-
selressource für innovierende, sondern auch für imitierende Unternehmen
darstellt und dass auch imitierende Unternehmen für die Adaption von Wis-
sen eigene F&E betreiben müssen. Mit seinen Thesen zur Internalisierung
von technologischem Wissen legt Gerybadze Grundsteine für den Absorpti-
ve Capacity-Ansatz (Cohen/Levinthal 1990): Neben der internen Akkumu-
lation von Wissen ist für innovative Unternehmen auch der Zugriff bzw. die
Absorption von externem Wissen von strategischer Bedeutung.

IV. Kapitaltheoretisch-institutionelle Fundierung der evolutorischen


Theorie: Beiträge der Habilitationsschrift
In seiner Habilitationsschrift entwirft Gerybadze eine evolutorisch geprägte,
ökonomische Theorie der Kooperation. Im Kern der Theorie geht es aber um
eine institutionelle Grundsatzfrage, nämlich unter welchen Bedingungen
Kooperationen im Gegensatz zu Markt- und Hierarchielösungen den besse-
ren Rahmen für die Koordination von Wertschöpfungsaktivitäten bilden:
Warum werden überhaupt Kooperationen initiiert, d. h. welche Anreize gibt
es für ökonomische Akteure, sich in Kooperationen einzubringen und unter
welchen Bedingungen bieten kooperative Governance- und Organisations-
formen eine stabile Basis für dauerhafte Wettbewerbsvorteile (Gerybadze
1995, S. 4)? Zur Beantwortung dieser institutionellen Fragen entwickelt
Gerybadze einen kapitaltheoretischen Bezugsrahmen:
„We will develop a generalized concept of the business firm, of its competitive advantage
and its growth, which is explicitly based on the ownership and control of specific capital
goods.“ (Gerybadze 1995, S. 101).

1. Definition der Kooperation und Ausgangsüberlegungen


Was sind aus institutioneller Perspektive eigentlich Kooperationen? Gery-
badze definiert das institutionelle Arrangement einer Kooperation bzw. ei-
nes kooperativ angelegten Investitionsprojekts mit Hilfe von ökonomischen
Rechtsbegriffen: Im Fall von Kooperationen bringen verschiedene wirt-
schaftliche Akteure zwar produktive Ressourcen bzw. Kapitalgüter in die
Evolution, Innovation und Wettbewerb 55

Kooperation ein, bleiben aber Eigentümer dieser Ressourcen. Sie übertragen


auf die Kooperation jedoch bestimmte Nutzungsrechte an dem Kapitalgut.
Dafür erhalten sie keine Pacht- oder Mieteinnahmen, sondern werden antei-
lig an den zukünftigen Einnahmen aus dem Investitionsprojekt beteiligt.
Gerybadze unterscheidet ‚quoad usum‘- und ‚quoad sortem‘-Einlagen:
‚Quoad usum‘ gleicht dem Verfügungsrecht ‚Usus fructus‘ in der Property
Rights-Theorie und beinhaltet das Recht der gewerblichen Nutzung einer
Ressource. ‚Quoad sortem‘ ist ein weitergehendes Nutzungsrecht bei dem
auch Weisungs- und Kontrollrechte über die Produktivressource an die Pro-
jektorganisation übertragen werden (ebd., S. 8, 95).
Ausgangspunkt der Theoriebildung ist die Überlegung, dass unter bestimm-
ten Bedingungen Kooperationen dauerhafte Wettbewerbsvorteile bieten,
weil sowohl Transaktionslösungen über den Mart als auch die rein hierarchi-
sche Lösung nicht zu einer optimalen Allokation der Ressourcen führen
würden. Dies ist insbesondere bei komplexen Investitionsprojekten der Fall,
welche (a) die koordinierte Einbindung vieler verschiedener Ressourcen
erfordern, welche (b) nicht nur auf verschiedene Akteure verteilt, sondern
auch eng an diese Akteure gekoppelt sind, so dass (c) zu Beginn unklare
Vorstellungen über die optimale Ressourcenkombination vorliegen.
„The efficiency and sustainability of cooperative contract modes must be explained by the
‚difficult‘ or ‚critical‘ assets to be involved in a project, and by a particular pattern of as-
set ownership distribution. If the resources required for a project are closely held by indi-
vidual agents, if ownership titles are difficult to transfer, and if the value of the resources
is strongly dependent on closely-held knowledge, the advantage of cooperative contract
modes outweigh their disadvantages.“ (ebd., S. 8).

Was versteht Gerybadze unter ‚komplexen Investitionsprojekten‘? Zentraler


Betrachtungsgegenstand sind wissensintensive Investitionsprojekte, insbe-
sondere F&E-Projekte, und zu den besonders ‚schwierigen‘ bzw. ‚kriti-
schen‘ Ressourcen gehören Gerybadze zufolge Wissen, vor allem Fähig-
keiten und Erfahrungen:
„we will concentrate our following investigations on those types of cooperative invest-
ment activities which emphasize the objective to jointly access new technologies and
knowledge bases and which are directed at pooling R&D and product development“ (ebd.,
S. 18).
56 Michael Stephan

2. Dynamischer kapitaltheoretischer Kern der Theorie


Zur exakten Klärung der institutionellen Frage der Vorteilhaftigkeit von
Kooperationen entwickelt Gerybadze im Kern seiner Theorie einen kapital-
theoretischen Bezugsrahmen:
„What are the specific conditions under which cooperative modes of governance and or-
ganization are superior to integration within a single firm? The answers to both questions
require a detailed understanding of capital and time.“ (ebd., S. 77).

Wer also die Vorteilhaftigkeit von Kooperationen verstehen will, muss sich
detailliert mit dem Zusammenspiel zwischen dem (Produktiv-)Kapital und
der Zeit auseinandersetzen. Hierfür greift Gerybadze auf die kapitaltheoreti-
schen Grundlagen der österreichischen Schule (u. a. Menger 1871; Böhm-
Bawerk 1921) und neo-österreichischen Kapitaltheorie (Hicks 1973) zurück.
Die Perspektiven beider Schulen sind dynamisch und analysieren die Akku-
mulation sowie die Nutzung von Ressourcen („Kapitalgütern“) sowie Inter-
dependenzen zwischen Gütern und Ressourcen im zeitlichen Verlauf.
Interdependenzen zwischen Ressourcen definiert Gerybadze (1995, S. 79 ff.)
als Komplementaritäten und unterscheidet drei Formen:
(1) Zeitliche Komplementaritäten (‚Complementarities in time‘) beschreiben
den Verlauf der Akkumulation von Ressourcen, einschließlich erforderlicher
Vorleistungen (Input), sowie der späteren Nutzung der Ressourcen, ein-
schließlich der generierten Outputleistungen, über die Zeit. Für die Akku-
mulation bzw. den Aufbau von Ressourcen hebt Gerybadze die besondere
Bedeutung von F&E-Prozessen hervor.
(2) Komplementaritäten bezüglich der Projektziele (‚Complementarities
between capital goods and project objectives‘ oder ‚asset specificity‘) be-
schreiben das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von Ressourcen. Unter-
schiedliche Komplementaritäten in den Einsatzmöglichkeiten führen zur
Differenzierung in generische und spezifische Ressourcen. Erstere haben ein
breites Anwendungsspektrum, letztere sind auf spezifische Anwendungen
zugeschnitten. Bei einer hohen Spezifität der Ressourcen sind zudem Infor-
mationen über deren optimalen Einsatz asymmetrisch verteilt.
(3) Komplementaritäten zwischen Ressourcen (‚Complementarities between
different capital goods‘ oder ‚asset complementarity‘) beschreiben die Not-
wendigkeit des kombinierten Einsatzes der Ressourcen für die Produktion
Evolution, Innovation und Wettbewerb 57

eines bestimmten Outputs. Ein besonderer Fall der Interdependenz bzw.


Komplementarität zwischen Ressourcen liegt vor, wenn diese sich nicht ent-
koppeln und getrennt voneinander einsetzen lassen (‚Lack of separability‘).
In den Fällen, in denen die Komplementaritäten gering ausgeprägt sind, d. h.
in denen (1) Ressourcen in kurzer Zeit aufgebaut und in kurzen Nutzungs-
dauern Verwendung finden, (2) es sich um generische Ressourcen mit einem
breiten Anwendungsspektrum handelt und (3) keine Interdependenzen zwi-
schen Ressourcen bestehen (‚easy separability‘) lassen sich Marktpreise be-
stimmen und Transaktionen über Märkte erscheinen vorteilhaft. In jenen
Fällen, in denen jedoch Komplementaritäten vorliegen, werden sich aus in-
stitutioneller Perspektive kooperative oder hierarchische Lösungen prin-
zipiell als vorteilhaft erweisen.

3. Kapitaltheoretische Begründung der Kooperation


Unter welchen Bedingungen sind hierarchische Lösungen und unter welchen
Bedingungen kooperative Lösungen vorteilhaft? Hierarchische Lösungen
stoßen insbesondere bei komplexen Investitionsprojekten an ihre Grenzen.
Komplexe Investitionsprojekte machen den Zugriff auf viele spezifische
Ressourcen erforderlich, die sich nicht alle im Eigentum eines einzelnen
Unternehmens befinden werden: „Each single producer will have to rely on
a complex bundle of highly-specific capital goods, only some of which he
will own directly“ (ebd., S. 98). Der selektive Zugriff auf die fehlenden
Ressourcen über marktliche Transaktionen ist infolge der oben beschrie-
benen Komplementaritäten aber gerade nicht möglich. So kann zum Beispiel
aufgrund von Kopplungen zwischen Ressourcen häufig kein isolierter Zu-
griff auf einzelne Ressourcen über Markttransaktionen stattfinden. Aufgrund
zeitlicher Komplementaritäten und des spezifischen Charakters von Res-
sourcen lässt sich zudem kein angemessener Marktpreis festlegen. Die inter-
ne Akkumulation der fehlenden Ressourcen innerhalb des Unternehmens
würde, infolge von zeitlichen Komplementaritäten im Entstehungsprozess,
dagegen zu lange Zeit in Anspruch nehmen. Überdies wäre der beschleu-
nigte Aufbau von fehlenden Ressourcen mit erhöhten Kosten verbunden
(vgl. Dierickx/Cool 1989). Infolge von zeitlichen Komplementaritäten im
Verwendungsprozess würden die über die Zeit des Projektes hinausreich-
ende Nutzungsdauer und die Irreversibilität der Investition in spezifische
Ressourcen zu einer ineffektiven Kapitalbindung des Unternehmens führen
58 Michael Stephan

und damit dessen Flexibilität beschneiden. Kurzum, die Kosten der rein
hierarchischen Lösung wären zu groß und der Zugriff auf die fehlenden
Ressourcen über die marktliche Einbindung ist de facto nicht gangbar.
Bei komplexen Investitionsprojekten, die den Zugriff auf zahlreiche Res-
sourcen bedingen, welche auf verschiedene Akteure verteilt sind und welche
durch vielfältige Komplementaritäten geprägt sind, bieten kooperativ ange-
legte institutionelle Arrangements Wettbewerbsvorteile. Gerybadze fasst
seine Überlegungen wie folgt zusammen:
„‚Quoad usum‘ and ‚quoad sortem‘ type contracts appear to be most useful in coordinating
ressource-flows for which both the cost of operating markets and the cost of operating in-
tegrated firms would be prohibitive. This is particularly the case for highly specific, non-
transferable assets for which prices cannot easily be determined and for which information
about ‚true values‘ is asymmetrically distributed. In addition, if assets are linked to other
assets, it may be very difficult to disconnect combinations and to agree on project organi-
zations other than those of a collaborative type.“ (1995, S. 100).

Die Kooperationslösung verbindet die Vorteile der hierarchischen Lösung


mit den Flexibilitätsvorteilen der Marktlösung.
Die beschriebene Konstellation ist insbesondere bei jenen komplexen Inves-
titionsprojekten von Relevanz, bei denen immaterielle, wissensbasierte Res-
sourcen die zentrale Rolle spielen: Wie bereits einleitend angemerkt, sind
wissensintensive Investitionsprojekte, insbesondere F&E-Projekte zentraler
Betrachtungsgegenstand der Theorie. Wissensressourcen, insbesondere Fä-
higkeiten und Erfahrungen, sind hochspezifische Kapitalgüter, bei denen
zeitliche Komplementaritäten in der Akkumulation sowie in der Nutzung
vorliegen, die häufig an Personen und/oder an die Organisation gekoppelt
sind und sich nicht isoliert einsetzen und nutzen lassen. Marktliche Transak-
tionen sind in solchen Fällen ausgeschlossen, rein hierarchische Lösungen
überfordern die Investitionskraft einzelner Unternehmen:
„If knowledge-based capital represents a major share of the asset base required for an in-
vestment project, ‚complicated design features‘ […] will dominate choices, and resource
allocation will primarily become a matter of choosing between alternative cooperation de-
signs“ (ebd., S. 9).
Evolution, Innovation und Wettbewerb 59

4. Fazit: Beiträge der Habilitationsschrift zur evolutorischen Theorie


der Unternehmung
In seiner Habilitationsschrift beschäftigt sich Alexander Gerybadze mit der
zentralen institutionellen Frage der Theorie der Unternehmung: Unter wel-
chen Bedingungen erscheinen kooperative Lösungen als Alternative zu rein
marktlichen und rein hierarchische Lösungen vorteilhaft für die Allokation
von Ressourcen und sind mithin aus unternehmerischer Perspektive Grund-
lage für den dauerhaften Aufbau von Wettbewerbsvorteilen? Vordergründig
setzt Gerybadze seinen Analysefokus in der Theoriebildung zwar auf die Be-
gründung der Kooperation, mit seinem kapitaltheoretischen Bezugsrahmen
liefert er jedoch auch Bewertungskriterien für traditionelle hierarchische und
marktliche Lösungen – eine Theorie der Unternehmung muss eben gerade in
der Lage sein, alternative institutionelle Arrangements zu erklären: Erfolg-
reiche Unternehmungen werden letztlich auf eine ausbalancierte und den
Wettbewerbsbedingungen angepasste Mischung aus hierarchischen, markt-
lichen und kooperativen Arrangements zurückgreifen.
Für die Beantwortung der institutionellen Grundsatzfrage wählt Gerybadze
einen kapitaltheoretischen Theorieansatz. In diesem schafft er die Verknüpf-
ung zwischen der institutionenökonomischen Betrachtung, die ihrem Wesen
nach eigentlich statisch angelegt ist, und der dynamischen, evolutorischen
Theorie der Unternehmung. Durch den Rückgriff auf die Grundlagen der
österreichischen und neo-österreichischen Kapitaltheorie und die differen-
zierte Ausarbeitung von Komplementaritäten im Ressourceneinsatz skizziert
er nicht nur ein differenziertes und damit realistischeres Bild des Ressour-
ceneinsatzes, sondern etabliert auch die dynamische Perspektive: Seine The-
orie der Kooperation berücksichtigt explizit die zeitlichen Prozesse der Ak-
kumulation und der Nutzung von Ressourcen. Diese dynamische Perspektive
macht den institutionellen Kern des Ansatzes kommensurabel zur evolu-
torischen Ökonomik.
Bei der Entwicklung des differenzierten Konzepts zu Komplementaritäten
im Ressourceneinsatz greift Gerybadze nicht nur zurück auf die kapitaltheo-
retischen Grundlagen der (neo-)österreichischen Schule, sondern er lässt
auch Bausteine aus der Arbeit von David Teece (1986) in seine Theorie ein-
fließen. In seinem Theoriekonzept („Profiting from technological innova-
tion“) hat Teece bereits auf die Bedeutung von verwendungsbezogenen
60 Michael Stephan

Komplementaritäten zwischen Ressourcen („complementary assets“) und


auch auf die Bedeutung der Spezifität von Ressourcen („specific and co-
specific assets“) bei der Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von marktlichen,
hybriden und hierarchischen Lösungen hingewiesen. In seiner Theorie ver-
feinert Gerybadze diese Konzepte jedoch, z. B. indem er auf die Kopplung
von Ressourcen und ihre Nicht-Trennbarkeit hinweist, und er führt vor allem
mit den zeitlichen Komplementaritäten eine dynamische Perspektive ein, die
im Konzept Teece (1986) nicht explizit vorhanden ist. Damit leistet er neue,
substantielle Beiträge für die Entwicklung einer evolutorischen Theorie der
Unternehmung.

V. Synthese: Zusammenfassung der Erklärungsbausteine von


Gerybadze zu einer evolutorischen Theorie der Unternehmung
In seiner Dissertationsschrift entwirft Gerybadze eine evolutorische, indus-
trieökonomisch geprägte Theorie der Innovation, welche unternehmerische
Innovationsprozesse und den technologischen Wandel erklärt. In seiner Ha-
bilitationsschrift entwirft er darauf aufbauend eine Theorie der Kooperation,
welche eine evolutorische und kapitaltheoretische Grundlage für die institu-
tionelle Theorie und Begründung der Unternehmung und alternativen Koor-
dinationsformen schafft. Will man die theoretischen Beiträge in den Ar-
beiten von Gerybadze zur Entwicklung einer evolutorischen Theorie Unter-
nehmung in kohärenter und integrierender Weise zusammenfassen, so orien-
tiert man sich wohl am besten an den zentralen Axiomen der evolutorischen
Ökonomik, welche in Abschnitt II.2 portraitiert wurden und zu denen er
Substanzielles beigetragen hat:
(1) Abkehr vom statischen Gleichgewichtsdenken und Endogenisierung der
Veränderungsdynamik: In seiner evolutorischen Theorie der Innovation der
Dissertationsschrift beschäftigt sich Gerybadze mit endogenem Wandel und
insbesondere mit der Rolle der Innovationsaktivitäten von Unternehmen.
Zwar hat er hier nicht die Rolle des wissenschaftlichen Pioniers eingenom-
men, aber ihm kommt das Verdienst zu, die Modelle von Nelson und Winter
substanziell weiterentwickelt und realitätskonformer gemacht zu haben. In
dem er Produktinnovationen, „verkörperte“ Prozessinnovationen sowie
Wechselbeziehungen zwischen Industrien in seine Modelle integriert, kann
er Innovations- und Entwicklungsprozesse auf Unternehmens- und Bran-
Evolution, Innovation und Wettbewerb 61

chenebene sehr viel differenzierter abbilden. Damit hat er nicht nur wichtige
Theoriegrundlagen geschaffen, sondern auch viel zum heutigen Verständnis
des Innovationswettbewerbs beigetragen!
(2) Lernprozesse und Innovationen als Impulsgeber des Wandels: Evolu-
torische Modelle und Theorien endogenisieren den Wandel mit Hilfe von
Lernprozessen auf individueller und organisationaler Ebene. Sowohl in sei-
ner Dissertations- als auch in der Habilitationsschrift hat sich Gerybadze mit
Lernprozessen auf organisationaler Ebene beschäftigt. Er hat gezeigt, dass
erfolgreiche Unternehmen nicht nur innovieren, sondern zugleich auch imi-
tieren: Grundlage für erfolgreiche Innovation und Adaption ist immer die
Wissensbasis von Unternehmen: Das Innovations- und Adaptionsverhalten
von Unternehmen wird bei Gerybadze maßgeblich durch die Ressourcenaus-
stattung geprägt, und im Mittelpunkt steht die Ressource Wissen. Hier hat er
in seiner Dissertation nicht nur wichtige Grundlagen für die weitere Ent-
wicklung der ressourcenbasierten Ansätze gelegt, sondern hat auch den The-
orieboden für den Absorptive Capacity-Ansatz geebnet: Neben der internen
Akkumulation von Wissen ist für innovative Unternehmen die Absorption
von externem Wissen von strategischer Bedeutung. Diese Absorption erfor-
dert spezifische Fähigkeiten. In seiner Habilitationsschrift hat Gerybadze die
Kooperation als Instrument für den Zugriff auf externe Ressourcen in den
Mittelpunkt gerückt. Mit seinem dynamischen, kapitaltheoretischen Ansatz
hat er theoretische Grundlagen für das ressourcenbezogene Verständnis von
Kooperationen geschaffen.
(3) Pfadabhängigkeiten beeinflussen Richtung und Muster des Wandels: Die
Erkenntnis „History matters!“ ergänzt Gerybadze auf der Ebene des Unter-
nehmens durch die Erkenntnis „The ressource base matters!“. Das Inno-
vations- und Adaptionsverhalten von Unternehmen wird maßgeblich durch
ihre Ressourcenausstattung beeinflusst und die Prozesse des Aufbaus sowie
der Nutzung der Ressourcen erzeugen Pfadabhängigkeiten. In seiner Habili-
tation hat Gerybadze diese Pfadabhängigkeiten mit dem Konzept der zeit-
lichen Komplementaritäten beschrieben und analysiert. Dabei wird deutlich,
dass nicht nur zeitliche Komplementaritäten, also Pfadabhängigkeiten i. e. S.,
sondern auch verwendungsbezogene Komplementaritäten von und zwischen
Ressourcen den Wandel beeinflussen. Auf solche ressourcenbasierte Be-
dingtheiten und wechselseitigen Kausalitäten zwischen Ressourcen und
62 Michael Stephan

Industrien hat Gerybadze im Übrigen auch schon in den Modellen seiner


Dissertation hingewiesen.
(4) Integration von unternehmensbezogener und makroökonomischer Be-
trachtung: Sowohl bei der Analyse des technologischen Wandels und Inno-
vationswettbewerbs in der Dissertation als auch in seiner ökonomischen
Theorie der Kooperation in der Habilitationsschrift nimmt Gerybadze eine
Integration von makroökonomischer und unternehmensbezogener Betrach-
tung vor. Für das Verständnis des Innovationswettbewerbs und des techno-
logischen Wandels sind gleichermaßen eine fundierte Kenntnis der Wissens-
und Ressourcenbasis des Einzelunternehmens als auch das Wissen um das
Zusammenspiel zwischen Unternehmen und zwischen Branchen erforder-
lich. Und auch bei der Beantwortung der institutionellen Grundsatzfrage,
nämlich unter welchen Bedingungen Kooperationen im Gegensatz zu Markt-
und Hierarchielösungen den besseren Rahmen für die Koordination von
Wertschöpfungsaktivitäten bilden, macht Gerybadze deutlich, dass die Be-
schränkung der Betrachtung auf die einzelne Organisation zu kurz greift.
Vielfältige Komplementaritäten und wechselseitige Kausalitäten zwingen
sowohl zum Blick über den organisationalen Tellerrand des einzelnen Un-
ternehmens aber auch über den Tellerrand der Branche hinaus.

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A Resource-based View of Entrepreneurial Ecosystems

Jörg Freiling and Thomas Baron

I. Introduction
Entrepreneurial ecosystems are typically defined as an agglomeration, bound
to a certain region with business inter-relations between the actors (Spilling,
1996). As actors, entrepreneurs, companies and support institutions interact
and nurture the creation of new start-up companies (Stam 2014). Prior
research suggests without thorough specification and theoretical foundation
that interrelationships and certain ‘capitals’ (human capital, financial
capital) play a role (Isenberg 2011; ANDE 2013). Moreover, it seems that
enabling forces are accompanied by accelerating forces to make up a vital
start-up ecosystem. However, research actually lacks a theoretical lens to
structure these factors and elements that may drive the performance and/or
dynamism of start-up ecosystems. To develop such a theoretical foundation
is one ambition of this article. We employ the resource-based view (Barney
1991; Grant 1991; Freiling 2004) in connection to follow-up research
streams that build on this theory, such as the dynamic capability approach
(Teece 2007) and the competence-based theory of the firm (Freiling et al.
2008). Instead of solely employing a theoretical lens, the article also strives
for a more fine-grained understanding what the real nature of entrepreneurial
ecosystems is looking like.
Developing a theoretical foundation for entrepreneurial ecosystems is not
easily doable as the resource-based view (RBV) addresses competitive
advantages and idiosyncrasies of companies, not of clusters of different
actors. Nevertheless, prior attempts of developing a ‘relational view’ (e.g.
Dyer/Singh 1998) reveal that the RBV can be employed beyond the firm
level as well. This article builds on these attempts and is aware of the fact
that boundaries of networks or business ecosystems are quite different from
organizational boundaries.
To connect research on RBV with that on entrepreneurial ecosystems we
refer to literature that addresses the resource dimension of business
ecosystems more or less explicitly. This holds for research on the capitals of

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_4
66 Jörg Freiling and Thomas Baron

entrepreneurial ecosystems (e.g. Juling et al. 2016). Capital as a term can be


understood in a huge variety of ways. For the sake of connectivity of the
different research bodies (RBV, entrepreneurial ecosystems) we prefer an
understanding that is rooted in Austrian Capital Theory (Lachmann 1978;
Foss/Klein 2012). In this vein, capital is a complex structure of resources or
rather capital goods with specific properties that enables the achievement of
future goals (Taghizadegan 2009, p. 94; Foss/Klein 2012).
As resource-based and competence-based approaches are belonging to the
same paradigm as theories of the Modern Austrian Economics (Freiling et
al. 2008), the theoretical approaches are linkable without incompatibility
problems. Insofar, this article seeks to extend current research by three
contributions: first, the article provides a theoretical foundation of
entrepreneurial ecosystems to explain processes and outcomes. Second, the
article develops resource-based theories by extending the ontological scope
through addressing the business ecosystem level. Third, it connects
resource-based constructs with capitals stemming from Austrian Capital
Theory and allows the foundation of a previously developed model of
capitals relevant to entrepreneurial ecosystems.

II. Resource-based Theory and Entrepreneurial Ecosystems


Resource-based theories principally argue that the performance of business-
relevant entities can be explained in terms of specific resources. Although
there is a huge variety of definitions, the term ‘resource’ has to be rather
specific to respond to this explanation goal. In contrast to the very broad
understanding of Wernerfelt (1984) and according to Freiling (2001, 2004)
we define resources as the result of successful asset refinement processes,
producing sustainable heterogeneity of the owning organization in
competition and enabling it to withstand competitive forces. Insofar, there is
an important divide between assets that are available in markets and, thus,
do not provide the institution with heterogeneity and resources that are
idiosyncratic and specific. However, resources are often no stand-alone
factors but connected with both internal and often external assets to create
synergies.
A Resource-based View of Entrepreneurial Ecosystems 67

Resource-based theory often raised the question whether certain resources


are more important than others. Hall (1991) was among the first scholars
claiming a focus on ‘intangibles’ rather than tangibles which stood at the
forefront in previous decades. Although this is principally agreeable at first
glance, there is no common rule of a general superiority of intangibles.
Moldaschl & Fischer (2004) dug a bit deeper by a differentiation of the
logics of utilizing resources. They identify three categories: first, the ‘finite
resources’ that depreciate in use (e.g. materials). Second, ‘regenerative
resources’ allow keeping the value when using the resource with caution
(e.g. labor, some natural products). Third, ‘generative resources’ appreciate
in use so that these resources should be used extensively (e.g. knowledge,
social relations, brands). Obviously the last category is of utmost interest in
terms of a resource-based thinking and goes along with a different usage
logic (‘expand & lavish’ rather than ‘save’).
Among the resources competences play a special role as they provide the
institution with the potential to move. Competence is an organizational,
repeatable, learning-based and therefore non-random ability to sustain the
deployment of assets and resources enabling the firm to reach and defend
the state of competitiveness and to achieve the goals (Freiling 2004). More
recent research specifies dynamic capabilities as those that allow the firm to
adapt to changes of external circumstances by sensing opportunities, seizing
them and reconfiguring the institution (Teece 2007). These dynamic
capabilities make use of assets and resources by permanent knowledge-
based reconfigurations and reinforcements.
There are lots of examples in business where resources and capabilities
make a difference, e.g. Apple’s dynamic capability of self-renewal based on
a strong brand, technological capabilities, foresight and imagination – to
name but a few. Google’s, Amazon’s or Facebook’s big data-related
capabilities are only another illustration. They all show that institutions like
companies, NGOs or even public authorities are challenged to constantly
question their institution and to renew by resource allocation and resource
deployment activities. These processes are to some extent internal.
However, to some extent they are also related to interactions with external
parties so that the former view of closed boundaries of institutions does no
longer hold. There is a ‘give and take’ situation that helps institutions to
access external assets that undergo refinement and learning processes
68 Jörg Freiling and Thomas Baron

(Sanchez et al. 1996; Freiling 2008). Insofar, the boundaries are to some
extent permeable although they are still existing and provide the institution
with a common sense and a sense of direction. Insofar, boundaries are by no
means obsolete in this way of thinking.
Dyer & Singh (1998) came around with the notion that competitive
advantages are not necessarily bound to single institutions but, most recently
quite often, to partnerships of organizations (see also Gerybadze 1995).
Insofar, they developed a so-called ‘relational view’ that addresses bilateral
relationships among organizations but can be extended to multilateral
relations as well. Insofar, this perspective was already a considerable step
into the direction of the strengths, idiosyncrasies and competitive
advantages of networks and clusters. For this article, it is the door-opener to
a resource-based view of business or, more specifically, entrepreneurial
ecosystems. Since both relationships as well as networks and clusters have
some informal boundaries in the way that organizations belong to them or
not, we can observe the same in case of these ecosystems.
Entrepreneurial ecosystems are geographically defined agglomerations of
actors devoted to the emergence and development of start-ups that are based
on ties among the actors and a common sense (Mason/Brown 2014; van
Weele et al. 2014). Without ties and common sense, the actors in a region
would work more or less autonomously and collaborate more on an
accidental base. Besides this, the relationships among the regional
interconnected players allow an exchange of certain resources as well as a
kind of ‘common ownership’. Against this background, members of an
entrepreneurial ecosystem control important resources, some of them they
are willing to share (e.g. ideas, human capital). Moreover, within the
entrepreneurial ecosystem other kinds of resources are available that are
favourable to the actors and the entire ecosystem (e.g. relationships,
expertise, infrastructure). For reasons we explain in more detail below, we
now aggregate available assets and resources within an entrepreneurial
ecosystem under the term ‘capitals’ which is in line with the common
understanding in literature (Foss/Klein 2012). To do so, we refer to Austrian
Capital Theory (cf. Menger 1871; Lachmann 1978; Gerybadze 1982;
Gerybadze 1995; Foss/Ishikawa 2005; Foss/Klein 2012) as a complementary
approach.
A Resource-based View of Entrepreneurial Ecosystems 69

III. Austrian Capital Theory and Capitals of Entrepreneurial


Ecosystems
To apply the capital theory to the context of entrepreneurial ecosystems the
understanding of capital from the view of the Austrian School of economics
is essential and therefore summarized in the first part of this section.
Starting point of the Austrian Capital Theory, which can be seen as an
advancement of traditional RBV, was the consideration of the value
dimension of capital. This contribution was undertaken by Carl Menger
(1871), the founder of the Austrian School of economics. He classified
goods in terms of orders. Menger characterized goods which can be
consumed directly as ‘goods of the lowest order’. The assets and tools which
are needed to produce these goods of lowest order are in terms of Menger
(1871) goods of a higher order. Resources and goods which are used to
produce these assets and tools are goods of an even higher order and so
forth. All those goods which cannot be consumed directly are capital goods,
thus, all goods which are not goods of the lowest order. By the way, this
holds for resources in the understanding of this paper as well.
To produce a good of lowest order, the application of various capital goods
is needed. The combination of various capital goods forms a complex capital
structure (Lachmann 1978). This complex structure of resources and assets
based on human preliminary work that enables the achievement of future
goals of human beings (good of lowest order) is defined by the word
‘capital’ (Taghizadegan 2009, p. 94). Which capital goods are chosen to be
combined for the production process is determined by capital heterogeneity,
entrepreneurial judgement and subjectivity of the entrepreneur who
produces the good of lowest order (Foss/Klein 2012).
The essential aspect of Austrian Capital Theory is that, in accordance to
RBV, resources are heterogeneous. From the view of Austrian economists,
heterogeneity does not term the form of a good but its function. Lachmann
(1978) argues the value of a good is defined by its function, as resources can
in general be used for certain purposes. Goods of the lowest order are
produced for a specific purpose and, thus, possess normally one function,
the satisfaction of a specific need. If such needs and thereby the use of the
related capital changes, the capital good may lose its capital function
(Lachmann 1978). According to his explanation, the higher a capital good in
70 Jörg Freiling and Thomas Baron

the production process, the more heterogeneous it is. A higher degree of


heterogeneity implies that a capital good is less specific as it can serve for
multiple purposes. Hence, it can be inserted for the production of various
goods of lower order as it can be combined with other capital goods with
multiple purposes. Typically, two multiple specific capital goods can only
jointly create a good of a lower order. This occurrence is reflected by the
term ‘complementarity’. Complementary goods only add value to the capital
in combination (Lachmann 1978; Gerybadze 1995). As also specific capital
goods are determined by complementary goods of even higher order, they
can all only act in combination. These various combinations of capital goods
at all levels of the production process form the elements of a highly complex
capital structure (Taghizadegan 2009).
As the value of the final product determines the value of every single
inserted capital good, the combination of the goods cannot be determined
based on the pricing system. The value of the final product and therefore of
each capital good is determined by the judgement of the entrepreneur who is
the architect of capital combinations and values the price of the good
through subjective assessed future demand (Lachmann 1978). By
considering all the resources in a production plan, the entrepreneur makes
use of his subjective judgement (Foss/Klein 2012) which is based on his
experience but also includes decision making under conditions of
uncertainty (Knight 1921). Aspects such as search and learning become
important to consider in respect to decide which capital elements are
essential for reaching the final goal and which resources can be replaced
over time (Foss/Ishikawa 2005). This shows that capital is transitory and
entrepreneurs need to rethink the combinations and reinvest in the capital
structure (Taghizadegan 2009).
RBV as well as Austrian Capital Theory are well established approaches to
explain competitive advantages of individual firms on the firm level. It is a
novel approach to apply these theories to the concept of entrepreneurial
ecosystems and to the macro level of the companies’ environment. However,
the focus on resources in this context seems to be promising as ecosystems
possess certain resources that are not addressable by other regions. Hence,
the difference of having a successful ecosystem or not may be determined
by a region’s resources (West/Bamford 2005). This is why the interaction of
regional resources and their relation to nurturing entrepreneurship became of
A Resource-based View of Entrepreneurial Ecosystems 71

major relevance to regional economies and local authorities (Mason/Brown


2014). This interest has increased over the last years as governments in
advanced countries have recognized that their traditional approaches often
failed supporting the emergence of start-ups. The focus shift of fostering the
emergence and development of start-ups was based on their considerable
contribution to innovation, economic growth and job creation (Autio et al.
2014, p. 25; Foster et al. 2013, p. 5; BMWi 2012, p. 19). This shift in policy
interest has led to a general consensus among researchers for the need of
taking a holistic approach when thinking about policy interventions, as
regions such as Silicon Valley have shown that a great variety and number
of such high-growth firms flourish in these start-up ecosystems
(Mason/Brown 2014). The significant impact of the Silicon Valley and
comparable ecosystems on their regional economy has motivated politicians
to consider how these ecosystems are shaped, constituted, and how the
elements interact in terms of entrepreneurial activity, start-up births and
their development. This knowledge is important for designing effective
policy interventions.
Our attempt is to explain the resources and outcome of entrepreneurial
ecosystems from the perspective of RBV in connection with Austrian
Capital Theory with emphasis on the underlying resources along with the
capital structure of ecosystems. This helps answering the main question
whether ecosystems in regions possess unique resources and capital
structures that may explain outcome measures such as performance and
dynamism. We further aim at describing which players organize the
connection of resources within an ecosystem. In this light, we can
understand entrepreneurial ecosystems in a more specific manner.
Entrepreneurial ecosystems are defined as
“a set of interconnected entrepreneurial actors (both potential and existing), organizations
(e.g. firms, venture capitalists, business angels and banks), institutions (universities,
public sector agencies and financial bodies), and processes (business birth rate, rate of
HGFs, number of serial entrepreneurs and blockbuster entrepreneurs, and levels of
entrepreneurial ambition and sell-out mentality in the society) which formally and
informally coalesce to connect, mediate, and govern the performance within the local
entrepreneurial environment” (Mason/Brown 2014, p. 5).

This definition mirrors a core ambition of ecosystems, namely to connect a


critical mass of actors and resources that fuel the entrepreneurial actors in
72 Jörg Freiling and Thomas Baron

the entire region and provide a self-sustaining environment in which


entrepreneurial activity emerges and start-ups develop and expand. In
contrast to the originary idea of RBV of explaining competitive advantages
of companies, in this context the major aim is not only creating a
competitive advantage on the individual level but on developing a fertile
ambiance of entrepreneurial ecosystems as ontology as well. This is possible
in the face of interconnected actors and elements in an ecosystem in a highly
complex manner. In these ecosystems, the participants benefit from a vital
development of the entire ecosystem as the ‘pie to be sliced’ grows over
time. I.e. in terms of Austrian Capital Theory that the price of the overall
product determines the value of each capital which serves to reach the
superior goal (Lachmann 1978). The creation of a dynamic and thriving
ecosystem can be termed as the final good which should be achieved or, in
terms of Austrian Capital Theory, the good of lowest order. To attain this
common goal the combination of various resources or goods of higher order
will serve this objective. Hence, the support of combinations of existing
capital goods and potentially the attraction of absent capital goods is needed
(García-Cabrera/García-Soto 2010). In terms of RBV, the entrepreneurial
ecosystem provides isolating mechanisms (Dierickx/Cool 1989) that are
favorable to members of the ecosystem and the ecosystem in total while
excluding non-members from free-riding. As there are almost unlimited
numbers of possible combinations of these elements, the question who are
the ‘architects’ of the capital structure is of vital interest in this regard.

IV. Architects of the Capital Structure of Entrepreneurial Ecosystem


Unlike decision-making in companies, there is virtually no manager or
executive board directing start-up ecosystems. Entrepreneurial ecosystems
are typically neither formally managed nor officially founded. Rather than
that, they emerge – just like networks or clusters (e.g. Gerybadze 1995;
Sydow 1992). Even hierarchy does not play any decisive role. On the
ecosystem level, various actors and elements are mutually interrelated to
each other in a regional context (Mason/Brown 2014, p. 5). Despite these
significant differences in terms of governance, the construct of a capital
structure still can be applied. Ecosystems such as Silicon Valley and Berlin
suggest that capital on both a corporate and ecosystem level emerge and
A Resource-based View of Entrepreneurial Ecosystems 73

undergo a certain kind of multiple governance by actors involved. So to


speak, all the members of an entrepreneurial ecosystem have some
discretion to act as architects of resources and capital structures. The actors
and resources are, in terms of Austrian Capital Theory, goods of higher
order as they are assets to produce the overall product (a thriving
ecosystem). However, what are these capitals that make up a vital
entrepreneurial ecosystem?

V. Capital Goods of (Thriving) Entrepreneurial Ecosystems


Systems, such as entrepreneurial ecosystems, with complex interactions and
relations among complementary and specific capital goods are due to the
complexity close to non-decomposability (Simon 1962) and therefore hard
to comprehend (Foss/Klein 2012). RBV would term this phenomenon
‘causal ambiguity’ (Dierickx/Cool 1989; Freiling 2004). However, first
attempts in understanding which capital goods play a role have already been
made. Research on successful start-up ecosystems and descriptions from
practitioners have already detected certain elements which are present in all
entrepreneurial ecosystems and seem to be critical resources for ecosystem
emergence and sustainability (e.g. Neck et al. 2004; Isenberg 2011; ANDE
2013; Vemuri 2014). However, as Juling et al. (2016) clarify, all these
concepts of structuring ecosystem elements and give meaning to the single
capitals do either suffer from insufficient theoretical foundation, lack a
logical structure or inhere resources that are not on the same logical level.
Juling et al. (2016) have analyzed existing concepts and synthesized several
approaches to one conceptual model – the capital model of entrepreneurial
ecosystems. However, this framework still lacks theoretical foundation. It is
up to the remainder of this paper to provide this approach with such.

VI. A Capital Model of Entrepreneurial Ecosystems


To name and structure the capitals of entrepreneurial ecosystems (in terms
of Austrian Capital Theory: capital goods), we refer to the Juling et al.
(2016) capital model of entrepreneurial ecosystems. The model comprises of
eight key elements that form entrepreneurial ecosystems: (i) human capital,
74 Jörg Freiling and Thomas Baron

(ii) social capital, (iii) financial capital, (iv) political capital, (v) economic
capital, (vi) infrastructural capital, (vii) cultural capital, and (viii) historical
capital (Figure 1). Next, we illustrate briefly the Juling et al. (2016) capital
model one by one.
Human and social capital are directly related to the companies and
corporations involved in the ecosystem but may also develop on an inter-
organizational level. Based on Becker (1975), human capital comprises
predominantly personal knowledge, experience and skills, developed and
accumulated by education, training etc. There is a broad discussion in
literature indicated by Juling et al. (2016) what kind of human capital may
play a role in terms of entrepreneurial orientation (Lyon et al. 2000) and
action (Freiling 2008) with Kirzner’s (1973) alertness as one important
cornerstone among others. What is often not so much considered when
touching on human capital is the emotional and motivational dimension of
human action. Although the role of knowledge and knowledge processing is
rather undisputed, human nature suggests considering the other facets under
this umbrella term as well with the consequence that the atmosphere within
start-up ecosystem may trigger these emotional side of human capital.
Social capital directly ties in this discussion and is – like human capital –
bound to individual persons and companies. According to the seminal work
of Bourdieu (1986), social capital can be understood as “the aggregate of the
actual or potential resources which are linked to possession of a durable
network of more or less institutionalized relationships of mutual
acquaintance or recognition”. The individual and inter-personal dimension
of social capital is also deeply acknowledged by network research that
distinguishes between personal and organizational relationships (Fitzgerald
1989), accordingly. In this vein, the stock of social capital depends to a
large extent on social relationships among people of a company and beyond
– in an entrepreneurial ecosystem. In RBV terms, the density of
relationships of this kind allows triggering asset mass efficiencies
(Dierickx/Cool 1989) that make relations more and more powerful when
well developed. In terms of entrepreneurial activities within ecosystems,
human and social capital go hand in hand when it comes to forming
entrepreneurial intentions, opportunity recognition and exploitation.
A Resource-based View of Entrepreneurial Ecosystems 75

Different from human and social capital, financial capital is not directly
related to the nucleus actors of entrepreneurial activities within start-up
ecosystems, but to supporters. Insofar, banks and potential shareholders
provide ecosystems with a back-up by financial capital that allows realizing
growth and overcoming critical bottlenecks when start-ups want to become
established players in competition. Silicon Valley is a sound example for an
ecosystem with considerable slack in financial terms.
Although provided by stakeholders as well, political capital works in a
different way compared to financial resources. The existence of political
support provides a protection belt and a nurturing effect as well. Besides
creating a sound atmosphere political capital may compensate lacks of
financial capital and help providing nurturing services (Avnimelech 2009;
Mason 2009; Lelarge et al. 2010). Moreover, political capital can be
inspiring for entrepreneurs and supporters if it is stable and reliable. The
other way round, lacking or defective political capital can be detrimental for
the development of start-up ecosystems.
Also comparable to financial and political capital in nature is economic
capital, as – once again – it is provided by supporting actors at the periphery
of the ecosystem. Juling et al. (2016) point out that economic capital is
determined by existing businesses and consumers. They provide an
‘economic climate’ and relationships that may be favourable for a fertile
development and atmosphere of a start-up ecosystem. As Zahra & Covin
(1995) point out, this is relevant to corporate entrepreneurship. In a similar
vein, infrastructure capital works (Juling et al. 2016). As far as it is relevant
to entrepreneurial ecosystems, it consists particularly of (i) research
infrastructure, (ii) physical infrastructure and (iii) support infrastructure.
All these capitals provided by peripheral actors of start-up ecosystems have
in common the supportive effect. Quite often, they are closely inter-related
and, at best, well adapted. Gaps in one capital area are compensated by
available capital of another. Moreover, in all cases a critical mass is useful
to trigger synergies.
As figure 1 exhibits, the six already mentioned categories of capital are
surrounded by cultural capital and historical capital. In both cases, Silicon
Valley is a sound example to illustrate the real nature of these capitals
(Venkataraman 2004). Silicon Valley is an entrepreneurial agglomeration
76 Jörg Freiling and Thomas Baron

where people are to some extent aware of risks of business, but usually do
not get frightened and look out for ways to deal with opportunities and to
find ways. This proactive, forward-looking mind-set is deeply embedded in
Silicon Valley’s social structures and, thus, part of the culture. It reflects
insofar the cultural (entrepreneurial) capital. The way how to cope with
risks, to deal with entrepreneurial failure or to tolerate ambiguity are
indicators of this cultural capital (Begley/Tan 2001; Kristiansen/Indarti
2004; Juling et al. 2016). As for historical capital, Silicon Valley is maybe
one of the first start-up ecosystems world-wide with a very high start-up
density even in earlier stages of development. Insofar, Silicon Valley has
had much time to develop fertile structures for ecosystems. However,
historical capital also addresses features of the historical development of
regions that may be relevant to entrepreneurship more generally.

Figure 1: The Capital Model of Entrepreneurial Ecosystems

Source: Juling et al. 2016


A Resource-based View of Entrepreneurial Ecosystems 77

Whereas in nations of the former Warsaw Treaty the younger history


prevented entrepreneurship to a large extent, other cities and regions – e.g.
those belonging to the former Hanse League – look back to a strong history
of commerce and principles that make regions flourish in economic terms.
The model of the eight capitals not only illustrates which capital goods are
critical elements of an ecosystems capital structure. It also shows how
different capital goods may be interrelated and, thus, serve as a promising
foundation for future research on the understanding of the role of ecosystem
capital goods, their interrelations and effects. They help developing
causalities between the capitals and performance measures such as start-up
density or dynamism of venture activities.

VII. Complex Capital Structure of Entrepreneurial Ecosystems


The capital model of entrepreneurial ecosystems (Juling et al. 2016) exhibits
the critical resources necessary for ecosystem evolution. However, research
has recognized that the simple presence of these elements stand-alone does
not nurture a thriving ecosystem. It is the combination of the various capital
goods, how they are connected, interdependent and how they interact
(Mason/Brown 2014; ANDE 2013). Hence, detecting and describing the
complex capital structure of entrepreneurial ecosystems as well as
understanding the role of each resource will become the major task for
ecosystem researchers in present times.
Referring to the Austrian Capital Theory we have identified the following
peculiarities that need to be considered in this context:
Resource or capital heterogeneity implies that the capital goods of
entrepreneurial ecosystems are specific in their functions (Lachmann 1978).
At first glance it is comparatively easy to find causal combinations which
capitals of second order may be impacting the overall goal of creating
entrepreneurship. E.g., the presence of human capital fosters the creation of
entrepreneurship as human capital can act in form of both as founders and
specialized workforce which are required resources to run a company.
However, the highly complex manner through which the capital goods of
second order and above are created and determined is much more difficult to
explain. On the second level, human capital may for instance be impacted by
78 Jörg Freiling and Thomas Baron

education and infrastructure capital, cultural capital and, to some extent,


financial capital. Additionally, as some capitals only have an effect in
combination (complementary goods), complexity may increase (Lachmann
1978; Gerybadze 1995).
Furthermore, the time dimension needs to be considered, as Austrian Capital
Theory represents a process view (Lachmann 1978; Gerybadze 1995). The
existence of certain capitals and the capital combinations may change over
time. For instance, firms can fail with an impact on the capital structure of
the entrepreneurial ecosystem. As a result, human capital will be released
and can recombined in another way as the failed entrepreneur may become a
mentor. Workers who lost their jobs create own companies, etc. Another
change may occur if a start-up becomes successful. Its entrepreneur may
start engaging in the region as capital provider by reinvesting his raised
money, act as business angel, serial entrepreneur or may create supportive
infrastructure and host networking events. These examples illustrate that
over time more actors may enter the system or change their role within the
interconnected system. This leads to more complexity, too. The more
complex the system becomes, the greater the capability for new resource
combinations (García-Cabrera/García-Soto 2010).
Uniqueness of ecosystems. As Isenberg (2010, p. 3) clarifies, every
ecosystem is unique as it evolves under a unique set of prerequisites and
conditions. Dependent from historical capital such as resource investment
over time (Auerswald/Bramscomb 2003) capital combinations can become,
as they only act in combination, idiosyncratic and specific to the territorial
context (García-Cabrera/García-Soto 2010) which means that, in accordance
with RBV, the combination of certain capitals may result in a structure that
is imperfectly mobile as the resources are only interconnected in a way that
is enabled by its embeddedness in the specific local ecosystem. These
resources are imperfectly mobile as the complex structure is not easy to be
acquired, imitated or substituted by other regions (García-Cabrera/García-
Soto 2010), thus present firms in ecosystems profit from the ecosystem
structure as a competitive advantage over firms outside the ecosystem.
Hence, the combination of the capitals creates an isolating mechanism
(Freiling 2004), even if each single resources or capitals could be imitated
or substituted (Rivkin 2000).
A Resource-based View of Entrepreneurial Ecosystems 79

Due to the unique contexts, capital heterogeneity and time dimension, policy
makers need to understand that it is not possible to replicate other successful
ecosystems like the Silicon Valley. That is why it is not useful to simply
adapt policies from successful ecosystems which are based on knowledge
that has been obtained in the role model’s surroundings (Isenberg 2010, p. 3;
Autio et al. 2014, p. 27). However, understanding how well established
dynamic ecosystems function enables using these blueprints as starting point
for drawing conclusions which factors of the successful best-practices are
present in the own region and which need to be attracted to complement the
existing set of resources. This also holds for the presence of certain
ecosystem participants.

VIII. Conclusion & Outlook


As regions inhere resources that in combination and interplay may foster
entrepreneurship and the emergence of an entrepreneurial ecosystem, we
connected the RBV and Austrian Capital Theory with the ecosystem
construct to explain its shape, constitution and performance. So doing, we
have argued that the capital structure of entrepreneurial ecosystems is of
special importance to explain why some regions are successful in
establishing a vibrant start-up ecosystem while others fail. With our
considerations we have contributed to ecosystem research by setting a
theoretical knowledge base for future research as well as for the capital
model of entrepreneurial ecosystems developed by Juling et al. (2016). By
this, we have detected certain critical features of entrepreneurial ecosystems
derived from Austrian Capital Theory which need to be considered in this
context: (i) capital heterogeneity of entrepreneurial ecosystem capitals, (ii)
the time dimension and (iii) the uniqueness of territories.
Further, we have raised questions for future ecosystem research and propose
to focus deeper on ecosystem participants in future research as they are the
actors which constitute the most valuable resources, inhere resources, and
through their activities capitals and resources are combined. The reason for
why some cities succeed while many fail to establish a thriving ecosystem
could also be dependent from the presence of specific actors which may act
as ‘capital connectors and interweavers’. Thus, it seems to be of major
importance to understand which role these actors play in ecosystems as for
80 Jörg Freiling and Thomas Baron

capital combination and which resources they bring to the ecosystem. In this
regard, some actors possibly have a more valuable impact on the overall
ecosystem or even act as acceleration factors of ecosystem development.
Migration and diaspora entrepreneurs (MDE) seems to be an auspicious
variable in this context. Diaspora entrepreneurship refers to entrepreneurial
activities conducted by ‘diasporans’. They are defined as migrants and their
descendants who maintain a strong relationship with their country of origin
(COO) (Safran 1991). Recent data on successful ecosystems shows a high
number of migrants and diasporans among the entrepreneurs in successful
start-up ecosystems. In Berlin, 50% of newly founded start-ups in 2015 were
created by migrants (IHK Berlin 2015). In Silicon Valley, this rate was
already reached by 2005 among technology and engineering firms (OECD
2010). This strong presence of migrant entrepreneurs in successful
ecosystem may positively correlate with the ecosystems’ fast development
and success. As discussed in this paper, the more diverse an ecosystem, the
more capital combinations are possible, and the more it is likely to form
unique structures of success. That is why we assume MDEs to have an
important impact on ecosystem dynamics, may themselves be a prosing
multi specific capital good and potentially responsible for a high amount of
capital combinations. Future research on ecosystem participants is needed to
contribute to this assumption and to strengthen the understanding of the
roles which ecosystem participants play.

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B. Innovation: Strategie und Organisation
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie – Das
Beispiel der Automotive Branche1

Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

Die Digitalisierung führt zu tiefgreifenden Veränderungen in der Wirtschaft.


Insbesondere der zunehmend digitale Anteil an Produkten, Dienstleistungen
und Prozessen bildet die Grundlage eines technisch-ökonomischem Para-
digmenwechsels, dessen Ausmaß mit fundamentalen Technologiesprüngen
wie der Einführung der Dampfmaschine (vgl. Brynjolfsson/McAfee 2014,
S. 6 ff.) verglichen wird. So verändert die Digitalisierung durch die Trans-
formation von Atomen zu Bits ökonomische Grundprinzipien und stellt
damit zunehmend etablierte und klassisch-industriell geprägte Wertschöp-
fungsstrukturen in Frage. Ziel dieses Artikels ist es beispielhaft aufzuzeigen,
wie Digitalisierung auf Basis generischer Wirkungsprinzipien ganze Bran-
chen verändern kann. Dafür wird Digitalisierung zunächst definiert, im Kon-
text vorangegangener und vergleichbarer technologischer Revolutionen
verortet und hinsichtlich zentraler Wirkungsprinzipen charakterisiert (Kapi-
tel I). Anschließend werden die Auswirkungen der Digitalisierung am Bei-
spiel der Automotive Branche aufgezeigt (Kapitel II). Der Artikel schließt
mit einem Fazit und einer kurzen Diskussion fundamentaler Herausforde-
rungen der Transformation etablierter und industriell geprägter Unterneh-
men.

1
Teile des Artikels basieren auf noch unveröffentlichten Manuskripten eines vom Bundes-
ministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts zur Untersuchung des „IKT-
induzierten Wandels“ in der Industrie und einer durch Arnold Picot betreuten Dissertati-
onsschrift von Stefan Hopf.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_5
88 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

I. Digitalisierung als Treiber des gegenwärtigen technisch-


ökonomischen Paradigmenwechsels

1. Digitalisierung – ein erklärungswürdiger Begriff


Digitalisierung wird als Begriff unterschiedlich verwendet und kann zwei
Bedeutungen besitzen (vgl. u. a. McDonald 2012, URL siehe Literaturver-
zeichnis; Roeleven 2014, URL siehe Literaturverzeichnis; Balachandar
2015, URL siehe Literaturverzeichnis). Zum einen beschreibt Digitalisie-
rung die technische Transformation von der analogen zur digitalen Abbil-
dung und Steuerung jedweder Sachverhalte (d. h. der Wandel von Atomen
zu Bits; englischsprachig „Digitization“), zum anderen werden damit häufig
die Auswirkungen dieser Transformation auf die Wirtschaft und Gesell-
schaft bezeichnet (englischsprachig „Digitalization“). Im Folgenden werden
beide Bedeutungen kurz beschrieben.

a) Transformation von Atomen zu Bits (Digitization)


Im technischen Sinne wird Digitalisierung als die Umwandlung von Infor-
mationen in eine Abfolge von Bits verstanden (vgl. Shapiro/Varian 1999,
S. 8 ff.). Bit steht als Abkürzung für „Binary Digit“, also Binärziffer, die
zwei mögliche Zustände beschreiben kann. Meist als 0 und 1 dargestellt,
stellt ein Bit in der Informationstechnik damit die kleinstmögliche Maßein-
heit dar und bildet die Grundlage digitaler Informationen. Im engeren Sinne
beschreibt der Prozess der Digitalisierung „the work of turning all kinds of
information and media – text, sounds, photos, video, data from instruments
and sensors, and so on – into the ones and zeroes that are the native lan-
guage of computers and their kin“ (Brynjolfsson/McAfee 2014, S. 85). Die-
se Transformation von Atomen zu Bits ist in der Industrie allgegenwärtig.
So wird Shoshana Zuboffs Vorhersage „alles, was digitalisiert und in Infor-
mation verwandelt werden kann, wird digitalisiert und in Information ver-
wandelt“ (Zuboff 2013, URL siehe Literaturverzeichnis; vgl. auch Zuboff
1988, S. 3 ff.) von Marc Andreessen zur vielzitierten „Software is eating the
World“-These zugespitzt (Andreessen 2011, URL siehe Literaturverzeich-
nis). Demnach ist zu erwarten, dass die Digitalisierung – nicht zuletzt dank
der exponentiellen Leistungssteigerung und Miniaturisierung bei gleichzei-
tigem radikalen Kostenverfall digitaler Technologien – zunehmend alle
Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft erfassen wird.
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 89

b) Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft (Digitalization)


Die Digitalisierung hat vielfältige und sehr unterschiedliche Auswirkungen
auf Wirtschaft und Gesellschaft. In Abhängigkeit des inhaltlichen Fokus und
des Abstraktionsniveaus wird Digitalisierung beispielweise mit konkreten
technologischen Trends und Standardisierungsfragen, mit teils tiefgreifend
veränderten medialen Verhaltensweisen der Nutzer, mit neuartigen Wert-
schöpfungsstrukturen oder auch mit der Veränderung der Arbeitswelt in
Verbindung gebracht. Die rapide zunehmende Geschwindigkeit und inhaltli-
che Vielschichtigkeit der Digitalisierung stellt dabei Wirtschaft und Gesell-
schaft gleichermaßen vor große Herausforderungen. Demnach gilt es nicht
nur, etablierte Strukturen an veränderte Gegebenheiten anzupassen, sondern
auch die sich durch die Digitalisierung ergebenden Gestaltungsmöglichkei-
ten proaktiv zu nutzen. Für Unternehmen bedeutet dies zum einen, dass sie
ihre bestehenden Wertschöpfungsstrukturen hinterfragen und verändern
müssen. Zum anderen müssen sie die organisatorischen Fähigkeiten für
diese Transformation erwerben und langfristig neue Kompetenzen im Un-
ternehmen aufbauen.

2. Technologische Revolutionen und Digitalisierung


Die ökonomische Relevanz der Digitalisierung sowie vorheriger grundle-
gender technologischer Entwicklungen begründet sich durch damit zusam-
menhängende Basistechnologien und deren Querschnittswirkung (vgl.
Schumpeter 1939, S. 1 ff.; Bresnahan/Trajtenberg 1995, S. 83 ff.). So basiert
Digitalisierung bzw. die Transformation von Atomen zu Bits originär auf
der Erfindung von Mikroprozessoren, wie sie erstmalig 1971 mit dem Intel
4004 4-Bit Mikroprozessoren – als einem der ersten Mikroprozessoren – auf
dem freien Markt eingeführt wurden. In Kombination mit komplementären
Entwicklungen im IKT-Bereich (z. B. Speicher- und Netzwerktechnik) ent-
wickelten sich daraus zentrale Folgeinnovationen wie das Internet oder sozi-
ale Medien. Vergleichbar mit der Erfindung des Webstuhls und der u. a.
dadurch in Gang gesetzten industriellen Revolution bilden heutzutage IKT-
basierte Innovationen den Kern der Digitalisierung, die gleichermaßen in
unterschiedlichsten Bereichen der Wirtschaft eingesetzt und weiterent-
wickelt werden (vgl. Tabelle 1).
90 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

Technologische Entwicklungen gelten dann als revolutionär, wenn sie mit


erheblichen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft einhergehen (vgl.
Perez 2010, S. 185 ff.). Perez argumentiert, dass „no matter how important
and dynamic a set of new technologies may be, it only merits the term revo-
lution if it has the power to bring about a transformation across the board. It
is the techno-economic paradigm (TEP), being articulated through the use of
the new technologies as they diffuse, that multiplies their impact across the
economy and eventually also modifies the way socio-institutional structures
are organized“ (Perez 2010, S. 194). Folglich kommt es durch die breitflä-
chige Diffusion von Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft vermehrt
zu einem technisch-ökonomischen Paradigmenwechsel, der letztlich auch
eine Anpassung von sozialen und institutionellen Strukturen erfordert.

Tabelle 1: Fünf aufeinanderfolgende technologische Revolutionen

Technological Popular name Big-bang initiating the Core country or


Year
revolution for the period revolution countries

The Industrial Arkwright’s mill


First 1771 Britain
Revolution opens in Cromfrod
Test of the Rocket
Britain (spreading
Age of Steam steam engine for the
Second 1829 to Europe and
and Railways Liverpool-Manchester
USA)
railway
Age of Steel,
The Carnegie Besse- USA and Germany
Electricity
Third mer steel plant opens 1875 forging ahead and
and Heavy
in Pittsburgh, PA overtaking Britain
Engineering
USA (with Germa-
Age of Oil,
First Model-T comes ny at first vying for
the Automobile
Fourth out of the Ford plant 1908 world leadership),
and Mass
in Detroit, MI later spreading to
Production
Europe
Age of Infor-
The Intel microproces-
mation USA (spreading to
Fifth sor is announced in 1971
and Tele- Europe and Asia)
Santa Clara, CA
communication

Quelle: in Anlehnung an Perez 2010, S. 190


Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 91

3. Ökonomische Wirkungsprinzipien der Digitalisierung


Die umfassende Bedeutung der Digitalisierung liegt in damit einhergehen-
den universellen Wirkungsprinzipien. So unterscheiden sich digitale Güter
bzw. Bits als deren Bestandteile nicht nur in grundlegenden ökonomischen
Eigenschaften von materiellen Gegenständen2, sondern auch hinsichtlich
deren transformativer Wirkungskraft. Konkret basiert die ökonomische Be-
deutung der Digitalisierung insbesondere auf drei Wirkungsprinzipien: In-
formatisierung, Vernetzung und Skalierung3.
í Informatisierung: Die Informatisierung hat schon immer stattgefunden und
beschreibt „einen sozialen Prozess der systematischen Erzeugung und Nut-
zung von Informationen, um daraus weitere Informationen erzeugen zu kön-
nen (vgl. Boes 2007, S. 8). So wurden vor Beginn der Digitalisierung in der
Frühphase der Informatisierung bereits einfache Zeichensysteme zur Materi-
alisierung gedanklicher Prozesse oder die Buchhaltung in Unternehmen als
Informationssystem eingesetzt (vgl. Boes 2007, S. 9). Heutzutage erzeugt
die Transformation von Atomen zu Bits im Rahmen der Digitalisierung eine
noch nie dagewesene Masse an Daten. Dies liegt insbesondere daran, dass
Daten nicht mehr nur manuell durch Menschen generiert werden, sondern
heutzutage nahezu jeder Gegenstand weitgehend automatisiert Daten erzeugt
(Stichwort: Internet der Dinge). Die zur Speicherung dieser Datenmassen
verfügbare Speicherkapazität gilt unterdessen schon längst als nicht mehr
ausreichend (vgl. Economist 2010, URL siehe Literaturverzeichnis). Damit
gewinnt der originäre Zweck der Datengenerierung, nämlich die darauf ba-
sierende Ableitung von Informationen und letztlich von Wissen, zunehmend
an Bedeutung (zur Differenzierung zwischen Zeichen, Daten,
Information und Wissen, vgl. u. a. Mertens et al. 2012, S. 37 ff.; Picot/
Neuburger 2012, URL siehe Literaturverzeichnis; Picot/Scheuble 2000,
S. 3 ff.). Insbesondere das computergestützte maschinelle Lernen bietet

2
Digitale Güter sind u. a. durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet: niedrige Verviel-
fältigungskosten; Grenzkosten der (Re-)Produktion nahe Null; kein Wertverlust durch Ge-
brauch; vielfacher Besitz möglich; kein Wertverlust durch Teilung; einfache Verbreitung;
Preis/Wert nur schwer bestimmbar; weitgehende Möglichkeiten der Erweiterung und Ver-
dichtung (vgl. u. a. Zerdick et al. 2001, S. 146 ff.; Pietsch et al. 2004, S. 46 ff.; Krcmar
2015, S. 16 ff.).
3
Siehe auch Kranz/Picot 2016, S. 370 ff. für weitere Internet-spezifische Wirkungsprinzi-
pien.
92 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

heutzutage die Möglichkeit, diese Datenmengen weitgehend automatisiert in


Informationen und Wissen zu überführen. Dadurch können kognitive kom-
plexe – ehemals auf den Menschen beschränkte – Fähigkeiten inzwischen
zumindest teilweise datengestützt durch Algorithmen abgebildet werden, wie
kürzlich der Sieg des von Google DeepMind entwickelten Programms Al-
phaGo über den professionellen Go-Spieler Lee Sedol bewies (vgl.
Google 2016, URL siehe Literaturverzeichnis). Dieser Sieg wird als zentra-
ler Meilenstein in der Entwicklung künstlicher Intelligenz gesehen (vgl. Le-
vinovitz 2014, URL siehe Literaturverzeichnis), deren Fortschritt auf der In-
formatisierung basiert und diese auch vorantreibt. Dennoch werden die
Grenzen in der Entwicklung der künstlichen Intelligenz insbesondere darin
gesehen, dass es anfangs der Programmierung eines Menschen bedarf, des-
sen Befehle im Anschluss von Computern ausgeführt werden. Somit liegt es
zu Beginn am Menschen, die zu erledigende Problemstellung oder Aufgabe
in Gänze zu definieren bzw. zu verstehen4, um sie in Form eines Programms
für die „Maschine“ ausführbar zu machen (vgl. Autor 2014, S. 6 ff.). Dabei
spielt die Differenzierung zwischen explizitem und implizitem bzw. tazitem
Wissen (vgl. Polanyi 1966, S. 3 ff.) eine wichtige Rolle. Während sich ex-
plizites Wissen durch den Akteur beschreiben lässt und somit leicht kommu-
nizierbar ist, werden unter implizitem bzw. tazitem Wissen (z. B. Erfah-
rungswissen) diejenigen Wissensbausteine verstanden, deren Beschreibung
bzw. Artikulation und somit deren Übertragung nur sehr schwer möglich
sind (Picot/Neuburger 2012, URL siehe Literaturverzeichnis). In diesem
Kontext spricht der Philosoph Michael Polanyi davon, dass „we can know
more than we can tell“ (sog. „Polanyi Paradox“, Polanyi 1966, S. 4).
í Vernetzung: Die Digitalisierung geht einher mit der weltweiten Vernetzung
sämtlicher Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Diese basiert zunächst auf einer
rein technischen und IKT-basierten Vernetzung. So können Individuen in-
zwischen weltweit mit Hilfe von Kommunikationsmedien und insbesondere
auf Basis des Internets Information austauschen. Zusätzlich wird diese tech-

4
Das Problemverständnis und die zur Lösung erforderliche Interpretationsleistung kann
dabei einem erheblichen semantischen Wandel unterliegen, der bspw. durch den individu-
ellen Kontext oder den Betrachtungszeitraum geprägt wird und der mit Hilfe von Informa-
tionssystemen wie etwa der künstlichen Intelligenz bislang nicht abgebildet werden kann
(vgl. zu dem Problem des semantischen Wandels und des taziten Wissens als prinzipielle
Grenzen der künstlichen Intelligenz insbesondere Franck 1991).
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 93

nische Vernetzung durch ergänzende soziale und ökonomische Innovationen


vorangetrieben. So bilden beispielweise soziale Medien (z. B. Facebook und
Twitter) eine zunehmend wichtige Grundlage für die weltweite Vernetzung
von Individuen. Im ökonomischen Kontext können beispielweise mit Hilfe
von Crowdsourcing und weiterer Plattformen oder auf dem Open-Innovation
Paradigma basierende Anwendungen eine Vielzahl von Nutzern in den un-
ternehmensinternen Innovationsprozess eingebunden werden (vgl. u. a.
Picot/Hopf 2016, S. 193 ff.). Die technische Vernetzung und darauf aufbau-
ende Anwendungen schaffen die Voraussetzung für grundlegende Verände-
rungen mit erheblichen ökonomischen Implikationen. Erstens führt die IKT-
basierte Vernetzung zu einer erheblichen Reduktion von Transaktionskosten
(vgl. u. a. Picot et al. 1996, S. 65 ff.). Dies wiederum kann u. a. die Folge
haben, dass sich gänzlich neuartige Wertschöpfungsstrukturen bilden, die
durch verteilte und marktnahe Koordinationsbeziehungen sowie neue Parti-
zipationsmöglichkeiten geprägt sind. Zweitens schafft die Vernetzung eine
noch nie dagewesene informationelle Transparenz. In Verbindung mit gerin-
gen Transaktionskosten führt diese Transparenz zu einer weltweiten Ver-
gleichbarkeit von Preisen und Leistungen und damit zu einem erheblichen
globalen Wettbewerbsdruck. Drittens eröffnet die Vernetzung zunehmende
Echtzeit-Interaktionsmöglichkeiten. Diese führen insgesamt zu einer erheb-
lichen Beschleunigung des individuellen und professionellen Umfelds. Von
Unternehmen erfordert dies eine zunehmende Anpassungs- und Reaktions-
fähigkeit, um langfristig am Markt bestehen zu können (vgl. u. a. Economist
2015, URL siehe Literaturverzeichnis).
í Skalierung: Eng mit den veränderten ökonomischen Eigenschaften von digi-
talen Gütern verbunden folgen diesen auch veränderte Skalierungsmöglich-
keiten. So verursacht die initiale Produktion von digitalen Leistungen zwar
Fixkosten (sogenannte „First-Copy-Costs“); deren Vervielfältigung und Dis-
tribution sind jedoch nur noch mit marginalen Grenzkosten verbunden – die
variablen Kosten tendieren damit gegen Null, was insbesondere für demate-
rialisierte Produkte und Dienstleistungen gilt. Das bedeutet, dass mit zuneh-
mender Kundenzahl die Durchschnittskosten einer Leistung enorm sinken
können. Diese nahezu kostenneutrale Vervielfältigung und Verbreitung von
digitalen Produkten und Services (z. B. Software) ermöglicht es Unterneh-
men, auf Basis der globalen Vernetzung ihre digitalen Leistungen weltweit
anzubieten und in kürzester Zeit eine große Nutzerbasis aufzubauen. In Ver-
94 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

bindung mit der Etablierung von Plattformen (z. B. Facebook) wird die Ska-
lierungsdynamik zusätzlich noch durch Netzeffekte und positive Rückkopp-
lungseffekte (i. e. der Wert des gesamten Netzwerks steigt mit jedem weite-
ren Nutzer) verstärkt, die letztendlich häufig zu quasi-monopolistischen
(z. B. Google im Suchmaschinenmarkt) oder oligopolistischen Marktkons-
tellationen (z. B. Android und iOS im Betriebssystemmarkt für Smartpho-
nes) führen können.
Unternehmen müssen auf diese Veränderung in zweierlei Hinsicht reagieren.
Zum einen erfordert die Digitalisierung eine Transformation bisheriger Pro-
dukte und Dienstleistungen und deren Erbringung (externe Perspektive).
Zum anderen bedingt eine Veränderung der Leistung eine Transformation
der Organisation, ihrer Fähigkeiten und Prozesse (interne Perspektive). Im
industriellen Bereich ist mit der internen Perspektive auch im erheblichen
Maße die Transformation der Produktionsprozesse verbunden, die hierzu-
lande vor allem unter der Überschrift „Industrie 4.0“ diskutiert wird. Darun-
ter wird insbesondere eine intelligente Vernetzung von Maschinen, Be-
triebsmitteln und Supply Chain verstanden, um Produktionsprozesse effizi-
enter zu gestalten, zu flexibilisieren, zu vernetzen und neuartige Produkte
und Dienstleistungen zu ermöglichen (vgl. u. a. Kagermann et al. 2012, URL
siehe Literaturverzeichnis; Kagermann et al. 2015, URL siehe Literaturver-
zeichnis). Während die deutsche Industrie diese Herausforderung bereits
weitgehend erkannt hat (vgl. Bauer et al. 2016, URL siehe Literaturver-
zeichnis), gilt insbesondere die Transformation des Leistungsangebots als zu
wenig betrachtet (vgl. Schmidt 2016, URL siehe Literaturverzeichnis). Im
Folgenden wird vor allem die Transformation des Produkt- und Dienstleis-
tungsportfolios in der Automotive Branche, also die externe, kunden- und
absatzmarktorientierte Perspektive skizziert. Im Fazit wird anschließend
noch kurz auf zentrale Herausforderungen der internen Transformation ein-
gegangen.

II. Digitalisierung am Beispiel der Automotive Branche


Die Veränderung des Produkt- und Dienstleistungsportfolios in der Automo-
tive Branche wird vor allem durch zwei konvergierende Trends (vgl. Picot
1998, S. 78 ff.) getrieben.
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 95

Zum einen ist eine Veränderung der Nachfrage (vgl. u. a. Picot/Neuburger


2015 S. 614 ff.; MÜNCHNER KREIS 2013) hinsichtlich verschiedener
Dimensionen zu beobachten (i. e. „Demand Pull“). Eine zunehmende IKT-
Durchdringung des alltäglichen Lebens (z. B. durch Smartphones oder Tab-
lets) führt zu einer höheren allgemeinen IKT-Affinität und damit auch zu
veränderten Ansprüchen der Nutzer. So fordern diese auch in Fahrzeugen
intuitive und touchbasierte Bedienkonzepte, nahtlose Konnektivität oder die
Integration verschiedener Funktionalitäten via Apps. Zudem hat sich insbe-
sondere bei der jüngeren Generation eine Veränderung von etablierten Sta-
tussymbolen vollzogen. So wird ein Auto heutzutage oftmals nicht mehr als
Statussymbol, sondern vor allem als Mittel zum Zweck (i. e. Mobilität) ohne
etwaige Besitzaspirationen (Miete und Sharing von Fahrzeugen) gesehen.
Mit der zunehmenden Urbanisierung einher gehen zusätzlich ein erhöhtes
Verkehrsaufkommen, eine Verknappung von Parkplätzen und die Förderung
nachhaltiger Mobilitätskonzepte, die anderweitige Verkehrsmittel (z. B.
Busse, öffentlicher Fern- und Nahverkehr oder Fahrräder) problembezogen
und möglichst nahtlos einbeziehen müssen.
Zum anderen ermöglicht technischer Fortschritt auch neuartige Leistungen
(i. e. „Technology Push“). Im Automotive Bereich werden insbesondere drei
Veränderungstreiber gesehen (vgl. u. a. Matus/Heck 2015, URL siehe Lite-
raturverzeichnis; Corwin et al. 2015, S. 1 ff.; Kaas et al. 2016, S. 3 ff.).
Erstens wird die Elektromobilität als zentraler Treiber von Veränderungen
gesehen. Dabei lässt sich „die Technologieführerschaft bei Fahrzeugen mit
konventionellem Antrieb [...] nicht ohne große Anstrengungen in die neuen
Märkte der elektrisch betriebenen Fahrzeuge übertragen (Gerybadze et al.
2014, S. 44). Elektromobilität erfordert von Unternehmen nicht nur den
Aufbau neuer (Kern-)Kompetenzen und ggf. Zuliefererbeziehungen. Es wird
auch erwartet, dass Elektrofahrzeuge grundlegend andere Betriebseigen-
schaften besitzen (z. B. weniger Service und längere Laufleistung; vgl.
Matus/Heck 2015, URL siehe Literaturverzeichnis), die wiederum neue
Betriebsmodelle ermöglichen. Zweitens werden Fahrzeuge zukünftig mit
vielfältiger „Vehicle-to-Infrastructure“ (V2I), „Vehicle-to-Vehicle“ (V2V)
und anderweitigen Informations- und Kommunikationsfunktionen ausgestat-
tet sein. Auf dieser IKT-Basis können neue oder verbesserte Fahrfunktionen
(z. B. Navigationsdienste) realisiert und anderweitige Dienste (z. B. Enter-
tainment- oder Einzelhandelsdienstleistungen) angeboten werden. Drittens
96 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

ermöglichen u. a. zusätzliche Konnektivität, Sensortechnik, softwarebasierte


Virtualisierung von Funktionen und Datenverarbeitungsmöglichkeiten (im
Fahrzeug und extern) zunehmend ein höheres Maß an teilautonomen und in
absehbarer Zeit auch autonomen Fahrfunktionen.
Mit zunehmender Konvergenz und Realisierung der skizzierten „Demand
Pull“- und „Technology Push“-Faktoren, die alle durch die Digitalisierung
bedeutende Verstärkung erfahren, werden erhebliche Veränderungen beste-
hender Produkt- und Dienstleistungsportfolios und Umbrüche etablierter
Wertschöpfungsstrukturen erwartet. Viele dieser Veränderungen werden
zunächst vor allem durch neue Akteure aufgegriffen und nur sukzessive am
Markt angenommen (vgl. Tesla Model S). Dennoch wird dadurch eine zu-
nehmende Akzeptanz neuer Angebote am Markt geschaffen, der sich auch
etablierte Anbieter nicht entziehen können; andernfalls droht ihnen mittel-
fristig – schneller denn je (vgl. Economist 2015, URL siehe Literaturver-
zeichnis) – der Entzug ihrer Existenzgrundlage. Damit wird in der Automo-
tive Branche zunehmend eine Transformationsdynamik in Gang gesetzt, die
potenziell eine neue industrielle Elite hervorbringen könnte. Die folgenden
Absätze skizzieren sich abzeichnende Veränderungen bestehender Angebote
und Geschäftsmodelle in der Automotive Branche, die unmittelbar mit der
Digitalisierung verbunden werden.

1. Mobilität als Ökosystem


Die zunehmende IKT-Durchdringung im Rahmen der Digitalisierung führt
zu einer digitalen Abstraktion physischer bzw. realweltlicher Prozesse. Dies
ermöglicht komplett neue und insbesondere kundenorientiertere Ansätze der
Leistungserbringung. So können realweltliche, bisher stark infrastrukturge-
triebene Leistungen auf digitaler Ebene datenbasiert verknüpft und zur Er-
füllung eines bestimmten Kundenbedürfnisses neuartig und integrativ ge-
bündelt werden (vgl. u. a. Krcmar/Plaetrich 2015, URL siehe Literaturver-
zeichnis). Diese neue Form der Bündelung und Verknüpfung bisher separa-
ter Leistungen ermöglicht es, Kundenbedürfnisse ganzheitlich zu bedienen
und führt allgemein zur Ausbildung sogenannter Ökosysteme zur Erfüllung
bestimmter Bedürfnisse (z. B. Mobilität oder Gesundheit). Dabei kann die
ganzheitliche Erfüllung eines Kundenbedürfnisses zur Auflösung bisheriger
Branchen- bzw. Industriegrenzen führen. So erfordert beispielsweise eine
integrative Betrachtung von Mobilität nicht nur die Kombination verschie-
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 97

dener Verkehrsträger und deren Kooperation (z. B. Auto, Fahrrad, Bus und
Bahn), sondern auch die Integration erforderlicher Zusatzleistungen (z. B.
verkehrsträgerübergreifende Abrechnung, Versicherung, Unterhaltung, Ein-
kaufen, Arbeit) – damit entsteht ein komplexes Ökosystem auf Basis hetero-
gener Leistungsverflechtungen (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Mobilität als Ökosystem

Etablierte
Zulieferer Mobilitätsdienstleister

Tier 1 Uber
Kunde Moovel Zipcar
Tier 2
OEM FlixBus
OEM
Fahrer
Tier 1 mytaxi
Entwicker OEM Etablierte
Fahrzeug- OEMs
besitzer Faraday Future
Nachfrager Local Motors
Apple Google
Tesla
Nvidia
Amazon BYD
Baidu
Neu entstehende
OEMs
IKT-Unternehmen

Quelle: in Anlehnung an: Kaas et al. 2016, S. 13

Eine derartige Bündelung – nach traditionellem Verständnis – heterogener


Leistungen erfordert eine branchenübergreifende (nutzenorientiere) Betrach-
tungsweise und neuartige branchenübergreifende Kooperationen (z. B. zwi-
schen einem Einzelhandelsunternehmen und einem Automobilhersteller).
Dadurch ergeben sich aber nicht nur neue Kooperationsmöglichkeiten, son-
dern auch bisher unbekannte Wettbewerbskonstellationen. So können bei-
spielsweise zur Gesamtleistungserbringung erforderliche Kompetenzen bei
98 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

Unternehmen zu finden sein, die bisher in einem anderen Bereich tätig wa-
ren und plötzlich einen integralen Stellenwert in der zur Leistungserbrin-
gung erforderlichen Kombination von Teilleistungen einnehmen (insb. Un-
ternehmen aus der IKT-Branche). Als mögliche Folge entsteht das Risiko
einer Disintermediation zwischen traditionellem Fahrzeughersteller und
Kunde. Automobilhersteller können im Zuge dieser Veränderungen vor
allem zwei unterschiedliche Wertschöpfungsrollen einnehmen. Zum einen
können sie ihre bisherige Rolle als Erstausrüster bzw. Original Equipment
Manufacturer (OEM) beibehalten und ausbauen. Dafür wird es jedoch not-
wendig sein, neue Kernkompetenzen (insb. in den Bereichen Elektromobili-
tät und Software) zu entwickeln oder diese durch Kooperationen zu erlangen
(vgl. u. a. Gerybadze 2004, S. 147 ff.). Zum anderen können OEMs ihre
Rolle vom reinen „Hardware-Lieferanten“ hin zu einem integrativen Mobili-
tätsdienstleister ausbauen. Dies erfordert vor allem einen konsequenten
Kundenfokus, eine umfangreiche Ausdifferenzierung des Produkt- und
Dienstleistungsspektrums und das vertiefte Verständnis für ein durchgängi-
ges Nutzererlebnis. Diese Rolle ist eng mit der Etablierung einer Plattform
verbunden, die als Basis für die Integration verschiedener Leistungen in
Plattform-zentrierten Ökosystemen fungiert.

2. Das Auto als Plattform


Plattformen bilden in der Digitalisierung den Kern von Ökosystemen und
die Basis für Produkte und Dienstleistungen. Ein Plattformanbieter nimmt
dabei eine strategisch zentrale Rolle ein, da er sowohl die Plattform (z. B.
eingesetzte Technologie, Standards, Prozesse) als auch die Schnittstellen zu
Nutzern und Anbietern sowie zu komplementären Produkten und Dienstleis-
tungen kontrolliert und somit als „Shaper“ eines sog. „Business Webs“
agiert (vgl. dazu u. a. Franz 2003, S. 37 ff., Zerdick et al. 2001, S. 182).
Plattformen können grundsätzlich in jeder Industrie und auf Basis unter-
schiedlicher Asset-Intensität entstehen (vgl. Abbildung 2).
Viele Plattformenanbieter im Business-to-Consumer (B2C) Bereich besitzen
beispielweise keine plattformrelevanten Güter und beschränken sich auf eine
reine Vermittlungsfunktion. So gilt zum Beispiel Uber als weltgrößtes Taxi-
unternehmen ohne Fahrzeuge oder Alibaba als wertvollstes Handelsunter-
nehmen ohne eigenes Inventar (vgl. Goodwin 2015, URL siehe Literaturver-
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 99

zeichnis). Insbesondere im assetintensiven Bereich steht die Ausbildung von


Plattformen jedoch noch am Anfang.

Abbildung 2: Plattformmodelle mit unterschiedlicher Asset-Intensität

Struktur Asset Heavy Mixed Asset Light

Traditionelle Organisationen,
Wertschöpfungsketten und
physische Assets

Plattform-
Ökosystem

Exemplarisches
Unternehmen BMW car2go Moovel

Plattform
Connected Car Mobility
Drive Sharing Services

Quelle: in Anlehnung an: Daugherty et al. 2016, S. 44

Das Auto könnte im Mobilitätsbereich eine solche materialintensive Platt-


form mit direkter Nutzerschnittstelle darstellen, auf deren Basis neuartige
Leistungen und komplementäre Produkte und Dienstleistungen angeboten
werden können (vgl. Abbildung 3).
Insbesondere eine softwarebasierte Virtualisierung von Funktionen, neue
IKT-Architekturen und Konnektivitätsmöglichkeiten ermöglichen es Anbie-
tern, zunehmend weitere Leistungen (z. B. Gesundheit, Unterhaltung, Ein-
kaufen) auf Basis des Automobils zu offerieren. So könnten bspw. Vitalda-
ten des Fahrers oder von Insassen mittels vielfältiger Sensorik (z. B. in
Lenkrad, Sitzen oder Bedienungsfeldern) erfasst und ausgewertet werden
(analog zur heute bereits existierenden Müdigkeitserkennung), um z. B. den
allgemeinen Gesundheitsstatus abzuleiten, eine Optimierung der bisherigen
Medikation ggf. in Kooperation mit einem Arzt zu veranlassen oder bei
autonomen Fahzeugen im Notfall die unmittelbare Anfahrt der nächstgele-
100 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

genen Notaufnahme vorzunehmen. Weitere Beispiele umfassen die tiefgrei-


fende Integration von Medienangeboten (z. B. Netflix) oder auch eine Pa-
ketzustellung im Kofferraum für getätigte Einkäufe (vgl. Pilotprojekt von
DHL, Audi und Amazon; DHL 2015; URL siehe Literaturverzeichnis).

Abbildung 3: Das Auto als Plattform

Aufgrund der strategisch und ökonomisch5 bedeutsamen Position eines


Plattformbetreibers ergibt sich die Frage, wer diese Rolle im Automotive
Bereich einnehmen wird. Obwohl etablierte Automobilhersteller dafür gut
positioniert wären, machen ihnen vor allem etablierte IKT-Unternehmen
(insb. Google und Apple) sowie neue Player (z. B. Tesla) diese Rolle strei-
tig. So wird die Gefahr gesehen, dass IKT-Unternehmen zukünftig selbst das

5
Fünf der zehn wertvollsten Unternehmen weltweit (Apple, Alphabet, Microsoft, Amazon
und Facebook) verfolgen zu wesentlichen Teilen Plattform-zentrierte Geschäftsmodelle
(vgl. EY 2015, S. 2)
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 101

Auto als Plattform kontrollieren könnten. Die Entwicklung bzw. Produktion


eines physischen Guts stellt jedoch für etablierte IKT-Plattformanbieter eine
erhebliche Markteintrittsbarriere dar. Die Ursache hierfür liegt in der Tatsa-
che, dass – im Gegensatz zu reinen Software-Plattformen – die Produktion
eines Automobils hochkomplexe und kapitalintensive Entwicklungs- und
Produktionsprozesse in Verbindung mit aufwendigen Zertifizierungsverfah-
ren erfordert. Hier können etablierte industrielle Großunternehmen nach wie
vor ihre Stärke ausspielen. Die Bedrohung liegt folglich eher darin, dass
IKT- oder andere Unternehmen entweder auf bestehende OEMs zur Produk-
tion eines eigenen Fahrzeugs zurückgreifen oder auf Basis existierender
Fahrzeuge eine softwarebasierte Plattform etablieren könnten. Dennoch
kann auch das Aufkommen neuer OEMs mit Plattformansprüchen (siehe
Tesla) nicht ausgeschlossen werden. Diese Entwicklungen könnten in der
Automotive Branche mittelfristig zu disruptiven Veränderungen etablierter
Wettbewerbspositionen und Wertschöpfungsstrukturen führen. Die Kontrol-
le des Autos als Plattform wird dabei zu einer strategischen Schlüsselpositi-
on werden, die von etablierten Anbietern nur verteidigt und erhalten werden
kann, wenn sie die neuen Möglichkeiten proaktiv und fundamental entwi-
ckeln und erproben, ohne sich dabei vom Altgeschäft dominieren zu lassen.

3. Veränderung von Geschäftsmodellen


Eine Veränderung etablierter Geschäftsmodelle findet hinsichtlich verschie-
dener Dimensionen statt. Tabelle 2 bietet eine zugespitzte Gegenüberstel-
lung charakteristischer industrieller und digitaler Geschäftsmodelle.
Zentrale Veränderungen können anhand dreier Dimensionen von Ge-
schäftsmodellen unterschieden werden: Nutzenversprechen, Wertschöp-
fungsarchitektur und Erlösmodell (vgl. Haas 2002, S. 89 ff.; Stähler 2002,
S. 31 ff.).
102 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

Tabelle 2: Vergleich industrieller und digitaler Geschäftsmodelle

Industrielle Geschäftsmodelle Digitale Geschäftsmodelle


Besitz von Assets Verleih von Assets
Analoge Produkte und Dienste Digitale Produkte und Dienste
Angebotsseitige Skaleneffekte Nachfragseitige Skaleneffekte
Indirekter Vertrieb Direkter Vertrieb
Physische Standorte On-Demand
Regulierung (Initial) weitgehend unreguliert
Lange Produktentwicklungs- Kurze Entwicklungszyklen und
und Lebenszyklen kontinuierliche Weiterentwicklung

Quelle: in Anlehnung an Levie 2016, URL siehe Literaturverzeichnis

Das Nutzenversprechen eines Geschäftsmodells beschreibt, welchen Nutzen


ein konkretes Produkt oder eine Dienstleistung den Kunden bietet. Im Kon-
text der Automotive Branche sind insbesondere folgende Veränderungen
ersichtlich:
í Kundennahe Ausdifferenzierung der Mobilitätslösung: Mobilitätsanforde-
rungen und Präferenzen sind in Abhängigkeit verschiedener Faktoren (u. a.
Alter, Einkommen, Bevölkerungsdichte und Wegstrecke; vgl. u. a. Gao et al.
2016, URL siehe Literaturverzeichnis) und Einsatzzwecken (z. B. Urlaub,
Einkaufen, Freizeit, Arbeit) höchst unterschiedlich. So hat eine Befragung
des MÜNCHNER KREIS im Rahmen einer Zukunftsstudie beispielweise
sechs unterschiedliche Bedürfnismuster identifiziert, die von pragmatischen
bis hin zu hochtechnischen und extra-komfortablen Transportlösungen rei-
chen (vgl. MÜNCHNER KREIS 2013, S. 128 ff.). Darin wird zudem deut-
lich, dass sich Nutzer ganzheitliche Mobilitätslösungen wünschen, die auch
weitere Bedürfnisse bedienen (vgl. auch Picot/Neuburger 2015, S. 613 ff.),
wie z. B. Zeit zum Arbeiten, Einkaufen oder Entspannen – diese komple-
mentären Bedürfnisfelder bieten damit Schnittstellen zu ehemals separaten
Ökosystemen.
í Nutzen statt Besitzen: Ein übergreifender Trend scheint zudem zu sein, dass
viele Konsumenten keine Fahrzeuge mehr als Eigentümer besitzen, sondern
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 103

diese lediglich nutzen möchten. Das hängt zum einen mit einer veränderten
Wahrnehmung von Status-Symbolen zusammen. Zum anderen kommt es
durch die zunehmende Urbanisierung zu einem erhöhten Verkehrsaufkom-
men und einem Mangel an Parkmöglichkeiten, der zu Stoßzeiten anderweiti-
ge Transportmittel attraktiver erscheinen lässt. Mit dem wachsenden Auto-
nomisierungsgrad von Fahrzeugen können zudem deren Auslastungen er-
heblich gesteigert und so die Kosten pro Kilometer von ca. 0,60 USD bis auf
0,19 USD reduziert werden (vgl. Corwin et al. 2015, S. 11). In Verbindung
mit einer allgemeinen Flexibilisierung, Verfügbarkeit und Ausdifferenzie-
rung von Mobilitätsangeboten dürften diese Einsparungspotenziale viele
Konsumenten zum Umstieg auf nutzungsbasierte Angebote motivieren.
í Kontinuierliche Ergänzung und Weiterentwicklung des Leistungsangebots
durch Virtualisierung: Im Gegensatz zu traditionell physischen Produkten
kann durch die softwarebasierte Virtualisierung von Funktionen eine konti-
nuierliche Weiterentwicklung erfolgen. Konkret bedeutet dies, dass Funktio-
nen nachträglich nicht nur softwarebasiert freigeschaltet werden (z. B. Navi-
gationsdienste), sondern diese auch während der Nutzung – oftmals sogar
erst durch die Nutzung und damit verbundenes Kundenfeedback und ander-
weitige Datenerhebungen – verbessert werden können. So bietet beispiel-
weise Tesla durch „over-the-air“ Updates eine nachträgliche Ergänzung von
Kernfunktionalitäten (z. B. teilautonome Fahrfunktionen durch „Autopilot“)
an. Diese softwarebasierte Ergänzung des Nutzenversprechens kann gleich-
ermaßen für eine Verlängerung des klassischen Produktlebenszyklus und
somit einer verlängerten Wettbewerbsfähigkeit von angebotenen Produkten
und Dienstleistungen genutzt werden.
Die Wertschöpfungsarchitektur eines Geschäftsmodells beschreibt, wie eine
Leistung erstellt wird. Insbesondere durch die Ausbildung plattformzentrier-
ter Ökosysteme werden in der Automotive Branche folgende Veränderungen
ersichtlich:
í Plattform-zentrierte Ökosysteme führen zur Bildung von Wertschöpfungs-
netzwerken: Der integrative und ganzheitliche Ansatz einer Leistungserfül-
lung innerhalb von Ökosystemen erfordert die Kooperation in Wertschöp-
fungsnetzwerken. Dementsprechend müssen Plattformbetreiber oder ander-
weitige Integratoren von Mobilitätsleistungen aus Wertschöpfungssicht ein
hochkomplexes Netzwerk aus einzelnen Leistungsbeziehungen beherrschen.
104 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

Diese sind dabei weder linear (d. h. im Sinne einer sequentiellen Logik klas-
sischer Wertschöpfungsketten), noch unbedingt über längere Dauer von Be-
stand. Insbesondere eine Modularisierung im Bereich der Hardware oder der
API-Entwicklung im Softwarebereich ermöglichen demzufolge u. a. eine
flexible Austauschbarkeit verschiedener Wertschöpfungspartner. Dies indu-
ziert gleichermaßen eine Dynamik in der Konfiguration der Wertschöpfung
und des Ökosystems als Ganzes, die bislang nur von wenigen Unternehmen
ganzheitlich beherrscht und in Echtzeit optimiert werden kann. Dies betrifft
auch die ständige Hinterfragung und Neupositionierung der eigenen Rolle
im Wertschöpfungsprozess. Insbesondere für Plattformanbieter innerhalb
von Ökosystemen stellt diese Fähigkeit eine entscheidende Kernkompetenz
dar, die nicht nur unmittelbar geschäftsrelevant, sondern auch für die weitere
Existenz erforderlich ist.
í Kundenschnittstelle als strategische und ökonomische Schlüsselposition: Für
die Bedeutung der Kundenschnittstelle gibt es zwei Gründe. Zum einen kön-
nen heutzutage mit Hilfe der IKT-gegebenen Konnektivität und insbesonde-
re dem Internet Personen weltweit angesprochen werden. Zum anderen führt
diese Position die Leistung eines Wertschöpfungsnetzwerks (das die wesent-
lichen Kosten trägt) mit dem Endkunden (der dafür bezahlt) zusammen. Un-
ternehmen in dieser Position treten dabei u. a. als reine Intermediäre (Ver-
mittler zw. Wertschöpfungsnetzwerk und Endkunden, z. B. Uber) oder als
Aggregatoren (Integrator verschiedener Leistungen auf Basis einer Plattform
oder einer endkonsumentenfreundlichen Benutzeroberfläche, z. B. Moovel)
auf. Der Kunde bezahlt diesen Akteur meist für die gesamte Leistung. Diese
für die Gesamttransaktion bedeutsame Vermittlung bzw. Aggregation lässt
sich der Akteur vom restlichen Wertschöpfungsnetzwerk bezahlen – eine
Vergütung, die mit zunehmender Nutzeranzahl und damit auch Verhand-
lungsmacht des Akteurs steigt. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Vermitt-
lungs- oder Aggregationsleistung häufig nur auf Basis von – an der Ge-
samtwertschöpfung gemessen – geringem Ressourceneinsatz (meist rein
softwarebasiert) erfolgt. In der Kontrolle der Kundeschnittstelle liegt damit
ein überproportional großer Mehrwert. Kundenferne Wertschöpfungsakteure
(insb. von infrastrukturnahen und damit kapitalintensiven Leistungen) dege-
nerieren damit häufig zur reinen Leistungsbereitstellung, die durch ihre
Kommoditisierung ökonomisch kaum attraktiv ist. Diese Erkenntnis begüns-
tigt zwei unterschiedliche Wertschöpfungsmodelle. Zum einen Unterneh-
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 105

men, die komplett vertikal integriert sind (von der Forschung & Entwicklung
bis hin zum direkten Vertrieb bzw. der Endkundenschnittstelle, z. B. Tesla).
Zum anderen Unternehmen, die sich rein auf die Kundenschnittstelle und
mögliche Vermittlungs- oder Aggregationsleistungen spezialisieren (z. B.
Uber).
í Zunehmender Wertschöpfungsanteil von Software: Viele ehemals hardware-
basierte und mechanische Funktionen können inzwischen kostengünstiger
und leistungsfähiger durch Software abgebildet werden (z. B. Austausch
mechanischer Instrumente durch softwarebasierte Anzeigen). Damit kann
die reine Substitution von Hardware durch Softwarefunktionalitäten zu ei-
nem abnehmenden Wertschöpfungsanteil von Hardware führen. Eine weitere
Gefahr für Hardwarehersteller liegt in deren Kommoditisierung. Diese kann
insbesondere durch eine Standardisierung verschiedener Hardwarekompo-
nenten ausgelöst werden. Demnach werden bestimmte technische Attribute
von Hardware (z. B. Kommunikationsschnittstellen im Auto) standardisiert,
um Kompatibilität zu existierenden technischen Infrastrukturen (z. B. Mobil-
funknetz) oder auch Software (z. B. Apple CarPlay) zu schaffen. Damit er-
folgt eine Differenzierung im Wettbewerb zunehmend über Software, wäh-
rend Hardware – in bestimmten Bereichen von Fahrzeugen – zumeist stan-
dardisiert verbaut wird. Durch die gestiegene Vergleichbarkeit und Aus-
tauschbarkeit unterliegen Hardwarekomponenten damit einem stärkeren
Preisdruck, was zu abnehmenden Margen im Hardwaregeschäft führen kann.
Software (insb. in Verbindung mit Plattformen) wird dagegen für viele Un-
ternehmen (u. a. auch Hardwarehersteller) vermehrt zu einem differenzie-
renden Merkmal, das einen zunehmenden Wertschöpfungsanteil einnimmt.
Das Erlösmodell eines Geschäftsmodells beschreibt, auf welche Weise Erlös
generiert wird. Veränderungen des Erlösmodells sind vor allem auch von Ver-
änderungen im Nutzenversprechen abhängig. Folgende Veränderungen sind
absehbar:
í Monetarisierung von Produkten und Dienstleistungen über den gesamten
Lebenszyklus: Eine Virtualisierung von Funktionen durch Software und IKT-
basierte Konnektivität eröffnet neue Monetarisierungspotenziale. So können
initiale Funktionen von Produkten und Dienstleistungen nachträglich verbes-
sert und erweitert werden. Dies verändert nicht nur den Lebenszyklus von
Produkten und Dienstleistungen, sondern bietet auch nach deren initialem
106 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

Verkauf erhebliche Monetarisierungspotenziale. So können beispielweise


Tesla-Nutzer nachträglich verschiedene – die Basisfunktionalität des Pro-
dukts betreffende – zusätzliche Funktionen erwerben. Die „Autopilot“ Funk-
tion kostet bspw. 2.500 USD und wird Benutzern nach Bezahlung unkompli-
ziert als „over-the-air“ Update zur Verfügung gestellt und fortlaufend ver-
bessert (vgl. o. V. 2015, URL siehe Literaturverzeichnis). Nachträgliche
Funktionserweiterungen bieten Anbietern damit nicht nur die Möglichkeit
einer zusätzlichen Einkommensquelle, sondern ermöglichen auch, Produkte
und Dienstleistungen zunächst unter oder nahe des Kostenpunktes anzubie-
ten (z. B. um möglichst schnell eine breite Marktpenetration zu erreichen;
ein entscheidender Faktor bei Plattformen) und diese erst nachträglich voll-
ständig zu monetarisieren. Gleichermaßen bieten diese neuartigen Moneta-
risierungspotenziale auch die Möglichkeit, hardwareseitig weitere Funktio-
nen zu integrieren, die allerdings erst später softwarebasiert freischaltbar
sind (ggf. erst nachdem deren Funktionsweise durch deren Schattenbetrieb
während der initialen Nutzung entsprechend optimiert wurde).
í Dynamische Preissetzung in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage in
Nahe-Echtzeit: Eine Veränderung der Preise in Abhängigkeit von Angebot
und Nachfrage existiert seit jeher – wurden bestimmte Produkte und Dienst-
lungen wenig nachgefragt, wurde der Preis gesenkt und umgekehrt. Daraus
ergaben sich beispielsweise tageszeitabhängige Preismodelle im Taxigewer-
be. Diese Preismodelle waren jedoch weitgehend statisch und unterschieden
beispielsweise nur zwischen Tageszeiten und Arbeitstagen bzw. Wochenen-
de. Inzwischen werden viele Produkte und Dienstleistungen jedoch internet-
basiert und in Echtzeit angefragt und gebucht. Dies führt in Verbindung mit
anderen Daten aus relevanten Umgebungsbereichen (Wetter, Events, Ver-
kehrsdichte, Geschmacksverschiebungen, usw.) zu einer bisher nie dagewe-
senen Transparenz von Angebot und Nachfrage, die von Anbietern zur dy-
namischen Preisanpassung in Nahe-Echtzeit genutzt werden kann. Diese dy-
namischen Anpassungen sind insbesondere bei plattform-zentrierten Ge-
schäftsmodellen interessant, da hier neben der preislichen Anpassung in Ab-
hängigkeit der Nachfrage auch eine dynamische Anpassung des Angebots
erfolgen kann. So führt beispielsweise eine höhere Nachfrage bei Uber zu-
nächst zu höheren Preisen pro Fahrt (vgl. Uber Surge Pricing). Der gestiege-
ne Preis macht das Angebot für weitere Uber-Fahrer attraktiv, die daraufhin
ebenfalls ihre Fahrdienste anbieten (z. B. zu Hauptverkehrszeiten). Das wei-
Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie 107

tere Angebot kann daraufhin wieder zu einer Verringerung des Preises füh-
ren. Insgesamt können durch diese dynamischen Preisanpassungen mehr
Fahrten realisiert werden, was durch eine erhöhte Konsumenten- und Produ-
zentenrente die Gesamtwohlfahrt steigert (vgl. Haucap et al. 2015, S. 49 ff.).
Diese dynamische Preissetzung kann potentiell bei vielen IKT-basierten
Produkten und Dienstleistungen mit Hilfe von Preissetzungsalgorithmen
umgesetzt und zu großen Teilen vollautomatisch optimiert werden (z. B. bie-
tet das P2P Carsharing Portal Getaround den Anbietern von Autos bereits
dynamische Preisvorschläge zur Optimierung der Auslastung ihrer Fahrzeu-
ge an). Insgesamt kann damit durch dynamische Preismodelle ein ökonomi-
scher Mehrwert generiert werden.
Die skizzierten Veränderungen etablierter Geschäftsmodelle stellen für Un-
ternehmen Chance und Bedrohung zugleich dar. So ermöglicht ein Umbruch
etablierter Wertschöpfungsstrukturen die Chance einer Neupositionierung
und Erweiterung der Rolle in den entstehenden Wertschöpfungsnetzwerken.
Schätzungen zu Folge bietet insbesondere der Markt für neue Mobilitäts-
dienstleistungen (z. B. Car-Sharing, e-Hailing) und datenbasierte Konnek-
tivitätsdienste (z. B. Remote Dienste, Software Updates) ein enormes
Wachstumspotenzial und könnte 2030 bereits 30 Prozent (ca. 1,5 Billionen
USD) des gesamten Umsatzes der Automotive Branche ausmachen (vgl.
Gao et al. 2016, URL siehe Literaturverzeichnis). Zum anderen besteht
durch allgemein gesunkene Markteintrittsbarrieren mehr denn je die Gefahr,
durch neuartige Geschäftsmodelle obsolet zu werden.

III. Fazit
Die Digitalisierung stellt die etablierte Industrie vor enorme Herausforde-
rungen. Vergleichbar mit vorangegangen Basistechnologien und daraus
resultierenden industriellen Revolutionen bilden heutzutage IKT-basierte
Innovationen und deren Anwendung den Kern transformativer Veränderun-
gen. Demnach wird erwartet, dass eine zunehmende IKT-Durchdringung
von Produkten und Dienstleistungen zu grundlegenden Veränderungen in-
dustrieller Wertschöpfungsstrukturen führt. Insbesondere die Entstehung
plattformzentrierter Ökosysteme stellt etablierte Strukturen zunehmend in
Frage und könnte zu einem neuen Machtgefüge in der Automotive Branche
führen. Für etablierte OEMs wird es demnach entscheidend sein, ob sie in
108 Arnold Picot, Stefan Hopf und Joachim Sedlmeir

Zukunft ihre Fahrzeuge als Plattform etablieren und die Kontrolle darüber
behalten können. Gemäß der Feststellung des ehemaligen GE Vorstandsvor-
sitzenden Jack Welch, „if the rate of change on the outside is greater than
the rate of change on the inside, the end is near“ (Pieters/Young 2000,
S. 36), gilt es schnell zu handeln. Der Veränderungsbedarf ist groß. Etablier-
te industrielle Unternehmen stehen vor einem Dilemma. So setzt eine grund-
legende Neuausrichtung des Produkt- und Dienstleistungsportfolios eine
gleichermaßen umfangreiche Transformation der Organisation und ihrer
Fähigkeiten voraus – Strukturen, die jahrelang wesentlich zum Geschäftser-
folg beigetragen haben. Dies erfordert eine Überwindung erheblicher
Pfadabhängigkeiten und oftmals eine Entwicklung ambidextrer Organisati-
onsstrukturen (vgl. Michl et al. 2013, S: 47 ff.) mit strategischen Schnittstel-
len zum etablierten Kerngeschäft. Denn letztendlich können aus einer klu-
gen Kombination existierender und neuer Ressourcen einzigartige Fähigkei-
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Geschäftsmodellinnovationen durch Digitalisierung – Neue
Herausforderungen an den Controller

Péter Horváth

I. Digitalisierung: Auch der Controller ist gefordert


Die Digitalisierung verändert auch das Funktionsgefüge des Managements
in den Unternehmen, weil sie nicht nur alle Prozesse und Strukturen neu
formt, sondern auch die Kompetenzanforderungen an alle Aufgabenträger in
der Führung auf den Prüfstand stellt. Dies gilt insbesondere für die steuern-
den und informationsversorgenden Aufgaben.
Wir wollen den Wandel an einer zentralen Funktion der Unternehmenssteue-
rung exemplifizieren. Es geht um den Controller. Um das Beispiel noch
konkreter zu gestalten, wollen wir die Rolle des Controllers bei der durch
Digitalisierung induzierten Geschäftsmodellinnovation analysieren.
Unser Ausgangspunkt dabei ist das Controller-Leitbild der International
Group of Controlling (vgl. 2015, S. 37), dem weitgehend von Wissenschaft
und Praxis zugestimmt wird:
„Controller leisten als Partner des Managements einen wesentlichen Beitrag zum nachhal-
tigen Erfolg der Organisation. Sie

í gestalten und begleiten den Management-Prozess der Zielfindung, Planung und Steuerung,
sodass jeder Entscheidungsträger zielorientiert handelt,
í sorgen für die bewusste Beschäftigung mit der Zukunft und ermöglichen dadurch, Chancen
wahrzunehmen und mit Risiken umzugehen,
í integrieren die Ziele und Pläne aller Beteiligten zu einem abgestimmten Ganzen,
í entwickeln und pflegen die Controlling-Systeme. Sie sichern Datenqualität und sorgen für
entscheidungsrelevante Informationen.
í sind als betriebswirtschaftliches Gewissen dem Wohl der Organisation als Ganzes ver-
pflichtet.“

Dieser Beitrag fokussiert also auf die Herausforderungen an den Controller


im Zusammenhang mit Geschäftsmodellinnovationen.
Er will aufzeigen, dass seine Rolle einer doppelten Herausforderung unter-
liegt: Gemäß seines Selbstverständnisses als „Business Partner“ – und sogar

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_6
114 Péter Horváth

als „Business Catalyst“ – hat er erstens bei der durch die Digitalisierung
angestoßenen Innovation des Geschäftsmodells mitzuwirken. Zweitens muss
er die Transformation der erarbeiteten Geschäftsmodellinnovation in Pla-
nung, Steuerung und Kontrolle umsetzen.
Kann er diese Aufgaben mit seinem klassischen Kompetenzmodell bewälti-
gen bzw. wie muss er gegebenenfalls seine Kompetenzen weiterentwickeln,
damit seine Funktion nicht obsolet wird? Auf diese Frage suchen wir hier
eine Antwort.

II. Innovationsdruck auf Geschäftsmodelle durch Digitalisierung

1. Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand


Die Digitalisierung ist gegenwärtig auf dem besten Weg, unser Leben gene-
rell zu verändern. Sie bringt nicht nur völlig neue Unternehmen hervor,
sondern verändert auch bereits existierende Unternehmen und Branchen
fundamental. Der digitale Wandel macht die Anpassung und vielfach die
Neudefinition von Geschäftsmodellen erforderlich. Dieser Veränderungs-
prozess erstreckt sich auf alle Unternehmensgrößen und -branchen. Der
rasante Fortschritt der Informationstechnologie stellt insbesondere für die
„old industry“ eine immense Herausforderung dar, der sich kein Unterneh-
men entziehen kann. Alle Unternehmen müssen sich dieser Herausforderung
stellen, ansonsten ist ihre Existenz gefährdet.
Hinter dem schillernden Begriff „Digitalisierung“ verbirgt sich zunächst die
Transformation analoger Größen (z. B. Betriebstemperatur einer Maschine)
in digitale Daten, die dann vom Computer bearbeitet werden können.
Die umfassende Ausprägung der Digitalisierung ist durch das Internet reali-
siert. Mit dem Internet der Dinge („Internet of things“) ist die Vision ver-
körpert, jeden Gegenstand der physischen Wirklichkeit in das Internet zu
integrieren, indem diese eine Internetadresse erhalten, über die Informatio-
nen entnommen, digitalisiert und kommuniziert werden („smarte“ Objekte).
Gegenwärtig erleben wir eine Periode des revolutionären Umbruchs durch
Digitalisierung und Industrie 4.0. In dieser Zeit muss jedes Unternehmen –
Geschäftsmodellinnovationen durch Digitalisierung 115

wenn es erfolgreich überleben will – sein Geschäftsmodell und seine Strate-


gie auf den Prüfstand stellen.
Die Potenziale der Digitalisierung schaffen in zwei Feldern grundlegende
Veränderungen:
í Es entstehen völlig neue Unternehmenstypen, die internetbasiert spezielle
innovative Dienstleistungen offerieren (z. B. Taxidienst Uber).
í Bereits bestehende Unternehmen sind gefordert, ihre Produkte, Services und
Prozesse im Hinblick auf die Digitalisierung kreativ zu verändern, um auf
diese Weise ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten bzw. zu verbessern (z. B.
Online-Handel im stationären Einzelhandel).
Die Digitalisierung in der Industrie erhielt durch die Initiative Industrie 4.0
einen konzeptionellen Rahmen. Entwickelt durch die Akademie für Tech-
nikwissenschaft (vgl. Kagermann et al. 2013) steht Industrie 4.0 für die
internetbasierte Vernetzung von Produkten und Prozessen entlang der in-
dustriellen Wertschöpfungskette.
Im neuen Wertschöpfungsprozess steuern „smarte“ Produkte ihren Weg in
der Produktions- und Logistikkette. „Smarte“ Produkte können vier aufei-
nander aufbauende Funktionsstufen durchlaufen (vgl. Abb.1): Überwachung,
Steuerung, Optimierung, Automatisierung.

Abbildung 1: Funktionsstufen smarter Produkte

Automatisierung

Optimierung

Steuerung

Überwachung

Ermöglicht durch Ermöglicht durch Ermöglicht durch Ermöglicht durch


Sensoren und Software im Algorithmen, die Kombination von
externe Daten- Produkt oder den Betrieb und Überwachung,
quellen in der Cloud die Nutzung des Steuerung und
Produkts optimieren Optimierung

Quelle: Porter/Heppelmann 2014, S. 41


116 Péter Horváth

Als „revolutionär“ in dem Konzept Industrie 4.0 wird die horizontale und
die vertikale Integration der Wertschöpfung angesehen:
í Die horizontale Integration bezeichnet die digitale Vernetzung aller Prozess-
schritte von der Eingangslogistik bis zum Vertrieb sowohl innerhalb des Un-
ternehmens als auch außerhalb der Unternehmensgrenzen (Zulieferer, Kun-
den und andere Partner).
í Die vertikale Integration bezieht sich auf die Vernetzung aller Hierarchie-
ebenen im Unternehmen von der Unternehmensführung bis zum „Shop-
floor“.
In der sogenannten „Smart Factory“ („intelligente Fabrik“) kann der Steue-
rungsprozess (im Idealfall) in Echtzeit erfolgen. D. h. in jedem Bereich des
Cyber-physische Systems sind die steuerungsrelevanten Informationen im
Entstehungszeitpunkt vorhanden und lösen automatisierte oder menschlich
initiierte Steuerungsentscheidungen aus.
Zwei Anmerkungen sind an dieser Stelle erforderlich:
í Elemente von Industrie 4.0 gibt es schon seit mindestens zwei Jahrzehnten
(z. B. sensorenbasierte Steuerung, Einsatz von „intelligenten“ Robotern
etc.). Insofern ist die Bezeichnung „Evolution“ statt „Revolution“ sicher zu-
treffender.
í Die Erreichung des Idealzustandes einer heute definierten „Smart Factory“
bildet keinen Endpunkt der Entwicklung. Notwendig ist in der Praxis eine
„road map“, die ständig weiter entwickelt wird.
Betriebswirtschaftlich sind zwei Aspekte bei Industrie 4.0 grundlegend:
í Operativ ist der Prozess der Unternehmenssteuerung neu zu gestalten
í Strategisch ist das Geschäftsmodell des Unternehmens auf den Prüfstand zu
stellen und weiterzuentwickeln
Die Potenziale von Industrie 4.0 werden in allen Kostenbereichen als be-
trächtlich angesehen. Hinzu kommen natürlich die Ertragssteigerungschan-
cen durch neue Produkte und Dienstleistungen (vgl. z. B. Bauernhansl 2015,
S. 31).
Geschäftsmodellinnovationen durch Digitalisierung 117

2. Geschäftsmodellinnovationen durch Internet der Dinge


Für das Überleben von Unternehmen ist die Erhaltung der bestehenden
Wettbewerbsvorteile unerlässlich. Wettbewerbsvorteile basieren immer auf
einem erfolgreichen Geschäftsmodell. Die Veränderungen im Markt durch
verschiedene Einflussfaktoren (z. B. neue Wettbewerber, neue Technolo-
gien, Veränderung des Kundenverhaltens etc.) führen dazu, dass eine stän-
dige Überprüfung und ggf. Weiterentwicklung der eigenen Marktposition
erfolgen muss, um sich rechtzeitig auf die Veränderungen einstellen zu kön-
nen. Es geht um Innovationen des Geschäftsmodells. Gegenwärtig steht hier
die Digitalisierung im Fokus.
Da das Wort „Geschäftsmodell“ zurzeit inflationär in aller Munde ist und
jeder etwas anderes darunter versteht, ist es notwendig, zunächst klarzustel-
len, was darunter konkret zu verstehen ist.
Die an der Hochschule St. Gallen entwickelte Beschreibung eines Ge-
schäftsmodells ist so einfach, klar und überzeugend, dass diese Struktur hier
den Ausführungen hier zugrunde gelegt wird (vgl. dazu ausführlich Gass-
mann et al. 2013). Dieses Modell hat vier Elemente, die in einem „magi-
schen Dreieck“ abgebildet werden (vgl. Abb. 2):

Abbildung 2: Struktur eines Geschäftsmodells

Was bieten wir den


Was? Kunden an?

Nutzen-
versprechen

Wie wird Wert Wie stellen wir die


erzielt?
Wer? Leistung her?

Wert-
Ertrags-
schöpfungs-
mechanik
kette

Wert? Wie?
Wer sind unsere
Zielkunden?

Quelle: Gassmann et al. 2013, S. 6


118 Péter Horváth

1. Wer sind unsere Zielkunden?


2. Welchen Nutzen bieten wir unseren Kunden?
3. Mit welcher Wertschöpfungskette erstellen wir unsere Leistung?
4. Wie wird der finanzielle Ertrag erzielt?
In einem Satz formuliert: „The essence of a business model is in defining
the manner by which the enterprise delivers value to customers, entices
customers to pay for value und converts those payments to profit“ (Teece
2010, S. 172). Das Geschäftsmodell ist die „Architektur” des Geschäfts, es
liefert die Basis für Finanzpläne und Budgets.
Laut Gassmann et al. (2013, S. 7) liegt eine Geschäftsmodellinnovation vor,
wenn mindestens zwei der vier oben genannten Elemente geändert werden.

Die Konzepte „Geschäftsmodell“ und „Strategie“ ergänzen sich. Man kann


dies vereinfacht wie folgt beschreiben: Das Geschäftsmodell beschreibt
kundenorientiert die Architektur des Geschäfts; die Strategie hat den Erhalt
des Wettbewerbsvorteils im Fokus und fragt nach der Differenzierbarkeit
(„unique selling proposition“) des Geschäftsmodells (vgl. dazu Magretta
2002, S. 91).
Digitalisierung und Internet haben neue Branchen mit eigenständigen Ge-
schäftsmodellen hervorgebracht. Sie haben allesamt auf die Geschäftsmodel-
le der klassischen produzierenden Industrie vielfach einen geschäftsmodell-
verändernden Einfluss.
Man kann hier vier Einflussvarianten unterscheiden (vgl. Fleisch et al. 2015,
S. 453 ff.):
1. Konstituierende Wirkung, d. h. ohne Internet kann das Geschäftsmodell
nicht existieren (z. B. e-Commerce).
2. Aufwertende Wirkung, d. h. das Internet kann das bestehende Ge-
schäftsmodell aufwerten (z. B. Self Service).
3. Irrelevante Wirkung, d. h. kein Einfluss auf das bestehende Geschäfts-
modell (z. B. Franchising).
4. Zerstörende Wirkung, d. h. das Internet macht das bestehende Ge-
schäftsmodell obsolet.

Internet der Dinge bedeutet, dass ein physischer Gegenstand (z. B. eine
Werkzeugmaschine) über Sensoren und Verbindung zum Internet eine IT-
Geschäftsmodellinnovationen durch Digitalisierung 119

basierte Dienstleistung generieren kann (z. B. Fernanalyse und -wartung).


Auf diese Weise entstehen hybride Produkte bestehend aus physischem
Gegenstand und Service (hier: Werkzeugmaschine und Fernwartungsser-
vice).
Hybride Produkte gab es natürlich auch schon vor dem Internet. Das Internet
potenziert jedoch die Möglichkeiten solcher Geschäftsmodelle.
Das Internet der Dinge erweitert bestehende Muster von Geschäftsmodellen
bzw. schafft eigenständige Geschäftsmodelltypen (vgl. dazu Fleisch et al.
2015).
Wichtige Beispiele zur Erweiterung bestehender Geschäftsmodelle sind (vgl.
ebenda, S. 455 ff.):
í „Physical Freemium“: Physisches Gut inklusive digitaler Gratisservice, der
um kostenpflichtige Services erweitert werden kann.
í „Digital Add on“: Das physische Produkt enthält digitalen Verkaufs- bzw.
Marketingservice.
í „Object Self Service“: Das physische Produkt löst autonom Bestellungen im
Internet aus (z. B. Anforderung von Verbrauchsmaterialien oder Wartungs-
service).
Zwei Beispielkategorien für eigenständige Geschäftsmodelltypen im Internet
der Dinge sind (vgl. ebenda, S. 457 ff.):
í „Digitally charged Products“: Klassische physische Produkte werden mit
sensorbasierten digitalen Dienstleistungen ergänzt und „bepreist“ (z. B. digi-
tale Wartungsanleitung).
í „Sensor as a Service“: Messwerte physischer Geräte werden als eigenständi-
ges Gut gespeichert, aufbereitet und vermarktet (z. B. Sensoren zur Erken-
nung freier Parkplätze).
Für die genannten Beispieltypen gibt es inzwischen zahlreiche konkrete
Realisierungen in der Praxis. Diese Tatsache weist darauf hin, dass alle
Unternehmen der „brick and mortar“-Kategorie sich schon aus Existenzer-
haltungsgründen mit der Digitalisierung und speziell mit dem Internet der
Dinge auseinandersetzen müssen.
120 Péter Horváth

III. Der Controller im Prozess der Geschäftsmodellinnovation

1. Ganzheitliches Innovationsmanagement erforderlich


Die Weiterentwicklung bzw. Neugestaltung des unternehmerischen Ge-
schäftsmodells ist ein Innovationsprozess, der sich auf alle Bereiche des
Unternehmens zu erstrecken hat.
Dieser ganzheitliche Ansatz ist heute „state of the art“ in Forschung und
Praxis. So auch Gerybadze: „Innovation wird somit als umfassende Aktivität
verstanden, die F&E, aber auch Fertigungs- und Logistikaktivitäten und
Markt- und Anwenderwissen einbeziehen muss.“ (Gerybadze 2004, S. 2;
ähnlich auch vgl. Hauschildt 2004, S. 29 f).
Die Betonung des ganzheitlichen Aspektes ist im Zusammenhang mit Ge-
schäftsmodellinnovationen auch deshalb besonders relevant, weil noch man-
che Publikationen dennoch stark den Projekt-Charakter des Innovationsma-
nagements betonen (vgl. Gemünden/Salomo 2004).
Demgegenüber sind bei durch Digitalisierung induzierten Geschäftsmo-
dellinnovationen zwei Gesichtspunkte hervorzustellen:
í Es handelt sich hier um eine Aufgabenstellung, die alle existenzrelevanten
Bereiche des Unternehmens umfasst.
í Es handelt sich um einen Daueraufgabe, angestoßen durch die rasante tech-
nologische Entwicklung.
Sicher sind hier Teilaufgaben in Projekte „herunterzubrechen“, doch das
Wesentliche ist der ganzheitliche Ansatz. Zu handeln ist entlang der gesam-
ten „Innovationswertschöpfungskette“ (vgl. Wölfle et al. 2014). Dies zu
akzentuieren in diesem Zusammenhang ist deswegen wesentlich, weil gera-
de bei Digitalisierungsvorhaben „Insellösungen“ weit verbreitet sind. Das
von Hauer und Heinen (2014) entworfene Management-System zur Gestal-
tung von Geschäftsmodellinnovationen bietet einen praktikablen Ansatz zur
gesamthaften Vorgehensweise (vgl. Abb. 3).
Geschäftsmodellinnovationen durch Digitalisierung 121

Abbildung 3: Innovationswertschöpfungskette

Quelle: Wölfle et al. 2014, S. 36


122 Péter Horváth

2. Rolle des Innovationscontrollings


Zwischen dem heutigen Selbstverständnis der Controllingliteratur und der
Wahrnehmung des Controllings in der Literatur zum Innovationsmanage-
ment klafft eine Lücke. In der Controllingliteratur – und zunehmend auch in
der Controllingpraxis – wird heute die umfassende koordinierende und rati-
onalitätssichernde Rolle des Controllers gesehen. In der Literatur zum Inno-
vationsmanagement kommt dagegen Controlling noch eher am Rande vor,
und zwar dann, wenn es um Projektkontrolle oder um die Evaluation des
Innovationserfolges geht. Es wird dem Controller sogar Innovationsfeind-
lichkeit unterstellt: „Hierarchien und Controller sind latent innovations-
feindlich – so jedenfalls die Ansicht vieler Innovatoren.“ (Hauschildt 2004,
S.181). Hauschildt ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass eine
„wohlgeordnete Administration in ihrem sachgerechten Funktionieren Inno-
vationen nicht fördert, sondern behindert“ (ebd., S. 181).
Ihm ist Recht zu geben, wenn Innovationscontrolling im traditionellen Sinne
aufgefasst wird. So sah noch Littkemann (2005, S. 12 f) die Aufgaben des
Innovationscontrollings in der Zurverfügungstellung und in dem Einsatz
„innovationsadäquater Planungs- und Kontrollrechnungen“. Er schreibt:
„Dazu bedarf es in erster Linie der Heranziehung von Instrumenten aus dem
Rechnungswesen“ (ebd., S. 12).
Die moderne Auffassung sieht dagegen Innovationscontrolling als eine um-
fassende Unterstützungsaufgabe entlang der gesamten Innovationswert-
schöpfungskette (vgl. Wölfle et al. 2014).
Der Fokus muss ein dreifacher sein (vgl. nochmals Abb. 3):
í Rationalitätssicherung in „Upstream Innovation“ durch Anwendung von
strategischen Bewertungskriterien.
í Effektivitätsevaluation in der Phase der „Ideation“ durch Anwendung von
erweiterten Investitionskalkülen.
í Effizienzsicherung in der Phase „Downstream Innovation“ durch Projekt-
controlling.
Besonders hervorzuheben ist die Koordinationsaufgabe des Innovationscon-
trollings, da Geschäftsmodellinnovationen sich auf alle Unternehmensberei-
che und -funktionen erstrecken (vgl. Möller et al. 2011, Gleich/Schimank
2015).
Geschäftsmodellinnovationen durch Digitalisierung 123

3. Erweiterung der Controllerkompetenz notwendig


Unsere Überlegungen zum Innovationscontrolling waren im vorangehenden
Abschnitt dieses Beitrags funktional bzw. prozessual ausgerichtet.
Der Controllingprozess wird von Managern und Controllern gemeinsam
getragen. Der Manager ist dabei der Entscheidungsträger; der Controller ist
der Informationsversorger und Koordinator, der durch seine Mitwirkung im
Controllingprozess für Rationalitätssicherung sorgt (vgl. Horváth et al.
2015, S. 24 ff).
Zu klären ist, wenn die Controllingmitwirkung bei Geschäftsmodellinnova-
tionen diskutiert wird, welche Controllerkompetenzen hierzu erforderlich
sind, zumal der „klassische“ Controller rechnungswesenbasiert arbeitet und
eher operativ fokussiert ist.
Seine Kompetenzen sind m. E. bei Geschäftsmodellinnovationen in drei
Bereichen über das Rechnungswesen-Knowhow hinaus zu erweitern:
í Strategisches Denken und Beherrschung der hier notwendigen Instrumente,
í Umfassende Kenntnisse über das Geschäftsmodell des Unternehmens,
í Vertrautsein mit Stand und Potenzialen der Digitalisierung.
Hinzu kommt die Forderung, dass die Rolle des Controllers im Steuerungs-
prozess von ihm innovationsunterstützend und nicht innovationsbremsend
ausgelegt wird (vgl. dazu International Group of Controlling 2015, S. 39 ff).

IV. Der Controller weiter „Single Source of Truth“?


Durch die Verschiebung von rechnungswesenbasierten Informationen zu
„Big Data“ als Basis der Informationsversorgung an das Management erhält
die Rolle des Controllers als „single source of truth“ Konkurrenz.
Dies gilt insbesondere für die Informationsversorgung auf der strategischen
Ebene. Die Aufbereitung und Analyse von Informationen der unterschied-
lichsten Quellen und Ausprägungen im Rahmen der Digitalisierung hat das
Kompetenzprofil des Data Scientist hervorgebracht, von dem behauptet
wird, das sei „The Sexiest Job of the 21st Century“ (Davenport/Patil 2012).
So der Titel des Havard Business Review Aufsatzes.
124 Péter Horváth

Data Scientists sind die Experten, „who produce the applications and mo-
dels“ (Davenport 2014, S. 85) um „Big Data“ auszuwerten und darauf auf-
bauend entscheidungsunterstützende Informationen zu schaffen. In der Re-
gel sind Data Scientists Informatiker oder Mathematiker; Management-
Knowhow gehört nicht zu ihrer Kernkompetenz.
Es besteht daher die Notwendigkeit, die „richtigen“ Fragestellungen an sie
zu formulieren sowie die Ergebnisse der Analysen aus der Sicht der Unter-
nehmensführung zu beurteilen. Dies ist die neue koordinative Rolle der
Controllerfunktion (vgl. Internationaler Controllerverein 2015).
Durch das Zusammenwirken von Data Scientists und Controllern ist sicher-
zustellen, dass die so geschaffene Informationsbasis für Entscheidungen
„the single source of truth“ wird. Das ganzheitliche Geschäftsmodellwissen
des Controllers und die Daten-Expertise des Data Scientists kann so die
ideale Unterstützung für Geschäftsmodellinnovationen liefern.

Literatur

Bauernhansl, Thomas/ten Hompel, Michael/Vogel-Henser, Birgit (Hrsg.) (2014): Industrie 4.0 in


Produktion, Automatisierung und Logistik, 1. Auflage, Wiesbaden.
Davenport, Thomas H./Patil, Dhanurjay J. (2012): Data Scientist: The Sexiest Job of the 21st Centu-
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Fleisch, Elgar/Weinberger, Markus/Wortmann, Felix (2015): Geschäftsmodelle im Internet der
Dinge, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (ZfbF), 67 (2015), Dez., S. 444 –
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Gassmann, Oliver/Frankenberger, Karolin/Csik, Michaela (2013): Geschäftsmodelle entwickeln,
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Gemünden, Hans Georg/Salomo, Sören (2004): Innovationsmanagement, in: Schreyögg, Georg; v.
Werder, Axel (Hrsg.): Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, 4.Auflage, Sp.
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Hauschildt, Jürgen (2004): Innovationsmanagement, 3. Auflage, München.
Horváth, Péter/Gleich, Ronald/Seiter, Mischa (2015): Controlling, 13. Auflage, München.
Internationaler Controller Verein ICV (Hrsg.) (2015): Industrie 4.0 – Controlling im Zeitalter der
intelligenten Vernetzung.
Geschäftsmodellinnovationen durch Digitalisierung 125

International Group of Controlling (Hrsg.) (2015): Controller-Kompetenzmodell, Freiburg, Mün-


chen.
Kagermann, Henning/Wahlster, Wolfgang/Helbig, Johannes (2013): Umsetzungsempfehlungen für
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Littkemann, Jörn (Hrsg., 2005): Innovationscontrolling, 1. Auflage, München.
Magretta, Joan (2002): Why Business Models Matter, in: Harvard Business Review, 80 (2002), Mai,
S. 86 – 92.
Möller, Klaus/Menninger, Jutta/Robers, Diane (2011): Innovationscontrolling, Stuttgart.
Porter, Michael E./Heppelmann, Jim E. (2014): Wie smarte Produkte den Wettbewerb verändern, in:
Harvard Business Manager (2014), Dez., S. 34 – 61.
Teece, David John (2010): Business Models, Business Strategy and Innovation, in: Long Range
Planning, 43 (2010), S. 172 – 194.
Wölfle, André/Hauer, Michael/Hagir, Maurice (2014): Betriebliche Innovationstätigkeit ganzheitlich
steuern, in: Controlling & Management Review 58 (2014) 4, S. 32 – 44.
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG

Bernd H. Kortschak

I. Einleitung

1. Problemstellung
In der Zwischenkriegszeit war die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft
(DRG), die nach ihrer Rechtsstruktur einer AG nachgebildet war, wenn auch
als Reparationslastträger „unter Wahrung der Interessen der deutschen
Volkswirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen“ (§2 Deutsche
Reichsbahn Gesetz 1924, vgl. Hölzinger 2003, S. 79), Innovationsführer in
Europa: Mit dem Rheingold-Express setzte sie Maßstäbe im Luxus-Segment
mit noch größeren Abständen zwischen den Sitzen als in den legendären
Pullman-Wagen der Internationalen Schlafwagengesellschaft (vgl. Stöckl
1964, S. 114). Der zweiteilige Triebwagen „Fliegender Hamburger“ und
seine drei- und vierteiligen Weiterentwicklungen realisierten zwischen
Berlin und Hamburg die schnellsten Reisezeiten in Europa (vgl. Stöckl
1964, S. 76). Mit 200,3 km/h errang eine Dampflok der DRG am 11. Mai
1936 Weltrekord (vgl. Gottwaldt 2011) und die spätere Kriegsbaulok der
Reihe 52 wurde durch Ablösung der Niet- und Schmiedetechnik durch die
Schweißtechnik sowie die Reduzierung der Teilevielfalt zu noch nie gekann-
ten niedrigen Selbstkosten hergestellt: „Bestand die Vorgängerreihe 50 noch
aus 6000 Einzelteilen, so gab es bei der Reihe 52 nur noch 5000, davon 300
stark vereinfachte. Die Materialeinsatzmasse sank von 165 t auf 130 t.“
(Lehmann 1987, S. 173) und das, obwohl die DRG – so wie die Deutsche
Bahn AG heute – in ihrem Kern eigentlich unterfinanziert war. Aus den
Betriebsüberschüssen waren bis 1932 4,2 Mrd. Reichsmark an Reparations-
leistungen und zwischen 1932 und 1936 1 Milliarde Reichsmark an das
Reich abgeführt wurden, aber nur 1,7 Milliarden Reichsmark zwischen 1924
und 1936 in die Bahn investiert worden (vgl. Fremdling 1993, S. 432).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_7
128 Bernd H. Kortschak

2. Zielsetzung des Beitrages


„Wer die Bahn von heute verteidigt, bringt sie um!“ (Vaerst 1981) Diese
indirekte, aber drastisch formulierte Forderung nach Innovationen bei der
Bahn, um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern, stellte noch zu „Behör-
denbahnzeiten“ ein Vorstandsvorsitzender des DB auf. Innovation tut Not.
Daher soll im Rahmen dieses Beitrages der Frage nachgegangen werden,
welche Innovationen seitens der privatwirtschaftlichen DB AG seit 1994 im
Bahnpersonen- und -güterverkehr angestoßen und umgesetzt wurden, denn
die „Innovation allein, die bringt noch nichts. Sie müssen auch umgesetzt
werden.“ (Polterauer zit. nach Theurer/Polterauer 2015, S. 12).

II. Innovationen unter veränderten Rahmenbedingungen

1. Innovationen aus wirtschaftlicher Perspektive


Schlägt man als Betriebswirt zum Thema Innovation bei Gutenberg nach, so
stößt man auf die Formulierung: „Eine technische Neuerung besteht, be-
triebswirtschaftlich gesehen, in einem Mehr oder Weniger an hergestellten
Gütern und diese Quanten sind es, um welche betriebswirtschaftliches Den-
ken im engen Sine kreist.“ (Gutenberg 1929, S. 37) Später hat Gutenberg
diese auf mengenmäßige Produktivitätssteigerung gerichtete Position dazu
benutzt, explizit Schumpeters Ansicht über das Neue, was die entschei-
dendste Form des Wettbewerbs darstellt, zugunsten der Produktivitätssteige-
rung im engen Sinn auszuschließen. (vgl. Gutenberg 1955, S. 5) Näher an
Schumpeter steht Mellerowicz (vgl. Burr 2014, S. 18), wenn er fordert:
„dem Unternehmen neue Erkenntnisse für mögliche neue oder verbesserte
Erzeugnisse, neue oder verbesserte Verfahren und neue Anwendungsmög-
lichkeiten zu gewinnen und nutzbar zu machen.“ (Mellerowicz 1958, S. 10).
Engelmann stellt die klassische betriebswirtschaftliche Fragestellung in den
Vordergrund: „Aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre sind Innovationen
eindeutig vom Unternehmen mit der Absicht der Verbesserung des eigenen
Erfolges am Markt oder intern eingeführte qualitative Neuerungen.“ (En-
gelmann 2003, S. 17 mwH). Brockhoff betont darüber hinaus, dass eine
solche Neuerung nicht ohne vorangegangene Investition in (neue) Produkte
oder (neue) Prozesse erfolgen kann (vgl. Brockhoff 1995, S. 29).
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 129

Auf die Eisenbahn bezogen formuliert Engelmann:


„Technikseitig bedeutet die Schaffung von marktfähigen Produkten die Gestaltung des zu-
gehörigen Produktionsprozesses und die Auswahl der zu verwendenden Produktionsmittel
(Lokomotiven, Wagen). Es müssen die notwendigen Zeitfenster, die zu erreichenden
Transportqualitäten und – daraus abgeleitet – die entsprechenden Zeitparameter für die
einzusetzende Technik (z. B. Reisezeiten, Einf.d.Verf.), etc. abgeleitet werden.“ (Engel-
mann 2003, S. 10).

Das bedeutet aber, sich zunächst den Herausforderungen zu stellen, die


durch das Auftreten eines neuen Mitbewerbers, des Kraftfahrzeuges im Per-
sonen- und Güterverkehr entstanden ist. Das Kraftfahrzeug bietet nicht nur
durch seine jederzeitige Verfügbarkeit, eine fehlenden Fahrplangebunden-
heit und seine direkte Verkehrsbedienung nach Beladen/Einsteigen qualita-
tive und wirtschaftliche Vorteile, sondern auch durch permanente Verbesse-
rung seiner technischen und ökonomischen Leistungsparameter, hier am
Beispiel Lkw:

Abbildung 1: Leistungsparameter des LKWs im Zeitablauf

Quelle: Mischke 1997, S. 105

Will man als ehemaliger Angebotsmonopolist gegenüber einem prima vista


überlegenen Mitbewerber antreten, bedarf es eines wirtschaftlicheren und
130 Bernd H. Kortschak

wettbewerbsfähigen Angebots. Und hier war die Stoßrichtung seit der Zwi-
schenkriegszeit eindeutig, wie die Belege zu Beginn des Beitrages zeigen:
Erhöhung der Systemgeschwindigkeit bzw. Verbilligung der Leistungser-
stellung. Dabei wurde (und wird) im Personenverkehr auf die Erhöhung der
Systemgeschwindigkeit des sozio-technischen Systems Eisenbahn gesetzt
und im Güterverkehr vor allem auf die Erzielung von Größenersparnissen
pro Fahrt. Hierfür sind insbesondere die neuen Rahmenbedingungen auf den
Verkehrsmärkten zu berücksichtigen, die durch die Weiterentwicklungen der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu einem Binnenmarkt hervorgeru-
fen wurden.

2. Die Vollendung des Binnenmarktes und die nationalstaatliche


Deregulierung
Gegenüber den Rahmenbedingungen der Zwischenkriegszeit gibt es jedoch
eine gravierende Änderung der Rahmenbedingungen durch das Urteil des
EuGH vom 22.5.1985, in dem festgehalten wird, dass die Grundsätze des
EWG-Vertrages auch im Verkehrsbereich umzusetzen sind. Die Deregulie-
rung durch Wegfall nationalstaatlicher Mengenbegrenzungen wurde parallel
zur Einführung des Binnenmarktes umgesetzt, die Harmonisierung der
Wettbewerbsbedingungen zwischen konkurrierenden Verkehrsträgern unter-
blieb aber (vgl. Oettle 2003, S. 136 ff.).
Die Konsequenz: Das bisherige „Geschäftsmodell“ der nationalstaatlichen
Bahnmonopole, das auf der Quersubvention des defizitären Personenver-
kehrs durch den profitablen Güterverkehr und dort des Wagenladungsver-
kehrs durch den Ganzzugverkehr beruhte, kippte: Die Einnahmen der DRG
aus dem Güterverkehr waren in der Zwischenkriegszeit etwa doppelt so
hoch wie im Personenverkehr (vgl. Hölzinger 2003, S. 72), während der
„Güterverkehr (DB Cargo) seit der Bahnreform nur noch rund ein Viertel des Gesamtum-
satzes (1986 lag er noch bei der Hälfte) … in Höhe von rund 31 Mrd. DM (erbringt,
Einf.). Damit liegt er knapp über dem Anteil des Personenfernverkehrs … und liegt dieser
bei etwa weniger als der Hälfte des Personennahverkehrs.“ (Oettle 2003, S. 132).

Damit einher ging ein Sinken der Marktanteile im Personenverkehr auf 6%


bis 1990. Zu dem bis zur Jahrtausendwende statistisch ausgewiesenen An-
stieg auf 8% führt Oettle die parallel erfolgte Änderung der Erhebungsweise
ab 1995 an. (vgl. Oettle 2003, S. 129 mwH)
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 131

Im Güterverkehr sank 1994 binnen drei Monaten nach dem Tarifaufhe-


bungsgesetz der Preis für den Lkw-Fernverkehrskilometer von 3 DM auf
1,30 – 1,50 DM (vgl. Kortschak 2006, S. 164) und die Lkw-Fahrleistungen
im europäischen Dreiecksverkehr stiegen von 140 bis 150 000 km auf bis zu
250 000 km (bei weniger als 10 000 Leer-km) im Jahr, während ein Güter-
wagen durchschnittlich nur ein Mal pro Woche beladen wird (Schmidt 2008,
Folie 19, URL siehe Literaturverzeichnis). Doch nicht nur die gestiegenen
Lkw-Produktivität verschlechtertet die Wettbewerbsposition der Güterbahn:
Während man davon ausgehen kann, dass jedes Unternehmen einen Straßen-
verkehrsanschluss besitzt, hat nicht jedes Unternehmen einen Gleisan-
schluss. Daher bedarf es in vielen Fällen einer Zuführung der Güter auf der
Straße zu einer Ladestelle oder einem Terminal. Nach dem Bahntransport
müssen jene Kunden, die nicht über einen Gleisanschluss verfügen, von der
Ladestelle oder dem Terminal ihre Güter auch wiederum auf der Straße
erhalten. Man spricht dann von Vor- und Nachlauf auf der Straße gegenüber
dem Hauptlauf auf der Schiene. Und hier setzte der gravierendste ökonomi-
sche Bedeutungswandel ein: Fungierten Vor- und Nachlauf in der regulier-
ten Bahnumwelt vor 1994 als Deckungsbeitragsbringer für die Schiene,
mutierten sie nach dem Tarifaufhebungsgesetz zum Kostentreiber, weil auf
deregulierten Märkten die Kostenverläufe für die Preisbildung entscheidend
werden. Und da es beim Lkw eine Kostendegression in Abhängigkeit von
der zurückgelegten Entfernung bzw. der Laufleistung gibt, kann ein im Vor-
und Nachlauf eingesetzter Lkw nicht die Laufleistungen erbringen, die er im
durchgehenden Fernverkehr erbringen könnte (bis zu 35 000 km im Vor-
und Nachlauf gegenüber 150 000 bis 250 000 km im durchgehenden Fern-
verkehr.) Daher muss der den Schienenanteil leistende Frachtführer den
Straßenverkehrsunternehmer für die verhinderte Stückkostendegression
entschädigen (vgl. Kortschak 1993, S. 105 ff.).
Damit verschlechterte sich nicht nur die Einnahmesituation für die Bahnen
im Kombinierten Verkehr mit durchgängigen Ladeeinheiten, wie Container
und Wechselaufbauten, auch die Wettbewerbsposition im Einzel-Wagenla-
dungsverkehr wurde durch die Richtlinie 440/91 insgesamt noch einmal
mehr zu Ungunsten der Schiene verschoben.. Bei Beibehaltung der rangier-
technischen Zugbildeprozesse (vgl. Kortschak 2012, S. 437 ff.) sind in die-
sem Kontext nur mehr Ganzzüge profitabel (vgl. dazu die aufschlussreiche
Aufstellung bei Hürlimann, die für die SBB das Abrutschen des Wagenla-
132 Bernd H. Kortschak

dungsverkehrs in die Verlustzone seit 1974 mit weiterführenden Hinweisen


auf SBB-Geschäftsberichte angibt [vgl. Hürlimann 2007, S. 2]). So entsteht
für die ehemaligen Staatsbahnunternehmen, die nun auch den Bilanzierungs-
regeln unterliegen ein ungeheurer Kostendruck, da die neu hinzugekomme-
nen privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen mit geringeren Overheads und
einfacheren Tarifverträgen operieren können. Kurzfristig bilanzwirksam
sind solche Kostensenkungen bei den Incumbants, wie diese ehemaligen
Staatsbahnmonopolisten genannt werden, aber nur bei den direkt zurechen-
baren Einzelkosten, der Instandhaltung und dem Personal: „Die starke Mit-
arbeiterreduktion (bei DB Cargo, Einf.) ohne Anpassung der Prozesse hatte
eine sinkende Prozeßqualität zur Folge. Auch das Rollmaterial wird nur im
gerade lauffähigen Zustand gehalten, ohne grundlegende Mindestzuver-
lässigkeiten zu gewährleisten.“ (Engelmann 2003, S. 51).
„2015 waren nur (mehr) 67 Prozent der Komplettzüge pünktlich und nur 72 Prozent der
Einzelwagen. Bei Autotransporten auf der Schiene liegt die Quote demnach nur bei 72
Prozent, bei der Zulieferung von Fahrzeugteilen sogar bei nur 60 Prozent. Sogar zugesagte
Regelzüge würden abgesagt.“ (Wüpper 2015, URL siehe Literaturverzeichnis).

„Als ‚absolut positiv‘ bezeichnete (hingegen, Einf.) Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsit-


zender des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V. die Entwicklung von Leis-
tung und Marktanteil der Wettbewerbsbahnen im Schienengüterverkehr. 2015 konnten die
Wettbewerber der DB ihre Leistung in Deutschland um 17,2 Prozent und ihren Marktanteil
um 4,3 Prozentpunkte auf 37,9 Prozent steigern.“ (Netzwerk Europäischer Eisenbahnen
2016, URL siehe Literaturverzeichnis)

Umgekehrt verhalten sich die wirtschaftlichen Trends: Absolut besorgniser-


regend sei die Entwicklung der Margen der Eisenbahnverkehrsunternehmen
und der Lkw gewinnt dank der besonders niedrigen Dieselpreise wieder
verstärkt Marktanteile. (Vgl. Netzwerk Europäischer Eisenbahnen 2016).
„Trotz weiteren Wachstums des Güterverkehrs insgesamt konnte die Schiene – und auch
das nur dank der Wettbewerbsbahnen – (2015, Einf.) ihren Marktanteil von knapp über 17
Prozent nur gerade halten. Die Verkehrsleistung wuchs dabei um 1,4 Prozent bzw. 1,7
Milliarden Tonnenkilometer – der Mengenzuwachs auf der Straße war dagegen mit 10,3
Mrd. tkm rund sechsmal so hoch. … Dem Schienengüterverkehr fehlen die Fürsprecher in
Berlin. Wenn es dabei bleibt, bleiben eigentlich unumstrittene volkswirtschaftliche, öko-
logische und soziale Ziele auf der Strecke.“ (Netzwerk Europäischer Eisenbahnen 2016).

„Dadurch ‚sind die Margen inzwischen oft so gering, dass Investitionen nur
noch schwer zu stemmen sind‘, so Westenberger.“ (Doll 2016, URL siehe
Literaturverzeichnis). Sogar vom Verkehr als einem Markt ohne Gewinne ist
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 133

die Rede. (vgl. Hanstein 2016, S. 98). Ohne Gewinnaussichten den Betrieb
aufrecht zu erhalten, um überhaupt eine Leistung zu erbringen würgt aber
jede praktische Investitionstätigkeit ab. Der Marktanteil der Eisenbahnen am
deutschen Verkehrsmarkt insgesamt stagniert ... nach einem Aufholprozess
um einen Prozentpunkt im Modal-Split zwischen 2003 und 2007 durch
Marktanteilsgewinne der dritten Eisenbahnverkehrsunternehmen im Ganz-
zugverkehr. (vgl. Netzwerk Europäischer Eisenbahnen/Mofair 2016, Abb.
19, S. 77, URL siehe Literaturverzeichnis). Bei der DB AG hingegen fielen
die beförderten Mengen von 411,6 Mio. t (2011) auf nur mehr 300,2 Mio. t
(2015) (vgl. o.V. 2016, URL siehe Literaturverzeichnis). Somit sieht sich
die DB AG in ihrem ehemaligen Deckungsbeitragsbringer Güterverkehr
insbesondere im Wagenladungsverkehr schon fünf Jahre in Folge mit Ver-
lusten konfrontiert (vgl. Wüpper 2015, URL siehe Literaturverzeichnis),
obwohl der Güterverkehrsmarkt insgesamt in Deutschland von einer nach-
haltigen Steigerung geprägt ist (vgl. Engelmann 2003, S. 52).
Der Gesamtmarkt wächst, doch die Branche stagniert. Welche Konsequen-
zen hat dies für die Innovationstätigkeit der Bahn im Binnenmarkt?
Die Folge davon ist, dass Innovationen aufgrund revolutionärer vorteilhafter
Technik unterbleiben, wenn sie nicht kompatibel zum bisherigen System
oder zu Interoperabilitätsfestlegungen umsetzbar sind (vgl. Engelmann
2003, S. 10).
Damit sind radikale Innovationen, wie z. B. der Kruckenberg’sche Schie-
nenzeppelin, der 1931 einen Weltrekord auf der Schiene mit 230 km/h auf-
gestellt hatte (vgl. Weigelt 1991, S. 19), genauso wie der französische Aero-
train nach dem 2. Weltkrieg von vorne herein zum Scheitern verurteilt ge-
wesen. Auch die mit dem traditionellen Rad-/Schiene System nicht kompa-
tible Magnetschwebetechnik (400 km/h Reisegeschwindigkeit im Personen-
verkehr) ist hier zu nennen, während durch die Erreichung relevanter Ge-
schwindigkeitsschwellen (350 km/h im Regelverkehr) im konventionellen
Schienenverkehr auch die japanische Magnetschwebetechnik MAGLEV auf
dem Prüfstand steht, weil bei ihr eine praktikable Weichentechnik zur Über-
holung von langsameren Zügen nicht absehbar ist (vgl. Andersen 2015,
S. 92).
Innovationen im Eisenbahnwesen müssen sich daher auf der einen Seite
kompatibel zur bestehenden Technik einführen lassen, was im Zuge der
134 Bernd H. Kortschak

supranationalen Harmonisierungsversuche der EU im Rahmen der Techni-


schen Standards Interoperabilität (TSI) noch schwieriger geworden ist (vgl.
Engelmann 2010, S. 10), andererseits aber „in allen Anwendungsgebieten
mindestens gleich gut und einem Anwendungsgebiet deutlich besser zu sein,
als die Technik, die ersetzt werden soll.“ (Andersen 2015, S. 493). Insbe-
sondere der Hochgeschwindigkeitsverkehr erwies sich dabei als Innovati-
onstreiber bei der Eisenbahn (vgl. Zeilinger 2003, S. 185).

III. Innovationstreiber

1. Das Streben nach kürzeren Reisezeiten im


Hochgeschwindigkeitsreiseverkehr
Nachdem die Nachkriegsschäden in den 50er Jahren weitgehend beseitigt
worden waren, konnte die Bahn mit den Trans-Europ-Express (TEE) –
Triebwagen ein europaweites Schnellverkehrsnetz mit 140 km/h Höchstge-
schwindigkeit aus der Taufe heben: Kurze Grenzaufenthalte stellten auch
einen Vorboten der europäischen Einigung dar und die besonders komforta-
bel ausgestatteten Fahrzeuge, die nur die 1. Wagenklasse führten, knüpften
an die Luxuszüge der MITROPA oder der Internationalen Schlafwagenge-
sellschaft der Zwischenkriegszeit an. Allerdings waren die kurzen Triebwa-
geneinheiten, die, um nach Kurven rasch wieder an Fahrt aufzunehmen, oft
auf nur zwei oder drei Personenwagen neben dem Speisewagen beschränkt,
nie profitabel. Doch das war in der Zeit der Staatsbahnen als Monopolanbie-
ter auf der Schiene kein Thema: Die TEE-Züge fungierten als Imageträger
der Bahn, die hier gegenüber dem Pkw mit wettbewerbsfähigen Reisezeiten
und höherem Komfort Flagge zeigten (vgl. Stöckl 1964, S. 84 f.).
1964 war es wie ein Schock für die europäischen Bahnbetreiber, als die
Japanischen Staatsbahnen mit dem Shinkansen auf der Tokaido-Linie zwi-
schen Tokio und Osaka einen regelmäßigen Schienenschnellverkehr mit
einer Regelgeschwindigkeit jenseits der 200 km/h Marke aufnahmen. Die
Höchstgeschwindigkeit dort wurde von 210 km/h 1964 bis auf 285 km/h im
Jahre 2015 gesteigert (vgl. Andersen 2015, S. 492). Insbesondere Frank-
reich, das seit 1955 mit 331 km/h den Schienenweltrekord inne hatte, han-
delte rasch und propagierte die Schnellfahrstrecke Paris – Lyon, die diese
beiden Städte über eine neue Strecke mit neuen Fahrzeugen mit einer Reise-
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 135

zeit von 2 Stunden verbinden sollte. Anfangs experimentierte man dafür mit
einem Gasturbinenantrieb, wie er später auch in die deutschen TEE-Züge
testweise eingebaut wurde, weil man der elektrischen Traktion über den
Stromabnehmer nicht zutraute, die benötigten Energien sicher zu übertragen.
Erst infolge der ersten Ölkrise 1973 erfolgte dann der Schwenk in Richtung
elektrischer Energie und der Train á très Grande Vitesse (TGV) wurde als
elektrischer Triebwagen mit Triebkopf an beiden Enden ausgestaltet. Die
Herausforderung für die Ingenieure bestand insbesondere darin, den Achs-
druck dieser Triebköpfe auf unter 17 t zu halten, um die Schienenabnützung
in beherrschbaren Grenzen zu halten. Darüber hinaus sollte der Energiever-
brauch bei 210 km/h nicht höher sein, als der eines konventionellen Schnell-
zuges bei 160 km/h. Auf eine aerodynamisch günstige Ausformung des
Triebkopfes wurde daher von Anfang an Wert gelegt.
Unter den heutigen Wettbewerbsbedingungen mit dem Zwang zur Eigen-
wirtschaftlichkeit im Fernverkehr stößt die weitere Ausdehnung des europä-
ischen Hochgeschwindigkeitsnetzes an ihre Wirtschaftlichkeitsgrenzen. Von
China liegen keine belastbaren Zahlen vor. Abgesehen von der Tokaido-
Linie von Tokio nach Osaka aus 1964 machen aber die japanischen Bahnen
mit ihrem Hochgeschwindigkeitsverkehr genauso wenig Profit (vgl. Ander-
sen 2015, S. 32) wie die französischen Staatsbahnen mit ihrem TGV abseits
von Paris-Lyon (vgl. N.N. 2016, S. 35). So gehen die horrenden Verluste der
Französischen Staatsbahnen im Jahre 2015 von über 12 Mrd. Euro fast aus-
schließlich auf Abschreibungen aus unwirtschaftlichen Investitionen in
Hochgeschwindigkeitsstrecken zurück (vgl. Schubert 2016, S. 21). Beson-
ders bekannt ist das finanzielle Desaster des Eurotunnels, der Bahnverbin-
dung zwischen dem Kontinent von Europa mit Großbritannien geworden,
wo der Eurostar zwischen Paris/Brüssel und London mittlerweile 80%
Marktanteil hält (vgl. Kern 2016), aber mehrmals rekapitalisiert werden
musste.
Auch ein anderer Ansatz zur Erhöhung der Reisegeschwindigkeit – bei
gleichzeitiger Vermeidung hoher Infrastrukturkosten (vgl. Zeilinger 2003,
S. 17) – die Wagenkastenneigung, blieb ihre wirtschaftliche Vorteilhaf-
tigkeit schuldig. Technisch reibungslos funktionieren nur wirtschaftlich in
der Instandhaltung aufwändige hydraulische Systeme, wie im italienischen
Pendolino eingebaut. (vgl. Hürlimann 2007, S. 128 ff.)
136 Bernd H. Kortschak

Für den engeren Querschnitt, der den Eisenbahnkonstrukteuren in England


zur Verfügung steht, wurde der noch innovativere Advanced Passenger
Train (APT) kreiert. Hier zeigte sich, dass selbst „nur“ innovative Fahrzeug-
konzepte „zu“ innovativ für den Eisenbahnverkehr ausfallen, wie nach dem
„Fall“ des APT-Projekts in Großbritannien resignierend festgestellt wurde:
„Experience has shown that, while the APT is a sound concept, there are rather
to many novel features to be managed and developed at once.“ (Petty 1982).
Und ergänzend: „British Rail was simply not ‚advanced‘ enough to handle a
project of this calibre.“ (Goodwin 2006, S. 10, URL siehe Literaturverzeich-
nis). Der Verfasser kann nicht beurteilen, ob die DB AG diese Einsicht rezipiert
hat, aber nach der „letzte(n) Aktualisierung 27.03.2014“ hieß es zumindest bis
Ende März 2014 auf der Webseite des Konzerns:
„Als Dienstleistungskonzern betreibt der DB-Konzern keine eigene Forschung und Ent-
wicklung im engeren Sinne. Das Ressort initiiert jedoch anwenderorientierte Entwicklun-
gen, basierend auf der technischen Kompetenz und der Betreibererfahrung. Die Industrie
unterstützen wir unter anderem durch breit angelegte Testbetriebe.“ (DB-AG Konzern
2014, URL siehe Literaturverzeichnis).

Erst nachdem die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen durch den forcierten


Personenhochgeschwindigkeitsverkehr auch bilanztechnisch manifest ge-
worden sind (vgl. Schubert 2016, S. 21), werden die letzten diesbezüglichen
Ausbau-Projekte in Frankreich auf Eis gelegt (vgl. Ellwanger 2016, S. 3).
Auch in Deutschland war die Investitionstätigkeit der Bahn ab den 90er
Jahren – politisch durch die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ geprägt –
vor allem auf den Ausbau des Hochgeschwindigkeitsfernverkehrs gerichtet
(vgl. Oettle 2003, S. 134 f.).
D. h., so sehr man als Fahrgast (und als Politiker!) den Hochgeschwindig-
keitsverkehr schätzt, so sehr müssen aus ökonomischer Sicht, die dabei in
der Gleis-, Brücken-, Tunnel-, Antriebs- und Bremstechnik umgesetzten
technischen Innovationen nicht nur als ökonomisch unrentabel und wertver-
nichtend bezeichnet werden (Technische und betriebsorganisatorische sowie
unternehmensstrategische Überlegungen standen in Deutschland bei der
ICE-Entwicklung im Vordergrund (vgl. Zeilinger 2003, S. 193), sondern
sogar als schädlich für das Gesamtsystem Eisenbahn. Thilo Sarrazin brachte
es einmal auf den Punkt, als er in der Laudatio für Wilhelm Pällmann 2007
ausführte, dass die erste Neubaustrecke der DB nach dem Krieg von Würz-
burg nach Hannover luftige Kosten-Nutzen-Rechnungen und desaströse
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 137

Kapitalwerte ergeben hätte. Doch dann hätte er den politischen Willen ken-
nen gelernt (vgl. Sarrazin 2007). Die Missachtung tragfähiger wirtschaftli-
cher Rahmenbedingungen von Seiten der politischen Entscheidungsträger
wird jedoch besonders im Schienengüterverkehr deutlich.

2. Das Streben nach höherer Auslastung im Güterverkehr

a) Die automatische Mittelpufferkupplung


Es war bis jetzt nicht nachzuweisen, ob tatsächlich die Umleitung der für die
Umrüstung auf Mittelpufferkupplung reservierten Gelder in die Neubaustre-
cke Paris-Lyon dafür kausal war, dass die Französische Staatsbahn in der
Sitzung des Internationalen Eisenbahnverbandes U.I.C. in Paris am 20. Juni
1973 erklärte, die aufgrund des Beschlusses vom 11. Juni 1970 für Ende der
70er Jahre vorgesehene Einführung der mit der russischen SA-3 kompatib-
len Mittelpufferkupplung Ak69e nicht mehr zu verfolgen. Das war möglich,
da die Entscheidungen im Rahmen des Internationalen Eisenbahnverbandes
U.I.C. nur Empfehlungscharakter haben und keine Rechtsverbindlichkeit
besaßen. Damit war die automatische Mittelpufferkupplung, auf deren Ein-
führung der Internationale Eisenbahnverband U.I.C. seit 1927 hin gearbeitet
hatte (vgl. Rossberg 1999, S. 406), gestorben. De facto bedurfte es damals
im Rahmen des Internationalen Eisenbahnverbandes U.I.C. immer der Zu-
stimmung der Französischen Staatsbahn und der Deutschen Bundesbahn auf
der einen Seite und der Deutschen Reichsbahn der DDR und der Polnischen
Staatsbahn auf der anderen Seite. Mit dem Ausscheren der Franzosen war
daher die europaweite Einführung nicht mehr möglich. Die Ak69e hätte
nicht nur eine Verdoppelung der Anhängelasten im Güterzugverkehr im
Vergleich zur Schraubenkupplung gebracht, sondern auch die Produktivität
im Rangierbahnhof um mindestens 30% gesteigert (vgl. Kortschak 2012,
S. 441). Einen letzten Versuch zur Rettung der automatischen Mittelpuf-
ferkupplung stellte die mit der Schraubenkupplung kompatible Mittelpuf-
ferkupplung Ak47 dar. Sie konnte aber betrieblich insbesondere auf den
alpenquerenden Steilstrecken nicht überzeugen (vgl. Sünderhauf 2009,
S. 16).
1993 stellte der Internationale Eisenbahnverband U.I.C. dann in einem Stra-
tegiepapier Zugkonzepte für den Güterverkehr mit Zielhorizont 2010 unter
138 Bernd H. Kortschak

Ausnützung der für den Hochgeschwindigkeitsverkehr getätigten Investitio-


nen vor:

Tabelle 1: Geplante Produktionsformen im Bahngüterverkehr

Typ v/max Bruttozuggewicht

TGV – Paket – Express 300 km/h 550 t


Kombiverkehrszug „leicht“ 160 km/h 800 t
Kombiverkehrszug „schwer“ 120 km/h 1500 t
Wagenladungsverkehr 120 km/h 2500 t
Ganzzug 100 km/h 4000 t

Quelle: Ausschuss Strategische Planung (1993), S. 41

Dieses Strategiepapier war mehr als ambitioniert, wenn man bedenkt, dass
erst 1970 die Höchstgeschwindigkeit von Güterzügen in Deutschland von 65
auf 80 km/h angehoben worden war. Noch bedeutender war die Zielsetzung
der Anhebung der Bruttozugmasse zur Ausnützung von Economies of Scale
bei zunehmendem Gewicht. Das betrifft sowohl die Erhöhung des zulässigen
Gewichts des Waggons, was dazu führt, dass man heute auf den Lademeter
auf der Schiene das bis zu dreifache Gewicht gegenüber der Straße transpor-
tieren kann (vgl. Kortschak 2013, S. 16) als auch die Anhebung der Brutto-
zugsmasse auf bis zu 4000 t mit Schraubenkupplungen aus speziellen Mate-
rialien, wie heute bei der Havelländischen Eisenbahn AG praktiziert. Die
folgende Abbildung 2 zeigt den Zusammenhang auf.
Bei einer Halbierung (-50%) der beförderten Anzahl an Waggons erhöhen
sich die durchschnittlichen Transportkosten pro Waggon um ca. 43%. Ein
Mengenrückgang von beispielsweise minus 20% führt zu einer Erhöhung
der durchschnittlichen Kosten pro Waggon von ca. 10%. D. h. das Kosten-
modell reagiert sehr sensitiv auf Mengenrückgänge im Einzelwagensystem.“
(Hagenlocher et al. 2013, S. 59).
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 139

Abbildung 2: Exemplarische Kostenfunktion eines Einzelwagensystems

Quelle: Hagenlocher et al. (2013), S.59

Tabelle 2: Entwicklung der Anzahl Gleisanschlüsse seit 1994

Jahr Anzahl Jahr Anzahl


1994 11.742 2006 4.004
1995 11,290 2007 3.998
1996 11.096 2008 3.732
1997 9.264 2009 3.726
1998 7.524 2010 3.732
1999 7.024 2012 2.374

Quelle: o.V. 2013, URL siehe Literaturverzeichnis

Aktuell sind von den etwa 1500 noch verbliebenen Gleisanschlüssen ca. 500
auf dem Prüfstand (o.V. 2016, URL siehe Literaturverzeichnis). Es stellt
sich daher zunehmend die Frage, ob die für die Erhaltung eines Einzelwa-
genverkehrs erforderliche „kritische Masse“ erhalten bleiben wird.
140 Bernd H. Kortschak

Bereits 2007 schrieb Haberzettl in der Tageszeitung „Der Standard“:


„Die Liberalisierung hat das ergeben, was schon vor Jahren Ed Burkhardt, Chef der da-
mals weltgrößten Eisenbahn Wisconsin Central, sagte: ‚Wettbewerb auf der Schiene bringt
keinen einzigen Lkw von der Straße: Er lässt nur dieselben Züge mit anders bemalten Lo-
komotiven ziehen.‘ Genau das ist auch der Fall. Die ‚neuen Privaten‘ kümmern sich um
das schmale Segment des profitablen Ganzzugverkehrs. Dort sinken zur Freude der Groß-
industrie die Frachtpreise. Genau diese Profite wurden aber bisher dazu verwendet, den
Einzelwagenverkehr zu ermöglichen – jenes ‚Kleingeschäft‘, in dem die Hälfte aller Güter
in Europa auf der Bahn fahren. Eine Studie von McKinsey sagt, dass dieser Einzelwagen-
verkehr in zehn Jahren weitgehend verschwunden sein wird und der Bahngüterverkehr um
30 bis 40 Prozent zurück gehen wird. Die Deutsche Bahn fängt schon an und stößt sukzes-
sive alle Kunden mit weniger als drei Zügen pro Woche ab.“ (Haberzettl 2007, URL siehe
Literaturverzeichnis).

Wenn der damalige Chef einer Eisenbahnergewerkschaft diesen Hinweis in


einer auflagenstarken Tageszeitung publiziert, dann dürfte die Problematik
von allgemeiner Bedeutung sein. Zusammen mit dem Befund von Hürli-
mann wäre daher in den aufkommensstarken D-A-CH-Ländern Deutschland,
Österreich und der Schweiz dringender Handlungsbedarf zur Rettung des
Einzelwagenverkehrs geboten. Der Verfasser hält es daher nicht für einen
Zufall, dass er gerade 2007 vom Produktionsvorstand von DB Cargo aufge-
fordert wurde, ein Angebot für eine alternative Zugbildung zu legen, womit
die aufwändigen rangiertechnischen Prozesse einschließlich des Abrollber-
ges durch ein innovatives Verfahren ersetzt werden hätten können. Leider ist
es damals lediglich bei dem Angebot geblieben.
Für den Ganzzugverkehr bietet hingegen das Traktionsvermögen moderner
Drehstromtriebfahrzeuge mit Computersteuerung entlang der Reibungsgren-
ze weitere Produktivitätsvorteile: Sie können heute auch mit der normalen
Schraubenkupplung Anhängelasten von bis zu 3000 t in der Ebene beför-
dern. Auf der wenig steigungsreichen Strecke von der dänischen Grenze bei
Padborg bis zum Rangierbahnhof Maschen bei Hamburg wurde infolge der
günstigen Trassierung die sonst auf 740 m begrenzte Zuglänge bereits auf
830 m angehoben (vgl. Hirtemann 2014, S. 34).
Allerdings führen längere Züge nicht unbedingt zur Verbesserung der Wett-
bewerbssituation im Schienengüterverkehr. Längere Züge brauchen auch
länger bei der Zugbildung über den Abrollberg und länger, bis sie nach einer
Kurve wieder auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschleunigt haben.
Die „Systemgeschwindigkeit“ vom Quell- zum Zielpunkt im Einzelwagen-
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 141

verkehr von 18 km/h ändert sich dadurch nicht und ist seit Beginn des Ein-
zelwagenverkehrs in der Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu konstant (vgl.
Kortschak 2012, S. 441). Eine Anhebung der Höchstgeschwindigkeit auf
über 120 km/h hätte nur „einen zu vernachlässigenden Einfluss auf die Ge-
samt-Transportzeit zwischen Versender und Empfänger“ (Sünderhauf 2009,
S. 101). Der Rückgang im Aufkommen des Einzelwagenverkehrs zeigt, dass
man den End-to-End-Leistungsparametern mehr Augenmerk hätte schenken
müssen, anstatt ausschließlich auf kostenwirtschaftliche Rationalisierungsef-
fekte in der Betriebsführung zu achten (vgl. Kirchner 2016, S. 17).
Kommt dann noch eine Trassenkonkurrenz auf Mischverkehrsstrecken hin-
zu, damit ist gemeint, dass ein einziger 160 km/h schneller Güterzug mit
einer Lok der BR 120 und einer Anhängelast von 900 t (bei 2 Loks von 1200
t) auf der Neubaustrecke Hannover – Kassel zur Verdrängung von drei 120
km/h schnellen Güterzugstrassen führt, womit eine Kapazität von insgesamt
5100 – 4800 t verloren geht (vgl. Kortschak 2012, S. 441 mwH). Darüber
hinaus werden bei Trassenkonkurrenz Güterzüge infolge ihrer Nachrangig-
keit gegenüber dem Personenverkehr regelmäßig über – längere – Umweg-
strecken geleitet, sodass auch hier die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene im
intermodalen Wettbewerb abnimmt (vgl. Deutscher Bundestag 2015, S. 3 ff.,
URL siehe Literaturverzeichnis; Engelmann 2003, S. 51)
Nun soll auf Grund der Beschlüsse der DB AG vom Dezember 2015
„mit einem ‚Systemwechsel‘ die Güterbahn der Mittelfristplanung zufolge bis 2018 wieder
in die Spur kommen und dann ein Prozentpunkt stärker als der Markt wachsen. DB Schen-
ker Rail soll sich dazu auf den profitablen Verkehr konzentrieren, Abläufe straffen und
Kosten senken, die Produktivität erhöhen und künftig Qualitäts- und Terminzusicherungen
an Kunden zu 95 Prozent einhalten. Ziel seien eine ‚marktübliche Kapitalrendite‘ von
mehr als zehn Prozent und ‚mittelfristig mehr Verkehr auf die Schiene‘“ (Wüpper 2015).

Wenn man sich die tatsächliche bisherige Entwicklung der Güterverkehrs-


sparte genauer ansieht, bleiben Zweifel, ob die im Dezember angekündigten
Maßnahmen wirtschaftlich zielführend sind.

b) Forschungsprogramme
Sieht man sich die Entwicklung des Modal-Split im Untersuchungszeitraum
an, so stellt man fest, dass die angestrebte Verlagerung von der Straße auf
die Schiene nicht erfolgt ist:
142 Bernd H. Kortschak

Der Marktanteil im Güterverkehr auf der Schiene in tkm fiel europaweit von
12,6% im Jahre 1995 auf 11% in 2011 (EU Commission 2014, S. 10). Auch
in Deutschland ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten: So waren noch
im Integrationsszenario des Bundesverkehrswegeplans 1999 für 2015 insge-
samt 148 Mrd. tkm auf der Bahn angesetzt worden (Engelmann 2003, S. 8
mwH) – 114,3 Mrd. tkm wurden dann 2015 tatsächlich erreicht (vgl. Statis-
tisches Bundesamt 2016, URL siehe Literaturverzeichnis).
An innovativen Ansätzen hat es aber auch mit deutscher Förderung (vgl.
speziell für den nach der Richtlinie 440/91 bis zu den Vollkosten förderba-
ren Kombinierten Verkehr: (Bundesminister für Verkehr (Auftraggeber)
1996)) nicht gemangelt: So wurden ein „Konzept TCS (Train-Coupling and
-Sharing) oder der innovative Güterwagen (IGW) mit elektronischen Kom-
munikations-/Bremssystem, automatischer Kupplung, sogenannten ‚innova-
tiven Puffern‘ und Scheibenbremsen), die Mehrfachfunkfernsteuerung für
Güterzüge (mit dem Ziel, überlange Züge zu fahren), die Schnellumschlag-
anlagen für den Kombinierten Verkehr, … Mehrsystemfähigkeit von Trieb-
fahrzeugen.“ von der Bundesregierung gefördert (Engelmann 2003, S. 12).
Davon befindet sich lediglich die Schnellumschlage, die K.-P. Franke maß-
geblich gestaltet hat, in Hannover-Lehrte seit einigen Jahren in Bau, 2018
soll der Probebetrieb beginnen (vgl. Deutsche Bahn 2016, URL siehe Litera-
turverzeichnis). Der Cargo-Sprinter, mit dem ursprünglich das Train-
Coupling und -Sharing mit der gemischten Ak47-Mittelpuffer-/Schrau-
benkupplung hätte erprobt werden sollen, wurde nach wenigen Einsatzver-
suchen zwischen Frankfurt/M. Flughafen und Hamburg/Osnabrück für die
Spedition Hellmann an die Österreichischen Bundesbahnen verkauft und
dort in einen „Aufwuchsbekämpfungszug“ (Unkrautvertilgungszug) umge-
baut (vgl. Tauernexpress 2011, URL siehe Literaturverzeichnis).
Während also die Bewährungsprobe für die Schnellumschlaganlage in Han-
nover-Lehrte noch aussteht, ist zu prüfen, ob in Hinblick auf die europäi-
schen Bemühungen zur Durchsetzung der Interoperabilität mit Hilfe der
Technischen Spezifikationen Interoperabilität (TSI), die Frage nach entspre-
chenden Fördervorhaben auf europäischer Ebene gestellt werden sollte.
Doch gerade hier hat der Europäische Rechnungshof dem letzten 10-jährigen
Programm Marco Polo ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt (vgl. Apostoli-
des 2013, URL siehe Literaturverzeichnis). Zwischen 2003 und 2012 waren
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 143

insgesamt 650 Unternehmen in 172 Projekten gefördert worden. In Marco


Polo I waren von 103 Millionen € bereitgestellter Fördermittel nur 73,8
Millionen € zugewiesen worden, von denen wiederum lediglich 41,8 Millio-
nen € ausgezahlt wurden. 13 von 16 befragten Projektteilnehmern gaben da-
rüber hinaus an, die Züge auch ohne Förderung fahren zu lassen. Die EU hat
danach das Ziel, einer nachhaltigen Verkehrsverlagerung durch Anstoßen
innovativer Investitionen verfehlt (vgl. Apostolides 2013, o.S.).
Nun soll alles anders werden:
„Building on the 2007 Strategic Rail Research Agenda (SRRA) and following the publica-
tion of ‚RAILROUTE 2050‘, this updated Strategic Rail Research and Innovation Agenda,
a step change in research and innovation (SRRIA-2014) aims at orienting and guiding the
research efforts of the railway sector and the decisions of policy makers and other stake-
holders. Increasing the attractiveness of a high capacity, environmentally friendly and cost
efficient railway in Europe will underpin economic growth and societal development.“
(ERRAC 2014, S. 6, URL siehe Literaturverzeichnis).

Aktuell stehen folgende Themen für innovative Lösungen an: Autonomes


Fahren, d. h. ein Fahren ohne Lokführer, wie schon seit Jahren im U-Bahn
Bereich praktiziert, Reduzierung der Umweltbelastung durch lärmarme Gü-
terzüge, standardisierte „Code of Practice“ (anerkannte Regeln) für die Zu-
lassung, robuste einfache Technik für bezahlbare Frachtgelder durch die
Kunden („Affordability“), innovative Projekte zur Generierung neuer tech-
nischer Standards, z. B. für Güterverkehrskorridore (vgl. Kersten 2015,
S. 38 ff.).
Der frühere EU-Verkehrskommissar Siim Kallas meint fast gleichlautend:
„Die Eisenbahn hat ein beachtliches Potential als umweltfreundliches und nachhaltiges
Verkehrsmittel. Aber um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu kön-
nen, bedarf es ehrgeiziger Maßnahmen: Straffung der Zulassungsverfahren für Fahrzeuge,
Steigerung der Infrastrukturinvestitionen sowie Ausbau der bahntechnischen Forschung
und Innovation, des weiteren Öffnung inländischer Intercity-Märkte für den Wettbewerb
und die grundsätzliche Ausschreibung von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, wie im
vierten Eisenbahnpaket vorgeschlagen.“ (Kallas 2014).

Doch gleichzeitig bedauert Kersten, dass in dem von der EU-Kommission


neu aufgelegten Förderprogramm Shift2Rail die Hersteller-Industrie ein zu
großes Gewicht bekommen könnte, und die betrieblich-marktlichen Belange
der Betreiber und Infrastrukturunternehmen zu kurz kommen könnten (vgl.
Kersten 2015, S. 40). Um der Gefahr der Abwanderung der Innovationsfüh-
144 Bernd H. Kortschak

rerschaft nach Südostasien zu begegnen, sollte der Wettbewerb zwischen


den Herstellern intensiviert werden (Kersten 2015, S. 40). Das setzt aber
voraus, dass die bisher in EU-Europa feststellbare zunehmende Fragmentie-
rung durch Insellösungen – gerade durch die angestrebte Interoperabilität
realisiert – zurückgedrängt wird.
„Ein Closed Shop wie Shift2Rail, der darauf angelegt ist, die exklusive Position der euro-
päischen Hersteller zu zementieren, ist hier nicht förderlich … die Regulierungsdichte im
Bahnsektor (hat) in der EU eine nicht-tarifäre zusätzliche Eintrittsbarriere geschaffen, auf
die wir aufpassen müssen.“ (Kersten 2015, S. 41).

Ein Weg dazu wäre, nicht einzelne technische Lösungen mit Gesetzeskraft
mit TSI festzuzurren, sondern die TSI sollten stattdessen präziser in der
Formulierung von Kompatibilitäts- und Schutzzielen werden (vgl. Kersten
2015, S. 41).
Letztlich zeigt Kersten auf, dass Oettles Skepsis an der wettbewerblichen
Lösung über den Verkehrsmarkt zur Stärkung der Eisenbahn berechtigt ist
(vgl. Oettle 2003, S. 138).

IV. Welche Innovationen hat die Deutsche Bahn AG nun konkret seit
1994 umgesetzt?
Seit dem Jahre 2010 forciert die Deutsche Bahn AG verstärkt Kooperationen
mit der Hersteller-Industrie, um Innovationen zu bewegen.
„An ERI beteiligen sich bisher die Unternehmen Deutsche Bahn, Siemens, Bombardier
Transportation, Alstom Transport, Tognum/MTU, Vossloh, Voith, Ballard, SOLON, Ener-
trag, der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) sowie die Forschungseinrich-
tungen Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Fachhochschule Bran-
denburg. Damit arbeiten erstmals Unternehmen der Schienenverkehrswirtschaft, Bahn-
technikhersteller, Firmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien und wissenschaftli-
che Einrichtungen zusammen, um das Ziel ‚Null Emission 2050‘ für die Schiene gemein-
sam zu erreichen.“ (Deutsche Bahn 2015, URL siehe Literaturverzeichnis).

Während dies noch in die Zukunft gerichtet ist, konnte aber eine entschei-
dende Innovation zur Verbesserung der Marktstellung nicht nur der deut-
schen Bahn, sondern der Bahnen insgesamt im Personenverkehr ausgemacht
werden: Der Ersatz des Kursbuchs durch das Echtzeitinformationssystem
hafas von HaCon als Informations-, Kommunikations- und e-commerce
Plattform.
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 145

„1845 hatte der Fürstlich Thurn und Taxische Oberpostamts-Sekretär Hend-


schel die erste deutschlandweite Ausgabe vorgelegt, den ‚Telegraph für
Post-, Eisenbahn- und Dampfschiffverbindungen‘“ (o.V. 2008, URL siehe
Literaturverzeichnis). Statt Bahnhofsverzeichnisse, gedruckter Tabellen,
Kurswagenverzeichnisse und Übersichtskarten immer zum Fahrplanwechsel
gedruckt gibt es nun eine CD-ROM. Doch auch im Internet ist es verfügbar,
man kann sich also „sein“ Kursbuch noch ausdrucken. Doch praktisch hat
die im Internet verfügbare Fahrplanauskunft auf www.bahn.de das Kursbuch
verdrängt, weil es dem Kunden einfacher gemacht wird, die für ihn relevante
Verbindung unter Einschluss aller Vor- und Nachläufe mit öffentlichen
Verkehrsmitteln mit einem Klick einzusehen – und statt ein separates Aus-
landskursbuch heranziehen zu müssen, sind auch die Auslandsverbindungen
integriert. Darüber hinaus wird die Fahrplanlage in Echtzeit angezeigt, d. h.
es wird nicht nur angegeben, wann der Zug fahrplanmäßig ankommen oder
abfahren soll, sondern durch Angaben mit +Minuten, wie der Zug tatsäch-
lich unterwegs ist. Hier ist die Substitution durch ein höherwertigeres Ser-
vice tatsächlich gelungen. Dass die DB dieses neue Medium auch dazu be-
nutzt, um ihren Betrieb aus Kundensicht für diesen nachteiliger, aber für die
Bahn kostengünstiger durchführen zu können, steht auf einem anderen Blatt.

V. Zusammenfassung und Ausblick


Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die Deutsche Bahn
bis 2010 die Innovationsführerschaft an die Industrie abgetreten hat. Doch
die zunehmende Fragmentierung der Märkte und Einflusszonen der Stake-
holder bergen die Gefahr, dass Innovationen aus wirtschaftlicher Sicht über-
haupt unterbleiben. Hier entgegenzuwirken steht der DB AG eine bewährte
Institution zur Verfügung, die DB Systemtechnik, die IT und die ehemaligen
Bundesbahnzentralämter München und Minden sowie die ehemaligen Ei-
senbahnforschungsstellen aus der DDR umfasst. Damit könnten in Zusam-
menarbeit mit der Eisenbahnaufsichtsbehörde Eisenbahnbundesamt (EBA)
jene technischen Richtlinien für ein bezahlbares und wettbewerbsfähiges
Bahnsystem in Deutschland geschaffen werden, die auch die zukünftige
europäische Entwicklung des Eisenbahnwesens positiv beeinflusst.
Das kann jedoch nur gelingen, wenn man die Verrechtlichung des Zusam-
menwirkens der einzelnen Fachdienste zurück drängt und der Technik wie-
146 Bernd H. Kortschak

der jene Freiheitsgrade zurück gibt, die sie schon einmal hatte. Denn ver-
gleicht man nun die Voraussetzungen für Innovationen bei der DRG und der
DB AG so stellt man doch einen gravierenden Unterschied fest: Bei der
DRG wurden die einzelnen technischen Fachdienste durch den Betrieb zu-
sammen gehalten. Der Betrieb sorgte durch eindeutig und widerspruchsfrei
formulierte Regeln des Zusammenwirkens dafür, dass die einzelnen techni-
schen Fachdienste wie Zahnräder ineinander griffen und wie ein sorgfältig
aufeinander abgestimmtes Getriebe funktionierten und miteinander harmo-
nierten. Das Muster war dem Militär entnommen, und die Notwendigkeit,
auch in Kriegszeiten den Betrieb sicherzustellen, sorgte für einfache, ver-
ständliche, durchsetzungsstarke Regeln, die auch eine einfache, robuste und
mit einfachen Maßnahmen wiederherstellbare funktionstüchtige Technik zur
Folge hatte. Die Hauptabteilungsleiter Betrieb, die dies organisatorisch zu
Bundesbahn-Zeiten sichergestellt hatten, wurden aber seit der Bahnreform
von der Deutschen Bahn AG sukzessive abgebaut.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Autoren der Richtlinie 440/91 in ihrem
Konzept der Aufspaltung von British Rail folgten, womit eine weitere Ver-
komplizierung des Sachverhalts verknüpft war, British Rail war in das briti-
sche Fallrecht (Case Law) eingebettet und dieses verlangt keine begriffliche
Ausdifferenzierung in eindeutig und widerspruchsfrei formulierte Hand-
lungsanweisungen, wie es kontinentaleuropäische Kodifikationen des Rechts
erfordern und wie sie bis dahin auch für das Eisenbahnwesen selbstverständ-
lich waren. Während die Richtlinie 440/91 noch eine klare betriebliche Vor-
gabe zur Folge hatte, nämlich die, dass nur mehr lange und schwere Züge
auf die Strecke gelassen werden sollten, um den Schienengüterverkehr wett-
bewerbsfähiger zu machen (vgl. Kortschak 1993, S. 103 ff ), so ist eine ver-
gleichbare eindeutige Konsequenz der Richtlinie 2012/34 nicht mehr zu
entnehmen. Vielmehr sind die einzelnen Wünsche aus dem Rechtssetzungs-
verfahren in die einzelnen Absätze eingeflossen ohne erkennbare Abstim-
mung auf Kompatibilität (oder sollte man dem heutigen Sprachgebrauch
folgend besser von „Interoperabilität“ sprechen?) Besonders gravierend
wirkt sich aus, dass die ehemals eindeutigen, hierarchisch vertikal straff
strukturierten Regelwerke der Bahn durch horizontale Vertragsbeziehungen
ersetzt wurden und werden. Aktuell ist hier die Aufspaltung des betriebli-
chen „Herzstücks“, der Fahrdienstvorschrift 408 der DB in einen Zuständig-
keitsbereich der DB Netz AG und weitere Zuständigkeiten für andere Eisen-
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 147

bahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen ein-


schließlich Schnittstellenregelungen zu nennen (vgl. EU Kommission 2015).
So meinte einer der bedeutendsten Innovatoren in der Rangiertechnik bereits
1997, dass es nützlich sein könnte, „die offiziellen Richtlinien für einen
Augenblick auf die Seite zu tun, sich umzuschauen, selbst nachzudenken,
warum irgendetwas in den Richtlinien steht und ob es (noch, Einf.) Sinn
macht“ (König 1997, S. 12).
Während technische Innovationen im Rahmen des Internationalen Eisen-
bahnverbandes U.I.C. als bloße Empfehlungen ohne Rechtsverbindlichkeit
entwickelt und umgesetzt wurden, sind die Technischen Spezifikationen
Interoperabilität (TSI) in EU-Recht gegossene Regelwerke, denen aber nicht
immer eindeutig und widerspruchsfrei formulierten Handlungsanweisungen
zu entnehmen sind. Das Europäische Zugführungssystem ETCS (European
Train Control System) in Verbindung mit dem ERMTS (European Rail Traf-
fic Management) sollte dem Triebfahrzeugführer unabhängig von seinem
Herkunftsland die für das Fahren in einem anderen EU-Land notwendigen
Informationen in seiner Muttersprache in den Führerstand signalisieren:
Damit sollte der Wettbewerb voran getrieben und das babylonische Spra-
chenwirrwarr auf europäischen Gleisen beendet werden, wie nachfolgende
Abbildung 3 zeigt.
Doch aktuell wird genau das Gegenteil praktiziert: Grenzüberschreitend
tätiges Zugpersonal muss die jeweilige Fremdsprache beherrschen – oder
noch mehr: Die bisherigen bewährten Verfahrensweisen zur Regelung des
Grenzüberganges über Gemeinschaftsbahnhöfe werden durch das Zollstra-
ßenmodell aus dem Straßengüterverkehr ersetzt: Während früher nur wenige
Fahrdienstleiter in einem Gemeinschaftsbahnhof zur Bewältigung des
Grenzüberganges Fremdsprachenkenntnisse aufweisen mussten (ca. 6-10
Personen) müssen jetzt alle Zugbegleiter und Lokführer über Fremdspra-
chenkenntnisse verfügen. Von der jeweiligen Staatsgrenze bis zum künfti-
gen ersten Bahnhof im Nachbarstaat kann es künftig möglicherweise sogar
eigene Sicherheitsbescheinigungen bzw. Lokführerprüfungen nach den Re-
geln des Nachbarlandes geben – für ein paar Meter Strecke, die bislang ohne
diese rechtlich-bürokratische Überhöhung problemlos befahren werden
konnten.
148 Bernd H. Kortschak

Abbildung 3: Sprachbarrieren im europäischen Zugverkehr

Quelle: de Tilière et al. (2003), S. 8.

Anstatt EU-Europa mit 1 Lok durchgehend befahren zu können, hat das zur
Durchsetzung der Interoperabilität konzipierte ETCS zu einer technischen
Fragmentierung europaweit geführt (vgl. Junker 2007, Folie 20, URL siehe
Literaturverzeichnis), die ein freizügiges Durchfahren selbst für Mehrsys-
temloks ohne Länderspezifika sogar auf dem wichtigen Güterverkehrskorri-
dor Rotterdam – Genua unmöglich macht. Für einen Case-Law-Juristen ist
das alles kein Problem, dafür ist die Rechtsprechung da. Woher soll dann
aber der Spielraum zur Umsetzung von wirklichen Innovationen für „lower
prices and improved efficiency“ (Bulc 2015, URL siehe Literaturverzeich-
nis) und nicht nur für „Innovatiönchen“ (Hecht 2016) kommen, wenn nie-
mand den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit dieser Problematik be-
fasst?
Innovationen bei der Deutschen Bahn AG 149

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Der moderierende Einfluss des Managementteams auf das
Innovationsverhalten großer Familienunternehmen – eine
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Wolfgang Burr, Christopher Sauerhoff und Johann Valentowitsch

I. Einleitung
Familienunternehmen stellen mit über 90 Prozent die häufigste Form der
Unternehmensorganisation in Deutschland dar (vgl. Wallau et al. 2007) und
spielen daher eine zentrale Rolle für die deutsche Wirtschaft. Von einem
Familienunternehmen wird im Folgenden gesprochen, wenn maximal drei
natürliche Personen mindestens 50 Prozent am stimmberechtigten Kapital
eines Unternehmens halten und mindestens zwei dieser Personen den glei-
chen Nachnamen führen (vgl. Niefert et al. 2009; Wallau et al. 2007). Empi-
rische Studien haben gezeigt, dass sich Familienunternehmen mit Blick auf
die Unternehmens- und Innovationskultur sowie das Innovationsverhalten
deutlich von Nicht-Familienunternehmen unterscheiden. Familienunterneh-
men weisen beispielsweise eine stärkere Service-Orientierung auf (vgl.
Dibrell/Moeller 2011), zeigen eine bessere finanzielle Performance (vgl.
González et al. 2012; Maury 2006; Denison et al. 2004), schaffen besondere
Rahmenbedingungen für organisationalen Wandel (vgl. Kraus et al. 2012;
Dibrell/Moeller 2011; Gudmundson et al. 2003) und verfolgen grundsätzlich
langfristigere Innovationsstrategien als Nicht-Familienunternehmen (vgl.
Burr et al. 2015; Block et al. 2012). Um diese Befunde erklären zu können,
wurden unterschiedliche theoretische Ansätze herangezogen, unter anderem
die Transaktionskosten-Theorie (vgl. Aronoff/Ward 1995; Williamson 1979;
Williamson 1975; Coase 1939), die Agenturkosten-Theorie (vgl. Chrisman
et al. 2004; Jensen/Meckling, 1976) sowie der Stewardship-Ansatz (vgl.
Burr et al. 2015; Davis et al. 1997). Beiträge aus dem Blickwinkel des res-
sourcen-basierten Ansatzes (RBV) hingegen sind selten (vgl. Sirmon/Hitt
2003; Habbershon et al. 2003; Habbershon/Williams 1999). Im Rahmen
dieser Arbeit werden Familienunternehmen vor allem mit Hilfe ressourcen-
theoretischer Überlegungen analysiert. Der Aufbau von Kompetenzen (vgl.
Gerybadze 1998, 2004) und der koordinierte Einsatz von Ressourcen sind

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_8
154 Wolfgang Burr, Christopher Sauerhoff und Johann Valentowitsch

aus Sicht des RBV Voraussetzungen für die Leistungserstellung und den
Erfolg von Unternehmen (vgl. Barney 1991; Grant 1991). Maßgeblich ist
hierbei die Fähigkeit eines Unternehmens, Ressourcen zielorientiert und
effizient so zu kombinieren, dass sich mit ihnen ein nachhaltiger Wettbe-
werbserfolg erzielen lässt (vgl. Burr 2008). Eine wichtige Rolle in diesem
Prozess nimmt das Managementteam ein, das den Einsatz der Unterneh-
mensressourcen plant, koordiniert und kontrolliert (vgl. Barney 1991). Zwar
wird in vielen Publikationen zum RBV das Managementteam als zentrale
Ressource genannt (vgl. Michalisin et al. 2006; Carmeli/Tishler 2004;
Barney 1991), diese wird jedoch in der Regel als Black Box betrachtet ohne
näher analysiert, charakterisiert und kategorisiert zu werden. Fragen, ob das
Managementteam homogen oder heterogen zusammengesetzt ist mit Blick
auf fachliche Ausbildung, Geschlecht, Alter, Nationalität, Branchen- und
Auslandserfahrung oder ob es sich um ein erfahrenes beziehungsweise eher
unerfahrenes Managementteam (z. B. gemessen an der Zahl der Dienstjahre)
handelt, werden damit ausgeblendet. Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, die
Black Box Managementteam zu öffnen und die komplexe Rolle des Ma-
nagementteams im Kontext von Familienunternehmen und ihrer Innovati-
onsprozesse einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Hierbei wird vor
allem die Frage nach dem Einfluss des Managementteams auf das Innovati-
onsverhalten von großen Familienunternehmen eruiert. Diese Frage ist auch
für die Unternehmenspraxis hochrelevant, denn die unzureichende Ausei-
nandersetzung mit und Bedeutungsbeimessung gegenüber Innovationen
durch Topmanager in der täglichen Managementarbeit gelten als Innovati-
onshemmnis (vgl. Wahren 2004). So widmen in Unternehmen (börsennotier-
te Kapitalgesellschaften, Familienunternehmen, Großunternehmen und
Kleinunternehmen) über 70% der Manager lediglich knapp 5% ihrer Ar-
beitszeit dem Innovationsmanagement (vgl. Wahren 2004; Verweis auf Fi-
scher/Risch 1993).

II. Explorative Analyse

1. Zielsetzung
Bislang existieren nur wenige Studien, die das Innovationsverhalten großer
Familienunternehmen in Deutschland untersucht haben (vgl. Picot/Kamp
Der moderierende Einfluss des Managementteams auf das Innovationsverhalten 155

2008; Boerger et al. 2011; Haunschild et al. 2010a, 2010b; Wallau et al.
2007a). Das wissenschaftliche Interesse galt bisher vor allem kleinen und
mittleren Unternehmen (vgl. Ernst-Siebert 2008; Warkotsch 2004; Pfäfflin
et al. 2008). Zum Schließen dieser Forschungslücke soll die vorliegende
Studie, an der 50 große Familienunternehmen aus Deutschland teilgenom-
men haben, einen ersten Beitrag leisten. Ziel der Untersuchung ist die Ana-
lyse des bisher wenig erforschten Innovationsverhaltens großer Familienun-
ternehmen sowie die Ableitung von Hypothesen für künftige Forschung. Der
Analyse liegt ein explorativer Bezugsrahmen zugrunde, der in Abbildung 1
dargestellt wird. In der Abbildung wird zudem skizziert, welche Faktoren
Einfluss auf das Innovationsverhalten – Innovationszukäufe mit einge-
schlossen – und die Ergebnisse der Innovationsaktivitäten großer Familien-
unternehmen haben. Zahlreiche Studien legen nahe, dass das Innovations-
verhalten von Familienunternehmen durch das Managementteam entschei-
dend beeinflusst wird (vgl. Burr et al. 2015; Kraus et al. 2012; Michalisin et
al. 2006). Die Auswirkungen des Management-Involvements auf das Inno-
vationsverhalten großer Familienunternehmen werden aus diesem Grund in
der vorliegenden Untersuchung einer genaueren Betrachtung unterzogen.
Unter Innovationsverhalten werden in diesem Beitrag „alle Handlungen und
Aktivitäten, die im Innovationsprozess anzutreffen sind“ (Gelshorn et al.
1991, S. 56), subsumiert. All jene Handlungen und Aktivitäten, die das In-
novationsverhalten eines Unternehmens ausmachen, werden durch das Inno-
vationsmanagement zu steuern versucht (vgl. Hauschildt/Salomo 2011;
Gelshorn et al. 1991; Burr/Stephan 2006; Burr et al. 2011). Zum Innovati-
onsmanagement gehört auch die Entscheidung über Eigenforschung versus
Zukauf von Innovationen von Dritten. Zu den Innovationen (vgl. Burr 2004)
zählen kostensenkende Prozess- und Organisationsinnovationen sowie quali-
tätsverbessernde Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, aber auch Mar-
ketinginnovationen.
In dem vorliegenden Beitrag werden zwei Aspekte des Innovationsverhal-
tens großer Familienunternehmen in den Fokus der Analyse genommen,
nämlich die Fragestellung ob und inwieweit in diesen Unternehmen Innova-
tionen zugekauft werden und die Fragestellung, wie intensiv sich in diesen
Unternehmen Manager in die Innovationsprozesse einbringen und mit Inno-
vationsfragestellungen direkt befassen. Beide Fragestellungen sind beson-
ders für Familienunternehmen interessant, weil sie unter Ressourcenknapp-
156 Wolfgang Burr, Christopher Sauerhoff und Johann Valentowitsch

heit operieren und die enge Verbundenheit des Managements zum Unter-
nehmen und die direkte Beschäftigung mit aktuellen Problemen und die
direkte Involvierung am Ort der Leistungserstellung oftmals typisch für
Familienunternehmen ist (bzw. sein sollte). Ob dies allerdings auch für gro-
ße Familienunternehmen gilt, steht im Mittelpunkt dieses Beitrags.

Abbildung 1: Konzeptionelle Darstellung des Bezugsrahmens

Involvierung der
Unternehmensleitung

Innovationsverhalten

Innovationszukäufe

Ergebnisse der Innovationsaktivitäten

2. Stichprobe
Die Datengrundlage der Studie bilden die 500 größten Familienunternehmen
in Deutschland (vgl. Niefert et al. 2009). Hierzu werden Familienunterneh-
men gezählt, die einen jährlichen Umsatz von mindestens 50 Millionen Euro
erwirtschaften und ihren Sitz in Deutschland haben (vgl. Wallau et al.
2007a, 2007b). Aufgrund von Geschäftsaufgaben, Insolvenzen und Veräuße-
rungen reduzierte sich die Grundgesamtheit für die Untersuchung auf 474
Unternehmen. Im Dezember 2011 wurden diese zur Teilnahme an einer
Umfrage zum Innovationsverhalten eingeladen. Adressiert waren die perso-
Der moderierende Einfluss des Managementteams auf das Innovationsverhalten 157

nalisierten Einladungen an die Geschäftsführung, den Vorstand beziehungs-


weise den FuE-Verantwortlichen des Unternehmens. Insgesamt wurden 50
Fragenbögen ausgefüllt. Die Rücklaufquote liegt damit bei 10,5%. Von allen
Rückläufern waren 38 Fragebögen vollständig ausgefüllt. Bei den übrigen
12 fehlte jeweils mindestens eine soziodemographische Angabe, wie etwa
die Information über die Rechtsform des teilnehmenden Unternehmens. Für
die Analyse konnten trotzdem alle 50 Fragebögen verwendet werden.
Wichtige Charakteristika der an der Befragung teilnehmenden 50 großen
Familienunternehmen (vgl. hierzu auch den Anhang, Tabelle 5) stellen sich
wie folgt dar:
Der Vorsitz der Geschäftsleitung beziehungsweise des Vorstandes oblag in
25 Unternehmen (50,0%) einem Mitglied der Gründerfamilie und in 16 Un-
ternehmen (32,0%) einem familienexternen Manager. Neun Unternehmen
(18,0%) machten hierzu keine Angaben. Darüber hinaus konnte ermittelt
werden, dass die teilnehmenden Unternehmen überwiegend in der zweiten
bis vierten Familiengeneration geführt werden (n=27). Fünf der Unterneh-
men befinden sich bereits seit mindestens sechs Generationen in Familien-
hand. Bezogen auf das Geschäftsjahr 2010 (GJ 2010) berichteten 19 Unter-
nehmen (46,3%), bis zu 1.500 Mitarbeiter beschäftigt zu haben. Lediglich
zwei Unternehmen (4,9%) verfügten über eine Belegschaft von mehr als
30.000 Beschäftigten. Weit über die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen
erwirtschaftete ihren höchsten Umsatzanteil hauptsächlich in der Industrie
(22 Unternehmen bzw. 53,7%) und im Handel (10 Unternehmen bzw.
24,4%).
Die deskriptive Auswertung hat ergeben, dass Innovationsaktivitäten haupt-
sächlich (n=48) in dem Bereich der Produktionsprozesse (72,9%) sowie den
Bereichen „Sachgüter“ (66,7%) und „Dienstleistungen“ (54,2%) verfolgt.
Hinsichtlich der Bereiche „Marketing“ und „Organisation“ gaben 35,4% der
Unternehmen an, in diesen Bereichen Innovationsaktivitäten nachzugehen.
Diese sowie die folgenden Ergebnisse werden einzeln im Anhang in Tabelle
5 dargestellt.
79,1% der teilnehmenden Unternehmen (n=43) gaben an, im Geschäftsjahr
2010 Innovationen bei den von ihnen angebotenen Sachgütern durchgeführt
zu haben. In Bezug auf Dienstleistungen bestätigten dies hingegen nur
37,2%. Geringer waren die Werte für die Bereiche Marketing (25,6%) und
158 Wolfgang Burr, Christopher Sauerhoff und Johann Valentowitsch

Organisation (20,9%). 60,5% der Unternehmen erklärten, Forschungsergeb-


nisse hätten zu Prozessinnovationen geführt.
Werden Innovationsaktivitäten durchgeführt, so geschieht dies überwiegend
in Kooperation mit Dritten. So treiben 85,4% der befragten Familienunter-
nehmen (n=48) Innovationen nach eigener Aussage in Zusammenarbeit mit
Zulieferern voran, 81,3% in Kooperation mit Kunden und 75,0% zusammen
mit Forschungseinrichtungen. Innovationsaktivitäten in Kooperation mit
externen Unternehmensberatern (31,3%), Wettbewerbern (20,8%), selbstän-
digen Ingenieurbüros (16,7%) und sonstigen Unternehmen (22,9%) werden
von den Befragten weitaus weniger eingegangen. Prozentual gaben mehr
Unternehmen unter der Leitung eines familienexternen Topmanagers an,
Innovationsaktivitäten in Kooperation mit Forschungseinrichtungen (93,8%),
selbständigen Ingenieurbüros (31,3%) sowie externen Unternehmensbera-
tern (50,0%) voranzutreiben, als die Familienunternehmen der Vergleichs-
gruppe (64,0%, 4,0%, 24,0%), die von einem Familienmanager geleitet wer-
den. Dieses Ergebnis ist überraschend und widerspricht beispielsweise den
Erkenntnissen von Herman Simon zum Innovationsverhalten der von ihm
untersuchten Hidden Champions: Simon konstatiert, dass Hidden Champi-
ons auf hohe eigene Wertschöpfung im FuE-Bereich achten, um ihr Know-
how zu schützen und die Spezialisierung auf bestimmte Forschungsthemen
zu erleichtern (vgl. Simon 2007, S. 278). Die in diesem Beitrag untersuchten
Firmen scheinen somit eine andere Strategie zu verfolgen als die von Her-
man Simon untersuchten Hidden Champions.
Den finanziellen Aufwand, den sie für Forschungs- und Entwicklungsaktivi-
täten aufbringen, beziffert über die Hälfte (53,7%) der teilnehmenden Fami-
lienunternehmen (n=41), für das Geschäftsjahr 2010 auf bis zu 5% des Ge-
samtumsatzes. Mehr als 5% aber höchstens bis zu 10% des Gesamtumsatzes
verausgabten 41,5% der Unternehmen für FuE. Noch mehr FuE-
Aufwendungen, bis zu 15% des Gesamtumsatzes, tätigten 4,0% der Unter-
nehmen. Knapp die Mehrheit aller Unternehmen (53,7%) gab an, im Ge-
schäftsjahr 2010 bis zu 0,5% ihrer Belegschaft im Bereich der FuE beschäf-
tigt zu haben. Weitere 41,5% der Unternehmen beschäftigten in diesem
Bereich bis zu 10% ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Der moderierende Einfluss des Managementteams auf das Innovationsverhalten 159

Tabelle 1: Operationalisierung

Konstrukt/Indikatoren

Innovationszukauf: Unser Unternehmen sichert sich wichtige Forschungsergebnisse …

x1 …durch den Zukauf innovativer Unternehmen

x2 …durch den Zukauf von Patenten

Management Involvement: Die Geschäftsführung …

x3 …wirbt unternehmensintern für die Akzeptanz neu entwickelter Prozesse und Produkte

x4 …hat stets ein offenes Ohr für die Anliegen der FuE-Belegschaft

x5 …unterstützt unsere FuE-Aktivitäten, wo sie nur kann

3. Operationalisierung
Um das Innovationsverhalten der Familienunternehmen möglichst umfang-
reich erfassen zu können, wurden wichtige FuE-Kenngrößen, wie zum Bei-
spiel die FuE-Intensität oder der Umsatzanteil mit neuen Sachgütern und
Dienstleistungen, auf einer feinstufigen Skala direkt abgefragt. Zusätzlich
wurden Innovationszukäufe der Unternehmen mit Hilfe von drei Indikator-
Variablen erfasst (vgl. Tabelle 1). Um den Einfluss des Managementteams
darstellen zu können, wurde das Konstrukt „Management Involvement“
gebildet. Die Operationalisierung der Konstrukte erfolgte mit Hilfe von
insgesamt neun Indikatoren. Zur Messung wurde jeweils eine fünfstufige
Likert-Skala verwendet. Nach der Durchführung einer Item-Bereinigung
(Items mit Faktorladungen kleiner als 0,7 wurden von der Analyse ausge-
schlossen) reduzierte sich die Anzahl der Indikatoren jedoch auf fünf. Tabel-
len 1 und 2 zeigen die verwendeten Items zusammen mit den dazugehörigen
deskriptiven Statistiken. Die Werte der latenten Konstrukte entsprechen
dabei jeweils einem gleichgewichteten Mittel der Indikatorausprägungen.
Aufgrund geringer Beobachtungszahlen wurde im Rahmen dieser Studie auf
den Einsatz strukturprüfender Verfahren verzichtet. Stattdessen wurden die
erhobenen Daten explorativ mit Hilfe deskriptiver statistischer Verfahren
analysiert und visuell aufbereitet. Dies entspricht der explorativen Zielset-
160 Wolfgang Burr, Christopher Sauerhoff und Johann Valentowitsch

zung der vorliegenden Forschungsarbeit, die das bisher noch wenig er-
forschte Thema „Innovationsverhalten großer Familienunternehmen“ er-
schließen und Forschungshypothesen für die zukünftige Forschung generie-
ren soll. Da ein moderierender Einfluss des Managementteams auf die Inno-
vationsvariablen vermutet wurde, wurden die Daten zunächst verdichtet und
in Gruppen mit jeweils hohem und niedrigem Involvement des Manage-
mentteams eingeteilt (vgl. Tabelle 3 und 4). Für die gebildeten Gruppen
wurden anschließend Mittelwerte ermittelt und in einem Interaktionsschau-
bild dargestellt (vgl. Abbildung 2).

4. Ergebnisdiskussion
Aus den erhobenen Daten lässt sich herauslesen, dass die FuE-Intensität der
Familienunternehmen positiv mit dem Umsatzanteil neuer Sachgüter und
Dienstleistungen korreliert. Der ohnehin positive Zusammenhang wird zu-
dem durch ein starkes Involvement des Managements noch weiter verstärkt
(vgl. Abbildung 2). Als dispositiver Faktor entscheidet das Manage-
mentteam über den Einsatz und die Kombination der Unternehmensressour-
cen und besitzt deshalb eine herausgehobene Bedeutung (vgl. Burr 2002).
Stehen Topmanager Innovationen und Veränderungen offen gegenüber, so
werden sie Wege finden, die notwendigen finanziellen Mittel für For-
schungs- und Entwicklungsvorhaben des Unternehmens bereitzustellen (vgl.
Gelshorn et al. 1991). Das Managementteam hat somit offensichtlich einen
moderierenden Einfluss auf die Innovationsleistung (gemessen am Umsatz-
anteil neuer Sachgüter und Dienstleistungen) großer Familienunternehmen.

Tabelle 2: Deskriptive Statistiken

Konstrukt/Indikator Mittel SD Faktorladung Cronbachs Į

Innovationszukauf 1,21 0,99 (-) 0,84


x1 1,00 1,07 0,88 (-)
x2 1,41 1,07 0,82 (-)

Management Involvement 2,94 0,85 (-) 0,84


x3 2,90 1,02 0,61 (-)
x4 3,00 0,92 0,90 (-)
x5 2,92 0,98 0,94 (-)
Der moderierende Einfluss des Managementteams auf das Innovationsverhalten 161

Tabelle 3: Mittlere Ausprägung des Indikators „Anteil neuer Sachgüter


und Dienstleistungen am Gesamtumsatz“

Involvement des Managementteams

hoch gering
Ausgaben für FuE am Gesamtumsatz

unter 5%

3,13 3,43
(N=14) (N=11)
über 5%

5,90 5,56
(N=9) (N=7)

Tabelle 4: Mittlere Ausprägung des Konstrukts „Innovationszukauf“

Involvement des Managementteams

hoch gering
unter 5%

0,77 1,11
an der Gesamtbelegschaft
Anteil des FuE-Personals

(N=14) (N=11)
über 5%

1,79 1,44
(N=9) (N=7)
162 Wolfgang Burr, Christopher Sauerhoff und Johann Valentowitsch

Abbildung 2: Moderierender Einfluss des Managementteams


Umsatzanteil mit neuen Sachgütern
und Dienstleistungen

Innovationszukauf
Management Management
Involvement hoch Involvement hoch
Management Management
Involvement gering Involvement gering
unter 5% über 5% unter 5% über 5%

Ausgaben für FuE am Anteil der Mitarbeiter in FuE an der


Gesamtumsatz Gesamtbelegschaft

Die erhobenen Daten zeigen darüber hinaus, dass ein höherer Anteil an FuE-
Mitarbeitern bei gleichzeitig hoher Involvierung des Managements mit mehr
Innovationszukäufen in Form von Unternehmensakquisitionen und Patent-
zukäufen einhergeht (vgl. Abbildung 2). Der positive Zusammenhang wird
durch ein starkes Involvement des Managements ebenfalls verstärkt, so dass
auch in diesem Fall ein positiver Moderationseffekt des Managementteams
zu vermuten ist. Misst die Unternehmensführung dem Bereich der For-
schung und Entwicklung hohes Interesse sowie Aufmerksamkeit bei, so
wirkt sich dies auf Handlungen und Aktivitäten in den Innovationsprozessen
aus. Dies kann sich unternehmensweit in einer großen Akzeptanz gegenüber
Neuerungen oder einer ausgeprägten Bereitschaft zu Innovationszukäufen
niederschlagen. Aus diesen Überlegungen heraus lassen sich folgende Hypo-
thesen ableiten:
H1: Das Managementteam hat einen positiven Moderationseffekt auf die
Innovationsleistung von großen Familienunternehmen.
H2: Das Managementteam hat einen positiven Moderationseffekt auf den
Zukauf von Innovationen in großen Familienunternehmen.
Der moderierende Einfluss des Managementteams auf das Innovationsverhalten 163

Da die Stichprobe aufgrund ihrer geringen Fallzahl (N=50) jedoch keine


statistische Überprüfung der Hypothesen erlaubt, bedarf es weiterer Unter-
suchungen zur Bestätigung. Nichtsdestotrotz liefern die Ergebnisse der ex-
plorativen Analyse einen wichtigen Beitrag zu einem besseren Verständnis
des Innovationsverhaltens von großen Familienunternehmen. Interpretiert
man unsere Forschungsergebnisse (vgl. Abbildung 2) weiterführend, so kann
man folgende Vermutungen anstellen: Gerade in großen Familienunterneh-
men, in denen FuE und Innovationen einen hohen Stellenwert haben (höhe-
rer Anteil der FuE-Ausgaben am Umsatz, höherer Anteil der FuE-
Mitarbeiter an der Gesamtbelegschaft) können die Unternehmensinhaber
Innovationszukäufe und die Verjüngung des angebotenen Produktportfolios
durch von ihnen unterstützte Innovationsanstrengungen bewirken, wenn sie
sich stark in Innovationsprozesse involvieren und das Thema Innovation im
Unternehmen stark fördern. In weniger innovationsorientierten großen Fami-
lienunternehmen kann die Involvierung des Managements in die Innovati-
onsprozesse hingegen nur unterdurchschnittliche Ergebnisse auf Innovati-
onszukäufe und Verjüngungen des angebotenen Produktportfolios durch
Innovationen erzielen. In solchen Unternehmen scheint die Involvierung der
innovationsinteressierten Unternehmensleitung eher kontraproduktiv und
eine geringere Involvierung des Managements in Innovationsprozesse emp-
fehlenswert. Unsere Vermutung ist, dass die innovationsinteressierten Fami-
lienmanager mit den Strukturen und Kulturen eines weniger innovationsori-
entierten Familienunternehmens kämpfen und ihre Managementhandlungen
daher weniger Wirkung entfalten können. Die Studie wirft zudem neues
Licht auf die Rolle des Managementteams in Familienunternehmen. So
übernimmt das Managementteam offensichtlich eine wichtige Moderations-
funktion, indem es finanzielle Ressourcen zielorientiert auf die Umsetzung
von Innovationsprojekten fokussiert und somit die Innovationsleistung der
Familienunternehmen erhöht. Die Ergebnisse der Studie stützen zudem
frühere empirische Arbeiten, die eine moderierende Wirkung des Manage-
mentteams auf Innovation, organisationale Ambidextrie sowie Unterneh-
mensperformance nachweisen konnten (vgl. Mihalache et al. 2012; Boerner
et al. 2011; Jansen et al. 2008).
164 Wolfgang Burr, Christopher Sauerhoff und Johann Valentowitsch

III. Limitationen
Die Ergebnisse der Studie unterliegen unterschiedlichen methodischen Limi-
tationen. Zum einen kann eine Verzerrung durch einen Non-Response Bias
nicht ausgeschlossen werden. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob sich
nicht gerade die Familienunternehmen an der Umfrage beteiligt haben, die
ohnehin viele Innovationsvorhaben durchführen, während wenig innovative
Unternehmen bewusst auf die Teilnahme verzichtet haben. In diesem Fall
wären die Ergebnisse der Studie durch einen Sample Selection Bias ver-
fälscht worden. Darüber hinaus basieren die Umfrageergebnisse ausschließ-
lich auf subjektiven Einschätzungen der Befragten. Ein Vergleich mit objek-
tiven Performance- und Finanzkennzahlen aus Unternehmensdatenbanken
und -registern erfolgte nicht.

IV. Forschungsausblick
Die Ergebnisse der Arbeit weisen nicht nur auf eine Forschungslücke inner-
halb der betriebswirtschaftlichen Innovations- und Mittelstandsforschung,
sondern auch innerhalb des ressourcen-basierten Ansatzes hin. Die Charak-
teristika einer Ressource im Detail haben Auswirkungen auf das Zusammen-
spiel mit anderen Ressourcen und daraus resultierende Verhaltens- und Leis-
tungsergebnisse des Unternehmens. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, die
Black Box „Ressource“, in diesem Fall speziell das Managementteam
(jung/alt, männlich/weiblich, in der Branche erfahren/unerfahren, nationa-
le/internationale Zusammensetzung, disziplinäre/interdisziplinäre Zusam-
mensetzung etc.) näher zu betrachten. Darüber hinaus kann die Beurteilung
inhaltlich-materieller Ressourcencharakteristika auf die Wettbewerbsfähig-
keit eines Unternehmens auch davon beeinflusst werden, ob in der Ge-
schäftsführung familienangehörige oder familienfremde Manager tätig sind
(vgl. Burr et al. 2015). Gerade in dieser Frage scheint erhebliches Erklä-
rungspotenzial zu liegen, wenn man das Innovationsverhalten von Familien-
unternehmen besser als bisher verstehen will. Aufgabe künftiger Forschung
innerhalb des ressourcen-basierten Ansatzes könnte damit sein, die Black
Box „Ressource“ noch detaillierter als bisher aufzuschlüsseln und zu analy-
sieren. Dies kann durch die Beurteilung konkreter Merkmale und Auswir-
kungen verschiedener inhaltlich-materieller Ressourcencharakteristika auf
die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens geleistet werden, die weit über
Der moderierende Einfluss des Managementteams auf das Innovationsverhalten 165

die bekannte Charakterisierung von Barney (1991), der Ressourcen danach


beurteilt, inwieweit sie wertvoll, selten, nicht-substituierbar und nicht-
imitierbar sind, hinausgeht. Künftige empirische Forschungsergebnisse soll-
ten daher die Ressourcenattribute möglichst detailliert erfassen und be-
schreiben, um der Komplexität unternehmensinterner Prozesse gerecht wer-
den zu können.

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Der moderierende Einfluss des Managementteams auf das Innovationsverhalten 169

Anhang

Tabelle 5: FuE-Aktivitäten getrennt nach Familienunternehmen mit


Familienmanagern und familienexternen Managern

Gesamt Familienmanager Familienexterner


(n=48) (n=25) Manager (n=16)

Innovationsaktivitäten
in den Bereichen

- Sachgüter 32 (66.7%) 17 (68.0%) 13 (81.3%)


- Dienstleistungen 26 (54.2%) 13 (52.0%) 11 (68.8%)
- Produktionsprozesse 35 (72.9%) 18 (72.0%) 13 (81.3%)
- Marketing 17 (35.4%) 12 (48.0%) 4 (25.0%)
- Organisation 17 (35.4%) 10 (40.0%) 4 (25.0%)

Innovationsaktivitäten in
Kooperation mit

- Wettbewerbern 10 (20.8%) 6 (24.0%) 3 (18.8%)


- Zulieferern 41 (85.4%) 21 (84.0%) 15 (93.8%)
- Kunden 39 (81.3%) 21 (84.0%) 14 (87.5%)
- Forschungseinrichtungen 36 (75.0%) 16 (64.0%) 15 (93.8%)
- selbst. Ingenieurbüros 8 (16.7%) 1 (4.0%) 5 (31.3%)
- ext. Unternehmensberatern 15 (31.3%) 6 (24.0%) 8 (50.0%)
- sonstigen Unternehmen 11 (22.9%) 6 (24.0%) 4 (25.0%)

Gesamt Familienmanager Familienexterner


(n=43) (n=25) Manager (n=16)

Bereiche in denen im GJ 2010


Forschungsergebnisse zu
Innovationen führten

- Sachgüter 34 (79.1%) 19 (76.0%) 13 (81.3%)


- Dienstleistungen 16 (37.2%) 9 (36.0%) 7 (43.8%)
- Produktionsprozesse 26 (60.5%) 13 (52.0%) 12 (75.0%)

- Marketing 11 (25.6%) 6 (24.0%) 5 (31.3%)


- Organisation 9 (20.9%) 7 (28.0%) 1 (6.3%)
170 Wolfgang Burr, Christopher Sauerhoff und Johann Valentowitsch

Tabelle 5: Fortsetzung

Gesamt Familienmanager Familienexterner


(n=41) (n=25) Manager (n=16)

Ausgaben für FuE am


Gesamtumsatz im GJ 2010

- bis 0.05 22 (53.7%) 14 (56.0%) 8 (50.0%)


- 0.06 bis 0.1 17 (41.5%) 10 (40.0%) 7 (43.8%)
- 0.11 bis 0.15 2 (4.9%) 1 (4.0%) 1 (6.3%)

Anteil der FuE-Mitarbeiter an der


Gesamtbelegschaft im GJ 2010

- .0 bis 0.05 25 (61.0%) 16 (64.0%) 9 (56.3%)


- 0.06 bis 0.1 10 (24.4%) 5 (20.0%) 5 (31.3%)
- 0.11 bis 0.15 4 (9.8%) 2 (8.0%) 2 (12.5%)
- 0.16 bis 0.20 2 (4.9%) 2 (8.0%) -.-

Anteil neuer Sachgüter


und Dienstleistungen am
Gesamtumsatz im GJ 2010

- .0 2 (4.9%) 2 (8.0%) -.-


- .1 bis .5 10 (24.4%) 7 (28.0%) 3 (18.8%)
- .6 bis .10 11 (26.8%) 7 (28.0%) 4 (25.0%)
- .11 bis .15 2 (4.9%) 1 (4.0%) 1 (6.3%)
- .16 bis .20 4 (9.8%) 1 (4.0%) 3 (18.8%)
- .21 bis .30 2 (4.9%) 1 (4.0%) 1 (6.3%)
- .31 bis .40 2 (4.9%) -.- 2 (12.5%)
- .41 bis .50 2 (4.9%) 1 (4.0%) 1 (6.3%)
- .51 bis .60 3 (7.3%) 1 (8.0%) 1 (6.3%)
- höher als .60 3 (7.3%) 1 (12.0%) -.-
Die Rolle der dualen Berufsausbildung für das
Innovationssystem in Deutschland1

Uschi Backes-Gellner

Eine der Stärken des deutschen Produktions- und Innovationsmodells ist


eine spezifische Verbindung von im dualen Berufsausbildungssystem ausge-
bildeten Facharbeitern mit Absolventen aus dem Hochschulsystem vor allem
aus natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtungen (vgl. EFI 2014,
S. 30 ff.). Diese Stärke des deutschen Innovationssystems wurde in jüngster
Zeit auch von einer detaillierten Studie des Massachusetts Institute of Tech-
nology (MIT) „Making in America – From Innovation to Market“ hervorge-
hoben (vgl. Berger 2013). Der auf intensiven Fallstudien basierende Ver-
gleich der Innovationsquellen der deutschen und der US-amerikanischen
Industrie arbeitet drei wesentliche Unterschiede heraus: die Business Models,
die Paths to Innovation und die Industrial Ecosystems. Diese drei Unter-
schiede werden als ausschlaggebend dafür angesehen, dass die deutsche
Industrie, anders als die US-amerikanische, in der Lage war der harten in-
ternationalen Konkurrenz erfolgreich entgegenzutreten – und zwar durch
kontinuierliche Innovationen mit höchster Qualität und durch Produkte und
Prozesse mit hoher Wertschöpfung. Die typisch deutsche Verbindung von
Berufs- und Hochschulabsolventen spielt für all das eine wichtige Rolle.

I. Die Zusammenarbeit von dual ausgebildeten Fachkräften


und Hochschulabsolventen als Grundlage des deutschen
Innovationsmodells
Eine wesentliche Besonderheit des Business Modells in Deutschland ist die
unmittelbare Nachbarschaft von FuE und Produktion. Diese räumliche Nähe

1
Der vorliegende Beitrag basiert zum Teil auf einem Beitrag zum EFI-Gutachten 2014:
„Die Bedeutung des Hochschul- und Berufsausbildungssystems für das Innovationssys-
tem”. EFI (2014, S. 30 – 35. Die hier geäußerten Meinungen sind diejenigen der Autorin
und reflektieren nicht notwendigerweise die Meinung der Expertenkommission Forschung
und Innovation.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017
W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_9
172 Uschi Backes-Gellner

hat große Vorteile für Innovationen, angefangen vom Aufkommen einer


ersten Produktidee über deren weitere technische Spezifikationen und De-
signs bis hin zum schnellen Prototyping. Diese Vorteile beruhen darauf, dass
es ein konstantes Feedback zwischen Entwicklung und Produktion gibt und
dass die unterschiedlichen Schritte des Innovationsprozesses nicht nur se-
quentiell sondern auch parallel zueinander stattfinden können. Qualitativ
hochwertige Innovationen kommen insbesondere dadurch zustande, dass die
unterschiedlich qualifizierten Arbeitskräfte (Entwicklungsingenieure wie
dual ausgebildete Facharbeiter verschiedener Disziplinen) alle am gleichen
Ort sind, dass sie eine gemeinsame professionelle Sprache sprechen und
dass sich automatisch regelmäßige Treffen zwischen ihnen ergeben und so
der gegenseitige Austausch erleichtert bzw. sogar forciert wird. Nur durch
dieses Zusammenspiel wird die Innovation mit vereinten Kräften in die rich-
tige Richtung und voran getrieben (vgl. Berger 2013, S. 128 – 132). In
Übereinstimmung damit können Rupietta/Backes-Gellner (2013; 2014,
S. 58 f.) zeigen, dass eine Mischung aus Hochschulabsolventen und Fachar-
beitern die höchsten Innovationseffekte hat, wenn sie komplementiert wird
mit geeigneten personalpolitischen Maßnahmen zur Erleichterung eines
Wissensaustauschs zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmern und mit dem
Einsatz entsprechender Anreize für einen Wissensaustausch.
Bezüglich der unterschiedlichen „Paths to Innovationen“ im Vergleich zwi-
schen den USA und Deutschland entschärft die MIT-Studie das Vorurteil,
dass das deutsche Innovationsmodell eher inkrementelle als radikale Innova-
tionen, d. h. Verbesserungen bestehender Produkte statt konzeptionell neuer
Produkte und Geschäftsmodelle hervorbringe, während das US-amerika-
nische Innovationssystem vor allem in radikalen Innovationen einen Vorteil
habe (vgl. Berger 2013). Die Autoren der MIT-Studie bestätigen zwar, dass
Deutschland besonders stark ist bei inkrementellen Innovationen wie dem
Hervorbringen neuer Generationen an kapitalintensiven Anlagen und Pro-
dukten (wie beispielsweise bei „highly engineered luxury cars“ oder bei
„high performance textiles“), und dass die iPods, Facebook oder „early gen-
erations of personalized drugs“ eher in USA entstehen. Aber sie weisen auch
darauf hin, dass die Sichtweise des deutschen Systems als ein auf inkremen-
telle Innovationen begrenztes System übersieht, dass in Deutschland das
Wissen der qualifizierten Fachkräfte auch systematisch genutzt wird, um
vollkommen neue Industrien hervorzubringen und voranzutreiben (siehe
Die Rolle der dualen Berufsausbildung für das Innovationssystem in Deutschland 173

hierzu auch Backes-Gellner et al. 2016).2 Deutsche Firmen bringen auch


durch „Repurposing“ ihrer Kerntechnologien vollkommen neue Produkte
und Services hervor: „moving from autos to solar modules, from semicon-
ductors to solar cells, or from machines to make spark plugs to machines
that make medical devices“ (Berger 2013, S. 137). Da zudem in Deutschland
die neuen Geschäftsmodelle – anders als in den USA – oft nicht durch Start-
Ups, sondern durch Umnutzung in etablierten Unternehmen entstehen, hat
Deutschland zudem den Vorteil, dass zusätzlich zur Innovation immer auch
das „scaling up to market“ gleichzeitig stattfinden kann.
Sowohl inkrementelle Innovationen als auch radikale Innovationen durch
Repurposing setzen also das Zusammenspiel hochqualifizierter Arbeitskräfte
voraus – und zwar vom Ingenieur bis zum Produktionsarbeiter – da viele
Verbesserungen und Änderungen sowie deren Qualität oft aus hands-on-
Erfahrungen und direkter Beobachtung in der Produktion erwachsen (vgl.
Backes-Gellner 1996).3 Nur durch das enge Zusammenspiel können bei-
spielsweise die Facharbeiter in der Produktion wertvolles Feedback über
machbare Designs oder effizientere Materialnutzung liefern. Die vor allem
in deutschen Unternehmen zu beobachtende Fähigkeit, aus dem Produkti-
onsprozess etwas für die Entwicklung zu lernen, ist nur deshalb möglich,
weil deutsche Firmen über die duale Berufsausbildung in eine umfassende
Ausbildung der Facharbeiter investieren und weil sie danach systematisch
die Fähigkeiten ihrer Arbeitskräfte weiter entwickeln. Vor allem beim Qua-
lifizierungssystem ist also einer der wesentlichen Unterschiede zu US-

2
Backes-Gellner et al (2016) finden insofern nicht überraschend – aber entgegen den Im-
plikationen des Varieties of Capitalism Approach (Hall/Soskice 2001) – dass Töchter US-
amerikanischer Unternehmen im Ausland (Deutschland, Schweiz oder UK) nicht nur ei-
nen, nämlich den typisch amerikanischen Weg für radikale Innovationen wählen (via nu-
merischer Flexibilität und Konzentration auf Hochschulabsolventen), sondern dass sie im
Ausland oft auch die Vorteile des lokalen Umfeldes nutzen und z. B. auf eine Mischung an
Berufs- und Hochschulabsolventen gepaart mit funktionaler Flexibilität setzen für radikale
Innovationen.
3
Backes-Gellner (1996) zeigt im Vergleich Deutschland, Grossbritannien, Frankreich und
Luxemburg außerdem, dass sich in deutschen Unternehmen aufgrund der Facharbeiteraus-
bildung mit ihren grundlegenden und zukunftsorientierten Anforderungen radikale Prozess-
innovationen schneller über den gesamten Produktionsprozess verbreiten und dass ihr Fle-
xibilitätspotential systematisch besser ausgeschöpft wird als in England, in Frankreich o-
der Luxemburg.
174 Uschi Backes-Gellner

amerikanischen Firmen zu verorten, die kaum in die Anfangsausbildung


ihrer Arbeitskräfte investieren und auch ihre Weiterbildungsanstrengungen
zunehmend reduzieren aufgrund zurückgehender lebenslanger Beschäfti-
gungsverhältnisse (vgl. Berger 2013, S. 132 ff.).
Das in Deutschland vorzufindende „Industrial Ecosystem“ ist vor allem
beim up-scaling der Innovationen entscheidend, da es den deutschen Firmen
ein reiches Set an wichtigen Ressourcen bereitstellt – anders als das Indus-
trial Ecosystem der USA. Das „Industrial Ecosystem“ in Deutschland reicht
von in der Entwicklung kooperierenden Zulieferern, über etablierte Bezie-
hungen zu lokal oder regional ansässigen Banken bis hin zu breit gefächer-
ten institutionellen Rahmenbedingungen wie dem dualen Berufsausbil-
dungssystem, einem funktionierenden Verbandssystem, einem reichen Set
an öffentlichen Forschungsinstitutionen oder einem ausgebauten System an
Kooperation fördernden Subventionsprogrammen für Innovationen. Diese
Ressourcen werden so im US Industrial Ecosystem nicht bereitgestellt (vgl.
Berger 2013, S. 139).

II. Stärken der dualen Berufsausbildung


Eine der wesentlichen Stärken des dualen Berufsbildungssystems ist die
systemische Verankerung der regelmäßigen Aktualisierung der Ausbil-
dungscurricula des beruflichen und schulischen Ausbildungsteils und die
Einbindung von Unternehmen an der Innovationsfront in diesen Prozess der
Curriculum-Aktualisierung (vgl. Rupietta/Backes-Gellner 2015).4 In diesem
Zusammenhang zeigen Rupietta/Backes-Gellner (2015) zudem auch, dass
ausbildende Unternehmen schon durch die Beteiligung an der dualen Aus-
bildung (und nicht nur durch das Einstellen ausgebildeter Fachkräfte vom
externen Arbeitsmarkt) ihre Innovationsfähigkeit steigern können. Der inno-
vationstreibende Effekt der Ausbildungsbeteiligung basiert darauf, dass den
ausbildenden Unternehmen – aufgrund der regelmäßig aktualisierten Curric-
ula der schulischen und beruflichen Ausbildungsanteile – Qualifikationen an
der vordersten Technologiefront abverlangt und geboten werden (vgl. Ba-
ckes-Gellner 1996).

4
Vgl. hierzu ausführlicher Rupietta (2015).
Die Rolle der dualen Berufsausbildung für das Innovationssystem in Deutschland 175

Eine zweite wichtige Stärke der dualen Berufsausbildung in Deutschland ist


– anders als in den USA –, dass sich auch kleine und mittlere Unternehmen
in grossem Umfang an der beruflichen Ausbildung beteiligen (vgl. Bundes-
institut für Berufsbildung 2013, S. 223) und dadurch ein innovatives Eco-
system gestärkt wird. In den USA sind es allenfalls wenige große Unter-
nehmen, die sich an systematischer betrieblicher Ausbildung beteiligen (vgl.
Berger 2013, S. 196). In Deutschland entsteht aber gerade durch das arbeits-
marktliche Zusammenspiel der vielen kleinen (und der großen) Unterneh-
men und durch die Koordinationsleistung staatlicher Institutionen ein um-
fassendes Netzwerk, welches – anders als von Berger (2013, S. 196) für die
USA beklagt – eine ausreichende Versorgung mit qualifizierten und an mo-
derne Anforderungen kontinuierlich angepassten Fachkräften sicherstellt.5
Deshalb verwundert es nicht, dass heute in USA von vielen Seiten der Auf-
bau eines dualen Berufsbildungssystems zur Sicherstellung qualifizierter
Fachkräfte vorgeschlagen wird und dass hierfür oft das deutsche duale Aus-
bildungssystems oder die sehr ähnlich funktionierende schweizerische Lehr-
lingsausbildung Pate steht.

5
Dass das deutsche Berufsausbildungssystem den Spagat zwischen standardisierten Ausbil-
dungsordnungen und einer schnellen Anpassung an geänderte Fähigkeitsnachfragen auf-
grund technologischen Fortschritts sehr gut bewältigen kann, zeigen auch Diskussionen
und Entwicklungstrends der letzten Dekaden. In den späten 1990er Jahren wurde die Dis-
kussion geführt, ob und wenn ja wie das Berufsausbildungssystem qualifizierte Fachkräfte
in den Zukunftsbranchen wie Information- und Kommunikationstechnologie (IKT) oder
neuen Umwelttechnologien bereitstellen kann (siehe Laur-Ernst/King 2000). Die heutige
Datenlage zeigt, dass das Berufsausbildungssystem auch die Umwälzungen in diesen Be-
reichen gut gemeistert hat: beispielsweise sind zwischen 1997 und 2012 insgesamt
160.000 erfolgreich beendete Ausbildungen in den IT-Berufen dazugekommen. Die IT-
Berufe gelten mittlerweile als ein Musterbeispiel für die Anpassungsfähigkeit des Berufs-
ausbildungssystems an den technologischen Fortschritt (vgl. Bundesinstitut für Berufsbil-
dung 2013, S. 405). Die duale Berufsausbildung hat sich außerdem auch vergleichsweise
schnell in den für die Branche typischen Start-ups und nicht nur in etablierten Unterneh-
men verbreitet (vgl. Demgenski/Icks 2002).
176 Uschi Backes-Gellner

III. Aktuelle Herausforderungen der dualen Berufsausbildung


Trotzdem haben sich in Deutschland in den letzten Dekaden die Strukturen
im Bildungssystem dramatisch zu Ungunsten der dualen Berufsausbildung
verschoben.
Während beispielsweise im Jahr 1965 noch 92 Prozent einer Schüler-
Kohorte mit einer Berufslehre und nur 8 Prozent mit einem Studium starte-
ten, gab es im Jahr 2011 ungefähr genauso viele Anfänger im Studium (50,1
Prozent) wie in der dualen Berufsausbildung (49,9 Prozent, vgl. rechte Seite
Abb. 1)). Gleichzeitig reduziert sich die Aufstiegsfortbildung vom Fachar-
beiter zum Ingenieur immer mehr, während vorher die Trennungslinie zwi-
schen berufsfachlichen und wissenschaftlichen Arbeitskräften sehr durchläs-
sig war, so dass die Arbeitskräfte aus der Facharbeiterebene über Fortbil-
dung zu Technikern und Ingenieuren aufsteigen konnten.

Abbildung 1: ‚Studienanfänger‘ und ‚Schüler im 1. Schuljahr an Berufs-


schulen des dualen Systems‘ im früheren Bundesgebiet 1965
bis 2011

Quelle: EFI (2014, S. 31).

Solange jedoch wachsende Prozentanteile im Studium mit einer wachsenden


Anzahl an Schulabsolventen einhergingen (vgl. linke Seite Abb. 1), hielten
sich die Probleme im Berufsausbildungssystem noch in engen Grenzen, weil
Die Rolle der dualen Berufsausbildung für das Innovationssystem in Deutschland 177

es immer noch eine vergleichsweise stabile absolute Zahl an Absolventen


aus der dualen Berufsausbildung gab.
Mit dem absehbaren demographischen Wandel und den daraus resultieren-
den schrumpfenden Schülerzahlen ändert sich die Ausgangslage allerdings
gravierend, weil sinkende Schülerzahlen gepaart mit historisch niedrigen
Anteilen für die Berufsausbildung die absoluten Zahlen der Absolventen
einer dualen Berufsausbildung schnell zusammenschrumpfen lassen. Dieser
Trend wird verschärft durch veränderte Ausbildungswünsche jüngerer Gene-
rationen und ihrer Eltern, die aus der inzwischen seit fast 20 Jahren anhal-
tenden Akademikerfokussierung resultiert.6 Seit Jahren streben immer mehr
Schüler eine Hochschulzugangsberechtigung an, und gleichzeitig ziehen
immer weniger Schüler mit Hochschulzugangsberechtigung eine Doppelqua-
lifizierung, d.h. eine Berufsausbildung nach der Hochschulzugangsberechti-
gung in Betracht.7 Offen ist derzeit, ob die zunehmenden dualen Studien-
gänge einfach nur die Lücke an Doppelqualifizierungen schließen, indem sie
Studium und Berufsausbildung gleichzeitig ermöglichen, oder ob sie einen
neuen Studierenden- bzw. Arbeitnehmertyp darstellen.8

6
Vgl. hierzu mahnend auch schon Backes-Gellner (1999a; 1999b).
7
Studienberechtigtenbefragungen kommen zu dem Ergebnis, dass heute nur noch 3 % der
Studienberechtigten eine Doppelqualifizierung anstreben. Im Jahr 1990 strebten noch etwa
12 Prozent aller Studienberechtigten eine Doppelqualifizierung an. Doppelqualifizierte
sind dabei wie folgt abgegrenzt: Studienberechtigte, die nach dem Erwerb der Hochschul-
zugangsberechtigung zunächst eine berufliche Ausbildung absolvieren und erst danach ein
Studium (bspw. Abiturient mit Bankkaufmannslehre und anschließendem BWL-Studium,
vgl. ausführlicher EFI 2014).
8
Der Anteil der Studienanfänger an dualen Hochschulen macht erst 4 % aller Studienanfän-
ger aus. Rund die Hälfte hiervon sind Studierende der früheren Berufsakademien in Ba-
den-Württemberg (vgl. Baethge et al. 2014, S. 37) Eine umfassende Analyse eines mög-
licherweise stärkeren Zusammenwachsens des Hochschulsystems auf der einen Seite mit
dem dualen Berufsausbildungssystem auf der anderen Seite z. B. über duale Studiengänge
unternimmt Graf (2013) im Vergleich Deutschland, Österreich, und Schweiz. Er schluss-
folgert, dass solche neu entstandenen Hybridformen einerseits einfach eine neue Form der
Permeabilität repräsentieren, dass sie aber andererseits auch einen neuen Premiumsektor
mit höherem sozialen Prestige und besseren Arbeitsmarktaussichten darzustellen scheinen.
Die in den drei Ländern neu entstanden Hybridformen sind allerdings international einzig-
artig als sie ein starkes berufliches Bildungssystem voraussetzen, das so weder in Frank-
reich, noch in England oder USA vorzufinden ist (vgl. Graf 2013).
178 Uschi Backes-Gellner

Klar ist dagegen, dass die klassische Berufsausbildung aufgrund der genann-
ten Trends immer mehr unter Druck kommt.9 Sinkende Schülerzahlen ge-
paart mit typischerweise schülerbasierten bzw. auf der Zahl der Studieren-
den basierten Finanzierungsschlüsseln an allgemeinbildenden Schulen und
Hochschulen sowie allgemeines Akademisierungsstreben (bei Eltern und in
öffentlicher Meinung) gepaart mit fehlenden oder zu weichen externen Leis-
tungsstandards im allgemeinbildenden Schul- und Hochschulsystem führen
zu einem unaufhaltsamen Sog hin zu weiterführenden Schulen und Hoch-
schulen – und weg von der dualen Berufsausbildung. Die Anreize der Betei-
ligten (Eltern, Kinder, Schulleitungen) ziehen dann alle in die gleiche Rich-
tung, nämlich in Richtung eines zunehmenden Eintritts in Schulen und
Hochschulen statt einer Berufsausbildung. Einmal in Gang gesetzt ist dieser
Prozess schwer aufzuhalten weil er selbstverstärkend ist und weil dann im-
mer weniger im beruflichen System “zurückbleiben” wollen. Ein analoger
Prozess hat beispielsweise in den vergangenen Dekaden zu einem Ausster-
ben der Hauptschulen zugunsten wachsender Gymnasien, Realschulen oder
Gesamtschulen geführt.10

IV. Schlussfolgerungen
Zusammenfassend ist also vor dem Hintergrund der o.g. Stärken des deut-
schen Innovationssystems die duale Berufsausbildung ein zentraler Erfolgs-
faktor für die Innovationsfähigkeit des Standorts Deutschland. Dafür muss
aber die hohe Qualität der Ausbildungen und die Innovationsfähigkeit ihrer
Absolventen weiterhin durch regelmäßige Aktualisierungen und Anpassun-

9
In diesem Zusammenhang wird der ansteigende Druck auf die klassische Berufsausbil-
dung oft auch als Folge des technischen Fortschritts interpretiert. EFI (2016) weist jedoch
darauf hin, dass auch bei anhaltendem technischen Fortschritt die „middle skill jobs“ in
Deutschland eine qualitativ hochwertige mehrjährige berufliche Ausbildung umfassen, die
sich auch im Laufe der Zeit anpasst, und dass deshalb solche Berufe und Arbeitsplätze im
Zuge des technologischen Wandels nicht verschwinden sondern sich oft eher komplemen-
tär weiterentwickeln (vgl. auch Rinawi/Backes-Gellner 2015).
10
Für eine theoretische Analyse der Wechselwirkungen der Anreizsituation von Schülern
und ihren Eltern mit Schulen und Unternehmen bezogen auf das Hauptschulsystem der
90er Jahre vgl. Backes-Gellner/Weckmüller (1998) und für eine empirische Analyse der
ausgleichenden Wirkung externer Leistungsstandards (Zentralabitur) auf den Leistungs-
verfall in Gymnasien vgl. Backes-Gellner/Veen (2008) und Wössmann (2013).
Die Rolle der dualen Berufsausbildung für das Innovationssystem in Deutschland 179

gen der Ausbildungsordnungen an neue Herausforderungen der Wissensge-


sellschaft gewährleistet werden. Zur Erhaltung des Gleichgewichts zwischen
Absolventen aus dem Hochschulsystem und hochqualifizierten Facharbei-
tern und zur Vermeidung eines weiter zurückgehenden Angebots an qualifi-
ziertem Facharbeiternachwuchs sind die im Bildungssystem angelegten,
über alle Bildungsinstitutionen hinweg wirkenden Anreize entscheidend.
Hier ist vor allem die Ausgestaltung der Finanzierungsmodi im öffentlichen
Schul- und Hochschulwesen entscheidend, die in der Vergangenheit recht
einseitig auf schülerzahlabhängige Größen abstellte. Schülerzahlabhängige
Finanzierungsschlüssel setzen bei generell zurückgehenden Schülerzahlen
starke Anreize auf Seiten der Schulen, einen größeren Anteil an Schülern
aufzunehmen. Wenn gleichzeitig immer mehr Schüler (und deren Eltern)
wie oben beschrieben in weiterführende Schulen drängen, die eine Hoch-
schulzugangsberechtigung verleihen, dann entsteht dort bezüglich der Leis-
tungsanforderungen ein „race-to-the-bottom“. Für die Erhaltung der Qualität
aller Stufen des Bildungssystems kann die Etablierung von nationalen Leis-
tungsvergleichen hilfreich sein, da sie helfen, eine Erosion der Qualitäts-
standards bei gleichzeitiger Noteninflation zu verhindern. Dadurch haben
Schüler und Eltern wertvolle und valide Qualitätsinformationen für ihre
Entscheidungen und sind weniger auf Spekulationen angewiesen. Außerdem
ist es aus der Perspektive der Jugendlichen und ihrer Eltern, die gemeinsam
vor der Herausforderung stehen, sich für einen langfristig erfolgverspre-
chenden Bildungsweg zu entscheiden, wichtig, dass es im Verlaufe der spä-
teren Bildungs- und Erwerbskarriere attraktive Übergangsmöglichkeiten und
Durchlässigkeit im System gibt. Es darf also keinen Abschluss ohne An-
schluss geben, insbesondere wenn man sich in einem frühen Schritt für eine
duale Berufsausbildung entschieden hat. Eine große Bedeutung hat in dem
Kontext die horizontale und vertikale Durchlässigkeit, die Anerkennung von
im Berufsleben erworbenen Kompetenzen,11 und ein transparenter Hoch-
schulzugang für beruflich Qualifizierte ohne Studienberechtigung.12

11
Zur Anerkennung von im Berufsleben erworbenen Kompetenzen vgl. Expertenkommission
Forschung und Innovation (2012, S. 63/64, 73).
12
Diese Möglichkeit gibt es zwar theoretisch schon länger; mit einem Beschluss der KMK
im März 2009 wurde dieser Weg jedoch bildungspolitisch aufgewertet (vgl. Baethge 2014,
S. 34).
180 Uschi Backes-Gellner

Abschließend kann als Ergebnis der hier vorgestellten Analysen festgehalten


werden, dass es für die Innovationsfähigkeit in Deutschland wichtig ist, dass
in Zukunft im Bildungssystem der Fokus stärker auf einen optimalen Bil-
dungsmix aus Berufsausbildung und akademischer Bildung und auf indivi-
duell flexible Bildungskarrieren gerichtet wird, statt auf eine weitere Erhö-
hung von Akademikerquoten zu fokussieren.13

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13
Eine stärkere Betonung eines individuell optimierten Bildungsmixes kann dabei auch
helfen das Problem der hohen Dropout-Quoten im Hochschulsystem anzugehen, da junge
Menschen, die in einer schwierigen Lebensphase wenig Interesse oder Begabung für einen
rein schulischen Weg verspüren, dadurch vielleicht eher einen Start im Berufsausbil-
dungssystem als wertvolle und langfristig attraktive Alternative in Betracht ziehen.
Die Rolle der dualen Berufsausbildung für das Innovationssystem in Deutschland 181

Demgenski, Caroline/Icks, Annette (2002): Berufliche Bildung in jungen Unternehmen.


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Vertrauensbasierte Führung als Grundlage nachhaltiger
Innovationsleistung und organisationaler Flexibilität

Tom Sommerlatte

I. Spurenanalyse: Wie entwickelten sich Innovationsberatung und


Innovationsmanagement?
Rückblickend auf über 40 Jahre Erfahrung in der Innovationsberatung unter-
scheide ich eine Folge von Entwicklungsstufen des Innovationsmanage-
ments, die jeweils vom Wandel des Markt- und Wettbewerbsumfelds be-
dingt waren. Aus diesem Rückblick leite ich ab, dass der gravierende Wan-
del im aktuellen Umfeld, der sich heute im Zuge der Digitalisierung voll-
zieht, auch wieder neuartige Anforderungen an das Innovationsmanagement
stellt, die die Innovationsberatung treffsicher erkennen und befriedigen
muss.
In den 1970er Jahren gehörte Arthur D. Little neben dem Stanford Research
Institute und Battelle zu den ersten Beratungsunternehmen, die Antworten
auf die wachsende Bedeutung unternehmerischer Steuerung von Forschung
und Entwicklung und der strategischen Nutzung von Technologie suchten
und fanden.
Wir entwickelten die Konzepte und Methoden der „Dritten Generation des
F&E-Managements“ (Roussel et al. 1991) und des „Strategischen Manage-
ments von Technologie“ (Floyd 1997), um die Effektivität und Effizienz der
F&E-Aufwendungen zu erhöhen und die Entwicklung und Nutzung von
Technologien strategisch auszurichten (Antworten auf die Fragen: „Tun wir
das Richtige?“ und „Tun wir es richtig?“).
Heute kann man sich kaum noch vorstellen, dass damals die Unternehmen
ihren F&E-Bereich als schwer beeinflussbaren Elfenbeinturm hinnahmen
und mehr oder weniger darauf vertrauen mussten, dass irgendwann etwas
kommerziell Brauchbares daraus hervorkommen wird. Das Marktumfeld
war noch von relativ stabilen, für heutige Verhältnisse meistens hohen
Wachstumsraten gekennzeichnet.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_10
184 Tom Sommerlatte

In das Denken der Unternehmen drangen in den 1970er Jahren die Konzepte
der Strategischen Geschäftseinheiten (SGE) und der Erfahrungskurve vor,
nach denen das herrschende Marktwachstum der unterschiedlichen Ge-
schäftsfelder und der relative Marktanteil der SGEs in den Geschäftsfeldern
ihre Rolle für das Unternehmen bestimmen (die berühmte SGE-Klassifi-
zierung nach Stars, Cash Cows, Question Marks und Dogs).
Im Zuge der sich beschleunigenden technologischen Entwicklung, insbeson-
dere in der Elektronik, war aber immer weniger zu übersehen, dass Ge-
schäftsfelder, zum Erstaunen der Strategieplaner, von neuen Unternehmen
aus einer Position geringen relativen Marktanteils heraus erfolgreich pene-
triert wurden, die die etablierten Marktführer be- oder verdrängen konnten.
Zudem änderten sich die Marktwachstumsraten der Geschäftsfelder häufig
innerhalb des Planungshorizonts. Offensichtlich wirkten hier andere Trieb-
kräfte und Wettbewerbsfaktoren als die, nach denen die etablierten Unter-
nehmen in ihre SGEs investierten, sie melkten oder abstießen.
Arthur D. Little verfolgte schon damals einen anderen Ansatz, mit dem die
Lebenszyklus-Dynamik der Geschäftsfelder (Entstehung, Wachstum, Reife,
Alter) und andere Wettbewerbsfaktoren als der Marktanteil als wesentliche
strategische Faktoren einbezogen wurden (vgl. Höft 1992). Dazu gehörte
insbesondere die strategische Wirkung von Technologien und ihrer Entwick-
lungsdynamik.
So lernten clevere Unternehmen in den 1980er Jahren zunehmend, Techno-
logien und Know-how nach ihrem Differenzierungspotenzial einzustufen,
sie selektiver als zuvor weiterzuentwickeln (Unterscheidung nach Basis-,
Schlüssel- und Schrittmachertechnologien) und F&E-Projekte nach ihrem
Chancen-Risiko-Potenzial zu bewerten (Unterscheidung nach Heißen Pro-
jekten, Vabanque-Projekten, So-What-Projekten und Dead Ducks), um ihre
Forschung und Entwicklung zu optimieren und nach Kriterien der Erfolgs-
wahrscheinlichkeit im Markt zu steuern. Mit Hilfe von Schrittmacher-
technologien gelang es solchen Unternehmen oft, neue Geschäftsfelder zu
erschließen, und mit dem gezielten Vorantreiben von Schlüsseltechnologien
konnten neuer attraktiver Kundennutzen auch in reifen Geschäftsfeldern
Vertrauensbasierte Führung 185

erzielt und diese in günstigen Fällen zu neuem Wachstum verjüngt werden


(vgl. Deschamps et al. 1994).1
Für das marktorientierte Management ihres F&E-Projektportfolios wurden
von vielen Unternehmen bereichsübergreifende Steuerungsgremien und
logische Kontrollpunkte etabliert, an denen immer wieder gesamt-
unternehmerisch entscheiden werden konnte, ob und wie einzelne Projekte
fortgeführt und wie die Entwicklungsressourcen am vielversprechendsten
auf das Innovationsportfolio umverteilt werden sollten (vgl. Little 1997).
Durch Re-engineering des F&E-Prozesses konnten darüber hinaus die
Durchführung der Projekte beschleunigt, die sogenannte „Time to market“
verkürzt und dadurch Wettbewerbsvorsprünge im Markt erzielt werden (vgl.
Labriola 2007).
Das war der Beginn des Innovationswettbewerbs zusätzlich zum Kosten-
wettbewerb auf Basis von Mengendegression und Erfahrungsvorteilen.
So vielversprechend diese Erweiterung des strategischen Denkens in den
1980er Jahren war, die Unternehmen neigten oft wie zuvor beim strategi-
schen SGE-Management dazu, auch die Vorgehensweise des strategischen
Technologiemanagements und der Steuerung von F&E-Projektportfolios so
stark zu formalisieren, dass der bürokratische Aufwand den Forschern und
Entwicklern immer weniger Zeit und Initiative für ihre eigentliche Aufgabe
ließ und die Unternehmen meistens in ihren etablierten Geschäfts- und Pro-
duktgebieten verharrten.
Als sich in den 1990er Jahren immer auffälliger zeigte, dass neue Ge-
schäftspotenziale häufig nicht in den traditionellen produktorientierten Ge-
schäftsfeldern entstanden sondern stattdessen wiederum oft von neuen Un-
ternehmen erschlossen wurden, die die Geschäftsfeldgrenzen überschritten
und dadurch größeren Kundennutzen stifteten, erweiterte Arthur D Little

1
Zu Arthur D. Little’s globaler Innovation Management Practice gehörten neben Kollegen
in Cambridge, Massachusetts, wie Bruce Old, Philip A. Roussel und John Ketteringham in
starkem Maß europäische Kollegen wie Chris Floyd (London), Jean-Philippe Deschamps
und Frederic van Oene (Brüssel) sowie Alexander Gerybadze, Cornelius Herstatt, Hans-
Gerd Servatius und der Autor dieses Beitrags (Wiesbaden) (vgl. Roussel et al. 1991). Eine
Reihe dieser Kollegen übernahm in der Folge Lehraufträge auf dem entstehenden akade-
mischen Gebiet der Innovationswissenschaften,
186 Tom Sommerlatte

seine Innovationsberatung zum umfassenderen Ansatz der Geschäftsinnova-


tion (Business Innovation) (vgl. Braun et al. 2001). Dieser Ansatz bezieht
den zunehmenden Anteil von Dienstleistungen an Umsatz und Wachstum
der Unternehmen bis hin zu reinen Dienstleistungsgeschäften, Veränderun-
gen der Wertschöpfungsketten durch Outsourcing und Partnering und die
Gestaltung völlig neuer Geschäftsmodelle in das Innovationspotenzial der
Unternehmen mit ein.
Parallel zu diesen konzeptionellen, prozessualen und organisatorischen Ent-
wicklungsstufen des Innovationsmanagements liefen immer wieder Bemü-
hungen, die Kreativität der involvierten Mitarbeiter zu fördern und zu kana-
lisieren und in den Unternehmen Innovations-Champions auf Führungsebene
sichtbar zu machen, die interne Bedenken und Widerstände gegen Innovati-
onsinitiativen zu überwinden helfen (vgl. Jonash/Sommerlatte 2001).
Mit Untersuchungen über auffällige Innovationserfolge von bestimmten
Regionen (in erster Linie Silicon Valley, verschiedene Biotech-, Material-
technik- sowie Luft- und Raumfahrttechnologie-Regionen) wurde besonders
seit den 1990er Jahren aufgezeigt, dass regionale Innovationscluster von
sich gegeneinander ergänzenden und stimulierenden Unternehmen im Zu-
sammenspiel mit unternehmerisch orientierten Investoren zu nachhaltigen
Innovationserfolgen führen (vgl. Gerybadze et al. 2013). Arthur D. Little
konnte hier seine seit den 1950er Jahren bestehenden Erfahrungen der Ent-
wicklungsberatung von Regionen und Regierungen bei der Wirtschaftsent-
wicklung (vgl. Kahn jr. 1986) anwenden. Die zunehmende Herausforderung,
die Innovationsfähigkeit von spezifischen Industrieregionen durch Stimulie-
rung der Clusterbildung zu steigern, wurde insbesondere von A. Gerybadze
bearbeitet (vgl. Bräutigam/Gerybadze 2011).
Seit Ende der 1990er und Beginn der 2000er Jahre versprachen die Mög-
lichkeiten des Internet, der Social Media und der smarten Informationsana-
lyse (Big Data und Analytics), neue Innovationspotenziale zu eröffnen, die
allerdings eine offene Kommunikation von Know-how und Ideen vorausset-
zen: Open Innovation durch Know-how-Austausch und Entwicklungskoope-
ration unabhängig von der Zugehörigkeit zu einzelnen Organisationen und
im Interesse des gemeinsamen Vorteils alles Beteiligten.
Es geht um die Bildung von unternehmensinternen und partneroffenen Wis-
sensbanken, in denen die involvierten Wissensträger ihr Kompetenzprofil
Vertrauensbasierte Führung 187

und ihr Erfahrungsrepertoire bereitstellen, bei Fragestellungen zu virtuellen


Communities von Diskussionspartnern eingeladen werden und ihrerseits mit
Innovationsvorhaben und Problemstellungen unmittelbaren Zugang zu vor-
handenem Know-how und dessen Trägern finden. Arthur D. Little entwi-
ckelte ein solches System für das eigene Know-how-Management (ADL-
Link), das für andere Open-Innovation-Communities adaptierbar ist.

II. Wendepunkt: Eine neue Dimension des Wandels


Die drei letztgenannten Stränge der Innovationsberatung – der Strang der
Kreativitätsförderung und Champion-Rolle innerhalb der Unternehmen, der
Clusterbildungsstrang für Regionen und der Strang der Open Innovation für
Know-how-Communities unabhängig von der Organisationszugehörigkeit –
stoßen bei genauer Betrachtung auf ein elementareres Hindernis, das eigent-
lich schon immer vorhanden war, aber bei der jetzt zu bewältigenden Ent-
wicklungsstufe des Innovationsmanagements entscheidend zu Tage tritt.
Denn wir haben heute einen Punkt erreicht, an dem trotz aller bisherigen
Erkenntnisse, Methoden, Systeme und Lösungsansätze des Innovationsma-
nagements festgestellt werden muss, dass es in erster Linie Verhaltenswei-
sen der involvierten Menschen in den Organisationen sind, die eine weitere
Steigerung der Innovationsleistung und organisationaler Flexibilität er-
schweren.
In Wirtschaft und Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren ein neuartiger
Wandel vollzogen, der anderer Natur ist als der, der die vorangegangenen
Entwicklungsstufen des Innovationsmanagements bedingt hat. Die Merkma-
le der Veränderungsprozesse selbst haben sich geändert: ihre Geschwindig-
keit, ihre Radikalität, ihre Wechselbeziehungen. Technischer, wirtschaftli-
cher und gesellschaftlicher Wandel spielte sich zwar auch in der Vergan-
genheit ab, ohne dass es zu Vertrauensverlust kam. Da Vertrauen jedoch aus
der Erfahrung mit gegebenen Verhältnissen entsteht, mit funktionierenden
Prozessen, Strukturen und eingespielten Verhaltensweisen, auf die man sich
einstellen kann, bewirken die Geschwindigkeit und Radikalität der sich
heute abspielenden Veränderungen, dass ihnen der Erfahrungszuwachs nicht
mehr folgen kann. Dadurch erodiert die Vertrauensbasis schneller, als sich
neues Vertrauen herausbilden kann. Innovationen drohen Entfremdung und
188 Tom Sommerlatte

Misstrauen zu wecken. Besonders im Bezug auf die Digitalisierung in Rich-


tung Enterprise 2.0 und Industrie 4.0 besteht heute diese Gefahr.

III. Die neue Innovationsherausforderung heute: Vertrauen


In den letzten 25 Jahren hat sich, ausgelöst durch den soziologischen Sys-
temforscher Niklas Luhmann, ein Forschungsbereich entwickelt, der sich
mit dem Verhalten von Menschen in unserer immer komplexeren Umwelt
auseinander setzt: die Vertrauensforschung (vgl. Schweer 2010). Seitdem
wurden wesentliche Erkenntnisse erarbeitet, die zum einen aufzeigen, dass
in Beziehungen mit einem hohen Vertrauensniveau die beiderseitige Bereit-
schaft zu Kooperation, Wissensteilung und kreativen Initiativen höher ist als
wenn beide Seiten mit Absicherungsaufwand, ständigem Quid-pro-Quo und
Reserviertheit miteinander umgehen (vgl. Sommerlatte/Fallou 2012). Zum
anderen hat die Vertrauensforschung nachgewiesen, durch welche Verhal-
tensweisen und Beziehungsbedingungen zwischenmenschliches Vertrauen
und Systemvertrauen in und zwischen Organisationen entstehen (vgl. Som-
merlatte/Keuper 2016). So wichtig diese Ergebnisse für die Innovationsiniti-
ative einzelner Mitarbeiter und die Innovationsfähigkeit von Organisationen
sind, so wenig haben sie bisher Eingang in die Unternehmensführung und in
die Personal- und Organisationsentwicklung der Unternehmen gefunden.
Das Trust Management Institut mit Sitz in Paris und Wiesbaden hat sich zur
Aufgabe gemacht, den Transfer der Ergebnisse der Vertrauensforschung in
die unternehmerische Praxis zu unterstützen (Trust Management Institut
e. V., URL siehe Literaturverzeichnis). Dabei spielt vertrauensbasierte Füh-
rung für die nachhaltige Innovationsleistung und organisationale Flexibilität
von Unternehmen eine entscheidende Rolle. Innovationsberatung kann aus
dieser Sicht heute ohne die Beeinflussung des Führungsverhaltens und des
Vertrauensklimas in den Unternehmen oft nur noch marginale Verbesserun-
gen bringen. Ein weiterer Ausbau von prozessualen und systemtechnischen
Verfeinerungen des Innovationsmanagements in den Unternehmen ohne
größere Führungskompetenz in der Vertrauensbildung kann sogar zur Be-
schädigung von Kreativität, zu Abbau eigenverantwortlichen Einsatzes der
Menschen und zu Zurückhalten entscheidenden impliziten Wissens führen.
Vertrauensbasierte Führung 189

IV. Gestaltung eines vertrauensbasierten Innovationsklimas


Mehrere Wissenschaftler an deutschen, Schweizer, französischen und ame-
rikanischen Universitäten haben den Zusammenhang von Innovations-
leistung und Vertrauensaspekten der Führung untersucht (FINT, URL siehe
Literaturverzeichnis).
Vertrauensschwund, wie wir ihn heute zunehmend in der Gesellschaft und in
den Unternehmen beobachten, verursacht hohen Aufwand der Absicherung,
lähmt den Fortgang von Prozessen, insbesondere des Innovationsprozesses,
führt zu Zeitverlust und verhindert Nachhaltigkeit. Deshalb ist Vertrauens-
bildung zu einem immer wichtigeren Thema der Unternehmensführung,
insbesondere des Innovationsmanagements geworden.
In der Vertrauensforschung wird zwischen personalem Vertrauen, d. h. dem
Vertrauen in der Beziehung zwischen Individuen, und Systemvertrauen,
d. h. dem Vertrauen in ein soziales oder sozio-technisches System, in eine
Organisation als Ganzes, differenziert. Auf der personalen Ebene entsteht
Vertrauen durch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Authentizität einer
Person – es äußert sich in Vertrauenswürdigkeit und Vertrauensbereitschaft
– dem Vertrauensprofil der Person. Auf der Systemebene entsteht Vertrauen
durch die Erfahrung der Funktionsweise des sozio-technischen Systems,
indem es die Erwartung erzeugt, dass es sich auch in Zukunft nach vertraut
gewordenen Regeln und Werten verhält. Je nach Erfüllung dieser Erwartung
bildet sich ein mehr oder weniger positives Vertrauensklima heraus. Bei
ausgeprägtem Vertrauensklima, so wurde nachgewiesen, wächst die Koope-
rations-, Innovations- und Wandlungsbereitschaft der Organisationsmitglie-
der, und zwar wesentlich stärker und nachhaltiger als durch noch so ausge-
klügelte prozessuale und strukturelle Maßnahmen oder durch gesteigerten
finanziellen Aufwand.
Eine der entscheidenden Herausforderungen an das Innovationsmanagement
ist daher heute die vertrauensbasierte Führung, die Förderung eines stabilen
Vertrauensklimas. Innovationsberatung muss heute hierin eine ihrer neuen
Prioritäten erkennen. Offensichtlich kann die Unternehmensführung ein ver-
trauenswürdiges und vertrauensbildendes Verhalten nur entwickeln, wenn
sie sich der Faktoren und Merkmale bewusst ist, die das Vertrauensklima in
einem Umfeld schnellen innovativen Wandels erhalten und verbessern.
190 Tom Sommerlatte

Die Rolle der Innovationsberatung besteht daher heute darin, diese Faktoren
und Merkmale zu verdeutlichen und Abweichungen davon vor Augen zu
führen, um einen Verhaltenswandel einzuleiten. Ohne den Verhaltenswandel
wird Innovationsberatung immer wirkungsloser. Genau das ist in vielen
Fällen der Digitalisierung heute zu beobachten. Welches sind also die Fakto-
ren und Merkmale eines innovationsoffenen Vertrauensklimas? Die Vertrau-
ensforschung hat darauf Antworten entwickelt und empirisch erprobt.
Das Trust Management Institut leitete daraus einen Diagnose- und Therapie-
ansatz ab, der sich in einer Reihe von Interventionen bewährt hat, aber stän-
dig weiter verfeinert wird. Seine Grundstruktur besteht aus sechs Merkmals-
dimensionen:
í Wie wird im Unternehmen kommuniziert?
í Wie verlässlich funktioniert die Organisation?
í Welche Perspektive hat das Unternehmen?
í Wie stark identifizieren sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen?
í Wie hoch ist die Wertschätzung der Mitarbeiter durch das Unternehmen?
í Wie ausgeprägt ist das Gefühl, zu einer Gemeinschaft zu gehören?
Die Ausprägung dieser Dimensionen (sehr hoch, hoch, mittel, niedrig, sehr
niedrig) kann anhand von Indikatoren ermittelt werden, die auch die Ansatz-
punkte für Verhaltensänderungen in Richtung auf größere Vertrauensbil-
dung liefern. Beispielsweise lässt sich die Art und Weise der Kommunikati-
on im Unternehmen nach den Indikatoren
í Verständlichkeit und Glaubwürdigkeit der Aussagen der Unternehmensfüh-
rung,
í Einhaltung eingegangener Engagements,
í Klarheit und Beständigkeit der Führung,
í Zugänglichkeit der Führung für Informationen, Argumente und Meinungen
charakterisieren und bewerten.
Aufgabe der Innovationsberatung muss es heute sein, sich und dem Auftrag-
geber zu Beginn einer Intervention Klarheit über die Ausgangslage in punc-
to Vertrauensklima zu verschaffen. Die ermittelte Ausgangslage kann dann
zur Orientierungshilfe für Managemententscheidungen und Maßnahmen
werden, mit denen die Bedingungen für ein verbessertes Vertrauensklima im
Unternehmen geschaffen werden.
Vertrauensbasierte Führung 191

Der Zusammenhang zwischen dem Vertrauensklima und der Innovations-


leistung wurde in einem groß angelegten organisationspsychologischen For-
schungsprojekt „Grundlagen nachhaltiger Innovationsfähigkeit: Vertrauens-
kultur und Evolutionäre Wissensprozesse – GI:VE“ bestätigt, das das BMBF
und die Europäische Union gefördert haben (vgl. Vertrauenskultur, URL
siehe Literaturverzeichnis), Eines der Hauptergebnisse, die im Rahmen von
Analysen in 38 Unternehmen verschiedenster Branchen durchgeführt wur-
den, lautet: Die wichtigsten Ansatzpunkte für die Steigerung der Innovati-
onsfähigkeit sind dieselben wie für das Vertrauensklima im Unternehmen,
nämlich eine starke Mitarbeiterorientierung mit den Komponenten Partizipa-
tion an Entscheidungen, gute Arbeitsbedingungen und eine positive Einstel-
lung der Führungskräfte zu den Mitarbeitern, akzeptierte Zielke und klare
Strategien, Anpassungsfähigkeit und offene Kommunikation (vgl. Scholl/
Kunert 2011).

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Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution von
Unternehmen und Umwelt

Erich Zahn

I. Einführung
Der Beitrag thematisiert einen Kernbereich der Strategischen Unterneh-
mensführung unter sich laufend verändernden Umweltbedingungen. Ausge-
hend von der Einbettung der Institution Unternehmung in ein dynamisch
komplexes ‚Business Ecosystem‘ werden zunächst Aspekte der Wettbe-
werbsdynamik sowie die Rolle dynamischer Strategien für eine erfolgreiche
Evolution der Unternehmung, die Bedeutung der Exploitation bestehender
und der Exploration neuer Geschäftspotenziale, die Problematik einer kon-
textadäquaten Balance zwischen beiden Aufgaben, die Mechanismen zu
reaktiven und proaktiven Balance-Anpassungen auf der Ebene der Organisa-
tion und der Ebene des Unternehmers bzw. des Top-Managements beleuch-
tet.
Die damit verfolgte Absicht ist nicht ein konzeptioneller Vorschlag für die
Praxis der Unternehmensführung. Im Fokus steht vielmehr die kritische
Reflexion der „Wenn und Aber“ von Anpassungen der strategischen Balance
auf dem Weg der Unternehmung in eine unsichere und mehrdeutige Zu-
kunft.

II. Zur strategischen Unternehmensführung aus einer dynamischen


Perspektive
Strategie erfüllt ihren Zweck, wenn sie dem werthaltigen Fortbestehen der
Unternehmung dient. Dazu muss sie deren Entwicklung Richtung geben und
auf Ziele fokussieren, die es wert sind, verfolgt zu werden.

1. Wettbewerbsdynamik und Wettbewerbsvorteile


Strategie impliziert bekanntlich die Wahl zweckgerichteten Unternehmens-
handelns im Sinne dessen, was das Unternehmen auf seinen Märkten anbie-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_11
194 Erich Zahn

tet (Leistungsprogramm) und wie es sich in seinen diesbezüglichen Wettbe-


werbslandschaften verhält, um erfolgreich zu sein (Wettbewerbsstrategie).
Eine Kernfrage der Strategieforschung fokussiert denn auch die Ursachen
für überlegene Unternehmensperformance – für Wettbewerbsvorteile und
ökonomische Rente. Als solche Ursachen bzw. Quellen wurden zunächst die
Besetzung und Verteidigung attraktiver Marktpositionen (market-based
view, vgl. Porter 1980) und der Besitz einzigartiger Ressourcen (resource-
based view, vgl. Barney 1986, S. 131 ff.; 1991, S. 99 ff.) ausgemacht. Beide
Perspektiven ergänzen sich insofern als attraktive Marktpositionen im All-
gemeinen nur mit einzigartigen Ressourcen besetzt und gehalten werden
können. Ihre Erklärungskraft bezüglich der erfolgreichen Evolution des
Unternehmens in einer Welt ständigen Wandels ist jedoch begrenzt. Sie
gehen nicht explizit auf die Entscheidungsprozesse der Manager bei der
Besetzung attraktiver Marktpositionen und bei der Entwicklung überlegener
Ressourcen ein.
Ohne die Kenntnis dieser Prozesse ist es jedoch schwierig, zu den Ursprün-
gen der Heterogenität von Unternehmensperformance vorzudringen (vgl.
Kunc/Morecroft 2010, S. 116 f.; Priem/Butler 2001, S. 22 ff.). Ein weiterer
Grund liegt in ihrem Verständnis von Wettbewerbsdynamik. Diese resultiert
aus den Interaktionen (Aktionen und Reaktionen) der Akteure. Auch die
klassischen Markt- und Ressourcenperspektiven basieren auf dieser Er-
kenntnis, beschränken sich aber auf rivalisierendes Verhalten in Form von
Angriff, Verteidigung, Vergeltung und Rückzug gegenüber unmittelbaren
Konkurrenten und auf das Machtverhältnis zu Kunden und Lieferanten in
der Marktperspektive. Das konventionelle Basisverständnis von Wettbe-
werb, bei dem die Konkurrenten auf Wertaneignung aus sind, lässt weitere
Möglichkeiten zur Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen, die sich aus ko-
operativen Beziehungen in Allianzen (vgl. Gerybadze 1995) und Netzwer-
ken wie auch durch Beziehungspflege zu weiteren Stakeholdern ergeben
können, außer Acht. Kooperation kann unter bestimmten Bedingungen mehr
noch als Konkurrenz Innovation fördern. So können Unternehmen zusam-
men mit Allianz-Partnern (Lieferanten, Kunden, Komplementoren wie auch
Konkurrenten) die zur Entwicklung, Beherrschung und Vermarktung neuer
Technologien erforderlichen Kompetenzen entwickeln, damit ihre Attrakti-
vität als Allianz-/Netzwerk-Partner und schließlich ihre Wettbewerbsfähig-
keit verbessern. Außerdem konkurrieren sie heute nicht nur um Kunden,
Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution von Unternehmen und Umwelt 195

sondern auch um Talente, Reputation und Legitimation. Mit einem Verste-


hen aller wichtigen Stakeholder seines Umfelds kann das Unternehmen die
Beziehungen zu diesen verbessern und dadurch deren Unterstützung, z. B.
bei wichtigen öffentlichkeitswirksamen Vorhaben, gewinnen.
Nach Freeman (2010, S. 9) weist die Stakeholder-Theorie einen Weg, die für
den strategischen Erfolg wichtige Problematik der Wertschaffung und
Wertaneignung zu überdenken. Mit dem Vorschlag einer Stakeholder-
Synergie-Perspektive gehen Tantalo/Priem (vgl. 2016, S. 314 ff.) diesen
Weg. Sie zeigen wie Unternehmen ihre Strategien der Wertschaffung ver-
bessern können, indem sie ihren wichtigen Stakeholder-Gruppen spezifi-
schen Wert schaffen und damit gleichzeitig den von diesen erhaltenen Wert
vergrößern können (vgl. ebenda S. 315 und 324/5). Allerdings weisen ande-
re Befunde darauf hin, dass „mehr nicht besser sein muss“, da Investitionen
in Stakeholder-Beziehungen teuer und ihre Performance-Effekte von kom-
plexen internen Komplementaritäten und externen Eventualitäten abhängig
sind (vgl. Garcia-Castro/Francoeur 2016, S. 406 f.).
Die von Chen/Miller (vgl. 2015, S. 758 ff.) vorgeschlagene „Reconceptua-
lizing Competitive Dynamics“ ist dennoch eine wichtige Ergänzung der
klassischen Ansätze zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen sowie von
Wertaneignung. Sie öffnen den Blick auf eine größere Bandbreite wettbe-
werblicher Optionen, die ein Zielspektrum von individuellem bis gemein-
samen Nutzen abdecken, dazu kompetitive, koopkurrente oder kooperative
Verhaltensweisen und neben kurzfristigen auch längerfristige Entschei-
dungshorizonte implizieren (vgl. ebenda S. 760 ff.). Die erfolgreiche Wahl
einer solchen Option hängt ab von einer realistischen Einschätzung wahrge-
nommener Vorteilspotenziale einerseits und gegebener Realisierungsvoraus-
setzungen (Ressourcen, Kompetenzen, Fähigkeiten, interne Anreize und
externe Herausforderungen sowie Erfahrung aus Kooperationen und Stake-
holder-Beziehungen) andererseits.
Ebenso wie Wettbewerbslandschaften unterliegen auch Märkte laufenden
Veränderungen mit häufig volatilen Phasen. Neue Märkte entstehen und alte
Märkte vergehen. Hinzu kommen die Emergenz neuer Technologien, welche
die Entwicklung neuer technischer Kompetenzen bedingen und mit einer
Erosion bestehender technischer Kompetenzen einhergehen, sowie nicht
196 Erich Zahn

zuletzt Turbulenzen im ökonomischen und politischen Umfeld mit Auswir-


kungen auf Branchen und ihre Unternehmen.
Unternehmensführungen sind deshalb im Interesse der Überlebensfähigkeit
ihrer Unternehmen gehalten, durch Anpassungen im Sinne „komplexer
adaptiver Systeme“ (vgl. Anderson 1999, S. 216 ff.) mit ihrer ebenfalls dy-
namisch komplexen Umwelt zu ko-evolvieren.

2. Strategie – ein dynamisches Konstrukt


Nach Richard Rumelt (2011, S. 77 f.) basiert eine ‚gute Strategie‘ auf einem
Systemkern aus drei Elementen: einer nüchternen, umfassenden Diagnose,
die im Ergebnis kritische Herausforderungen bzw. Probleme definiert, eine
handlungsleitende ‚policy‘ zur Begegnung der wahrgenommenen und inter-
pretierten Herausforderungen und eine Menge kohärenter Aktionen zur Stra-
tegierealisierung. Zusammen bilden diese Elemente einen Regelkreis koor-
dinierter Prozesse. Wird ‚policy‘ als Regel oder Routine verstanden, die
zeigt, wie durch Entscheidungen Informationen in Aktionen transformiert
werden (Forrester 1972, S. 94 f.), dann kanalisiert Strategie strategische
Entscheidungen und die daraus folgenden Aktionen. Diese wiederum beein-
flussen Märkte und Wettbewerbslandschaften – stellen Kunden zufrieden
und bedrängen Konkurrenten. Informationsfeedback über deren Reaktionen
geht nach kritischer Reflexion in neue Entscheidungen ein und schließt so
eine Lernschleife im Sinn eines „single-loop learning“ (vgl. Argyris/Schön
1978, S. 18 ff.) oder eines Verbesserungslernens (vgl. Zahn/Greschner 1996,
S. 53 f.).
Wenn überdurchschnittlicher Unternehmenserfolg Ausdruck überlegener
Strategie ist, die Entscheidungen zur Besetzung attraktiver Märkte und zur
Entwicklung dazu erforderlicher Ressourcen/Fähigkeiten orchestriert, dann
stellt sich die Frage, warum einige Unternehmen Strategien, die zu wettbe-
werblichem Erfolg führen, wählen und andere nicht. Der Schlüssel zur Ant-
wort ist wohl auch, aber doch weniger in günstigen Kontextbedingungen
und glücklichen Entscheidungen, sondern mehr in einem fundierten Verste-
hen der Wettbewerbs-/Marktdynamik und der Ressourcen-/ Kompetenzprob-
lematik zu sehen (vgl. Cockburn et al. 2000, S. 1124 f.). Strategiearbeit ist
Kopfarbeit und als solche abhängig von den kognitiven Fähigkeiten der
Unternehmensführer. In ihren individuellen bzw. gemeinsamen mentalen
Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution von Unternehmen und Umwelt 197

Modellen kann deshalb eine kritische Determinante der Strategiewahl ver-


mutet werden (vgl. Gary/Wood 2011, S. 569 ff. und die dort angeführte
Literatur).
Im Strategiekontext können mentale Modelle als kognitive Repräsentationen
bzw. vereinfachte Wissensstrukturen im Sinne von Überzeugungen oder
Vorstellungen über geschäftsbezogene Unternehmens-Umwelt-Interaktionen
interpretiert werden. Sie haben hier den Charakter einer rudimentären ‚The-
orie‘, die durch Spiegelung an der Realität getestet und angepasst wird
(Zahn 1999, S. 12). Entsprechend der Vermutung „Only by changing mental
models will one change decisions“ (Forrester 1992, S. 5) führen Verände-
rungen mentaler Modelle zu Strategieveränderungen, die sich wiederum in
daraus folgenden Entscheidungen und Aktionen fortsetzen. Ausgelöst wer-
den Anpassungen oder Rekonzeptionalisierungen in den mentalen Modellen
durch neue Einsichten aus markt-/wettbewerbsbezogenem Informations-
feedback. Auf diese Weise ergibt sich eine neue Lernschleife (vgl. Sterman
2000, S. 20 f.) im Sinne eines „double loop learning“ (vgl. Agyris/Schön
1978, S. 18 ff.) oder Erneuerungslernen (vgl. Zahn/Greschner 1996,
S. 53 f.). Allerdings ist zu beachten, dass die Verbindungen in den mitei-
nander verwobenen Lernschleifen aus verschiedenen Gründen fehlschlagen
können, etwa weil Informationsfeedback falsch wahrgenommen/interpretiert
wird (vgl. Sterman 1989, S. 301 ff.) oder mehrdeutig ist und eher zur Bestä-
tigung anstatt zur Herausforderung des gegenwärtigen mentalen Modells
benutzt wird (vgl. Barr et al. 1992, S. 15 ff.). Hinzu kommt, dass die Strate-
gieproblematik, wie hier dargestellt, ein dynamisch komplexes Phänomen
ist, das mit mentalen Modellen allein nicht vollständig erfasst werden kann.
Die aus Feedbacksystemen mit nichtlinearen Beziehungen erzeugte systemi-
sche Komplexität macht deutlich, dass Strategie für das Unternehmen als
evolutionäres System nur als dynamisches Konstrukt verstanden werden
kann. (vgl. auch Thietart 2016, S. 774 ff.). Die skizzierten Lernschleifen der
Strategieproblematik sind anschlussfähig an die nachstehende Diskussion.

III. Exploitation und Exploration


Nach March (1991, S. 102 f.) implizieren Exploitation und Exploration zwei
grundlegend unterschiedliche Lernvorgänge: single-loop und double-loop
learning (vgl. Argyris/Schön 1978, S. 18 f.) oder adaptives und generatives
198 Erich Zahn

Lernen (vgl. Senge 1990, S. 158 f.) oder strategisches Lernen – im Sinne des
zweiten Lernprozesses – (Anderson et al. 2009, S. 218). Dementsprechend
verschieden sind die Wesensmerkmale dieser beiden Aufgaben strategischer
Unternehmensführung.

1. Wesensmerkmale
Während Exploitation Aktivitäten wie Verbesserung, Implementierung und
Effizienz betrifft, bezieht sich Exploration auf Aspekte wie Variation, Expe-
rimentieren, Entdecken und Kreieren (vgl. March 1991, S. 71). Demnach
lassen sich interpretieren:
a) Exploitation als die Ausbeutung gegenwärtiger Geschäftspotenziale auf
Basis verfügbarer, teilweise rekonfigurierter oder angepasster Ressour-
cen-/Kompetenzbündel, wobei die Befriedigung der Bedürfnisse aktuel-
ler Kunden mit existenten oder durch inkrementale Innovationen verbes-
serten Produkte erfolgt;
b) Exploration als die Suche nach/den Aufbau von neuen Geschäftspotenzi-
alen auf Basis eines kreativ weiter entwickelten bzw. erneuerten Res-
sourcen-/ Kompetenzbündels, wobei vor allem mit radikalen (Produkt-
)Innovationen neu entstehende Kundengruppen erschlossen werden.
Im ersten Fall dominiert ein kurzfristig orientiertes, Effizienz verbesserndes,
manageriales Verhalten in Befolgung einer gegenwärtigen Geschäftsfeld-
Strategie; im zweiten Fall ein innovations-getriebenes, unternehmerisches
Verhalten, das immer wieder neuen Strategien folgt (vgl. Abell 1999,
S. 73 ff. und Markides 1999, S. 62 f.).
Exploitation impliziert ein vorteilssuchendes und Exploration ein chancen-
suchendes strategisches Verhalten. Unter den heute vorherrschenden Bedin-
gungen eines oft rasanten und turbulenten Wandels in Märkten und Wettbe-
werbslandschaften, die bewirken, dass Geschäftschancen schnell entstehen,
aber auch schnell vergehen können, besteht für Unternehmen die Herausfor-
derung, beiden Aufgaben gerecht zu werden. Voraussetzung dafür ist offen-
bar ‚organisationale Ambidextrie‘, die definiert ist als „an organization’s
ability to be aligned and efficient in its management of today‘s business
demands while simultaneously being adaptive to changes in the environment
(Raisch/Birkinshaw 2008, S. 375).
Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution von Unternehmen und Umwelt 199

Aus der diesbezüglichen Forschung, in der sich ein Wandel vom ‚trade-off‘
zum ‚paradoxical‘ Denken (vgl. Eisenhardt 2000, S. 703 f.) vollzogen hat,
werden zur Unterstützung einer Ambidextrie unterschiedliche organisationa-
le Lösungen vorgeschlagen:
í die integrierte Bewältigung beider Aufgaben in der Geschäftseinheit, aus
deren Kontext Ambidextrie entstanden ist (vgl. Gibson/Birkinshaw 2004,
S. 209 ff.);
í die organisationale Separierung beider Aufgabenbereiche (vgl. u. a.
Tushman/O’Reilly 1996, S. 8 ff.; Benner/Tushman 2003, S. 338 ff.) mit ei-
ner Überwindung inhärenter Widersprüche auf der Ebene der Unterneh-
mensführung (vgl. Smith/Tushman 2005, S. 522 ff.);
í die temporäre Separierung von explorativen und exploitativen Aktivitäten
nacheinander über die Zeit (vgl. Eisenhardt/Brown 1997, S. 1 ff.);
í die Separierung von Exploitation und Exploration in verschiedene Domänen,
wobei etwa die Exploitation im Unternehmen und die Exploration in einer
Allianz oder in einem akquirierten Unternehmen erfolgt (vgl. Stettner/Lavie
2014, S. 1903 ff.). Eine Balance quer über solche Modi der Operation ist
nach einer Untersuchung von Stettner/Lavie (ebenda S. 1923) vorteilhafter
als eine Balance in einem bestimmten Modus, wo die mit einer Ambidextrie
verbundenen Schwierigkeiten und Hindernisse gewöhnlich größer sind.
Da die integrierte Lösung in einer Geschäftseinheit mit mehr diversen Span-
nungen und Konflikten behaftet sein dürfte, werden separierende Lösungen
zumindest in der Forschung (vgl. u. a. O'Reilly/Tushman 2008, S. 185 ff.)
präferiert. Allerdings erfordern diese separierenden Lösungen gewisse, und
zwar unterschiedliche Interventionen (vgl. Stettner/Lavie 2014 S. 1924 f.).
Allen Lösungen gemeinsam sind Bemühungen in Richtung einer adäquaten
strategischen Balance, für die es nicht nur theoretisch fundierte Argumente,
sondern auch empirische Belege gibt (vgl. u. a. Sidhu/Commandeur/
Volberta 2007, S. 20 ff.). So konnte mit einer Langzeitstudie bestätigt wer-
den, dass eine adäquate strategische Balance nachhaltigem Unternehmenser-
folg förderlich ist (vgl. Uotila et al. 2009, S. 221 ff.). Allerdings gibt es auch
empirische Befunde mit negativen Performance-Effekten (vgl. Lavie/Kang/
Rosenkopf 2011, S. 1517 ff.).
200 Erich Zahn

2. Strategische Balance
Unternehmen, die Exploitation zu Lasten von Exploration betreiben, laufen
Gefahr, in die Falle eines suboptimalen stabilen Gleichgewichts zu geraten,
in welchem der Fluss von Ricardo- oder Monopol-Renten schnell austrock-
nen kann. Dagegen müssen Unternehmen, die Exploration unter Vernachläs-
sigung von Exploitation forcieren, damit rechnen, dass ihre innovativen
Anstrengungen zwar hohe Experimentierkosten verursachen, aber nicht die
erhofften Schumpeter-Renten generieren. Eine nachhaltig erfolgreiche Un-
ternehmensevolution erfordert deshalb eine geeignete Balance zwischen
Exploitation und Exploration (vgl. March 1991, S. 71 f.).
Allerdings ist eine derartige Balance alles andere als einfach zu erreichen,
handelt es sich doch hier um eine Art von beidhändigem Jonglieren, bei dem
die Unternehmensführung einerseits Spannungen im Unternehmen (zwi-
schen Effizienz- und Innovationsbefürwortern) und andererseits konfligie-
rende Nachfrageentwicklungen in den relevanten (bestehenden und entste-
henden) Märkten unter einen Hut bringen muss.
Die Crux ist, dass einer kontextadäquaten Balance gewisse Zwänge und
Neigungen des Top-Managements entgegen stehen. So bewirkt ein in bör-
senorientierten (vor allem US-amerikanischen) Unternehmen oft vorherr-
schender ‚short-termism‘ (vgl. Laverty 1996, S. 825 ff.) einen Zwang zur
Lieferung von Quartalsergebnissen zu Lasten einer längerfristigen Perfor-
mance. Die Unternehmensführung hat dann hier Schwierigkeiten, Investitio-
nen in die Zukunft (um Chancenanteile) des Unternehmens zu rechtfertigen.
Donaldson, der frühere ‚Head of the Securities and Exchange Commission‘
in den USA sieht in dieser „tyranny of the quarterly earnings“ sogar den
Hauptgrund für den Niedergang westlicher Volkswirtschaften (Dallas 2011,
S. 264).
Fakt ist, das sich Investitionen in exploitative, effizienzorientierte Aktivitä-
ten schneller auszahlen und geringere Risiken haben als solche in explorati-
ve, innovationsgetriebene Aktivitäten, deren Ergebnisse zudem unsicherer
sind. Daraus resultiert eine Neigung zu eher verstärkten Anstrengungen in
die Exploitation und zuweilen zum Festhalten an einer lange erfolgreichen
Strategie, selbst wenn sich diese mittlerweile bereits verbraucht hat (Hamel
2000, S. 68).
Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution von Unternehmen und Umwelt 201

Innovationsgetriebene strategische Initiativen in Richtung Exploration die-


nen der strategischen Erneuerung und sind unter Bedingungen hoher Um-
weltdynamik eine besonders kritische Herausforderung, aber auch eine Not-
wendigkeit zur Koevolution des Unternehmens mit seiner Umwelt. Dennoch
haben sie gewöhnlich keinen leichten Stand, wenn es um die Allokation
knapper Ressourcen geht. Abgesehen davon, dass auch viele Manager zur
Überbewertung kurzfristiger gegenüber längerfristigen Ergebnissen neigen
(vgl. Laverty 1996, S. 825 ff ), liegen die Gründe dafür nicht zuletzt in dem
Umstand, dass die Ziele solcher strategischen Initiativen i.d.R. von denen
etablierter Strategien divergieren und dass sie andere Routinen, Wissensba-
sen und Fähigkeiten erfordern als die bisher benutzten. Diese ‚relative Un-
vertrautheit‘ bedeutet höhere Unsicherheit und mehr Ambiguität bezüglich
der Einschätzung von Performance-Wirkungen explorativer strategischer
Alternativen (vgl. Lechner/Floyd 2012, S. 478 f.). Daraus resultierende or-
ganisationale Trägheit kann mit organisationaler Unterstützung durch
„group influence activities“, wie formale Rechtfertigung auf der Grundlage
sorgfältiger datengestützter Analysen, Einsatz von Macht aus formaler Auto-
rität und Koalitionsbildung, entgegengewirkt werden, insbesondere bei
hochgradig explorativen strategischen Initiativen (vgl. ebenda S. 479 und
491 f.). Solche Initiativen induzieren Anstrengungen zur Erneuerung der
Fähigkeitenbasis, die wiederum Voraussetzung für zielbewusste Anpassun-
gen der strategischen Balance nach den Erfordernissen sich verändernder
Umweltbedingungen sind. Balance-Veränderungen reflektieren eine kom-
plexe dynamische Fähigkeit, die eine zusätzliche Quelle für Wettbewerbs-
vorteile bietet (vgl. Teece et.al. 1997, S. 515 f.).

3. Mechanismen zur Anpassung der strategischen Balance


Diese Fähigkeit wird mit dem Konstrukt der ‚dynamic capabilities‘, das in
der simultanen Verfolgung exploitativer und explorativer Innovationen (vgl.
Ancona et al. 2001, S. 645 ff.) verwurzelt ist, assoziiert. ‚Dynamic capabili-
ties‘ beziehen sich auf „the firm’s ability to integrate, built and reconfigure
internal and external competences to address rapidly changing environ-
ments“ (Teece et al. 1997, S. 516). Die Forschung zu ‚dynamic capabilities‘
hat zunächst Anpassungs- bzw. Wandlungsprozesse auf organisationaler
Ebene fokussiert als Antwort auf die Frage, wie Unternehmen unter den
Bedingungen schnellen technologischen Fortschritts Wettbewerbsvorteile
202 Erich Zahn

erzielen und erhalten können (vgl. Teece et.al. 1997, S. 509 ff.). Mittlerwei-
le thematisiert sie mit dem Begriff ‚dynamic managerial capabilites‘ auch
kognitive Aspekte des Managements von strategischem Wandel (vgl. u. a.
Eisenhardt/Martin 2000, S. 1105 ff.; Teece 2007, S. 1319 ff. und Helfat/
Peteraf 2015, S. 831 ff.).

a) Dynamic Organizational Capabilities


Das ‚dynamic capabilities‘ Konstrukt hat sich seit Ende der 90er Jahre zu
einem der einflussreichsten Perspektiven in der Strategieforschung entwi-
ckelt. Es repräsentiert eine Weiterentwicklung der Ressourcenperspektive,
verwurzelt in den Theorien Kirzners und Schumpeters sowie in der ökono-
mischen Evolutionstheorie. Im Verständnis der so erweiterten Perspektive
ist das Wesen der Strategie dynamisch und beinhaltet die Wahl und Ent-
wicklung von „technologies and business models that build competitive
advantage through assembling and orchestrating difficult-to-replicate assets,
thereby shaping competition itself“ (Teece 2007, S. 1325). Der für die stra-
tegische Analyse von Wettbewerbsvorteilen relevante Kontext ist weniger
die Branche, sondern mehr das geschäftsbezogene ‚Ecosystem‘ (vgl. ebenda,
S. 1325).
Das Verständnis von ‚dynamic capabilities‘ als Fähigkeit zur Entwicklung
und Nutzung interner und externer Kompetenzen und als Fähigkeiten des
„learning, seizing and adapting“ neuer Herausforderungen (vgl. Augier/
Teece 2008, S. 1190 f.) verweist zumindest implizit auf ihre Bedeutung für
die Exploration. Adaptionen der Kompetenzbasis sind jedoch auch für die
Exploitation nicht untypisch, etwa bei inkrementalen Innovationen auf der
Grundlage bewährter Routinen (vgl. Eisenhardt/Martin 2000, S. 1107) als
„repetitive patterns of activity“ (Winter/Nelson 1982, S. 97).
‚Dynamic capabilities‘ fördern somit routinierte wie kreative Change-
Prozesse in der Kompetenzbasis eines Unternehmens zu dessen Anpassung
an Marktveränderungen oder zur Bewirkung solcher. Sie entstehen durch
Lernen aus Erfahrungen z. B. bei der Entwicklung neuer Produkte (vgl.
Danneels 2002, S. 1095 ff.), in Joint Ventures (vgl. Keil 2004, S. 799 ff.), in
Exploitations- und Explorations-Allianzen (vgl. Lavie/Oskopf 2006,
S. 797 ff., Hoffmann 2007, S. 831 ff. und Hoehn-Weiss/Karim 2014,
Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution von Unternehmen und Umwelt 203

S. 1380 f.), bei ‚Open Innovations‘ (vgl. u. a. Reichwald/Piller 2006) wie


überhaupt bei der Realisierung strategischer Initiativen.
Bingham et.al. (2015, S. 1802 ff.) finden bei einer Untersuchung von „Dow
Chemical’s acquisitions, joint ventures, and divestures“ über einen Zeitraum
von 20 Jahren positive Evidenzen für das gleichzeitige Erlernen mehrerer
‚dynamic capabilities‘. Die so erworbenen ‚dynamic capabilities‘ konnten
offenbar wirksam als ‚best practices‘ im Unternehmen verbreitet werden und
Dow helfen, den Bereich von Commodity-Chemikalien zugunsten der Er-
weiterung des Bereichs der Spezial-Chemikalien erfolgreich zu reduzieren.
Eine wachsende Zahl von Untersuchungen belegt die Bedeutung von ‚dyna-
mic capabilities‘ als einen fundamentalen Mechanismus zur erfolgreichen
Koevolution des Unternehmens mit einer Umwelt im permanenten Wandel.
Diese Erkenntnis gibt das folgende Zitat wieder: „If an enterprise posseses
resources/competences but lacks dynamic capabilities, it has a chance to
make a competitive return for a short period, but superior returns cannot be
sustained“ (Augier/Teece 2008, S. 1190/91).
Eine wichtige Funktion betrifft die Steuerung von Veränderungen in der
Kompetenzbasis durch Adaptionen der strategischen Balance. Deren Wir-
kung lässt sich nachvollziehbar mit Hilfe von Simulationsmodellen vom Typ
System Dynamics demonstrieren.
Rahmandad et al. (2015) zeigen anhand eines Simulationsmodells wie das
scheinbar paradoxe Verhalten, demzufolge in Unternehmen oft ein Wider-
streben beobachtet werden kann, in Aktionen zu investieren, die zwar eine
langfristig nachhaltige Gewinnentwicklung versprechen, aber letztlich doch
zur Erzielung kurzfristiger Ergebnisse geopfert werden, zu erklären ist.
Ihr Modell vom Typ System Dynamics enthält vier Feedbackloops: einen,
der die ‚Capability Erosion‘ repräsentiert, zwei, welche nach der zugrunde
gelegten Entscheidungsregel den ‚Trade-off‘ zwischen ‚Making the Num-
bers‘ (Ergebnismanagement) und ‚Capability Preservation‘ (Fähigkeiten-
Bewahrung) beschreiben und ein ‚Capability Tipping loop‘, der entweder
das Wachstum der Fähigkeiten treibt oder als Teufelskreis die Investitionen
zur Entwicklung von Fähigkeiten zugunsten des kurzfristigen Ergebnisma-
nagements reduziert (ebenda S. 6).
204 Erich Zahn

Das Modell reproduziert die typischen Verhaltensmuster „better before wor-


se“ und „worse before better“ als Folgen verstärkter oder reduzierter An-
strengungen zur Ergebnisgenerierung (vgl. ebenda, S. 7 f.). Die Modell-
struktur und das daraus resultierende Modellverhalten erlauben den Schluss,
„that the solution to this seemingly paradox lies in the fundamentally none-linear nature of
any enterprise dependent on a stock of capability: above a given threshold earnings man-
agement is relatively harmless, but below it can be disastrous“ (ebenda, S. 23).

Stabile zuverlässige Ergebnisentwicklungen oberhalb dieser kritischen


Schwelle haben grundsätzlich Vorteile. Bei unbefriedigender Ergebnisent-
wicklung besteht die durchaus nachvollziehbare Neigung, Anstrengungen
zur Erreichung kurzfristiger finanzieller Ziele zu verstärken, selbst wenn
diese zu Lasten der Fähigkeitenentwicklung gehen. Ein solches Verhalten
nach dem Motto ‚Arbeite härter anstatt intelligenter‘ ist jedoch gefährlich
und sollte nicht erst hinterfragt werden, wenn das Fähigkeitenniveau bereits
unter die kritische Schwelle gefallen ist und dann auch der Ergebnisverfall
kaum mehr aufgehalten werden kann.
Rahmandad (2015, S. 152 f.), der das Zusammenspiel zwischen Investitio-
nen in ‚Operational Capabilities‘ und ‚Dynamic Capabilities‘ mit Experi-
menten anhand eines weiteren Modells untersucht, vermutet entgegen vor-
herrschender Literaturmeinung, dass Unternehmen in weniger dynamischen
und weniger kompetitiven Märkten wahrscheinlich bessere Möglichkeiten
für den Einsatz ihrer ‚dynamic capabilities‘ vorfinden. Es muss nämlich
davon ausgegangen werden, dass dynamische wie auch operative Fähigkei-
ten in hoch dynamischen Märkten schneller erodieren (vgl. ebenda,
S. 162 f.).
Schilke (2014, S. 179) argumentiert auf Basis des Befunds aus einer empiri-
schen Untersuchung – einem inversen u-förmigen Zusammenhang zwischen
Fähigkeiten zum Management von Allianzen und von Produktentwicklungen
– ähnlich. Er schätzt den Wert dynamischer Fähigkeiten (ihrer Perfor-
mancewirkung auf Wettbewerbsvorteile) bei moderater Umweltdynamik am
höchsten ein, dagegen niedriger bei geringer und hoher Umweltdynamik.
Aber selbst in hoch-dynamischen Umwelten können ‚dynamic capabilities‘
strategisch wertvoll sein, und zwar als eine Art Reservoir von Handlungs-
routinen zur schnellen Rekombination der Kompetenzbasis als Vorausset-
Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution von Unternehmen und Umwelt 205

zung für schnelle Antworten auf nicht vorhergesehene Marktveränderungen


(vgl. ebenda, S. 197/198). Mit anderen Worten:
„there are a variety of ways, in which it is possible for dynamic capabilities as best prac-
tices in moderately dynamic markets or as simple rules and experimental processes in
high-velocity environments, to provide an enterprise with a competitive advantage or even
a sustainable advantage under the right conditions“ (Peteraf et al. 2013, S. 1406).

Die Wahrnehmung solcher Bedingungen für zweckmäßige Investitionen in


‚dynamic capabilities‘ und das Schaffen von Voraussetzungen zur Realisie-
rung ihrer Performancepotentiale sind eine kritische Fähigkeit zur strategi-
schen Unternehmensführung. „The ability to identify those investment op-
portunities and the leadership to implement the required changes may dis-
tinguish highly successful managers from the rest“ (Rahmandad 2015,
S. 163).

b) Dynamic Managerial Capabilities


Während ‚dynamic capabilities‘ komplexe Rekonfigurationsroutinen in stra-
tegischen Veränderungsprozessen betreffen, betonen ‚dynamic managerial
capabilities‘ die Rolle der (Top-)Manager in solchen Veränderungsprozes-
sen. Diese Fähigkeiten stehen auf drei wechselseitig verbundenen Funda-
menten (vgl. Adner/Helfat 2003, S 1020 f.): (1) ‚mangerial human capital‘
(geformt aus Wissen, Kompetenzen und Erfahrungen der Manager), (2)
‚managerial social capital‘ (entstanden aus sozialen Beziehungen und beruf-
lichen Verbindungen der Manager) und (3) ‚managerial cognition‘ (manifes-
tiert in mentalen Modellen und Überzeugungen der Manager). Von besonde-
rer Bedeutung für die Initiierung und Steuerung strategischer Veränderungs-
prozesse sind die kognitiven Fähigkeiten des ‚sensing‘ zur Wahrnehmung
von Chancen, das ‚seizing‘ zur Ergreifung von Chancen und das ‚reconfigu-
ring‘ zur zielbewussten Anpassung der Ressourcen- und Kompetenzbasis –
ein Aspekt, der auf der organisationalen Ebene angesiedelt ist (vgl. Helfat/
Peteraf 2015, S. 836 ff.). Der Begriff (Re-)Konfiguration wird auch zur
Integration verschiedener individueller Managementfähigkeiten in ein Top-
Management-Team verwendet und der Fähigkeit der Führungsperson in
diesem Team zugeordnet, ebenso wie die Fähigkeit zur Orchestrierung des
Teams z. B. zu gemeinsamen Wahrnehmen und Lernen. Beide, Konfigurati-
on und Orchestrierung, fokussieren auf eine Verbesserung der ‚absorptive
capacity‘ des Teams (vgl. Kor/Marko 2013, S. 237 ff.).
206 Erich Zahn

Aus den kognitiven Fähigkeiten lassen sich empirisch überprüfbare Hypo-


thesen zu Performancewirkungen ableiten. So kann vermutet werden, dass
Unternehmen, die ein Top-Management-Team mit überlegenen Fähigkeiten
zum Wahrnehmen und Ergreifen von neuen Geschäftschancen haben, eher
‚first mover‘ Vorteile erreichen werden. Ein Top-Management-Team, dass
dazu noch hervorragende Fähigkeiten zum Schlussfolgern und Problemlösen
besitzt, wird wahrscheinlich bessere, d. h. nachhaltig erfolgreichere Ge-
schäftsmodelle entwickeln (Helfat/Peteraf 2015, S. 846 f.). Top-Manage-
ment-Teams mit einer größeren kognitiven Diversität stehen auch für eine
größere Varianz der Ergebnisse aus innovativen Anstrengungen (vgl. Taylor/
Greve 2006, S. 723 ff.). Diese interne Varietät befähigt das Unternehmen
zur Erzeugung einer ‚requisite variety‘ als Potenzial zur erfolgreichen Be-
antwortung externer Varietät. Empirische Evidenzen belegen, dass ‚TMT
shared leadership‘ Ambidextrie durch ein kooperatives Konfliktmanagement
fördert und Spannungen zwischen exploitativen und explorativen Innovati-
onsprozessen auflösen kann (vgl. Mihalache et al. 2014, S. 141):
Unternehmensführungen mit ausgeprägten ‚dynamic managerial capa-
bilities‘ bieten einen geeigneten Kontext, in dem sich ‚entrepreneurial orien-
tation‘ und ‚strategic learning‘ entfalten können. Während das Konstrukt
unternehmerische Orientierung das Ausmaß reflektiert, mit dem sich Unter-
nehmen nach ihrer Führungsphilosophie innovativ, proaktiv und risikofreu-
dig verhalten, betrifft strategisches Lernen die Fähigkeit, mit der aktuelles
‚Feedback-Wissen‘ über die Wirkungen strategischer Entscheidungen in der
Vergangenheit zu Strategieanpassungen in der Gegenwart verwendet wird
(vgl. Anderson et al. 2009, S. 218). Strategisches Lernen fördert die Verbes-
serung der Performancewirkungen bei explorativen wie bei exploitativen
Strategien (vgl. Siren et al. 2012, S. 1811). Anderson et al. (2009) finden in
einer empirischen Untersuchung mit Daten aus 110 Fertigungsunternehmen
einen positiven Zusammenhang zwischen unternehmerischer Orientierung
und strategischer Lernfähigkeit (vgl. ebenda, S. 230) und halten dazu fest
„while entrepreneurial firms may find to be better strategic learners, those firms that also
organize and develop policies and practices to better communicate, evaluate, and account
for strategic knowledge generated through EO (entrepreneurial orientation) will likely ex-
hibit heightened strategic capability“ (ebenda, S. 232).

Der Befund, dass sich unternehmerische Orientierung und strategisches


Lernen auszahlen (vgl. Anderson et al. 2009, S. 231 f.), weist damit aller-
Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution von Unternehmen und Umwelt 207

dings noch keinen leichten Weg zu nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit. Un-


ternehmerische Orientierung hat auch eine Kehrseite (Wiklund/Shepherd
2011, S. 925). Die Ergebnisse von Innovations-Aktivitäten sind schließlich
unsicher und mehrdeutig. Unternehmen, die Innovationserfolg anstreben,
müssen daher auch mit Fehlschlägen rechnen (Taylor/Greve 2006, S. 726).
Die Vision vom permanent erfolgreichen Innovator ist deshalb wohl auch
eine Illusion.
Patel et al. (2015, S. 1740) sehen im Konstrukt der ‚absorptive capacity‘ den
Ansatz, „that … can help manage the double-edged nature of variability in
innovation outcomes that result when EO enables the firm to create the req-
uisite variety to increase performance“. Dazu unterscheiden die Autoren
zwischen
í einer ‚potential absorptive capacity’ zur Akquisition und Assimilation von
externem Wissen, was durch Integration von externem und internem Wissen
neue Muster von Wissens-/Kompetenz-Kombinationen und damit mehr Ex-
perimente mit einer größeren Ergebnisvarietät erlaubt und
í einer ‚realized absorptive capacity‘, welche die Transformation und Exploi-
tation von Wissen betrifft und dazu die Selektions- und Retentionsroutinen
für ein effektives Management – im Sinne der Fokussierung auf potentiell
erfolgreichere Innovationschancen – der größeren Varietät bietet (Patel et al.
2015, S. 1745 f.).
Die Zusammensetzung des Top-Management-Teams hat vermutlich einen
Einfluss auf die ‚absorptive capacity‘ des Topmanagements und diese wie-
derum auf die Entwicklung von kognitiven Fähigkeiten und die Etablierung
von Denkarten, welche die Wahrnehmungs- und Responsefähigkeit im Un-
ternehmen fördern und es so für die Bewältigung eines breiteren Spektrums
von Herausforderungen wappnet (Koprax/Konlechner 2014, S. 27 f.).

IV. Ausblick
Die aus der Ressourcenperspektive hervorgegangene dynamische Fähigkei-
ten-Perspektive hat sich mit ihrem breiteren Theorien-Fundament als nützli-
che theoretische Perspektive zur Erforschung von Aspekten der Koevolution
des Unternehmens mit seiner Umwelt erwiesen. Mit dem Rückgriff auf die
Kognitionstheorie hat das Konzept der ‚dynamic managerial capabilities‘ die
208 Erich Zahn

Bedeutung der kognitiven Fähigkeiten des Topmanagements in den Untersu-


chungsfokus gerückt. Aus einer Zusammenarbeit von Strategieforschern und
Neurowissenschaftlern hat sich ergeben, dass die kognitiven Prozesse bei
der Exploitation mit ‚reward seeking‘ assoziiert sind, die bei der Exploration
dagegen mit ‚attention control‘ und dass diese Prozesse jeweils in unter-
schiedlichen Gehirnregionen aktiviert werden. Der Nutzen aus dieser Er-
kenntnis, die aus einer Untersuchung von Entscheidungsträgern mit Hilfe
der Methode ‚functional magnetic resonance imiging‘ (fMRI) resultiert,
wird in der Möglichkeit eines gezielten Entscheidungstrainings vermutet
(Laureiro-Martinez et al. 2015, S. 319 ff.).
Weiterer Forschungsbedarf ergibt sich nicht nur in diesem gerade erst identi-
fizierten Bereich, sondern auch in Kernbereichen des hier abgehandelten
Themas. Ein erster Aspekt betrifft den Zusammenhang zwischen technologi-
scher Kompetenz/Fähigkeit und exploitativen oder explorativen Innovatio-
nen. Je besser Unternehmen in der effizienten Anwendung ihrer akkumulier-
ten technologischen Kompetenzen/Fähigkeiten, also in der „Kompetenz zur
Innovation“ (Gerybadze 2004, S. 2) werden, desto eher neigen sie zur Fo-
kussierung auf Verbesserungslernen, wodurch exploitative Innovationen
gefördert werden (vgl. Benner/Tushman 2003, 338 f.). Andererseits nimmt
mit der Akkumulation technologischer Kompetenzen/Fähigkeiten auch die
‚absorptive capacity‘ zu, die das Unternehmen für wertvolles externes (neu-
es) Wissen sensibilisiert und dessen Assimilation und Anwendung in explo-
rativen Innovationen begünstigt (Lavie/Rosenkopf 2006, S. 797).
Zhou/Wu (2010, S. 558 f.) weisen darauf hin, dass Unternehmen mit einem
hohen Niveau technologischer Kompetenzen/Fähigkeiten Gefahr laufen, sich
auf einer bestehenden technologischen Trajektorie einzurichten und dadurch
die Exploration neuer Optionen aus den Augen zu verlieren. Sie empfehlen
solchen Unternehmen mehr strategische Flexibilität bei der Allokation ihrer
Ressourcen und der Koordination ihrer Aktivitäten (etwa durch flexible
Organisationsstrukturen, selbst-organisierte Teams, modulare Produkt-
Designs, flexible Fertigungsprozesse und die Pflege einer Kultur, die Wand-
lungsfähigkeit fördert).
Ein weiterer Aspekt ist die Dynamik der Fähigkeitenerosion. Hierzu haben
Rahmandad/Repenning (2016, S. 649 ff.) erst jüngst eine Modellstudie vor-
gelegt, in der sie eine Adaptionsfalle als Ursache für die Erosion von Fähig-
Strategische Unternehmensführung zur Ko-Evolution von Unternehmen und Umwelt 209

keiten ausmachen. Diese sowie die oben angesprochenen Modellstudien


demonstrieren die Eignung von Simulationsmodellen zur Generierung von
tieferen Einsichten in dynamisch komplexe Phänomene.
Noch weitgehend offene Fragen zur Kompetenz-/Fähigkeiten-Problematik
betreffen den Schutz vor der Erosion von Kompetenzen/Fähigkeiten (vgl. Le
Breton-Miller/Miller 2015, S. 2397 ff.) und Einflussgrößen auf den Wert
von Kompetenzen/Fähigkeiten, der aus der Sicht einer dynamischen Per-
spektive auf eine ‚business ecology‘ wahrscheinlich auch von den Kompe-
tenzen/Fähigkeiten der diversen Akteure und ihren Interaktionen abhängt.
Einsichten hierzu können aus Sicht der kooperativen Spieltheorie erwartet
werden.
Erst in Ansätzen beantwortet ist die Frage, ob Ambidextrie über einen länge-
ren Zeitraum überhaupt zweckmäßig ist oder ob es nicht sinnvoller ist, diese
mit einem ‚Hin-und-her-Pendeln‘ zu kombinieren. So ziehen Boumgarden et
al. (2012, S. 587 ff.) aus den Ergebnissen einer Untersuchung von zwei
Unternehmensfallstudien den Schluss, dass ‚vacillation‘ langfristig eine
höhere Performance bieten könnte als ‚ambidexterity‘ und dass sich beide
bezüglich der Performance ergänzen, allerdings durch unterschiedliche Me-
chanismen (ebenda S. 587). Dabei wird ‚vacillation‘ definiert als
„a dynamic approach to achieving high performance through simultaneously high levels of
exploration and exploitation … modulating a structural orientation focused on exploration
and a structural orientation focused on exploitation“

und ‚ambidexterity‘ verstanden als „the structural separation of exploration


and exploitation activities into distinct units“ (ebenda, S. 590 f.).
Noch mehr Langzeitstudien sind erforderlich, um diese Ergebnisse gegebe-
nenfalls zu bestätigen, und mehr theoretische wie auch model-gestützte
Forschung, um die Mechanismen des Wechselspiels und daraus resultieren-
de Performanceentwicklungen besser zu verstehen. Die dabei gewonnenen
Erkenntnisse können ebenso der Beantwortung der Frage dienen, ob und wie
Unternehmen erfolgreich an einem intensiven Innovationswettbewerb teil-
nehmen können, ohne dabei in eine desaströse Spirale zu geraten. Im Hyper-
Innovations-/Imitationswettbewerb laufen auch Innovationsführer Gefahr,
dass durch immer schnellere Imitations- und Innovationszyklen auch ihre
Kosten explodieren und dadurch nicht nur ihre Rückflüsse aus gegenwärti-
gen, sondern auch aus künftigen Vorteilen abschmelzen, was weitere Inves-
210 Erich Zahn

titionen in Innovationen erschwert. Tun sie es dennoch vernichten sie Wert,


was nicht rational ist. Zum gemeinsamen Vorteil von Führer und Folger
könnte eher eine regelmäßige Rotation in der industriellen Führerschaft
zweckmäßiger sein. Pacheco-de-Almeida (2010, S. 1517 f.) empfiehlt dem
(Innovations-) Führer deshalb ein vorsichtiges und differenziertes strategi-
sches Vorgehen – in Abhängigkeit von der Art seines Vorteils (market and
competitive value) und dem Typ des vorherrschenden Wettbewerbs (innova-
tiv versus imitativ). Ein effektiver Ansatz zumindest zur Abschwächung des
hier bestehenden Dilemmas könnte das Konstrukt der ‚intrinsic speed capab-
ility‘ (vgl. Pacheco-de-Almeida et al. 2015, S. 159 ff.) – die Fähigkeit, Pro-
jekte schneller zu realisieren als Wettbewerber und das zu denselben Kosten
und unter denselben Bedingungen – sein.

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C. Innovation und internationale Unternehmenstätigkeit
Innovating for Emerging Markets? An Assessment of
German Hidden Champions’ Strategies

Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

I. Introduction
“Western companies face the challenge that they need to develop products specifically
designed for a market [in the developing world] in which customer requirements are still
unknown and hard to define. At the same time, because the market is highly price
sensitive, the expected profit margin of the products is low compared with products in
western markets.” (Schanz, Hüsig, Dowling and Gerybadze 2011, p. 315)

The quote above, taken from a paper co-authored by Alexander Gerybadze,


highlights a difficult dilemma for western firms. For, growing strategic
importance of emerging markets requires western multinational companies
(MNCs) to reassess their product-portfolio strategy as well as the innovation
strategy. Increasing purchasing power is creating demand for
“sophisticated” solutions that simultaneously cater to specific local tastes
and needs (Contractor, 2013). However, as research has shown, “this is
hardly possible when western companies simply offer their standard
products” in these markets (Schanz et al. 2011, p. 308).
The reason is that customers in the Business-to-Business (B2B) as well as
the Business-to-Consumer (B2C) segments of emerging economies may
have very different expectations regarding product features and price owing
to the prevailing socio-economic as well as geographic conditions. As a
result, companies sometimes need a product “which costs 30% of the global
price and offers 95% of the performance” (see Tiwari/Herstatt 2014, p. 6).
This behaviour can be attributed to the role of aspirations. Especially young
consumers in such markets are often faced with limited purchasing power
and still desire to use/consume world-class products. Tiwari and Herstatt
(2014, p. 7) cite the R&D Head of a global carmaker operating in India with
the following words: “It’s about the aspirations of the youth in India. They
want everything; they know everything; but they are not prepared to pay
extra!”

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_12
220 Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

This anecdotal evidence suggests that customers in emerging economies are


increasingly looking for “low-cost, high-quality” products that meet the
buyer’s actual needs while reducing the associated total cost of ownership
(Prahalad/Mashelkar 2010; Bound/Thornton 2012; Herstatt/Tiwari 2015).
These products have been named in many ways. While some call them
“frugal innovation” (see, e.g., Tiwari et al. 2016), Mashelkar (2014) has
coined the term “affordable excellence”, and Gerybadze and his co-
researchers (Schanz et al. 2011) have spoken of “low cost-high tech”.
Nonetheless, the past few years have seen an increasing role of such
products in the emerging market countries. Companies offering frugal
products are seen to be wining a disproportionately large market share. The
reason is that frugal products enjoy an above-average share in the strong
growth of the middle market segment. They also have a good chance of
attracting some of the present or former customers of premium products
owing to their attractive value proposition.
A confirmation of this trend can be found increasingly in the business
headlines of respected newspapers in Germany and elsewhere. For example,
a recent report by Nadine Bös in the Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)
emphasized an increasing pressure for German companies to offer products
in emerging economies that are affordable and have an “appropriate” quality
in sync with the local infrastructure. Otherwise, the author warned, they
cannot compete with local firms (Bös 2015). Already in April 2013 the daily
newspaper “Die Welt” reported that German machines are often perceived
as being “simply too good to succeed” in the global market (Dierig 2013). A
little earlier, the same newspaper reported that Siemens had started a low-
cost campaign in Asia focusing on frugal medical devices. Walter
Märzendorfer, responsible for radio oncology and computer tomography
business at Siemens, was reported as seeing a continued demand for high-
technology products, but he specifically stressed the strategic importance of
frugal solutions, especially for Asian markets (Tauber, 2013). Examples of
some other such reports include Hohensee (2012), Prellberg (2013) and
Rybak (2013).
Even though “the desire to get more with fewer resources is an evergreen of
management research and practice” (Gemünden 2015, p. 4), the discussion
above demonstrates the need for enhanced local responsiveness in the face
of growing and unsaturated markets of the developing world, where the
Innovating for Emerging Markets? 221

traditional approaches of international product life cycle (Vernon 1966), i.e.


selling commoditized or stripped-down products, are no more functioning
(Prahalad/Lieberthal 1998; Schanz et al. 2011; Tiwari/Herstatt 2014). Apart
from economic factors, the growing technological capabilities of local
MNCs subsidiaries in host economies, too, play a key role in this
development, according to Gerybadze and Merck (2014), who posit that
creative and inventive activities are being shifted to innovation and research
centres abroad and “highly educated researchers in emerging countries tend
to play a stronger role in invention and patenting activities” (Gerybadze/
Merck 2014, p. 149). This insight corroborates the emergence of lead
markets in the voluminous markets in the developing world in conjunction
with technological capabilities (Herstatt et al. 2008; Tiwari, 2013; Jänicke,
2014; Quitzow et al. 2014).
This dynamic landscape raises the question to what extent a global
innovation strategy is needed to coordinate the market interfaces and to link
diverse consumer expectations in new markets with the product portfolio of
a company (see, e.g., Gerybadze, 1997). Even though this question is
relevant for all MNCs independent of size and industry, its significance for
mid-sized companies in an export-driven economy like Germany can be
hardly overstated. This is especially so since mid-sized companies in
Germany (“Mittelstand”) account for the bulk of employment generation
and constitute the backbone of German economy (cf. Buse et al. 2010). A
special role amongst the German Mittelstand can be attributed to firms
known as “Hidden Champions”. According to Simon (2009), Hidden
Champions are usually medium-sized companies that have been
exceptionally successful in their business and fulfil three characteristics:
1. The firm should belong to the top-3 in the world market or be number 1
on its home continent,
2. The company’s annual turnover should usually not exceed € 5 billion,
3. The firm is rather unknown to the public in terms of visibility.
These unknown world market leaders are often active in the B2B area so
that their products are frequently unfamiliar to the end-consumer.
Nevertheless, many final products would be almost unimaginable without
the high-quality and innovative solutions offered by Hidden Champions. The
222 Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

number of Hidden Champions worldwide is estimated at 2,734, of which


48% are located in Germany (Simon 2012), underscoring their special role
for Germany’s economy. Despite their importance for the national economy,
so far there has been little research of global innovation strategies of Hidden
Champions, especially in relation to emerging markets. The authors’
interaction with a host of Hidden Champions in Germany and their ventures
in emerging markets like China and India confirms this research gap.
Hidden Champions are often reported to be losing market shares in the fast
growing markets due to their often-exclusive focus on premium products
and concentration of research and development (R&D) in the home country.

II. Research Objective


Aim of this study is to analyse product-related innovation strategies of
German Hidden Champions in the BRIC countries to take stock of the
status-quo and to learn about their mid-term strategies. A primary question
for this investigation is to see whether the Hidden Champions actually
attempt to create “dedicated” innovations for promising markets in the
developing world or if they rather try to find markets for their standard,
global products. Especially China and India, the two most populous nations
of the world and both home to fast growing and largely unsaturated markets,
stand in the focus of the study. We investigate three research questions:
í What is the strategic relevance of the BRIC markets for German Hidden
Champions today and how is it expected to develop in the next 5 years?
í What are the market-segments that German Hidden Champions seek to serve
in China and India?
í What innovation strategies are pursued by these firms in China and India in
terms of product development and R&D locations?
For the purpose of this study we define market segments in terms of the
price/performance ratio and build three categories:
1. Premium Segment: The premium segment can be broadly understood as
the high-end category targeted at affluent, financially-strong customers,
where the best possible quality, high reliability and a broad range of
features are demanded; state-of-the-art or even futuristic technology is
Innovating for Emerging Markets? 223

integrated; and the products command a significant price premium


especially in comparison to entry-level, standard products.
2. Medium Price-Performance Segment: This segment is characterized by
relatively good quality of products whose performance and reliability
usually well exceed the prevalent regulatory norms while complying with
all relevant safety standards. The products may be based on ripe
technologies resulting in lower unit costs for R&D. Furthermore, the
deliberate renunciation of the best possible quality combined with the
reduction in the number of features leads to a significant lowering of the
product price, making it attractive for a larger group of customers.
3. Low Price-Performance Segment: This market segment still constitutes
the largest group of (potential) customers in the developing world who
tend to face severe resource constraints and are extremely price sensitive,
willing to make compromises in terms of product performance and
reliability. Products offered in this segment are generally characterized
by their bare compliance of the safety & regulatory norms and in some
cases even lack thereof. Often they rely on ripe, simple and/or partially
outdated technologies. They usually offer only basic functionality
leading to price-based competition in the market. Such products, more
often than not, have a short life-span owing to compromises made in
terms of input factors.
As a next step we define 3 product development strategies for the target
markets in question.
1. Global Products: These are standardised products with largely identical
features and are sold globally without any significant local market
adaptation (e.g. most electronic consumer devices).
2. Adapted products: These are products in a firm’s portfolio which were
originally developed for some particular target market(s), often the
primary market(s) of the firm. They are subsequently modified or
adapted to meet the local demand conditions of some other sales
region/market possibly with the intention of exploiting economies of
scale and scope by varying the product features and performance criteria
as suited for the individual markets while retaining the core
functionality. For instance, an adapted product can have additional,
224 Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

modified or reduced functions and/or it may be composed of different


materials.
3. Exclusive Products: These products are exclusively developed for a
specific sales region/market to cater to the differing needs and
preferences of a strategically important market.
The survey questions include the perceived current and mid-term strategic
importance of the BRIC countries as well as the targeted market segments
there. We also enquire about the locations at which significant value
creation activity (R&D and production) takes place for the product
categories discussed above. The respondents are asked whether this happens
primarily at company headquarters in Germany or also abroad, particularly
in the BRIC target markets. This helps to identify patterns of division of
labour, if any, both between the company’s international branches and with
external partners at home and abroad.

III. Research Design


We conducted a survey of Hidden Champions with the help of a
questionnaire that was developed with the open source online survey
application Lime Survey. The data was collected in late 2013 and the first
half of 2014. The respondents were mainly R&D directors and heads of
(international) sales & marketing divisions. In most cases, the participating
persons were pre-contacted by telephone or email, followed by the provision
of the e-questionnaire. The list of companies to be surveyed has been
derived from the two latest books of Hidden Champions-researcher
Hermann Simon (2009, 2012).

IV. Findings
A total of 53 valid responses from the targeted group of German Hidden
Champions have been received. The respondents came from branches as
diverse as electrical engineering, pharmaceuticals, medical devices,
automotive components, construction, and mechanical and plant
engineering. Companies from the mechanical & plant engineering sector
make up the largest group of survey participants (nearly 50%). On average,
Innovating for Emerging Markets? 225

responding firms had a 90-year company tradition and employed 2,250 staff
worldwide, while almost all generated a turnover of €1 billion or more. Most
companies maintained production and R&D facilities in Germany as well as
overseas, as can be seen in Table 1.

Table 1: Worldwide distribution of value chain activities of participant


firms

Basic/Applied Product Development/


Country/Region Production
Research Adaption

Germany 50 50 51

Western Europe
12 20 28
(without Germany)
Eastern Europe
0 10 19
(without Russia)

North America 14 27 33

South America
3 5 18
(without Brazil)

Japan 2 7 10

Brazil 4 7 19

Russia 1 1 10

India 2 8 15

China 4 15 32

Rest Asia 4 7 12

V. Surveyed Firms’ Activities in the BRIC Countries


An overwhelming number of the responding firms (87%) was already active
in the BRIC countries selling their products, with Russia and China being
the top most host-nations. The firms had on average long experience in the
226 Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

BRIC countries. Close to 62% of the respondents had been active in at least
one BRIC country for more than 10 years; in 24% cases it was between 5
and 10 years. China and Russia were again countries with the largest share
of companies with 10+ years of engagement, with a share of 69% and 64%
respectively.
Already today, the BRIC countries are perceived as strategically important
or even very important by two-thirds of the respondents. This share
increases to 88%, when the respondents are asked about the strategic
importance of the BRIC markets for their firm in the coming five years (see
Figure 1).

Figure 1: Strategic relevance of BRIC

Amongst the individual BRIC countries, China plays a clearly leading role
with 87% considering it currently either a very important (62%) or
important (25%) market. Brazil and Russia both score around 65% (market
is important or very important), while India lags behind in their assessment.
Only 47% rate the Indian subcontinent at present as a strategically very
Innovating for Emerging Markets? 227

important or important market. The relative moderate importance of the


Indian market at present could be explained in part by its currently low share
in the company turnover. Participants estimated it as only 3.1% of their
global turnover on average, compared with an average of 11.5% for China
(see Table 2). Some firms stated to generate as much as 50% of their annual
turnover in one BRIC country.

Table 2: Level of the respondents’ engagement in the BRIC nations

Country Average Share in Turnover Number of Associates

Brazil 4.8% 30

Russia 6.5% 25

India 3.1% 36

China 11.5% 160

As expected, the strategic relevance of the BRIC countries will increase


further in future. The significance of China in five years’ time is rated as
very important by 74% of all companies responding (97% when the
important rating is also included). The significance of the other countries
could also increase greatly. This is especially true of the Indian market,
whose future strategic relevance is rated as very important by 44% of the
survey respondents and as important by a further 45%. Participating Hidden
Champions estimated the Indian market to be strategically more important
than the Russian (81% cumulative) or Brazilian (74% cumulative) markets.
This evaluation by respondents also justifies the selection of China and India
for the in-depth study of the targeted market segments and product
development.

VI. Targeted Market Segments in China and India


Forty-eight of the 53 responding firms were offering products in China, and
45 in India. The firms were primarily engaged in the premium segments of
228 Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

the two countries followed by the medium price-performance segment (see


Figure 2). The low price-performance sector did not see any major presence
of the firms participating in the survey. Only few companies had no
products on offer in the respective markets.

Figure 2: Targeted market segments in China and India; (n=53)

An interesting finding was that 16 firms in China and 19 in India offered


products exclusively in the premium segment. While 6 firms in each country
only had medium price-performance products on offer, there was one firm
that stated to be solely offering products in the low price-performance
segment in India. On the other hand, 20 firms in China and 13 in India
offered products in both premium and medium price-performance segments.
Only 3 firms in both markets offered products in the whole range across all
the three segments. Three firms in India and two in China were engaged
only in the medium and low price-performance segments. Remarkably, one
company stated to offer products for the premium and low price-
performance segments in China, ignoring the medium price-performance
segment.
Innovating for Emerging Markets? 229

Most of the products which are available in these two markets are
manufactured in cooperation between the German headquarters and local
production sites in China or India. Furthermore, the results indicate that
most Hidden Champions concentrate the production of their premium
products at their home-base. Products belonging to the medium price-
performance segment are mostly manufactured in cooperation between the
headquarters and the host country for goods offered in China, whereas such
products when sold in India witness a greater share of overseas production.
In the low price-performance segment, the firms mostly manufacture
exclusively in China while catering to the local market. For serving India’s
low price-performance segment the respondent firms stated to usually
choose a cooperative production strategy between the headquarters and the
local subsidiary.

VII. Product development strategies in China and India


Survey participants were asked what products (global, adapted or exclusive)
they were offering in the Chinese and Indian markets in the three market
segments described earlier. Seen across all market segments global products
dominated the product portfolio of the surveyed firms, followed by products
adapted for these markets. The share of products developed exclusively for
the respective local market was relatively low, see Figur 3.

Figure 3: Product development strategies across market segments


230 Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

VIII. Composition of company product portfolios in China


Differentiated across market segments, perhaps not surprisingly, it was the
premium segment in China that was dominated by global products.
Increasing pressure for price reduction tended to increase the level of local
adaptation in China. Lower price-performance requirements caused many
companies to develop products exclusively for the Chinese market, see
Figure 4.

Figure 4: Composition of company product portfolios in China

IX. Composition of company product portfolios in India


Similar to the company portfolios in China, also the Indian market was
supplied predominantly by global products, however, on an even stronger
scale, see Figure 5. The surveyed Hidden Champions relied heavily on their
global and adapted products to serve the Indian market, which together
accounted for somewhere between 67% and 90% of all products across the
three market segments.
Innovating for Emerging Markets? 231

Figure 5: Composition of company product portfolios in India

This substantial reliance on global products might be explained by India’s


still low share in firm’s global revenues (3.1%), limiting firms’ motivation
for developing/adapting products specific to market needs in India. An
interesting question here however is whether India’s low share in company
turnover is not caused by a lack of products that better suit the market
specific needs and preferences as discussed earlier (cf. Tiwari/Herstatt,
2014).

X. Role of China and India in Product Development


The survey revealed that the headquarters played an overwhelming role in
the product development for all segments of the two markets surveyed here.
Especially in the premium segment the headquarters was solely responsible
for product development in 75% of the cases in China and in 80% of the
cases in India. In another 17.5% cases (China) and 11.4% cases (India) it
was involved in co-development of products. With increasing price
sensitivity and decreasing demand for prime quality the involvement of local
subsidiaries tended to increase, see Table 3. Moreover, with increasing
232 Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

product adaption to local market requirements (e.g. exclusive products),


cooperative development of the home and host country or sole development
at an own R&D-location in the host country seem to be the most feasible
innovation strategy for Hidden Champions.

Table 3: Responsibility of product development for the respective


local markets in China and India

Product Developer Premium Segment Medium price-performance Segment Low price-performance Segment
China India China India China India

Headquarters (HQ) 75% 80% 38.7% 62.4% 16.7% 14.3%


in Germany

HQ + Local 17.5% 11.4% 38.7% 18.8% 50% 57.1%


subsidiary

Local subsidiary 0% 0% 3.2% 0% 33.3% 14.3%

Other countries 7.5% 8.6% 19.4% 18.8% 0% 14.3%

Table 3 also shows a greater role of the Chinese subsidiaries in product


development and adaptation, especially in the medium and low price-
performance segments, in comparison to India. A possible explanation for
this might lie in the longer presence of the surveyed companies in China.
While close to two-thirds of all surveyed firms active in China had been
operational there for more than 10 years, this was true for only half of such
firms in India. Probably as a result of this longer presence China had double
the number of R&D and production units of the surveyed firms see Table 1.
It is a well-established fact that product development capabilities tend to
follow production (Gerybadze/Reger, 1999).
The study revealed that most participating Hidden Champions maintain
basic and applied research as well as important parts of product
development at headquarters in Germany. Still, there is a high concentration
of R&D capabilities in North America and Western Europe with substantial
and growing facilities in the emerging markets, especially the BRIC nations.
Primary production bases for the surveyed companies are found in Germany,
North America, China and Western Europe. Also in terms of production
Innovating for Emerging Markets? 233

facilities, emerging market nations, including those in Eastern Europe, are


gaining importance. The survey also discovered that Hidden Champions
operate on a global scale. Especially the BRIC markets are of strategic
importance for these companies. Close to 90% of the responding firms
market their products in those countries.

XI. Discussion & Managerial Implications


The survey results above make clear that a significant number of German
Hidden Champions have already recognised the (growing) strategic
importance of the BRIC nations, especially China and India, both for sales
and also for other important value chain activities such as production; but
lesser so for R&D. In keeping with their traditional product and marketing
strategies, the majority of the companies surveyed focused essentially on the
premium market segment. They still seem to have an undisputed competitive
edge over competitors in this segment. However, as is well known, the
demand for products in the medium price-performance segment has been
growing disproportionately strongly in markets such as China and India
(Schanz et al. 2011; Bound/Thornton 2012; Govindarajan /Trimble 2012;
Tiwari/Herstatt 2014). This can be explained by various factors. Many
customers in such markets are either unable or unwilling to (continue to) pay
for high-priced industrial goods manufactured by Hidden Champions
(Tiwari/Herstatt 2013). This is further aggravated by the much less prevalent
brand loyalty in comparison to customers in established western markets
(Dierig 2013).
As a consequence, customers in the emerging economies are increasingly
opting for products whose range of offered features meet the purchaser’s
actual needs while ensuring an attractive price-performance proposition
culminating in substantial reduction in the total cost of ownership
(“affordable excellence”). Companies offering frugal products (also known
as “good enough” products) can win large market shares as long as they
understand that frugal innovations, even though targeted at price-sensitive
customers, clearly differentiate from products at the low price-performance
segment. Frugal products do not make compromises on the quality,
reliability and safety standards in order to lower the price point. A recent
study shows that frugal innovations should not be seen as “simplistic” or
234 Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

less-demanding solutions (Tiwari et al. 2016). The simplicity of frugal


innovations is “the result of logic and empathy”, and challenging to achieve
(see, Hanna 2012, p. 352). Therefore, companies intending to innovate for
emerging economies should, apart from making use of in-house R&D, also
employ product analogies and actively participate in Open Global
Innovation Networks (OGINs) to achieve cost reductions (Schanz et al.
2011; Tiwari/Herstatt 2014).
Research by Alexander Gerybadze (2006, p. 314) has shown that “MNCs
need to adapt their location strategies and the way they manage and organize
the innovation process.” German Hidden Champions would be probably well
advised not to exclusively focus on R&D-driven product innovations, based
on high-tech, for securing their long-term competitiveness.
What does this mean for German Hidden Champions which have been the
object of investigation in this paper? We can observe that many companies,
for a variety of reasons, continue to focus singularly on the profit-rich
premium segment and ignore other market segments that may have thin
profit margins but are endowed with large volumes that can offset the price
“disadvantage”. Not only in our opinion, such firms run considerable risk of
forfeiting their competitiveness to established or new competitors, often
from emerging markets (Contractor 2013), who seek to achieve above-
average economies of scale with an appropriate product and innovation
strategy befitting the market requirements; since this allows them to
participate in the enormously growing market segments in the key emerging
economies. The competitors can use their thus generated profits to
consolidate their competitiveness by upgrading to new and better
(production) technologies, intensifying R&D efforts, reaching out to new
markets to enhance economies of scale and achieve a more favourable cost
structure and upgrade their product range to reach out to other market
segments.
It may be interesting to quote the technology head of an Indian producer of
generic drugs. Talking to these authors he stated: “Germans are innovative
but they also need to understand the market requirements and cater to
multiple segments through a multi-tier product approach and only this will
enable them to re-establish the market they have lost to the competitors from
the East”.
Innovating for Emerging Markets? 235

However, it seems that at least some of the German Hidden Champions have
recognized this trend. To give an example, Germany’s CLAAS Group, one
of the world’s leading manufacturers of harvesting machines has developed
a special combine harvester for India that has catapulted CLAAS to a
leading position in the local market. This product can be categorized as a
frugal innovation as discussed above. According to CLAAS, “The pressure
on prices on the Indian market is immense. That’s something developers
have come to realize when designing such things as an operator’s cab.
Although this feature has long since been standard in European models, the
price makes it impossible to sell it in India. Developing this component at a
minimal price, in such a manner that it still offers comfort under challenging
climatic conditions, turned into a never-ending puzzle, even for engineers
accustomed to working on high-tech projects. ‘Every step in design also has
to answer the question: Is the customer willing to pay for it?’ says Malik
[president and managing director of CLAAS India]. ‘The German standard
of quality from CLASS is also valid in India. On this point, we are thinking
and acting in the same direction.’” (Böttcher 2012, p. 6). The authors’ long-
term interaction with a host of Hidden Champions corroborates such
anecdotal evidence.
We may conclude that successful global marketing and sales activities
require a well-considered product-portfolio strategy and therefore also a
well-considered innovation strategy going beyond purely technology-driven
approaches that build on global products. Companies have to understand
potentially diverging consumer needs and preferences in different countries.
Especially the Hidden Champions need to better comprehend the dynamics
and challenges of fast growing sales markets in the key emerging
economies. This is of key importance in securing the long-term
competitiveness of German Hidden Champions as well as of Germany as a
nation. To summarize it in words of Alexander Gerybadze (2006, p. 313):
“National strengths need to be built not just on R&D, but on a complex system of
downstream innovation activities, including engineering, lead market capabilities and
advanced services.”
236 Cornelius Herstatt, Rajnish Tiwari and Stephan Buse

Note

An earlier version of this paper was presented at the XXV ISPIM


Conference – Innovation for Sustainable Economy & Society, Dublin,
Ireland on 8-11 June 2014 under the title “Global Innovation Strategies of
German Hidden Champions in Key Emerging Markets”.

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Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und
sektorübergreifende Partnerschaften

Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

I. Bedeutung von Nachhaltigkeitsinnovationen für die deutsche


Wirtschaft
In den letzten Jahren haben deutsche Unternehmen zahlreiche bedeutende
Entwicklungen in den Bereichen Energietechnik, erneuerbare Energien,
Sanitärtechnik und Wasseraufbereitung, Medizintechnik, etc. hervorge-
bracht, die zur nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Gemessen an
Patentanmeldungen kommt deutschen Unternehmen weltweit eine Vorreiter-
rolle auf dem Weg zu einer Green Economy zu. Trotz vieler technologischer
Entwicklungen und staatlicher Unterstützung gelingt es oft aber nicht, neue
Technologien in Markterfolge umzusetzen. Viele interessante Ansätze
kommen nicht über das Versuchsstadium hinaus oder gewinnen nicht die
Akzeptanz der Verbraucher, obwohl diese vielfach eine ausgeprägte ökolo-
gische Orientierung aufweisen.
Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung im Bereich der Elektromobilität (vgl.
Holtbrügge/Dögl 2012). Die Bundesregierung hat im Jahre 2009 einen Nati-
onalen Entwicklungsplan erstellt, dessen Ziel es ist, Deutschland zum Leit-
markt für Elektromobilität zu machen. Bis zum Jahre 2020 sollen danach
eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren (vgl. Bundesre-
gierung 2008). Trotz zahlreicher Anreize ist bislang jedoch noch kein nen-
nenswerter Anstieg des Marktanteils zu verzeichnen. Der Bestand von Elekt-
roautos stieg zwischen 2009 und 2015 lediglich von 1.452 auf 18.948 Fahr-
zeuge an. Bei einem Gesamtbestand von 44,4 Millionen registrierten Fahr-
zeugen liegt der Marktanteil damit bei unter 0,5 Prozent (vgl. Kraftfahrt-
Bundesamt 2016).
Als Folge der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima hat die Bun-
desregierung im Jahre 2011 den stufenweisen Ausstieg aus der Atomenergie
bis 2022 und die Förderung regenerativer Energien beschlossen. Bis zum
Jahre 2020 sollten die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent reduziert
werden. Im März 2013 teilte das Bundesumweltministerium mit, dass
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017
W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_13
240 Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

Deutschland diese Klimaschutzziele bis 2020 voraussichtlich verfehlen und


lediglich eine Reduktion zwischen 33 und 35 Prozent erreichen wird (vgl.
Altmaier 2013). Aufgrund sinkender Öl- und Gaspreise sind regenerative
Energien derzeit unter zusätzlichem Kostendruck. Zudem entwickelte sind
eine kontroverse Diskussion darüber, wie die Kosten der Energiewende
sozial gerecht verteilt werden können.
Obwohl deutsche Unternehmen im Bereich der Solarenergie weltweit zu den
Technologieführern zählen, befinden sich viele davon in akuten wirtschaftli-
chen Schwierigkeiten oder mussten sogar bereits Insolvenz anmelden. So
stellte etwa der fränkische Solar-Projektentwickler Solar Millenium kurz vor
Weihnachten 2011 Antrag auf Insolvenz. Rund 235 Arbeitsplätze waren
davon betroffen. Der Solarzellenhersteller Sovello aus dem Solar Valley in
Bitterfeld-Wolfen meldete im Mai 2012 Insolvenz an. Vier Monate später
wurde der Betrieb eingestellt und allen 1.250 Mitarbeitern gekündigt. Das
ebenfalls in Bitterfeld-Wolfen ansässige Unternehmen Q-Cells, das mit
einem Wirkungsgrad von 18.8 Prozent die weltweit leistungsstärksten se-
riengefertigten Solarzellen produzierte, stellte im April 2012 nach einem
Vorjahrsverlust von 846 Mio. € einen Insolvenzantrag. Im August 2012
wurde Q-Cells durch den koreanischen Mischkonzern Hanwha übernommen
(vgl. o.V. 2013b).

II. Hindernisse auf dem Weg von der Invention zur Innovation
Für die Schwierigkeiten, technologisch anspruchsvolle Nachhaltigkeitskon-
zepte in marktfähige Produkte und betriebswirtschaftlich erfolgreiche Ge-
schäftsmodelle umzusetzen, sind sowohl technische und ökonomische als
auch soziokulturelle Ursachen verantwortlich:
Entwicklungen im Bereich der Green Economy sind häufig noch zu teuer.
Viele Produkte werden noch in relativ geringer Stückzahl gefertigt, so dass
potenzielle Erfahrungskurveneffekte und Größendegressionsvorteile nicht
ausgeschöpft werden können. So kostete 2012 etwa die Erzeugung einer
KWh durch leistungsstarke Lithium-Batterien für Elektroautos 689 US-$
und damit mehr als vier Mal so viel wie durch konventionelle Verbren-
nungsmotoren (vgl. o.V. 2012).
Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und sektorübergreifende Partnerschaften 241

Inventionen im Bereich der Green Economy sind oftmals noch zu kompli-


ziert, reparaturanfällig und sensibel gegenüber Umwelteinflüssen. So verzö-
gerte sich etwa die Inbetriebnahme mehrerer Offshore-Umspannungswerke
in der Nordsee durch Siemens aufgrund technischer Probleme, fehlender
Industriestandards und mangelnder Erfahrungen um mehr als zwei Jahre
(vgl. Uken 2012). Auch die Verbreitung von Elektroautos wird durch unter-
schiedliche Ladesysteme und Steckertypen erschwert (vgl. o.V. 2015a).
Die Präferenzen potenzieller Konsumenten von Produkten und Dienstleis-
tungen im Bereich der Green Economy werden häufig nicht ausreichend
berücksichtigt. Im Vordergrund stehen zumeist technologische Inventionen
und weniger die Anforderungen von Anwendern. So wird etwa die Entwick-
lung der Elektromobilität derzeit neben technischen Herausforderungen vor
allem durch die ungeklärte Wertschöpfungsverteilung zwischen den beteilig-
ten Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen verzögert. Insbesondere
Automobilhersteller haben nur ein geringes Interesse an einem schnellen
Wachstum dieses Marktes, da sich die Wertschöpfungsprozesse und Ge-
winnpotenziale zu Batterieherstellern und Energielieferanten verschieben
könnten (vgl. Buller/Hanselka 2013; Kampker et al. 2013). Potenzielle Nut-
zer sind wiederum über die Reichweite, Lademöglichkeiten und Lebensdau-
er von Elektroautos verunsichert (vgl. Peters/Hoffmann 2011).
Der Export von Produkten und Dienstleistungen im Bereich der Green Eco-
nomy wird vor allem in einkommensschwachen Base of the Pyramid-
Märkten (BoP) in Entwicklungs- und Schwellenländern durch lokale Umset-
zungsprobleme erschwert (vgl. Schuster/Holtbrügge 2012). Oft mangelt es
an Anwendungswissen potentieller Kunden, wie komplexe Inventionen zu
bedienen sind (fehlendes Humankapital). So müssen z. B. zunächst Ärzte
und Klinikpersonal geschult werden, um den Nutzen moderner medizintech-
nischer Geräte zu erkennen. Darüber hinaus ist das Vertrauen in Geschäfts-
modelle nur gering, in die wichtige lokale (Non-Profit)-Partner nicht ausrei-
chend eingebunden sind (fehlendes Sozialkapital) (vgl. Zeyen et al. 2013).
Dies gilt vor allem für Länder, in denen große Skepsis gegenüber Regierun-
gen und For-Profit-Unternehmen besteht. Zudem fehlt häufig der Zugang zu
(Mikro-)Krediten, um z. B. Solaranlagen für ärmere Konsumenten zu finan-
zieren (fehlendes Finanzkapital). Auch den sozialen Folgen ökologischer
Innovationen (wie veränderte Machtverhältnisse und Geschlechterrollen
durch Bildung oder reduzierte bzw. neu entstehende Abhängigkeitsverhält-
242 Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

nisse) sowie spiegelbildlich den ökologischen Folgen sozialer und ökonomi-


scher Innovationen (z. B. veränderte Konsummuster durch die Verfügbarkeit
von Mikrokrediten) wird oft nicht genügend Beachtung geschenkt.
Nicht zuletzt stehen deutsche Unternehmen häufig in Konkurrenz zu Unter-
nehmen aus Emerging Markets wie China und Indien, in denen günstigere
Produktionsbedingungen (z. B. niedrigere Arbeitskosten, Skalierungspoten-
zial) bestehen (vgl. Tiwari/Herstatt 2012). Innovationen im Bereich der
Green Economy werden hier zudem häufig staatlich gefördert. So liegen die
Preise für Solarpaneele chinesischer Unternehmen in Europa nach Berech-
nung der EU-Kommission um 90 Prozent unter denen in China und um 15
bis 30 Prozent unter dem Niveau in Europa. Die EU-Kommission hat des-
halb im Juni 2013 Anti-Dumping Zölle für chinesische Solarpaneele be-
schlossen (vgl. Schultz 2013).

III. Potenziale länder- und sektorübergreifender Partnerschaften mit


Unternehmungen und Organisationen in Emerging Markets
Unternehmen und Organisationen aus Emerging Markets sind jedoch nicht
nur Konkurrenten von deutschen Unternehmen im Bereich der Green Eco-
nomy und in BoP-Märkten, sondern werden zunehmend zu Partnern bei der
Entwicklung und Vermarktung sozialökologischer Innovationen im Rahmen
von offenen globalen Innovationsnetzwerken. Die grundlegende Idee dieser
länder- und sektorübergreifenden Kooperationen besteht in der Kombination
der spezifischen Ressourcenvorteile von Unternehmen aus Deutschland und
anderen westlichen Industrieländern wie Kapital, Technologien und Ma-
nagement-Know-how mit den Vorteilen lokaler For-Profit und Non-Profit
Akteure aus Emerging Markets. Zu diesen Vorteilen zählen neben Skalie-
rungsmöglichkeiten und häufig vorhandener staatlicher Förderung vor allem
die Fähigkeit zur Generierung bedarfsgerechter Innovationen sowie die Nä-
he zu häufig sehr großen lokalen Märkten. Hierfür gibt es zahlreiche Bei-
spiele.
Daimler und der chinesische Automobilproduzent BYD gründeten 2010 das
Gemeinschaftsunternehmen Shenzhen BYD Daimler New Technology zur
Entwicklung von Elektroautos unter der Marke Denza. Beide Partner sind zu
jeweils 50 Prozent an dem Joint Venture beteiligt und haben zusammen rund
Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und sektorübergreifende Partnerschaften 243

71 Millionen € investiert. Während Daimler vor allem das Know-how bei


der Fahrzeugarchitektur sowie der Integration der Powertrain-Komponenten
beisteuert, liefert BYD die Expertise bei der Batterietechnologie und bei
elektrischen Antrieben (vgl. Krust 2013, URL siehe Literaturverzeichnis).
Der Preis des Denza, der 2014 in Serienproduktion ging, liegt zwischen
369.000 und 399.000 Yuan (ca. 51.000-55.000 €). Käufer des Elektroautos
können eine staatliche Förderung und Steuerreduktion von 98.000 Yuan (ca.
13.500 €) erhalten (vgl. Pugliese 2014).
BYD ist darüber hinaus eine Kooperation mit dem deutschen Photovoltaik-
Unternehmen Fenecon eingegangen. Diese diente zunächst dazu, dreiphasige
Speichersysteme für Solarenergie zu entwickeln. 2013 wurde die Entwick-
lungspartnerschaft intensiviert und auf den Vertrieb von Stromspeichersys-
temen an Installateure und Photovoltaik-Unternehmen in Deutschland aus-
gedehnt (vgl. o.V. 2013a).
Der indische Hersteller von Windkraftanlagen Suzlon hat 2007 das Hambur-
ger Unternehmen REpower erworben, um Zugang zu den für die Produktion
und Vermarktung großer Windkraftanlagen erforderlichen Technologien zu
erlangen. Zudem sollte durch die Kombination moderner Technologien und
niedriger Produktionskosten die Wettbewerbsfähigkeit beider Unternehmen
in Industrie- und Schwellenländern erhöht werden. Aufgrund finanzieller
Schwierigkeiten von Suzlon und interkulturellen Managementproblemen
(z. B. Kündigung von Schlüsselmitarbeitern) konnten die mit der Kooperati-
on angestrebten Ziele aber nur zu einem geringen Teil realisiert werden.
Aufgrund massiver finanzieller Probleme bei der indischen Muttergesell-
schaft hat Suzlon das inzwischen in Senvion umbenannte Unternehmen im
Januar 2015 an die US-Fondsgesellschaft Centerbridge verkauft (vgl. o.V.
2015b).
Das niedersächsische Unternehmen EnviTec Biogas kooperiert mit der rus-
sischen LLC AltEnergo bei der Entwicklung von Biogasanlagen in Russ-
land. Während EnviTec Biogas das technologische Know-how bereitstellt,
bringt LLC AltEnergo vor allem seine Expertise als regionaler Projektent-
wickler in die Kooperation ein. Unterstützt wird diese durch die regierungs-
nahe Organisation Razvitie Corporation JSC, die ein positives Investitions-
klima in der Region schaffen soll und alle vorbereitenden Maßnahmen zu
dem trilateralen Vertrag begleitete (vgl. EnviTec 2012; GIZ 2013).
244 Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS


kooperiert mit dem amerikanisch-indischen Unternehmen Mayur REnergy
Solutions bei der Entwicklung effizienter und umweltfreundlicher Brenn-
stoffzellensysteme zu ortsüblichen Preisen, mit denen die angespannte
Stromsituation in Indien und anderen Entwicklungsländern nachhaltig gelöst
werden soll. Die vom Fraunhofer IKTS entwickelte SOFC-Technologie
ermöglicht Systeme mit sehr hohen Wirkungsgraden, die als reiner Strom-
generator oder als kombinierte Wärme-, Energie- und Kühlanwendung unter
der Nutzung von Kohlenwasserstoffen wie Pipeline-Erdgas oder Flüssiggas
eingesetzt werden können. Nach der Entwicklung der ersten Prototypen will
das Fraunhofer IKTS das Know-how an die Mayur REnergy Solutions trans-
ferieren, die anschließend die Vermarktung der Technologie übernehmen
soll (vgl. BMBF 2013).
Das deutsche Chemieunternehmen BASF kooperiert seit 2012 mit der bang-
ladeschischen Grameen Healthcare Trust bei der Produktion und Verbrei-
tung von langlebigen insektizid-präparierten Moskitonetzen. Konzipiert als
Social Business, bietet das Joint Venture BASF Grameen Ltd ein wirksames
und zugleich bezahlbares Mittel zur Malariaprävention für einkommens-
schwache Konsumenten an. Während BASF technisches Wissen in die Ko-
operation einbringt, schafft Grameen Zugang zum Markt für Arme. Dies
geschieht z.B. durch das weitverzweigte Grameen-Vertriebsnetz im ländli-
chen Raum (vgl. BASF 2012; Yunus Social Business 2013).
Ein Beispiel einer länder- und sektorübergreifenden Partnerschaft, bei der
vor allem der Aspekt der sozialen Inklusion im Vordergrund steht, ist das
Engagement des deutschen Endoskopie-Herstellers Karl Storz GmbH in
Indien. Das Unternehmen hat in Kooperation mit der GIZ sechs Endoskopie-
Trainingszentren in indischen Dörfern eingerichtet, in denen medizinisches
Personal darin ausgebildet wird, bestimmte gynäkologische Krankheitsbilder
zu diagnostizieren und zu therapieren. Dadurch soll Frauen, die sich bisher
keine Behandlung leisten können, eine bessere ärztliche Versorgung ermög-
licht werden (vgl. Laser 2008). Das Projekt zielt somit darauf ab, zunächst
das erforderliche Humankapital bei den behandelten Ärzten sowie Vertrauen
bei den Patientinnen (soziales Kapital) aufzubauen, um lokale Innovation zu
begünstigen und damit Absatzmöglichkeiten zu schaffen.
Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und sektorübergreifende Partnerschaften 245

Diese und viele weitere Beispiele zeigen, welche Potenziale länder- und
sektorübergreifende Partnerschaften besitzen, um sozial-ökologische Inno-
vationen hervorzubringen. Gleichzeitig werden aber auch die massiven Her-
ausforderungen deutlich, die mit derartigen Partnerschaften verbunden sind.
So sind die aus unterschiedlichen Ländern und privaten sowie öffentlichen
Sektoren stammenden Partner zumeist durch divergente Zielsetzungen, Res-
sourcen und institutionelle Logiken gekennzeichnet (vgl. Selsky/Parker
2005). Dies erschwert sowohl die effiziente Kombination der eingebrachten
Ressourcen als auch die ökonomische und soziale Verwertung der ange-
strebten Innovationen. Ein weiteres Problem, mit dem vor allem Unterneh-
men aus Deutschland und anderen Industrieländern konfrontiert sind, ist die
Gefahr des ungewollten Know-how Abflusses, die durch den häufig unzu-
reichenden Schutz intellektueller Eigentumsrechte verursacht wird (vgl.
London/Hart 2004). Aufgrund der zumeist geringen internationalen Erfah-
rungen sind auch die interkulturellen Managementprobleme von länder- und
sektorübergreifenden Partnerschaften oft größer als bei traditionellen Unter-
nehmenskooperationen (vgl. Kolk et al. 2008). Nicht zuletzt ergibt sich für
Unternehmen die Notwendigkeit, nicht nur mit anderen Unternehmen, son-
dern auch mit NGOs, lokalen Entrepreneuren, Regierungsinstitutionen, etc.
zu kooperieren (vgl. Beckmann et al. 2014; Venn/Berg 2014). Diesen
kommt etwa eine wichtige Funktion beim Zugang zu lokalem Wissen, dem
Aufbau von Vertrauen zu lokalen Akteuren, der Distribution von Produkten
und Dienstleistungen („last mile“) und der Bereitstellung lokaler öffentli-
cher Güter (z.B. Infrastruktur) zu (vgl. Schuster/Holtbrügge 2013a).

IV. Länder- und sektorübergreifende Nachhaltigkeitsinnovationen an


der Schnittstelle von Innovationsmanagement, Internationalem
Management und Nachhaltigkeitsmanagement
Die aufgezeigten Beispiele machen deutlich, dass Nachhaltigkeitsinnovatio-
nen eine sehr hohe Komplexität aufweisen, die nur durch die gleichzeitige
Berücksichtigung technologischer, betriebswirtschaftlicher und interkultu-
reller Aspekte gehandhabt werden kann. Im Folgenden wird deshalb der
Frage nachgegangen, inwieweit Erkenntnisse der wissenschaftlichen Diszip-
linen Innovationsmanagement, Internationales Management und Nachhaltig-
246 Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

keitsmanagement genutzt werden können, die genannten Herausforderungen


zu bewältigen.
Das Innovationsmanagement geht insbesondere der Frage nach, wie techno-
logische Inventionen in marktfähige und betriebswirtschaftlich erfolgreiche
Innovationen umgesetzt werden können (vgl. Gerybadze 2004). Es ver-
knüpft Erkenntnisse der Ingenieurwissenschaften und Betriebswirtschafts-
lehre und will Unternehmen dabei unterstützen, ökonomische Aspekte und
Kundenanforderungen bereits bei der Entwicklung neuer Produkte und
Dienstleistungen zu berücksichtigen. Eine weitere Forschungsfrage ist, wie
sich Innovationen in möglichst vielen Anwendungsbereichen und Märkten
nutzen lassen. Dazu zählt auch die Technologiediffusion über Ländergren-
zen hinweg (vgl. Gerybadze 1998). Während dabei lange Zeit Industrielän-
der die Lead Märkte darstellten und der Technologietransfer aus Industrie-
ländern in Entwicklungsländer im Vordergrund stand, wird zunehmend die
Innovationsfähigkeit von Emerging Markets wie China und Indien betont
und analysiert, welche Auswirkungen diese auf Industrieländer wie Deutsch-
land und die USA haben.
Neue Erkenntnisse dazu könnte die sich in jüngster Zeit entwickelnde For-
schung zu Frugal Innovations liefern. Frugale Innovationen bezeichnen die
vor allem in Emerging Markets anzutreffenden Entwicklungen, die sich
durch Einfachheit, Robustheit und die Nutzung lokaler und erneuerbarer
Ressourcen auszeichnen (vgl. Radjou et al. 2012). Häufig zielen diese auf
einkommensschwache Konsumenten in Emerging Markets (base-of-the-
pyramid) ab (vgl. London/Hart 2010; Zeschky et al. 2011). Frugal Innovati-
ons verfolgen somit einerseits das Ziel der Inklusion bislang benachteiligter
Konsumenten und/ oder Arbeitnehmer (inclusive growth) (vgl. George et al.
2012). Andererseits kommt der ökologischen Nachhaltigkeit der entwickel-
ten Produkte und Dienstleistungen sowie des Entwicklungs- und Produkti-
onsprozesses eine zentrale Bedeutung zu (green growth) (vgl. Basu et al.
2013). Für Unternehmen aus Deutschland eröffnen Frugal Innovations in
BoP-Märkten das Potential, existierende Pfadabhängigkeiten zu übersprin-
gen (green leap) und damit disruptive Lösungen wie z. B. off-grid Energie-
versorgung zu finden, die nach erfolgreicher Umsetzung in den Entwick-
lungs- und Schwellenländern in die entwickelten Märkte zurückübertragen
werden können (vgl. Schuster/Holtbrügge 2013b).
Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und sektorübergreifende Partnerschaften 247

Aufgrund dieses oftmals länderübergreifenden Charakters von Frugal Inno-


vations greift die Forschung in diesem Kontext häufig auf Erkenntnisse des
Internationalen Managements zurück. Dies gilt insbesondere für die Erfor-
schung der kulturellen Bedingungen, die die Hervorbringung von Nachhal-
tigkeitsinnovationen begünstigen. Dabei wird z. B. die Vorteilhaftigkeit von
Werten wie Flexibilität, Anpassungsbereitschaft und Beziehungsorientierung
betont, wie sie etwa in China und Indien vorherrschen (vgl. Cappelli et al.
2010). Einen weiteren Anknüpfungspunkt bildet die Forschung zu länder-
übergreifenden Technologieallianzen und -kooperationen (vgl. Gerybadze
2005), die zunehmend auch sektorübergreifende Partnerschaften themati-
siert. Die in diesem Kontext durchgeführten Studien weisen darauf hin, dass
NGOs, lokale Entrepreneure, Selbsthilfegruppen, Medien, etc. in vielen
Fällen wichtige Interessengruppen darstellen, deren Einbindung wesentlich
zum Erfolg internationaler Engagements beitragen kann (vgl. Selsky/Parker
2005; Kolk et al. 2008; Dahan et al. 2010). Dies gilt insbesondere für län-
derübergreifende Forschungs- und Entwicklungskooperationen (vgl. Rivera-
Santos/Rufin 2010) sowie für Reverse Innovations, d. h. für in Emerging
Markets entwickelte Produkte, die anschließend in Industrieländern vertrie-
ben bzw. verwendet werden (vgl. Govindarajan/Trimble 2012).
Eine weitere Schnittstelle zwischen dem Innovationsmanagement und dem
Internationalen Management bildet die Erforschung nationaler Innovations-
systeme (vgl. Narula 2003; Blättel-Mink/Ebner 2009). Dieser Forschungs-
richtung liegt die Annahme zugrunde, dass rechtliche, institutionelle und
kulturelle Unterschiede bei der Forschungsorganisation und -förderung auch
unterschiedliche Forschungsergebnisse bewirken. Ein weiterer Fokus liegt
auf der Analyse von Innovationsstrategien Multinationaler Unternehmen, die
durch Standortarbitrage die nationale Wohlstandswirkung von Innovations-
systemen reduzieren können.
Defizite in nationalen Innovationssystemen werden zunehmend auch für die
langsame Verbreitung von Nachhaltigkeitsinnovationen verantwortlich ge-
macht (vgl. Negro et al. 2012). Dazu zählt etwa die „Stop-und-Go“-Politik
in vielen Ländern, Subventionen zwar anzukündigen, dann aber gar nicht
oder nur zögerlich umzusetzen. Die staatliche Innovationspolitik ist zudem
durch häufige Aufmerksamkeitswechsel gekennzeichnet. Während etwa
nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima die Abkehr von der Kernenergie
in vielen Ländern eine hohe Priorität hatte, wendete sich die Politik kurz
248 Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

danach wieder anderen Themen mit höherer Dringlichkeit (wie derzeit etwa
der Flüchtlingskrise) zu. Ein weiteres Problem entsteht durch unterschied-
liche Zielsetzungen der beteiligten Akteure wie Unternehmungen, For-
schungseinrichtungen, Non-Profit-Organisationen, etc., für die zudem unter-
schiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen gelten. Dies erschwert insbe-
sondere sektorübergreifende Kooperationen, wie sie für Nachhaltigkeitsin-
novationen typisch sind.
Während die Innovationsfähigkeit von Unternehmungen und Volkswirt-
schaften lange Zeit grundsätzlich positiv bewertet wurde, wird zunehmend
betont, dass Innovationen auch negative ökologische, soziale und ökonomi-
sche Folgen haben können. Dies geschieht insbesondere in der in der Wis-
senschaft und vielen Unternehmen zunehmend institutionalisierten Disziplin
des Nachhaltigkeitsmanagements. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie
Unternehmen die durch ihre Aktivitäten verursachten Umweltbelastungen
(ökologische Nachhaltigkeit) und unerwünschten sozialen Wirkungen (sozi-
ale Nachhaltigkeit) reduzieren bzw. minimieren und dabei gleichzeitig lang-
fristig ökonomisch erfolgreich sein können (ökonomische Nachhaltigkeit)
(vgl. Dyllick/Hockerts 2002; Schaltegger et al. 2002).
Aus dieser Nachhaltigkeitsperspektive ergeben sich für das Management
mehrere miteinander zusammenhängende Folgefragen. Erstens stellt sich die
Frage, wie die verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen nicht nur über
geeignete Metriken und Kennzahlen erfasst (vgl. Perrini/Tencati 2006),
sondern auch miteinander vergleichbar und im Sinne eines Nachhaltig-
keitscontrollings in entscheidungsrelevanter Weise integriert und aggregiert
werden können (vgl. Schaltegger et al. 2006). Eine besondere Bedeutung
kommt hierbei dem Business Case for Sustainability zu, der versucht, öko-
logische und soziale Kriterien nicht nur als Restriktion zu begreifen, sondern
idealerweise sogar als Treiber für unternehmerische Wertschöpfung zu ent-
falten (vgl. Beckmann/Schaltegger 2014). Da derartige Win-Win-Lösungen
im Status Quo oftmals nicht möglich sind, fokussiert gerade auch das Nach-
haltigkeitsmanagement auf die Generierung von technologischen, organisa-
tionalen und sozialen Innovationen, um vermeintliche Trade-offs zwischen
wirtschaftlichen und sozial-ökologischen Zielen perspektivisch zu überwin-
den (vgl. Beckmann et al. 2014). In diesem Sinne betonen diverse Studien,
dass gerade die Suche nach Nachhaltigkeitslösungen zu einem entscheiden-
Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und sektorübergreifende Partnerschaften 249

den Treiber für zukünftige Innovationen avanciert (vgl. Blum-Kusterer/


Hussain 2001; Nidumolu et al. 2009).
Neben einer Erweiterung des unternehmerischen Zielverständnisses arbeitet
das Nachhaltigkeitsmanagement zudem mit einer erweiterten Akteursper-
spektive, die der Analyse und Berücksichtigung der verschiedenen Stake-
holder eines Unternehmens eine systematische Bedeutung zuweist (vgl.
Hörisch et al. 2014). Aus einer Stakeholder-Perspektive wird deutlich, dass
die verschiedenen wertschöpfungsrelevanten Akteure das Unternehmen mit
unterschiedlichen Erwartungen und Eigenlogiken sehen. Zur Sicherung der
Licence-to-operate müssen Unternehmen daher lernen, nicht nur auf Effizi-
enz, sondern auch auf die Sicherung von Legitimität dieser verschiedenen
Stakeholder zu achten (vgl. DiMaggio/Powell 1983). Dies gilt in besonderer
Weise für länder- und sektorübergreifende Partnerschaften, da staatliche
Akteure, Non-Profit-Organisationen, Communities und For-Profit-Unterneh-
men sehr unterschiedlichen institutionellen Logiken folgen (vgl. Thornton/
Ocasio 2008). Die Rezeptions- und Vermittlungskonzept, um diese ver-
schiedenen Ansprüche zu übersetzen und fruchtbar zu machen (Pies et al.
2009), wird daher für das Nachhaltigkeitsmanagement zu einer wichtigen
Grundlage für Wertschöpfung und kollaborative Innovationen.
Die bisherigen Überlegungen zeigen, dass die drei Disziplinen des Innovati-
onsmanagements, des Internationalen Managements sowie des Nachhaltig-
keitsmanagements wichtige Einzelbeiträge für das Verständnis von länder-
und sektorübergreifenden Partnerschaften zur Generierung von Nachhaltig-
keitsinnovationen leisten können. Wie Abbildung 1 illustriert, gibt es bereits
einige fruchtbare Überschneidungen zwischen diesen Disziplinen und meh-
rere interdisziplinäre Studien, die auf Erkenntnisse und Methoden von zwei
dieser Disziplinen zurückgreifen.
An der Schnittstelle zwischen Innovationsmanagement und Internationalem
Management gilt dies für die Forschung zu nationalen Innovationssystemen
und internationaler Technologiediffusion. An der Schnittstelle zwischen
Innovations- und Nachhaltigkeitsmanagement sind beispielsweise die For-
schungsfelder zu frugalen Innovationen und Public-Private Partnerships zu
nennen. An der Schnittstelle zwischen Internationalem und Nachhaltig-
keitsmanagement lassen sich die Themen Base-of-the-Pyramid (Markt für
250 Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

Arme) oder das Nachhaltigkeitsmanagement über länderübergreifende Wert-


schöpfungsmanagement nennen.

Abbildung 1: Schnittmengen von Internationalem Management, Innovati-


onsmanagement und Nachhaltigkeitsmanagement

Internationales
Management
ƒ Technologie- ƒ Base-of-the-Pyramid
diffusion Forschung
ƒ Nationale ƒ Nachhaltigkeit in
Innovations- länderübergreifenden
systeme Wertschöpfungsketten

länder und sektorübergreifende


Partnerschaften für
Nachhaltigkeitsinnovationen

Innovations- Nachhaltigkeits-
management management
ƒ Public-Private
Partnerships
ƒ Frugal
Innovations

Der Gegenstand länder- und sektorübergreifender Partnerschaften für Nach-


haltigkeitsinnovationen kann somit auf bestehenden Forschungsschnittstel-
len aufbauen, geht jedoch darüber hinaus. Inwiefern es neben diesen thema-
tischen Schnittstellen auch weiterführende konzeptionelle Gemeinsamkeiten
dieser drei Perspektiven zur Grundlegung eines verbindenden interdiszipli-
nären Forschungsprogramms gibt, ist Gegenstand des nachfolgenden Ab-
schnitts.

V. Wertschöpfung durch Hybridisierung in länder- und


sektorübergreifenden Partnerschaften: ein interdisziplinäres
Forschungsprogramm
Betrachtet man das unternehmerische Innovationsmanagement, das Interna-
tionale Management und das Nachhaltigkeitsmanagement aus einer me-
Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und sektorübergreifende Partnerschaften 251

tatheoretischen Perspektive, so zeigt sich eine interessante, konzeptionelle


Gemeinsamkeit: Alle drei – für sich genommen bereits interdisziplinär ange-
legten – Disziplinen beschäftigen sich auf ihre Weise mit hybriden Ma-
nagementlogiken. Sie verbindet – etwas zugespitzt und vereinfachend for-
muliert – eine gemeinsame Hybridisierungsperspektive. Drei Gemeinsam-
keiten dieser Hybridisierungsperspektive werden nachfolgend kurz skizziert:

1. Betrachtung der Unternehmung aus multiplen Logiken


Jede Disziplin erweitert und verbindet eine im engeren Sinne wirtschaftliche
Perspektive mit einer komplementären Perspektive auf unternehmerische
Wertschöpfung (vgl. Tabelle 1). So betreffen Innovationsentscheidungen
simultan Fragen nach der wirtschaftlichen Rentabilität wie auch nach der
technologischen oder organisationalen Machbarkeit einer Innovation. Diese
unterschiedlichen Perspektiven sind zwar komplementär, aber keineswegs
deckungsgleich. So gibt es – wie zu Beginn des Beitrags dargestellt – zahl-
reiche Beispiele für Produktneuerungen, die sich zwar als technisch mach-
bar, aber nicht als wirtschaftlich sinnvoll erwiesen haben. Eine weitere Leit-
unterscheidung, die für das Management innovativer Unternehmen wichtig
ist, ist die Unterscheidung zwischen Exploration und Exploitation (vgl.
March 1991). Der hier entscheidende Punkt ist, dass Unternehmen im Sinne
des Ambidexterität-Gedankens (vgl. Raisch et al. 2009) in der Lage sein
müssen, prima facie vermeintlich widersprüchliche Logiken gleichzeitig
verfolgen und vereinbaren zu können.
In ähnlicher Weise erweitert auch das Internationale Management ein auf im
engeren Sinne betriebswirtschaftliche Erwägungen ausgerichtetes Manage-
ment um weitere Entscheidungsdimensionen, und zwar insbesondere um die
Frage nach der kulturellen Angemessenheit unternehmerischen Handelns.
Hier zeigt sich, dass abstrakt monetäre Überlegungen zu kurz greifen kön-
nen, wenn sie nicht mit Hilfe geeigneter Leitunterscheidungen aus kulturel-
ler Perspektive ergänzt werden – wie etwa den Dichotomien Host-country
versus Home-country, Global versus Lokal oder Homogenität versus Diver-
sität (vgl. Holtbrügge/Welge 2015).
252 Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

Tabelle 1: Hybridisierte Logiken und binäre Leitunterscheidungen

Innovations- Internationales Nachhaltigkeits-


management Management management

Hybride Logiken und • Technologische • Wirtschaftliche • Wirtschaftliche


binäre Leitunter- Machbarkeit ver- Rentabilität ver- versus sozial-
scheidungen sus wirtschaftli- sus kulturelle ökologische Ziele
che Rentabilität Adäquatheit • Shareholder
• Exploration • Host-Country versus Stakehol-
versus Exploitati- versus Home- der
on Country • Effizienz versus
• Global versus Legitimität
Lokal • Short-term Profit
• Homogenität versus Long-term
versus Diversität Value

Schließlich basiert auch das Nachhaltigkeitsmanagement auf hybriden Ele-


menten aufgrund der Verbindung unterschiedlicher Logiken, wie insbeson-
dere der Verbindung von wirtschaftlichen (monetären) und sozial-ökolo-
gischen (zunächst nicht-monetären) Kriterien. Weitere Leitunterscheidun-
gen, die diese Art der Hybridisierung thematisieren, umfassen die Dichoto-
mien von Shareholder versus Stakeholder, Effizienz versus Legitimität oder
kurzfristige Gewinne versus langfristige Werte.

2. Hybridisierungsmanagement als Interaktionsmanagement


heterogener Akteure
Eine zweite Gemeinsamkeit von Innovations-, Internationalem und Nachhal-
tigkeitsmanagement liegt darin, dass sie das Interaktionsmanagement jener
Akteure in den Mittelpunkt rücken, welche die primären Träger der jeweils
beteiligten Logiken sind. So existieren die verschiedenen Entscheidungslo-
giken nicht im luftleeren Raum, sondern lassen sich oftmals bestimmten
Stakeholder(gruppe)n stärker zuordnen als anderen.
Das Innovationsmanagement fokussiert hierbei aus einer funktionalen Per-
spektive insbesondere die Interaktion der verschiedenen Unternehmensfunk-
tionen, wie die Ingenieure und Entwickler (die eher einer technologieorien-
tierten Ingenieurslogik folgen) sowie die Manager in Vertrieb, Absatz, Be-
schaffung (die einer wirtschaftlichen Logik folgen). Im Sinne von Open
Innovation geht es zunehmend darum, diese stark unternehmensinterne
Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und sektorübergreifende Partnerschaften 253

Sichtweise aufzulösen und gezielt auch die (potentiellen) Nutzenden und


andere Stakeholder zu integrieren (vgl. Chesbrough 2006).
Aus Sicht des Internationalen Managements geht es nicht primär um die
Interaktion der verschiedenen Unternehmensfunktionen, sondern um die
Interaktion kulturell unterschiedlich geprägter Stakeholder wie etwa zwi-
schen entsandten Managern und lokalen Mitarbeitern. Auch hier rücken
Mechanismen in den Mittelpunkt, die die vermeintlich scharfen Trennlinien
zwischen Kulturen überwinden, etwa durch Konzepte der Akkulturation
(Berry 1990) oder durch spezielle Boundary Spanner, die beispielsweise als
bikulturelle Führungskräfte hybride Kulturkompetenz einbringen (vgl. Holt-
brügge/Engelhard 2014).
Für das Nachhaltigkeitsmanagement sind die primären Träger der unter-
schiedlichen Logiken (z. B. Gewinn-, Umwelt- oder Sozialorientierung)
insbesondere den verschiedenen marktlichen Stakeholdern (Investoren, Lie-
feranten, Kunden, Mitarbeitende) und außermarktlichen Anspruchsgruppen
(NGOs, Anwohner, Staat, Medien) zuzuordnen. Zahlreiche Instrumente –
angefangen von Stakeholder-Konsultationen über Beiräte bis hin zu Round
Tables – dienen dann dazu, diese Akteure und ihre Erwartungen in hybride
Zieldiskurse einbinden zu können.

3. Hybridisierung nicht (nur) als Restriktion, sondern als Treiber für


Wertschöpfung
Eine dritte Gemeinsamkeit besteht darin, dass alle drei Perspektiven Hybri-
dität nicht (primär) als statische Restriktion, sondern als dynamischen Trei-
ber für Wertschöpfung betrachten. Einerseits ist damit klar, dass beispiels-
weise eine neue Produktinnovation sowohl wirtschaftliche als auch techno-
logische Überlegungen als Restriktion ernst nehmen muss. Gleiches gilt für
Management-Entscheidungen, die kulturelle und sozial-ökologische Krite-
rien zunächst als Einschränkungen des Möglichkeitenraums beachten müs-
sen. Andererseits bergen aber gerade diese Reibungen hybrider Logiken das
Potential für zukünftige Innovationen und neue Formen der Wertschöpfung
(vgl. Battilana et al. 2015), etwa wenn wirtschaftliche Restriktionen der
Kunden zum Treiber frugaler Innovationen werden oder wenn kulturelle
Diversität für die Unternehmensentwicklung fruchtbar gemacht wird.
254 Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

Angesichts dieser nicht nur thematischen, sondern auch konzeptionellen


Schnittmengen zwischen Innovations-, Internationalem und Nachhaltigkeits-
management lassen sich am Gegenstand der länder- und sektorübergreifen-
den Partnerschaften zur Hervorbringung von Nachhaltigkeitsinnovationen
unter anderem folgende, interdisziplinär verbindende Forschungsfragen
identifizieren:
Für die Theoriebildung und empirische Forschung stellt sich die Frage, mit
welchen Theorien die Hybridität dieser Partnerschaften analysiert und mit
welchen Methoden die dazugehörigen Phänomene untersucht werden kön-
nen. Hier zeigen sich Anschlüsse zur dynamischen Literatur zu hybrider
Wertschöpfung (vgl. Molina 2009; Battilana/Dorado 2010).
Mit Blick auf die Managementpraxis lauten mögliche, interdisziplinäre For-
schungsfragen: Welche Prozesse, Formate und Praktiken zum Umgang mit
hybriden Logiken lassen sich in Innovations-, Internationalem und Nachhal-
tigkeitsmanagement identifizieren und ggf. in die anderen Bereiche übertra-
gen? Welche Metriken, Informations- und Steuerungssysteme gibt es, um
hybride Logiken abbilden und managen zu können? Welcher Kompetenzen
bedürfen Führungskräfte für ein konstruktives Management hybrider Logi-
ken – und wie lassen sich diese Kompetenzen aufbauen?

VI. Zusammenfassung und Fazit


Länder- und sektorübergreifende Partnerschaften bieten das Potential,
Nachhaltigkeitsinnovationen möglich zu machen, die als Win-Win-
Lösungen sowohl die Interessen deutscher Unternehmen als auch die sozia-
len und ökologischen Entwicklungsanliegen benachteiligter Bevölkerungen
im globalen Süden voranbringen.
Das Potential für diese Art von Partnerschaft ist somit enorm. Enorm sind
aber auch die Herausforderungen, die mit der Realisierung dieses Potentials
verbunden sind. Eine dieser Barrieren liegt in der Schwierigkeit, Akteure
mit sehr unterschiedlichen funktionalen Verständnissen, kulturellen Per-
spektiven und institutionellen Logiken zusammenzuführen, die zu Kommu-
nikationsschwierigkeiten, normativen Vorbehalten und nicht-intendierten
Effekten führen können.
Nachhaltigkeitsinnovationen durch länder- und sektorübergreifende Partnerschaften 255

Zur Adressierung dieser Komplexität können das Internationale Manage-


ment, das Innovationsmanagement und das Nachhaltigkeitsmanagement
jeweils wichtige Einzelbeiträge leisten. Eine verbindende konzeptionelle
Perspektive liegt dabei in der interdisziplinären Herangehensweise, die im
engeren Sinne betriebswirtschaftliche Logik gerade durch die Auseinander-
setzung mit weiteren Logiken (Ingenieurs-, Kultur-, Legitimitätslogik etc.)
inhaltlich zu schärfen und weiterzuentwickeln. Aus konzeptioneller Sicht
lässt sich daher vermuten, dass der weitere Austausch dieser drei For-
schungsrichtungen Potential für wechselseitiges theoretisches Lernen birgt.
Mit Blick auf sektor- und länderübergreifende Nachhaltigkeitspartnerschaf-
ten ist die Zusammenführung von Internationalem, Innovations- und Nach-
haltigkeitsmanagement indes auch von praktischer Relevanz, weil gerade in
diese Partnerschaften multiple Logiken und Hybridisierungsdynamiken
durch die verschiedenen Partner eingebracht werden und dann auch gema-
nagt werden müssen. Durch länderübergreifende Partnerschaften kommt es
zu kulturellen Hybridisierungen, durch sektorübergreifende Partnerschaften
zu multiplen institutionellen Logiken sowie durch die Zusammenarbeit von
High-Tech-Entwicklern und Communities, die unter knappen Ressourcen
nach Problemlösungen suchen, zur Verbindung von knappheitsorientierter
und machbarkeitsorienter Logik.
Sektor- und länderübergreifende Nachhaltigkeitspartnerschaften eröffnen
damit das Potential für einen doppelten Lernprozess: Einerseits können die
drei Perspektiven des Internationalen, Innovations- und Nachhaltigkeitsma-
nagement in ihrer interdisziplinären Zusammenarbeit einen praktischen
Beitrag für das erfolgreiche Management dieser Partnerschaften leisten.
Andererseits bieten gerade diese komplexen Partnerschaften die Möglichkeit
für empirische Forschungen und Erkenntnisse, die die betrachten Diszipli-
nen ihrerseits voranbringen.

Danksagung

Die Autoren danken der Hans-Frisch-Stiftung für die finanzielle Förderung


des Projekts.
256 Dirk Holtbrügge und Markus Beckmann

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Institutional Voids als Herausforderung internationaler
Unternehmenstätigkeit in Entwicklungs- und
Schwellenländern

Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

I. Zunehmende Bedeutung von Entwicklungs- und Schwellenländern


für MNEs
In den vergangenen Jahren haben multinationale Unternehmen (Multinatio-
nal Enterprises, MNEs) ihr Engagement in Entwicklungs- und Schwellen-
ländern erheblich ausgebaut (vgl. Bruche 2009); sie zielten damit vornehm-
lich auf den Zugang zu (natürlichen) Ressourcen und die Erschließung von
Absatzmärkten ab. Es ist damit zu rechnen, dass diese Länder für MNEs
auch zukünftig von hoher Attraktivität sein werden; allerdings dürften sich
die Motive eines unternehmerischen Engagements partiell ändern. Die ge-
genwärtig noch als Entwicklungs- und Schwellenländer zu bezeichnenden
Märkte werden sich nämlich mehr und mehr von Niedriglohnproduktions-
standorten zu innovationsorientierten Volkswirtschaften entwickeln, in de-
nen wirtschaftlicher Fortschritt weiter zu höheren Löhnen und einer wach-
senden Mittelschicht führen wird (vgl. Bruche 2009; Brandt/Thun 2010).
Vor Ort sind dabei jedoch nur die Unternehmen erfolgreich, welche mit der
jeweiligen Liability of Foreignness zurechtkommen, d. h. jene, die in der
Lage sind, den Regeln vor Ort zu entsprechen. Aus der Perspektive der ent-
wickelten Länder betrachtet stellt allerdings das in vielen dieser Zielmärkte
vorliegende vollkommen andere Verständnis von moralisch korrekten und
ethischen Geschäftspraktiken eine lokale Besonderheit und gleichermaßen
eine Herausforderung dar. Entwicklungs- und Schwellenländer teilen häufig
die Eigenschaft, dass sogenannte Institutional Voids vorliegen und dass – als
Konsequenz – ethisch fragwürdige Geschäftspraktiken oftmals zum Alltag
gehören (vgl. Khanna/Palepu 2006; Mair et al. 2012).
Wie später noch genauer ausgeführt wird, beschreiben Institutional Voids
das Fehlen formeller Institutionen in einer Volkswirtschaft und die damit
verbundenen hohen Transaktionskosten für Marktteilnehmer (vgl. North
1990). Anders als MNEs aus Industrienationen (Advanced Market MNEs,

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_14
262 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

AMNEs) haben die lokalen Marktteilnehmer in Entwicklungs- und Schwel-


lenländern gelernt, durch informelle Geschäftspraktiken mit Institutional
Voids umzugehen. Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass informelle
Geschäftspraktiken sowohl in negativer als auch in grundsätzlich positiver
Form auftreten können. Im Kern werden mit informellen Geschäftspraktiken
informelle Institutionen aufgebaut, die es erlauben, Markttransaktionen trotz
Fehlen formaler Institutionen durchzuführen.
Die Verlagerung der globalen Wertschöpfungskette hin zu durch Institutio-
nal Voids geprägten Volkswirtschaften hat aber auch Konsequenzen für die
AMNEs. Eine der Auswirkungen wird die Notwendigkeit zur stärkeren Aus-
einandersetzung mit den informellen Geschäftspraktiken in den jeweiligen
Zielmärkten sein. Im Kontext schwacher Appropriability Regimes hat sich
hiermit bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der mit dieser Festschrift zu
ehrende Alexander Gerybadze beschäftigt (vgl. Gerybadze 1994, S. 127).
Wenn westliche Unternehmen die Chancen in institutionell wenig entwickel-
ten Volkswirtschaften nutzen wollen, kommt es mit hoher Wahrscheinlich-
keit zu schwierigen Managemententscheidungen, da diese Unternehmen mit
ihren Tätigkeiten vor Ort potentiell im Widerspruch zu westlichen Rechts-
standards stehen würden (vgl. beispielsweise Biggemann/Fam 2011 zu
Schwierigkeiten in BRIC-Staaten). So sind AMNEs aller Wahrscheinlichkeit
nach höheren Transaktionskosten ausgesetzt, da von ihrem Heimatmarkt
ausgehend ein größeres Risiko für Rechtsstreitigkeiten, Vertragsstrafen und
Rufschädigung (als Konsequenz der informellen Geschäftspraktiken) be-
steht. Bei dieser Bewertung stehen die Bedenken hinsichtlich fragwürdiger,
exkludierender – da potentielle Wettbewerber direkt ausschließend und da-
mit benachteiligend (vgl. Verbeke/Kano 2012) – informeller Geschäftsprak-
tiken wie Bestechung und geheime Absprachen eindeutig im Vordergrund.
Mögliche Vorteile wie das Reduzieren von Institutional Voids werden dage-
gen kaum berücksichtigt, weshalb die Rechtsprechung in Industriestaaten
auch nicht viel Raum für den Gebrauch tolerierbarer Formen informeller
Geschäftspraktiken lässt – ungeachtet der steigenden wirtschaftlichen Be-
deutung von Entwicklungs- und Schwellenmärkten und der sich daraus er-
gebenden Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit schwierigen Ma-
nagementumfeldern. Diese westliche Perspektive könnte auch Ausdruck
eines ethnozentrischen Zugangs zur Problematik sein, da sie das Potential
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 263

informeller Geschäftspraktiken im Sinne eines Instruments zur Reduzierung


von Institutional Voids ignoriert.
Vor dem geschilderten Hintergrund soll mit dem vorliegenden Beitrag zu-
nächst der Frage nachgegangen werden, ob AMNEs direkte Geschäftstätig-
keiten in durch Institutional Voids geprägten Volkswirtschaften aufgrund
der schwierigen Auswirkungen informeller Geschäftspraktiken in ihren
Heimatmärkten vermeiden. Es kann angenommen werden, dass MNEs aus
Entwicklungs- und Schwellenländern (Emerging Market MNEs, EMNEs),
die sich wiederum durch einen hohen Grad an Toleranz gegenüber informel-
len Geschäftspraktiken auszeichnen, in Märkten mit Institutional Voids
aufgrund ihres verhältnismäßig ähnlichen institutionellen Hintergrunds ei-
nen Vorteil haben. Eine Situation aber, in der Unternehmen aus Ländern mit
einem fragwürdigen Verständnis von ethischen Geschäftspraktiken in Ent-
wicklungs- und Schwellenländern einen Vorteil haben, wäre weder für die
Länder selbst noch für AMNEs günstig. Vor diesem Hintergrund themati-
siert der vorliegende Beitrag zudem die kritische Frage, wie eine weniger
strenge Haltung zu jenen informellen Geschäftspraktiken, die in positiver
Weise dazu beitragen, Institutional Voids zu reduzieren, helfen kann, das
Potential von Entwicklungs- und Schwellenländern für AMNEs zu heben.
Um beide skizzierte Fragen zumindest ansatzweise zu klären, wird im Fol-
genden als erstes das Begriffsverständnis von Institutional Voids geschärft
und die Bedeutung informeller Geschäftspraktiken in Entwicklungs- und
Schwellenländern in groben Zügen umrissen. Anschließend werden MNE-
Aktivitäten anhand deskriptiver Daten unter Berücksichtigung der institutio-
nellen Entwicklung verschiedener Volkswirtschaften dargestellt. Die nach-
folgende Diskussion beleuchtet die Thematik des Austauschs von Gefällig-
keiten, sogenanntes Trading Favors, als Beispiel positiver informeller Ge-
schäftspraktiken und als mögliche Herangehensweise für AMNEs, die in
Entwicklungs- und Schwellenländern mit Institutional Voids zurechtkom-
men müssen.
264 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

II. Westliche Unternehmen in der Dilemmafalle von Institutional


Voids und informellen Geschäftspraktiken

1. Definitorisch-theoretischer Rahmen eines Zugangs zu Institutional


Voids
Douglass C. North definiert Institutionen als Spielregeln „that shape human
interaction […] and provide a structure to everyday life“ (North 1990, S. 3).
Institutionen werden aber – dieser Definition nicht entsprechend – häufig als
Organisationen missverstanden; letztere stellen aus der Sicht des im Wesent-
lichen von North begründeten Neoinstitutionalismus lediglich eine Spezial-
form der ersteren dar. Genauer gesagt, „institutions consist of both informal
constraints (sanctions, taboos, customs, traditions), and formal rules (consti-
tutions, laws, property rights)“ (North 1991, S. 97). Nach North ist die Re-
duktion von Unsicherheiten in Transaktionen ein Hauptzweck von Instituti-
onen. Institutionen bieten die Möglichkeit, Transaktionen zu erleichtern und
Ineffizienzen zu reduzieren. Bezogen auf internationale Unternehmenstätig-
keit stellen dementsprechend Institutionen die Regeln dar, die eine Hand-
lungsvorlage für MNEs und ihre jeweiligen Partner in Entwicklungs- und
Schwellenländern bilden. In Anbetracht dessen hinterlässt ein Mangel an
formellen Regeln in einer Volkswirtschaft kein institutionelles „Vakuum“ –
anders als der Begriff „Institutional Void“ erwarten ließe. Vielmehr bewirkt
er eine Verlagerung hin zu informellen Institutionen.
In der betriebswirtschaftlichen Teildisziplin des internationalen Manage-
ments hat sich spätestens in der jüngeren Zeit die Auffassung durchgesetzt,
dass das Thema „informelle Institutionen“ und „Institutional Voids“ für
Entwicklungs- und Schwellenländer besonders relevant ist (vgl. Mair et al.
2012; Puffer et al. 2010; Khanna et al. 2005). Entsprechende Länder leiden
häufig unter schlecht funktionierenden formellen Institutionen, welche die
öffentlichen Angelegenheiten regeln und die öffentlichen Ressourcen ver-
walten sollten. Wie von Hoskisson et al. (2000) gezeigt wurde, neigen Ent-
wicklungs- und Schwellenländer insbesondere zu einem Mangel an formel-
len Institutionen wie gesetzlicher Infrastruktur, Finanzmärkten, interner
Kapitalmärkte, Corporate Governance oder zuverlässiger Strafverfolgung.
Dieser Mangel wird häufig durch solche informelle Institutionen zu kom-
pensieren versucht, die in ihrer Wirkung einem Fehlen von Good Gover-
nance gleichkommen (vgl. Williamson 1996; World Bank 1997; Hoskisson
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 265

et al. 2000; Graham et al. 2003 zur Bedeutung von Good Governance). Da-
mit ist aber nicht gemeint, dass informelle Institutionen immer auch Bad
Governance bedeuten müssen. So ist beispielsweise an den Fall zu denken,
dass eine fehlende staatliche Fürsorge für sozial Schwache in Form formel-
ler Institutionen durch die informelle Institution des Mäzenatentums aufge-
fangen werden kann. Unter diesen Umständen dürfte nicht von Bad Gover-
nance gesprochen werden. Allerdings zählen diese positiven Formen infor-
meller Institutionen eher zu den Ausnahmen. Ohne Vorhandensein recht-
staatlicher Prinzipien und deren Durchsetzung sind informelle Institutionen
in Form unredlichen Verhaltens eine offensichtliche und häufige Folge (vgl.
Li et al. 2012b zur Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit in Schwellenländern).
Wong/Chan (1999), welche die Folgen von Bestechung und Beziehungs-
marketing in China untersucht haben, gehen so weit, die entsprechenden
Praktiken als alternative und informelle Systeme für Marketing-Manager zu
beschreiben.

2. Zur realwirtschaftlichen Problematik informeller


Geschäftspraktiken
Wie oben erwähnt, müssen besonders Entwicklungs- und Schwellenländer
einen Mangel an Good Governance in puncto Rechtsstaatlichkeit, Transpa-
renz und Haftungsfragen bewältigen. Auf dem Corruption Perceptions Index
von Transparency International für das Jahr 2015 wurden beispielsweise die
BRIC-Staaten nur auf Plätzen zwischen 76 und 119 (von 167) eingestuft
(Transparency International 2016). In diesen Rankingplätzen drückt sich ein
grundsätzlich unterschiedliches Verständnis von unethischen Geschäftsprak-
tiken in sich entwickelnden Ländern und Industriestaaten aus. So werden in
manchen Kulturen beispielsweise Geschenke zwischen Partnern erwartet
und als ein Bestandteil von guten Manieren angesehen (vgl. Hofstede 1980;
2005 für den Einfluss von Kultur). Bekannte Beispiele sind das russische
„Blat“- oder das chinesische „Guanxi“-Netzwerk. Obwohl beide unter-
schiedliche Ursprünge haben, sind sie im Wesentlichen gekennzeichnet
durch ein informelles Netzwerk von Beziehungen, die in einer „tit-for-tat“-
Mentalität Gefälligkeiten austauschen (üblicherweise knappe Güter und
„Connections“). Aus einer institutionell entwickelten Perspektive sind diese
Beispiele jedoch klare Fälle von Bestechung. Ein lokaler Marktteilnehmer in
einem Entwicklungs- oder Schwellenland würde diesem Urteil wiederum
266 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

nicht unbedingt zustimmen (zu Guanxi und Blat, vgl. Lee/Dawes 2005;
Puffer et al. 2010; Verbeke/Kano 2012).
Diese ungleichen Bewertungen unethischer Geschäftspraktiken sind in den
vergangenen Dekaden mehr und mehr zu einem Problem westlicher Unter-
nehmen geworden. So fallen seit 1977 börsennotierte Unternehmen in den
USA unter den „Foreign Corrupt Practices Act“. Die meisten OECD-Länder
sind dem US-amerikanischen Beispiel gefolgt und haben in den folgenden
Jahren ihre Gesetzgebung entsprechend geändert. Ferner findet sich in den
Industrieländern eine kritische Öffentlichkeit, welche sich zunehmend mit
den unethischen Geschäftspraktiken in Entwicklungs- und Schwellenländern
auseinandersetzt. Umfangreiche Korruptionsskandale im internationalen
Geschäft wurden aufgedeckt und trugen zu der gesteigerten Medienaufmerk-
samkeit gegenüber AMNEs und ihren globalen ethischen Standards bei. So
war zwischen 2000 und 2006 Siemens Gegenstand eines großangelegten
Korruptionsprozesses. Siemens-Manager bestachen jahrelang ausländische
Beamte und politische Entscheidungsträger. Die Ermittlungen legten offen,
dass sich Siemens im Ausland mehrere Geschäfte durch Korruption sicherte.
1,6 Milliarden USD wurden als fragwürdige Zahlungen identifiziert, was die
Affäre zum größten Korruptionsprozess in Deutschland machte. Beispiele
wie der Siemens-Korruptionsskandal sollten in den Vorstandsetagen zu einer
Bewusstwerdung von unethischen Geschäftspraktiken geführt zu haben, da
die negative Berichterstattung in den Medien alles andere als dienlich für die
betroffenen Unternehmen war.
Unter den wachsamen Augen der Öffentlichkeit verurteilen heutzutage viele
AMNEs unethische Geschäftspraktiken ausdrücklich. In den letzten Jahren
ist ein sogenanntes „Value-Statement“, mit dem Unternehmen die sozialen
Regelungen und ihre ethischen Angelegenheiten offenlegen, zu einem wich-
tigen Bestandteil der Unternehmensrichtlinien geworden. Unter anderem
dient es als „Gebrauchsanweisung“ für Manager, die im Ausland agieren; es
verbietet unerwünschtes Verhalten wie Bestechung und Erpressung. Folglich
legen Value-Statements dar, welche Beziehungen die Manager mit Zuliefe-
rern und Kunden unterhalten sollten; sie diktieren gewissermaßen die inter-
nen ethischen und moralischen Standards des Unternehmens. Die übergrei-
fende Idee ist, Zahlungen nur zuzulassen für rechtmäßige und tatsächlich
erbrachte Leistungen (vgl. Transparency International Deutschland 2007).
Diese Entwicklung scheint vielversprechend – aber nur auf den ersten Blick.
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 267

Wie bereits in der Einleitung zu diesem Beitrag erwähnt wurde, ist die Si-
tuation in der Realität wesentlich komplexer.
Komplexitätsstiftend wirkt hierbei die Überlegung, dass informelle Ge-
schäftspraktiken grundsätzlich in zwei Ausprägungen vorliegen können und
nicht notwendigerweise unethisch sein müssen. Einerseits kann es sich hier-
bei tatsächlich um nicht akzeptable, unethische Methoden handeln, die ins-
besondere Wettbewerbern zum Nachteil werden, weil diese vom Marktme-
chanismus exkludiert werden (z. B. Korruption). Andererseits können in-
formelle Geschäftspraktiken aber auch alternative Institutionen darstellen,
die Markttransaktionen überhaupt erst ermöglichen. Gerade in durch Institu-
tional Voids geprägten Volkswirtschaften können sie damit beispielsweise
neue Märkte „eröffnen“ und eine wettbewerbsfördernde Wirkung entfalten.
Damit bieten informelle Geschäftspraktiken zumindest das Potential einer
Effizienzsteigerung und allgemeiner Vorteile (für die Gesellschaften der
Entwicklungs- und Schwellenländer sowie für MNEs).
Die faktisch-institutionellen Standards in vielen Entwicklungs- und Schwel-
lenländern widersprechen außerdem häufig den Value-Statements und Ver-
haltenskodizes in Industrieländern; diese Grundsätze und Richtlinien gehen
nämlich auf vorteilhafte informelle Geschäftspraktiken nicht ein. Dadurch
setzen sich aber AMNEs einem Wettbewerbsnachteil aus, da sie auf manche
lokalen Praktiken verzichten. Mit dem gegenwärtigen Rahmenwerk aus
unternehmenseigenen Value-Statements und Verhaltenskodizes, welche vor
dem Hintergrund westlicher Standards etabliert wurden, haben MNEs auf-
grund externer Vorgaben die Flexibilität aufgegeben, sich an lokale Gege-
benheiten anzupassen, wodurch sie sich in eine Konfliktzone zwischen ihren
eigenen ethischen Standards und den lokalen Notwendigkeiten in Ländern
mit Institutional Voids begeben. Zur Verdeutlichung dieser Problematik soll
kurz auf ein Fallbeispiel eingegangen werden.
Im Oktober 2012 stellte die Harvard Business Review den interessanten Fall
von Celtel in Afrika vor (Ibrahim 2012). Celtel war ein afrikanisches Tele-
kommunikationsunternehmen und wurde 1998 gegründet. Bevor das Unter-
nehmen gegründet wurde, hatten alle großen Mobilfunkbetreiber aus den
Industrienationen die Möglichkeit weitgehend ignoriert, in Afrika zu inves-
tieren. Die Gründe dafür waren fast immer mit Institutional Voids in Form
von politischer Instabilität, Armut, Korruption und einem unsicheren öko-
268 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

nomischen Umfeld verbunden. Gleichzeitig bestand aber in Afrika eine


außerordentlich große Nachfrage nach Mobilfunknetzen, da die Telekom-
munikationsinfrastruktur in Form von Festnetzanschlüssen deutlich unter-
entwickelt war. So gab es beispielsweise in der DR Kongo 1998 nur 3000
Telefonanschlüsse für eine Bevölkerung von 55 Millionen. Celtel traf die
Entscheidung, sich trotz der Institutional Voids dem komplexen und schwie-
rigen Markt zu stellen. Das Unternehmen entschloss sich frühzeitig für ein
Konzept gegen unethische informelle Geschäftspraktiken wie Korruption:
Beispielsweise wurden unter der Hand angebotene Lizenzen nicht akzep-
tiert, Ausgaben von mehr als 30.000 USD waren grundsätzlich durch hoch-
rangige Führungskräfte zu kontrollieren und auch ein Vier-Augen-Prinzip
wurde implementiert. Anders als im Fall vieler MNEs aus Industrienationen
hielt dieses Konzept Celtel aber nicht davon ab, auf einer kommunalen Ebe-
ne informell mit Politikern zu kooperieren. Häufig erklärte sich das Unter-
nehmen beispielsweise bereit, Schulen und medizinische Einrichtungen zu
errichten (zusätzlich zur notwendigen Telekommunikationsstruktur), um im
Gegenzug den Zugang zu verschiedenen Regionen zu erhalten. Damit boten
sich sowohl für Celtel als auch die Gesellschaft vor Ort Vorteile: Einerseits
in Form infrastruktureller Entwicklung und andererseits mit der „Schaffung“
eines neuen Telekommunikationsmarktes. 2005 wurde Celtel schließlich für
3,4 Milliarden USD an die Kuwaiti Zain Group verkauft. Zu diesem Zeit-
punkt hatte das afrikanische Unternehmen 24 Millionen Kunden in 14 afri-
kanischen Ländern (für weitere Informationen zu Celtel, vgl. Ibrahim 2012
und für Informationen zu Allianzen in Entwicklungsländern, vgl. Khanna/
Yafeh 2007 oder Li et al. 2012a).
Das Celtel-Fallbeispiel zeigt, dass informelle Geschäftspraktiken nicht un-
bedingt unethisch sind. Darüber hinaus verdeutlich es aber auch das Dilem-
ma internationaler Führungskräfte: So können informelle Geschäftspraktiken
den Zugang zu Entwicklungs- und Schwellenmärkten erleichtern; sie sind
dadurch für die Gesellschaft vor Ort und für MNEs gleichermaßen förder-
lich. Gleichzeitig dürften genau diese Praktiken mit den ethischen Standards
in industriell entwickelten Ländern kollidieren. Folglich müssen sich inter-
nationale Manager entscheiden, ob sie die Vorteile informeller Geschäfts-
praktiken in entsprechenden Märkten vernachlässigen oder ob sie den loka-
len „Spielregeln“ folgen und damit in einer moralischen und rechtlichen
Grauzone operieren wollen. Die Grauzone besteht dabei zwischen dem not-
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 269

wendigen flexiblen Umgang mit Institutional Voids und der Einhaltung


juristischer, westlicher Standards. Dies ist von besonders großer Bedeutung
für AMNEs, da sie zwischen der Nutzung von Geschäftsmöglichkeiten (und
eventuellen rechtlichen Sanktionen) und korrektem Geschäftsverhalten (und
einem eventuellen Verzicht auf die Nutzung wirtschaftlicher Möglichkeiten)
abwägen müssen.

3. Mögliche Konsequenz der Existenz informeller Geschäftspraktiken


für FDI und Export
Das oben skizzierte Dilemma wirft die Frage auf, ob Institutional Voids
einen abschreckenden Einfluss auf das AMNE-Verhalten in Entwicklungs-
und Schwellenländern ausüben. Es lässt sich vermuten, dass westliche Un-
ternehmen aufgrund des hohen Risikos, das mit der Wahrnehmung informel-
ler Geschäftspraktiken in ihren Heimatländern einhergeht, hohe Transakti-
onskosten fürchten müssen. Falls AMNEs daher direkte Geschäftsaktivitäten
in durch Institutional Voids geprägten Märkten vermeiden, sind aber gleich-
ermaßen Nachteile für die Gesellschaft vor Ort und für AMNEs wahrschein-
lich. Die Gesellschaft in den Entwicklungs- und Schwellenländern könnte
nicht von der Kapitalstärke der AMNEs profitieren, während die Unterneh-
men keinen Zugang zu Faktorvorteilen und Ressourcen, die zur Wertschöp-
fung benötigt werden, hätten. Darüber hinaus würde der Gesellschaft vor Ort
eine Entwicklung hin zu höheren institutionellen Standards verwehrt, da
Marktteilnehmer mit einem institutionell entwickelten Hintergrund fehlen
würden.
Als Folge dieser Überlegung können zwei Hypothesen formuliert werden.
Ausgangspunkt ist die Annahme, dass viele Unternehmen schlussendlich
nicht bereit sind, die durch Institutional Voids verursachten Internationali-
sierungsrisiken in Entwicklungs- und Schwellenländern zu tragen. Unter-
nehmen aus institutionell entwickelten Ländern würden zögern, bevor sie in
Entwicklungs- und Schwellenmärkte investieren – trotz der wachsenden
Bedeutung dieser Regionen. Falls dies der Fall ist, neigen sie dazu, in einem
institutionell relativ vertrauten Umfeld zu bleiben, obgleich sie infolgedes-
sen mit wesentlich höheren Kosten operieren müssen (beispielsweise auf-
grund von Faktornachteilen). Diese Konstellation ginge mit einer Loss-Loss-
Situation einher: Das Fehlen von AMNEs behindert die institutionelle Ent-
wicklung der Gesellschaft vor Ort, während die Unternehmen es versäumen,
270 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

das volle Potential der Entwicklungs- und Schwellenländer auszuschöpfen.


Darüber hinaus erscheint es wahrscheinlich, dass es einen Zusammenhang
zwischen dem institutionellen Umfeld des Ziellands und dem institutionellen
Umfeld im Heimatmarkt der internationalisierenden MNEs gibt. Mit anderen
Worten: Entwicklungs- und Schwellenländer mit institutionellen Defiziten
ziehen Direktinvestitionen aus Ländern mit einer höheren Toleranz gegen-
über informellen und etwaigen unethischen Geschäftspraktiken an.
Die in Bezug auf Direktinvestitionen erwähnten Beziehungen sind womög-
lich bei exportbasierter Internationalisierung sogar noch offensichtlicher.
Diese Überlegung gründet auf der Annahme, dass MNEs aus Entwicklungs-
und Schwellenländern in puncto Kapitalausstattung im Nachteil sind. Kapi-
tal ist jedoch eine „conditio sine qua non“ für Internationalisierung per Di-
rektinvestitionen. Folglich sollte der Markteintritt durch Export die von
EMNEs präferierte Form sein. Im Fall exportbasierter Internationalisierun-
gen dürfte sich daher eine stärkere Überrepräsentierung von solchen MNEs
in Entwicklungs- und Schwellenländern beobachten lassen.

III. Empirische Untersuchung FDI- und exportbezogener


Verhaltensmuster in Entwicklungs- und Schwellenländern
Um die genannten Hypothesen zu testen, wurden bilaterale Direktinvestiti-
onsströme sowie bilaterale Handelsdaten von 82 Volkswirtschaften („Ziel-
und Herkunftsländer“) herangezogen (die entsprechenden Daten beziehen
sich auf das Jahr 2012). Diese Volkswirtschaften unterscheiden sich dabei
durch ihren je spezifischen Grad der institutionellen Entwicklung. Zu dessen
Operationalisierung wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der
Corruption Perception Index (CPI) von Transparency International (eben-
falls bezogen auf das Jahr 2012) als Proxy für die institutionelle Entwick-
lung verwendet: Je geringer der CPI, desto geringer die institutionelle Ent-
wicklung einer Volkswirtschaft. Neben dem Grad der institutionellen Ent-
wicklung eines Ziellandes ist außerdem die institutionelle Entwicklung der
jeweiligen Herkunftsländer der Direktinvestitionen und Importe von Interes-
se. Cuervo-Cazurra (2006), der die Wirkung von Korruption auf Direktin-
vestitionen untersucht hat, kam zu dem Schluss, dass sich die meisten Stu-
dien, welche die Auswirkungen von Korruption auf Direktinvestitionen
untersucht haben, auf ein bestimmtes Herkunftsland der Direktinvestitionen
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 271

oder auf eine Gruppe von entwickelten (oftmals OECD) Volkswirtschaften


konzentriert haben. Die vorliegende Untersuchung ist dagegen spezifisch an
den Auswirkungen der unterschiedlichen Verhältnisse in Industriestaaten
und Entwicklungs- und Schwellenländern interessiert. Für die Analyse der
Beziehung zwischen der institutionellen Entwicklung der Gastländer und der
Herkunftsländer sowohl für Direktinvestitionen als auch für Exporte werden
insofern auch die Daten von Entwicklungs- und Schwellenländer einbezo-
gen. Deshalb sind Länder mit einem CPI-Minimalwert von 19 (Venezuela)
und einem Maximalwert von 90 (Dänemark, Neuseeland) berücksichtigt
worden. Die vollständige Liste der analysierten Volkswirtschaften befindet
sich im Anhang.
Für jedes Zielland konnte ein spezifischer Grad der institutionellen Entwick-
lung für die Herkunftsländer der Direktinvestitionen bestimmt werden. Es
wurde ein gewichteter Durchschnitt aller bilateralen Direktinvestitionszu-
ströme eines Ziellands unter Berücksichtigung des Grads der institutionellen
Entwicklung des jeweiligen Herkunftslandes berechnet. Die Daten für die
Analyse der Direktinvestitionsströme stammen ausschließlich von der Uni-
ted Nations Conference on Trade and Development (UNCTADstat).

ࢍࢋ࢝࢏ࢉࢎ࢚ࢋ࢚ࢋ࢘ࡰ࢛࢘ࢉࢎ࢙ࢉࢎ࢔࢏࢚࢚࢞ ൌ ࢝૚ ࢞૚ ൅  ࢝૛ ࢞૛ ǥ ࢝࢔ ࢞࢔
w = relative Gewichtung (%) auf Basis der Direktinvestitionszuströme
(bzw. der Importe) in das betrachtete Zielland
x = CPI des jeweiligen FDI Herkunftslandes
(bzw. CPI des Importherkunftsland)

Bei Importen wurde analog verfahren. Für jedes importierende Zielland


wurde ein gemitteltes Importherkunftsland (d. h. das Land, das in das jewei-
lige Zielland exportiert) mit einem genauen Grad der institutionellen Ent-
wicklung berechnet. Wieder wurden bilaterale Handelsdaten genutzt, die
diesmal allerdings vom International Trade Centre der UNCTADstat und der
WTO bezogen wurden. Auf die beschriebene Weise gelang es, einen CPI für
ein gemitteltes Direktinvestitionsherkunftsland sowie den CPI für ein gemit-
teltes Importherkunftsland für jedes der 82 betrachteten Länder zu bestim-
men. Mithilfe dieser Daten kann untersucht werden, ob eine Beziehung zwi-
272 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

schen dem institutionellen Hintergrund eines Ziellands und dem institutio-


nellen Hintergrund eines Direktinvestitions- oder Importherkunftslands
besteht.
Mit dem CPI des Ziellands („Host Country CPI“) und dem CPI des gemittel-
ten Direktinvestitionsherkunftslands („Averaged Country of FDI Origin
CPI“) einerseits und dem CPI des Ziellands („Host Country CPI“) und dem
CPI des gemittelten Importherkunftslands („Averaged Exporting Country
CPI“) andererseits wurden zwei verschiedene Korrelationen zwischen den
Dimensionen hergestellt. Oft werden die Fähigkeiten einer deskriptiven
Analysemethode, die kausalen Verknüpfungen zwischen zwei Dimensionen
zu erklären, als sehr beschränkt angesehen. Nichtsdestoweniger handelt es
sich im Rahmen dieser Analyse um ein angemessenes Werkzeug, da die
Untersuchung weniger an Kausalität und mehr an der Identifizierung einer
allgemeinen Beziehung zwischen dem CPI des Ziellands und dem CPI des
gemittelten Direktinvestitionsherkunftslands beziehungsweise dem CPI des
gemittelten Importherkunftslands interessiert ist. Kausalität stünde dann im
Mittelpunkt des Interesses, wenn angenommen würde, dass die Veränderung
der institutionellen Entwicklung eines Direktinvestitionsherkunftslands be-
ziehungsweise eines Importherkunftslands eine Auswirkung auf den Grad
der institutionellen Entwicklung eines Ziellands habe. Dies erscheint jedoch
nicht plausibel und wird folglich vernachlässigt.
Bei der Betrachtung von Direktinvestitionen wurde ein Korrelationskoeffi-
zient nach Pearson von 0,366 für die Beziehung zwischen dem CPI des Ziel-
lands und dem CPI des Herkunftslands gemessen. Die Korrelation ist signi-
fikant auf einem Niveau von 0,01 (zweiseitig, vgl. Tabelle 1). Dies unter-
stützt die erste der zwei zuvor genannten Hypothesen. Es wurde angenom-
men, dass AMNEs Direktinvestitionen in institutionell weniger entwickelten
Volkswirtschaften vermeiden, und dass gleichzeitig Entwicklungs- und
Schwellenländer besonders attraktive Direktinvestitionsmärkte für EMNEs
darstellen.
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 273

Abbildung 1: ‘Host Country CPI’ und zunehmendes ‘Averaged Country of


FDI Origin CPI’ (UNCTADstat).

90 R² = 0,1342

80
Averaged Country of FDI Origin CPI

70

60

50

40

30
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Host Country CPI

Die Analyse der Daten verdeutlicht (vgl. Abbildung 1), dass Volkswirtschaf-
ten mit einem geringen CPI (was für das Vorliegen institutioneller Defizite
und eine hohe Toleranz für informelle Geschäftspraktiken spricht) mehr
Direktinvestitionen aus Ländern erhalten, die institutionell ähnlich gering
entwickelt sind. Das bedeutet, dass MNEs aus institutionell entwickelten
Ländern, d. h. AMNEs, in den jeweiligen Märkten weniger vertreten sind
und – im Umkehrschluss – dass Unternehmen aus Entwicklungs- und
Schwellenländern, d. h. EMNEs, relativ häufig in diesen Märkten vorzufin-
den sind.
274 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

Tabelle 1: Korrelation zwischen ‘Host Country CPI’ und ‘Averaged


Country of FDI Origin CPI’ (UNCTADstat).

Correlation (for FDI)


Host Country CPI Averaged Country
of FDI Origin CPI

Pearson‘s Correlation 1 ,366 **

Host Country CPI Significance (two-tailed) ,001

N 82 82

Pearson‘s Correlation ,366** 1


Averaged Country
Significance (two-tailed) ,001
of FDI Origin CPI
N 82 82

** The correlation is significant at the level of 0.01 (two-tailed).

In Bezug auf Exporte war es möglich, eine noch deutlichere Beziehung zwi-
schen dem CPI des Ziellands und dem CPI des gemittelten Importherkunfts-
lands festzustellen. Es wurde ein Korrelationskoeffizient nach Pearson von
0,644 gemessen, welcher ebenfalls auf einem Niveau von 0,01 signifikant
war (zweiseitig, vgl. Tabelle 2), was die zweite der genannten Hypothesen
unterstützt.
Mit Bezug auf Tabelle 2 und das Streudiagramm in Abbildung 2 kann eine
deutliche Korrelation zwischen der institutionellen Entwicklung eines Ziel-
lands und der institutionellen Entwicklung der in das Zielland exportieren-
den Länder beobachtet werden. Im zweiten Abschnitt der vorliegenden Un-
tersuchung wurde argumentiert, dass eine mögliche Überrepräsentierung von
EMNEs bzw. Unterrepräsentierung von AMNEs in Entwicklungs- und
Schwellenländern noch deutlicher für den Fall einer exportbasierten Interna-
tionalisierung ausgebildet sein müsste, da der Markteintritt durch Export für
EMNEs aufgrund eines geringeren Kapitalbedürfnisses die präferierte Form
sein sollte. Diese Überlegung scheint durch die vorliegenden Daten gestützt
zu werden. Es kann durchaus angenommen werden, dass Entwicklungs- und
Schwellenländer Geschäftspartner aus eben jenen Volkswirtschaften anzie-
hen, die ebenfalls institutionell wenig entwickelt sind. Neben anderen Fakto-
ren könnte diese Situation dadurch erklärt werden, dass die Entwicklungs-
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 275

und Schwellenländer von AMNEs gemieden werden. Es scheint, dass die


öffentlichen Erwartungen an das Verhalten von AMNEs in Entwicklungs-
und Schwellenländern nicht den institutionellen Realitäten vor Ort entspre-
chen. Leider gilt dies auch für solche informelle Geschäftspraktiken, die
überhaupt erst Markttransaktionen ermöglichen. In Anbetracht der oben
wiedergegebenen Daten dürfte daher eine Diskussion der möglichen Vortei-
le informeller Geschäftspraktiken angebracht sein.

Abbildung 2: ‘Host Country CPI’ und zunehmendes ‘Averaged Exporting


Country CPI’ (International Trade Centre).

80
R² = 0,4143

70
Averaged Exporting Country CPI

60

50

40

30
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Host Country CPI
276 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

Tabelle 2: Korrelation zwischen ‘Host Country CPI’ und ‘Averaged


Exporting Country CPI’ (International Trade Centre).

Correlation (for Export)


Host Country CPI Averaged Export-
ing Country CPI

Pearson‘s Correlation 1 ,644**

Host Country CPI Significance (two-tailed) ,000

N 82 82

Pearson‘s Correlation ,644** 1


Averaged
Exporting Country Significance (two-tailed) ,000
CPI
N 82 82

** The correlation is significant at the level of 0.01 (two-tailed).

IV. „Trading Favors“ als Mittel gegen Institutional Voids


In letzter Zeit ist die Zahl von Veröffentlichungen gewachsen, welche die
Thematik des Austauschs von Gefälligkeiten, sogenanntes „Trading Fa-
vors“, in verschiedenen Kontexten beleuchten. Dabei ist auffällig, dass
„Trading Favors“ häufig mit negativen Gesichtspunkten wie Korruption
assoziiert wird (vgl. Cockroft 1996; Volkema 1999; Lee et al. 2005; Chen et
al. 2010; Jensen et al. 2010; Kalla 2010). In einem jüngeren Beitrag wird
jedoch auch eine wohlwollendere Interpretation von „Trading Favors“ auf
Basis der Transaktionskostenökonomie (TKÖ) vorgenommen. Verbeke/
Kano (2012) haben hier mit der Entwicklung einer Klassifizierung einen
wichtigen konzeptuellen Beitrag geliefert. Nach Verbeke/Kano kann „Trad-
ing Favors“ folgendermaßen definiert werden: „Trading favors, meaning the
informal transfer of goods, services or opportunities based on expected re-
ciprocation in the future, is a common business practice. Trading favors is
found especially in emerging economies, where formal market institutions
are typically less developed, and weak contractual rights protection is perva-
sive. In conceptual terms, trading favors can be described as the utilization
of informal modes of exchange within the formal sector“ (Verbeke/Kano
2012: S. 2). Die zuvor erwähnten chinesischen Guanxi- oder russischen
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 277

Blat-Netzwerke sind passende Beispiele in diesem Sinne. Verbekes/Kanos


Klassifizierung liegt die Annahme zugrunde, dass „Trading Favors“ zu-
nächst auf einzelwirtschaftlicher Ebene entweder zur Reduzierung von
Transaktionskosten oder aber zur Exklusion von Wettbewerbern beitragen
kann. Gleichzeitig kann „Trading Favors“ auf gesellschaftlich-volkswirt-
schaftlicher Ebene ein Wettbewerbshindernis oder aber einen „Institutional
Void Filler“ (im Sinne von Verbeke/Kano 2012) darstellen. Sofern nun
„Trading Favors“ einzelwirtschaftlich zur Reduzierung von Transaktions-
kosten führt und gesamtwirtschaftlich als „Institutional Void Filler“ wirkt,
ist diese informelle Geschäftspraktik wohlwollend zu bewerten, da sie
Transaktionen in Märkten effizient und gleichzeitig nicht exkludierend er-
möglicht. Grundsätzlich sollte der Austausch von Gefälligkeiten also so zur
Reduktion von Institutional Voids beitragen, als dass überhaupt erst ein
funktionierendes Wettbewerbsumfeld geschaffen und insofern eine global
positive (d.h. für die Gesellschaft vor Ort und für MNEs) Wirkung erzielt
wird.
Allerdings sind – wie bereits dargelegt – informelle Geschäftspraktiken und
damit auch „Trading Favors“ alles andere als beliebt bei AMNEs. Diese
folgen meist der klassischen Interpretation (im Sinne von Bestechung) und
verbannen entsprechende Geschäftspraktiken. Vor diesem Hintergrund wird
in diesem Abschnitt diskutiert, wie eine weniger rigide Haltung zu informel-
len Geschäftspraktiken wie „Trading Favors“ dazu beitragen könnte, die
Unterrepräsentierung von MNEs aus institutionell entwickelten Ländern in
durch Institutional Voids geprägten Volkswirtschaften zu überwinden.
Zweifelsohne kann „Trading Favors“ bzw. eine informelle Geschäftspraxis
allgemein anhand verschiedener Konzepte untersucht und bewertet werden.
Wie bereits oben erwähnt wurde, haben sich verschiedene Autoren diesem
Thema in unterschiedlichen Kontexten und aus verschiedenen Perspektiven
angenähert. Entsprechende Zugänge bestehen bspw. aus der Perspektive des
Strategischen Managements, der Unternehmensethik oder der Corporate
Governance-Forschung. Andere Autoren haben sich des Themas etwa unter
dem Gesichtspunkt der Property Rights (vgl. bspw. Jagannathan 1986), unter
Einnahme einer soziokulturellen Perspektive (vgl. bspw. Armstrong 1992;
Davis/Ruhe 2003; Husted 1999) oder durch Konzentration auf die Economic
Rent Seeking Theory (vgl. Besley/McLaren 1993; Murphy et al. 1993) an-
genommen. Und schließlich wurde „Trading Favors“ auch schon vor Verbe-
278 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

ke/Kano – etwa durch Puffer et al. (2010) und Husted (1994) – institutionen-
theoretisch und transaktionskostenökonomisch analysiert; hierbei dominierte
aber – wie bei den meisten anderen Arbeiten – die Interpretation im Sinne
von „negative spill-overs“, die den Wettbewerb einschränken.
Der angesprochene jüngere Beitrag von Verbeke/Kano (2012) deutet jedoch
darauf hin, dass dieses Bild unvollständig ist (vgl. auch Fisman/Wang 2010
oder Mudambi et al. 2013). Ihrer Ansicht nach könnte „Trading Favors“
unter den oben genannten Bedingungen das Potential zur Effizienzsteige-
rung in Märkten bieten. Ausgehend von diesem neuen Blickwinkel sind
„negative spill-overs“ nicht unbedingt eine unausweichliche Folge. Im Ge-
genteil könnte der Austausch von Gefälligkeiten durch das Einsparen von
Transaktionskosten sowohl für das operierende Unternehmen als auch für
Gesellschaften in Entwicklungs- und Schwellenländern zu Vorteilen führen
(vgl. Verbeke/Kano 2012).
Mit ihrer Bewertung von „Trading Favors“ auf Basis der Transaktionskos-
tenökonomie haben Verbeke/Kano einen interessanten theoretischen Beitrag
geliefert. Sie haben richtigerweise festgestellt, dass getauschte Gefälligkei-
ten unter Umständen effizient und vorteilhaft für alle Marktparteien sein
können. Deshalb sollte dem Thema „Trading Favors“ im Kontext des Inter-
nationalen Managements eine größere Relevanz zukommen: Falls AMNEs
eine rechtliche Möglichkeit hätten, an einem Austausch von Gefälligkeiten
lokaler Marktteilnehmer teilzunehmen, könnten Institutional Voids über-
wunden und so Transaktionskosten gesenkt werden. Dieser Gesichtspunkt
könnte die Effizienz in der globalen Wertschöpfungskette erhöhen und
Wettbewerbsvorteile gegenüber Wettbewerbern schaffen, die sich von durch
Institutional Voids geprägten Zielmärkten fernhalten.
Ohne einen größeren Spielraum für Zielmarktmanager ist es aber schwierig,
strategisch in den entsprechenden Märkten zu agieren. Für multinational
tätige Unternehmen ist dies ein Thema von beträchtlicher strategischer Be-
deutung: Wenn sie sich aufgrund der anscheinend hohen Transaktionskosten
als Ergebnis von Institutional Voids aus komplexen und schwierigen Märk-
ten zurückziehen, gehen die Unternehmen das Risiko ein, nicht das volle
Potential der internationalen Geschäftstätigkeit auszuschöpfen. Aber hohe
Transaktionskosten können auf lange Sicht durch positive informelle Ge-
schäftspraktiken wie „Trading Favors“ mit lokalen Marktteilnehmern redu-
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 279

ziert bzw. absorbiert werden. Wie in diesem Beitrag dargelegt wurde, gibt es
allerdings nur einen schmalen Grat zwischen unethischen Geschäftsprakti-
ken und Effizienzgewinnen durch tolerierbare informelle Geschäftspraktiken
wie „Trading Favors“.

V. Fazit
Grundsätzlich sollten informelle Geschäftspraktiken sowohl in ihrer wett-
bewerberexkludierenden als auch in ihrer potentiell wettbewerbsförderlichen
Ausprägung wahrgenommen werden. Obgleich es gerechtfertigt und erfor-
derlich ist, dass AMNEs daran gehindert werden, an möglichen wettbewer-
berexkludierenden Aktivitäten teilzunehmen, erscheint die Blockierung
potentiell global vorteilhafter Praktiken wie „Trading Favors“ nicht vernünf-
tig. Dies beruht auf der Überlegung, dass viele Entwicklungs- und Schwel-
lenländer durch Institutional Voids geprägt sind, welche informelle Instituti-
onen und Geschäftspraktiken erfordern, um Markttransaktionen überhaupt
erst zu ermöglichen. Geschäftsaktivitäten wie „Trading Favors“ besitzen
daher sowohl für die Gesellschaften in den Entwicklungs- und Schwellen-
ländern als auch für AMNEs durchaus auch das Potential, gleichermaßen
vorteilhaft zu sein.
Die mit der Untersuchung aufgezeigte deutliche Korrelation zwischen der
institutionellen Entwicklung eines Internationalisierungs-Ziellands und der
institutionellen Entwicklung der Direktinvestitionsherkunftsländer bezie-
hungsweise der Importherkunftsländer ist so zu interpretieren, dass entspre-
chende Aktivitäten von EMNEs verhältnismäßig (im Vergleich zu AMNEs)
häufig in (jeweils ausländischen) Entwicklungs- und Schwellenländern vor-
zufinden sind. Bemerkenswerterweise ist dies bei einem Markteintritt per
Export (im Vergleich zu Markteintritt per Direktinvestition) noch stärker der
Fall – möglicherweise aufgrund der geringeren Kapitalerfordernisse, welche
EMNEs gelegen kommen. Vieles spricht dafür, dass Institutional Voids in
entsprechenden Märkten sowie rigide ethische Geschäftsrichtlinien in den
Heimatmärkten (der AMNEs) zu diesem Ungleichgewicht beitragen. An-
scheinend meiden Unternehmen aus institutionell entwickelten Ländern
Geschäftsaktivitäten in durch Institutional Voids geprägten Märkten. Stren-
ge ethische Geschäftsrichtlinien erhöhen die Transaktionskosten für diese
280 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

Unternehmen sowohl im Heimatmarkt als auch in den Entwicklungs- und


Schwellenmärkten.
Ist daraus nun zu schließen, dass AMNE-Manager mehr Spielraum für in-
formelle Geschäftspraktiken haben sollten? Für potentiell positiv zu bewer-
tende Aktivitäten wie „Trading Favors“ in Zielmärkten mit Institutional
Voids sollte die Antwort „ja“ lauten. Das Fehlen von AMNEs in Entwick-
lungs- und Schwellenmärkten behindert die Entwicklung der dortigen Ge-
sellschaften – sowohl ökonomisch als auch institutionell. Wenn keine AM-
NEs vor Ort sind, wird das Feld den EMNEs überlassen, welche nicht unter
den wachsamen Augen einer kritischen Öffentlichkeit in ihrem Heimatmarkt
operieren und damit auch keine günstigen institutionelle Standards in Ent-
wicklungs- und Schwellenländern setzen können. Mit diesem Beitrag soll
allerdings keineswegs der Eindruck erweckt werden, dass unethische Ge-
schäftspraktiken unterstützungswürdig seien. Tatsächlich könnte mehr Spiel-
raum für informelle Geschäftspraktiken zu missbräuchlichem Verhalten
führen. Da solche Aktivitäten auch zur Exklusion von Wettbewerbern führen
können, ist eine Unterscheidung zwischen positiven und negativen informel-
len Geschäftspraktiken grundlegend für die in diesem Beitrag dargelegten
Überlegungen. In der Praxisdimension kommt daher AMNE-Managern in
Entwicklungs- und Schwellenändern eine erhebliche Verantwortung (auch
im Sinne einer entsprechenden Ethik) in Bezug auf die Differenzierung zwi-
schen exkludierenden und einzel- sowie gesamtwirtschaftlich vorteilhaften
informellen Geschäftspraktiken zu. Nichtsdestoweniger steht eine wesentli-
che Frage aber weiterhin im Raum: Wie können AMNEs mit der Herausfor-
derung der Institutional Voids in Entwicklungs- und Schwellenländern und
einer gleichzeitigen Erfüllung der ethisch-moralischen Erwartungen der
Öffentlichkeit in ihren Heimatmärkten umgehen? Unreflektierte ethische
Richtlinien – nach dem heutigen Stand – sind dabei allerdings für kaum
jemanden vorteilhaft. Deshalb sollte die Frage nach dem richtigen Grad an
informellen Geschäftspraktiken in der Literatur des internationalen Mana-
gements in Zukunft stärker behandelt werden.
Schlussendlich werfen die präsentierten Korrelationsergebnisse weitere
Fragen auf. Neben der Vermutung, dass Institutional Voids und ein Mangel
an Toleranz in Bezug auf harmlose informelle Geschäftspraktiken in AM-
NE-Heimatmärkten für das (relative) Desinteresse von AMNEs an Entwick-
lungs- und Schwellenländern verantwortlich sind, erscheinen auch andere
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 281

Ursachen als plausibel. Die geographische Nähe des Stammlandes von EM-
NEs zu (anderen) institutionell schwach entwickelten Volkswirtschaften
könnte beispielsweise eine solche Ursache sein. Weitere Untersuchungen
zum verhältnismäßig geringen Engagement von AMNEs in Entwicklungs-
und Schwellenmärkten sowie zu der Akzeptanz informeller Geschäftsprakti-
ken in AMNE-Heimatmärkten bieten also das Potential, innovative Konzep-
tualisierungen und interessante Forschungsergebnisse zutage zu fördern.

Literatur

Armstrong, Robert W. (1992): An Empirical Investigation of International Marketing Ethics: Prob-


lems Encountered by Australian Firms, in: Journal of Business Ethics, Vol. 11, Issue 3, S. 161 –
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284 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

Anhang

Averaged Country Averaged Export-


Host Country Host Country CPI
of FDI Origin CPI ing Country CPI

Republic of Armenia 34 65 45
Australia 85 74 60
Austria 69 68 66
Republic of Azerbaijan 27 66 52
Kingdom of Bahrain 51 43 56
Bangladesh 26 60 49
Belarus 31 47 39
Belgium 75 69 69
Bhutan 63 67 43
Bolivia 34 62 49
Bosnia and Herzegovi- 42 62 51
Botswana 65 69 51
Brazil 43 80 60
Bulgaria 41 67 49
Canada 84 73 62
Chile 72 69 54
P.R. China: Hong Kong 77 60 54
P.R. China: Mainland 39 76 56
Costa Rica 54 58 61
Croatia 46 69 55
Cyprus 66 36 56
Czech Republic 49 75 60
Denmark 90 80 70
El Salvador 38 54 54
Estonia 64 77 61
Finland 90 78 61
France 71 77 62
Germany 79 73 61
Greece 36 77 51
Institutional Voids als Herausforderung internationaler Unternehmenstätigkeit 285

Averaged Ex-
Host Country Averaged Country
Host Country porting Country
CPI of FDI Origin CPI
CPI
Hungary 55 66 61
Iceland 82 84 69
India 36 72 53
Indonesia 32 58 59
Ireland 69 80 68
Israel 60 79 65
Italy 42 77 58
Japan 74 82 54
Kazakhstan 28 71 42
Korea 56 73 56
Kuwait 44 68 58
Kyrgyz Republic 24 60 41
Latvia 49 70 60
Lithuania 54 77 53
Luxembourg 80 72 72
Macedonia, FYR 43 65 51
Malaysia 49 80 60
Mali 34 74 47
Malta 57 62 55
Mauritius 57 60 51
Mexico 34 73 64
Montenegro, Republic 41 59 48
Mozambique 31 63 55
Nepal 27 77 41
Netherlands 84 68 62
New Zealand 90 82 62
Nigeria 27 52 56
Norway 85 79 69
Pakistan 27 66 54
Panama 38 56 59
Paraguay 25 51 47
286 Michael-Jörg Oesterle und Björn Röber

Averaged Ex-
Host Country Averaged Country
Host Country porting Country
CPI of FDI Origin CPI
CPI
Philippines 34 80 60
Poland 58 72 58
Portugal 63 71 58
Romania 44 73 58
Russian Federation 28 69 56
Senegal 36 51 53
Serbia, Republic of 39 74 52
Seychelles 52 57 61
Singapore 87 68 56
Slovenia 61 75 58
South Africa 43 72 55
Spain 65 63 56
Sweden 88 80 70
Switzerland 86 77 66
Thailand 37 37 58
Turkey 49 65 52
Uganda 29 76 50
Ukraine 26 63 47
United Kingdom 74 74 66
United States 73 76 54
Venezuela, Republica
19 74 56
Bolivariana de
Zambia 37 64 46
Airbus – Managing the legacy of a complex international
merger1

Stefan Schmid and Frederic Altfeld

When two or more firms engage in a merger, it is usually a highly complex


and challenging transaction. It is common wisdom that approximately 50%
of all mergers are considered failures (Schuler/Jackson 2001, p. 240,
Buckley/Ghauri 2002, p. 1 and Kumar 2009, p. 115). In an international
merger, the potential difficulties are often even greater, and they can be due
to, for instance, cultural, geographic, or economic differences (Barmeyer/
Mayrhofer 2008, pp. 28 – 29). The case of Airbus represents a cross-border
merger with additional complexity mainly because of idiosyncrasies in the
industry environment, such as the strong involvement of political and
governmental actors. Therefore, since its inception, Airbus has not only
faced fierce competition with its powerful US rival, Boeing, but also
constantly struggled with the legacy of being the result of an international
merger. The present case will outline some antecedents and consequences of
the Airbus merger and discuss the major challenges of Airbus’ international
configuration and coordination strategies.2

1
Parts of this case are based on Schmid et al. (2013).
2
For many decades, Alexander Gerybadze has been interested in the challenges resulting
from complex value chains in MNCs. In particular, many of his contributions have
focused on the management of highly dispersed R&D activities. See, for instance,
Gerybadze (1997). In one of his most recent studies, he investigated the R&D location
strategies of 55 companies, one of them being EADS, i.e., the company that is at the
centre of this case. See Gerybadze/Merk (2014).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_15
288 Stefan Schmid and Frederic Altfeld

I. Airbus’ starting years

1. Airbus’ foundation as Europe’s response to US dominance in the


aviation industry
In the late 1960s, the worldwide commercial aircraft industry was dominated
by large US manufacturers, such as McDonnell Douglas, Lockheed and,
most important, Boeing. Founded in 1916, Boeing was active in both civil
and military aviation. Before and during World War II, the company was
able to benefit from immense US government spending on military aircraft
(Harrison 2011, p. 373).3 Leveraging its experience in military R&D and
manufacturing, the company led technological progress in commercial
aircraft manufacturing. Examples of its landmark developments are the
B707, the first commercially successful airliner with jet engine propulsion,
and the so-called “jumbo jet” B747. The B747, the development of which
started in 1965, was designed to carry more than twice the number of
passengers compared to the largest airliner operating at that time (Braun-
berger 2006, p. 43). The size and technological capabilities of Boeing and
other US manufacturers gave these companies an advantage with which
European companies could not compete by themselves.
At that time, the European aviation industry comprised several small,
national manufacturers, such as Hawker Siddeley Aviation (UK), Sud
Aviation (France) and Hamburger Flugzeugbau GmbH (Germany). Each of
them alone lacked the resources necessary to develop a large aircraft that
could compete with US-made jets (Braunberger 2006, p. 22 and Airbus
Group 2015a). The European aviation industry’s share in the worldwide
aviation market had fallen to 10% in the late 1960s, and European
manufacturers were in danger of becoming little more than sub-contractors
to the leading US companies (Enders 2009, p. 15 and Airbus Group 2015a).
Given this situation, European politicians and industry leaders
acknowledged the need for international collaboration to break US
dominance. They envisioned a joint programme of aircraft development and
production that would combine the resources and expertise of various

3
Interestingly, Alexander Gerybadze also published a contribution in which he links the
defence and aerospace industry to industrial policy as well as to national and international
economics. See Gerybadze (1988).
Airbus – Managing the legacy of a complex international merger 289

companies. In 1969, after several years of negotiations, French transport


minister Jean Chamant and German economics minister Karl Schiller signed
an agreement officially launching the A300 project, a twin engine mid-range
aircraft (Braunberger 2006, p. 30). It was to be developed and produced by
Airbus, which was formally established in December 1970 as a consortium
of Aérospatiale from France and Deutsche Airbus from Germany. In 1971,
CASA from Spain joined the consortium, and it was followed by British
Aerospace from the UK in 1979 (Airbus Group 2015a).

2. Specific characteristics of the aviation industry


The early days of Airbus portray two specific characteristics of the
commercial aviation industry. First, companies need to produce on a large
scale. The design and development of a new aircraft requires very high,
mostly irreversible up-front investments. Firms need to sell vast numbers of
the new aircraft to recoup the billions spent in this phase. Before any profit
can be made, it may take about ten years to amortize the initial costs
(Braunberger 2006, p. 14). Manufacturers need to produce aircraft in great
quantities not only because the up-front investments are high but also
because economies of scale and learning curve effects are of vital im-
portance in the aviation industry. Learning curve effects are especially
significant because the production of a large aircraft is a highly complex
process that involves millions of components and thousands of activities. As
the cumulative number of aircraft manufactured increases, learning effects
occur because the workforce gains experience in these processes. Economies
of scope are also crucial. Major aircraft companies produce not just a single
type of aircraft but a whole fleet of different models. If several models share
certain production stages, learning effects achieved in the production of one
model also reduce the production costs of other models. In addition,
economies of scope also arise because newly developed innovations can
have fleet-wide application and because the cost of materials can be lowered
through centralized procurement of common components (Klepper 1990,
pp. 777 – 778 and Braunberger 2006, p. 17).4

4
While innovation is not at the centre of this case study, research by Alexander Gerybadze
could provide interested readers with many insights. See, for instance, Gerybadze (2004)
and Gerybadze (2012). In addition, many of Alexander Gerybadze’s former doctoral
290 Stefan Schmid and Frederic Altfeld

A second specific feature of the commercial aviation industry is the strong


involvement of political and governmental actors. Traditionally, govern-
ments in America and Europe have considered the commercial aviation
industry to be strategically important for their respective home countries.
One reason for this is the close link between commercial and military
aviation. Technology transfer between both industry segments accelerates
technological progress. Furthermore, as companies typically produce both
civil and military aircraft, cyclical fluctuations in demand in one segment
can be offset by those in another segment. Another reason why a well-
functioning commercial aircraft industry is of great relevance is that it
provides high-technology, high-skill jobs in a specific country (Wright
1994, p. 6). Furthermore, as a symbol of military, economic and techno-
logical strength, the commercial aviation industry is often considered
important in terms of national prestige. Given the strategic importance of the
industry, it comes as no surprise that European governments were eager to
form a counterweight to US hegemony that already existed and was
potentially even increasing. A milestone in the genesis of Airbus was an
agreement signed by ministers from France, Germany and Britain in 1967.
In this agreement, the countries committed “for the purpose of strengthening
European co-operation in the field of aviation technology and thereby
promoting economic and technological progress in Europe to take
appropriate measures for the joint development and production of an airbus”
(Gordon 2014 and Airbus Group 2015a). Clearly, the European partners’
decision to cooperate was driven by not only a commercial and economic
rationale but also political reasons.

II. The merger: Airbus as part of EADS

1. The foundation of EADS


It took some time for Airbus’ first aircraft, the A300, to succeed in the
market. A breakthrough came in 1978 when Airbus managed to enter the US
market by signing a deal for 23 aircraft and nine options with Eastern

students or post-doctoral students show a strong interest in innovation research. See, for
example, Burr (2014, ed.).
Airbus – Managing the legacy of a complex international merger 291

Airlines. By the end of that decade, the European consortium had delivered
81 A300 aircraft to 14 airlines (Airbus Group 2015a). In doing so, Airbus
had proved its ability to compete in the world aviation market, and the
success encouraged the European partners to expand the Airbus product line.
Over the years that followed, Airbus developed and manufactured a range of
aircraft of different sizes to cover a greater number of market segments.
Although it was not until 1990 that Airbus made its first operating profit, the
European consortium continued to gain market share. In 1997, Airbus held a
30% share of the market for large passenger aircraft, while its main rival
Boeing, after a merger with its former US competitor McDonnell Douglas,
held 60% (Braunberger 2006, p. 109). One of the main advantages of
Boeing was its monopoly position in fulfilling the demand for very large
aircraft. In Airbus’ product portfolio, no aircraft matched the size of the
B747. As a result, Airbus could not offer the complete range of aircraft that
many airlines needed. Even airlines that relied on Airbus for most of their
fleet still had to turn to Boeing’s jumbo jet if they wanted to have a very
large aircraft. To break Boeing’s monopoly in this market segment, Airbus
took on the boldest project in its history: the development of the A380, the
world’s largest airliner (Cole 1999, p. A1 and Morgenstern/Plath 2005,
p. 103).
Over the years, Airbus’ set-up as a consortium reached its limits. The
organizational structure was opaque and complex, and decision making
concerning strategy, cost reduction or profit distribution grew lengthy and
complicated. To form a single integrated company, the German, French and
Spanish partners agreed on a merger. As a result, EADS (European
Aeronautic Defence and Space Company) was created in 2000, and it
bundled not only civil aviation but also the defence and aerospace activities
of the partnering firms. Airbus became a subsidiary of EADS, contributing
64% of total revenue (EADS 2001, pp. 2 – 3). Because the partnering firms
of the French and the German side were much larger than their Spanish
counterpart, the merger was mostly a Franco-German undertaking
(Barmeyer/Mayrhofer 2010, p. 3). EADS was promoted as a symbol of
European cooperation and integration. The merger would be “good for
France, good for Germany and good for Europe”, German chancellor
Gerhard Schröder stated when the contracts were signed (Deckstein/
Hawranek 1999, p. 129). However, behind the scenes there were tough
292 Stefan Schmid and Frederic Altfeld

negotiations between the partners about the distribution of power. To secure


control and equal influence on the company, France and Germany agreed on
shareholder parity, with both countries holding 30.2% of EADS’ capital.
The German shares were held by the German company DaimlerChrysler,
and the French shares were held by SOGEADE, a holding company
controlled by French conglomerate Lagardère and the French state
(Braunberger 2006, p. 121). Figure 1 provides an overview of the
organizational structure and the shareholder structure as of 2001.

Figure 1: Organizational structure and shareholder structure of EADS

Public, incl. EADS


SOGEADE
SEPI employees and
(Lagardère &
DaimlerChrysler (Spanish state about 3% held by
SOGEPA (French
holding) DaimlerChrysler and
state holding))
the French State

30.2% 30.2% 5.5% 34.1%

EADS
Revenues: 31.8

Airbus Military Aeronautics Defence & Civil Space


Transport Systems
Aircraft

Revenues: 20.5 Revenues: 0.5 Revenues: 5.1 Revenues: 3.3 Revenues: 2.4
% of total: 64 % of total: 2 % of total: 16 % of total: 10 % of total: 8

Revenues in € billion.
All numbers for fiscal year 2001.

Source: EADS 2001, pp. 2 – 3, 58 and Schmid et al. 2013, p. 77

2. EADS’ top management structure


The equality of the German and French partners was to be guaranteed not
only by parity in shareholdings but also through EADS’ top management
structure. The company adopted a “principle of symmetry”, meaning that top
management positions were staffed with an equal number of German and
French nationals. This principle was obvious in the composition of the
Board of Directors and the Executive Committee. The Board of Directors
was led by two chairmen, Jean-Luc Lagardère from France and Manfred
Airbus – Managing the legacy of a complex international merger 293

Bischoff from Germany. The remaining nine seats on the Board of Directors
were held by four German and four French representatives; additionally,
there was one director of Spanish nationality. Similarly, the Executive
Committee was headed by two CEOs: Philippe Camus from France and
Rainer Hertrich from Germany. The rest of the Executive Committee com-
prised the directors of the operating divisions and major functional
departments. Again, four positions were held by Germans, four by
Frenchmen, and one by a Spaniard (Barmeyer/Mayrhofer 2010, pp. 4 – 7).
While there was parity in the number of seats, the balance of power was
tilted in favour of France because Airbus, the most important division, was
led by a Frenchman. Figure 2 shows the composition of the Board of
Directors and the Executive Committee.

Figure 2: Board of Directors and Executive Committee of EADS

EADS Board of Directors

Jean-L. Lagardère (F) Manfred Bischoff (D)


Philippe Camus (F) Axel Arendt (D)
(Chairman) (Chairman)

Michael Rogowski (D) Rainer Hertrich (D) Eckhard Cordes (D) Louis Gallois (F)

Pedro Ferreras (E) Jean-R. Fourtou (F) Noël Forgeard (F)

EADS Executive Committee

Philippe Camus (F) Rainer Hertrich (D) Noël Forgeard (F)


Dietrich Russell (D)
Chief Executive Chief Executive President
Aeronautics Division
Officer Officer and CEO of Airbus

Jean-Paul Gut (F) Jean-L. Gergorin (F) Thomas Enders (D) Gustav Humbert (D)
EADS Strategic Defence and Civil Airbus Chief
International Coordination Systems Division Operating Officer

Axel Arendt (D) Alberto Fernández (E)


François Auque (F)
Chief Financial Military Transport
Space Division
Officer Aircraft Division

As of December 2001.

Source: EADS 2001, pp. 30, 59 and Barmeyer/Mayrhofer 2010, pp. 5 – 6


294 Stefan Schmid and Frederic Altfeld

A careful equilibrium of power was arranged between the partners. EADS


had its official head office in the Netherlands, where tax laws were favour-
able (Deckstein/Hawranek 1999, p. 130). However, the top managers con-
tinued to be based in their respective country and company of origin
(Barmeyer/Mayrhofer 2010, p. 5).
Because the initial top management contracts were signed for five years,
new contracts had to be negotiated in 2005. Once again, lengthy discussions
involving top managers and governments followed. In particular, Noël
Forgeard, the powerful president of Airbus, tried to increase French
influence. His plans to install a single leadership structure (with him as sole
CEO of EADS) that would replace the dual leadership structure failed
because of strong opposition from the German side. As a result, Airbus
maintained the dual structure with two chairmen and two CEOs of EADS.
To monitor the equal distribution of power, the German side even imposed a
system of “cross-reporting”. This meant that a French director of an EADS
subsidiary was obliged to report to the German CEO of EADS; the same was
true for a German director and the French CEO (Braunberger 2006,
pp. 126 – 127 and Barmeyer/Mayrhofer 2010, pp. 7 – 8).

3. Airbus’ configuration of production activities


The legacy of the merger was visible not only in EADS’ complicated
management structure but also in the configuration of its value chain
activities.5 The company sought to keep the highly decentralized cross-
border structures that had grown since the foundation of the initial
consortium. The configuration of Airbus’ activities in the production of the
A380 is one very illustrative outcome of this tradition.6
Similar to previous models, the A380 was produced in 16 different plants
dispersed across Germany, France, Spain and the UK. Apart from the
availability of resources and capabilities, political interests played a major
role in the allocation of production activities (Noack 2007, p. 13). Each of

5
For this paragraph, see Schmid et al. (2013), pp. 75 – 82.
6
While we focus on the configuration of production activities, other value chain activities
are also dispersed within MNCs in general and within Airbus in particular. See Schmid/
Grosche (2009), Kutschker/Schmid (2011), pp. 998 – 1008 or Grosche (2012). Dispersed
R&D activities have been investigated, for instance, by Gerybadze et al. (1997).
Airbus – Managing the legacy of a complex international merger 295

the 16 plants was responsible for the manufacturing or assembly of certain


components. For example, fuselage sections were manufactured in Hamburg
(Germany), nose and cockpit were manufactured in Saint-Nazaire and
Méaulte (France), wings were manufactured in Broughton (UK), and the
horizontal tail plane was manufactured in Getafe (Spain) (Spaeth 2005, p. 59
and Gordon 2014). In addition to the 16 Airbus plants, 120 suppliers and
additional partnering companies in Europe and in other parts of the world
were involved in producing the A380 (Noack 2007, p. 13).7
The dispersion of production plants resulted in highly complex logistics.
Components and pre-assembled sections of the A380 had to be transported
between the plants and, ultimately, to Toulouse (France), where the final
assembly took place. Larger parts were transported by sea, river and road;
smaller components were carried by Airbus’ fleet of so-called “Beluga”
aircraft, which were designed specifically for oversized cargo. Figure 3
provides an overview of some of the transportation routes. For transport by
water, Airbus ordered the construction of a new type of ship carrier, the
“Ville de Bordeaux”, which was 154 metres in length and designed
specifically for the A380 logistics. After collecting parts of the aircraft at
different plants in Europe, the “Ville de Bordeaux” would head for
Toulouse, but because of its size, it could reach only the port of Pauillac.
From there, the parts were loaded on to smaller ships or trucks. To facilitate
transport by road from Pauillac to Toulouse, Airbus and the French
government invested € 170 million in infrastructure. Although the
transportation of components seems excessive, it accounted for only 2% of
the overall costs of the A380 (Deckstein et al. 2004, p. 90).

7
Although this case study focuses on Airbus, it would be highly interesting to investigate in
greater detail the interdependencies with suppliers that lead to an even more complex
production network. During his research career, Alexander Gerybadze and his doctoral
students were interested not only in OEMs and their internationalization, but also in
suppliers. See, for instance, Stephan/Pfaffmann (1999) and Pfaffmann/Stephan (2001).
296 Stefan Schmid and Frederic Altfeld

Figure 3: Means of transport for A380 components

Transport by water
Transport by air GREAT BRITAIN
Transport by road

Broughton
Mostyn Hamburg

GERMANY

St-Nazaire

FRANCE

Pauillac
Langon
Toulouse

Getafe

SPAIN

Puerto Real

Cadiz
As of March 2006.

Source: Spaeth 2005, pp. 58 – 65 and Schmid et al. 2013, p. 80

III. The crisis and Airbus’ response

1. Airbus in crisis
In the years following the merger, Airbus managed to increase its market
share. The European company and its arch-rival Boeing dominated the
global market for large commercial aircraft and fought for supremacy. In
2003, Airbus managed for the first time to deliver more planes than Boeing,
thus becoming the world’s largest supplier of commercial aircraft, as
measured by plane deliveries (Gordon 2014). However, despite its success
in sales and deliveries, in 2006, Airbus entered the worst crisis in its history.
On the evening of 13 June 2006, after the close of trading, the company
shocked its stakeholders by announcing a six-month delay in the launch of
Airbus – Managing the legacy of a complex international merger 297

the A380 aircraft. It was estimated that the delay would cost Airbus € 500
million in lost annual profit for the period between 2007 and 2010. On the
day following the announcement, the share price of parent company EADS
plummeted by 26%, which slashed the company’s value by € 5.5 billion
(Anonymous 2006a). Airbus explained that technical difficulties with the
electrical wiring were the main cause for the delay. The market reaction was
particularly negative because in the previous year, Airbus had already
postponed the delivery deadline by six months. With the latest, unexpected
announcement, investors and customers lost confidence in Airbus’
capabilities to handle the complexities of the A380 project. Singapore
Airlines, the first customer of the A380, reacted immediately: after the delay
was announced, it ordered 20 of Boeing’s new 787 “Dreamliner” aircraft,
which were worth $ 4.5 billion at list price (Anonymous 2006a and
Anonymous 2006b). In addition to difficulties with the A380, Airbus faced
another challenge: the dollar’s weakness against the euro. Planes are usually
bought and sold in dollars, yet Airbus’ costs were mostly in euros. Thus,
Airbus faced higher costs and lower revenues, a situation that Airbus’ CEO
at that time referred to as “life-threatening” (Anonymous 2007a). In this
severe crisis, the weaknesses in Airbus’ configuration of production
activities and of its top management structure were exposed. The company
would have to adopt swift and drastic measures to regain the confidence of
its stakeholders.

2. Reshaping the top management structure


During the crisis, EADS’ top management was accused of spending too
much time and energy caring about the fragile balance of power instead of
managing, monitoring and controlling the firm’s business activities
(Mönninger 2006, p. 33). The crisis also revealed the vast divide between
the German and French partners. Only days after the announcement of the
delay, Noël Forgeard, the French Co-CEO of EADS at the time, blamed the
Hamburg plant for the technical difficulties that led to the delay. This was
widely considered an attempt to place blame on the German CEO of Airbus,
Gustav Humbert (Alich 2006, p. 11).
The major shareholders of EADS reasoned that the crisis should not only
bring changes in personnel but also justify a far-reaching reshaping of the
complex top management structure (Braunberger 2006, p. 214 and
298 Stefan Schmid and Frederic Altfeld

Mönninger 2006, p. 33). Once again, tedious and difficult negotiations were
necessary to implement changes while leaving the power equilibrium intact.
Eventually, Forgeard and Humbert left the company, illustrating that even
resignations should be balanced by nationalities. Both top managers were
replaced by Frenchmen: Louis Gallois as Co-CEO of EADS and Christian
Streiff as CEO of Airbus. EADS continued to have two CEOs and two
chairmen, even though the German side advocated a single structure (Braun-
berger 2006, p. 215).
EADS struggled to streamline its “absurd management structure that main-
tained an uneasy balance of power”, as a report in The Economist described
it (Anonymous 2007a). Meddlesome governments and national mindsets
continued to hinder the effective management of the company. In October
2006, Airbus’ CEO Christian Streiff resigned after just three months on the
job. He stated, “[t]he organisation and management of EADS have as their
main objective the delicate balancing of people, of power and of positions.
This formula could be efficient during a normal time. But it is no longer
appropriate for a company that is going through a serious crisis” (Daly
2006).
In addition to deficiencies in the top management structure, cultural
differences between the German and French partners were likely to
complicate management-related questions. One such aspect is the differing
conception of leadership and authority between the French and Germans.
While authority is primarily based on status and acceptance of hierarchy in
France, authority is oriented towards professional expertise and technical
competence in Germany (Barmeyer/Mayrhofer 2008, p. 34 and Barmeyer/
Mayrhofer 2010, pp. 28 – 29). Furthermore, the German and French partners
have contrasting views on the role of the state in business. In France, the
state plays an active part in the business world, and strong political support
is vital for many companies and top managers’ careers. In Germany, on the
other hand, the corporate and political spheres are not as intertwined as they
are on the other side of the river Rhine (Mönninger 2006, p. 33).
It took EADS until July 2007 to finally abandon its dual management
structure in favour of a single CEO and a single chairman. Louis Gallois, a
Frenchman, became CEO of EADS, while German Rüdiger Grube was
appointed chairman of the board. Another German, Thomas Enders, took
Airbus – Managing the legacy of a complex international merger 299

over as head of Airbus. The partners agreed on the rotation of the top
positions between German and French nationals after every five years.

3. Streamlining production activities


The decentralized configuration of Airbus’ production activities has been
cited by many experts as a major cause of the wiring problems that led to the
delay of the A380 (Noack 2007, p. 13). The German engineers in Hamburg
used a version of a computer-aided design software that was incompatible
with the one employed by their French counterparts in Toulouse. When the
electrical harnesses manufactured in Hamburg arrived in Toulouse for final
assembly, they did not fit into parts designed by French engineers (Anonym-
ous 2007b). The decentralized nature of Airbus’ production activities, which
were scattered across 16 sites in four countries, was once considered a
competitive advantage of Airbus because each location could develop a high
level of specialization (Gordon 2014). After the A380 delay, however, many
industry observers viewed it as a liability instead.
In response to the crisis, Airbus launched the Power8 programme, a far-
reaching restructuring plan that included the reorganization of its
manufacturing across Europe. The goal was to make Airbus “more efficient
and competitive, so as to produce the most advanced and profitable pro-
ducts, and to serve its customers better in the future” (Airbus Group 2007).
Although many perceived Power8 mainly as a cost-cutting programme,
Airbus’ deputy CEO emphasized that it was more than that: “It is nothing
less than the reinvention of Airbus” (Kiani-Kress/Bläske 2009, p. 61).
Figure 4 details the modules of Power8.
Although the crisis gave EADS’ management legitimacy for taking profound
measures, political meddling restrained their implementation. Power8 pro-
posed a headcount reduction of 10,000 overhead positions, and this burden
had to be distributed quite evenly among the national partners. Political
quarrels regarding where the cuts should be made climaxed when Power8
became an issue in France’s 2007 presidential election campaign. With
thousands of French Airbus employees protesting against job cuts, no
presidential candidate wanted to miss the opportunity to present himself as a
guardian of French industry (Schubert 2007, p. 12). Once again, EADS’ top
300 Stefan Schmid and Frederic Altfeld

management had to fight hard to resist political attempts to dictate the


course of the company.

Figure 4: Modules of the Power8 programme

1. Develop Faster
í Reduce development time for new aircraft from 7.5 years to 6 years
í Establish robust development processes with risk-sharing partners to secure
these cycle time reductions and the required aircraft maturity at entry into
service
í Improve engineering productivity by 15%

2. Smart Buying
í Reduce the supply cost base
í Reshape and consolidate the supply base by building a network of risk-
sharing partners and streamlining its logistics organization

3. Lean Manufacturing
Focus on
í Integrate manufacturing and associated engineering and ensure the
Operations deployment of consistent, lean production principles across all plants
í Target: Increase productivity by 16% by 2010

4. Reduce Overhead Costs


í Impose a progressive headcount reduction of 10,000 positions over four
years, comprising 3,200 in France, 3,700 in Germany, 400 in Spain, 1,600 in
the United Kingdom and 1,100 in the Airbus central entity in Toulouse
í Approximately 5,000 of these positions are temporary or on-site sub-
contractors, and the remaining 5,000 are Airbus employees

5. Maximize Cash
í Achieve a reduction of financial working capital and tight control of cash in
all operations

6. Restructure Industrial Set-up


í Industrial partnerships at plants in Filton, Méaulte and Nordenham are
Focus on considered to facilitate their transition from metallic to composite design and
Structure manufacturing technology
í Several options with respect to the sites in Laupheim, St. Nazaire-Ville and
Varel are considered, including their sale to key suppliers, management
buyouts or combinations with nearby sites
Airbus – Managing the legacy of a complex international merger 301

7. Streamline Final Assembly Lines


í Increase the efficiency of the Final Assembly Lines (FAL)
í Enhance the capacity of the long-range FAL in Toulouse
í Set-up a third A320 Family FAL and perform final assembly of the New
Single-Aisle Family in Hamburg
í To allow parts to be fitted in the most logical place in order to optimize the
overall cycle time, transfer some upstream preparatory cabin installation
work for the A380 and the A320 assembled in Toulouse from Hamburg to
Toulouse
í Maintain cabin installation in Hamburg, and have A380 deliveries performed
from both Hamburg and Toulouse

8. Focus on Core Business Activities


í On the engineering and manufacturing side, focus on business activities that
are either critical for the integrity and safety of the aircraft or vital for
technological and commercial differentiation
í These activities include overall aircraft and cabin architecture, systems
integration, as well as the design, assembly, installation, equipping,
customization and testing of major and complex components, or
manufacturing of new technology parts

Source: EADS 2006, pp. 38 – 39

IV. The future of Airbus: Expanding the global footprint?


Over the years, Airbus managed to navigate out of the crisis and get the
difficulties involving the production of the A380 under control. As part of a
new strategic roadmap called Vision 2020, the company set out to increase
its global presence, just as Boeing had done years before, albeit only with
partial success. One aim was to achieve low-cost and multi-currency-based
sourcing. Furthermore, Airbus wanted to gain access to new markets and
technology resources. Already in 2008, Airbus declared a target to have 20%
of employees and 40% of sourcing outside Europe (EADS 2008).
As an outcome of this strategic roadmap, Airbus opened its first assembly
line outside Europe in September 2008. In Tianjin, China, the A320 final
assembly line was established as a joint venture between Airbus and a
consortium comprising the Chinese firms Tianjin Free Trade Zone
Investment Company (TJFTZ) and Aviation Industry Corporation of China
302 Stefan Schmid and Frederic Altfeld

(AVIC). Airbus controlled 51% of the joint venture (Erling 2012 and Airbus
Group 2015b). Initially, there were some concerns about job cuts in Europe
and a loss of technology to the Chinese (Mack 2009). However, Airbus was
able to benefit from the strong growth in demand from Chinese airlines.
While the company’s market share in China was at 6% in 1995, it grew to
50% in 2013. That year, Airbus sold 20% of its global aircraft production to
China, and a total of 1,000 Airbus jets were in service for Chinese operators.
By then, the Tianjin plant had delivered 125 aircraft (Airbus Group 2015a).
Especially at the beginning of operations, production costs were higher in
Tianjin than in Airbus’ European facilities owing to factors such as more
difficult logistics, lower production volumes and the employment of costly
expatriates. The employment of expatriates was necessary to ensure that
company-wide quality standards were met. Some of these costs, however,
were bound to decrease over time as learning effects were achieved and as
expatriates were replaced by Airbus-trained Chinese personnel (Erling 2012,
Flottau/Perrett 2012 and Anonymous 2014).
In 2014, the European and Chinese partners of the joint venture agreed to
extend their cooperation for an additional ten years and to increase the
plant’s capabilities. The following year saw a further expansion of Airbus’
production activities in China. With French Prime Minister Manuel Valls
and Chinese Premier Li Keqiang present at the meeting, the partners of the
joint venture signed an agreement to establish a completion and delivery
centre in Tianjin for Airbus’ A330 aircraft (Airbus Group 2015c). Already a
region of major significance to Airbus, China is likely to become even more
important in the future. Forecasts by the International Air Transport Asso-
ciation (IATA), among others, see the country poised to overtake the US as
the world’s largest market for passenger air traffic by 2030 (IATA 2014).
Airbus’ portfolio of production sites was further internationalized when, in
July 2015, the manufacturer opened a new final assembly line for A320
aircraft in Mobile, Alabama. With the first delivery of aircraft scheduled for
2016, it is Airbus’ first production facility in the US (Mester 2015). The
move could help the company protect itself against foreign exchange risk.
An even more important motive might be Airbus’ intention to attack Boeing
on its own turf. While the two arch-rivals each hold about half of the
worldwide market for large aircraft, Airbus’ market share in the US is only
20% (as of 2013, Anonymous 2013). With its US manufacturing presence,
Airbus – Managing the legacy of a complex international merger 303

the European company hopes to increase its sales in the US and get closer to
market share parity in Boeing’s home country (Maaß et al. 2012 and
Michaels et al. 2012). Although final assembly of an aircraft accounts for
only approximately 5% of its value, the location has a disproportionate
impact on public perceptions of the plane (Michaels et al. 2012). In this
regard, the new facility in Alabama might mitigate political opposition in
the US and improve sales to local airlines once Airbus’ jets are perceived as
“Made in the USA” (Michaels et al. 2012).
Over the years, the commercial aircraft segment has become ever more
important for Airbus’ parent company EADS. In 2012, a proposed merger of
EADS with Britain’s BAE Systems, Europe’s largest defence company,
would have strengthened the military side of EADS’ business; it failed,
however, mainly because of political opposition (Anonymous 2012a and
Anonymous 2012b). In the following year, EADS was renamed and
rebranded “Airbus Group”, thus reflecting the overwhelming importance of
the commercial aviation segment for the parent company (Airbus Group
2013b, p. 54). At year-end 2014, after several years of strong order intake,
Airbus’ backlog stood at 6,386 aircraft. This volume is equivalent to the
output of approximately ten years of production at current rates. In the years
to come, one challenge Airbus will have to face is to increase production
rates in order to clear its order book and build up capacities to meet future
demand (Clark 2015 and Hollinger 2015). In its 20-year market forecast,
Airbus expects global market demand for 31,800 new passenger aircraft
over the period 2015 – 2034. Figure 5 shows not only Airbus’ forecasted
market demand for new passenger aircraft broken down by region but also
Airbus’ order backlog.
304 Stefan Schmid and Frederic Altfeld

Figure 5: Airbus’ order backlog and forecasted global market demand by


region

Source: Airbus Group 2014a, p. 47, Airbus Group 2014b, p. 5 and Airbus Group 2015d, p. 10

Airbus, as well as its parent company Airbus Group, continues to adapt to a


more global world while keeping its European heritage in mind. With the
new facility in Alabama, Airbus is now manufacturing aircraft in Europe,
Asia and America. The Alabama plant “… represents the real transformation
of Airbus into a truly global company,” Airbus’ CEO Fabrice Brégier stated.
“While Airbus has deep European roots, we have always seen ourselves as
citizens of the world” (Airbus Group 2013a).
Airbus – Managing the legacy of a complex international merger 305

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D. Interdisziplinäre Bezüge der Innovationsforschung
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand
technikhistorischer Forschung

Reinhold Bauer

Bereits im Jahr 1959 forderte der US-amerikanische Schriftsteller, Anglist


und (Technik-)Historiograf Howard Mumford Jones in einem programmati-
schen Artikel in der ersten Ausgabe der bis heute maßgeblichen technikhis-
torischen Zeitschrift „Technology and Culture“, dass sich die historische
Zunft in Zukunft stärker mit fehlgeschlagenen Innovationen auseinanderset-
zen solle (Mumford 1959, S. 25). In den folgenden Jahrzehnten ist diese
Forderung dann mit einiger Regelmäßigkeit wiederholt worden (vgl. u. a.
Ferguson 1974; Rürup 1974; Schwartz Cowan 1987; Staudenmaier 1989),
was im Grunde bereits zweierlei zeigt: Zum Ersten, dass das Thema des
innovatorischen Scheiterns über inzwischen mehrere Wissenschaftlergenera-
tion hinweg anhaltend als ein relevantes wahrgenommen wurde und zum
Zweiten, dass es ebenso anhaltend der Aufforderung bedurfte, sich dieses
Gegenstandes auch tatsächlich anzunehmen.
Nur am Rande sei angemerkt, dass es natürlich kein Zufall war, dass Ho-
ward M. Jones die Diskussion um die Untersuchung gescheiterter Innovatio-
nen gerade Ende der 1950er Jahre eröffnet hat. Der Zeitpunkt hing vielmehr
mit der sich damals formierenden Emanzipation des Faches Technikge-
schichte von seinen ingenieurgeprägten Anfängen zusammen. Es ist nicht
eben verwunderlich, dass technischer Wandel in der älteren Technikge-
schichtsschreibung überwiegend als reine Erfolgsgeschichte präsentiert
wurde. Die Aufforderung, sich mit Fehlschlägen zu beschäftigen, reflektiert
hingegen die Neuorientierung des Faches in Richtung einer genuin histori-
schen Disziplin, die sich mit den komplexen Entstehungs- und Verwen-
dungszusammenhängen von Technik beschäftigt (König 2009, S. 44 ff.).
Aber zurück zur Fehlschlagforschung: Trotz der wiederholten Aufrufe ist de
facto zunächst wenig passiert. Kaum eine der heute vorliegenden Arbeiten
zu gescheiterten Innovationen entstand vor Mitte der 1980er Jahre. Der dann
einsetzende moderate Aufschwung der Auseinandersetzung mit dem Schei-
tern beruhte im Wesentlichen auf zwei Entwicklungen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_16
312 Reinhold Bauer

Einerseits erhielt die Fehlschlagforschung in den 1980er Jahren frische Im-


pulse durch neue Ansätze in der Techniksoziologie. Die soziologische Tech-
nikforschung entdeckte in dieser Zeit Technikgenese- und Technisierungs-
prozesse als lohnende Untersuchungsfelder. Ihre grundlegende These lautete
dabei, dass auch Technik unter dem Einfluss vielfältiger gesellschaftlicher
Rahmenbedingungen sozial konstruiert sei. Von besonderer Bedeutung ist
dabei, dass dieser sozialkonstruktivistische Ansatz explizit die gleichge-
wichtige Untersuchung erfolgreicher und nicht erfolgreicher Entwicklungen,
also die symmetrische Analyse geglückter und gescheiterter Innovationsvor-
haben forderte. Besonders einflussreich war dabei einerseits der vor allem
von Wiebe E. Bijker und Trevor Pinch propagierte SCOT-Ansatz (Social
Construction of Technology) und andererseits die unter anderem von Michel
Callon, John Law und insbesondere von Bruno Latour favorisierte Actor
Network Theory (Callon 1986; Bijker/Pinch 1987; Bijker/Law 1992; Pinch
1996; Latour 1994; Hassard/Law 1999). In beiden Fällen ging es letztlich
darum, den Einfluss der verschiedenen politischen und ökonomischen sowie
insbesondere sozialen und kulturellen Faktoren auf die technische Entwick-
lung zu untersuchen. Scheitern wie Erfolg wurden als gleichwertige sozio-
technische Phänomene begriffen. Erst durch deren gleichgewichtige Unter-
suchung, so die Sozialkonstruktivisten, seien befriedigende Einblicke in den
Prozess technischer Entwicklung gewinnbar.
In Reaktion auf die Forderung, auch Misserfolge zu untersuchen, entstanden
verschiedene Studien zu innovatorischen Fehlschlägen. Methodisch orien-
tierten sich diese Arbeiten in unterschiedlich starkem Maße an den erwähn-
ten sozialkonstruktivistischen Ansätzen. Die in diesem Zusammenhang seit
den 1980er Jahren veröffentlichten failure studies können hier nicht annä-
hernd vollständig präsentiert werden. Von einigem Einfluss war ohne Frage
etwa Bruno Latours Arbeit zum gescheiterten französischen Kabinenbahn-
system Aramis (Latour 1996) oder auch John Laws und Michel Callons
Fallstudie zum gescheiterten britischen Militärjet TSR.2 (Callon/Law 1992).
Damit zunächst zum zweiten wesentlichen Faktor für den Aufschwung auch
der technikhistorischen Fehlschlagforschung insbesondere seit den 1980er
Jahren. Gemeint ist hier die postmodernistische Bewegung, welche die west-
liche Geschichtswissenschaft im späten 20. Jahrhundert einer fundamentalen
Kritik unterzog. Ins Zentrum dieser Kritik rückten dabei die vorherrschen-
den Paradigmen der Geschichtsschreibung bzw. die besonders dominieren-
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand technikhistorischer Forschung 313

den Geschichtsbilder. Diese, so der Tenor, wurden instrumentalisiert, um die


eigene Kultur für identifikatorische Zwecke mit einer angemessenen Ver-
gangenheit zu versehen. Geschichte vermag diese eigene Kultur zu begrün-
den und zu rechtfertigen, indem sie die Vergangenheit so interpretiert, dass
sie zielgerichtet auf die eigene Lebensform hinzuführen scheint (Berkhofer
1995; Rüsen 1998; Middels et al. 2000). Der britische Kulturhistoriker Peter
Burke hat versucht, Wesen und Charakter der westlichen Geschichtsschrei-
bung in idealtypischer Form zu umreißen. Er wies dabei dem Fortschrittsge-
danken einen entscheidenden Platz zu. So kommt Burke zu dem Ergebnis,
dass „die wichtigste, oder zumindest auffälligste Eigenart des westlichen
historischen Denkens, (...) die Betonung von (...) Fortschritt, mit anderen
Worten die „lineare“ Sicht der Vergangenheit (ist)“ (Burke 1999, S. 35).
Gerade die eingangs erwähnten Aufrufe zum Wandel dokumentieren ja letzt-
lich, dass auch in der Technik- (und Wirtschafts-) Geschichte mindestens bis
in die späten 1970er Jahre hinein nahezu ungebrochen ein optimistisches
Fortschrittsdenken dominierte, das vom Glauben an die Aufklärung, an das
Modell der westlichen Modernisierung sowie der liberalen Demokratie ge-
tragen wurde. Erst mit dem Ende des von Eric Hobsbawm so genannten
Goldenen Zeitalters des westlichen Aufstiegs begann dieser Fortschritts-
glaube allmählich zu bröckeln (Hobsbawm 1995, S. 285 ff.).
Für den Bereich der technischen Entwicklung kann man allerdings so lange
den Eindruck gewinnen, der historische Prozess sei einem mehr oder minder
geraden, rationalen Pfad aus der Vergangenheit in die Gegenwart gefolgt,
wie man überwiegend Erfolge in den Blick nimmt. Geschichte wird damit
als sinnträchtige oder eben zielgerichtete Fortentwicklung vom Schlechteren
zum Besseren gedeutet. Meint man es aber ernst mit dem Perspektivwechsel,
so reicht es nicht, den Begriff des „Fortschritts“ durch den neutraleren der
„Entwicklung“ zu ersetzen. Notwendig scheint vielmehr, in stärkerem Maße
auch den Misserfolg zu thematisieren. Die gängige „Erfolgsgeschichte“
muss also durch eine „Geschichte des Scheiterns“ ergänzt werden, um zu
einer umfassenderen und realitätsnäheren Beschreibung bzw. Erklärung des
historischen Wandels zu gelangen (Bauer 2006a, S. 9).
Es dauerte eine Weile, bis sich der sich verändernde Blick auf die histori-
sche Entwicklung auch innerhalb der Technikgeschichte in entsprechenden
Veröffentlichungen manifestierte. Von zentraler Bedeutung war hier insbe-
314 Reinhold Bauer

sondere das 1992 veröffentlichte Themenheft zu gescheiterten Innovationen


der „Social Studies of Science“, das wiederum auf ein von Hans-Joachim
Braun organisiertes Symposium zum Thema „Failed Innovations“ anlässlich
der Jahrestagung des „International Committee for the History of Technolo-
gy“ 1989 in Hamburg und München zurückging. Damals wurde erstmals
eine Reihe von Vorträgen zu gescheiterten Innovationen gemeinsam präsen-
tiert und diskutiert; das Themenheft versammelte dann wichtige Pionierstu-
dien zum Phänomen des Scheiterns (etwa: Braun 1992a; Braun 1992b; Todd
1992; Hult 1992). Mit diesem Sammelband gelang es zum ersten Mal, das
Forschungsfeld „Gescheiterte Innovationen“ innerhalb der Technikgeschich-
te zu etablieren und deutlicher zu umreißen. In seiner kommentierenden
Einleitung problematisierte Braun erstmals auch die Relativität der Katego-
rien Erfolg und Scheitern, plädierte für klare Untersuchungsansätze und
formulierte erste grundsätzliche Überlegungen zur historischen Bedeutung
sowie zur Typologisierung des Scheiterns (Braun 1992a). Diese bis heute
relevanten Überlegungen haben die Auseinandersetzung mit fehlgeschlage-
nen Innovationen befruchtet und nachhaltig beeinflusst.
Die Wirkung dieses Sammelbandes dokumentiert sich auch darin, dass viel-
fach auf ihn Bezug genommen wurde. Dies gilt etwa für Gijs Mom in seiner
Studie zum Elektromobil (Mom 2004), für David Edgerton oder für Graeme
Gooday in deren jeweiligen programmatischen Artikeln zur Technikhistori-
ographie im Allgemeinen bzw. – was Gooday anbelangt – zur Historiogra-
phie gescheiterter Innovationen im Besonderen (Gooday 1998; Edgerton
1999).
Gerade weil die Fehlschlagforschung nach wie vor aber ein ausgesprochenes
Nischenthema innerhalb der Technikgeschichte ist, soll im Folgenden der
mögliche Ertrag einer historischen Forschung zu gescheiterten Innovationen
mit Hilfe zweier Beispiele exemplifiziert werden. Zunächst soll allerdings
das Forschungsfeld deutlicher zugeschnitten werden, indem knapp definiert
wird, was hier unter einer fehlgeschlagenen Innovation verstanden wird.

I. Definition des Untersuchungsgegenstandes


Unter einer Innovation soll hier die erstmalige wirtschaftliche Verwertung
einer neuen Problemlösung verstanden werden. Innovationen zeichnen sich
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand technikhistorischer Forschung 315

dabei durch ihre praktische Verwendung bzw. eben ihre wirtschaftliche


Verwertung aus. Erst durch diesen Verwertungsaspekt wird aus einer Erfin-
dung, also einer Invention, tatsächlich eine Innovation (Bauer 2006a,
S. 11 ff.; vgl. auch: Drucker 1967, S. 18 f.; Dierkes/Hoffmann 1992, S. 11;
Trommsdorf/Schneider 1990, S. 3; Grupp 1997, S. 15).
Über die Frage, was in diesem Zusammenhang erfolgreich bedeutet, ist viel
diskutiert worden. Sinnvoll erscheint mir eine Erfolgs- bzw. Misserfolgs-
definition, die sich auf die wirtschaftliche Verwertung des neuen Produktes
bzw. Verfahrens bezieht. Erfolgreich sei eine Innovation definitionsgemäß
also dann, wenn es grundsätzlich gelingt, durch ihre Vermarktung mindes-
tens die entstandenen Entwicklungs- bzw. Innovationskosten wieder zu er-
wirtschaften. Um eine Innovation als „erfolgreich“ einordnen zu können,
genügt es also schon, dass sie kommerziell vorübergehend oder auch nur
innerhalb einer kleinen Marktnische erfolgreich genug war, um einen Rück-
fluss der Innovationsaufwendungen zu ermöglichen. Bei einer fehlgeschla-
genen Innovation misslingt hingegen die wirtschaftliche Verwertung in die-
sem Sinne.
An dieser Stelle sei dreierlei angemerkt: 1. Mit einigem Recht könnte man
den Begriff der gescheiterten Innovation insofern problematisieren, als sich
die Innovation ja erst durch ihre gelungene wirtschaftliche Verwertung kon-
stituiert. In diesem Sinne handelt es sich dann also bei der gescheiterten
Innovation um einen Widerspruch in sich und es müsste korrekterweise stets
vom gescheiterten Innovationsversuch die Rede sein. Trotz dieses durchaus
berechtigten Einwandes soll hier aber weiterhin von gescheiterten Innovati-
onen die Rede sein. Einerseits handelt es sich schlicht um einen eingeführten
Begriff, andererseits scheint das Gegensatzpaar erfolgreiche und gescheiter-
te Innovation den Sachverhalt letztlich deutlicher zu machen als die sprach-
liche Alternative Innovation versus Innovationsversuch.
2. Bei der vorgestellten Definition soll es nicht darum gehen, die unumstrit-
tene Relativität der Begriffe „Erfolg“ und „Misserfolg“ in Frage zu stellen.
Natürlich ist es so, dass mitunter ein und dieselbe Neuerung unter bestimm-
ten Aspekten als Erfolg, unter anderen hingegen als schrecklicher Misser-
folg gedeutet werden kann. Anders ausgedrückt: Bei der Definition und
Diagnose von „Erfolg“ respektive „Scheitern“ wenden unterschiedliche
Gruppen ganz offenbar sehr unterschiedliche Kriterien an. Die Diskussion
316 Reinhold Bauer

um die Kernenergie kann hier gleichsam als Paradebeispiel für dieses Phä-
nomen gelten. Grundsätzlich ist eine Einigung darüber, welche Innovationen
als „Fehlschlag“ oder eben als „Erfolg“ angesehen werden können, immer
nur innerhalb einer mehr oder minder großen Gruppe möglich. Bei der vor-
geschlagenen Definition geht es aber eben vorrangig darum, ein Forschungs-
feld sinnvoll zu erschließen, und die Stärke der eingeführten Definition liegt
genau darin, die Kategorien „Erfolg“ und „Scheitern“ für die historische
Innovationsforschung operationalisierbar zu machen.
3. Bereits die verwendeten Begriffe unterstreichen, dass es sich um eine
systemspezifische Definition innovatorischen Scheiterns handelt. Die Aus-
sagekraft der vorgeschlagenen Kriterien ist an das kapitalistische Konkur-
renzprinzip gebunden. Die eingeführte Definition stößt da an ihre Grenzen,
wo der Markt vollständig oder überwiegend ausgeschaltet ist. Insbesondere
durch staatliches Engagement, am prominentesten sicherlich im Bereich der
Rüstungs- oder Weltraumtechnologie, kann ein weitgehend „marktfreier
Raum“ entstehen, in dem also Sonderbedingungen gelten. Diese Einschrän-
kung scheint schon deshalb gerechtfertigt, weil Aussagen über innovatori-
sches Scheitern ohnehin stets Aussagen von in mehrfacher Hinsicht „be-
grenzter Reichweite“ sind. Damit ist gemeint, dass der Umstand, dass die
Einführung einer Neuerung zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer be-
stimmten Region misslingt, keinesfalls ausschließt, dass dieselbe Technolo-
gie zu einem späteren Zeitpunkt oder in einem anderen Land – d. h. unter
anderen Rahmenbedingungen – sehr erfolgreich sein kann. Auf diesen Ge-
danken wird noch zurückzukommen sein.
Die eingeführte Definition eröffnet jedenfalls ein außerordentlich breites
Forschungsfeld. Es beheimatet etwa die Unterdruck-Eisenbahn des frühen
19. Jahrhunderts ebenso wie die Kabinenbahnsysteme der 1970er Jahre. Wir
stoßen auf „Exoten“ wie ein Plastikfahrrad mit dem eigentümlichen Namen
„Itera“ oder auch auf zeittypische, längst verschwundene Technologien wie
die Kohlenstaub- oder die Dampfturbinen-Lokomotiven der 1920er und 30er
Jahre. In der Regel wurde die Existenz dieser Misserfolge allerdings über
kurz oder lang von der Welt vergessen (Bauer 2006a; Braun 1992a). Im
Folgenden wird es nun, wie angekündigt, darum gehen, zwei Beispiele für
gescheiterte Innovationen dem drohenden Vergessen zu entreißen, um auf
dieser Basis einige charakteristische Gründe für innovatorisches Scheitern
deutlich zu machen.
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand technikhistorischer Forschung 317

II. Das Bildtelefonsystem „Picturephone“


Fragt man nach der medialen Präsenz bestimmter Zukunftsvisionen bzw.
konkreter Zukunftsleitbilder, so belegt das Konzept der „bildunterstützten
Telekommunikation“ hier ganz ohne Frage einen Spitzenplatz. Nicht zuletzt
im Science-Fiction-Genre gehört die Telefonie bzw. allgemeiner die Tele-
kommunikation mit Ton und Bild zu den absoluten Selbstverständlichkeiten.
Anders ausgedrückt: Bildtelefonie ist schon seit Jahrzehnten eine geradezu
selbstverständliche, sehr verbreitete und anhaltend präsente Zukunftserwar-
tung (Flessner 2000; Schulte 2002, S. 552 f.; Noessel/Shedroff 2012,
S. 197 ff.).
Das mag ein Grund dafür sein, dass das neue Bildtelefonsystem „Picture-
phone“, das der US-amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T
1964 auf der Weltausstellung in New York vorstellte, von der Fach- wie von
der Publikumspresse geradezu euphorisch kommentiert wurde: Picturephone
– so hieß es – werde eine Kommunikationsrevolution auslösen. Prophezeit
wurde nicht nur dessen Siegeszug im privaten Bereich, nein, vor allem sollte
das Bildtelefon den Arbeitsalltag revolutionieren. Es wurde erwartet, dass
die neue Möglichkeit der „Face-to-Face-Telekommunikation“ dazu führen
werde, dass statt aufwändiger Geschäfts- oder Tagungsreisen in Zukunft
Bildtelefon-Konferenzen dominieren werden. Noch grundsätzlicher war die
Überlegung, dass zumindest für weite Teile der üblichen Büroarbeit die
standortunabhängige Arbeitsplatzwahl möglich werde. Allgemein schien die
physische Präsenz von Angestellten, Auszubildenden, Verhandlungs- oder
Diskussionspartnern bei vielen Gelegenheiten nicht mehr erforderlich, was –
so glaubte man - nachgerade umwälzende Folgen für den Alltag vieler Men-
schen, ihr Arbeits- und Freizeit- sowie nicht zuletzt ihr Mobilitätsverhalten
haben werde (Genter 2012, S. 229 f.; Coburn 2006, S. 47 ff.; Lipartito 2003,
S. 50 f.; Noll 1997, S. 27; Noll 1992, S. 307; Schnaars/Wymbs 2004, S. 201
und 210; Schulte 2002, S. 554.). Kurz gesagt: Picturephone schien die an-
gemessene Antwort auf die zumindest in den USA in den 1960er Jahren
schon weitverbreitete Nah- und Fernpendelei mit ihren ökonomischen, öko-
logischen und sozialen Konsequenzen.
318 Reinhold Bauer

Abbildung 1: Picturephone. In verschiedenen Printmedien 1964 veröffent-


lichte frühe Werbeanzeige der Bell Telephone Company für
das neue Bildtelefonsystem.

Durch die ausgesprochen positive Resonanz auf ihr neues System ermutigt,
begann AT&T noch im selben Jahr mit der Einrichtung öffentlicher Pic-
turephone-Zellen in einigen amerikanischen Städten. Die Entwicklung des
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand technikhistorischer Forschung 319

Systems zur wirklichen Alltagstauglichkeit dauerte zwar noch einige Jahre,


ab 1970 bot das Unternehmen dann aber auch Bildtelefon-Anschlüsse für
Privathaushalte sowie insbesondere für Büros an.
Die weitere Geschichte des neuen Systems ist allerdings schnell erzählt:
Trotz der zunächst so begeisterten Reaktionen wollte fast niemand das Bild-
telefon tatsächlich benutzen. AT&T hielt zwar den Picturephone-Dienst für
die wenigen angeschlossenen Kunden noch eine gewisse Weile aufrecht,
nach Jahren der Agonie wurde der Service jedoch Mitte der 1970er Jahre
wieder eingestellt (Lipartito 2003, S. 52; Noll 1992, S. 308 f.; Schnaars/
Wymbs 2004, S. 201 ff.; vgl. auch: o.V. Bild-Telephonie 1970, S. 119 ff.;
o.V. 1971; S. 14 f.).
Rein technisch gesehen war Picturephone durchaus erfolgreich, funktionier-
te es doch weitgehend reibungslos. Dass das neue System ein Flop wurde,
hatte andere Gründe. Die vom Nutzer anzuschaffenden Endgeräte waren
recht teuer, wobei zusätzlich noch vergleichsweise hohe Nutzungsgebühren
hinzukamen (125 $/Monat). Die auch, aber sicher nicht nur preisbedingt
sehr langsame Verbreitung des Bildtelefons führte dazu, dass die „Bildtele-
fongemeinde“ insgesamt zu klein blieb, um das neue System ausreichend
attraktiv zu machen. Die für den Erfolg neuer Kommunikationstechnologien
stets entscheidende „kritische Masse“, d. h. eine gewisse Mindestverbrei-
tung, die erreicht werden muss, um die Nutzung der Technologie wirklich
sinnvoll werden zu lassen, wurde also nie erreicht (Lipartito 2003, S. 58 f.;
Schnaars/Wymbs 2004, S. 204; Schulte 2002, S. 553; Rohlfs 2003, S. 85ff.).
Hinzu kam allerdings noch eine psychologische Komponente: Durchaus
nicht nur von seinen potentiellen privaten Nutzern wurde Picturephone als
übergriffiges Medium empfunden. Es eröffnete Anrufern im wahrsten Sinne
des Wortes Einblicke in die Privatsphäre des Gesprächspartners, die dieser
bei vielen Gelegenheiten zu gewähren eben nicht bereit war. In diesem Sin-
ne war das System also an den Bedürfnissen bzw. Interessen der Kunden
vorbei konstruiert worden (Lipartito 2003, S. 59. Noll 1992, S. 309f. und
S. 316, Noll 1997, S. 89, Schnaars/Wymbs 2004, S. 204, Rohlfs 2003, S. 85,
Jensen 2008, S. 3, Howard/Guile 1992, S. 18, Egido 1990, S. 354f.).
Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, die Beschäftigung mit dem Bildtelefon
an dieser Stelle abzubrechen. Picturephone gehört zu den gescheiterten In-
320 Reinhold Bauer

novationen, die weit über ihr eigenes „materielles Leben“ hinaus Einfluss
nahmen.
Picturephone sollte nämlich mehr sein als ein reines Telekommunikations-
instrument. Gedacht war es als universelles Informations- und Kommunika-
tionsinterface, wobei die von seinen Entwicklern formulierten Nutzungsvor-
stellungen erstaunlich weitgehend dem entsprechen, was wir heute mit dem
Internet anstellen. Gedacht war an eine umfassende Nutzung, die unter ande-
rem die Übermittlung unterschiedlichster Daten bzw. Texte, das Versenden
von Bildern, den Verkauf von Produkten sowie den Fernunterricht ein-
schloss. Konkret schlug AT&T etwa vor, ständig aktualisierte Wetterberich-
te anzubieten, Börsenkurse zu übertragen oder auch Flugbuchungen per
Picturephone vorzunehmen. Schon die erwähnte unmittelbar nach seiner
Vorstellung imaginierte gesamtgesellschaftliche Wirkung von Picturephone
erscheint heute zwar überzogen, aber als Leitbild auch bemerkenswert ver-
traut (Lipartito 2003, S. 62, S. 68 f. und S. 78 f.; Egido 1990, S. 354;
Gertner 2012, S. 250 ff.).
Trotz seines Scheiterns eröffnete Picturephone einen Technologiediskurs,
der die Welt der Informationstechnologie langfristig prägte. Das Scheitern
von Innovationen muss also keinesfalls dazu führen, dass die mit ihnen ein-
geschlagenen technologischen Pfade dauerhaft geschwächt werden. Auch
fehlgeschlagene Innovationen können diese im Gegenteil sogar prägen und
langfristig stabilisieren. Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusam-
menhang nachgetragen, dass die Bildtelefonie heute auf der Basis von Inter-
net und Webcams preiswert und im Wesentlichen problemlos möglich ist –
Stichwort Skype – zum wirklichen Massenkommunikationsmittel hat sie
sich allerdings immer noch nicht entwickelt.

III. Der Mikrowellenherd „Radarange“


Das folgende zweite Beispiel vermag sehr deutlich zu belegen, dass nicht
jede gescheiterte Produktinnovation auf ewig von der Bildfläche verschwin-
den muss: Die Mikrowelle ist heute zugegebenermaßen eine kommerziell
erfolgreiche Technologie, aber sie war es eben nicht immer. Der erste Ver-
such, Mikrowellenherde auf den Markt zu bringen, schlug Ende der 1940er,
Anfang der 1950er Jahre gründlich fehl. Kaum jemand konnte sich damals
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand technikhistorischer Forschung 321

für einen Apparat erwärmen, der in mysteriöser Weise Essen mit Hilfe eines
elektromagnetischen Feldes erhitzte (Bauer 2006b, S. 555 ff.; Gooday 1998,
S. 270; Cockburn/Ormrod 1993, S. 18 f.; Hardymant 1988, S.134 und 195).
Aber zunächst einige kurze Bemerkungen zur Funktion von Mikrowellen-
öfen: Im Kern besteht eine Mikrowelle genau wie ein Radargerät aus einem
pulsierenden Mikrowellensender, dem sogenannten Magnetron. Mit Hilfe
dieser Magnetron-Röhre können Mikrowellen gleichsam in ein Metallgehäu-
se „gesendet“ werden, wo ein elektromagnetisches Feld hoher Dichte ent-
steht. Dessen Energie reicht aus, um die Flüssigkeit in Speisen rasch zu
erwärmen (Robertson 2006, S. 272 ff.).
Bei der Mikrowelle handelt es sich um eine zivile Technologie, die unmit-
telbar als spin-off aus der Rüstungsforschung hervor ging. Vor dem Hinter-
grund der sprunghaft steigenden militärischen Nachfrage nach Magentron-
Röhren arbeitete die US-amerikanische Rüstungsfirma Raytheon in den
1940er Jahren intensiv an der Verbilligung der Herstellung dieser Röhren.
Einer häufig kolportierten Anekdote nach wurde das Prinzip des Mikrowel-
lenherdes per Zufall entdeckt, als einem Ingenieur der Firma Raytheon beim
Herumschrauben an einem Radargerät ein Schokoriegel in der Hosentasche
schmolz. Percy Spencer, so hieß dieser Ingenieur, erkannte daraufhin angeb-
lich den Zusammenhang zwischen Radarwellen und Erwärmung (Reynolds
1995, S. 12.). Im Auftrag von Raytheon begann er sich nun systematisch mit
der Idee des Mikrowellenherdes zu beschäftigen und bereits zwei Jahre spä-
ter, also 1947, konnte der erste entsprechende Ofen auf den Markt gebracht
werden. Der Zweite Weltkrieg war inzwischen vorbei, die militärische
Nachfrage nach Magnetron-Röhren zumindest vorübergehend rückläufig
und Raytheon suchte also nach neuen zivilen Märkten für die eigenen Pro-
dukte (Smith 2009, S. 205; Cooper 2009, S. 105 ff.; Datta 2001, S. 216 ff.;
Nagase-Reimer 2008, S. 53 f.; Reynolds 1995, S. 12 f.).
Ein kommerzieller Erfolg freilich war diese erste Mikrowelle nicht: Der mit
2000 US-Dollar vergleichsweise teure, kühlschrankgroße Apparat konnte
nur an wenige Großküchen verkauft werden, der Einzug in die Privathaus-
halte gelang ihm nicht. Dass die Firma Raytheon ihrem Mammutherd den
wenig küchen- und familientauglichen Namen „Radarange“ gab, trug nicht
eben zur Marktgängigkeit des neuen Produktes bei; zu deutlich war dem
Gerät seine militärische Herkunft noch anzumerken. Die Produktion des
322 Reinhold Bauer

ersten Mikrowellenherdes musste jedenfalls nach einigen Jahren wieder


eingestellt werden (Nagase-Reimer 2008, S. 55 f.; Ketteringham/Nayak
1987, S. 224). Mitte der 1950er Jahre handelte es sich somit für die Firma
Raytheon bei der Mikrowelle um eine gescheiterte Innovation.
Es bedurfte eines zweiten Anlaufs, um den neuen Ofen zum Erfolg werden
zu lassen. Seit den 1960er Jahren bemühten sich nicht zuletzt japanische
Unternehmen um eine Verkleinerung und Verbilligung der Mikrowelle. Sie
schufen damit die Voraussetzungen für den späteren Erfolg der Geräte, die
ihren eigentlichen Siegeszug – nun mit deutlich zivilerem Image – allerdings
erst seit etwa Mitte der 1970er Jahre antraten (Nagase-Reimer 2008,
S. 81 ff.; Mody 1986, S. 7.).

Abbildung 2: Mikrowellenherd Radarange von 1947 auf einer zeitgenössi-


schen Werbeaufnahme der Firma Raytheon

Freilich musste sich für den Erfolg der Mikrowelle auch die Welt erst än-
dern: Der kommerzielle Durchbruch gelang der Mikrowelle in einer neuen
Gesellschaft voller Singlehaushalte und Doppelverdiener mit oder auch ohne
Kinder, die es in den 1940er und 50er Jahren so noch kaum gegeben hatte.
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand technikhistorischer Forschung 323

Erst jetzt bestand Bedarf nach einer Rationalisierung des Kochens bzw.
einer zeitlichen Entkoppelung von Zubereitung und Verzehr von Mahlzei-
ten. Dass diese Entwicklung darüber hinaus auf Faktoren wie gezieltem
Marketing, dem Aufbau eines breiten Angebots mikrowellengeeigneter Fer-
tiggerichte sowie natürlich dem steigenden gesamtgesellschaftlichen Wohl-
stand beruhte, liegt auf der Hand. Parallel zur Weiterentwicklung des Gerä-
tes musste sich jedenfalls auch die Welt erst weiterentwickeln, so dass die
Technik jetzt mit ihrem Nutzungsumfeld harmonierte (Smith 2009,
S. 165 ff. und 207 ff.; Smith 2007, S. 380; Bauer 2006b, S. 559; Hardymant
1988, S. 195; Nagase-Reimer 2008, S. 169 ff.; Lorence/Pesheck 2009).
Schließlich sei noch erwähnt, dass sich die Mikrowelle zwar in den USA, in
Deutschland oder Großbritannien sehr gut verkauft, in Ländern mit an-
spruchsvollerer Esskultur wie Frankreich oder Italien aber lange Zeit erheb-
liche Akzeptanzprobleme hatte (Graeme 1998, S. 270). Ganz offenbar muss
also bei der Frage nach Erfolg oder Misserfolg einer neuen Technologie
auch das jeweils spezifische kulturelle Umfeld in den Blick genommen wer-
den.
Das Beispiel Mikrowelle vermag nochmals zu verdeutlichen, dass Aussagen
über das Scheitern einer Innovation immer nur Aussagen mit „begrenzter
Reichweite“ sind: Scheitern kann stets nur für einen bestimmten Zeitraum
und einen bestimmten geographischen bzw. kulturellen Raum eindeutig
diagnostiziert werden. Eine einmal gescheiterte Technologie kann also
durchaus zu einem späteren Zeitpunkt oder in einem anderen Nutzungsum-
feld sehr erfolgreich werden.

IV. Fazit
Dieser recht kurze Einstieg in die Welt der gescheiterten Innovationen könn-
te noch beträchtlich ausgedehnt werden, denn – um leicht modifiziert mit
Bernard Réal zu sprechen – der Friedhof gescheiterter Innovationen ist zum
Bersten voll (Réal 1990, S. 26.). Schon die zwei hier vorgestellten Fallbei-
spiele konnten aber vielleicht verdeutlichen, dass Scheitern in der Regel
nicht monokausal zu erklären ist. Innovationsversuche scheitern meist an
ganzen Problembündeln, wobei innerhalb dieser Vielfalt gewisse Regelmä-
324 Reinhold Bauer

ßigkeiten, d. h. gewisse sich wiederholende Muster oder Abläufe zu erken-


nen sind (Bauer 2006a, S. 33 ff. und S. 289 ff.).
Unternimmt man den Versuch, die für das Scheitern verantwortlichen Ursa-
chenbündel zu entflechten und die erkennbaren „Ursachenstränge“ verschie-
denen Kategorien zuzuordnen, so zeigen sich fünf signifikante Schwerpunk-
te. Bestimmte Probleme tauchen also z. T. erwartungsgemäß, z. T. aber auch
eher unerwartet in jeweils abgewandelter Form häufig wieder auf. Im Fol-
genden sollen die fünf Idealtypen des Scheiterns kurz zusammenstellt wer-
den.

Typ 1: Innovationsversuche, die an technischen Problemen scheitern


Nicht eben erstaunlich ist wohl die Feststellung, dass in einem engeren Sin-
ne technische Probleme für das Scheitern einer Reihe von Innovationsversu-
chen mitverantwortlich waren. Die Neuerungen zeigten nicht die von den
Entwicklern oder Nutzern erwarteten bzw. gewünschten Eigenschaften, was
zu einer Einstellung bzw. eben zum Scheitern des Innovationsvorhabens
führte. Bei den zwei hier vorgestellten Beispielen spielten technische Prob-
leme im engeren Sinne allerdings eine eher untergeordnete Rolle, wobei das
Picturephone durchaus auch an seiner noch relativ schlechten Bildqualität
krankte (Lipartito 2003, S. 58; Noll 1992, S. 312 f.) und die technisch be-
dingte Größe der frühen Mikrowelle sicher zu ihrem kommerziellen Misser-
folg beitrug.

Typ 2: Innovationsversuche, die aufgrund der spezifischen Konkur-


renzsituation scheitern
Weitgehend erwartungskonform dürfte auch die Feststellung sein, dass die
jeweilige Konkurrenzsituation von maßgeblicher Bedeutung für Erfolg oder
Scheitern einer Neuerung ist. Viele Innovationsversuche scheiterten auf-
grund „überlegener“ Konkurrenz, sei es, dass diese bereits erfolgreich am
Markt präsent war, dass alte Techniken in Reaktion auf die neue Herausfor-
derung weiterentwickelt wurden oder dass andere neue Techniken den er-
hofften Erfolg vereitelten. Alles andere als trivial ist es dabei herauszufin-
den, worin denn eigentlich die „Überlegenheit“ der konkurrierenden Tech-
nik besteht. „Harte Faktoren“ wie bessere technische Leistungsdaten, niedri-
gere Anschaffungs- oder Nutzungskosten spielen hier natürlich eine wichti-
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand technikhistorischer Forschung 325

ge Rolle. Nicht minder entscheidend können allerdings Faktoren wie größere


Marktmacht der Konkurrenz, besseres Image, gelungenere oder aufwendige-
re Werbung und PR-Arbeit, bessere Kundenbetreuung oder generell höhere
Konformität mit dem gegebenen Nutzungsumfeld sein. Bei den hier vorge-
stellten Beispielen spielte der Faktor „überlegene Konkurrenz“ sicher be-
dingt eine Rolle, insofern als im Falle von Picturephone konventionelle
Telekommunikation ja schlicht mit dem üblichen Telefon möglich war, bei
der frühen Mikrowelle hingegen der eben erst beginnende Siegeszug des
konventionellen Elektroherdes die Anschaffung eines zweiten neuen Koch-
gerätes unsinnig erschienen ließ.

Typ 3: Innovationsversuche, die aufgrund einer Fehleinschätzung der


potentiellen Nutzer scheitern
Ein offenbar entscheidender Punkt für die Erfolgsaussichten einer Innovati-
on ist die möglichst enge Verbindung zwischen Innovator und Nutzern.
Fehlt das Verständnis für Nutzerbedürfnisse, -erwartungen oder auch
-fähigkeiten, droht der Innovationsversuch an einer Fehleinschätzung der
Nachfrage bzw. an fehlender Akzeptanz auf Seiten der potentiellen Nutzer
zu scheitern, was – blickt man auf die vorgestellten Beispiele – bei beiden
der Fall war. Picturephone und frühe Mikrowelle scheiterten auch an einer
Fehleinschätzung bzw. Fehlkonstruktion der zukünftigen Nutzer im Ent-
wicklungsprozess.

Typ 4: Innovationsversuche, die aufgrund eines zu hohen „Neuheits-


grades“ scheitern.
Der „Neuheitsgrad“ oder auch die „Radikalität“ einer Innovation darf nicht
zu groß sein, da ansonsten die Gefahr besteht, dass diese Innovation über-
mäßig hohe Anpassungsleistungen erforderlich macht. Bei zu hohem „Neu-
heitsgrad“ passt die neue Technologie ggf. nicht in die herrschende Produk-
tions-, Produkt- oder Verwendungskultur, d. h. ihre Herstellung, Verbrei-
tung oder Nutzung erfordert zu aufwendige technische, mentale oder auch
soziale Veränderungen; die Anpassungkosten, ob im wörtlichen oder über-
tragenen Sinne, sind zu hoch. Besonders groß ist die Gefahr, an diesem Pro-
blem zu scheitern, verständlicherweise bei Innovationen, die in ein bereits
vorhandenes System integriert werden müssen. Am augenfälligsten zeigt
326 Reinhold Bauer

sich dieses Problem, das offensichtlich mit dem Konzept der Pfadabhängig-
keit korrespondiert, ohne Frage beim Beispiel Picturephone.

Typ 5: Innovationsversuche, die aufgrund eines instabilen Entwick-


lungsumfeldes scheitern.
Um bis zur Markteinführung und auch über diese hinaus erfolgreich umge-
setzt werden zu können, sind Innovationsversuche auf ein in mehrfacher
Hinsicht stabiles Umfeld, einen stabilen „Entwicklungsraum“ angewiesen.
Eine möglichst hohe Stabilität bzw. Vorhersehbarkeit sollte bei der Zusam-
mensetzung des „Kernpersonals“, bei den grundsätzlichen Entwicklungszie-
len, naheliegenderweise beim Entwicklungsbudget sowie beim beteiligten
Entwicklungsnetzwerk (z. B. Auftraggeber, entwickelnde Firmen oder Ab-
teilungen, ggf. beteiligte staatliche Stellen usw.) gegeben sein. Eine schwan-
kende oder sprunghafte staatliche Innovations- bzw. Interventionspolitik,
übermäßige Konkurrenz zwischen verschiedenen Projekten innerhalb des
Entwicklungsnetzwerks, Misstrauen zwischen Firmenleitung und Entwick-
lungsabteilung oder auch Rivalität zwischen verschiedenen Abteilungen
können zur massiven Gefährdung bzw. letztlich zum Scheitern eines Innova-
tionsvorhabens führen.
Am Beispiel des Picturephones lässt sich allerdings noch ein gänzlich anders
gelagertes Problem verdeutlichen, das man als „Abschottungsproblem“ be-
zeichnen könnte. Innerhalb stabiler Entwicklungsräume droht die Gefahr
einer gewissen Betriebsblindheit, droht also die Gefahr, dass sich verän-
dernde Rahmenbedingungen, die für den zukünftigen Verwendungszusam-
menhang der neuen Technologie entscheidend sind, nicht ausreichend wahr-
genommen werden. Unter den Bedingungen einer solchen Abschottung
steigt die Gefahr, dass ein Innovationsvorhaben technische Antworten auf
Fragen hervorbringt, die niemand (mehr) stellt oder – anders ausgedrückt –
eine Technologie entsteht, die außerhalb des Entwicklungsraumes niemand
(mehr) will.
Typisierungs-übergreifend sei noch auf die zentrale Bedeutung des Innova-
tionszeitpunkts für den Erfolg oder Misserfolg eines Innovationsversuchs
verwiesen. Bei der Beschäftigung mit gescheiterten Innovationen spielen
Probleme aufgrund eines ungünstigen Timings, eines ungünstig gewählten
„Zeitfensters“ stets eine wichtige Rolle. Zeittypische Rahmenbedingungen
Gescheiterte Innovationen als Gegenstand technikhistorischer Forschung 327

ökonomischer, gesellschaftlicher oder politischer Natur können ebenso wie


zeitlich befristete Trends oder Modererscheinungen über Erfolg oder Miss-
erfolg einer Innovation entscheiden.
Wie erwähnt und ersichtlich kommen die eben zusammengestellten Idealty-
pen für innovatorisches Scheitern fast niemals in Reinform vor. Zudem exis-
tieren Überschneidungen zwischen den Typen selbst, etwa wenn sich aus
einer Fehleinschätzung von Nutzererwartungen eine unzureichende Konkur-
renzfähigkeit ergibt. Zielkonflikte können schließlich zu Widersprüchen
zwischen einzelnen Forderungen führen, etwa der nach Anpassung der Pro-
jekte an sich verändernde Rahmenbedingungen und der nach einem mög-
lichst stabilen Entwicklungsraum. Trotz ihrer inneren Widersprüche kann
die vorgestellte Typisierung aber m.E. die Hintergründe des Scheiterns deut-
licher machen. Sie lässt Gemeinsamkeiten erkennen, die bei einer rein sum-
marischen Zusammenstellung von Ergebnissen unsichtbar bleiben würden.
Was bringt die Analyse des Scheiterns nun aber dem historischen Technik-
forscher? Sie bietet ihm die Chance, den Charakter technischen Wandels
deutlicher zu akzentuieren. Wie oben skizziert, entwirft eine Geschichts-
schreibung, die sich ganz überwiegend mit erfolgreichen technischen Ent-
wicklungen beschäftigt, zwangsläufig ein verzerrtes Bild des historischen
Prozesses. Es scheint, als sei dieser Prozess ohne Umwege auf die heutige
Welt als seinem präzisen Zielpunkt ausgerichtet gewesen. Tatsächlich aber
hat es diesen unterstellten geraden Entwicklungsweg nicht gegeben (Bauer
2006a, S. 9 f.; Bijker/Law 1992, S. 4; Noble 1984, S. 144 ff.; Gooday 1998,
S. 268 ff.). Die Vorstellung, vermeintlich objektive technikwissenschaftliche
Kriterien, ökonomische Rationalität oder die „Weisheit des Marktes“ wür-
den garantieren, dass sich stets die jeweils – in welchem Sinne auch immer –
„beste“ Technik durchsetzt, muss als reiner Mythos zurückgewiesen werden.
Es wird deutlich, dass Innovationsprozesse – ob letztlich erfolgreich oder
nicht – immer auf einer Art Handeln unter Informationsmangel, unter unkla-
ren Bedingungen beruhen. Unsicherheiten sind angesichts dieser unklaren
Bedingungen „endemisch“, das Risiko des Scheiterns ist also immer gege-
ben. Bei erfolgreichen Innovationen droht gerade der Erfolg selbst den Blick
auf diese unvermeidbaren Entstehungsbedingungen zu verstellen. Gerade
dieser Hintergrund macht aber verständlich, dass eben das Scheitern und
nicht der Erfolg der Regelfall ist.
328 Reinhold Bauer

Vielleicht kann die Untersuchung fehlgeschlagener Innovationen etwas zur


Korrektur der naiven aber nach wie vor verbreitete Tendenz beitragen, er-
folgreiche Innovationen im Zweifelsfall als Errungenschaften überlegenen
Managements und objektiver Technikwissenschaften wahrzunehmen, Miss-
erfolge aber als das Ergebnis menschlichen Versagens zu verbuchen. In
jedem Fall ermöglicht sie aber tatsächlich eine veränderte Perspektive, eine
neue Wahrnehmung technischer Entwicklung bzw. technologischen Wan-
dels.

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Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie

Andreas Pyka und Tobias Buchmann

I. Einleitung: Die Transformation von Produktionssystemen als


evolutionärer Prozess
Im Jahr 1982 erschien das zwischenzeitlich weltweit am häufigsten zitierte
wirtschaftswissenschaftliche Werk von Richard Nelson und Sidney Winter:
An Evolutionary Theory of Economic Change und bereitete das Feld für die
mittlerweile prosperierende Evolutionsökonomik bzw. Schumpeterianische
Ökonomik (vgl. Hanusch/Pyka, 2006a, 2007a). Im gleichen Jahr erschien
bei Mohr-Siebeck die Habilitationsschrift von Alexander Gerybadze mit
dem vielsagenden Titel: Innovation, Wettbewerb und Evolution: eine mikro-
und mesoökonomische Untersuchung des Anpassungsprozesses von Herstel-
lern und Anwendern neuer Produzentengüter.
Alexander Gerybadze ist damit einer der Pioniere des evolutionsökono-
mischen Ansatzes im deutschsprachigen Raum. Er beschäftigt sich nun be-
reits seit über drei Jahrzehnten mit durch Innovationen hervorgerufenem
technischen Wandel von ökonomischen Produktionsprozessen. Hierfür er-
setzte er die Brille der vorherrschenden neoklassischen Ökonomik durch die
Brille der modernen evolutorischen Ökonomik (vgl. dazu auch ausführlich
den Beitrag von Stephan in der vorliegenden Schrift). Obwohl seit der in-
dustriellen Revolution die kapitalistisch organisierten Volkswirtschaften
sich permanentem Wandel gegenübersehen, hatte man in den Wirtschafts-
wissenschaften zunächst alles auf die Karte der gleichgewichtsorientierten
Volkswirtschaftslehre gesetzt. Erst die evolutionsökonomische Perspektive
erlaubt jedoch die Analyse dieses komplexen dynamischen Prozesses und
das Verständnis für die andauernde innovative Veränderung der Produkti-
ons- und Innovationssysteme.
Derartige Wandelungsprozesse können sowohl radikaler als auch inkremen-
teller Natur sein. In diesem Kapitel der Festschrift für Alexander Gerybadze
fokussieren wir auf die Transformation von Produktionssystemen, was wohl
als die radikalste Form des Wandels bezeichnet werden kann. Schumpeter
hat bereits 1939 in seinen Business Cycles für diese Form des Wandels die

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_17
334 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

Theorie der langen Wellen von Kontratief wiederbelebt (vgl. Schumpeter


1939). Zwischenzeitlich finden sich in der Literatur zahlreiche alternative
Bezeichnungen für diesen, das ganze Produktionssystem der Weltvolkswirt-
schaft umfassenden Wandel. Chris Freeman (1991) schreibt von techno-
economic paradigm changes, Giovanni Dosi (1982) beschreibt diesen mas-
siven Wandel ebenfalls als paradigmatic changes, Devendra Sahal (1985)
bemüht dafür kartographische Analogien und spricht von technologischen
Wegweisern, die auf neue technologische Avenues hinweisen, etc. In allen
Arbeiten wird herausgestellt, dass ökonomische Systeme in größeren Zeitab-
schnitten von mehreren Dekaden mit gewaltigen Umbrüchen konfrontiert
sind, die praktisch alle etablierten Produktionsansätze in Frage stellen.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bahnt sich erneut ein solcher paradigmati-
scher Wechsel an, allerdings mit einem großen Unterschied zu den vorher-
gehenden Umwälzungen. Während die vergangenen Zyklen durch technolo-
gische Engpässe und deren Überwindung getrieben waren, steht die
Menschheit im 21. Jahrhundert vor der existenziellen Frage, wie die ökolo-
gische Nachhaltigkeit des Wirtschaftens wieder hergestellt werden kann.
Eine zentrale Rolle in diesem durch echte Unsicherheit (vgl. Knight 1921;
Podolny 1994) gekennzeichneten Wandlungsprozess scheint die im gegen-
wärtigen Sprachgebrauch als wissensbasierte Bioökonomie bezeichnete
Wirtschafts- und Produktionsweise zu spielen. Diese Form der Bioökonomie
umfasst alle Wirtschaftssektoren, die biologische Ressourcen wie Pflanzen,
Tiere und Mikroorganismen einsetzen. Land- und Forstwirtschaft, die Nah-
rungsmittelindustrie aber auch Teile der Chemie-, Energie-, Pharmazie-,
Kosmetik- und Textilindustrie gehören ebenfalls zur Bioökonomie. Mit dem
Begriff Bioökonomie verbindet sich dabei eine Wirtschaftsweise, die wis-
sensbasiert, innovativ und nachhaltig ist (https://bio-oekonomie.uni-
hohenheim.de).
Mit unserem Beitrag möchten wir aufzeigen, dass der evolutionsökonomi-
sche Ansatz nach wie vor die entscheidenden Hinweise dafür liefern kann,
wie die bevorstehenden Wandlungsprozesse ablaufen werden. Zu diesem
Zweck führen wir im zweiten Abschnitt zunächst in die wirtschaftswissen-
schaftliche Diskussion dieses Problembereichs ein und skizzieren kurz die
Überlegungen der wachstumspessimistischen Ansätze die als post-growth
oder de-growth Ansätze sich einer großen Popularität erfreuen. Diese wer-
den kontrastiert mit den wachstumsoptimistischen Ansätzen, die das intel-
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 335

lektuelle Erbe von Schumpeter hochhalten und auf die kreativen Kräfte ka-
pitalistischer Wirtschaftsformen zur Überwindung der fundamentalen Prob-
leme der Menschheit setzen. Hinter Innovationen steht die Entdeckung und
erfolgreiche Verbreitung von neuem Wissen. Wissensbasierte Gesellschaften
sind durch Innovationssysteme gekennzeichnet, die aus unterschiedlichen
Quellen gespeist werden und das Wissen der Akteure erfolgreich zusam-
menbringen. Damit beschäftigt sich der dritte Abschnitt dieses Kapitels.
Keine Innovation hätte sich jemals am Markt behaupten können, würden
sich nicht Konsumenten dafür interessieren und mit ihrer Kaufkraft den
innovativen Lösungen zum Durchbruch verhelfen. In Abschnitt vier wenden
wir uns diesen Fragestellungen unter der Rubrik Soziologie des Wandels zu,
um herauszuarbeiten, dass in wissensbasierten Gesellschaften neue Konzep-
te im Sinne einer verantwortungsvollen Innovation eine wichtige Rolle spie-
len, will man eine ganze Volkswirtschaft auf einen neuen nachhaltigen Ent-
wicklungspfad bringen. Ohne Zweifel nehmen durch diese technologie- und
wissensgetriebenen Veränderungen massive ökonomische Entwicklungen
ihren Ausgangspunkt, womit sich unser fünfter Abschnitt auseinandersetzt.
Neben dem technologischen Wandel wird in einem co-evolutionären Prozess
auch ein institutioneller Wandel ablaufen müssen, wenn sich die neuen
nachhaltigen Technologien erfolgreich Raum für die angestrebte Transfor-
mation des Wirtschaftssystems verschaffen wollen. Im fünften Abschnitt
geben wir ein konkretes Beispiel für die bevorstehenden Transformations-
prozesse aus dem Bereich Bio-Plastik.

II. Grenzen des Wachstums?


Spätestens seit der Club of Rome im Jahre 1972 den Bericht Die Grenzen
des Wachstums (vgl. Meadows et al. 1972) vorstellte, wird die Nachhaltig-
keit der kapitalistischen Organisation der Wirtschaft, wie sie sich in den
westlich industrialisierten Volkswirtschaften seit Beginn der industriellen
Revolution im ausgehenden 18. Jahrhundert einstellte, in Frage gestellt. Aus
dieser Kritik kristallisierten sich zwei unterschiedliche Anpassungsprozesse
heraus: Ressourcenschonung durch Wachstumsverzicht auf der einen Seite
und Entkopplung von Wachstum und Ressourcennutzung auf der anderen
Seite. Die Befürworter des ersten Weges, der unter dem Stichwort Verzicht
zusammengefasst werden kann, fordern eine Abkehr von einer auf Konsum
336 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

und steigendem Ressourcenverbrauch basierten Lebensweise, z. B. die Um-


weltenzyklika Laudato Si von Papst Franziskus. Dies geht mit Misstrauen
gegenüber der Wandlungsfähigkeit marktwirtschaftlich ausgerichteter Wirt-
schaftssysteme einher, denen insbesondere ein Wandel durch endogene
Marktkräfte in Richtung mehr Nachhaltigkeit nicht zugetraut wird. Stattdes-
sen wird ein starkes lenkendes Eingreifen nationaler Regierungen oder sup-
ranationaler Organisationen gefordert. In dieser Argumentationslinie wird
zudem bezweifelt, dass technische Innovationen maßgeblich zur Lösung der
Umwelt- und Ressourcenproblematik beitragen können. Die Forderungen
gehen bis hin zu einer Rückkehr zu einer kleinräumigen regionalen Agrar-
wirtschaft bzw. Subsistenzwirtschaft. Nur dies könne eine Lebens- und
Wirtschaftsweise ermöglichen, die nachhaltig und ressourcenschonend ist.
Darin spiegelt sich zudem Skepsis gegenüber der Integration globaler Märk-
te wider und es geht damit die Erwartung einher, dass der westliche Lebens-
stil bei wachsender Weltbevölkerung und angesichts der auf- und überho-
lenden asiatischen Volkswirtschaften dazu führen wird, dass die natürlichen
Ressourcen nicht für alle Menschen ausreichen werden.
Der zweite Weg ist dagegen von der Vorstellung geprägt, dass Innovationen,
Marktkräfte, (qualitatives) Wachstum und urbane Lebensstile (Agglomerati-
on) nicht zwingend Teil des Problems sind, sondern auch Teil der Lösung,
z. B. An Eco Modernist Manifesto (http://www.ecomodernism.org/mani
festo). Gerade im auslaufenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert hat die
kapitalistisch orientierte Wirtschaftsweise eindrucksvoll demonstriert, dass
durch findiges Unternehmertum in freien Märkten in kurzer Zeit mehr Men-
schen aus der Armut gebracht werden konnten als zuvor durch 50 Jahre
nicht marktkonforme und dirigistische Entwicklungshilfe. Neue Lösungen
können nicht nur große Teile der Menschheit über die Armutsgrenze heben,
sondern auch unsere Wirtschaftsweise im Sinne der Nachhaltigkeit reformie-
ren und gleichzeitig Wachstum und Entwicklung im Sinne eines green
growth stattfinden lassen (vgl. Mazzucato/Perez 2015).
„ … what is required is a reconceptualization of what is intended by ‚economic develop-
ment‘ and a fundamental transformation of the economy to a new ‚green‘ trajectory, based
on rapidly diminishing emission of greenhouse gases. This entails a much greater empha-
sis on innovation in all its forms – not just technological“ (Fagerberg et al. 2015).

Immer häufiger wird im Zusammenhang von green growth der Begriff der
wissensbasierten Bioökonomie (https://bio-oekonomie.uni-hohenheim.de)
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 337

angeführt, mit dem alle Produktions- und Konsumweisen zusammengefasst


werden, die auf eine Substitution erdölbasierter Produkte durch biologisch
produzierte und abbaubare Produkte abstellen. Dieses Sammelsurium unter-
schiedlichster Technologien weist hinsichtlich seiner sektoralen Orientie-
rung Querschnittscharakter auf und hat das Potential, den anstehenden Para-
digmenwechsel maßgeblich zu prägen. Der dadurch angestoßene Transfor-
mationsprozess wird die Gewichtung der Sektoren verschieben und der Ag-
rarsektor wird wieder eine umfassendere Rolle einnehmen: Berechnungen
zeigen, dass ein Landwirt derzeit durchschnittlich ca. 144 Menschen ernährt.
Diese Zahl muss in Zukunft jedoch auf 200 erhöht werden, um die wachsen-
de Weltbevölkerung ernähren zu können (http://www.bauernverband.de).
Gleichzeitig wird Biomasse zunehmend als industrieller Rohstoff und zur
Energieerzeugung benötigt werden. Effizienzgewinne, im Sinne der auch
qualitativen Erhöhung und Verbesserung des Outputs aus dem Einsatz natür-
licher Ressourcen, sind in dieser Vorstellung aus der Intensivierung der
Landwirtschaft, durch die Nutzung von gentechnisch veränderten Organis-
men (GVOs), die Substitution von erdölbasierten Materialien durch biologi-
sche Materialien, den Einsatz von Technologie, durch Vernetzung zur Steue-
rung (z. B. Kaskaden- und Koppelnutzung von Biomasse) und mittels Ver-
dichtung durch Urbanisierung vorstellbar.
Die handlungsleitende Idee der wissensbasierten Bioökonomie geht überein-
stimmend mit der schumpeterianischen Vorstellung einher, dass Verzicht im
Sinne eines ökonomischen Rückbaus weder das erste Ziel, noch die einzige
Lösung ist. Grundsätzlich ist man sich in dieser Vorstellung, – die sowohl
die Nachfrageseite als auch partizipatorische Elemente im demokratischen
Entscheidungsprozess miteinbezieht, z. B. die Sharing Ökonomie, respon-
sible innovation sowie soziale Innovation – mit den Anhängern des ersten
Weges einig, dass bestimmte Produktions- und Konsummuster der Vergan-
genheit dringend einer Änderung bedürfen. Die Kernidee besteht jedoch
darin, dass im Rahmen eines umfassenden ökonomischen Transformations-
prozesses (vgl. Geels 2002) neue technologische Lösungen bereitgestellt und
nachgefragt werden, dass also andere Güter auf andere Art und Weise pro-
duziert und nachgefragt werden und dass entsprechend Innovationen, funk-
tionierende Märkte, aber auch veränderte Konsumenteneinstellungen ent-
scheidende Voraussetzungen für ein Gelingen des Transformationsprozesses
338 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

sein werden (z. B. https://bioeconomy.uni-hohenheim.de/was-ist-biooekono


mie).
Die Ausschöpfung der neuen technologischen Möglichkeiten schafft auf der
Angebotsseite neue Investitionsmöglichkeiten und ist Voraussetzung für
einen sozio-ökonomischen und kulturellen Wandel. Der Wandel kann jedoch
nur gelingen, wenn auch die Konsumenten die biobasierten Produkte akzep-
tieren. Vertreter der neo-schumpeterianischen Schule (vgl. Dosi et al. 1988;
Lundvall 1992; Nelson 1993; Lundvall 1998) haben bereits frühzeitig auf
den systemischen Charakter von Innovationsprozessen in wissensintensiven
Wirtschaftsbereichen hingewiesen. Sogenannte Innovationssysteme bestehen
aus unterschiedlichen Akteuren (Firmen, Forschungseinrichtungen, politi-
sche Akteure, Konsumenten etc.) und Verbindungen zwischen diesen Akteu-
ren (Güterflüsse, F&E Kooperationen, Wissenstransferbeziehungen etc.).
Solche Systeme sind dynamisch und co-evolutiv und damit enorm komplex,
da sowohl die Akteure und deren Wissen sich verändern, als auch die Ver-
bindungen zwischen den Akteuren im Zeitverlauf aufgelöst, beziehungswei-
se neu gebildet werden können.
Die deutsche Volkswirtschaft, die über relativ geringe Vorkommen an nicht-
nachwachsenden Rohstoffen verfügt, muss ein großes Interesse an einer
Führungsrolle in diesem Transformationsprozess haben und daran, sich im
Innovationswettbewerb um neue nachhaltige Lösungen zu behaupten (Kli-
maziel des G7-Gipfels 2015 in Deutschland: Null Treibhausgasemissionen
bis 2100), will man mittel- bis langfristig die relative Einkommensposition
behaupten bzw. sogar ausbauen. Die große Herausforderung besteht darin,
die Volkswirtschaft auf einen von nicht-nachwachsenden Ressourcen ent-
koppelten Entwicklungspfad zu setzen, der weiterhin ein Leben auf einem
hohen bzw. sogar steigenden Lebensstandard ermöglicht.
In der modernen innovationsökonomischen Literatur mit evolutionsökono-
mischer Prägung wird ökonomischer Wandel weder als vollkommen zufällig
noch als strikt deterministisch betrachtet (vgl. Dosi/Nelson 1994). Ausge-
hend von der Kritik an den etablierten Innovationsmodellen – insbesondere
an der angebotsorientierten technological push Theorie – führt Dosi (1982)
das Konzept der technologischen Paradigmen und technologischen Trajekto-
rien ein. Er definiert technologische Paradigmen als „[…] set of procedures,
or a definition of the ‚relevant‘ problems and of the specific knowledge
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 339

related to their solution“ (Dosi 1982, S. 152). Übertragen auf die wissensba-
sierte Bioökonomie ist die Problemstellung zum einen die Substituierung
bzw. Einsparung kohlenstoffbasierter Materialen und Energie durch bioba-
sierte Materialien und Energie, wozu sehr heterogene technologische Ver-
fahren über die ganze Tiefe und Breite der Wertschöpfungsketten herange-
zogen werden. Zum anderen geht es im Sinne der Erschließung von ökono-
mischen Komplementaritäten um die Erweiterung von Wertschöpfungsket-
ten durch die Möglichkeiten der Digitalisierung, wodurch die Wertschöp-
fung in neuen nachhaltigen Bereichen der Produktion CO2-neutral gesteigert
werden kann (z. B. bei der Elektromobilität auf Basis erneuerbarer Energien,
beim Ausbau intelligenter Stromnetze usw.). Das Konzept der technologi-
schen Paradigmen verdeutlicht, wie zu unterschiedlichen Zeitpunkten
windows of opportunity aufgehen und Innovationen und die damit verbunde-
nen Technologien entstehen. Arthur (1989) und David (1985) weisen in
diesem Zusammenhang auf Pfadabhängigkeiten und lock-in Effekte hin. Da
Pfadabhängigkeiten in lock-in Effekte münden können, stehen die Unter-
nehmen wie die Politik vor der Herausforderung, frühzeitig neue Technolo-
giepfade zu beschreiten und gleichzeitig dabei Offenheit für zukünftige
technologisch überlegene Lösungen beizubehalten. Die Konzepte Pfadab-
hängigkeit und lock-in Effekte spielen in der innovationsökonomischen
Betrachtung der Transformation des Produktionssystems hin zu einer wis-
sensbasierten Bioökonomie eine wichtige Rolle, v. a. für den zeitlichen Ab-
lauf des Transformationsprozesses: Es gilt zu vermeiden, dass einerseits an
technologisch überholten Lösungen zu lange festgehalten wird, wodurch es
zur Ressourcenverschwendung kommt (z. B. Erhaltungssubventionen für
Kohle und Stahl). Gleichzeitig ist zu vermeiden, dass andererseits vielver-
sprechende neue technologische Lösungen zu früh verworfen werden, da
deren Entwicklungsprozess sowie die Integration in das Wertschöpfungs-
netzwerk viel Zeit in Anspruch nimmt und in einem evolutionären Prozess
zwangsläufig sowohl Fehler als auch Überraschungen beinhaltet.
Seit der industriellen Revolution sind sozio-ökonomische Systeme perma-
nenten Transformationsprozessen ausgesetzt. Während bislang die Entwick-
lungsprozesse von durch starke Unsicherheit gekennzeichneten, zunächst
ergebnisoffenen Innovationsprozessen getrieben wurden, ist beim bioöko-
nomischen Transformationsprozess neu, dass eine gesellschaftlich und poli-
tisch erwünschte Richtung vorzugeben ist. In der Vergangenheit wurden
340 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

durch die großen technologischen Umwälzungen überwiegend Engpässe


aufgrund wissenschaftlich-technologischer Beschränkungen überwunden,
wodurch das sozio-ökonomische System auf ein neues Gleis gesetzt wurde,
ohne dass unmittelbar Vorgaben für die Richtung des Entwicklungsprozes-
ses gemacht wurden. Durch die seit der industriellen Revolution massive
Akkumulation von Kohlendioxid in der Atmosphäre und die Gefährdung der
gegenwärtigen Ökosystemleistung ist jedoch zu Beginn des 21. Jahrhunderts
klar, dass globale Schwellen überschritten wurden, wodurch die Freiheits-
grade zukünftiger Entwicklungen eingeschränkt werden müssen, will man
nicht die natürlichen Voraussetzungen für menschliches Leben und biologi-
sche Vielfalt auf der Erde irreversibel schädigen.
Noch ist jedoch unklar, wie dieser Transformationsprozess zielgerichtet
gelingen kann und in welchem Maße der Transformationsprozess durch
politische Einflussnahme gestützt und gesteuert werden soll und kann, um
die gesellschaftlich erwünschten Ziele zu erreichen. Technologische Neu-
entwicklungen alleine führen jedenfalls nicht zu einer Transformation des
sozio-ökonomischen Systems, sondern schaffen zunächst nur das notwendi-
ge Potential für weitreichende Umbrüche, die die Volkswirtschaft als Gan-
zes betreffen. Erst die Entscheidung für eine spezifische Nutzung dieser
Technologien, also der Einleitung einer Entwicklungsrichtung, verbunden
mit Investitionsentscheidungen, Innovationen und der Übernahme von Risi-
ken durch den Staat führen zu konvergierenden Trajektorien und Synergien,
die letztlich allen Akteuren zu Gute kommen (vgl. Pérez 2013). Das grüne
Wachstumsparadigma auf Basis von biobasierten Technologien kann eine
solche Richtung sein, welche das Potential verschiedener technologischer
Entwicklungen zusammenführt und zur Blüte bringt. Ausgangspunkt ist die
politische Entscheidung, welche zu einer Neuorientierung der gesamtwirt-
schaftlichen Innovationsaktivitäten, zur Erschließung neuer Energiequellen,
zur Verbesserungen der Produktivität von natürlichen Ressourcen und neuen
nachhaltigen Lebensweisen und Produktionsweisen führt (vgl. Pérez 2013).
Darüber hinaus werden in einem solchen Transformationsprozess Möglich-
keiten für wirtschaftliche Entwicklung in aufholenden Volkswirtschaften
geschaffen, ohne dass die globalen natürlichen Ressourcen und die Umwelt
überstrapaziert werden. Entscheidend für das Gelingen des Transformati-
onsprozess ist, dass dem Transformationsprozess eine Richtung gegeben
wird (vgl. Mazzucato/Perez 2015). Wichtig für die langfristige Entwicklung
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 341

ist die Vernetzung und Clusterbildung, welche zur einer Reduzierung von
Unsicherheit und sich selbstverstärkenden Effekten führt. Außerdem sind
soziale Veränderungen und veränderte Lebensstile Ausdruck, aber auch
Treiber des Transformationsprozesses (vgl. Mazzucato/Perez 2015).
Die staatliche Rolle geht dabei über die reine Korrektur von Marktversagen
hinaus. Vielmehr wird durch staatliches Handeln der Boden bereitet, auf
dem neue Märkte überhaupt erst entstehen und gedeihen können, indem
Investitionssicherheit geschaffen und Risiken und Unsicherheit reduziert
werden (vgl. Mowery et al. 2010). Ein Wachstumspfad auf dem Boden der
Bioökonomie ist entsprechend mehr als ein reiner Ersatz von Rohöl durch
nachwachsende Rohstoffe oder erneuerbare Energien. Es bedarf eines Inno-
vationssystems, welches Synergieeffekte, Wissenstransfer und Netzwerke
zwischen Herstellern, Zulieferern und Konsumenten schafft. Es erfordert
eine Umgestaltung, welche die gesamte Volkswirtschaft erfasst und die
Produktions- und Konsummuster erneuert. Das neue technologische Potenti-
al ist eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für den Transfor-
mationsprozess. Es bedarf einer bewussten Entscheidung, wie dieses techno-
logische Potential genutzt wird und welche Trajektorien entwickelt und
zusammengeführt werden. Der Markt in dem Innovationen profitabel sind,
entsteht dabei nicht von alleine. Das notwendige Entstehen von Rückkopp-
lungsschleifen zwischen politischen Entscheidungen, Unternehmensstrate-
gien und Konsumentenpräferenzen ist letztlich nicht vorhersagbar oder
exakt zu steuern. Ohne das staatliche Engagement nimmt der Transformati-
onsprozess letztlich aber nicht die gewünschte Richtung bzw. stockt oder
findet überhaupt nicht statt (vgl. Mazzucato/Perez 2015).
Auf Basis der skizzierten Problemstellungen lassen sich drei zentrale, sich
gegenseitig beeinflussende Themenfelder identifizieren. Dies sind die The-
menfelder Wissen, Innovation und Technologie, Soziologie des Wandels
sowie das Themenfeld Ökonomie. In den folgenden Abschnitten gehen wir
darauf ein.

III. Wissen, Innovation und Technologie


Das erste Themenfeld betrifft die Rolle von Wissen, Technologien und In-
novationen im Transformationsprozess zur Erreichung der anvisierten Ziele.
342 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

Unstrittig ist, dass Innovationen eine wichtige Voraussetzung sind, um so-


wohl quantitativ einen höheren Effizienzgrad in der Produktion zu erzielen
als auch qualitativ die industrielle Substitution erdölbasierter Rohstoffe
durch nachwachsende Ressourcen zu ermöglichen. Dazu sind ohne Zweifel
institutionelle Anpassungen notwendig, bspw. um Investitionssicherheit zu
schaffen oder um ein passendes Bildungssystem einzurichten. Fraglich ist
bislang, wie die Koordination zwischen staatlichen und privaten Ausbil-
dungs- und Forschungseinrichtungen konzipiert sein muss, um förderliche
Resultate in Bezug auf die Ziele der Bioökonomie erreichen zu können.
Die Bioökonomie ist durch einen Querschnittscharakter gekennzeichnet, der
angebotsseitig sämtliche Sektoren einer Volkswirtschaft sowie nachfragesei-
tig das Verhalten der Verbraucher betrifft. Aus diesem Grund werden
bioökonomische Innovationsanstrengungen sowohl die Industriedynamik
bereits existierender Industrien und neu entstehender Sektoren beeinflussen
als auch maßgebliche Institutionenentwicklungen im Sinne einer Co-
Evolution anstoßen.
Der nationale institutionelle Rahmen beeinflusst das bioökonomische Ent-
wicklungsmuster und die Art der Entstehung neuer Unternehmen (vgl. Cas-
per et al. 1999; Whitley 1999). North (1990) und Hall und Soskice (2001,
S. 9) definieren Institutionen dabei als
„a set of rules, formal or informal, that actors generally follow, whether for normative,
cognitive, or material reasons, and organizations as durable entities with formally recog-
nized members, whose rules also contribute to the institutions of the political economy“.

Im Sinne der sogenannten umfassenden Neo-Schumpeterianischen Sichtwei-


se erfordert die Entwicklung eines neuen technologischen Sektors drei zu-
kunftsorientierte und miteinander verflochtene Säulen: Den Unternehmens-
sektor, den Finanzsektor und den öffentlichen Sektor (vgl. Hanusch/Pyka
2006b, 2007b). Im Unternehmensbereich wird neues Wissen generiert. Dies
geschieht häufig in Netzwerkstrukturen bestehend aus Unternehmen und
(öffentlichen) Forschungseinrichtungen, wodurch der industrielle und der
öffentliche Sektor auf das engste miteinander verbunden sind. Der Finanz-
sektor ist notwendig für die Finanzierung der Entwicklung neuer Produkte
auf Basis neuer Ideen und für die Kommerzialisierung. Die Unternehmens-
gründungsfinanzierung verbindet dabei die Finanzsäule intensiv mit der
industriellen Säule in einer Volkswirtschaft. Der Zugang zu Finanzkapital
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 343

funktioniert in liberalen Marktwirtschaften – im Sinne der Spielarten des


Kapitalismus – häufig über den Finanzmarkt oder über Risikokapitalgeber,
während in koordinierten Marktwirtschaften häufig staatliche Organisatio-
nen und private sowie öffentliche Banken diese Rolle übernehmen (vgl.
Adelberger 2000; Hall/Soskice 2001). Die Unterstützung des öffentlichen
Sektors wird gebraucht, damit Unternehmen Risiken eingehen bzw. damit
Risiken abgefedert werden und um die Zukunftsorientierung der beiden
anderen Pfeiler, beispielsweise durch Ausgaben für Bildung, zu unterstüt-
zen. Dabei ist zu beobachten, dass selbst in liberalen Marktwirtschaften die
Rolle des Staates bei der Übernahme von Risiken für die Entwicklung von
Innovation nicht zu unterschätzen ist (vgl. Mazzucato 2013). In liberalen
Marktwirtschaften nehmen die Pfeiler zudem häufiger eine Gestalt an, die
radikale Innovation unterstützt, während koordinierte Marktwirtschaften
vorteilhafter für inkrementelle Innovationen sind (vgl. Soskice 1997).
Eine entscheidende Voraussetzung für die Transformation hin zu einem
bioökonomischen Produktionssystem bildet die durch das Bildungs- und
Forschungssystem aufgebaute Wissensbasis der Volkswirtschaft (vgl. Geels
2002). Einerseits herrscht noch ein großes Maß an Unsicherheit hinsichtlich
zukünftig notwendiger Kompetenzen für eine Bioökonomie, andererseits
können zahlreiche einzelne Wissensfelder, die für den Übergang eine wich-
tige Rolle spielen, bereits identifiziert werden wie z. B. die synthetische
Chemie, Verfahrenstechnik, Gentechnik, Lebensmitteltechnologie oder In-
formatik. Wichtig ist zu verstehen, welche Dynamiken diese Wissensfelder
aufweisen und wie sie sich mit anderen Wissensfeldern und entsprechenden
Akteuren rekombinieren lassen, um Innovationen zu generieren. Aus der
Analyse der Wissens- und Vernetzungsdynamik können Entwicklungspfade
identifiziert werden, die aufzeigen, in welchen Bereichen verstärkte For-
schungs- und Entwicklungsanstrengungen unternommen werden müssen, um
vorhandene Lücken zu schließen und Brücken zwischen bislang noch unver-
bundenen Wissensfeldern zu bauen (vgl. Burt 2004; Zaheer/Bell 2005).
Neben den rein wissensbezogenen Dynamiken liefern auch die dahinterste-
henden Akteure (KMUs, große Unternehmen, Forschungsinstitute, Bürger-
initiativen etc.) wichtige Rückschlüsse. Dies erfordert ein klares Bild hin-
sichtlich der Fähigkeit der Akteure, Neues zu lernen und nutzbar zu machen
(absorptive Fähigkeiten) (vgl. Cohen/Levinthal 1989; Cohen/Levinthal
1990).
344 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

Zentral für die Bioökonomie sind unterschiedlichste Arten von Innovationen


wie Produkt- und Prozessinnovationen, aber auch soziale Innovationen, neue
Rohstoffquellen und neue Märkte. Insgesamt geht es um die Reorganisation
von Produktionsprozessen und Wertschöpfungsketten. In der klassischen
ökonomischen Vorstellung führt die Möglichkeit, Skalenvorteile zu realisie-
ren dazu, dass möglichst große Einheiten (Produktionsstätten, Ackerflächen)
geschaffen werden, die vergleichsweise kostengünstig produzieren können
(vgl. Krugman 1980). Allerdings besteht ein entscheidender Nachteil darin,
dass die Produktion z. B. von Nahrungsmitteln damit abseits der urbanen
Zentren stattfindet, wo die Nahrungsmittel letztlich hauptsächlich konsu-
miert werden. Dadurch entstehen hohe Transportaufwendungen etc., die mit
Energieverbrauch verbunden sind. Durch den Einsatz von neuer Technologie
kann kleinflächiger und trotzdem effizient produziert werden und die Pro-
duktion von Nahrungsmitteln kann näher an oder direkt in das urbane Zent-
rum (Urban Farming) herangeholt werden. Produktionsprozesse und Wert-
schöpfungsketten müssen in Zukunft insgesamt so ausgerichtet sein, dass sie
Spielraum für bioökonomische Verfahren bieten.
Die Vernetzung und Digitalisierung industrieller Prozesse (in Deutschland:
Industrie 4.0) dehnt sich auf landwirtschaftliche Produktionsprozesse aus
und erhöht deren Effizienz. Mit Hilfe des Internets können kleine, primär
regional arbeitende Betriebe globale Reichweite und Sichtbarkeit erreichen.
Um das sich bietende Potential dieser Prozessinnovationen nutzen zu kön-
nen, muss das Wissen über die Existenz und den Einsatz der Technologie
erworben werden. Dazu werden sich die landwirtschaftlichen Ausbildungs-
gänge verändern müssen (z. B. in Richtung Wirtschaftsinformatik) bzw.
werden neue Berufsprofile entstehen, etwa der/die Agrarinformatiker/in.

IV. Soziologie des Wandels


Ein weiterer wichtiger Aspekt im Transformationsprozess sind gesellschaft-
liche Einstellungen, deren Einfluss auf die Innovationstätigkeit und die Dif-
fusion von verändertem Konsumentenverhalten (vgl. Geels 2002). Hier rückt
das Zusammenspiel von Technologieentwicklung, Nachfrage und Akzeptanz
von innovativen Lösungen und soziologischen Variablen in den Mittelpunkt.
Letztere beinhalten bspw. Bildung, Alter, Einkommen und Geschlecht. Ohne
die Akzeptanz der Konsumenten wird es keine erfolgreiche bioökonomische
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 345

Innovation geben. Die Nachfrage bestimmt maßgeblich die Richtung des


Transformationsprozesses, d. h. es geht um die Frage, wie aufgeschlossen
die Menschen der Bioökonomie und ihren Produkten gegenüberstehen. Ur-
metzer und Pyka (2016) stellen bei ihrer Untersuchung der bioökonomi-
schen Innovationssysteme in der EU fest, dass in Europa verschiedene struk-
turell unterschiedliche Ländercluster vorzufinden sind, die sich voneinander
nicht nur durch ihre geographische Lage und ihre historische Entwicklung
unterscheiden, sondern auch durch ihr politisches System und ihre kulturel-
len Traditionen. Das Ergebnis der Studie bedeutet, dass es keinen für alle
EU-Volkswirtschaften gleichen Transformationsprozess zur wissensbasier-
ten Bioökonomie geben wird und sich daher auch die politischen Strategien
voneinander unterscheiden müssen.
Neben den Institutionen ist die Rolle von (realen und virtuellen) sozialen
Netzwerken von großer Bedeutung, welche einen wesentlichen Beitrag zur
Diffusion von Verhaltensmustern und Wertvorstellungen der Konsumenten
leisten (vgl. Robertson et al. 1996; Valente 1996; Nyblom et al. 2003; Def-
fuant et al. 2005). McPherson, Smith-Lovin und Cook (2001) zeigen, dass
Einstellungen bedeutend für die Bildung sozialer Beziehungen sind. Ande-
rerseits zeigen erste Studien, dass soziale Beziehungen wiederum das Ver-
halten und Einstellungen maßgeblich beeinflussen. Beispielsweise konnte
gezeigt werden, dass Freundschaften einen Einfluss auf das Essverhalten
haben (vgl. de Klepper et al. 2010; Haye et al. 2013).
Darüber hinaus müssen kritische Fragen in pluralistischen Gesellschaften in
demokratischen Prozessen behandelt werden. Nicht alles, was technisch
möglich ist, wird auch gesellschaftlich gewünscht bzw. wirft ethische Fra-
gen auf. Zu denken ist im Bereich der Bioökonomie an die Anwendung von
gentechnisch veränderten Organismen (GVOs), nicht nur in der Medizin,
sondern auch in der Landwirtschaft, welche einerseits Effizienzvorteile be-
züglich Land- und Wasserverbrauch etc. versprechen, bei welcher anderer-
seits langfristige gesundheitliche oder ökologische Risiken sowie wirtschaft-
licher Missbrauch bislang nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden können.
Entsprechend findet die Technologieentwicklung in Abhängigkeit der Ak-
zeptanz und Einstellung der Konsumenten statt und ist somit vom Bildungs-
grad innerhalb einer Volkswirtschaft insgesamt abhängig. Allgemein stellt
sich die Frage, welche Innovationen zur Lösung von Problemen beitragen
und welche Innovationen für die Gesellschaft eher ein Risiko darstellen, was
346 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

wiederum staatliches Eingreifen legitimiert. Unter dem Begriff responsible


innovation wird die verantwortliche Gestaltung von Entwicklung zusam-
mengefasst, welche von der Europäischen Politik mit hoher Priorität disku-
tiert wird (http://ec.europa.eu/programmes/horizon2020/en/h2020-section/
responsible-research-innovation). Ein weiterer Aspekt betrifft die Verant-
wortung gegenüber zukünftigen Generationen (vgl. Stilgoe et al. 2013). In
diesem Kontext stellt sich die Frage, ob Innovationen ausschließlich nach
dem quantitativen Kriterium ökonomischer Effizienz beurteilt werden oder
ob auch qualitative Gesichtspunkte (etwa der Verbraucherschutz oder öko-
logische Kriterien) eine gestaltungsrelevante Rolle spielen. Anhand der
Diskussionen von Innovationen, wie beispielsweise der Nanotechnologie
oder Biokraftstoffen (Biomasse vs. Nahrungsmittel), lässt sich erkennen,
dass eine rein ökonomische (aber auch eine eindimensional ethische) Be-
trachtungsweise nicht ausreicht.
Die Einführung von Innovationen kann als erfolgreich bewertet werden,
wenn ihre Folgen gesellschaftlich akzeptiert und getragen werden. Ökono-
men weisen darauf hin, dass Innovationen im Sinne der Bedürfnisbefriedi-
gung einer Gesellschaft als Ganzes entwickelt werden sollen und es deshalb
wichtig sei, diese auch einzubeziehen. Auf die Notwendigkeit im Dialog
zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nicht nur
auf ökologische und gesundheitliche, sondern auf im umfassenden Sinne
gesellschaftliche Chancen und Risiken einzugehen, weist auch der Bioöko-
nomierat hin. Die sozialen Chancen und Risiken lassen sich als Gerechtig-
keitsanliegen verstehen. Rawls (1971) hat in seinem Werk A Theory of Jus-
tice den Begriff der Gerechtigkeit ökonomisch motiviert und ihn in eine
umfassende praktische Philosophie integriert. Hanusch und Pyka (2007b)
hierzu:
„An individual as a member of society can agree on a social contract to deal with the pe-
culiarities and imponderables of innovation processes. This social contract then has to be
executed by a state authority. In the Neo-Schumpeterian context, sure enough the social
contract also applies to firm actors and entails both support for uncertain innovation activ-
ities as well as social responsibilities in the case of innovative success.“

Die Frage nach den Chancen und Risiken stellt sich beispielhaft im Bereich
der Pflanzenzucht. Neue Züchtungstechniken (NZT), die auch unter dem
Begriff des Genome Editing bzw. Smart Breeding eingeführt werden, ermög-
lichen es, DNA Bausteine von Nutzpflanzen gezielt zu modifizieren. Die
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 347

Forschung wertet diese und ähnliche Verfahren als bahnbrechend, da damit


potentiell leistungsstarke Pflanzeneigenschaften zu geringem Zeitaufwand
und Kosten gezüchtet werden können. So entwickelte Sorten lassen sich
äußerlich nicht mehr von Sorten der konventionellen Züchtung unterschei-
den (vgl. Leopoldina et al. 2015). Auch hier zeigt sich wieder die Notwen-
digkeit, die Bildungspolitik in die Gestaltung der Transformation hin zu
einer wissensbasierten Bioökonomie mit einzubeziehen, um unbegründete
Vorbehalte abzubauen, die in der Lage sind, erfolgsversprechende neue
Technologiepfade zu früh wieder zu verwerfen.
Neben Gewinnern eines ökologisch wertvollen und gesundheitlich unbe-
denklichen Innovationsprozesses gibt es auch Verlierer, deren Lebens- bzw.
Geschäftsmodell durch die Neuerung negativ beeinflusst wird. Der Bioöko-
nomierat empfiehlt, dass Chancen, Zielkonflikte und Risiken derartiger
bioökonomischer Neuerungen gesellschaftlich verhandelt werden sollten. In
ähnlicher Weise fordert das Konzept der responsible innovation (RI), ethi-
sche Aspekte zu berücksichtigen. Darunter fallen auch Konflikte über unter-
schiedliche Gerechtigkeitsanliegen, zum Beispiel zwischen der Verteilungs-
gerechtigkeit und der Umweltgerechtigkeit.
Eine umfassende Definition von responsible innovation entwickelte von
Schomberg (2011). Er beschreibt RI als
„a transparent, interactive process by which societal actors and innovators become mutual-
ly responsive to each other with a view to the (ethical) acceptability, sustainability and so-
cietal desirability of the innovation process and its marketable products (in order to allow
a proper embedding of scientific and technological advances in our society)“.

Die Grenzen zwischen responsible Innovation und verwandten Konzepten,


wie social innovation (vgl. z. B. Bornstein 2007; Hanusch/Pyka 2013), ver-
laufen oftmals fließend. Entsprechend dem Verständnis der Europäischen
Kommission (http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1022&langId=de) um-
fasst der Begriff social innovation Innovationen
„die sowohl in Bezug auf ihre Zielsetzung als auch ihre Mittel sozial sind, insbesondere
diejenigen, die sich auf die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen (für Produkte,
Dienstleistungen und Modelle) beziehen, die gleichzeitig einen sozialen Bedarf decken
und neue soziale Beziehungen oder Kooperationen schaffen und dadurch der Gesellschaft
nützen und deren Handlungspotenzial eine neue Dynamik verleihen“.
348 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

Soziale Innovationen können einen wichtigen Beitrag für die ländliche Ent-
wicklung leisten und die ökonomische Resilienz dieser Regionen fördern,
indem sie kooperatives Verhalten fördern. Ländliche Kooperativen und ähn-
liche Zusammenschlüsse können dazu beitragen, die regionale Wettbewerbs-
fähigkeit unter Beachtung ökologischer und sozialer Kriterien zu entwi-
ckeln. Dies kann ländlichen Regionen, die in besonderem Maße vom sich
bereits abzeichnenden demographischen Wandel betroffen sind, neue Chan-
cen im Rahmen der Bioökonomie eröffnen.

V. Ökonomie
Die Folgen ökonomischer Transformationsprozesse werden zunächst auf der
makroökonomischen Ebene, häufig in Form von Krisen im Sinne von kon-
junkturellen Einbrüchen, sichtbar. Das Verständnis für die Transformation
kann jedoch nur durch die Analyse mikro- und industrieökonomischer Pro-
zesse gewonnen werden. Die (innovations-) ökonomische Analyse des
Transformationsprozesses hin zu einem wissensbasierten bioökonomischen
Produktionssystem beschäftigt sich mit der Entstehung, der Ausbreitung,
den Voraussetzungen und den Wirkungen von Neuerungen, die diesen
Transformationsprozess unterstützen (bzw. hemmen). Dabei wird sowohl
auf die unterschiedlichen Branchen und deren Dynamik – die Entstehung
neuer Industrien und der Untergang bzw. Wandel reifer Industrien („schöp-
ferische Zerstörung“ (vgl. Schumpeter 1943; Saviotti/Pyka 2013) – die Be-
deutung von technologischen und sozialen Innovationen sowie auf die regi-
onale Dimension und die unterschiedlichen Voraussetzungen, die verschie-
dene Regionen mit sich bringen, eingegangen. Ebenso rückt das Zusam-
menwirken von Nachfrage und Innovation in den Mittelpunkt. Teilaspekte
betreffen das Potential für Innovation und (qualitatives) Wachstum sowie
Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung.
Die Transformation hin zur biobasierten Ökonomie stellt für das derzeitige
ökonomische System einen äußerst komplexen Veränderungsprozess dar,
d. h. es sind sehr viele unterschiedliche Akteure in unterschiedlichen Rollen
beteiligt. Gleichzeitig wird in diesem Prozess, neben innovatorischen An-
passungen in bereits existierenden Industrien, die Entstehung neuer Indust-
rien und das Ausscheiden reifer Industrien zu beobachten sein. Neben den
substitutiven Beziehungen neuer biobasierter Industrien zu traditionellen,
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 349

auf Rohölprodukten basierenden Industrien, wird es zahlreiche wichtige


komplementäre Beziehungen geben, die für den Transformationsprozess
dynamische Impulse darstellen. Hiervon betroffen ist die Zusammensetzung
einzelner Sektoren, wo ein Nebeneinander von großen diversifizierten Un-
ternehmen und hochspezialisierten kleinen Technologieunternehmen zu er-
warten ist. Die Beziehungen auf der Wissensentstehungs- und -ausbreitungs-
ebene lassen sich als ein dynamisches Innovationsnetzwerk (vgl. z. B.
Buchmann/Pyka 2015) darstellen, in dem verschiedene Akteure Wissen mit-
einander teilen und gemeinsam neues Wissen schaffen. In den Innovations-
netzwerken wird auch die Nachfrageseite, beispielsweise vertreten durch
Konsumentenverbände und die Politik, eine prominente Rolle einnehmen
und in frühen Phasen der Technologieentwicklung Innovationsnetzwerke
etablieren helfen (Market Pull).
Investitionen und Wirtschaftswachstum werden auch in einer wissensbasier-
ten Bioökonomie eine entscheidende Voraussetzung für Beschäftigung,
internationale Wettbewerbsfähigkeit und Einkommensentstehung darstellen.
Die Europäische Kommission diagnostizierte jedoch eine erhebliche Investi-
tionslücke in Europa, die durch eine 3-Säulen Strategie geschlossen werden
soll. Im März 2015 verabschiedete der Europäische Rat dazu den sogenann-
ten Juncker Plan, welcher auf einem Vorschlag der Europäischen Kommis-
sion vom November 2014 basiert (An Investment Plan for Europe, European
Commission 2014). Die Kommission führt darin die Investitionslücke auf
die andauernde Finanz- und Wirtschaftskrise zurück. Demnach sind die
Investitionen deutlich unter das historische Trendniveau gefallen. Die
Bioökonomie kann zur Erhöhung des Investitionslevels einen wichtigen
Beitrag leisten, indem sie durch Innovationen neue Investitionsmöglichkei-
ten schafft und damit die derzeit vorhandene große Menge an Liquidität
einer produktiven Verwendung zuführt, was wiederum den technologischen
Paradigmenwechsel beschleunigt (vgl. Perez 2010). Von der Transformation
hin zu einem wissensbasierten bioökonomischen Produktionssystem wird
erwartet, dass die schädliche Beziehung zwischen Wirtschaftswachstum und
Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch, Klimawandel und Energie-
verbrauch im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftsweise aufgelöst wird.
Welcher Beitrag von einzelnen Bereichen zu erwarten ist, welche komple-
xen Rückkopplungen für die Wettbewerbsfähigkeit zu erwarten sind und ob
350 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

gegebenenfalls sogenannte Rebound Effekte die positiven Wirkungen des


Transformationsprozesses konterkarieren, sind offene Fragen.
Der Zeitpfad des Transformationsprozesses stellt schließlich eine weitere
kritische und wenig erforschte Komponente dar. Auf der einen Seite besteht
Eile bei der Reduktion von kohlenstoffbasierten Produktionsweisen, auf der
anderen Seite werden im Transformationsprozess Friktionen auftreten, wel-
che beispielsweise durch einen Mangel an Fachkräften verursacht werden.
Zunutze kann man sich in diesem Zusammenhang sogenannte Sailingship
Effekte (vgl. Howells 2002) machen, die bei drastischen Innovationen (kom-
petenzzerstörende Innovationen, radikale Innovationen) häufig zu beobach-
ten sind. Aufgrund der Bedrohung durch innovative Technologien gibt es
Anpassungsreaktionen bei Vorgängertechnologien, die verhindern sollen,
dass die alten Technologien rasch aus dem Markt gedrängt werden (z. B.
spritsparende Verbrennungsmotoren und hybride Antriebstechnologien als
Reaktion auf das Aufkommen von Elektrofahrzeugen). Der Transformati-
onsprozess wird entsprechend für längere Zeiträume durch eine Parallelität
traditioneller und biobasierter Industrien gekennzeichnet sein und es wird
darauf ankommen, die relevanten Innovationsprozesse in den traditionellen
Technologien parallel weiter voranzutreiben. Diese Parallelität erhöht den
Komplexitätsgrad weiter.
Gibt es dabei eine optimale Transformationsgeschwindigkeit? In der be-
triebswirtschaftlichen Literatur wird der sogenannte first-mover-advantage
angeführt, welcher dem technologisch voranschreitenden Unternehmen ei-
nen Wettbewerbsvorteil durch die Etablierung eines dominant designs ver-
leiht. In der volkswirtschaftlichen Perspektive ist die Phase des Aufkom-
mens einer neuen Technologie durch echte Unsicherheit geprägt. Es bleibt
also offen, welche Lösung sich durchsetzen wird. In diesem Prozess können
kleine Impulse, wie der oben angesprochene first-mover-advantage, bis hin
zu Zufällen ausreichen, um eine pfadabhängige Entwicklung einzuleiten, die
zu einem neuen technologischen Paradigma führt (vgl. Dosi et al. 1988;
Arthur 1989; Perez 2010). Entsprechend stellt sich die Frage, inwieweit eine
Volkswirtschaft gezielt und erfolgreich auf das bioökonomische Paradigma
setzen kann und ob die Geschwindigkeit des Wandels gesteuert werden kann
(vgl. Pyka 2014). Es gilt beispielsweise zu vermeiden, dass alte Kompeten-
zen durch politische Einflussnahme aufgegeben werden, bevor neue Kompe-
tenzen ausreichend entwickelt und aufgebaut worden sind. Die Nutzung des
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 351

oben angeführten Sailingship Effekts erhöht beispielsweise die zeitlichen


Spielräume für einen soliden und funktionierenden technologischen Über-
gang: Im Bereich der Elektromobilität lassen sich Zielsetzungen, wie
Feinstaubreduktion in Innenstädten, mit hybriden Fahrzeugen bereits reali-
sieren, wodurch sich für die Erreichung der Marktreife der Elektromobilität
sowie der dafür notwendigen Infrastruktur, Zeit gewinnen lässt.
Auch wenn Deutschland international zu den führenden Wirtschaftsnationen
zählt, muss konstatiert werden, dass ein Wandel der Wirtschaftsweise allei-
ne in Deutschland angesichts sich dynamisch entwickelnder Volkswirtschaf-
ten wie China, Indien oder Brasilien das Wachstum des globalen Ressour-
cenverbrauchs nicht maßgeblich verringern kann. Entsprechend stellt sich
die Frage, wie Deutschland im integrierten Welthandel agieren sollte. Ist es
beispielsweise aus einzel- bzw. gesamtwirtschaftlicher Sichtweise vorteil-
haft, andere Länder bzw. deren bioökonomischen Sektor als Wettbewerber
zu betrachten oder sollte die internationale Diffusion bioökonomischen Wis-
sens gezielt gefördert werden, um möglichst rasch den Einsatz ressourcen-
schonender Technologien auch in anderen Ländern zu ermöglichen und
einen Pfad der co-evolutorischen Entwicklung einzuschlagen, welcher dann
den Export deutscher bioökonomischer Güter stützt?
Wichtig für die gesellschaftliche Akzeptanz ist schließlich die Verteilungs-
wirkung des Transformationsprozesses. Eine biobasierte Volkswirtschaft im
industriellen Maßstab wird in hohem Maße auch eine wissensbasierte Wirt-
schaftsweise darstellen. Dies dürfte dazu führen, dass eine zusätzliche Nach-
frage nach hochqualifizierten Arbeitskräften entsteht, während sich die
Chancen von Geringqualifizierten weiter verschlechtern. Zudem werden gut
bezahlte Arbeitsplätze für geringer qualifizierte Arbeitskräfte in der traditio-
nellen Industrieproduktion wegfallen. Andererseits werden andere Güter-
und Dienstleistungen nachgefragt werden, deren Wertschöpfungs- und
Kompensationspotential jedoch noch unklar sind. Darüber hinaus stellt sich
die Frage, in welchem Maße deutsche Unternehmen für den Transformati-
onsprozess gerüstet sind. Der Transformationsprozess wird dafür sorgen,
dass Kompetenzen, die viele deutsche Unternehmen stark gemacht haben,
möglicherweise durch Innovationen obsolet werden. Entsprechend stellt sich
die Frage, welche neuen Kompetenzen aufgebaut werden müssen, um den
Transformationsprozess aktiv gestalten und die Wertschöpfung an den etab-
lierten Standorten halten zu können.
352 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

Die Verteilungswirkung hat auch eine regionale Komponente. Verstärkt die


Bioökonomie die Divergenzprozesse zwischen deutschen (europäischen)
Regionen oder kann damit mehr Konvergenz erreicht werden? Erfolgsver-
sprechend, aber bislang wenig realisiert, ist der Ansatz, Netzwerke zu schaf-
fen, die im Sinne des smart specialisation Prinzips (vgl. Foray et al. 2009),
die regionalen Stärken entlang von Wertschöpfungsketten bestmöglich ver-
binden. Damit können im besten Fall Polarisationstendenzen vermieden
werden, die neben der ökonomischen Machtkonzentration auch zu politi-
schen und kulturellen Machtkonzentrationen führen können und die Ausbil-
dung ausgeprägter Zentrum-Peripherie Strukturen zur Folge hätten. Bislang
ist jedoch unklar, wie stabil und funktionsfähig – über die lange Frist gese-
hen – politisch induzierte Netzwerke gegenüber selbst organisierten Netz-
werken sind. Erste Erkenntnisse hinsichtlich dieser Frage deuten darauf hin,
dass sich nach Rückzug staatlicher Koordinationsstellen in Netzwerken
teilweise Auflösungserscheinungen zeigen (vgl. Green et al. 2013).
Im Rahmen der BioÖkonomie-Strategie der deutschen Bundesregierung ist
geplant, 2,4 Milliarden Euro an Bundesmitteln in Forschung und Entwick-
lung zu investieren. Die Wirkung dieser Maßnahme hängt davon ab, in wel-
chem Umfang geförderte Unternehmen sowie (geförderte) Forschungsein-
richtungen und Hochschulen damit zusätzliche Projekte anstoßen (Additio-
nalität). Im schlechtesten Falle kommt es zu einer Verdrängung privater
Investitionen, wobei die Unternehmen private Mittel für Forschung und Ent-
wicklung durch staatliche Subventionen ersetzen. Solche Mitnahmeeffekte
würden die Wirkung der staatlichen Förderung zumindest in Teilen verpuf-
fen lassen.
Die neo-schumpeterianische Innovationstheorie (vgl. Pyka/Fagiolo 2005;
Hanusch/Pyka 2007b), nach welcher Transformationsprozesse durch Innova-
tionen getrieben werden, die wiederum Ökonomie und Gesellschaft beein-
flussen und selbst von diesen beeinflusst werden, erfordert die Aufgabe
einer Reihe von Annahmen, die in den (neo-)klassisch geprägten ökonomi-
schen Standardmodellen unterstellt werden. Dazu zählt, dass sich durch
Ausgleichsmechanismen auf Basis der Marktkräfte (langfristig) stets Gleich-
gewichtszustände ergeben, ohne dass in das System eingegriffen wird. Wei-
tere nicht haltbare Annahmen sind: vollständige Konkurrenz, Wissen als
(vollständig) öffentliches Gut, Nichtvorhandensein externer Effekte und
vollständige Information. Die Realität ist nicht durch diese Eigenschaften
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 353

charakterisiert und entsprechend beobachtet man ungleichgewichtige Ent-


wicklungen, welche zur Polarisation von Wachstum oder Einkommen führen
und damit politisch und gesellschaftlich nicht gewünschte Zustände herstel-
len.
Die Veränderung des sozio-ökonomischen Systems lässt sich als komplexer
evolutorischer Prozess der sozialen Interaktion zwischen heterogenen Indi-
viduen beschreiben, die bspw. in Unternehmen organisiert einen Innovati-
onswettbewerb austragen, die gleichzeitig auch als Konsumenten auftreten
und zudem Präferenzen aufweisen, die sich in ihrem politischen Wahlverhal-
ten ausdrücken. Damit rückt die Analyse von Interaktion und den sich dar-
aus entwickelnden größeren Strukturen in den Mittelpunkt. Gleichzeitig ist
der Einfluss zu berücksichtigen, der von Gruppen auf Individuen ausgeübt
wird. Der inhärent dynamische, durch soziale Interaktion geprägte Charakter
des Transformationsprozesses erfordert Analyseinstrumente, welche es er-
möglichen, Heterogenität, soziale Interaktion, Pfadabhängigkeiten und die
temporale Prozessperspektive zu modellieren. Darüber hinaus sollen ex-ante
und ex-post Politikevaluationen ermöglicht werden, welche Aussagen über
kausale Zusammenhänge zulassen.
An erster Stelle ist hier die agentenbasierten Modellierung zu nennen. Diese
ermöglicht die Modellierung heterogener Akteure und deren Interaktion auf
Basis individueller Entscheidungen. „ABMs deal with the study of socioec-
onomic systems that can be properly conceptualized by means of a set of
‚micro-macro‘ relationships“ (Pyka/Fagiolo 2005, S. 468). Mittels Compu-
tersimulation lassen sich Szenarien analysieren und Ursache-Wirkungs-
zusammenhänge aufdecken. Darauf aufbauend können gezielt Politikexpe-
rimente vorgenommen werden, indem bspw. Wissensdiffusion durch Netz-
werke simuliert wird oder die Kompetenzen der simulierten Akteure durch
Bildung und Lernen erhöht werden (vgl. Dibble 2006). Solche Computer-
modelle lassen sich auf Basis realer Daten kalibrieren, um beispielsweise
den Effekt von Innnovationsfördermaßnahmen, veränderten Konsumenten-
präferenzen oder der Diffusion von Verhalten zu prognostizieren.
Die Interaktion der Akteure lässt sich mit dem Instrumentarium der Sozialen
Netzwerkanalyse (SNA) untersuchen und visualisieren. Dies ermöglicht die
Identifikation von zentralen Akteuren, die die Wissensdiffusion maßgeblich
vorantreiben oder hemmen können, oder die Identifikation von Akteuren,
354 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

die in verschiedenen Branchen aktiv sind und damit wichtig für die Er-
schließung neuer Wissensfelder sind bzw. Wissensfelder verknüpfen kön-
nen. Neuere Entwicklungen auf dem Feld der Sozialen Netzwerkanalyse
ermöglichen auch die Analyse von co-evolutionären Prozessen durch die
Nutzung longitudinaler Datensätze (vgl. Snijders 2001, 2005). Damit lässt
sich beispielsweise der Frage nachgehen, ob Konsumenten soziale Netzwer-
ke bilden, weil sie sich ähnlich sind, oder ob sie einander ähnlich geworden
sind, weil sie im selben Netzwerk aktiv waren. Darüber hinaus kommen
ökonometrische Verfahren zur Schätzung des Einflusses verschiedener Fak-
toren auf zu erklärenden Variablen zum Einsatz, wie z. B. der Patentoutput
subventionierter Forschung und Entwicklung. Damit lässt sich ex-post eva-
luieren, ob bestimmte Fördermaßnahmen die erwarteten Ergebnisse gebracht
haben.

VI. Beispiel – werkstoffbasierte Bioökonomie


Eines der zentralen Ziele der Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie
2030 ist es, nachwachsende Rohstoffe industriell nutzbar zu machen. Bio-
basierte Produkte, die gänzlich ohne Erdöl hergestellt werden, leisten nicht
nur einen Beitrag für eine erfolgreiche und Transformation hin zu einer bio-
basierten Wirtschaftsweise, auch bietet – wie in den vorangegangenen Ab-
schnitten ausgeführt – die Umstellung auf biobasierte Produkte oder bio-
basierte Stoffe, wie etwa bio-Polymere, bedeutende Chancen für Wachstum,
Unabhängigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung. In diesem letzten
Abschnitt wollen wir beispielhaft das Potential der Biomasse aus Pflanzen
und Algen sowie von Enzymen und Mikroorganismen aus organischen Roh-
stoffen skizzieren. So kann Biomasse in Medizin, Umwelt, Agrarwirtschaft
und Industrie stofflich-industriell genutzt werden. Neben biobasierten Che-
mikalien, Enzymen und kosmetischen Inhaltsstoffen bieten Biokunststoffe
aus Biomasse ein großes Potential für die Industrie. Die Tatsache, dass mo-
mentan ein beträchtlicher Teil des gesamten geförderten Erdöls für die
Chemie- und Kunststoffindustrie verwendet wird, verdeutlicht dieses Poten-
tial. Weiterhin sollte gerade Europa und insbesondere Deutschland Vorreiter
auf dem Gebiet der bio-Polymere werden, da Europa für mehr als ein Viertel
des weltweiten Plastikverbrauchs verantwortlich ist und kein Land Europas
mehr Plastik verbraucht als Deutschland. Der steigende Konsum von erdöl-
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 355

basiertem Plastik führt zu Rohstoffverschwendung, zu Klimabelastung so-


wie zu Umweltbelastung.
Der momentan noch relativ geringe Anteil der Biokunststoffe an der Ge-
samtmenge der Kunststoffe kann nicht über die vorhandenen Möglichkeiten
hinwegtäuschen (vgl. Aeschelmann/Carus 2015). So erwarten Marktfor-
schungsinstitute, dass der globale Verbrauch von Biokunststoffen jährlich
um mehr als 18% steigen wird, wobei Europa als weltweit größter Abneh-
mer gesehen wird (vgl. Ceresana 2016). Großes Wachstumspotential erwar-
ten Marktforscher aber auch im Raum Asien-Pazifik und in Südamerika
(ibid.). Als wichtigster Absatzmarkt für Biokunststoffe wird der Verpa-
ckungssektor identifiziert, der bereits heute zusammen mit Flaschen knapp
65% des Bioplastikumsatzes ausmacht (vgl. Statista 2016). Das Potential,
welches Biokunststoffe für Unternehmen und die Umwelt bieten, wird be-
reits in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft erkannt. Daher ist es nicht ver-
wunderlich, dass bereits heute große Unternehmen und Volkswirtschaften in
die Erforschung dieses vielversprechenden Werkstoffes investieren.
Bio-basierte Werkstoffe bieten zahlreiche Vorteile gegenüber erdölbasier-
tem Plastik. So verursachen sie keine Rohstoffverschwendung, da sie aus
zahlreichen unterschiedlichen nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wer-
den können. Sie verursachen keine Belastung des Klimas, da Biomasse
CO2-neutral weiterverarbeitet werden kann. Sie verursachen keine Umwelt-
belastung, da bio-Polymere zumeist biologisch abbaubar und im Sinne des
Zero-Waste-Ansatzes abfallfrei produziert werden und diesen sogar vermei-
den können (beispielsweise bio-Polymere aus Kasein nicht mehr konsumier-
barer Milch). Auch haben bio-Polymere gegenüber erdölbasierten Polyme-
ren zahlreiche Vorteile, beispielsweise sind bio-Polymere frei von Schad-
stoffen wie Weichmachern, können auch mit relativ niedrigen Temperaturen
produziert werden, sind schwer entflammbar und verursachen in Form von
Textilien beispielsweise keine Textilallergien. Durch Koppel- und Kaska-
dennutzung kann die Produktivität von Biomasse deutlich erhöht und Bio-
masse fast vollständig verwertet werden.
356 Andreas Pyka und Tobias Buchmann

VII. Schlussbetrachtungen
Der durch das Wirtschaften der Menschen drohende Klimawandel stellt eine
nie dagewesene Gefährdung für unser Ökosystem dar. Aufgrund der großen
Unsicherheit sowie des katastrophalen Ausmaßes der zu erwartenden Ver-
änderungen ist das wirtschaftliche Wachstum als Quelle für den bisherigen
Wohlstand und die Entwicklung der Menschheit zu Recht unter kritische
Beobachtung geraten. In den vergangenen zwei Jahrhunderten – seit Beginn
der industriellen Revolution – hat die Menschheit – überwiegend in den
heutigen westlichen Industrienationen – in der stetig wachsenden Produktion
unglaubliche Mengen an CO2 und anderer klimaschädlicher Gase in die
Atmosphäre emittiert, so dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts kritische
Schwellenwerte möglicherweise überschritten werden. Betrachtet man diese
Entwicklung aus der rein quantitativen Perspektive, sind Forderungen nahe-
liegend, die auf eine Beschränkung des Wirtschaftswachstums oder sogar
auf einen wirtschaftlichen Rückbau abstellen. Betrachtet man jedoch die
Entwicklungen der Wirtschaftssysteme seit der industriellen Revolution aus
einer qualitativen Perspektive, wird deutlich, dass es niemals eine rein quan-
titative und lineare Fortschreibung des Wachstumsprozesses gegeben hat
(vgl. Saviotti/Pyka 2013). Wirtschaftliches Wachstum ist nur die eine Seite
der Medaille, die bei einseitiger Betrachtung den Blick auf die dahinter ste-
henden qualitativen Entwicklungen verstellt. Obwohl wir zu Beginn des 21.
Jahrhunderts mehr als das fünffache Einkommen unserer Großeltern in den
1950er Jahren zur Verfügung haben, bedeutet das nicht, dass wir fünf
Volkswagen Käfer in der Garage stehen haben. Wir fragen vollkommen
andere Güter und Dienstleistungen nach, haben vollkommen veränderte
Kompetenzen und Fähigkeiten und vollkommen veränderte Lebensstile.
Ursächlich dafür sind ausgreifende Transformationsprozesse, die die wirt-
schaftlichen Produktionsprozesse immer wieder umfassend verändern und
die Schwerpunkte der wirtschaftlichen Aktivität verschieben. Diese gewalti-
ge schöpferische Anpassungskraft kapitalistischer Wirtschaftssysteme war
in der Vergangenheit immer wieder in der Lage, in einem Prozess der schöp-
ferischen Zerstörung (Schumpeter 1943) die Engpässe der wirtschaftlichen
Entwicklungen zu überwinden und das Wirtschaftssystem auf neue Gleise zu
setzen.
Die großen Transformationen in der Vergangenheit waren weitestgehend
durch technologische Entwicklungen determiniert und unterlagen keinen
Die Transformation zur wissensbasierten Bioökonomie 357

anderen Restriktionen. Dies ist der Unterschied zur aktuellen Situation, in


der die Vermeidung des drohenden Klimawandels auf der Erde eine eindeu-
tige und unumstößliche Zielvorgabe darstellt. In diesem Kapitel haben wir
gezeigt, wie aus der Perspektive der Evolutionsökonomik ein solcher Trans-
formationsprozess ablaufen kann und an welche ökonomischen, institutio-
nellen und soziologischen Bedingungen er geknüpft ist. Aufgrund der Kom-
plexität, die insbesondere aus den co-evolutionären Entwicklungen, v. a.
zwischen dem Innovationssystem, dem Verbraucherverhalten sowie den
institutionellen Entwicklungen, resultiert, ist eine Vorhersage unmöglich.
Zahlreiche technologische Entwicklungen, allen voran die Technologien, die
unter dem Dachbegriff wissensbasierter Bioökonomie diskutiert werden,
haben das Potential, die wirtschaftliche Entwicklung vom Ressourcenver-
brauch – insbesondere auf fossilen Energieträgern basierten Ressourcen – zu
entkoppeln, um wieder einen nachhaltigen Entwicklungspfad zu erreichen.
Diese Entwicklungen sind bereits in vollem Gange und es zeichnen sich
vielversprechende technologische Konvergenzen ab, die vor allem durch die
zunehmende interdisziplinäre Problemlösung erschlossen werden. Die ge-
genseitige Befruchtung der wissensbasierten Bioökonomie mit der voran-
schreitenden Digitalisierung der Produktions- und Konsumtionsprozesse ist
dabei ein besonders vielversprechender Pfad. Neben der reinen Substitution
klimaschädlicher Ressourcen, wie im aufgezeigten Bioplastik-Beispiel, wer-
den durch die Verschmelzung der Bioökonomie und der Digitalisierung
vollkommen neue Konsum- und Produktionsmuster vorstellbar, die sowohl
nachhaltig sind als auch neue Wachstumspotentiale erschließen und gleich-
zeitig eine weltweite Partizipation am Wohlstand erlauben.

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Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und
Contra

Harald Hagemann

I. Einleitung
„Das Gespenst der technologischen Arbeitslosigkeit ist wieder da. Aber es
gibt gute Gründe zu glauben, dass es sich dieses Mal nicht zurückziehen
wird.“ Diese Aussage könnte ohne Weiteres aus der aktuellen Diskussion
über die Zukunft der Arbeit im Zeitalter von Industrie 4.0 oder der „vierten
Industriellen Revolution“ stammen, in der die Angst vor einem stärkeren
Abbau von Arbeitsplätzen durch die enge Verzahnung der Produktion mit
modernen Informations- und Kommunikationstechnologien und einem dar-
aus resultierenden Freisetzungsprozess durch Roboter und Computer weit
verbreitet ist. Sie wird durch international bekannte Studien wie die von
Frey und Osborne (2013) genährt, die für den US-amerikanischen Arbeits-
markt zum Ergebnis kommen, dass 47% der gesamten Arbeitsplätze durch
die Digitalisierung bedroht sind.
Die Aussage stammt jedoch von Wassily Leontief (1983), der sich ein Jahr-
zehnt nach Verleihung des von der Schwedischen Reichsbank gestifteten
Preises für Wirtschaftswissenschaften zum Gedächtnis von Alfred Nobel
intensiv mit den Fragen nach den Beschäftigungswirkungen des technologi-
schen Wandels auseinandersetzte. Dies geschah vor dem doppelten Hinter-
grund einer steigenden und anhaltenden Arbeitslosigkeit nach dem ersten
und insbesondere dem zweiten Ölpreisschock sowie der einsetzenden „mik-
roelektronischen Revolution“. So wie heute im Hinblick auf Industrie 4.0
gab es schon vor drei bis vier Jahrzehnten die Vorstellung, dass die Mikro-
elektronik die Welt ähnlich gravierend verändern wird wie vor zwei Jahr-
hunderten die Dampfmaschine oder die erste Industrielle Revolution. Bereits
damals wurde Schumpeter widerlegt, der in seiner posthum veröffentlichten
History of Economic Analysis noch betont hatte: „The controversy that went
on throughout the nineteenth century and beyond, mainly in the form of
argument pro and con ‚compensation‘, is dead and buried“ (1954, S. 684).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_18
364 Harald Hagemann

Die Frage, warum und unter welchen Bedingungen technologischer Wandel


Arbeitslosigkeit bewirkt, hat führende Ökonomen immer wieder bewegt,
seitdem Ricardo 1821 in der dritten und letzten Ausgabe seiner Principles
ein neues Kapitel 31, „Über Maschinerie“, hinzufügte, in dem er seine
frühere Ansicht widerrief, dass die Einführung neuer Maschinen vorteilhaft
für alle Klassen der Gesellschaft sei und stattdessen zu der Schlussfolgerung
gelangte,
„daß die bei der arbeitenden Klasse herrschende Meinung, daß die Verwendung von Ma-
schinen häufig ihren Interessen zuwiderläuft, sich nicht auf Vorurteil und Irrtum stützt,
sondern mit den richtigen Prinzipien der Politischen Ökonomie vereinbar ist“ (Ricardo
[1821] 1994, S. 333).

Naturgemäß entbrannte die Kontroverse über das „Maschinerieproblem“


bzw. die Gefahr technologischer Arbeitslosigkeit immer dann besonders
stark, wenn bahnbrechende technologische Neuerungen mit Phasen hoher
und steigender Arbeitslosigkeit zusammentrafen. Dies war z. B. Ende der
1920er, Anfang der 1930er Jahre und nach 1975 der Fall. Bemerkenswert ist
dabei, dass dieses Problem deutsche Ökonomen wesentlich stärker beschäf-
tigte als die Ökonomen in den technologie- und fortschrittsoptimistischeren
USA, in der die Analyse technologischer Arbeitslosigkeit lange Zeit ein
Stiefkind der Wirtschaftswissenschaft war.1 So wurden dann auch in der Zeit
der Weltwirtschaftskrise noch heute lesenswerte Studien von Emil Lederer
und Alfred Kähler erstellt. Lederer verbindet in der von ihm formulierten
Theorie struktureller Arbeitslosigkeit zentrale Gedanken der Marxschen
Akkumulationstheorie wie den einer steigenden organischen Kapitalzusam-
mensetzung mit Schumpeters Vorstellungen der Rolle von Innovationen und
Kredit in der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung. Lederers Studie
Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit (1931) wurde im Auftrag des
Internationalen Arbeitsamtes in Genf wesentlich erweitert und überarbeitet
und 1938 gleichzeitig in Englisch und Deutsch publiziert.2 Bezeichnender-
weise wurde es vor dem Hintergrund der neu entflammten Debatte 1981
wiederaufgelegt, in einer Zeit, in der US-amerikanische Ökonomen vor al-
lem über die Ursachen der Abschwächung des Wachstums der gesamtwirt-
schaftlichen Arbeitsproduktivität diskutierten. „The recent slowdown in

1
Siehe Neisser (1942, S. 50).
2
Zu Lederers Analyse siehe auch näher Hagemann (2009).
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 365

productivity growth constitutes the major economic ailment of modern in-


dustrial countries today“ (Nordhaus 1982, S. 131). Kähler, der nach der
nationalsozialistischen Machtergreifung ebenso wie Lederer emigrierte und
an die „University in Exile“ an der New School for Social Research in New
York ging, analysiert in seiner unter der Betreuung von Adolph Löwe an der
Kieler Universität entstandenen Studie Die Theorie der Arbeiterfreisetzung
durch die Maschine (Kähler 1933) erstmals die Freisetzungs- und Kompen-
sationseffekte des technischen Fortschritts auf der Grundlage eines relativ
weit fortgeschrittenen Embryos eines (statischen) multisektoralen Input-
Output-Modells.3 Für seine Pionierarbeiten zur Input-Output-Analyse sollte
später Leontief (selbst von 1927-31 am Kieler Weltwirtschaftsinstitut) preis-
gekrönt werden, dessen zusammen mit Faye Duchin durchgeführte Untersu-
chung zu den Beschäftigungswirkungen der zunehmenden Computerisierung
in den USA The Future Impact of Automation on Workers (Leontief und
Duchin 1986) die Produktionsstruktur der Volkswirtschaft (in 89 Sektoren)
und die berufliche Struktur (in 52 Berufsgruppen) so disaggregiert, dass
einerseits die für die Computerisierung relevanten Herstellungs- bzw. An-
wendersektoren ebenso separat ausgewiesen werden wie die jeweils ver-
drängten bzw. aufgrund der technologischen Entwicklung verstärkt nachge-
fragten Berufe und Qualifikationen. Als theoretischen Kern entwickelten
Leontief und Duchin ein dynamisches offenes Input-Output-Modell, das
eine endogene Bestimmung des Investitionsnachfragevektors ermöglicht und
damit den wesentlichen Tatbestand berücksichtigt, dass neue Technologien
in der Regel neue Kapitalgüter zu ihrer Anwendung voraussetzen. Aller-
dings wird die Konsumnachfrage nicht endogenisiert, und der Außenhandel
bleibt weitgehend ausgeblendet. Eine möglichst weitgehende Endogeni-
sierung der Endnachfrageentwicklung ist jedoch erforderlich, da die An-
wendung neuer Technologien untrennbar mit Veränderungen in der Höhe
und Struktur der Endnachfrage verbunden ist. Andererseits unterliegt die
Entwicklung der Endnachfrage keineswegs allein technologischen Einflüs-
sen. Dies gilt insbesondere für die Exportnachfrage, die auch durch Wech-
selkurseffekte und Veränderungen in anderen Ländern geprägt ist. Hier tut
sich angesichts des Separationsproblems ein nahezu unlösbares Dilemma für
empirische Studien auf, zumal für Deutschland, wo der Außenhandel eine

3
Zum Pioniercharakter von Kählers Studie siehe ausführlich Gehrke (2000, 2003).
366 Harald Hagemann

wichtige Rolle spielt. Gleichwohl hat das von Leontief und Duchin entwi-
ckelte offene dynamische Input-Output-Modell wichtige Impulse für Unter-
suchungen zu den Auswirkungen der Mikroelektronik bzw. der Industriero-
boter auf herausragende Studien gerade auch in Deutschland geleistet.4
Die Analyse der Auswirkungen der Mikroelektronik auf die Beschäftigung
stand auch im Zentrum des Vortrags von Alexander Gerybadze, als ich ihn
im Mai 1982 auf der Frühjahrstagung des Arbeitskreises Politische Ökono-
mie in Wremen an der Wesermündung erstmals persönlich kennenlernte,
woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelte. Alexander beschäf-
tigte sich damals am VDI-Technologiezentrum in Berlin mit Fragen der
Forschungs- und Innovationspolitik, nachdem er kurz zuvor mit einer Arbeit
über Evolutionäre Modelle der Entwicklung und Verbreitung neuer Techno-
logien in Wettbewerbssystemen von der Universität Heidelberg unter der
Betreuung von Malte Faber promoviert worden war. Alexanders unter dem
Titel Innovation, Wettbewerb und Evolution (Gerybadze 1982) veröffent-
lichte Schrift, die wesentliche Anregungen auch durch Ökonomen wie Ken-
neth Arrow und Paul David bei einem einjährigen Forschungsaufenthalt an
der Stanford University erhalten hatte, war die erste in Deutschland, bei der
die im Wesentlichen auf Richard Nelson und Sidney Winter zurückgehenden
evolutorischen Modelle Schumpeterschen Wettbewerbs nicht nur aufgegrif-
fen, sondern auch systematisiert und innovativ weiterentwickelt wurden.5
Im Nachfolgenden möchte ich mich jedoch angesichts der seit kurzem neu
entbrannten Debatte über die Veränderung der Arbeitswelt durch die Digita-
lisierung und Industrie/Wirtschaft 4.0 auf das Pro und Contra neuer Techno-
logien aus beschäftigungstheoretischer Sicht konzentrieren, wie es von Ale-
xander Gerybadze (1983) auf der Wremer Tagung in einer Phase stark stei-
gender Arbeitslosigkeit systematisiert wurde. Die Angst vor einer weitrei-
chenden Vernichtung von Arbeitsplätzen durch neue Technologien ist ein
wiederkehrendes Thema und bereits im Zusammenhang mit früheren indust-
riellen Revolutionen intensiv diskutiert.6 Umgekehrt kann aber auch poin-
tiert gefragt werden, warum es denn nach allen bisherigen fundamentalen

4
Vgl. z. B. Edler (1990) sowie Kalmbach und Kurz (1992).
5
Siehe ausführlicher den Beitrag von Stephan in der vorliegenden Festschrift.
6
Zu einem Überblick über frühere Debatten zu den Freisetzungs- und Kompensationseffek-
ten neuer Technologien vgl. z. B. Mettelsiefen (1981) und Hagemann (1985).
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 367

technologischen Neuerungen seit der ersten Industriellen Revolution immer


noch so viele Arbeitsplätze gibt, wie es kürzlich David Autor (2015) auf
einem viel beachteten Symposium Automation and Labour Markets in zuge-
spitzter Form getan hat.7
In Abschnitt 2 möchte ich zunächst einen Überblick über die gegenwärtige
Diskussion zu den möglichen Beschäftigungswirkungen von Industrie/Wirt-
schaft 4.0 geben, die zweifelsohne größere Veränderungen der Arbeitswelt
nach sich ziehen wird, in entscheidenden Fragen nach den quantitativen und
qualitativen Beschäftigungswirkungen aber auch noch „Zukunftsmusik“ ist
und sich im Spannungsfeld zwischen „Beschäftigungsunsicherheiten und
Dequalifizierungsprozessen“ versus „Beschäftigungswachstum und Upgra-
ding von Qualifikationen“ bewegt. Im nachfolgenden Abschnitt 3 werde ich
dann die von Gerybadze (1983) hinsichtlich der Beschäftigungswirkungen
der Mikroelektronik angeführten Argumente theoretisch diskutieren und
ihren Nutzen bzw. Aktualität für die gegenwärtige Debatte reflektieren,
bevor ein kurzes Fazit erfolgt.

II. Industrie/Wirtschaft 4.0. Impulse für Wachstum, Beschäftigung


und Innovation
Die globale Vernetzung der Produktion durch die Digitalisierung der Pro-
duktion oder vierte Industrielle Revolution (nach der Mechanisierung, Elekt-
rifizierung und Computerisierung) verändert die Wirtschaft und Gesellschaft
so stark, dass manche Ökonomen schon ein „zweites Maschinenzeitalter“
(Brynjolfsson und McAfee 2014) ausrufen. Zweifellos wird die globale Ver-
netzung von Produktionsstätten durch die Kombination von Software und
Informationstechnik mit Maschinenbau, Elektrotechnik und Mechatronik
nicht nur zu revolutionären Änderungen für die Industriesektoren, sondern
auch für die meisten Dienstleistungssektoren und für die gesamte Gesell-
schaft führen. Zunehmende Komplexitäten und Netzwerk-Zusammenhänge
werden einerseits zu einer flexibleren Produktion führen, die eine größere
Interdisziplinarität erfordert, bei der viele Tätigkeiten qualitativ angereichert
werden. Andererseits wird von manch führendem Arbeitsmarktspezialisten

7
The Journal of Economic Perspectives, 29(3), Summer 2015.
368 Harald Hagemann

wie Guy Standing die Entstehung eines neuen Prekariats beschworen. „This
is the first working class in history in which the average level of education
is above the average level of labor they can expect to obtain“ (Standing
2015). Unter Anwendung der von Frey und Osborne berechneten Wahr-
scheinlichkeiten kommen Brzeski und Burk (2015) für den deutschen Ar-
beitsmarkt sogar zum Ergebnis, dass von den in ihrer Studie berücksichtig-
ten 30,9 Millionen Arbeitsplätzen „im Laufe der Zeit“ sogar 18,3 Millionen
Arbeitsplätze oder 59% von der digitalen Revolution bedroht sind. Dies wird
die einzelnen Berufsgruppen sehr unterschiedlich betreffen. Während Büro-
und Sekretariatskräfte, Hilfskräfte für Post- und Zustelldienste sowie La-
gerwirtschaft am stärksten bedroht sind, werden Akademiker in wissen-
schaftlichen und kreativen Berufen wie Mediziner, Chemiker oder Physiker
kaum betroffen.
So stehen sich weitgehend zwei Zukunftsszenarien gegenüber: ein Automati-
sierungssystem (Industrie 4.0 lenkt Arbeitskräfte), ein technikzentrierter
Ansatz, der Verluste von Qualifikationen und Kompetenzmängel im unteren
Qualifikationsbereich betont, sowie ein Assistenzsystem (Fachkräfte lenken
Industrie 4.0), ein komplementärer Ansatz, der die Nutzung und Aufwertung
von Facharbeit sowie die Anreicherung von Verantwortung und Tätigkeiten
betont und „Wandlungsbefähiger“ erfordert. Beides muss sich aber nicht
wechselseitig ausschließen, sondern kann durchaus parallel existieren. So
betonen Brynjolfsson und McAfee (2014), dass es im künftigen zweiten
Maschinenzeitalter im Wesentlichen zwei Gruppen von Beschäftigten geben
wird: eine untere Gruppe von Beschäftigten, denen die Computer diktieren,
was sie zu tun haben, und eine zweite Gruppe hochqualifizierter Beschäftig-
ter, die den Computern sagen, was sie zu tun haben. Nur diese obere Gruppe
kann mit höherem Einkommen rechnen. Das erscheint als eine extreme
Form der Polarisierungsthese, wie sie im Rahmen der deutschen industrieso-
ziologischen Debatte von Kern und Schumann (1970) auf der Basis empiri-
scher Untersuchungen in drei Kernbereichen der deutschen Industrie – Au-
tomobilindustrie, Werkzeugmaschinenbau, chemische Industrie – formuliert
wurde. Danach sei im Zuge fortschreitender Automatisierung mit unter-
schiedlichen Auswirkungen auf die Industriearbeiter zu rechnen. Während
sich für bestimmte Beschäftigte höhere Qualifikationsanforderungen erge-
ben, sei für die Mehrzahl der Beschäftigten im Zuge der Automation mit
Qualifikationsverlusten zu rechnen. In einer Fortsetzungsstudie ergab die
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 369

Bestandsaufnahme und Trendbestimmung in denselben drei Sektoren (Kern


und Schumann 1984) einerseits eine fortschreitende Segmentierung der
Beschäftigten in die vier Gruppen der Rationalisierungsgewinner (als perso-
nelles Fundament der neuen Produktionskonzepte), Rationalisierungsdulder,
Arbeiter in Krisenbranchen und Arbeitslose als moderne Form der Polarisie-
rung, verbunden mit der Gefahr, dass sich die Schere zwischen den ver-
schiedenen Segmenten weiter öffnet. Andererseits eröffne die Bewegung
weg vom Taylorismus-Fordismus die Perspektive, dass die Aufspaltung der
Arbeitsplätze in hochqualifizierte Expertentätigkeit und gering qualifizierte
Massenarbeit für die Firmen ihren kapitalistischen Sinn verliere. Die Bedeu-
tung des technischen Faktors für die Veränderungsdynamik in den einzelnen
Sektoren führe dazu, dass der Erfolg eines Unternehmens von Größe und
Kompetenz seiner Entwicklungsabteilung und davon abhängt, dass das Un-
ternehmen Effizienz mit der Handlungskapazität und Initiative seiner Be-
schäftigten und nicht gegen sie zu erzielen sucht. Insofern bestehe die Chan-
ce, dass einzelwirtschaftliche Rationalität auch langfristigem gesellschaftli-
chem Fortschritt den Weg bereiten könne.8 Jedoch bleibe die Dichotomie
zwischen Chance und Risiko bestehen. Letzteres zeigt sich vor allem darin,
dass in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten die unterste Gruppe der gering
qualifizierten Arbeitskräfte in den hochentwickelten Ländern unter dem
doppelten Druck der Globalisierung sowie eines qualifikationsverzerrten
technischen Fortschritts entweder ein deutlich höheres Arbeitslosigkeitsrisi-
ko (wie in Deutschland) und/oder sinkende bzw. stagnierende Realeinkom-
men (wie in den USA) zu erleiden hatten.
Es kann kein Zweifel bestehen, dass durch den technologischen Wandel
fortlaufend alte Arbeitsplätze vernichtet werden, Qualifikationen erodieren,
Firmen verschwinden und Sektoren schrumpfen, ebenso wie neue Arbeits-
plätze, Firmen und Sektoren entstehen, sowie neue Qualifikationen erwor-
ben werden. Es ist dieser Doppelcharakter oder Janusköpfigkeit des techno-
logischen Wandels, wie sie beispielhaft auch in Schumpeters Begriff des
Prozesses der „schöpferischen Zerstörung“9 zum Ausdruck kommt, der seit

8
Diese Entwicklung ist durch technologiebedingte organisatorische Veränderungen im
Gefolge moderner Informations- und Kommunikationstechnologien und die Einführung
des Internets verstärkt worden, die zu einer Verflachung von Hierarchien und einem stär-
keren Zugang zu Informationen geführt haben.
9
Siehe Schumpeter (1942, Kapitel VII).
370 Harald Hagemann

der klassischen Maschineriedebatte bis heute immer wieder zu Kontroversen


über drei Fragen geführt hat:

1. Werden durch die Einführung neuer Technologien


gesamtwirtschaftlich mehr Arbeitsplätze geschaffen oder
vernichtet?
Die Ermittlung dieser quantitativen Beschäftigungswirkungen ist jedoch mit
großen Schwierigkeiten verbunden. Während die Freisetzungseffekte direk-
ter Natur sind und auf der Mikro- und Mesoebene eher zu beobachten sind,
ist insbesondere die empirische Quantifizierung der indirekt und häufig mit
zeitlicher Verzögerung auftretenden Kompensationseffekte eine komplexe
Angelegenheit. Zudem hängen die Beschäftigungseffekte keineswegs nur
von den Charakteristika und dem Diffusionsprozess der jeweiligen neuen
Technologien, sondern entscheidend auch von der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung und der damit verbundenen Höhe und Struktur der Endnach-
frage ab. Aufgrund der erheblichen Veränderungen der gesamtwirtschaftli-
chen Produktionsstruktur, die mit der Einführung von Basisinnovationen
bzw. Allzwecktechnologien einhergeht, ist bereits die Abschätzung bisheri-
ger Beschäftigungseffekte schwierig. Dies gilt umso mehr hinsichtlich der
Prognosen über künftige Beschäftigungswirkungen, insbesondere wegen der
Unsicherheit und zeitlichen Struktur der kompensatorischen Sekundäreffekte
auf gesamtwirtschaftlicher Ebene. Diese hängen stark ab vom unternehmeri-
schem Investitionsverhalten, der Entwicklung der Ausgaben für Forschung
und Bildung und damit der Innovations- und internationalen Wettbewerbs-
fähigkeit eines Landes, aber auch dem Ausmaß endnachfrageerweiternder
Produktinnovationen.

2. Inwieweit weicht die Qualifikationsstruktur der neu geschaffenen


Arbeitsplätze von denjenigen der vernichteten alten Arbeitsplätze
ab?
Dies ist die Frage nach den qualitativen Beschäftigungswirkungen. Hier
dürften sich im Kontext von Industrie/Wirtschaft 4.0 grundlegende Ände-
rungen ergeben. Wie genau diese jedoch ausfallen werden, ist nicht zuletzt
davon abhängig, welches Konzept der Automatisierung letztlich von den
Unternehmen gewählt und wie weit sich dieses System durchsetzen wird
(vgl. Hirsch-Kreinsen 2014 a, b).
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 371

Die Entwicklung der Qualifikationsstruktur – bzw. genauer gesagt die Frage,


welcher Qualifizierungsgrad vom Trend zur Wirtschaft 4.0 am ehesten profi-
tiert, und wer möglicherweise zu den Verlierern gehören wird – ist aktuell
keinesfalls eindeutig zu beantworten. Während vergangene technologische
Revolutionen häufig Nachteile für Geringqualifizierte mit sich brachten,
deren Tätigkeiten leicht automatisiert werden konnten, liegt es nicht all zu
fern zu vermuten, dass die aktuelle Entwicklung insbesondere mittlere Qua-
lifikationsniveaus negativ betrifft, während niedrige sogar teilweise unbe-
rührt bleiben können, und höhere durch neue Tätigkeitsfelder und Möglich-
keiten profitieren. Über diese Entwicklung hatten schon Levy und Murnane
(2004, S. 149 ff.) eine Prognose erstellt: Die Fortschritte in der Informa-
tions- und Kommunikationstechnologie (IKT) ermöglichen nun auch eine
Automatisierung von komplexeren, aber dennoch oft auf bestimmten Regeln
basierenden Aufgaben wie der Bearbeitung von Steuererklärungen, welche
häufig auch mit höheren Qualifikationen und daher Löhnen verbunden wa-
ren als die bereits in früheren Industrialisierungswellen automatisierten
Tätigkeiten bspw. von einfachen Fabrikarbeitern in der Massenproduktion.
Die fortlaufende Diffusion von Computern im Wirtschaftsprozess führe
demnach zwar nicht zwingend zu hoher Arbeitslosigkeit, aber jedenfalls zu
verringerter Nachfrage nach mittleren und niedrigen Qualifikationsniveaus.
In einer Studie des Weltwirtschaftsforums in Davos vom Januar 2016, die
auf einer Umfrage bei den leitenden Managern der 350 größten Konzerne
beruht, wird für die führenden Volkswirtschaften ein Nettoverlust von 5,1
Millionen Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung der Wirtschaft und den
zunehmenden Einsatz von Automatisierungstechniken und Robotern im
Zeitraum von 2015-2020 prognostiziert. Demnach würde einem Abbau von
7,1 Millionen Arbeitsplätzen lediglich eine Schaffung von 2 Millionen Ar-
beitsplätzen gegenüberstehen.10 Da viele Fabriken bereits heute weitgehend
automatisiert sind, würde der Abbau von Arbeitsplätzen insbesondere bei
standardisierten Tätigkeiten in den Büros und in der Verwaltung stattfinden.
Die Schaffung neuer Arbeitsplätze würde vor allem im Bereich von IT-
Technologien und Technik stattfinden, so dass eine Ausbildung in den soge-
nannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Tech-
nik) verstärkt gefördert werden sollte. Dies schließt auch eine deutliche

10
Siehe World Economic Forum (2016, S. 13 ff.).
372 Harald Hagemann

Erhöhung des Frauenanteils in diesem Bereich ein, um zu vermeiden, dass


Frauen vom drohenden Arbeitsplatzabbau überproportional betroffen wer-
den.
Dies deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen einer Studie des Instituts
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg über die Beschäf-
tigungsveränderungen durch eine enge Verknüpfung der industriellen Pro-
duktion mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie vom
August 2015. Demnach gingen in Deutschland bis zum Jahr 2025 durch
Industrie 4.0 insgesamt 490.000 Arbeitsplätze vor allem im Bereich einfa-
cher Tätigkeiten verloren, denen die Schaffung von 430.000 neuen Arbeits-
plätzen vor allem für Informatiker, Ingenieure und Naturwissenschaftler
gegenübersteht. Zu den Gewinnern würden keineswegs ausschließlich Aka-
demiker gehören, sondern auch Facharbeiter, die Zusatzqualifikationen im
Rahmen betrieblicher Aus- und Weiterbildungen erwerben, die für die Ver-
netzung im Rahmen der digitalen Revolution in der Produktions- und Ent-
wicklungsarbeit erforderlich sind. Insgesamt würde durch Industrie/Wirt-
schaft 4.0 der Strukturwandel in eine Dienstleistungsgesellschaft beschleu-
nigt werden. Während ein Nettoabbau von 60.000 Arbeitsplätzen keines-
wegs dramatisch erscheint, würde es jedoch zu einer erheblichen Reallokati-
on von Arbeitskräften zwischen Sektoren und Berufen kommen, die durch
(außer)betriebliche Ausbildung stärker gefördert werden sollte, um die In-
novations- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhöhen. Die in der
IAB-Studie betonte höhere Wertschöpfung durch Industrie 4.0 hat auch
positive Konsequenzen für die (in der Studie nicht weiterverfolgten) indirek-
ten Kompensationseffekte, die der Nettofreisetzung von 60.000 Arbeitsplät-
zen gegenüberstehen.
Ähnlich weisen Brynjolfsson und McAfee (2014) in diesem Zusammenhang
darauf hin, dass die mit Wirtschaft 4.0 zusammengefasste Entwicklung ins-
besondere kreativen Köpfen zugute kommt, die neue Produkte und Ge-
schäftsmodelle entwickeln.11 Generell lassen sich zwei unterschiedliche
Entwicklungsmuster zukünftiger Anforderungen an Tätigkeit und Qualifika-
tion finden (vgl. Ittermann et al. 2015, S. 46 ff.): „Upgrading“ impliziert
eine allgemeine Aufwertung der Industrietätigkeiten, wonach die Komplexi-

11
Siehe auch Brynjolfsson und McAfee (2011).
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 373

tät und damit die Qualifikationsanforderungen steigen werden; demgegen-


über steht die These der „Polarisierung“ der Qualifikationsstruktur, derzu-
folge eine Residualkategorie einfacher Arbeit im Sinne niedriger Qualifika-
tionsanforderungen verbleibt, welche eine immer größere Qualifikationsdif-
ferenz gegenüber den anspruchsvollsten Tätigkeiten aufweist.
Damit zusammenhängend ergeben sich auch Konsequenzen für die Ein-
kommensverteilung, weg von Gering- bzw. Mittel-, und stärker hin zu
Hochqualifizierten, oder speziell zu den Eigentümern der automatisierenden
Maschinen bzw. Algorithmen (vgl. Halpern 2015). Wenngleich die Gefahr
besteht, dass weniger qualifizierte Arbeitnehmer zu den Verlierern der Wirt-
schaft 4.0 gehören können, so muss in diesem Zusammenhang auch auf
Chancen hingewiesen werden. Diese bestehen zum Beispiel in der Möglich-
keit, dass durch intelligente Produktionssysteme oder Produktionsanlagen
komplexere Arbeiten schneller erlernbar sind. Dieses mögliche „Upgrade“
des Niedrigqualifikationssektors bietet unweigerlich Chancen, eine etwaige
Freisetzung von Arbeit in diesem Segment zu kompensieren (vgl. Ittermann
et al. 2015). Das Auftreten langanhaltender Massenarbeitslosigkeit wird in
der Literatur aber – analog zu Diskussionen früherer industrieller Revolutio-
nen – eher als unwahrscheinlich eingeschätzt (vgl. Mokyr et al. 2015). Wohl
aber scheint ein umfassender Strukturwandel auf makroökonomischer Ebene
unausweichlich, um jene Gefahr zu umgehen.
Ferner lässt sich noch eine weitere Ebene identifizieren, auf der die Wirt-
schaft 4.0 sich qualitativ auf die Arbeitswelt auswirkt. Dies betrifft die Or-
ganisation innerhalb von Unternehmen, welche natürlich untrennbar mit der
veränderten Qualifikation der Beschäftigten verbunden ist, aber andererseits
eben doch einen eigenen Untersuchungsgegenstand darstellt. In diesen Zu-
sammenhang fällt ein weiterer beschäftigungsrelevanter Aspekt: Internetba-
sierte Produktion und 3-Druck senken für die Unternehmen die Anreize zum
„traditionellen“ Off-Shoring der Produktion. Andererseits gehören hierzu
auch Fragestellungen wie die von Boes et al. (2015) diskutierte Problematik
eines „digitalen Tagelöhnertums“, welche einen allgemeinen Druck auf die
Löhne allein dadurch sehen, dass Unternehmen durch Crowdsourcing die
Möglichkeit haben, Beschäftigung auszulagern und somit traditionelle Ver-
374 Harald Hagemann

tragskonzepte zu umgehen.12 Auch die Arbeiten von Buhr (2015a; 2015b)


weisen auf diese Thematik hin und zeigen dabei, dass der Wandel zur In-
dustrie 4.0 nicht nur technische, sondern auch wichtige soziale bzw. gesell-
schaftliche Veränderungen impliziert.
Der Wandel zu einem verstärkt digitalen Wertschöpfungsprozess, basierend
auf neuen Kommunikations- und Arbeitsformen, stellt Unternehmen und die
gesamte Gesellschaft selbstverständlich vor große Herausforderungen, denn
eine industrielle Revolution geht immer mit enormen Umstrukturierungen
einher, ohne die die Möglichkeiten und Vorteile der neuen Technologien
bestenfalls ansatzweise genutzt werden können. Hierbei gilt es nicht nur
unternehmerische Chancen durch neue, moderne Arbeits- und Organisati-
onsformen wie „Crowdsourcing“ oder Cloudworking“ zu beleuchten und zu
fördern, sondern auch auf mögliche Gefahren, wie z. B. die Cyberkriminali-
tät, hinzuweisen und politisch die Rahmenbedingungen zu setzen. Die ent-
sprechenden Potentiale entstehen zwar einerseits auf Unternehmensseite,
bzw. haben unmittelbare Auswirkungen auf den Wertschöpfungsprozess,
betreffen andererseits aber außerdem auch gesellschaftliche Fragen, wie zum
Beispiel den Schutz privater Daten sowie ferner eine mögliche Veränderung
der Qualifikationsstruktur und damit Anforderungen an die Beschäftigten,
mit einhergehenden Auswirkungen auf die Einkommensverteilung. Dies
weist auf die dritte Frage hin:

3. Welche Wirkungen hat die Einführung neuer Technologien auf die


Reallöhne und die Einkommens- und Vermögensverteilung?
Die Verteilungsfrage hat schon Ricardo stärker beschäftigt. Die Ungleich-
heit der Einkommens- und Vermögensverteilung im modernen Kapitalismus
steht gegenwärtig nicht nur auf der Tagesordnung der Ökonomen, sondern
auch im politischen Raum. Ein Beleg dafür ist der große internationale Er-
folg von Thomas Pikettys Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert (2014).
Eine enge Verbindung zwischen den Beschäftigungswirkungen und den
Verteilungswirkungen neuer Technologien stellt das Kompensationsargu-
ment der neoklassischen Faktorsubstitutionsthese her, das erstmals von Knut

12
Dies zeigt sich nicht zuletzt auch jetzt schon in der Debatte um Werkverträge bzw. Leih-
arbeit.
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 375

Wicksell elaboriert wurde.13 Wicksell betont, dass die verringerte Arbeits-


nachfrage als Folge der Einführung neuer Maschinerie einen Druck auf die
(Real-)Löhne nach unten zur Folge habe, was bei entsprechender Lohnflexi-
bilität zu einer Absorption der freigesetzten Arbeitskräfte führen würde, da
die Unternehmer nun in allen Bereichen der Volkswirtschaft Kapital durch
den relativ billiger gewordenen Produktionsfaktor Arbeit substituieren wer-
den. Demgegenüber prognostizierte Leontief (1982, 1983) eine Verstärkung
der Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung, da der
zunehmende Einsatz mikroelektronikbasierter moderner Technologien zu
einer verringerten Bedeutung menschlicher Arbeit im Produktionsprozess
und damit zu einem relativen Rückgang der Arbeitseinkommen führen wer-
de, dem durch eine stärkere Beteiligung der Arbeitskräfte am Produktivkapi-
tal entgegengewirkt werden müsse.

III. Mikroelektronik und Beschäftigung – Zum Pro und Contra einer


neuen Technologie aus beschäftigungstheoretischer Sicht
In der Diskussion der beschäftigungsmindernden Effekte der Mikroelektro-
nik hebt Alexander Gerybadze (1983, S. 328 f.) die folgenden drei Prämis-
sen hervor:
1. „Mikroelektronik ist eine inhärent arbeitssparende Technologie. Sämtli-
che direkten und indirekten Arbeitsinputs, die bei der Herstellung eines
Gutes anfallen, sind zusammengenommen geringer als vor der Einfüh-
rung der Mikroelektronik.
2. Bei einer unveränderten Struktur der Endnachfrage ist das Wachstum der
Produktion geringer als die Steigerung der Arbeitsproduktivität.
3. Die zusätzlichen Beschäftigungsmöglichkeiten in „neuen Wachstumsfel-
dern“ (wachstumsintensive Branchen, neue und verbesserte Produkte,
Export) sind zu gering im Vergleich zur Freisetzung von Arbeitskräften
in den traditionellen Produktionsbereichen.“
Es kann kein Zweifel bestehen, dass bei Erfüllung dieser Prämissen per
Saldo ein Nettoverlust an Arbeitsplätzen zu erwarten ist. Dies gilt umso

13
Vgl. Wicksell (1913, S. 195 – 207). Zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit Wick-
sells Kritik an Ricardos Analyse des Maschinerieproblems siehe Hagemann (2010).
376 Harald Hagemann

mehr, wenn auf der Mesoebene das Phänomen der sogenannten Vorwärtsin-
tegration zu beobachten ist. Gerybadze (S. 324 f.) diskutiert hier das Bei-
spiel der Uhrenindustrie, wo Ende der 1970er Jahre die kostengünstige Her-
stellung des Endprodukts Uhr durch die Produzenten mikroelektronischer
Bauelemente in der Schweiz, aber auch in Deutschland bei den traditionellen
(elektro-)mechanischen Produzenten zu einem erheblichen Verlust an Ar-
beitsplätzen geführt hat. Etwa zur selben Zeit ist der qualifizierte Berufs-
stand der Drucker und Setzer durch die technologische Entwicklung weitge-
hend überflüssig geworden. Dies ermöglichte z. B. einem Rupert Murdoch
in der Londoner Fleet Street den Machtkampf gegen die einst mächtige Ge-
werkschaft der Drucker und Setzer, die für ihre Mitglieder privilegierte
Löhne und Arbeitszeiten erkämpft hatte, zu gewinnen.
Zweifellos waren die frühen 1980er Jahre nicht nur in Deutschland eine Zeit
rückläufiger Investitionstätigkeit, geringen Wirtschaftswachstums und stark
steigender Arbeitslosigkeit. Aber war dafür die technologische Entwicklung
verantwortlich? Gerybadze erkennt in der Mikroelektronik eine Schlüssel-
oder Basistechnologie und betont zu Beginn seiner Untersuchung, „daß
durch die Schaffung von Innovationsanreizen und die Beseitigung von Inno-
vationshemmnissen die Wachstumsdynamik freigesetzt werden muß“
(S. 322). Die Arbeitslosigkeit wird zurecht nicht als eine technologische,
sondern als eine „wachstumsdefizitäre“ Arbeitslosigkeit diagnostiziert.
Die zugrundeliegenden Zusammenhänge lassen sich in relativ einfacher
Form formalisieren.
Die Anzahl der nachgefragten Arbeitsstunden ergibt sich als Quotient von
realem Bruttoinlandsprodukt (BIP = q) und der Arbeitsstundenproduktivität
(BIP/Std. = ʌ), also L = q/ʌ.
Daraus folgt als Gleichgewichtsbedingung zur Aufrechterhaltung von Voll-
beschäftigung für die Wachstumsraten:
Lˆ = qˆ − πˆ
Dem steht die Zahl der angebotenen Arbeitsstunden LA gegenüber, die man
als Produkt aus der Zahl der Erwerbspersonen E und der durchschnittlichen
Zahl der geleisteten Arbeitsstunden auffassen kann:
LA = E ⋅ h
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 377

Daraus folgt als Gleichgewichtsbedingung zur Aufrechterhaltung von Voll-


beschäftigung für die Wachstumsraten
Eˆ + hˆ = qˆ − πˆ
bzw.
Eˆ = qˆ − πˆ − hˆ , d. h.
Arbeitslosigkeit tritt auf bzw. nimmt zu, wenn gilt:
Eˆ > qˆ − πˆ − hˆ
Nimmt man die durchschnittliche Arbeitszeit zunächst als fest gegeben an
(und damit hˆ = 0 ), so kann Arbeitslosigkeit auftreten bzw. zunehmen,
a) weil die Zuwachsrate der Erwerbspersonen gestiegen ist,
b) weil die Zuwachsrate des realen Bruttoinlandsprodukts abgenommen hat,
oder
c) weil die Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität angestiegen ist.
Die langfristige Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland seit Ende
des Vollbeschäftigungszeitalters bis heute ist nicht durch eine Beschleuni-
gung des Produktivitätswachstums (Variante c) gekennzeichnet, sondern,
ganz im Gegenteil, durch einen erheblichen Rückgang. Allerdings ist seit
der Rezession von 1966/67 das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts noch
stärker zurückgegangen (Variante b), so dass sich vor allem in den Rezessi-
onen von 1974/75 und 1979/82 die Produktions-Produktivitätsschere ver-
stärkt geöffnet hat und es damit zu einer deutlichen Reduktion des Arbeits-
volumens gekommen ist (vgl. Hagemann/Kalmbach 1985, S. 78 ff.).
Allerdings sind die Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität und des Brut-
toinlandsprodukts aufgrund des Verdoorn-Zusammenhangs voneinander
abhängig. Es gilt:
πˆ = a + b ⋅ qˆ
í a steht für die autonome Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität (positives
Produktivitätswachstum ohne Wirtschaftswachstum – quasi exogener TF).
í b ⋅ qˆ für die produktionswachstumsabhängige Komponente des Arbeitspro-
duktivitätswachstums.
378 Harald Hagemann

í b ist der so genannte Verdoorn-Koeffizient (ca. 0,5).


Dies bedeutet, dass ein Prozentpunkt dauerhaft höheres (geringeres) Wirt-
schaftswachstum zu 0,5 Prozentpunkten an zusätzlichem (geringerem) Pro-
duktivitätswachstum führt.
í Höhere (geringere) Wachstumsraten des Outputs haben höhere (geringere)
Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität zur Folge, ein Zusammenhang, der
hauptsächlich im Verarbeitenden Gewerbe nachgewiesen worden ist.
Es kommt also entscheidend darauf an, „daß durch die Schaffung von Inno-
vationsanreizen und die Beseitigung von Innovationshemmnissen die
Wachstumsdynamik freigesetzt werden muß“ (Gerybadze 1983, S. 322).
Diese Aussage hat in schweren Wirtschaftskrisen wie Anfang der 1980er
Jahre oder 2008/9 kurzfristig eine besondere Dringlichkeit, ist aber auch
langfristig gleichermaßen relevant, wobei in den letzten Jahrzehnten ver-
stärkt Überlegungen zu einer nachhaltigen Entwicklung, d. h. insbesondere
von Innovationen bezüglich eines effizienteren Ressourceneinsatzes und zur
Umweltentlastung hinzugetreten sind. Sie atmen auch einen „Schumpeter-
ianischen Geist“, wie es beispielhaft im Untertitel „Innovationen überwin-
den die Depression“ des Bestsellers von Gerhard Mensch (1975) zum Aus-
druck kommt.
Gerybadze (1983, S. 331 ff.) stützt seine Diskussion der Möglichkeiten und
Realisierungschancen der Beschäftigungssicherung bei Einsatz der Mikro-
elektronik auf die folgenden vier Prämissen:
4. „Alle Branchen steigern die Produktion in mindestens demselben Maße,
wie durch die Mikroelektronik die Arbeitsproduktivität erhöht wird. Die
möglichen Kostensenkungen werden an die Verbraucher weitergegeben.
5. Selbst bei unveränderter Struktur der Endprodukte gibt es genügend
Branchen mit einer hohen Nachfrageelastizität, die die in anderen Sekto-
ren – unter anderem durch den Einsatz der Mikroelektronik – frei wer-
denden Arbeitskräfte beschäftigen können. Eine hinreichende intersek-
torale Mobilität ist gewährleistet.
6. In dem Maße, wie der Arbeitseinsatz bei der Herstellung herkömmlicher
Güter verringert wird, bieten Sektoren, in denen neue oder „veredelte“
Güter und Dienstleistungen erstellt werden, zusätzliche Arbeitsplätze an.
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 379

7. Ein Land, das sich schneller als seine Konkurrenten auf Mikroelektronik
umstellt, kann seine Exportposition stark ausbauen und dadurch zusätzli-
che Arbeitsplätze schaffen.“
Die vier Prämissen sowie die dazugehörige Diskussion verdeutlichen, dass
sich Gerybadze vor allem auf drei Kompensationseffekte stützt: das Kauf-
kraftkompensationstheorem, Produktinnovationen sowie steigende Exporte
aufgrund einer erhöhten internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die Idee,
dass sich in einer funktionsfähigen Marktwirtschaft, in der Kostensenkungen
aufgrund des Einsatzes effizienterer Produktionsverfahren an die Nachfrager
weitergegeben werden, im langfristigen Gleichgewicht Produktionskraft und
Kaufkraft daher nicht auseinanderentwickeln können, findet sich bereits
Anfang des 19. Jahrhunderts bei Jean-Baptiste Say. Nicht zufällig spricht
Gerybadze (1983, S. 331) hier von einer „Paraphrase eines Say’schen Theo-
rems des Wachstums durch Mikroelektronik“. Allerdings würde die sektora-
le Beschäftigungsstruktur nur in dem Spezialfall konstant bleiben, in dem
die Güternachfrage in den verschiedenen Sektoren mit derselben Rate zu-
nimmt wie die Arbeitsproduktivität. Dies setzt eine Einkommenselastizität
bzw. Preiselastizität von eins voraus. Bei unterschiedlichen Wachstumsraten
der Arbeitsproduktivität und der sektoralen Nachfrage folgt zwingend eine
Änderung der Beschäftigungsstruktur, d. h. eine Reallokation der Arbeit
zwischen den Sektoren. Hinzu kommt, dass das klassische Kaufkraftkom-
pensationstheorem die Produktionssphäre weitgehend ausblendet, wenn es
unterstellt, dass Nachfrage nach Gütern gleichbedeutend mit Nachfrage nach
Arbeit sei. Wie jedoch bereits John Stuart Mill ([1848] 1976, S. 79) hervor-
gehoben hat, ist Nachfrage nach Gütern keineswegs gleichbedeutend mit
Nachfrage nach Arbeit. Dies würde nur bei identischen sektoralen Einsatz-
verhältnissen von Kapital zu Arbeit gelten. In allen anderen Fällen ist ein
Kaufkrafttransfer nicht-neutral hinsichtlich der Beschäftigung.
Wie vor allem in Pasinettis Analyse (1981, 1993) im Fokus stehend, hebt
auch Gerybadze hervor, dass größere technologische Veränderungen wie die
Mikroelektronik einen stärkeren Prozess strukturellen Wandels zur Folge
haben. Neue Technologien induzieren nicht nur über effizientere Produkti-
onsverfahren einen Anstieg der Produktivität, sondern führen auch zu Pro-
duktinnovationen mit einem Potential des Nachfrage-, Investitions- und
Beschäftigungswachstums. Dieses Potential endnachfrageerweiternder Pro-
duktinnovationen ist umso größer je mehr additive statt substitutiver Pro-
380 Harald Hagemann

duktinnovationen vorliegen, bei denen (wie z. B. beim Ersatz von Schwarz-


weißfernsehern durch Farbfernsehgeräte) die positiven Beschäftigungseffek-
te, die sich aus der Nachfrage nach neuen Produkten ergeben, mit den nega-
tiven Beschäftigungseffekten aus der Verdrängung bisher hergestellter Güter
saldiert werden müssen. Wichtig zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstel-
lung eines hohen Beschäftigungsniveaus ist hier vor allem, dass eine Volks-
wirtschaft in der Lage ist fortlaufend neue Wachstumsfelder zu erschlie-
ßen14, d. h. in hinreichendem Maße relevante Produktinnovationen zu gene-
rieren, die eine hohe Einkommenselastizität der Nachfrage besitzen bzw. im
ansteigenden Bereich der Engelkurve liegen.
Gerybadzes letzte Prämisse, wonach ein Land, das schneller und stärker als
die Konkurrenz neue Technologien anwendet, seine internationale (Preis-
wie Qualitäts-) Wettbewerbsfähigkeit erhöht, wonach es zu einer steigenden
Exportnachfrage (und Importsubstitution) kommen kann, ist so alt wie die
Maschineriefrage selbst. So schließt bereits Ricardo ([1821] 1994, S. 337 f.)
sein Maschineriekapitel mit zwei Abschnitten ab, in denen er die Kosten
einer aus Freisetzungsängsten hervorgerufenen technologischen Abkoppe-
lungsstrategie aufzeigt: Sie bestehen aus Beschäftigungsverlusten als Folge
von Kapitalexporten sowie aus Realeinkommensverlusten als Folge einer
Verschlechterung der Terms of Trade. Ähnlich argumentiert in der aktuellen
Debatte das IAB (2015, S. 63 f.)
„Letztlich gibt es keinen anderen Weg – wenn Deutschland nicht in der Lage ist, eine Um-
setzung der Industrie 4.0 durchzuführen, dann werden andere Länder dies dennoch tun.
Und die Annahmen, die sich im obigen Szenario positiv auf Deutschland auswirken (Vor-
reiter, zusätzliche Nachfrage im Ausland, Wettbewerbsvorteile) richten sich dann gegen
den hiesigen Wirtschaftsstandort. Produktionsrückgänge und zusätzliche Arbeitslosigkeit
sind die Folgen. Jene werden ausgelöst durch den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und
Verschiebung der inländischen Nachfrage hin zu importierten Produkten. Die Aufgabe
kann also nur sein, den Übergang möglichst nachhaltig zu gestalten.“

Empirisch nachweisbar ist, dass wenig innovative Firmen, Branchen oder


Länder in einer offenen Weltwirtschaft von der ausländischen Konkurrenz
schnell überrollt werden. Gleichwohl ist es gewagt aus dem Tatbestand, dass
eine mangelnde Anpassung an die technologische Entwicklung zu einer
deutlichen Verschlechterung der Beschäftigungssituation führt, den Um-

14
Vgl. Gerybadze (1983, S. 334).
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 381

kehrschluss zu ziehen allein mit einer weltmarktorientierten Vorwärtsstrate-


gie eine hohe Arbeitslosigkeit zu überwinden.15 Sie basiert auf dem Prinzip
Hoffnung, dass die technologiepolitische Offensive zu einer Exportausdeh-
nung und damit zu positiven Beschäftigungseffekten führt. Gerade in schwe-
ren Wirtschaftskrisen erhöht sich die Gefahr eines wachsenden Nationalis-
mus und Protektionismus, wie er entscheidend zur Verschärfung der Großen
Depression in den 1930er Jahren beigetragen hat. Ähnlich wie der französi-
sche Präsident Sarkozy in der schweren Rezession 2008/9 den französischen
Automobilherstellern riet, die Produktion zunächst in ihren ausländischen
Fabrikationsstätten zu reduzieren, gab es Anfang der 1980er Jahre vielerorts
befürwortende Stellungnahmen eines nahezu unverhüllten technologischen
Merkantilismus. Zurecht argumentierte Gerybadze (1983, S. 335) gegen
derartige einseitige nationalistische Sichtweisen der Beschäftigungsfolgen
einer „beggar-my-neighbour“-Politik und äußerte zugleich die Befürchtung,
„daß nur wenige technisch führende Nationen durch umfangreiche Exporte
mikroelektronikintensiver Produkte für sich selbst positive Beschäftigungs-
effekte der Mikroelektronik sicherstellen können“.
Während unter Zahlungsbilanzgesichtspunkten (die Exporte des einen sind
Importe des anderen Landes) in der Sprache der Spieltheorie ein Nullsum-
menspiel vorliegt, beinhaltet eine beggar-my-neighbour-Politik (auch über
einen Abwertungswettlauf im Währungsbereich) über negative Multiplika-
tor- und Akzeleratoreffekte zweifellos ein Negativsummenspiel. Es gehört
sich aber für eine Organisation für internationale wirtschaftliche Zusam-
menarbeit wie der OECD, dass sie in derselben Zeit in der Studie Micro-
electronics, Robotics and Jobs (OECD 1982) erstmals ein elaborierteres
Szenario eines Positivsummenspiels vorstellte. So erfordert eine höhere
Diffusionsgeschwindigkeit neuer Technologien eine verstärkte Investitions-
tätigkeit, was wiederum der Schlüssel für mehr Wachstum und Beschäfti-
gung ist. Wenn in einer international koordinierten Aktion, etwa im Rahmen
von G7, oder heute G20, möglichst viele führende Volkswirtschaften gleich-
zeitig verstärkte Innovationsanstrengungen unternehmen würden, wären
positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte die Folge, die über erhöhte

15
Für eine derartige „offensive außenwirtschaftliche Anpassung“ plädierte bspw. der Sach-
verständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jah-
resgutachten 1981/82 „Investieren für mehr Beschäftigung“ (S. 199 ff.).
382 Harald Hagemann

Importe bei einem Einkommensanstieg positive internationale Rückwirkun-


gen ausüben.

IV. Schlussbetrachtungen
Vor einem halben Jahrhundert verfasste Elias Canetti den Aufsatz ‘Realis-
mus und neue Wirklichkeit‘, in dem er zwischen einer zunehmenden Wirk-
lichkeit, einer genaueren Wirklichkeit und der Wirklichkeit des Kommenden
unterschied. Letztere charakterisierte er folgendermaßen.
„Das Kommende ist anders da als je zuvor, es nähert sich rascher und es wird bewußt her-
beigeführt. Seine Gefahren sind unser eigenstes Werk; aber ebenso auch seine Hoffnun-
gen. Die Wirklichkeit des Kommenden hat sich gespalten; auf der einen Seite die Vernich-
tung, auf der anderen das gute Leben. Beide sind gleichzeitig aktiv, in der Welt, in uns.
Diese Spaltung, dieses doppelte Kommende, ist absolut, und es gibt niemand, der von ihr
absehen könnte. Jeder sieht eine dunkle und eine helle Gestalt zugleich, die sich ihm mit
beklemmender Geschwindigkeit nähern. Man mag sich die eine weghalten, um nur die an-
dere zu sehen, es sind doch beide immer unablässig da.“ Canetti [1965] (1981, S. 75 f.)

Diese doppelte Wirklichkeit des Kommenden passt als Metapher sehr gut
zur Janusköpfigkeit des technischen Fortschritts und gegenwärtigen optimis-
tischen bzw. pessimistischen Szenarien, die Erwartungen widerspiegeln,
dass die Industrie/Wirtschaft 4.0 Arbeitswelt und Gesellschaft ähnlich gra-
vierend transformieren werden wie vor zweihundert Jahren die Dampfma-
schine und nachfolgende größere technologische Veränderungen. Dabei gibt
es unter Beschäftigungsgesichtspunkten in der Regel einen Bias zugunsten
der ‚dunklen‘ Seite des Kommenden, da sich die Freisetzungseffekte – aktu-
ell z. B. reflektiert in den Prognosen der Studie von Frey und Osborne
(2013) – leichter beobachten lassen als die ‘helle‘ Seite des Kommenden in
Gestalt der indirekten Kompensationseffekte.
In der Vergangenheit haben sich Horrorszenarien über technologisch be-
dingte Arbeitslosigkeit in der Regel nicht bewahrheitet. Dies lässt jedoch
nicht den Umkehrschluss zu, dass immer und überall relativ friktionsfrei ein
erfolgreicher Kompensationsprozess stattfindet. Vielmehr trifft auch heute
noch das Bild zu, das Hans Neisser (1942) schön formulierte, als er unter
Bezug auf Marx von einem fortlaufenden Wettrennen zwischen der Freiset-
zung von Arbeit durch technischen Fortschritt und der Reabsorption durch
den kapitalistischen Akkumulationsprozess und davon sprach, dass es un-
Beschäftigungswirkungen neuer Technologien – Pro und Contra 383

möglich sei den Ausgang des Wettrennens auf theoretischer Grundlage vor-
herzusagen.
Klar ist jedoch, dass die Kompensationsargumente traditionell weitgehend
auf eine Produktionsausweitung ausgerichtet sind, obwohl auch in der Ver-
gangenheit ein nicht unerheblicher Teil des Produktivitätsfortschritts für
Arbeitszeitverkürzungen genutzt wurde. Fortschritt bedeutet Arbeitszeitver-
kürzung: das war so unterschiedlichen Ökonomen wie Marx und Keynes
bewusst. Marx, der es für erforderlich hielt die ‚gesellschaftlich notwendige‘
Arbeitszeit zu reduzieren, arbeitet im Kapital weitgehend mit dem Beispiel
einer 72 Stunden-Woche (6 Tage-Woche bei 12 stündigem Arbeitstag), die
der damaligen Realität in der fortgeschrittensten Industrienation Großbritan-
nien entsprach. Heute stehen wir in den meisten hochentwickelten Volks-
wirtschaften etwa bei der Hälfte. Keynes prognostizierte 1930 in seinem
Essay über die wirtschaftlichen Möglichkeiten für unsere Enkelkinder für
das Jahr 2030 gar eine Arbeitszeit von nur 15 Wochenstunden und hoffte
darauf , dass die Menschen sich in der zunehmenden Freizeit ihrer eigentli-
chen Bestimmung widmen und kulturell wertvolle Aktivitäten im Sinne der
Bloomsbury-Gruppe ausüben würden.16
Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass in der näheren Zukunft durch In-
dustrie/Wirtschaft 4.0 vor allem Arbeitsplätze mit mittleren Qualifikationen,
die durch viele sich wiederholende Tätigkeiten gekennzeichnet sind (Routi-
nierungshypothese), bedroht sind. In Deutschland sind die Arbeitsmarktrisi-
ken Geringqualifizierter vor allem nach der Wiedervereinigung unter dem
doppelten Druck der Globalisierung und eines qualifikationsverzerrten tech-
nischen Fortschritts massiv gestiegen. Deutschland, das im internationalen
Vergleich in vielerlei Hinsicht relativ gut dasteht17 (z. B. mit der gegenwär-
tig niedrigsten Arbeitslosenquote Jüngerer innerhalb aller EU-Länder), hat
eine sehr hohe Arbeitslosenquote Geringqualifizierter. Dies weist auf einen
entsprechend niedrigen Arbeitskräftebedarf der modernen und international
wettbewerbsfähigen Industrie sowie darauf hin, dass Un/Angelernte auch im

16
Siehe ausführlicher Keynes (1930) und Hagemann (2011).
17
Dies gilt auch für den Robotereinsatz in der industriellen Produktion, insbesondere im
Fahrzeugbau, nicht jedoch in der Servicerobotik, die nicht nur wirtschaftlich bedeutender
wird, sondern, auch im Sinne von Marx und Keynes, wichtige Beiträge zur künftigen Ver-
besserung der Lebensqualität leisten kann.
384 Harald Hagemann

Dienstleistungsbereich nur unvollkommen absorbiert werden. Rukwid


(2015) belegt, dass hier weniger ein Lohnproblem als vor allem ein Bil-
dungsproblem vorliegt, dementsprechend eine bereits im Vorschulalter ein-
setzende Bildungspolitik die beste, und auch kostengünstigere Arbeits-
marktpolitik ist. Gerybadze (1983, S. 333) hatte bereits festgestellt: „Beson-
ders gravierende Probleme von Mobilitätshindernissen und Qualifikations-
engpässen sowie von investitions- und nachfragebedingten Verzögerungs-
prozessen treten gerade auch dort auf, wo man sich von der Mikroelektronik
die größten Impulse erhofft, nämlich im Bereich neuer Produkte und Dienst-
leistungen.“ Da gerade im Bereich moderner Technologien wissensbasierte
Tätigkeiten schneller ihren Wert verlieren, ist vor dem Hintergrund potenti-
eller Beschäftigungswirkungen von Industrie/Wirtschaft 4.0 Paul Romers
(1997) Erfolgsrezept „brain, not brawn“ auch hinsichtlich einer lebenslan-
gen Weiterqualifizierung im mittleren Bereich verstärkt zu beachten. Hinzu
kommt im Sinne von „Schumpeter plus Keynes“ eine Stärkung der Innovati-
ons- und Investitionsdynamik, u. a. durch eine dauerhafte Erhöhung des
Anteils der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandspro-
dukt von 2,87% im Jahr 2014 über 3% hinaus. Nicht zufällig weist Baden-
Württemberg, das hier unter den Bundesländern führend ist, mit 3,1% im
Jahre 2015 auch die höchste, deutlich über dem Bundesdurchschnitt von
1,7% liegende Wachstumsrate auf.

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Diffusion der Informations- und Kommunikationstechnik in
die industrielle Produktion

Engelbert Westkämper

I. Einführung
Vor mehr als 50 Jahren begann eine grundlegende Veränderung der industri-
ellen Produktion, die fast ausschließlich durch die Elektronik getrieben wur-
de. Die Elektronik fand ein breites, technisches Anwendungsfeld bei Pro-
dukten und in der Produktionstechnik, welche das private Leben und die
Lebensweisen ebenso veränderte wie die Arbeit und das Arbeiten mit elekt-
ronisch gestützten Werkzeugen in den Fabriken bzw. in den wertschöpfen-
den Prozessen. Kein Arbeitsplatz blieb ohne Elektronik und kaum ein Pro-
dukt enthielt keine elektronischen Elemente. Wie kaum eine andere Techno-
logie beflügelte sie die Wirtschaft und Wissenschaft in allen Disziplinen und
damit auch die akademisch geprägte Lehre und Forschung zu Innovationen
sowie Strategien und Organisation produzierender Unternehmen.
Die Technologie der Elektronik ist im Grunde eine Technologie zur Verar-
beitung, Speicherung und Transformation von Information durch schnelle
Rechenautomaten. Ihre technischen Kerne ließen sich immer weiter miniatu-
risieren und die Rechentechnik in gigantische Leistungen steigern. Was mit
der Erfindung der Halbleiter begann wurde durch technologische Innovatio-
nen perfektioniert und mit der Informatik fusioniert. Beide zusammen trie-
ben die Anwendungsgebiete und erlaubten konzeptionelle Lösungen hoher
Flexibilität und Dynamik. Als dann auch noch die Verbindung mit der (ka-
bellosen) Kommunikation gelang, war es möglich, Systemgrenzen zu über-
schreiten, die heute zu einer flächendeckenden Welt der Informations- und
Kommunikationstechnik geführt haben.
Der Kollege Gerybadze, zu dessen 65. Geburtstag ich diesen Beitrag schrei-
be, ist als Hochschullehrer für Innovationsforschung tätig. Im Verlauf seiner
Arbeiten in Stuttgart gab es Anlässe, die uns zu Diskussionen um die Zu-
kunftsentwicklung zusammengeführt haben. Dabei ging es auch um die
Innovationen in Produkten und Produktionen, die durch die Informations-
und Kommunikationstechnik möglich wurden und welche ganze Industrie-
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017
W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5_19
390 Engelbert Westkämper

strukturen tangierten. Ich erinnere mich besonders an die Vorbereitung einer


breit angelegten Initiative für den Maschinenbau und die Produktionstechnik
im Raum Stuttgart und die Findung von Themen, die für alle hiesigen Sekto-
ren von strategischer Bedeutung sind. Ich danke dem Kollegen für seine
Impulse für die Fabrik der Zukunft in einem hochindustrialisierten Raum
wie Stuttgart. Ihm sei mein Beitrag zur Diffusion der Informations- und
Kommunikationstechnik in die industrielle Produktion gewidmet.

II. Die 3. Industrielle Revolution


Eine Übersicht über die gesamte Entwicklung der Konzepte der rechnerun-
terstützen Produktion mit ihren zahlreichen Innovationen zeigt Abbildung 1.
Schon die ersten Anwendungen in der Produktion ließen erahnen, dass die
Elektronik die Strukturen nachhaltig verändern wird. Visionäre Lösungen
trieben die Innovationen und schufen neuartige Arbeitsgebiete mit neuarti-
gen Industriesektoren.

Abbildung 1: Entwicklung der rechnerunterstützen industriellen Produktion


von 1970 bis heute

Ganzheitliche Lern(fähige) Fabrik


Produktionsplanung und -steuerung , MRP
Produktionssysteme
Vernetzte Produktion Logistik Industrie 4.0
Cyber-phys.
CAD/CAM/CAP/CAQ TQM Systems Cloud,
Rechnergeführte Lean Digitale
TPM Software as
Fabrik Production Fabrik
Null Fehler a Service
NC-/CNC- /DNC -Technik CIM Kanban

Flexible Fertigungssysteme Logistik, Teleservice


Supply Chain RFID Smart, Adaptiv
Grid Nachhaltig
Factory Wandlungsfähig
Industrieroboter Flexible Montage Intelligente
Handhabungstechnik Prozessautomation Produktion
Technische Intelligenz
Wissensbasierte Produktion
Factory of the Future

1970 1980 1990 2000 Zeit 2010 2020

Quelle: Engelbert Westkämper

In den 70er Jahren gelang es, Elektronische Steuerungen in Werkzeugma-


schinen zu implementieren. Mit der NC-Technik (Numerical Control) wurde
es möglich, Arbeitsabläufe an Werkzeugmaschinen zu programmieren und
beliebig oft zu reproduzieren. In den Programmen wurden die Bewegungen
Diffusion der Informations- und Kommunikationstechnik in die industrielle Produktion 391

der elektrischen Antriebe in einem numerischen Koordinatensystem der


Maschinen festgeschrieben und von den elektronischen Steuerungen ausge-
führt. Die Maschinensteuerungen übernahmen Einstellungen und die Füh-
rung der Prozesse, die bis dahin allein durch die Mitarbeiter und Maschi-
nenbediener erfolgten. Diese Technik kann als der Beginn eines Diffusions-
prozesses in die Fertigungstechnik und eine flexible Automatisierung be-
zeichnet werden.
Die NC Technik revolutionierte die Fertigung und ermöglichte die flexible
Automation ganzer Prozessketten. Die technische Revolution lag in dem
Übergang von der manuellen und mechanischen Fertigung zu einer rechner-
geführten Fertigung.
Aus der Art der Programmierung entstanden dann völlig neue Anwendun-
gen. Eine wenig bekannte neue Anwendung lag in der mathematischen Be-
schreibung von Bauteilen in einem numerischen Koordinatensystem (Nume-
rik) und der geometrischen Darstellung in Rechnern. Die Möglichkeit Geo-
metrien rechnerintern darzustellen – grafische Datenverarbeitung – förderte
die gesamte CAD-Entwicklungslinie von zunächst einfachen Modellen bis
in heute mögliche grafische Abbildungen ganzer komplexer technischer
Produkte und Systeme. Es kam zur Substitution der üblichen Zeichenbretter
durch CAD Arbeitsplätze. Heute gibt es nahezu keinen Arbeitsplatz in den
Ingenieurbereichen ohne CAD Unterstützung.
Schon kurz nach der Einführung von CAD-Arbeitsplätzen zur Gestaltung
von Produkten und NC-Technik zur flexiblen Automatisierung begann die
Entwicklung integrierter Systeme. Ihr Ziel war es, einmalig in Rechnern
beschriebene Informationen ohne manuelle Eingriffe unmittelbar an die
Maschinen und in die Steuerungen zu übertragen. Integration bezeichnete
eine Rechnerarchitektur, welche verschiedene Anwendungen in Entwicklung
und Fertigung zu einem Informationssystem zusammenführte.
Eine dritte Entwicklungslinie kam aus der Nutzung von Rechnern für die
Verwaltung und Speicherung großer Massendaten. Schon sehr früh wurden
Rechner eingesetzt, um die Aufträge der Unternehmen zu verwalten und ihre
Ausführung zu terminieren. Ferner wurden Rechner eingesetzt, um die Res-
sourcen zu verwalten und ihren Einsatz zu managen. Methoden wurden zur
Terminierung und Planung eingesetzt, indem die sequentiellen Abläufe als
Workflows programmiert und methodisch systematisiert wurden. Die Mas-
392 Engelbert Westkämper

sendatenverarbeitung brauchte große Datenspeicher und ein systematisches


Datenmanagement. Auch hier war die Integration einzelner Anwendungen
zu sequentiellen Workflows integrierten System Ziel der Informationsarchi-
tekturen. Sie machten eine Standardisierung und Systematisierung möglich,
erforderten aber leistungsstarke Rechner und zentralisierte Datenbanken,
welche nicht nur das Auftragsmanagement verbesserten sondern letztlich zu
integrierten Konzepten des Managements aller Ressourcen führten.
Visionäre erzeugten in den 80er Jahren das Bild zukünftiger vollständig
rechnergeführter Fabriken. Die Leitidee der rechnergeführten Fabriken be-
stand aus flexibel automatisierten Fertigungssystemen, rechnerunterstützter
Entwicklung, Konstruktion und Planung sowie einer rechnergestützten Ad-
ministration aller Geschäftsprozesse einschließlich des Managements der
Ressourcen. Das „Computer-Integrated and Automated Manufacturing“
genannte CI(A)M war die beherrschende Leitidee der Rechneranwendung in
der gesamten verarbeitenden Industrie. Es sollte den Personaleinsatz nahezu
überflüssig machen.
Tatsache ist, dass der direkte Personaleinsatz in den wertschöpfenden Pro-
zessen bei gleicher oder höherer Leistung seither ständig reduziert werden
konnte und dass es zu einer strukturellen Verschiebung von Arbeit aus den
direkten Bereichen in die indirekten Bereiche kam. Der Automatisierungs-
und Integrationsgrad in der Produktion stieg bis heute permanent und er-
laubte hohe Leistungssprünge. Gleichzeitig entstanden völlig neue Unter-
nehmen in der Automatisierungstechnik, der IT-Industrie und in den produk-
tionsnahen Dienstleistungen. Die Möglichkeiten der Informationstechnik in
der Produktion schufen einen breiten Innovationsraum für neue Produkte,
Fabrikausrüstungen und Dienstleistungen. Die schon sehr früh formulierten
Visionen zukünftiger Produktionen beschleunigten die Innovationsge-
schwindigkeit und veränderten die Geschäftsmodelle nachhaltig. Die Indust-
rie erfuhr einen grundlegenden strukturellen Wandel, in dem sich die Ar-
beitsgebiete, die Struktur der Beschäftigung, die Arbeitsweisen und die
Wettbewerbsfähigkeit drastisch veränderten. Mit Recht kann dies heute als
eine 3. industrielle Revolution bezeichnet werden, die im Grunde ein Über-
gang von der mechanisch orientierten zu einer rechnergeführten Produktion
war und strukturelle Auswirkungen auf das gesamte wirtschaftliche, soziale
und technische Umfeld hatte.
Diffusion der Informations- und Kommunikationstechnik in die industrielle Produktion 393

Die in den 70er Jahren von vielen befürchteten Einbrüche in der Beschäfti-
gung aufgrund von flexibler Automatisierung fanden zumindest in Deutsch-
land nicht statt. Zwar änderten sich die Arbeitsweisen und Methoden nach-
haltig, neue Arbeitsfelder mit hohem Wachstumspotential im personalinten-
siven Dienstleistungsbereich konnten die Rationalisierungswirkung brem-
sen. Die Rückgänge in der Beschäftigung hatten ihre wichtigsten Ursachen
in den hohen Arbeitskosten, konjunkturellen Einflüssen und in der Migrati-
on von Konsum und Arbeit in die wachsenden Schwellenländer. Die Schaf-
fung großer Wirtschaftsräume (EU) konnte die Migration nicht behindern.
In den Unternehmen änderten sich die Produkte und Märkte und Produkti-
onstechnologien. Neue Organisationsformen wurden durch die rechnerge-
führte Produktion eingeführt und die Eigenfertigung aufgrund geänderter
Kostenstrukturen zugunsten einer Fertigung im Verbund (Supply Chains) bis
auf wenige Kernkompetenzen reduziert. Migration von Arbeit und Konsum
technischer Produkte setzt ein und erhöhte die Anforderungen an barriere-
freie Wirtschaftsräume, um die kapitalintensiven technischen Konzepte
besser nutzen zu können. Es entstanden weit verzweigte Produktions- und
Distributionsnetze, die durch integrierte Managementsysteme beherrschbar
wurden und schließlich erlaubte die flexible Automation in Verbindung mit
der CAD Technik eine massive Steigerung der Variantenvielfalt für eine
kunden- und marktorientierte sowie segmentierte Organisation, indem Un-
ternehmen ihre Innovationskompetenz ausnutzen konnten.
Die rechnergeführte Produktion stieß Ende der 80er Jahre jedoch an ihre
ökonomischen Grenzen. Der wichtigste Grund lag darin, dass sich die tech-
nischen Systeme nicht schnell genug an eine hohe Innovationsdynamik an-
passen ließen. Die vergleichsweise lange Lebensdauer der installierten Au-
tomatisierungstechnik und die noch längere Lebensdauer der Informations-
architekturen standen in einem Zielkonflikt mit der Schnelligkeit der Neue-
rungen und Individualisierung der Produkte. In den Visionen der rechnerge-
führten Fabrik wurde die Innovationsdynamik der Produktionsaufgaben
unterbewertet. Dies führte zu einem Konflikt zwischen dem Interesse der
Produktion an langer und intensiver Nutzung der installierten Technik und
den aus den Märkten kommenden Anforderungen nach Marktkonformität
der Produktion. Veränderungen an hochintegrierten Systemen erwiesen sich
als aufwendig und verursachten zu hohe Kosten für eine Umgestaltung und
394 Engelbert Westkämper

Adaption. Sie waren durchweg starre Elemente eines Systems, das bei der
hohen Innovationsdynamik eine hohe Strukturflexibilität verlangt hätte.

III. Die Phase des Überganges von der rechnergeführten Produktion


(CIM) zum Cyber-Physischen System Produktion
Der Angriff auf die CIM-Welt kam zu Beginn der 90er Jahre aus der japani-
schen Automobilproduktion mit ganzheitlichen Produktionssystemen. Die
japanischen Automobilproduzenten betrieben eine Organisation mit dem
Ziel der hohen Systemeffizienz. Durch Konzentration auf die Wertschöp-
fung und Vermeidung von Verschwendungen jeglicher Art erreichten sie
außergewöhnliche Wettbewerbsvorteile. Das Konzept des Lean Manufac-
turing brachte eine neue Rationalität in die logistischen Ketten und in die
Methoden des Managements. Es ersetzte beispielsweise tayloristische Vor-
gehensweisen durch neuartige Methoden wie z. B. das Kanban System, das
in den bisherigen methodischen Grundlagen nicht vorgesehen war durch
sehr einfache Regeln. Ein anderer Ansatz wurde in der Automatisierungs-
technik deutlich. Methoden des Just-In-Time und der Konzentration auf die
Wertschöpfung durch Vermeidung von Verschwendungen an Zeit und Res-
sourcen aktivierten das Rationalisierungspotential durch eine Perfektionie-
rung des logistischen Systems. Während hiesige Unternehmen die Automa-
tion bis in komplexeste Anwendungen vorantrieben konzentrierten sich
japanische Unternehmen auf eine Vereinfachung und auf Anwendungen in
einfachen Operationen. Unter dem Schlagwort Lean Manufacturing entwi-
ckelte sich eine Methodik für die ganzheitliche Optimierung der Produktion.
Lean Manufacturing kam in den 90er Jahren in die deutsche Produktion und
zeigte auch hier seine wirtschaftlichen Wirkungen.
Bei der Implementierung des Lean Manufacturing in die Produktion gerieten
generalistische Strategien der Informationstechnik in den Hintergrund der
Unternehmensentwicklung. Zwar erkannten die Unternehmen, dass sie für
das Management der logistischen Ketten standardisierte und systematisierte
IT-Anwendungen brauchten, sie konzentrierten sich aber auf die Vereinfa-
chung der Prozesse und ihrer Relationen in den Materialflüssen.
In den 90er Jahren wurden wiederum IT-Systeme zum Rückhalt der betrieb-
lichen Organisation. Der Schwerpunkt lag bei den Managementsystemen für
Diffusion der Informations- und Kommunikationstechnik in die industrielle Produktion 395

Ressourcen und Kundenaufträge. Systemfamilien wie das SAP-System wa-


ren Baukästen mit Anwendungen, die in standardisierten Workflows inte-
griert und vernetzt wurden. Ihr Kern blieb jedoch zentralistisch mit komple-
xen Rechnerarchitekturen und standardisierten Datenschnittstellen.
Das in den 90er Jahren aufkommende Internet fand seine Anwendungen
zunächst vor allem in nicht kommerziellen und privaten Bereichen. Unter-
nehmen der verarbeitenden Industrie begannen das Internet im Marketing
und Vertrieb sowie im Produktservice einzusetzen. Innerbetriebliche An-
wendungen für das Produktionsmanagement gibt es bis heute kaum, da die
im Internet eingesetzten verteilten und weltweit vernetzten Kommunikati-
onstechniken die industriellen Anforderungen an Sicherheit und Zuverläs-
sigkeit kaum erreichen. Zweifellos verkürzt das Internet die Wege zwischen
Kunden und Herstellern und erlaubte völlig neue Geschäftsmodelle mit
schneller Kommunikation, ein Ersatz standardisierter und methodisch ba-
sierter Prozeduren gelang in der Produktion bisher nicht.
Die in vielen Industrien zu findenden Architekturen der Informations- und
Kommunikationssysteme nutzen heute modernste Rechentechniken und
Anwendungssysteme und unterstützen die Organisation mit standardisierten
Workflows. Die Arbeitsweisen mit den Systemen tragen Züge einer Büro-
kratisierung, die umständlich auf Ereignisse und Situationen reagiert. Zwar
gelingt es, den gestiegenen Informationsbedarf der indirekten Bereiche und
des Managements zu befriedigen, die Differenz zwischen einer realen Welt
und einer digitalen Welt scheint jedoch zu steigen. Unternehmen beklagen
nicht nur die hohen IT-Kosten sondern auch die Schwerfälligkeit der IT-
Systeme bei Veränderungen ihrer Anwendungen und Operationen.
In der Fertigung und Montage steigt der Automatisierungsgrad weiter an.
Ganze Prozessketten werden zu komplexen Systemen integriert und ermög-
lichen eine hohe Produktivität. In einigen Automobilfabriken finden sich
Anlagen mit Hunderten von Robotern oder Automatisierungslösungen, wel-
che hoch spezialisiert sind. Die Schnittstelle zwischen den Menschen und
den Maschinen folgt ergonomischen Aspekten und erleichtert den Mitarbei-
tern die Führung der Prozesse auch in Arbeitsbereichen, die außerhalb der
taktilen Wahrnehmungsbereiche liegen. Automatisierte Lager- und Trans-
portsysteme sind weit verbreitet.
396 Engelbert Westkämper

In den logistischen Systemen finden sich hochentwickelte Anwendungen für


die Navigation und ein ortsbezogenes Management. In den Maschinen und
Anlagen stieg die Implementierung multipler Sensoren zur Überwachung
oder zum Monitoring der Prozesse. Alles in allem kann festgestellt werden,
dass die Informationstechnik in der Produktion die technische Intelligenz
zur Steigerung der Zuverlässigkeit und zur effektiven Nutzung vorangetrie-
ben hat. Zwischen der hochautomatisierten Produktionstechnik und dem
digitalen Engineering sowie der digitalen Administration bleibt aber trotz-
dem ein Gap.

IV. Die 4. Industrielle Revolution


Heute spricht die Fachwelt von einer erneuten industriellen Revolution und
gab ihr die Bezeichnung „Industrie 4.0“. Im Kern geht es dabei um die kon-
sequente Verknüpfung der Informations- und Kommunikationstechnik mit
dem realen Geschehen und damit um die Überwindung des Gap zwischen
der digitalen und der realen Welt. Sensoren jeglicher Art erfassen Zustände
technischer Objekte und Prozesse und erlauben eine Verbindung mit IT-
Anwendungssystemen für ein Management in Echtzeit. Die Architekturen
der IT-Systeme werden durch eine Kommunikation mit Internet-
Technologien bestimmt. Diese Vision wird auch als ein Cyber-physisches
System bezeichnet. Die Cyber-physischen Systeme der Zukunft setzen auf
eine Kommunikationstechnik und Informationsverarbeitung mittels einer
Internet-Systemarchitektur.
Das Internet könnte somit zum Basis-System der Organisation und Technik
werden und die digitale Abbildung realer Situationen und Zustände in Rech-
nern mit der Realität verbinden. Es gibt natürlich zahlreiche Anwendungen
des heutigen Internet in den industriellen Prozessen. Das Internet wird ge-
nutzt, um Relationen zwischen den Prozessen und Akteuren im gesamten
Produktlebenszyklus herzustellen, dennoch vertraut die Produktion den in-
ternetbasierten kommerziellen Systemen dort noch nicht, wo Zuverlässig-
keit, Verfügbarkeit und Sicherheit unabdingbar sind.
Sensoren erzeugen große Datenmengen (Big Data) die mittels intelligenter
Verfahren analysiert und zu Wissen verarbeitet werden können. Damit öff-
Diffusion der Informations- und Kommunikationstechnik in die industrielle Produktion 397

net sich der Weg zu wissensbasierten Systemen und letztlich zur lernfähigen
Produktion.
Das System Produktion muss in der cyber-physischen Welt weiter gefasst
werden als nur auf die industrielle Herstellung der Güter. Es beginnt bei der
Findung neuer Produkte und deren Individualisierung, um die Anforderun-
gen der Kunden exakt zu treffen und endet mit dem Recycling bzw. der
Verschrottung technischer Produkte (Life-Cycle). Alle Prozesse im Life-
Cycle werden mit aktuellen Informationen in digitaler Form unterstützt. Auf
dieser Basis können auch alle produktbegleitenden Dienste einbezogen und
mit neuen Geschäftsmodellen operationalisiert werden, die jederzeit und an
jedem Ort auf aktuelle Informationen und Wissen angewiesen sind. Eine
andere Bilanzgrenze des neuartigen Systems Produktion betrifft die periphe-
ren Dienstleistungen. IT-Netzwerke verknüpfen private und öffentliche Or-
ganisationen zu Wertschöpfungsclustern und verkürzen die organisationalen
Wege durch eine schnelle und flexible Kommunikation.
Die Vernetzung vieler Akteure im Life Cycle der Produkte und die Ver-
knüpfung der Objekte mit digitalen Informationen können die Merkmale
einer neuen Industriellen Revolution erfüllen, da sie das Potential zu einer
grundlegenden strukturellen Veränderung haben:
í Grundlegende Veränderung der Prozesse durch Digitale Arbeitsweisen
í Neue Geschäftsmodelle mit Substitution bisheriger Konzepte durch vernetz-
te, kooperative Modelle
í Neue Arbeitsgebiete mit hohen Wachstumspotentialen (z. B. IT Services)
í Verlagerung der Wertschöpfung zu neuartigen Technologien (z. B. additive
Manufacturing)
í Veränderung der Relationen zwischen Wertschöpfungspartnern mit virtuel-
len Elementen
Als virtuelle Elemente im System Produktion werden Organisationen ver-
standen, die bei hoher Eigenständigkeit nur temporär in die Prozessketten
der Wertschöpfung einbezogen werden.
Die Auswirkungen werden sowohl die Tätigkeiten der Mitarbeiter als auch
die Formen der Organisation gravierend verändern. Mitarbeiter können je-
derzeit verfügbares Wissen für ihre Tätigkeiten nutzen. Sie bekommen aktu-
elle und verlässliche Informationen und eine Unterstützung aus Historienda-
398 Engelbert Westkämper

ten sowie eine Vorausschau kommender Ereignisse oder Wirkungen ihrer


Maßnahmen (Simulation). Maschinen und technische Systeme erhalten eine
innere technische Intelligenz, die sie lernfähig macht.
Das Management wird sich in einer auf Internet-Prinzipien basierenden
Organisation dahingehend verändern, dass workflowbasieret Abläufe durch
eine ereignisorientierte Handlungsweise ersetzt werden. Sie steigert die
Fähigkeiten zur schnellen Adaption und zur Reaktion auf kurzfristige Ver-
änderungen. Gleichwohl steigen die Bedrohungen hinsichtlich Ausspähung,
Spionage, Plagiatismus und Missbrauch oder gar Sabotage ganzer Systeme.
Zukünftige Erweiterte Systeme der Produktion brauchen folglich eine Ver-
trauenskultur als Voraussetzung zum Schutz vor Missbrauch und Störungen.
Dies kann durch IT-Systeme mit extrem hohen Sicherheitsstandards erreicht
werden. Die heutigen Sicherheitssysteme sind sicherlich noch nicht ausrei-
chend für eine Cyber-physische Art der industriellen Produktion.
Ob die im Bereich der Produktion in der Zukunft eingesetzten Konzepte von
Industrie 4.0 tatsächlich eine industrielle Revolution erzeugen, kann ledig-
lich vermutet werden. Später können Historiker diese Frage anhand der
Wirkungen auf die Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft klären.
Für die Gestalter von innovativen Produktionssystemen kommt es aber da-
rauf an, ob sich wirtschaftliche Effekte erzielen lassen und welche Struktur-
veränderungen in den Fabriken notwendig sind.

V. Ausblick auf die Produktion der Zukunft


Mehrere große Trends beeinflussen die Entwicklung der industriellen Pro-
duktion. Dazu gehören Trends wie z. B. die Urbanisierung, die Alterung der
Menschen, die Individualisierung in den Märkten, die Mobilität oder auch
die explosionsartige Zunahme des Wissens. Alle diese Trends haben Wir-
kungen auf die Produkte und die Art ihrer Herstellung in der Zukunft.
Transferiert man diese Trends auf die industrielle Welt in einer durch In-
formations- und Kommunikationstechnik vernetzten Umgebung so bleibt
festzustellen, dass eine hohe Innovationsdynamik notwendig ist, um die
kommenden strukturellen Veränderungen zu bewältigen. Die Konzepte zu-
künftiger Produktionen werden durch machbare Visionen geprägt, mit denen
sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile erschließen lassen.
Diffusion der Informations- und Kommunikationstechnik in die industrielle Produktion 399

Im Mittelpunkt stehen die Wandlungsfähigkeit und die Adaptionsfähigkeit


erweiterter Systeme der Produktion. Diese zielen darauf ab, schnelle Reakti-
onen und Robustheit bzw. Resilienz im turbulenten Umfeld (Märkte, Tech-
nologien, Ressourcen) zu erreichen. Produkte entstehen in digitaler Ar-
beitsumgebung, mit Anwendungssystemen, die bedarfsabhängig vom Netz
bezogen werden. Die Administration verwendet wandlungsfähige Work-
flows, deren Abläufe situationsgerecht konfiguriert werden können. In der
physischen Fabrik werden Maschinen mit hohem Automatisierungsgrad und
technischer Intelligenz eingesetzt (Smart Factories). Produkte und Objekte
sind über ihr ganzes Leben mit den IT-Systemen gekoppelt, so dass Herstel-
ler den Produkten und ihrer Nutzung jederzeit an jedem Ort folgen können
und ihre Dienstleistungen in die Wertschöpfungsketten integrieren können.
Fabriken und Logistische Systeme sind Elemente eines globalen IT-
Netzwerkes. Das Management wird durch Life-Cycle Management in Real-
Zeit unterstützt.
Diese in der Abbildung 2 dargestellte Vision zukünftiger Fabriken hat große
Wettbewerbspotentiale und bietet Herstellern von Produktionsausrüstungen
(Ausrüstungsindustrie) wie auch den Betreiben nicht nur neue Geschäftsfel-
der und -modelle, eine hohe Produktivität sondern auch die notwendige
Flexibilität in einer globalen Wirtschaft.
Das Internet mit seiner offenen Kommunikation hat sich zu einem neuen
Standard entwickelt, der zunächst im privaten Bereich anzusiedeln war. Im
industriellen Bereich wurde die elektronische Kommunikation zu einem der
wichtigsten Bausteine in der Organisation der Unternehmen und in der Ver-
netzung mit Partnern. Heute und in der Zukunft wird die Vernetzung durch
Breitbandtechnologien zwischen Unternehmen und peripheren Dienstleistern
vorangetrieben. Die Internet-Technologien und die für das Internet typi-
schen Arbeitswesen verkürzen die Wege und Zeiten und werden auch in die
innerbetriebliche Organisation einfließen. Ereignisbezogene Arbeitsweisen
werden auf lange Sicht die standardisierten Workflows ersetzen. Die Be-
obachtung der Prozesse wird die Lernfähigkeit fördern und zu einer wis-
sensbasierten Arbeitsweise beitragen. Unternehmen gewinnen dadurch wei-
tere Flexibilität und Wandlungsfähigkeit trotz steigender Automatisierung.
400 Engelbert Westkämper

Abbildung 2: Visionen zukünftiger Fabriken in digitaler Umgebung

Engineering Administration
in digitaler Digitale in digitaler
Umgebung Produkte
Umgebung
mit mit
„Soft-Machines“ wandlungsfähigen
„Engineering Digitale Workflows
Apps“ Fabrik

IT- Netzwerk – Produkt Life-Cycle Management – real time IT

Smart
Factories

Intelligente Maschinen Internet der Dinge

Quelle: Engelbert Westkämper

Breits heute erfahren Fabrikausrüster eine hohe Nachfrage nach individuali-


sierten Lösungen für Produktionseinrichtungen und Betriebsmitteln. Füh-
rende Hersteller entwickeln sich zu Problemlösern und Systemlieferanten.
Interdisziplinarität wird benötigt, da an einer Produktionsanlage bis zu 30
verschiedene Fachdisziplinen auf ein Systemkonzept ausgerichtet werden
müssen. Dieses Gebiet ist zweifellos ein Sektor, welcher der deutschen Ma-
schinenbau-Industrie mit ihren breiten und tiefen Kompetenzen in einer
Region mit hohem Anteil von Ingenieuren Vorteile im Wettbewerb ver-
schafft. Hier kommt hinzu, dass die zukünftigen Techniken eine enge Zu-
sammenarbeit zwischen Ingenieuren und Informatikern erfordern, um bis in
die Tiefen der technischen Prozesse vordringen zu können. Alle für die Zu-
kunft benötigten Fähigkeiten sind in der Region Baden-Württemberg vertre-
ten. Problemlösungs- und Integrationskompetenzen sind hier in einem Maße
vorhanden wie in keiner anderen Region der Welt.
Diffusion der Informations- und Kommunikationstechnik in die industrielle Produktion 401

VI. Zusammenfassung
Die Elektronik und die auf ihr beruhende Informations- und Kommunikati-
onstechnik waren von Anbeginn Treiber der technischen und organisationa-
len Entwicklung der industriellen Produktion. In der Historie kann man
dabei eine Dimension einer 3. industriellen Revolution feststellen, welche
Strukturen, Produkte und Arbeitsweisen grundlegend verändert hat. Heute
sehen Experten den Beginn einer weiteren industriellen Revolution durch
den Einzug der Internet-Technologien und durch die Verknüpfung realer und
digitaler Prozesse. Die wichtigste Neuerung liegt aber in der Verfügbarkeit
von Wissen und Information jeglicher Art an jedem Ort der Welt und zu
jeder Zeit. Hierin liegen sowohl große Chancen aber auch Bedrohungen. Für
Europa bietet sich die Chance zur Re-Industrialisierung bzw. zur Rückho-
lung von Wertschöpfung aus anderen Ländern. Die Bedrohungen resultieren
aus der Öffnung der Informationstechnik und dem möglichen Missbrauch.
Die industriellen Gesellschaften brauchen deshalb eine Vertrauenskultur,
welche Bedrohungen minimiert.

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Autorenverzeichnis

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Management, E-Mail: faltfeld@escpeurope.eu

Prof. Dr. Uschi Backes-Gellner


Universität Zürich, Department of Business Administration, Institut für Strategie & Unter-
nehmensökonomik, E-Mail: backes-gellner@business.uzh.ch

Thomas Baron, M.Sc.


Universität Bremen, Chair in Small Business & Entrepreneurship (LEMEX), E-Mail:
thomas.baron@uni-bremen.de

Prof. Dr. Reinhold Bauer


Universität Stuttgart, Historisches Institut - Abt. Wirkungsgeschichte der Technik, E-Mail:
reinhold.bauer@hi.uni-stuttgart.de

Prof. Dr. Markus Beckmann


Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Corporate Sustainability
Management, E-Mail: markus.beckmann@fau.de

Dr. Tobias Buchmann


Universität Hohenheim, Lehrstuhl für Innovationsökonomik, Fachgebiet VWL insb.
Innovationsökonomik; E-Mail: Buchmann@uni-hohenheim.de

Prof. Dr. Wolfgang Burr


Universität Stuttgart, BWI, Abt. I, Lehrstuhl für ABWL, insb. Innovations- und
Dienstleistungsmanagement, E-Mail: wolfgang.burr@bwi.uni-stuttgart.de

Dr. Stephan Buse


Technische Universität Hamburg, Institut für Technologie- & Innovationsmanagement,
E-Mail: stephan.buse@tuhh.de

Prof. Dr. Jörg Freiling


Universität Bremen, Chair in Small Business & Entrepreneurship (LEMEX), E-Mail:
freiling@uni-bremen.de

Prof. (em). Dr. Oskar Grün


Wirtschaftsuniversität Wien, Department für Marketing und Innovation, E-Mail:
oskar.gruen@wu.ac.at

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


W. Burr und M. Stephan (Hrsg.), Technologie, Strategie und
Organisation, DOI 10.1007/978-3-658-16042-5
404 Autorenverzeichnis

Prof. Dr. Harald Hagemann


Universität Hohenheim, Institut für Volkswirtschaftslehre, E-Mail: hagemann@uni-
hohenheim.de

Prof. Dr. oec. publ. Cornelius Herstatt


Technische Universität Hamburg, Institut für Technologie- & Innovationsmanagement,
E-Mail: c.herstatt@tuhh.de

Prof. Dr. Dirk Holtbrügge


Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Internationales
Management, E-Mail: dirk.holtbruegge@fau.de

Stefan Hopf, M.Sc.


Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Betriebswirtschaft, Forschungsstelle
für Information, Organisation & Management, E-Mail: hopf@bwl.lmu.de

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Péter Hórvath


IPRI International Performance Research Institute gemeinnützige GmbH, E-Mail:
phorvath@horvath-partners.com

Prof. Dr. Dr. Bernd H. Kortschak


Fachhochschule Erfurt, Fachbereich Verkehrs- und Transportwesen, Fachgebiet Allgemeine
Betriebswirtschaftslehre und Logistik, E-Mail: kortschak@fh-erfurt.de

Prof. Dr. Michael-Jörg Oesterle


Universität Stuttgart, BWI, Abt. IX, Lehrstuhl für ABWL, insb. Internationales und
Strategisches Management, E-Mail: lehrstuhl.intman@bwi.uni-stuttgart.de

Prof. Dr. Dres. h.c. Arnold Picot


Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Betriebswirtschaft; Forschungsstelle
für Information, Organisation & Management, E-Mail: picot@bwl.lmu.de

Prof. Dr. Andreas Pyka


Universität Hohenheim, Lehrstuhl für Innovationsökonomik, Fachgebiet VWL insb.
Innovationsökonomik; E-Mail: a.pyka@uni-hohenheim.de

Björn Röber, M.Sc.


Universität Stuttgart, BWI, Abt. IX, Lehrstuhl für ABWL, insb. Internationales und
Strategisches Management, E-Mail: bjoern.roeber@bwi.uni-stuttgart.de

Dr. Christopher Sauerhoff


Agor GmbH, E-Mail: sauerhoff@agor.de
Autorenverzeichnis 405

Prof. Dr. Stefan Schmid


ESCP Europe Berlin, Lehrstuhl für Internationales Management und Strategisches
Management, E-Mail: sschmid@escpeurope.eu

Joachim Sedlmeir, M.Sc.


Ludwig-Maximilians-Universität München, Fakultät für Betriebswirtschaft; Forschungsstelle
für Information, Organisation & Management, E-Mail: sedlmeir@bwl.lmu.de

Prof. Dr. Ing. Tom Sommerlatte


Arthur D. Little GmbH, Strategieentwicklung & Innovationsmanagement für Unternehmen in
technologieintensiven Branchen, E-Mail: sommerlatte.tom@adlittle.com

Prof. Dr. Michael Stephan


Philipps-Universität Marburg, FB Wirtschaftswissenschaften, Technologie- und
Innovationsmanagement, E-Mail: michael.stephan@wiwi.uni-marburg.de

Dr. Rajnish Tiwari


Technische Universität Hamburg, Institut für Technologie- & Innovationsmanagement,
E-Mail: tiwari@tuhh.de

Johann Valentowitsch, M.Sc.


Universität Stuttgart, BWI, Abt. I, Lehrstuhl für ABWL, insb. Innovations- und
Dienstleistungsmanagement, E-Mail: johann.valentowitsch@bwi.uni-stuttgart.de

Prof. Dr.-Ing. Prof. E.h. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. mult. Engelbert Westkämper
Universität Stuttgart Graduate School of Excellence advanced Manufacturing Engineering in
Stuttgart (GSaME), E-Mail: Engelbert.Westkaemper@iff.uni-stuttgart.de

Prof. (em). Dr. rer. pol. Erich Zahn


Universität Stuttgart, Lehrstuhl für Planung & Strategisches Management (LfP), E-Mail:
erich.zahn@bwi.uni-stuttgart.de
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