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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Beethoven und Peterli, das Hausmädchen ............................................... 3


Heidi und Peterli .................................................................................... 3
Peterli ist gross geworden ..................................................................... 7
Peterli muss hinaus in die Welt ............................................................. 9
Peterlis Alptraum ................................................................................. 12
Prinz Peter ........................................................................................... 15
Im Schloss ............................................................................................ 17
Peterli in Quarantäne .......................................................................... 20
Peterli wird durchgeputzt .................................................................... 25
Peterli erfährt die Freuden der Hausmusik ......................................... 27
Peterli erfährt seine Bestimmung ....................................................... 31
Zum Nachtisch Leber ........................................................................... 37
Die Lehre der Nubier ........................................................................... 39
Die letzten Tage im Schloss ................................................................. 43
Die Reise nach Bonn ............................................................................ 47
Warum Ludwig van Beethoven taub ist und nicht blind? ................... 47
Küchenlatein ........................................................................................ 49
Die Intrige wird eingefädelt ................................................................. 51
Frau von Stein trifft Baubon ................................................................ 53
Ein angekündigter Besuch ................................................................... 56
Frau von Stein wird Afrikanistin .......................................................... 58
Das Komplott wird aufgedeckt ............................................................ 61

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Beethoven und Peterli, das Hausmädchen

Heidi und Peterli

Peterli kam zurück zur Hütte und streifte sich als erstes den Geissenmist
von den Schuhen. Ganz matt und dennoch erfrischt von einem
anstrengenden schönen Tag, draussen beim Gletschersee mit den
Geissen, die Vater ihm vor drei Monaten anvertraut. Besonders Flühmeli
machte ihm jeden Tag Freude, wie es sich an ihn schmiegte während
dem kargen Znüni aus Appenzeller Käse und einem Kacheli frischer, noch
euterwarmer Milch.
Er würde Flühmeli vermissen.

Heute Abend sollte diese Frau aus der Stadt vorbeikommen, die ihm
eine schöne Arbeit drüben in Deutschland verschaffen wollte. Bloss war
nicht sicher, ob der Vater einverstanden sein würde, er hatte schon
gestern beim Abendbrot, warme Kartoffeln gab es, sich der Hitze
zwischen Heidis Backen erinnert.

Ach, ihre Backen.


Sie hatten das Backenspiel erst vor vier Wochen gefunden, oder
erfunden. Es war ganz plötzlich passiert, der Tag heiss, Peterli hockte
sich in der Nähe des Alpsees hinter die kühlen Sträucher der Brombeere,
Abkühlung tat not. Sogar Flühmeli trottete nur apathisch an ihm vorbei,
ohne wie sonst ihn verlegen, aber liebevoll anzublicken. Die Sonne
brannte. Peterli schwitzte.
Er hörte Heidi von unten her etwas rufen. Oh, sie bringt ihm einen Krug
mit Tee herauf. Die beiden sind zwar nur Stiefgeschwister, aber ihre
Zuneigung könnte geschwisterlicher nicht sein.
Als sie sich zu ihm hinsetzt, wacht Flühmeli auf. Auch er liebt das Heidi
halt. Bald sind sie zu dritt, dort unterm Brombeerbusch, am Schatten,
hocken sie auf dem ausgetrockneten Boden. Heiss ist er, trotz Schatten.

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Das Flühmeli schmiegt sich trotzdem zwischen die beiden, so richtig eng
wird es, das Flühmeli schaut ins Tal hinunter, fast eingeklemmt ist es
zwischen den Geschwistern.
Heidi schaut nach rechts, hinüber zu Peterli, muss lachen, weil die festen
Flanken vom Flühmeli ihm fast im Weg sind. Mit seiner kleinen Hand
versucht es die eine Flanke zu umfassen, was natürlich nicht gelingt.
Flühmeli aber bleibt stocksteif stehen. Und Peterli, der die
ungeschickten Versuche Heidis sieht, meint zu ihr: „Schau, du musst mit
der Hand hier in den Spalt hineingreifen und dann drücken, dann hast du
es in der Hand und es muss dir automatisch gehorchen“. Gesagt, getan,
er ergreift Flühmelis schmale Flanke von hinten, schiebt die kräftigen
Finger mit den von der Arbeit verschmutzten Fingernägeln in die Ritze,
erfasst es so und schiebt es in einer Vierteldrehung zur Seite.
Sie lachen nun beide, das fröhliche Lachen der Unschuld perlt ins Tal,
Flühmeli trollt sich und die beiden Kinder rutschen nun näher
zusammen, immer noch heiter lachend.
So bleiben sie wohl eine Viertelstunde im Schatten, geniessen die nach
Kräutern und Beeren duftende Bergluft. Langsam aber kriegen sie nun
doch Durst, der Tee ist schon lange ausgetrunken. Da steht das Heidi
auf, schaut ins Tal hinunter und meint, es könnte doch in der Hütte ein
Krüglein Milch holen gehen. Und, ach, ihr Röcklein werde sie dafür kaum
anziehen müssen, sie seien ja ganz alleine hier droben, so steht sie da,
schaut hinunter, Peterli muss lachen. Unter dem kurzen Hemdchen sieht
er ihre Flanken, fast so wie die von Flühmeli, bloss praller, und die
Morgensonne lässt die Flimmerhärchen an der Innenseite der Schenkel
heiter aufleuchten.
Peterli, immer noch lachend, ruft leise zu ihr hinauf: „So, Flühmeli, pass
auf, fall nicht runter“, legt seine linke Hand, die vorher bei Flühmeli so
leichtes Spiel hatte, auf Heidis rechte Flanke, die bei näherer
Betrachtung natürlich eher an einen drallen Ballon gemahnte. Und will
denn auch die Finger in die Ritze schieben, die ja auch es hat. Heidi ist

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darauf aber gar nicht gefasst, es schreit, leise allerdings, erschreckt auf,
bleibt aber doch stehen. Und Peterli hat sie nun fest im Griff.
Das kindliche Spiel scheint die beiden nun auf eine ganz kuriose Art zu
freuen, zu beschäftigen, Peterli löst den Griff, verstärkt ihn wieder, sie
lachen und sie keuchen, und plötzlich hat er das Gefühl, das Heidi müsse
da zwischen den Beinen ein unsichtbares Euter haben. Auf alle Fälle
spürt er an seiner Hand die Milch, die aber, als er die Hand zurückzieht,
gar nicht weiss ist. Also macht er sich nichts draus, wird wohl der
Schweiss sein, und er erfasst mit der Hand wieder diese feste Flanke.

Heidi atmet nun schwer, immer schwerer, die Hitze, diese Hitze. Peterli
muss wieder lachen, „ja was, erträgst die Hitze nicht mehr, wirst wohl
alt“, so neckt er sie liebevoll. Heidi schweigt und keucht, ja es ist gar
heiss, der Druck auf der Brust von dieser Hitze, er wird fast unerträglich.
Aber es bleibt tapfer stehen da, schaut hinunter ins Tal, Peterli hinter ihr
wird ja schon dafür sorgen, dass sie nicht den Halt verliert, nicht
ausgleitet.
Doch Peterli wird es nun doch langweilig, sie wollte doch die Milch holen
in der Hütte – und jetzt verwirrt sie ihn mit Milch, die aus ihren Beinen
oder aus ihrem Bauch zu kommen scheint. Er steht nun auch auf, will
halt selber zur Hütte hin, steht hinter ihr, da scheint sie zu rutschen auf
dem trockenen Boden, wie kann so etwas möglich sein, fährt mit der
linken Hand hinter sich und erfasst direkt und fest Peterlis linke
Hinterbacke! Und lacht nun ihrerseits, „jetzt siehst du mal wie das ist“,
ganz fröhlich und mit schweissnassem Gesicht.

Nun wird es aber dem Peterli ganz schnell ganz anders. Er fühlt ihre
Hand da hinten, da wo die Sonne nie hin scheint, so lachen sie jeweils in
der Runde der Hirten, da wo seine Haut ganz empfindlich ist, das weiss
er, weil die Brennesseln und Disteln dort leichteres Spiel haben als etwa
an den Füssen oder den Knien. Die Hand aber, die ist nicht wie eine
Brennessel oder wie eine Distel, die Hand ist ganz fein und zart, und
auch weich und warm, es ist ja schliesslich Sommer, ein heisser
Nachmittag…

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Aber viel komischer kommt es ihm vor, dass er vorne etwas fühlt, wo
doch keine Hand dort liegt. In seinem Mund macht sich ein Geschmack
breit, als bisse er in ein Marmeladenbrot, Marmelade aus Kirschen und
Eisen. So fühlt es sich an, obwohl er weiss, es ist unmöglich, aus Eisen
Marmelade zu kochen. Aber er schmeckt sie doch!

Das Heidi da vorne ist nun durch den wechselseitigen Griff richtig
fröhlich geworden, es jauchzt und es lacht, es wiegt sich sogar ganz
leicht in den Beinen, auf und ab und hin und her und lacht und jauchzt.
Peter scheint es, es wolle gar nicht mehr aufhören mit dieser Milch. Sein
Mund wird trocken und trockener. Er sollte doch die Milch holen! Doch
das Heidi lässt ihn nicht los. Und er lässt das Heidi nicht los.

Ihr Griff wird stärker und fester. Ein wenig schafft sie es sogar, ihre
Finger in seine Ritze dort hinten einzuführen, aber das realisiert er gar
nicht mehr, der Peter, das Peterli. Der Geschmack von Metall
verschwindet aus seinem Mund, jetzt schmeckt er nur noch Zwetschgen,
Aprikosen und Tannenharz. Sie müssen wieder beide lachen, das ist jetzt
wirklich ein lustiges Spiel und so schön, so denken sie beide. Heidi
rutscht nun etwas weiter nach hinten, während Peterli seinen nackten
rechten Fuss leicht hebt, er hat gar nicht gemerkt, dass er die ganze Zeit
auf einem spitzen Steinlein gestanden ist. Und so rutscht er natürlich
dann auch aus, fällt fast in den Rücken von Heidi hinein, und plötzlich,
nur noch Tannenharz, Melone und kandierter Ingwer, wird es ihm da
vorne so feucht, also direkt nass, pflotschnass – kommt denn jetzt bei
ihm plötzlich auch Milch raus?

Aber das kümmert ihn eigentlich gar nicht mehr. Er explodiert richtig in
dieses Gefühl, in diese Aromen in seinem Mund hinein, immer und
immer wieder kommt das, in Wellen, und das Heidi will jetzt gar nicht
mehr von ihm lassen.
Was will jetzt das Flühmeli hier? Die beiden sind so vertieft in ihr Spiel,
sie haben gar nicht gemerkt, dass jetzt das Flühmeli zu ihnen
hinaufschaut, mit grossen Augen. Und auch die anderen Geissen stehen

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da, um das Flühmeli herum, als sei es plötzlich zum Chef, zum Zentrum
der Herde geworden, und alle schauen hinauf.

Peterli ist gross geworden

Eines Abends, in der Hütte, da meinte der Grossvater, „Peterli, du kannst


ausnahmsweise in der Hütte bleiben, wasch dich schön, ich mache dann
mit Heidi allein den Stall“. Und ging mit ihr raus. Für Peterli war das wie
Weihnachten und Geburtstag gleichzeitig. Schöner wäre nur noch ein
ganzer Spielnachmittag mit Heidi. Seit jenem Tag unterm
Brombeerbusch hatten sie das Spiel immer wieder gespielt, so oft wie
möglich sogar. Peter hatte sogar begonnen, Heidi „Flühmeli“ zu nennen,
und Heidi ihrerseits stiess dann jeweils ein spitzes Gackern aus, ganz wie
das Flühmeli. Einmal war dem Peter sogar die Hose zu Boden gerutscht,
mitten im Spiel. Denn sie war ja nur aus einem Mehlsack ausgeschnitten
und vernäht, als Gurt mussten zwei in der Länge zusammengenähten
Ochsenziemer dienen, Schnur oder Seil war dafür zu kostbar, sowas
konnte man im Stall immer gut gebrauchen. Und da war halt so ein
Ochsenziemer so ausgetrocknet gewesen, dass es ihn buchstäblich
zerkrümelt hatte. Peterli war das sehr peinlich, denn natürlich hatte er
keine Unterhose an. Woher hätte man die auch nehmen sollen, in
diesem Männerhaushalt, ganz oben auf der Alp.
Aber das Heidi hatte viel Verständnis dafür, dass ihm diese Milch
peinlich war, die er dann verschüttete, als sie mit der Wange anstiess,
sie war ja in der Hocke, wollte ihm helfen, die Hose wieder vom Boden
aufzuheben. Er half ihr aber dann auch beim Rauskämmen, das ging am
besten wenn es getrocknet war. Und sie putzte ihm währenddessen die
Tröpflein und Flecken weg, die unten entstanden waren. Dafür benetzte
sie sich am Liebsten zwei Finger einer Hand und rieb alles weg, für
hartnäckige oder grössere Stellen leckte sie sich eine Handfläche so
richtig nass, damit die Reinigung flott von der Hand ging.

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Peterli hatte sich unterdessen an den Geschmack im Mund gewöhnt, der


immer wieder entstand. Immerhin waren seit dem Erlebnis unterm
Brombeerstrauch schon vier Jahre vergangen.
Peterli stieg in den Bottich mit dem Wasser der Woche. Noch drei Tage,
dann würde er es wechseln müssen. Das musste er machen, für
Grossvater war es unmöglich geworden, den Bottich mit den 60 Litern
Wasser zum Ausgang der Hütte zu zerren, ins Freie hinauszukippen und
wieder aufzufüllen, natürlich würde er vorher wieder, leer, an seinen
angestammten Platz gestellt. Zum Füllen hatte er dann ein Milchkesseli,
grad drei Liter hatten Platz. Heidi hatte ihm gesagt, wie oft er vom
Brunnen im Hof zum Bottich gehen musste, dass er voll war.

Das Wasser im Bottich war ziemlich warm. Grossvater hatte eine Anlage
gebaut, um ihn immer zu heizen. Dazu wurden dicke Schläuche vom Stall
durch die Hütte ins Freie gezogen, durch die ständig die Kuhfladen und
der Urin der Tiere transportiert wurden. Das gab ein wenig Wärme.
Peterli liebte auch den starken Geruch, der von den wenigen undichten
Stellen der Schläuche ausging, es erinnerte ihn halt an das Flühmeli. Und
an dessen Flanken, die er immer noch jeden Tag erfassen musste, um es
auf den rechten Weg zu bringen. Man könnte fast denken, es mache das
mit Absicht, dieses aus der Reihe tanzen, weil es dieses Greifen in die
Ritze mochte. Vielleicht hatte es ja Würmer.
Wenn Peterli an die Ritze dachte, dann wurde ihm heisser als das
Badewasser. Flühmeli hatte eine, und er hatte mal heimlich bei Heidi
ganz genau hingeschaut, wenn sie das Spiel spielten – sie hatte etwas
ganz Ähnliches. Und Peter wurde noch heisser.

Immer dann begann es ihn zu beissen. Das jedenfalls dachte er. Da


wurde das kleine Stückchen Haut unter dem Bauchnabel plötzlich
grösser, das Beissen stärker, und es ging erst vorbei, wenn er
abgemolken hatte. Wie das ging, das wusste er ja vom Stall her.
Und wie das ein einmaliges Gefühl war. Nicht so, wie wenn er das Spiel
spielte, wo er all die Aromen, die Geschmäcker im Mund hatte. Nein,

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hier hatte er das nicht. Dafür aber war die Pfeilspitze, der Feuerstein
dort ganz heiss und feucht. Vor der Milch, und nach der Milch auch
noch. Manchmal brachte er sie gar nicht in einem Mal raus, das Beissen
wollte nicht weggehen, es wurde zum Ziehen, und er musste nochmals
Hand anlegen.

So wie jetzt.
Wo die Tür aufgeht.

Peterli muss hinaus in die Welt

So eine hässliche Frau hatte Peterli noch nie gesehen. Kunststück, hatte
er doch bisher ausser Heidi noch nie eine Frau gesehen. Seine Mutter
hatte er nie gekannt, er kam einfach mit den Geissen zusammen zum
Grossvater und seine Arbeit bezahlte gleichzeitig Kost und Logis für die
Tiere. So war es damals ausgemacht worden. Ein Versehen, dass diese
Übereinkunft Gnade fand vor dem irdischen Gesetz, denn
irrtümlicherweise war auf ihn ein Dokument aus dem Dreissigjährigen
Krieg angewendet worden, das schon lange zurückgezogen sein sollte.
Aber was weiss man schon auf dem Dorf, in den finsteren Katen des
Siebengebirges, von König Kaiser und Jurisprudenz? Wo die Untertanen
seiner christlichen Majestät von Landvögten klein gehalten werden, wo
Burgfräuleins das Blut der unschuldigen Kindlein in fröhlichen Gelagen
aus güldenen Kelchen trinken, während in der Nacht die Töchter der
Weissen Magie zu Hunderten zur Ader gelassen, zur Fronarbeit in den
Bordellen der Marketendereien gezwungen werden. All das mit dem
Segen der grausamen Kirchen, der Katholen wie der Reformierten. Das
Volk ächzte und klagte, es befahl sich der Obhut der Heiligen Maria von
den Hundert Tagen an, es sammelte die Tränen der Jungfrauen wie die
Schmetterling den Honig, in der Hoffnung, eines Tages von seinem
Leiden erlöst zu werden.
Peterli wusste nichts von diesem Unterdrückungssystem, er hätte
glücklicher nicht sein können, er hatte seinen Lebensinhalt gefunden,

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den Lebensinhalt, den er täglich mit Heidis Hilfe in den Staub oder auf
ihre Schürzen vergoss, ohne Sorgen um Morgen, wenn alles wieder
nachgewachsen sein würde.
Aber ich greife vor.

Denn jetzt ist die alte Vettel in die Hütte getreten, wo Peterli gerade sich
seines Überschusses an Milch zu entledigen suchte. Sie tritt ein mit
einem Grinsen um ihr faltiges Maul, das aber Peterli, bestimmt kein
Menschenkenner, nicht täuschen konnte. Er ersah aus der Seitenlage
ihres Kopfes, nach der rechten Seite, dass sie böse sein konnte. Er
kannte das vom Bock, den sie vor zwei Jahren hatten abtun müssen, der
hatte auch den Kopf immer nach rechts gelegt gehabt. Ihm schwante
nichts Gutes. Was wollte diese Frau hier, wo es schon fast einnachtet,
hoch oben in den Bergen?
„Wo ist dein Grossvater?“, fuhr sie ihn an. Peterli wies sie nach dem Stall
hin und zog sich an. Glücklicherweise hatte er sein Geschäft unter einem
Geissenfell verrichtet, da die Nacktheit bei dieser Kälte kaum
auszuhalten war.
Nach eineinhalb Stunden kam die Frau zurück, sie war allein. „Wo sind
Grossvater und Heidi“, erkundigt sich Peterli, nun wieder verfroren.
Normalerweise war der Grossvater ja da und beheizte die Hütte von der
Küche her. Nun war aber sicher schon seit vier Stunden der Ofen kalt,
Peterlis Hemd war dann dafür doch zu dünn. Schuhe hatte er noch nie
gehabt, und die Kruste an den Fusssohlen hielt zwar die gröbste Kälte in
Schach, aber hier versagte auch diese. Und die Stoffbahnen, die er sich
an Stelle einer Hose um den Leib wickelte, gab der kühlen Luft von unten
her freien Zutritt. Kurz, Peterli bibberte ein wenig, war aber zu stolz, das
zu zeigen. Schliesslich war er mit seinen 16 Jahren jetzt ein Mann!
Die alte Vettel sagte nichts. Sie scheuchte Peterli vom Tisch hinweg und
setzte sich breit auf den einzigen Schemel, den nicht Peterli zu benutzen
wagte. Dieser gehörte Grossvater! Fast hätte er es gesagt, aber die Frau
jagte ihm immer mehr Angst ein. Das kam über ihn, wohl von einer

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Sekunde auf die andere. Er wusste nicht so recht, war es ihre


Wortkargheit, die schlammig grünen dicken Lippen, die immer wieder
verächtlich zuckten, die leere Augenhöhle auf der einen Seite, aus der
trotzdem wilde Blitze zu zucken schienen. Diese Frau schien einem
Alptraum entstiegen.

Nun bückte sie sich auch noch hinunter, krächzte brummend „Diese
Krampfadern bringen mich noch um“ und wickelte einen gelb
marmorierten Verband von den Unterschenkeln. Waren das Würmer,
die hinten raushingen und sich in der Kälte der Hütte zitternd
zusammenzogen? Sie begann sich den Schorf von der Haut zu kratzen,
zwischen den nackten Zehen hervorzupuhlen, da würde das Heidi dann
später tüchtig zu putzen haben, dachte Peterli bei sich. Vor allem dieser
gelbe Schleim, der frass sich in den Ritzen des felsigen Hüttenbodens
fest. Armes Heidi. Aber wo war sie denn bloss?
Er fragte nochmals nach Grossvater, nach Heidi. Die Vettel machte
ungerührt weiter, um dann wie aus einer Trance zu erwachen und
Peterli zu verkünden, er habe nun mit ihr ins Tal zu kommen, er solle
Prinz werden an einem Fürstenhof, weit fort von hier.

Prinz? Was ist das, fragte Peterli. Meine Güte, du bist ja noch jünger als
ich dachte, entgegnete ihm die Vettel. Gehst du überhaupt schon zur
Schule?
Nun war Peterli aber beleidigt. Natürlich brauchte er nicht zur Schule zu
gehen, dafür war ja das Heidi da. Und er würde immerhin bald achtzehn
sein, dann wollte er Soldat in der königlichen Armee werden. Das hatte
ihm ein durchreisender Edelmann versprochen, er komme ihn dann
abholen, wenn es so weit sei.
Natürlich wusste Peterli, dass er für den Soldatenberuf eigentlich zu
klein war, er war ja höchstens so hoch zwei aufeinander stehende
Geisslein. Seit er mit Heidi das Spiel spielt, ist er nicht mehr grösser
geworden. Ob es an der vergossenen Milch liegen konnte, die er nicht
einfach durch das Fressen der würzigen Alpenkräuter wieder ganz

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auffüllen konnte? Wie der Leser schon weiss, hatte er zwar immer Milch,
aber wahrscheinlich, das darf man annehmen, hatten ihm die ständigen
Entleerungen auch die Nährstoffspeicher in Mitleidenschaft gezogen. Er
war also grad 143 Zentimeter gross.

Der Vettel schien die Geduld auszugehen, sie wickelte die Verbände auf,
zog sich elegante hochhackige Schuhe über die verschorften Füsse und
Zehen, wobei Peterli sah, dass sie die hügelig verworfenen Nägel mit
einer grellroten Farbe eingekleckst hatte, was er noch niemals gesehen
hatte. Blutete sie da? Der Weg zu ihnen hinauf war ja lang und
anstrengend, das wusste er, obwohl er noch nie zu Tale war.

Sie blitzte ihn mit ihrem einen Auge an, nun endlich schien die andere
Höhle leer, und fuhr ihn an: „Du kommst jetzt mit mir. Nein, du brauchst
nichts mitzunehmen“ und murmelte beiseite „hat ja nichts, das
Kerlchen“. Nahm ihn bei der Hand und führte ihn vor die Hütte. Da
wartete auf sie ein grosser Trockenschlitten, gezogen von zwei feurigen
Wallachen, deren Nüstern zu glühen schienen. „Setz dich nach oben auf
den Bock“, wo bereits ein fröhlich gekleideter Kutscher die Peitsche
schwang. Die Vettel legte sich in die Kabine, und hast du nicht gesehen
ging die wilde Fahrt hinunter ins Tal, wo wir die ungleiche Reisegruppe
nun für kurze Zeit verlassen müssen.
Denn Peterli wurde gar müde, es war ja auch spät, der Tag lang, der
Kutschbock schwankte, hin und her, auf und ab, wie sintemalen das
Heidi. Und mit einem letzten Gedanken an das Heidi schlief Peterli auf
dem Kutschbock ein.

Und wenn Peterli schläft, passiert ja nichts. Deshalb entfernen wir uns
von der Szene.

Peterlis Alptraum

Der Trockenschlitten gleitet fürbass dahin, aber Peterli wird kalt vom
Fahrtwind. Er bittet die Vettel, ob er nicht auch in der Kabine mitfahren
dürfe. Sie blickt ihn nachdenklich an und meint dann, doch, das wäre

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vielleicht gar nicht schlecht, denn auch sie sei sehr müde, und Peterli
könne sich auch auf die Bank hier setzen. Sie wolle sich derweil ein
wenig niederlegen, die Fahrt würde ja noch lange dauern. So drei vier
Stunden wohl. Womit allerdings Peterli wenig anfangen konnte, er
wusste ungefähr wie lange eine Stunde dauerte, denn das war etwa die
Zeit, die er zum Melken aller Geissen brauchte, das hatte ihm Grossvater
gesagt. Das war, wenn die Sonne über dem Süderihügel stand, bis sie in
die Bäume auf der Krete fiel. Aber wie lange drei vier Stunden sind, die
man ja aufeinanderlegen muss, davon hatte er keine Vorstellung.
Peterli setzte sich also in die linke Ecke der Bank, während die alte Vettel
sich daselbst niederlegte, dergestalt, dass ihr Kopf auf Peterlis Schoss zu
liegen kam. „Du kannst mir lieb sein und das Kopfkissen machen, es sei
dir später vergolten“, meinte sie noch und schlief dann aus dem Stand
ein. Der Schlitten holperte derweil seinen Weg ins Tal hinunter, durch
feuchte Tannenschonungen, nasse Wiesen und über kantige Steine. Und
wie der Untergrund beschaffen war, so war die Fahrt von
unterschiedlicher Glätte. War auf den Wiesen ein sanftes Gleiten zu
verspüren, so krachte es holpernd über die Steine, schleuderte es in den
Schonungen von einem Baum zum andern. All dies erweckte in Peterli
wieder die Müdigkeit, und er fällt in einen halben Schlaf und denkt an
das Heidi. An das Spiel mit den Backen, das ihnen wohl nie verleiden
würde. Es war praktisch ihr Leben gewesen, vier Jahre lang. Was sollte
nun aus ihm werden? Würde er als Prinz vielleicht das Heidi dann
einladen dürfen auf das Schloss? Er musste die Vettel fragen. Doch diese
schlief fest, ihren Kopf fest in seinen Schoss gepresst. Und sie träumte.
Sie träumte wohl etwas. Sie träumte wohl, dass sie das Heidi sei. Das
wäre möglich, schliesslich hat sie es ja kennen gelernt, droben bei der
Hütte. Und so begann das Heidi, dem Peterli das um den Leib gewickelte
Stofftuch zu lösen, wohl um angenehmer liegen zu können. Sie
schnarchte immer stärker, ja man könnte fast meinen sie schnaufe. Sie
hat einen bösen Traum, offenbar, denn sie wirft den Kopf hin und her,
um ihn dann wieder ganz still zu halten. Oh mein Gott, was hat dieses
Wesen bloss für eine Zunge? Grüngelb beschichtet, mit hellrosa Pusteln,
die ihm aber in dem Moment grad eine ganz und gar angenehme

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Empfindung machen, dort unten, wo er das überflüssige Hautstück hat.


Warum legt sie denn ihre Zunge um dieses Hautstück? Will sie ihn da
waschen, weil er ja seit Monaten das nicht mehr tun konnte, Wasser war
für die Tiere da. Sogar zum Trinken war es zu schade, es gab ja auch
genug Milch.

Aber nun verlässt die Zunge sein Hautstück, die Vettel verfällt in einen
noch tieferen Schlaf, so tief, dass ihr Kopf tiefer hinunterfällt. Das kitzelt
nun da unten hinten, sie stösst mit der Zunge von unten her das
Hautstück in die Höhe und nun liegt ihr Kopf plötzlich so dass er ihren
pickligen Scheitel von oben sehen kann. Die Zunge unten tut ihr Werk,
so dass das Hautstück einen Ausweg sucht, und der Ausweg geht nach
oben. Peterli weiss nicht so recht, ob es der strenge Geruch ihrer nun
nackten Füsse sind, die fest mit dem Boden des Schlittens verhaftet sind,
oder ob es die Zunge ist, oder ist es gar dieses Gefühl, dass das ganze
Hautstück in voller Länge sich in eine Vertiefung windet. Ein Puppenhaus
für Haut. Klein ist es, etwa so gross wie das Loch einer Kuh, das er mal
bei einer vorbeiziehenden Herde sehen konnte. Und auch so feucht, so
weich war es. Ausser auf dem Grunde des Lochs, da war es fest, fest wie
Kalkstein.

Peterli weiss gar nicht mehr, was ist oben, was ist unten, steckt er nun
fest, oder hält sie ihn fest. Sie blökt etwas da unten, und wimmert,
schaut mit dem einen feurigen Auge herauf, sie hat ja nur das eine, die
andere Augenhöhle…. Das also ist es. Peterli weiss nicht, ob das alle
Frauen haben und so machen. Schade, dass das Heidi nicht hier ist. Er
würde sofort versuchen, ob man ihr Auge auch herausnehmen kann,
damit die Höhle befüllt werde.

Die Vettel scheint nun zu weinen, das leere Auge, es wird nun zeitweise
sichtbar, bewegt sich mit dem Kopf auf und ab, und Peterli fühlt
zwischen nachgiebiger Wärme und kaltem Druck wieder den Geschmack
im Mund, ein Gemisch heute aus Honig, Dosensardinen und Schabziger.
Das Weinen der Vettel wird stärker und stärker, so dass Peterli den
Geschmack im Mund nicht mehr länger aushalten kann, und er hilft ihr
beim Vergiessen heisser Tränen.

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Sie bewegt sich noch ein wenig, wird dann aber stiller. Sie meint,
keuchend noch, sie sei jetzt so müde wie nie zuvor, sie müsse sich ganz
ausstrecken können auf der Bank. Und Peterli? Wolle er wieder hinauf
auf den Kutschbock, in die Kälte? Oder sei er es zufrieden, wenn er sich
mit ihr auf die Bank lege, nebeneinander gehe ja nicht, er werde sich
dann auf sie legen müssen.

Aber Peterli möchte lieber auf dem Kutschbock mitfahren. Er liebt den
Fahrtwind, er liebt es, den Berg hinunter zu sausen, jauchzend, an das
Heidi denkend. Jetzt hat er sich ja aufwärmen können. Fast empfindet er
Dankbarkeit für die alte Vettel, die immer noch aus dem leeren Auge zu
weinen scheint. Fast hat Peterli ein Mitleid mit ihr.

Prinz Peter

Die alte Vettel hat ihn einfach am Schlosstor abgegeben. Einen


prinzlichen Empfang stellt man sich anders vor. Aber auch ein Schloss
stellt man sich anders vor. Eigentlich besteht es nur aus einem grossen
eisernen Doppeltor, das von zwei alten Weibern mit Hunden bewacht
wird. Die Hunde sind scharf, das merkt man, wenn man ohne
Einwilligung der Schildwachen ins Schloss will.
Allerdings sind es ganz wenige Menschen, die diesen Zugang noch
benutzen. Denn seit die dazu gehörenden Mauern weg sind, kann man
das Gelände aus allen Richtungen betreten. Wer allerdings die Herzogin
sehen will, weil er etwa in ihre Diensten treten möchte, der muss durchs
Tor. Die Schildwachen nehmen dann die Masse der Einströmenden auf,
Körpergrösse, verschiedene Umfänge zuerst. Wer gewisse, verborgene
Kriterien erfüllt, der wird hinter einen Vorhang geführt, der die Sicht von
vorne verdeckt. Wer hinter dem Vorhang steht, ist vom Schloss aus aber
sichtbar. Es heisst, es sei die Herzogin selbst, die den Prüfling mustert,
denn um einen solchen handelt es sich nun. Dazu muss sie gar keine
besonderen Anstrengungen unternehmen, ihr Schlafzimmer ist mit dem
Tor über einen Rohrkanal verbunden, durch den ihr Bett von 12
Dalmatinerhunden gezogen wird. Ebenso viele Hunde sind an der

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Hinterseite des Bettes angeschirrt, um es dann auch zurück ins


Schlafzimmer zu transportieren.
Es heisst allerdings, es seien seit Jahren keine Neuankömmlinge mehr
vermessen worden. Sie konnten schon die Eingangskriterien nicht
erfüllen, die natürlich ausser den greisen Schildwachen niemand kannte.
Es gingen Gerüchte um im ganzen Land, wie man gestaltet sein musste,
die Aufmerksamkeit der Herzogin zu erringen. Es gingen natürlich auch
Gerüchte um darüber, was danach hinter dem Vorhang geschah. Es war
noch keiner zurückgekommen zu berichten.

Peterli schlief. Man hatte ihn vor dem Tor einfach vom Kutscherbock
geschmissen. Die Reise war lang gewesen. Drei Tagereisen hatten sie
hinter sich, ohne Pause, denn der Trockenschlitten bedurfte keiner
Zugtiere da, wo die Strassen den ganzen Tag nass vom Nebel waren. Die
Kutscher, und auch Peterli, waren während der Fahrt ganz sorgenfrei in
Nickerchen von jeweils 30 bis 40 Minuten verfallen. Falls der Schlitten
vom Wege abkommen sollte, würden sie durch das Klappern des
Gestänges, vorher aber noch durch das Keifen der alten Vettel
aufgeweckt.

Einmal noch war Peterli in die Kabine des Schlittens gebeten worden.
Man muss sich das aber so vorstellen, dass die alte Vettel ihn barsch zu
sich befahl. Zuerst wollte er sich noch drücken, doch sie liess ihm keine
Chance. Ein Widerwort von ihm, und ihr fürchterliches Maul begann
einen grünlichen Schaum zu tropfen, was für die zwei Kutscherknechte
ein Signal war. Sie erfassten Peterli grob, zu zweit, einer die Arme, einer
die Beine, wickelten die Stoffbahn ab, die ihm als einziges
Kleidungsstück diente, und stiessen ihn, das Gesicht nach unten, zur
alten Vettel hinein. Da lag er nun, auf den Knien vor ihr, sie ganz alleine
auf der Bank, ein übler Gestank begann die Kabine zu erfüllen, als hätte
jemand einen Käse unter dem Sitz vergessen, und das vor mindestens 8
Monaten.

Die Vettel packte ihn bei den Ohrläppchen und begann daran zu drehen,
bis Peterli aufheulte vor Schmerzen. Mit einer schmutzigen Pranke fuhr

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

sie ihm ins Gesicht, drückte ihm die Nase zu, so dass er, laut japsend,
nach Luft zu schnappen begann. Ihre leere Augenhöhle schien wieder zu
leuchten und zu glühen. Auf ihrem vernarbten und verwüsteten Gesicht
machte sich ein Ausdruck breit, den man fast zärtlich nennen könnte.
„So leck mich doch“, heult sie, dem weit offenen Mund entweicht der
heiss dampfende Atem der Hölle.

Peterli fühlt sich fallen, Kopf nach vorne, und immer tiefer fällt er, bis
alles Gefühl aus ihm weicht.

Nun aber liegt er da allein. Und schläft tief. Die greisen Schildwachen
kümmern sich gar nicht um ihn. Er befindet sich ja ausserhalb des
herzoglichen Geländes.

Doch da erblickt die eine Wache auf seinem Kleid aufgesteckt einen
roten Zettel.
In einer feinen Mädchenschrift steht da: „Hier ist er, der bestellte Prinz!“

Im Schloss

Peterli ist vermessen worden. Peterli ist gemustert worden, zuerst aus
der Ferne, dann hört er das zarte Bellen der Dalmatiner, ein feldgrün
gemustertes Himmelbett fährt heran auf den Schienen, auf welchen er
zu liegen geheissen wurde. Das Wesen mit der feldgrünen Kappe, unter
welcher ein tiefdunkler Schleier hervorquillt, befiehlt ihn mit einem
einfachen Winken zu sich hin. Ganz verschämt nähert er sich dem fein
duftenden Satin der Tarndecke, er fürchtet die Strafe, denn noch ist er
ganz schmutzig und klebrig, vor allem Gesicht und Augen scheinen wie
von einer gallertartigen Schicht bedeckt. Mit der einen Hand wischt er
sich die Augen frei, mit der anderen klammert er sich an die Bettstatt
und zieht sich hoch, erstaunlich mühelos aber. Ein Schwung, und er ist
oben, bestimmt zwei Meter über den Schienen. Hinter dem Schleier ist
ein Schnalzen zu hören, als lecke sich jemand die Lippen. Und er hört
eine sanfte Stimme: „Brav, das hat sie gut gemacht“.

17
nach Johanna Spyri, unlektoriert

Peterli ist verwirrt. Er ist doch keine „Sie“! Er ist schon fast ein Mann! Er
weiss das, weil Heidi hat ihm mal gesagt, „Oh mein Peterli klein und fein,
bald steckst du ihn mir dann hinein, ich freu mich schon bei Tag und
Nacht, wenn schäumen wird des Lebens Macht… bald, denn du kannst
das!“ Ja, er kann es noch auswendig, weil er nie zuvor das Heidi so
schwierig reden hören. Darum auch hat er sie gefragt, was sie denn
meine?
Ach, meinte sie, das müsse man machen, da könne man nicht drüber
reden, er werde es dann schon verstehen, wenn es so weit sei, denn er
sei ja schon ein Mann.

Da hat er sich sehr gefreut. Und verstärkte seinen Griff um ihre Flanke,
in die Ritze ein ganz klein wenig, bis sie wieder zu singen begann, zuerst
ganz hoch, doch mit Sprüngen in die Tiefe, als ob sie eine Sirene des
Odysseus sei, dessen Geschichte sie ihm mal beim Hüten der Geissen
erzählt hatte. Er wusste, auch die Geissböcke pflegten ähnliche Laute
auszustossen, den anschwellenden Bocksgesang, bevor er die Geiss
besprang, die das dann mit stoischer Ruhe hinnahm, bocksteif stehen
blieb, bis er nach kurzer Zeit von ihr abliess. Einmal hatte er gesehen,
dass der Bock auch so ein überflüssiges Stück Haut hatte, ganz wie er,
das nur bei dieser Gelegenheit zum Vorschein kam, was Peterli noch
praktisch fand. Seins hingegen war immer da, nie hatte es Ruhe, war
stetigem Schmutz ausgesetzt, so dass es oft einfach nur schmerzte von
den Sandkörnern, die sich in den Falten einnisten wollten.

Gern hätte er es gewaschen, doch Wasser war ja nur für die Tiere da,
oben in den Bergen. So kam ihm gelegen, dass Heidi manchmal mit ihrer
nass geleckten Hand ihm die Milch wegputzte, weil dann ja auch der
Sand entfernt wurde.
Er hatte mit der Zeit auch einen Trick entdeckt, damit sie schon putzte
bevor die Milch da war. Er begann dann zu stöhnen, als hätte er
Schmerzen, und dann legte sie ihm die benetzte Hand auf, auf dieses
Hautstück, das manchmal grösser, manchmal kleiner war. Er hatte dann
immer ein schlechtes Gewissen, nachher, und konnte ihr nicht richtig in

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

die Augen sehen. Doch er merkte auch, je schlechter das Gewissen war,
desto süsser war der Geschmack im Mund, da waren nur Beeren, Honig
und gebrannter Zucker. Schöner war nicht mehr möglich.
Nun befahl ihm das Wesen, sein Kleid abzulegen, es vom Körper zu
wickeln. Er tat wie ihm geheissen. Und sollte sich nun unter die Decke
legen mit ihr. Und er solle sich seitwärts hinlegen, abgewendet von ihr,
er solle sie ja nicht anzuschauen wagen!

Ganz eingeschüchtert tat Peterli wie ihm geheissen. Nackt, noch ganz
klebrig von seinem bisherigen Leben, so legte er sich unter diese fein
duftende Decke mit den Mustern aus verschiedenen Laubblättern. Und
schaute die schlammig grüne Wand des Tunnels an. Immer noch müde
von der Reise, von seinem Abenteuer, döste er sich in einen Halbtraum
auf einer Blumenwiese, wie damals oben in den Bergen. Er hörte das
Heidi seinen Namen leise sagen: „Peterli, mein Prinz“. Oh, wie war ihm
das schön. Blumen regneten vom Himmel. Aus dem Laubkissen duftete
es nach Weihrauch und Myrrhe, nach Honig und nach Ebenholz. Das
wusste er natürlich nicht, nie im Leben hatte er diese Dinge weder je
gesehen noch gewusst, dass es sie überhaupt gab. Aber es war das
Heidi, das ihm diese Namen ins Ohr flüsterte: „Oh Peterli, mein Prinz,
gebadet in …“ und dann zählte sie eben all diese Namen auf. Und noch
viele mehr, die er sofort vergass. Und er fühlte ihre Hand auf seiner
schmutzigen klebrigen Haut. Und dann war da diese Hand plötzlich
feucht, ja gar nass, und rau, und fuhr ihm über den Hals, die Schultern,
den Rücken. Heidi lüftete nun die Decke, die Hand war plötzlich an
seinen Schenkeln, dann weiter unten an den Kniekehlen, oh tat das gut
nach einer so langen beschwerlichen Reise. Peterli begann sanft zu
entschlafen. Aber die Hand holte ihn immer wieder aus dem Reich der
Träume zurück, diese so erstaunlich nasse Hand, wie machte es das
Heidi bloss, dass diese Hand immer nässer wurde, gar nicht mehr
austrocknen wollte, und in ihm begann das Gefühl zu wachsen, er
möchte sich doch gerne umdrehen und diese Hand auch vorne spüren,
da wo er wusste, es würde besonders fest zu spüren sein, da beim
Hautzipfel.

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Ein Schrei! „Sofort gehst du raus aus meinem Bett! Ja seid ihr eigentlich
wahnsinnig geworden? Was hat man mir da gebracht? Die alte Vettel,
wenn ich die erwische! Reingelegt hat sich mich!“

Peterli in Quarantäne

Der verschreckte Peterli, er stürzte mehr als dass er fiel, aus dem
Himmelbett der Herzogin. Diese hatte sich an das Kopfende des Bettes
zurückgezogen, hatte sich aber wieder in der Hand und winkte mit einer
noblen, kaum merkbaren Handbewegung die fünf Zofen herbei, die die
ganze Zeit über hinter dem Bett ganz still verharrt hatten. „Schafft es mir
hinweg, dieses Stück Krätze“, so sprach sie mit einer eigentlich ganz
angenehmen Stimme jetzt, die Peterli vorher gar nie vernommen hatte.
„Ihr wisst wohin“, die Zofen sagten nichts, sie winkten ihrerseits drei
grosse Nubier herbei, einer nahm Peterli unter den Arm und schaffte
ihn, nicht ohne Rücksicht, in eine Dienstkammer des Tunnels. Diese war
mit allerhand Gerätschaften bestückt, Werkzeuge hingen an den
Wänden, Kessel und Kübel, Töpfe und Flaschen konnte man sehen,
befüllt mit Cremen und Salben, verschiedene Wasser und Tinkturen,
eingelegten Tieren und menschlichen Embryos. Peterli hatte so einen
Reichtum an Werkzeugen und Reinigungsutensilien noch nie gesehen.
Einer der Nubier stellte Peterli in einen grossen Bottich, das Wasser
reichte bis zu den Knien. Dann nahm er einen Blasebalg zur Hand,
richtete ihn auf Peterlis Hinterteil, und zwar genau dorthin, wo er jeden
Tag zweimal die Reste seiner Mahlzeiten abführte. Seine beiden
Stammesgenossen ergriffen je einen Flügel des Blasebalges, und auf
Kommando begannen sie zu pumpen. Peterli spürte, dass sie genau auf
sein Loch pusteten mit dem Pumpgerät. Der erste Nubier hatte in der
Hand ein Stück schneeweisser Watte, und mit diesem fuhr er immer
wieder um das Loch herum, um es danach prüfend anzuschauen.
Nach einiger Zeit meinte er zu seinen beiden Freunden: „Gut, trocken“.
Sie stellten das Blasen ein, und er nahm nun einen feinen Hammer und

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

einen feinen Meissel aus Holz zur Hand. Er setzte oben bei Peterlis Loch
an und begann, sorgfältig auf den Meissel einzuschlagen. Peterli fühlte
nicht mehr als einen dumpfen Schlag, der ihm jeweils vorne wieder das
schon bekannte angenehme Gefühl verschaffte. Das Gefühl wurde
immer angenehmer. Von Zeit zu Zeit hörte man etwas mit klirrendem
Geräusch in einen Metalleimer fallen, der unter Peterli stand.

Viel zu früh war die Herrlichkeit zu Ende, allerdings veränderte sich das
Gefühl über die Zeit so, dass es nicht nur angenehm war. Es kam ein
deutlich fühlbarer Schmerz hinzu. Und der hämmernde Schwarze meinte
endlich zu seinen Kollegen: „Ist gut, der Stalaktit ist weg. Das hat sich
wohl über Jahre hier angesammelt.“ Und dann hiess er Peterli sich auf
eine Liege in der Ecke des Raumes setzen. Er selber rückte mit einem
Stuhl vor ihn hin und fragte, womit Peterli sich denn jeweils geputzt
hätte nach dem Ausbringen der Speisereste aus dem Magen und den
Därmen. „Wie, geputzt?“, fragte Peterli. „Was geputzt?“. Die drei Ärzte
aus dem Morgenland schauten sich an und verstanden. Peterli war
absolut ahnungslos, was die Kunst des Hippokrates betraf, der ja die
Reinlichkeit des Körpers genauso wie seine Heilung von Krankheit
gelehrt hatte.

Dass man mit Hammer und Meissel den über Jahre angesammelten Kot
abspitzen musste, das war den Dreien noch nie untergekommen. Und
sie wussten, da hatten sie es mit einem schweren Fall zu tun. Unter
keinen Umständen durfte er so, ungebildet, ahnungslos, der Herzogin
nochmals übergeben werden. Ihm sollte eine Erziehung zu teil werden,
die aus dem groben Rohdiamanten, als den sie ihn nun ansahen, denn
sie kannten natürlich seine Messwerte, einen glitzernden Schmuck, einer
Herzogin, ja gar einer Königin würdig machen. Sie riefen die fünf Zofen
hinein.
Diese traten hinter dem Vorhang hervor, der den Dienstbereich vom
Haupttunnel abtrennten. Sie nahmen von den Ärzten gemurmelte
Instruktionen, einige Mittel und Bücher sowie Pergamentrollen
entgegen. Sie betrachteten vor allem die Pergamentrollen lange, lasen
darin und kicherten eins ums andere Mal leise und verhalten. Dabei

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

schielten sie immer wieder zu Peterli hinüber, ganz perplex, dass eine so
kleine Gestalt der Herzogin mehr Wert war als die athletischen Kolosse
aus dem Dunklen Erdteil, die ihr ja Tag und Nacht zu Diensten standen.
Die eine Zofe, die Augen wie Schlitze, die Haare wie Ebenholz, der
schmale Mund in den Farben der Brombeere, was in Peterli die
Erinnerung an das Heidi hervor rief, sie trat nun auf ihn zu und hüllte ihn
in ein dampfend warmes Tuch aus Seide. Sie liess sich einen grossen
Topf mit Mandelöl bringen, das sie nun von aussen auf dem Peterli
anbrachte, ja eigentlich einrieb – wäre da nicht eben der Stoff zwischen
ihrer Hand und seiner Haut.

Mit dem Brombeermund murmelte sie Formeln von Beschwörungen aus


fernen Erdteilen, das Öl verströmte einen betörenden Geruch, die
Reibungen der zarten Hand erzeugten einen dampfenden Nebel über
Peterli, der bis zu ihr hin zu wabern begannen. Das schien sie zu stören,
denn sie bat eine der Zofen, ihr das Kleid aus einem wunderschön
bedruckten Stück Stoff auszuziehen. Peterli wurde kalt und heiss, denn
seit Heidi war ihm ein so angenehmer Anblick nicht mehr beschieden
gewesen. Und wie bei Heidi, und ganz im Unterschied zur alten Vettel,
war ihre Haut von einer milchigen Zartheit, die ihm wieder seine Zeit auf
dem Berg in Erinnerung brachte.
Als sie dann begann, mit ihrer milchigen Haut, die zwischen den kleinen
Knöpfen grad unterhalb ihres Halses sich befand, seine nun sehr
vorstehende überflüssige Haut zwischen den Beinen zu reiben, um ihm
ein Wohlgefallen zu sein, da fühlte er eine Vertrautheit in ihm
aufsteigen, die innert kürzester Zeit in einem Entleeren der kostbaren
Körpermilch gipfelte.
Peterli schlief sogleich ein.
Als er erwachte, befand er sich immer noch im selben Raum. Die Zofen
hingegen waren weg. Er wollte aufstehen und zur Türe hin, doch da
bemerkte er, dass ihm seine Beine nicht gehorchen wollten. Aber sein
Kopf war glasklar, er war nicht mehr müde, er konnte einfach vom Hals

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

an abwärts nichts mehr fühlen, als ob er aus durchsichtigem Wasser


wäre, das in völliger Stille, wie ein Bergsee, da lag in der Sonne. Er
konnte aber seinen Kopf heben, was er denn auch tat. Als er an sich
herunterblickte, da sah er aus seinem Körper Schläuche austreten, die
zum Teil mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt waren. Andere Schläuche
waren undurchsichtig, so dass man ihren Inhalt nicht sehen konnte.
Peterli schloss die Augen und döste wieder weg. Da hörte er die Tür
aufgehen, hörte die Stimmen der Zofen, verstand ihre Reden. „Bald
haben wir ihn von innen gänzlich gesäubert“, „seine Haut ist weich wie
Pfirsich“, „ach wäre ich doch bloss die Herzogin und dürfte über den
wunderbaren Knaben verfügen“, „das würd ich fürs Leben gerne in den
Mund nehmen“, „was gibt es wohl heute Abend zu essen“, „warum
braucht er überhaupt Kleider, er muss sie ja sowieso jedes Mal wieder
ausziehen“, „ich habe gefragt, er muss noch 10 Tage bleiben, wer ist
heute dran“ und so weiter und so fort, ein Chor herrlich glockenheller
Stimmen war das, wie die Musik der Grillen am Abend.
Peterli wurde nun vollends wach beim Gedanken an das Heimet beim
Grossvater. Er sah die fünf Grazien, immer noch dieselben wie zu
Anfang, aber diesmal war noch eine noble Erscheinung dabei, eine ältere
Dame, sie musste sicher schon über dreissig Jahre alt sein, fand Peterli.
Für ihn war unmöglich, ihr Alter abzuschätzen, er hatte ja noch nie eine
richtige Frau gesehen. Die alte Vettel, ja, aber was lehrte ihn das? Und
die Herzogin hatte er nicht richtig gesehen, zuerst war sie verschleiert,
und danach nur in seinem Rücken.
Dass sie älter sein musste, ersah er aus ihren kantigen Bewegungen, den
schweren Gliedern, den festen Armen, die Oberarme hatten denselben
Umfang wie die Beutel, die sie vorne trug, die ebenfalls in einem Punkt
endeten wie bei der Zofe mit den Schlitzaugen vorher. Zwischen den
Beinen schaute eine Katze hervor, ohne Augen, er sah eigentlich nur ein
Stück Fell. Ob sie zwischen die beiden hinteren Backen eingeklemmt
war? Er konnte das nicht wissen, woher auch? Neu war das alles für ihn,
und auch verstörend, aber gut verstörend, aufregend. Er fühlte ein
Ziehen am Hautstück – halt, das war tatsächlich eine Katze, die ganz

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

aufgeregt ihren Schwanz über seinen nackten Bauch peitschte, ihren


Kopf sah er nicht, aber er fühlte etwas Raues, hörte sie schnurren. Doch
eine der Zofen, ein blondes Mädchen mit prallen Hauttaschen unter
dem Hals jagte das Tier weg. Um dann nachzuschauen, ob es ihn nicht
verletzt hätte. Sie benutzte dazu ihre linke Hand, die sie vorher fein
säuberlich eingeölt hatte, nahm seinen Hautzipfel, fuhr von unten nach
oben, schaute genau hinein, indem sie oben zart auseinanderzog. Peterli
hatte das Gefühl, er sei tatsächlich krank geworden ob der Katze, und
klagte und stöhnte. Das Mädchen schien Mitleid mit ihm zu haben, dem
Opfer eines gewöhnlichen Haustieres, und sie versuchte ihn zu verarzten
so gut es eben ging. Wie bei vielen fremden Völkern üblich wird Spucke
als Medizin gegen alles eingesetzt. Da sie bereits beide Hände benutzen
musste um die Hautfalte oben auseinander zu ziehen, so sah sie
offenbar keine andere Möglichkeit als die Spucke direkt dort
anzubringen. Damit auch kein Tropfen der kostbaren Flüssigkeit, ihres
Speichels verloren ging, stülpte sie ihren hellrosa Mund direkt über die
kranke Stelle.
Wir wissen, dass Mütter so Schmerzen verjagen, mit Blasen auf die
wunde Stelle. Auch das Mädchen hatte eine Mutter, die ihn die
Hausmedizin gelehrt hatte, denn im Haushalt ist die Frau für die
Gesundheit der Familie zuständig. Und so blies denn das Mädchen sehr
gerne über die eventuelle Wunde des Peterli, und um ganz sicher zu sein
umhüllte sie die ganze Länge dieser Hautfalte mit ihrem Mund, der
Speichel tropfte nur so seitwärts aus der rosafarbenen Öffnung, dass
Peterli nicht nur über die ganze Länge, sondern auch unter und neben
der Stelle die Nässe fliessen fühlte.
Er wusste gar nicht mehr, war er jetzt krank oder gesund, auf dem Weg
zu Krankheit, auf dem Weg zu Gesundheit, er fühlte seine Lungen sich
lähmen, sich verkleinern, umhüllt wie von einem stählernen Reifen
gleich den Fässern, wo Grossvater in den Bergen das Sauerkraut vergor.
Aber hier war an Sauerkraut kein Gedanke, nein, er fürchtete nur um das
Mädchen. Denn sie wurde nun von einem Schüttelfrost übermannt, ihre
Mund begann zu zucken, der Kopf wackelte, hinauf, hinunter, links und

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

rechts, manchmal schien sie die Hautfalte zu verlieren, sie ihr aus dem
Munde zu rutschen, denn man muss auch sagen, sie dehnte sich, in die
Länge, aber auch in die Breite, ja sie wurde eigentlich mehr zu einer
Stange denn dass man noch von einer Falte hätte reden können. Diese
Stange liess sie denn nach einigen sanften Bewegungen aus dem Mund
fallen, dann, oh Jesus Maria, Vergebung, schluckte sie sie wieder, aber
nur grad diese oberste Spitze, die aussah wie ein Glockenturm und erst
jetzt überhaupt erschienen war, das hatte Peterli noch nie gesehen.
Und dann, als sollte das nie ein Ende nehmen, löste sie ihre linke Hand,
die ja vorher zusammen mit der rechten die Hautfalte umklammert hielt,
löste sie diese Hand, nahm sie auch in den Mund und lutschte einige Zeit
daran, zusammen mit der Kirchturmspitze, und die nasse, klebrige,
glitschige Hand fuhr ihm ganz unten, dort wo vorher die Stalagniten
waren, wie er gehört hatte, fuhr ihm dort unten hinten in die schon
bekannte Ritze, aber viel tiefer als das Heidi es getan hatte.
Er konnte nur noch schreien, sich winden, er wusste nicht war es vor
Schmerz oder war es vor Freude, dass er jetzt so sauber gewaschen war
nach so vielen Jahren, das Mädchen schien auch vor Freude zu
schmelzen, zu singen, zu keuchen, und Peterli musste einfach los lassen
alle Gedanken, an das Heidi, an die Krankheit und die Medizin, und sie
konnte noch rechtzeitig ausweichen einer milchigen Fontäne, die sicher
zwei Meter hoch in die Luft spritzte, wo es den nubischen Arzt genau am
Schädel traf, den nubischen Arzt, der in genau dem Moment das
Gemach betreten hatte.

Peterli wird durchgeputzt

Die nubischen Ärzte standen alle drei an Peterlis Bett, wo er immer noch
angeschnallt war, wo immer noch Schläuche aus ihm heraus, in ihn
hineinführten. Diese hatte er vorher gar nicht mehr bemerkt, als die
blonde Zofe ihn von eventuellen Katzenbissen geheilt hatte. Die
Afrikaner verwiesen die Mädchen des Zimmers, um unbeeinflusst von
Laien den Zustand Peterlis festzustellen.

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Dazu dienten offenbar die Schläuche. Einer der Ärzte drehte einen
Hahnen bis zum Anschlag auf, worauf Peterli eine grosse Hitze in sich
einströmen fühlte. Einer der Ärzte teilte ihm mit, man führe nun
Nährstofflösung in ihn ein. Nährstofflösung? Peterli verstand nichts. Er
war doch keine Pflanze, die man ja manchmal mit Gülle zu mehr
Wachstum brachte. Er war kein Ochs, die man manchmal auffüttern
musste mit Ochsenschwanzsuppe, ein altes Hausmittel des Grossvaters,
wenn sie zu müde waren, die Kühe zu bespringen. Aber Peterli war auch
kein Tierarzt, kein Landwirt, er brachte manchmal vieles durcheinander.
Die Ärzte schauten zu, wie Peterli rot und blau anlief, wie sein Körper
sich füllte und sich blähte, wie Bauch und Hautfalte dick und gross
wurden, wie die Beine zu zittern begannen, der Kopf spastisch zu
wackeln, aber Peterli sagte kein Wort. Zu gross war die Furcht, man
würde ihn dann des Raumes verweisen, wie die Zofen, auf deren
Wiederkehr er aber insgeheim hoffte und auf eine Weiterführung ihrer
Behandlung. Denn diese hatte ihm zuletzt grosse Freude gemacht! Vor
allem aber dachte er an die ältere Dame, die ja nur anwesend war, aber
zur Heilung noch nichts beigetragen hatte. Er dachte bei sich, der
Grossvater habe doch auch immer gesagt… Ach, es fiel ihm nicht mehr
richtig ein und vor allem fiel ihm nicht ein, wieso er jetzt an den
Grossvater dachte. Wirkung der Blähungen durch die Schläuche?
Unterdessen war eine gute halbe Stunde vergangen, also die Zeit, die
Peterli bestens kannte, Halbzeit beim Melken der Herde war das. Der
Arzt, der sich unterdessen den Schädel natürlich sauber gewischt hatte,
trat nun näher an seine Lagerstatt heran. Er zog eine Schürze aus
dunkelbraunem festem Leder, eine Sturmhaube und dicke Handschuhe
an, beides ebenfalls aus Leder, allerdings etwas Feinerem. Peterli
erkannte sofort das helle Ziegenleder. Da machte sich der Arzt schon an
den Schläuchen zu schaffen, die aus ihm herausragten. Er schaute in ein
Buch und dann auf die Schläuche, las etwas aus dem Buch und umfing
dann mit der Hand die Schläuche, wie um ihren Umfang zu bestimmen.
Er schüttelte die Schläuche und versuchte wohl zu sehen, was darinnen
war. Aber diese Schläuche waren ja undurchsichtig. Was also sollte das?

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Dann, als alles so überprüft war, nahm der Arzt eine Axt zur Hand und
schliff ihre Klinge mit einem Wetzstein, sicher 20 Minuten lang, um dann
mit einem feinen Tuch die Klinge zu polieren und ihren Schnitt zu
überprüfen. Er sah Peterli an, der nun langsam Bedenken hegte, was
wollte der Arzt mit diesem akkurat geschliffenen Beil tun?

Der nubische Arzt hob die Axt hoch in die Luft, über seinen Kopf, und
liess sich mit einem lauten Schrei, ähnlich des Kampfgeräusches eines
Eichhörnchens, auf Peterli niederfallen. Und durchtrennte so einen der
herausführenden Schläuche. Der sofort unter riesengrossem Druck eine
dicke rote Brühe in den Raum ergoss.

Sie liessen die Brühe abfliessen etwa so lange, wie ein Schmetterling
seinen Brunsttanz auf dem staubigen Boden macht, dann hob der Arzt
die Axt erneut, um nun den Weg für eine braune Brühe frei zu machen,
die ebenso lange sich ergiessen durfte, bevor der nächste Schlauch
seiner Öffnung zugeführt wurde, und das dauerte so lange, bis alle
Schläuche geöffnet waren und Peterli wieder seinen früheren geringen
Umfang des Bauchs, der Beine, der Hautfalte angenommen hatte.

Während die Ärzte den Raum verliessen, schlief Peterli wieder ein. Über
die Prozedur machte er sich keine Gedanken, er war bloss froh, dass
man ihn noch behalten würde, so nahm er jedenfalls an. Und mit einem
letzten Gedanken an die ältere Dame glitt er sanft in Morpheus Arme.

Peterli erfährt die Freuden der Hausmusik

Peterli erwachte, weil er von einem zentnerschweren Engel auf sein


Lager niedergedrückt wurde. Ein Gewicht wie ein Amboss schien da auf
ihm zu lasten, und doch war nur – oh Heilige Maria Mutter Gottes, es
war sie selber, die Heilige Jungfrau, die da auf ihm sass mit all ihrem
Gewicht, er ersah das aus dem Strahlenkranz um ihr Haupt. Dann
erkannte er, dass sie sich der finsteren Nacht wegen einen engen Reif
um auf den Kopf gelegt hatte, der durch eine kluge Vorrichtung Platz für
einige Kerzen bot, die nun hell leuchteten. Peterli vermisste zum ersten

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Male den Mond, denn er hätte gar gerne gewusst, wo auf seiner Bahn er
jetzt wohl stehen möge, und er hätte gewünscht, dass er erst grad
aufgegangen wäre und die finstere Nacht noch lange Schutz vor dem
Treiben des Tages biete. Denn was er fühlte kam einem Königreich
gleich, das ihm von einer Königin für den eigenen Gebraucht dargereicht
wird. Und die Königin, das war natürlich die schwere Frau, die da auf ihm
hockte, grad in seiner Leibesmitte hatte sie sich eingerichtet, und Peterli
schien es als ob Hunderttausend Engel ihm die Geige spielten, er war
Saite und Bogen, Geige und Note zugleich, er war Pianoforte und
Violine, Dirigentenstab und des Sopranos Stimme zugleich.
So sehr fühlte Peterli seine Nervenenden unter dem Bauch klirren und
flirren, dass er den Kapriolen seines Verstandes ohnmächtig vis-à-vis
stand, und er konnte schon gar nicht mehr bemerken, dass er als seine
Gedanken dachte das, was die Königin über ihm sanft hinunter
murmelte zu ihm. Denn wie hätte er auch wissen sollen was eine Violine
ist, wo das einzige Musikinstrument der Alpen der Grashalm ist, den er
zwischen den beiden Daumen einklemmte und den er dann zum Singen
brachte.

Die Königin aber schien, so wie sein treuer Hirtenhund es tat, sich des
Beissens der Würmer zu erwehren, indem sie hin und her rutschte, mal
langsam, mal schnell, mal rotierend, mal schabend, und immer
murmelte sie leise Worte, wie er sie auch manchmal von Heidi gehört
hatte: „Ja, ja, ja, ja, ja, so, ja, Achtung, mehr, ja, ja, oh Peterli, oh…“ und
so weiter. Sie schien die Worte nicht finden zu können, ihre Absicht
auszudrücken. Wieso „jajaja“, er hatte ja gar nichts gefragt. Und wovon
wollte sie „mehr“? Und wieso schien sie dabei zu weinen?

Doch Peterli hatte in seinem kurzen Leben gelernt, dass es ihm nicht
obläge, Fragen zu stellen, dass es schön ist, wenn man ihm sagt was zu
tun ist, dass ein einfacher Hirte wie er dem Gehorsam verpflichtet ist,
wie Grossvater es ihn auch gelehrt hatte. Und so verstärkt er seine
Bewegungen, die ihm ganz unwillkürlich eingefallen sind, wenn sie
„mehr“ oder „tiefer“ murmelt, er bleibt still, wenn sie „warte, warte“
sagt, er lässt seine Hüften sich lüpfen, wenn sie „fester“ schreit, und er

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

erfreut sich ob der Milch, die alles benetzt, in der er glitscht, die ihm
unbekannte Empfindungen beschert, weil sie seine Haut wie ein ganz
feiner Film aus Schweiss und Tränen überzieht, so dass jede Bewegung
wie in einem mit Öl gefüllten Fass ihm vorkommt.

Und alles wird noch überstrahlt von dem starken Empfinden in seiner
Hautfalte, ein Empfinden, das er früher mit einem Geschmack auf dem
Gaumen verwechselt hatte. Doch mit der Zeit hatte er festgestellt, es
gab da diese Nerven, die dort unten wie zusammengebunden waren,
wie ein Bündel Reisig im Wald, und dieses Bündel empfand diesen
wohligen Schmerz, einen süssen Schauer, den er sonst nie erfuhr. Es
geschah nur wenn man es auf welche Weise auch immer berührte, mit
der Hand, mit der Haut, mir einer Ritze, die Aufenthalt bot, mit einem
feuchten Mund. Peterli dachte manchmal, er sei der Messias und Gott
spräche so mit ihm, denn natürlich konnte nur er die Sprache dieses
Gefühl verstehen, konnte nur er es wahrnehmen, war es einzig und
allein für ihn bestimmt. Und Peterli lernte dadurch, dass Gott nicht
deutsch sprach, auch nicht lateinisch so wie der Pfarrer, sondern dass er
süss sprach. Und dass er, Peterli, diese Botschaft aufnehmen und
weitergeben musste.

So war Gottes Wille.


All diese Erkenntnisse prasselten nun in diesem Moment auf unseren
armen Jungen nieder, während er erdrückt wurde vom Gewicht einer
unbekannten Madonna, die nun ihren Stirnreif abnahm und ihn neben
sein Lager legte, so dass ihr Gesicht und ihr Körper hell erleuchtet
waren, das rote Haar zwar im Schatten, aber dennoch leuchtend.

„Peterli, Peterli, was für einen schönen Schwanz du hast“ und „hach,
mein Kind, mein Junge, mach weiter, gib mir den Phallus, stoss ihn tief
rein“, solche neuen Worte schien sie nun dem Peterli beizubringen
wollen, und er wurde ganz aufmerksam und dachte bei sich, das sei zwar
nicht mehr Gott, der da sprach, aber es seien gewiss die Worte der
Religion, die da durch eine ihrer Priesterinnen ihm gelehrt würden, so
wie damals in der kirchlichen Unterweisung durch Grossvater, der

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

immer am Sonntag am Tisch aufstand, Peterli sich niederknien hiess und


ihn dann mit der Peitsche Gottes für die Arbeit der vergangenen Woche
belohnte, bis das Hemd am Rücken davon Schaden nahm, wofür Peterli
abermals arg bestraft wurde. So hatte er denn gelernt, dass er am
Sonntag am besten nackt, ohne Hemd und Höschen die Arbeiten in der
Hütte verrichtete. Dennoch war der Schaden an den Kleidungsstücken
dann nicht mehr gut zu machen, und er musste sich fürderhin in eine
lange Stoffbahn einwickeln, die er sich mit den um den Leib gebundenen
Ochsenziemern zusammenhielt.
Bei all diesen Gedanken schien sich etwas mit der heiligen Frau zu
verändern, denn sie wurde unruhig, sie wurde böse, sie sprach Worte
des Zorns, „was ist los, Knabe, wo ist dein Liebeshammer?“, und ganz
unwirsch hob sie sich von ihm hinweg, und da erst sah er in ihrer vollen
Blüte die ältere Frau vor ihm stehen, die mit den Zofen in sein Zimmer
gekommen war.
„Bin ich dir nicht gut genug, hast du noch nicht begriffen, dass du lernen
sollst, wie Freude zu spenden ist, dass das deine Bestimmung sein wird
und du es bei mir im Guten lernst. Merke dir, Kochen lernt man in alten
Pfannen am besten, Knabe!“

Peterli wusste gar nicht wie ihm geschah, die Frau schien unzufrieden,
dabei hatte er doch getan, wie sie sagte. Er versuchte sie nun wieder gut
zu stimmen, indem er seinen Lerneifer verdoppelte, und er sprach all die
neuen Worte, sagte laut zu ihr hin „Liebeshammer, Schwanz, Phallus,
Knebel, Rute, Stecken, Penis, Sense, Dreschflegel, Pimmel, Seckel,
Kolben, Prügel, Horn, Zacken, Dorn, Ding, Rohr, Latte“, er wollte gar
nicht mehr aufhören, „Riemen, Rübe, Gurke, Rettich, Donnerlunte,
Fickkeule, Stab, Nagel, Bolzen, Niete, Röhre, Stopfmatz, Schlauch,
Schwert, Machete, Speer, Pfeil, Piephahn, Eisenstein, Eisbrecher,
Mörser, Blutwurst, Kabel, Stecker, Befruchtungsmuskel, blaugeädertes
Unding, Monster, Fleischflöte, Zepter, Bestrafer, Fleischpeitsche,
Kanone, einäugiger Glatzenaal, Fotzenhobel“ – und beim letzten Wort
jauchzte die Frau nun auf, „Danke oh Herr, es ist uns ein Wunder
geschehen“ und fragte „Und was macht man mit einem Fotzenhobel,

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Peterli, Prinz Peter?“, worauf Peterli wortlos seinen Fotzenhobel, der


durch die Wiederholung all dieser schönen Worte zu einer ganz neuen
Grösse angewachsen war, seinem Bestimmungsort anlegte, worauf die
Frau, nun etwas ungeduldig, denn er schien gar unschlüssig, ob das jetzt
statthaft sei, die Frau hätte seine Mutter sein können, seinen
Fotzenhobel sanft aber bestimmt erfasst und ihn in eine Öffnung in ihrer
Leibesmitte einführte.
Ha, war das daraufhin ein Zucken und ein Hüpfen, ein Wiegen und ein
Stöhnen, Peterli holte noch den Fotzenhobel öfters aus der Frau heraus,
um ihm bei der Arbeit zuzusehen, so ein schönes Werkzeug, und es
gehörte ganz allein ihm, er wollte es in Ehren halten und für unseren
Herrn Jesus dienen, seine Worte nun weiterhin verkünden. Er gestand es
sich nicht ein, aber es war auch zu seinem Vorteil, insgeheim wusste er
es doch. Denn von seinem Fotzenhobel konnte er in Zukunft auch gut
leben, das erkannte er am verklärten Gesichtsausdruck dieser älteren
Frau, die nun auf ihm ritt wie auf einem Stier, sich hin und her warf und
vor lauter Zucken kaum mehr als menschliche Gestalt zu erkennen war.

Peterli erfährt seine Bestimmung

Es stand ihm nun die Übersiedlung ins Schloss bevor. Er hörte mit, als die
ältere Frau die fünf Zofen belehrte, was nun für sie zu tun sei, denn der
Vorhang vor seinem Gemach war ja nur dünn, und man gab sich auch
keine Mühe, etwas vor ihm zu verbergen. Die Frauen waren sich sicher,
dass er bei der Stange bleiben würde, zu offensichtlich war, wie sehr er
sein neues Leben liebte und genoss. Ja, als er der älteren Frau seinen
Strahl in den Leib schoss, da war ihm wie noch nie im Leben zuvor, das
Gefühl wollte einfach nicht aufhören, es dauerte bestimmt so lange wie
das Melken dreier widerspenstiger Geissen! Hätte man ihn gefragt, ja
was denn das für ein Gefühl sei, hätte er wohl Schwierigkeiten gehabt,
es zu beschreiben. Als ob man ihm die Därme aus dem Leibe reisse, sie
in Zuckerwatte tunke, diese dann mit einer brennenden Flüssigkeit
übergiesse, mit Honigwasser den Brand lösche, die Därme mit

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Hasenpfoten wieder aufwickle, in ein weiches Ziegenfell einnähe und


das dann ganz sorgfältig wieder in seine Bauchhöhle reintue. Fünfmal
nacheinander.
Ja, das gefiel ihm. Das gefiel ihm besser als das Leben in den Bergen. Das
Heidi hatte er sogar ganz vergessen! Einzig an das Flühmeli dachte er,
das vermisste er, Tag für Tag.
„Unsere Arbeit mit dem Prinzen ist erledigt, er hat fantastisch auf die
Behandlung reagiert“, so die Frau zu den Zofen. Ihre Stimme wurde ganz
leise und sanft, „am liebsten würde ich den ja in meinem Gemach
einschliessen und für mich behalten… Die Herzogin würde mich wohl
den Schweinen vorwerfen, aber dafür hätte ich ihn während sicher
dreier Tage, vorher vermisst sie ihn nicht…“ Die Stimme verweht leise
seufzend. Darauf die unangenehme Stimme einer Zofe, die er natürlich
nicht erkannte, „Glaube ja nicht, dass du ihn ganz für dich alleine
hättest“ – aus dem Raum drang ein mehrstimmiges Kichern an Peterlis
Ohr.
„So oder so, für ihn steht nun die Schlussprüfung an, bevor zu seinem
Auftrag abreist. Und denkt daran, es geht darum, ihn gegen die Hobelei
abzuhärten. Er soll so stark gereizt werden, dass er dann ohne
überflüssige Gefühle, aber auch ohne Eigennutz sich seiner Aufgabe
widmen kann. Und dazu müssen wir ihm solche Gelüste bereiten, dass
künftig alles ihm schal erscheint.“ Die Zofen kicherten wieder. Die
Aufgabe schien sie überhaupt nicht zu ängstigen.

Nach einiger Zeit wurde der Vorhang seines Gemachs zur Seite
geschoben. Eintraten die drei Nubier, in weisse seidene Gewänder
gehüllt. Zwischen sich trugen sie einen gewaltigen Korb, in welchem
lauter blutige Fleischteile lagen. Das Fleisch war ganz ohne Fett, ohne
Fasern, ohne Knochen – es handelte sich um Leber. An der leicht
gräulichen Oberfläche erkannte Peterli sofort, es war frische
Schweineleber, die feine Leberhaut noch belassen. Peterli wusste, so
bleibt sie noch viel länger frisch.

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Die Nubier hiessen ihn liegen bleiben. Sie riefen nun auch die Zofen
herbei, aber diese waren bereits nackt. Peterli staunte, denn Nacktheit
hatte er zwar schon mehrmals gesehen, so ausgestellt aber noch nie. Es
kam ihm etwas komisch vor, dass alle fünf sehr dem Heidi glichen: sie
waren schlank wie er, hatten ebenso schmale Hüften wie er, aber sie
hatten auch diese beiden Knöpfe unter dem Hals, was bei ihm dann
doch anders aussah. Er wusste nun auch, dass man diese Lappen, die
mal grösser, mal kleiner wirken, Brüste nannte. Das Wort alleine erregte
ihn nun, früher hatte er es ganz natürlich gefunden, dass Mädchen oben
anders aussehen als Knaben und es hatte ihm nichts ausgemacht. Nun
aber, da er um Zusammenhänge wusste, nun fühlte er eine Erregung in
sich aufsteigen.
Zu der Gruppe stiess eine weitere Frau, sie war älter, wie vor einigen
Stunden jene, die ihm die neuen Worte beigebracht hatte und wie man
diese Dinge gebraucht. Diese hier war offenbar noch älter, denn sie
hatte grössere, tief liegende Brüste mit ganz grossen Knöpfen vorne,
dunkelbraun und Warzen geheissen. Er wusste auch, dass es ein Genuss
war, sie in den Mund zu nehmen, zu knabbern und zu beissen, die Zähne
darinnen versenken, um dann wieder ganz zahnlos richtig viel
Mundflüssigkeit über sie tropfen zu lassen, Speichel nannte man diese.
Sie mit der Hand hochzuheben, sie ganz zu verschlingen, ohne aber zu
verschlucken! Sie ihm Munde zu wälzen und zu drehen, wie es eben grad
ging, auch je nachdem ob sie dabei ihr Beifallen oder ihr Missbehagen
ausdrücke.
Ihm gefiel diese Frau auf den ersten Blick ganz ungemein, diese
schweren Brüste, der leicht vorstehende Bauch, welcher in breiten
Hüften mündete, die kräftig ausschauten, so richtig zum Anpacken
aufforderten. Zwischen den Beinen trug sie eine glatte, etwa
handtellergrosse leichte Wölbung nach vorne, die dann in einem Schlitz
endete, den man ihn Fotze zu nennen gelehrt hatte. Ein schönes Wort,
Fotze, weil es ja auch zu seinem Fotzenhobel passte. Die Fotze dieser
Frau stand jetzt aber leicht offen, er sah eine kleine Blume, wie der
Löwenzahn vor Grossvaters Hütte, ihm wurde ganz heimelig zu Mute.

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Ihre Haut gemahnte ihn an die von Flühmeli, gespannt, mit zwei Falten
dort über der Hüfte, ganz wie bei seinem Flühmeli, und mit leichten
Flecken hier und da, ganz anders als bei den Zofen, wo alles glatt war,
wie aus poliertem Elfenbein. Das war schön. Aber Flühmeli gefiel ihm
halt schon viel besser, und damit auch diese Frau. Sie hatte auch ein
Hinterteil wie ein Herdentier, etwa schwer, rund, und als sie sich
umdrehte, um die Schweineleber mit ihren nackten Armen zu
durchpflügen, da sah er, dass dieses Hinterteil leicht wackelte bei
Bewegung, sowohl hinauf und hinunter wie auch nach links und nach
rechts.
Ihm wurde ganz anders zu Mute. Ihm stieg das Blut aus den Beinen in
den Kopf, aber auch in seinen Fotzenhobler.

Die Nubier zogen sich nun auch aus. Ihre harten Leiber waren unterteilt
in verschiedene Muskeln, am Bauch, an den Beinen und Schenkeln, am
Hals – da konnte Peterli, der selber auch recht stark war, eine Geiss
konnte er drei Tage ohne Unterbruch durch die Berge tragen, auf seinem
Rücken – da konnte Peterli nur staunen, dass es so etwas Kräftiges in
Menschengestalt wirklich gab. Sonst hatte er solche Muskeln, solche
Farben, solche Spannung nur auf dem Pferdemarkt unten im Tal
gesehen, der zweimal im Jahr stattfand.
„Doktores“, sagte nun der grösste Nubier zu seinen zwei Kollegen, „sind
wir bereit?“ „Es ist alles vorbereitet, Doktor Aifshar“, antwortete einer
der beiden. „Die Leber hat die richtige Temperatur, sie darf allerdings
ohne Schaden noch etwas mehr Raumtemperatur annehmen. Es wird
dann angenehmer sein, mit ihr zu arbeiten. Ich schlage vor, wir gehen
zuerst in die Gewöhnungsstufe.“
Das schien ein Stichwort für die Zofen zu sein. Sie setzten sich in einer
Reihe auf das Lager von Peterli, liessen die nackten Beine in die Luft
hängen und rückten ganz ganz nahe zusammen, es hätte kein Laubblatt
zwischen sie gepasst. Sie lachten Peterli an, sagten ihm ihre Namen, die
für ihn samt und sonders fremd klangen, einen konnte er halbwegs
behalten, weil er nicht so lang wie die anderen war, Schagglin hiess sie.

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Sie käme aus Flandern. Dabei ergriff sie mit einer feinen zarten Hand
seinen Fotzenhobler. Ihm gefielen ihre feinen Finger, die Nägel waren
ganz sauber, das war ihm noch nie aufgefallen, dass es sowas gab.
Arbeitete sie denn nicht? Das fragte er sich, aber nur für einen kurzen
Moment, denn nun beugte sie sich hinunter in seinen Schoss und gab
seinem Fotzenhobler mit einer zarten kleinen Zunge einen Stoss, dann
noch einen und noch einen, bis sie davon endlich genug hatte, von ihm
abliess, nur um den Platz für ein anderes Mädchen frei zu machen,
dessen Namen er schon vergessen hatte, als sie ihn aussprach. Er war
ihm auch unverständlich. Bald sah er nur noch ihre schmalen braunen
Schultern, das rabenschwarze Haar verdeckte völlig ihr Gesicht, aber er
war schon erfahren genug zu wissen, was sie da unten tat mir ihrem
Mund.
Und so gab ein Mädchen dem nächsten den Fotzenhobel in den Mund,
auch die Nubier wollten ihm bei der Abhärtung helfen, was ihnen
allerdings leichtfiel. Ihre roten Zungen leckten ihm von unten diese
Kugeln, die, wie er wusste, je nach Wetter mal grösser mal kleiner
waren, mal straffer mal lockerer in einem Hautsack lagen. Doch da war
er schon von Natur aus total abgehärtet, er merkte sofort, solches
wirkte nur vom anderen Geschlecht ausgeführt, es war ihm sogar etwas
unangenehm, dass da echte Doktores sich um solch banale Dinge wie die
Eier kümmern mussten, so hiessen ja die Kugeln.
Er sagte es denn auch sofort, und die Doktores hatten also ein Einsehen
und überliessen ihren Platz der älteren, der reifen Frau. Eia, das war
aber dann viel schwieriger für den Peterli, denn ihre grossflächige
pelzige Zunge trieb ihm den Schweiss auf die Stirn und in die
Arschspalte, wo sie übrigens auch problemlos hin gelangte mit dieser
Zunge, aber auch mit beherzt zupackenden Händen. Ihr Zutun war für
ihn ganz eindeutig die schwierigste Aufgabe, was sie auch bemerkte,
denn sie war bei solchen Aufträgen nicht zum ersten Mal dabei, und sie
erkannte sofort die typischen Reaktionen. So schickte sie die Zofen
beiseite zu den Nubiern, sie sollten bereits die Leber bereit machen. Und
dann warf sie sich mit ihrem ganzen weichen Körper auf das Peterli, ihre

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Zunge, ihr Mund war überall, Peterli konnte kaum mehr stöhnen, seine
Zunge geschwoll ihm im Mund, der sofort austrocknete, doch da waren
dann die nubischen Ärzte zur Stelle, die Zunge und Stirn mit duftendem
Wasser benetzten. Eine der Zofen hatte derweil eine kleine Schüssel mit
einer braunen Masse herbeigeholt, und mit einem kleinen Löffelchen
fütterte sie den süssen Sirup in die Mundwinkel des Peterli. „Haschisch
aus Marokko“, flüsterte sie dabei, und schaute Peterli aus ihren dunklen
Mandelaugen ganz lieb an. Peterli verstand kein Wort. Es war ihm auch
egal. Alles, Hauptsache diese Zunge ging nicht weg! Hauptsache dieser
Mund saugt sich weiterhin an allen möglichen Stellen fest! Hauptsache
sie gleitet weiterhin mit ihrer tropfnassen Fotze über seinen Bauch, die
ihn nun an einen rostbraunen Käfer mit vielen kurzen dicken Beinchen
erinnert. Der Käfer schleicht sich um seinen Bauchnabel. Er hüpft ganz
leicht seinem Fotzenhobel entlang, zwischendurch scheint er an der
Kirchtumspitze zu saugen. Peterlis Gehirn beginnt zu zischen. Wie sagen
diese Leute hier eigentlich zu der Kirchturmspitze? Das wurde ihm gar
nicht gesagt. Was nun? Soll er aufstehen, zu den Nubiern, nachfragen?
Jetzt wo die Abhärtung so gut voran schreitet? Das wäre sicher nicht gut.
Also denkt er nicht mehr daran, an die Kirchturmspitze. Der Kopf
schwimmt, die Augen tränen, es wird ihm sogar im Liegen schwindlig.
Und jetzt glaubt er zu sterben: Der Käfer läuft rauf und runter, ah halt
das ist ja gar kein Käfer, das ist die FOTZE und sie will ihn verschlingen,
pure Milch läuft in Fontänen an seinem Fotzenhobel hinunter. Dieser
hebt und senkt sich in Wellen, die Flut beginnt zu steigen…. Und dann ist
Schweigen.
Als er erwacht, sieht er die Zofen und die Nubier um einen Tisch
herumstehen, vor sich viele grosse Schweinelebern, die Mädchen ziehen
an den Seiten der Lebern, die Nubier schneiden mit Damaszenerklingen
tiefe Lamellen in das blutige Fleisch, kreuzweise. Einer der Nubier stösst
von unten drei Finger durch die Leber, wühlt sich hindurch, wackelt die
Finger, bis diese oben herausschauen. Die Mädchen jubeln, es ist
geglückt, die Leber hält immer noch zusammen.

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Zum Nachtisch Leber

Peterli tritt neugierig an den Tisch. Er fühlt sich schon ganz wie zu Hause
hier, als Teil einer Gruppe von Eingeweihten, von Menschen mit
speziellen Fähigkeiten. Er zeigt auf die Leber. „Leber?“, fragt er.
Niemand spricht. Peterli wird zurück ans Lager geleitet, er soll sich auf
den Rand setzen. Die Beine baumeln wenig über dem Boden. Er ist
nackt.
Die fünf Zofen treten herbei, sie tragen alle die weissen Gewänder. Die
Nubier stellen sich vor sie hin, jeder ein Stück Leber in der Hand. Sie sind
nackt. Die Zofen heben ihre Gewänder vorne hoch, ihre rasierten Fotzen
werden sichtbar. Die ältere Frau kommt mit einer Waage, sie wiegt drei
Stücke Leber ab, jedes gross wie zwei Fäuste. Die Mädchen bilden einen
Kreis, halten sich an den Händen, tanzen im Kreis, während die Frau ein
Lied singt: „Es tanzt ein Bi Ba Butze Mann in unserm Kreis herum“, damit
stösst sie Peterli von der Kante in den Kreis der Mädchen, der sich sofort
wieder schliesst. Peterli weiss nicht so recht, was er tun soll. „Er rüttelt
sich er schüttelt sich er wirft sein Säcklein hinter sich“, da erfasst das
ihm nächststehende Mädchen von hinten seinen Sack zwischen den
Beinen, schlenkert ihn wie wild herum, greift dann nach vorne und
klemmt ihn mit aller Kraft in den Fotzenhobel, so dass Peterli laut
aufschreit. Sie klemmt bloss noch stärker, noch stärker, es ist nicht mehr
zum Aushalten. Sie drückt sogar!

Da wirft ihm einer der Nubier sein Stück Leber zu. Peterli legt sich die
Leber instinktiv über den Fotzenhobel, die herunterhängenden Seiten
drückt er sich an den schmerzenden Sack. Das hilft.
Doch die Tortur ist nicht zu Ende. Eines der Mädchen mit ganz vielen
kleinen Zöpfen auf dem Kopf kniet vor ihm nieder und beisst in seinen
Fotzenhobel. Abdrücke ihrer kleinen Zähne werden sichtbar. Peterli
heult auf, da wirft man ihm wieder ein Stück Leber zu, mit dem er die
neue Wunde einsaftet und bedeckt. Die Linderung kommt sofort.

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Das Mädchen setzt sich nun neben ihn auf das Lager. Die Nubier packen
Peterli, heben ihn vom Lager, drehen ihn um, er blickt nun das Mädchen
an, welches die Beine weit spreizt, so weit, dass direkt eine Öffnung
zwischen ihren Beinen sichtbar wird, die grösste Fotze, die Peterli je
gesehen hat. Und es waren doch immerhin etliche spektakuläre
darunter, etwa der Krätzentunnel der alten Vettel!

Zwei weitere Zofen kommen hinzu, sie haben kleine Lederpeitschen in


den Händen, womit sie dem Mädchen kräftig auf die Oberschenkel
schlagen. Die Luft im Raum wird dick, ein Geruch von Moos steigt von
irgendwoher auf, das Mädchen wirft den Kopf hin und her, ganz
entrückt scheint sie zu sein, so sieht es Peterli. Und nun beginnt sie zu
sprechen, mit einer ganz tiefen Stimme, tiefer noch als die von
Grossvater, „Peterli Peterli heile mi, heile mi heile mi Peterli“. Man wirft
ihm das dritte Stück Leber zu. Peterli versucht sein bestes, die in
Lamellen geschnittene Leber möglichst breiflächig einzusetzen, zur
gleichen Zeit auf den beiden Oberschenkeln des Mädchens.
Er nimmt die Leber mit beiden Händen vor sich hin, zieht sie so weit als
möglich auseinander und legt sie sich an wie ein Lendentuch. Damit
drängt er sich zwischen die Beine des Mädchens, bewegt sich nach links,
bewegt sich nach rechts, um so die Wunden von den Peitschenhieben zu
erreichen und zu heilen. Er drückt sich gegen das Mädchen, sie lächelt
ihn an, er tut ihr gut, das Blut der Leber tut ihr Werk. Dabei flutscht
plötzlich sein Fotzenhobel zwischen den Lamellen hervor und hast du
nicht gesehen steckt er tief in ihrer Fotze. Die Leber spritzt links und
rechts, das Blut strömt seine Oberschenkel hinunter, es will nicht
aufhören, er zuckt leise aus.

Der nubische Arzt hinter ihm beruhigt ihn. Das Blut ist das Zeichen, dass
das Mädchen in dem Moment Frau wird, er solle ruhig weiter hobeln.
Was er denn auch tut, und es ist nicht zu seinem Nachteil. Plötzlich
beginnt es aus dem Auge des Fotzenhobels zu tränen, und zwar in
dicken Fontänen, die das Rot der Leber und der Fotze weiss
marmorieren. In dem Peterli aus der Schweiz kommen heimatliche
Gefühle auf! Mit letzter Kraft zieht er den Fotzenhobel heraus, tunkt ihn

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

nach oben und unten, nach links und nach rechts in das Blut und
zeichnet so ein weisses Kreuz, zu Ehren Jesus und Maria Mutter Gottes
Amen, so sprach er leise die Gebete des Grossvaters vor sich hin.

Die Lehre der Nubier

Peterli ist ganz lieb gestimmt. Er denkt wieder an das Heidi, vor allem
aber an das Flühmeli, und er streichelt dem Mädchen die Zöpfe auf dem
Kopf. Das Mädchen weint und drückt seinen Kopf fest an Peterlis Brust.
Peterli denkt, sie müsse jetzt sehr glücklich sein, dass sie sogar weinen
muss. Er ist stolz auf seine Arbeit, auf seinen Fotzenhobel. Er freut sich
schon auf seine Aufgabe, von der die ältere Frau gesprochen hatte. Da
würde er noch viele Fotzen hobeln können, so hoffte er.
Er schaut zu den Nubiern hin, die ganz ernst zurückblickten. Warum
schauten sie so komisch? Er fragte sie daher, „war ich nicht grandios,
Fotzenhobel in die Fotze, ruck zuck zack zack und wieder von vorne, das
könnte ich den ganzen Tag machen, wie der Zimmermann den Balken,
so hoble ich die Fotze, mehr davon, mehr davon“, er geriet schon fast in
einen plappernden Wahn, wie besessen schien er, schon begann er
wieder zu drücken und zu stossen in das arme Mädchen hinein. Da
zogen ihn die Nubier zurück, sie mussten zu dritt all ihre Kraft
aufwenden!
Sie schickten alle Frauen aus dem Raum, es wurde ein kleines rundes
Tischchen hereingebracht und vier Hocker aus Ziegenleder, wie Peterli
sofort erkannte. Die ältere Frau trug nun ein wallendes Gewand aus
weisser Seide, reich bestickt mit Perlen und Diamanten, dazu einen
Stirnreif aus rotglänzendem Gold. Die Haare waren hochgesteckt, darin
nisteten Vögel und Schlangen in grosser Eintracht.
Sie stellte ein flaches Gefäss mit Haschisch auf den Tisch, dazu
hellbraunen Tee und dunkle Kekse, Honig und Zucker, der Tisch wurde
mit Safranfäden reich bestreut und mit roten Gladiolen geschmückt.
Peterli wurde aufgefordert, vom Haschisch einige Löffel zu sich zu

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

nehmen, was in ihm bald darauf zu einem grossen Durst führte. Doch
dafür waren ja Tee und Kekse da.
Die Nubier und Peterli sassen nun im Kreis um den Tisch. Einer von ihnen
hub nun an: „Peterli, wir müssen dir etwas erklären, pass gut auf, diese
Worte sollst du in deine Zukunft hineintragen und immer mit dir führen,
im Namen Allahs, Amen.
Wisse, dass du hier in den Bergen kein gottgefälliges Leben führst.
Wisse, dass diese Frauen alle von ihren Vätern, ihren Brüdern
genommen wurden, so wie du von deiner Mutter, deinem Grossvater
genommen wurdest. Auch wir wurden aus unseren Palästen der
afrikanischen Heimat entführt, unsere Brüder müssen ihren Herren zu
Diensten sein als Haussklaven, als Bedienstete. Wir drei aber sind Ärzte,
der Eid des Hippokrates ist unser heiliges Buch. Wir möchten dir
mitteilen das, was in deinem Leben bestimmend sein soll: Die Liebe zu
allen Menschen. Denn siehe, du wurdest hinweggezwungen von Heidi
und deinen Tieren, ja deinem Grossvater auch. Du erträgst das, weil du
dich in einem Rausch befindest, den manche Menschen den Rausch der
Liebe nennen. Wisse nun, das Gegenteil ist der Fall, du befindest dich
nicht im Rausch der Liebe, du befindest dich in einer Raserei.

Die erste Stufe deiner Ausbildung ist abgeschlossen. Nun müssen wir
weiter gehen. Du wirst bald mit vornehmen Damen zu tun haben. Und
vornehme Damen verdienen eine vornehme Behandlung. Vornehme
Damen darf man nicht Fotzen nennen!

Peterli verstand nicht. Man hatte ihm doch beigebracht, wenn er einen
Fotzenhobler besitze, dann müsse er auch hobeln, Fotzen hobeln. Ist das
denn nicht die vornehmste Behandlung überhaupt? Und er nannte sie ja
nicht Fotzen, er nannte nur ihre Fotzen Fotzen.
Ach, wäre nur das Heidi hier, sie würde ihnen schon sagen, wie er lieb
sei, und wie sie froh wäre, er hätte auch ihre Fotze gehobelt, damals,
unterm Brombeerbusch und später.

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Der zweite Nubier drückte ihn sanft auf den Stuhl zurück und erklärte
ihm dann die Liebe, wie sie in seiner Heimat geschah. Da murmelte der
Mann der Frau schöne Worte ins Ohr, über Blumen, welche Blume sie
sei, dabei dürfe er auch ganz zart ihr Ohr küssen, wenn sie ihm das
gestatte. Er dürfe auch ihre Fotze hobeln, ja er soll das sogar. Aber er soll
sie bei ihrem göttlichen Namen nennen, den die Geister der Schinnen
aus klarem Wasser geformt, nämlich Baubo, die Baubo, das sei bei der
Frau, und Baubon, das längere sei das vom Manne. Baubo und Baubon.
Lerne das gut, Peterli. Und sprich es immer wieder aus, wenn du Baubon
in Baubo steckst, sie mögen das, wenn es von dir kommt, Peterli, denn
du bist Der Erwählte der Herzogin, du bist Der Vollkommene. Wenn du
immer daran denkst, dann sind wir immer mit dir, die dir all diese
Freuden gezeigt.
„Ich hoble deinen Baubo mit meinem Baubon“, wiederholt Peterli,
„nein, du hobelst nicht, du bist der Bote der Liebe, und Boten arbeiten
nicht, die schweben. Schwebe hinein in die Baubo, fülle sie aus bis zur
Decke mit Baubon, aber sei wie ein Schmetterling mit wilden Zähnen,
wie die Raupe mit steifen Beinen, wie der Engerling mit fettem Wanst
oder der Weisse Wurm unserer nubischen Heimat, der mit sanften
Stacheln sich verteidigt gegen die Feinde der Liebe.“
Der dritte Nubier verliess das Gemach, um dann mit einer der Zofen
zurück zu kommen, die nicht fein wie die andern, sondern kräftig wie
eine Kuh war. Runde Schultern hatte sie und starke Schenkel, zitternde
Flanken und grosse Füsse. Sie kam nun auf ihn zu, die Nubier blieben auf
ihren Stühlen sitzen, während sie Peterli auf das Lager zog.

Sie hiess ihn auf den Rücken liegen und fragte ihn, ob er bereit sei für die
letzte Prüfung. Sie lehnte sich dabei nach vorn, stand immer noch neben
dem Lager, ihre Brüste mit den blauen Adern glitten über seinen Bauch,
„Du musst jetzt alles vergessen, Peterli“, und damit nahm sie seinen
neuen Baubon ganz in den Mund, sie hätte ihn wohl verschluckt. Doch
fest verwurzelt war er mit dem Peterli. Und Peterli hätte ihn auch nicht
hergeben wollen, zu stark fühlte er ihre raue Zunge, wie weiland jene
der Katze. So bewegte sie mehrmals ihren festen Mund auf seinem

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Baubon hin und her, biss auch manchmal leicht sowohl ganz oben wie
auch auf der Seite, was Peterli zuerst Furcht einjagte, aber dann war es
ihm sehr angenehm und er fasste Vertrauen. Sie erklomm nun das Lager,
setzte sich mit abgewendetem Antlitz auf des Peterli Brust und kitzelte
Baubons Unterleib, den Hodensack. Dann erfühlte sie ihn mit grossen
flächigen Händen, trieb ihn so in die Höhe, dass Peterli schon um seine
Milch fürchtete, doch sie erfühlte seine Furcht und biss den Baubon so
fest, dass er sofort Ruhe gab.
Danach liess sie ihn wieder anwachsen so lange, bis sie wieder beissen
musste. Peterli fürchtete den Biss schon lange nicht mehr, er ersehnte
ihn geradezu. Dieses Spiel dauerte bestimmt so lange wie das Melken
von sieben Geissen! Manchmal konnte Peterli sehen, dass trotzdem ein
bisschen Milch aus Baubons Kopf stiess, aber das Mädchen klemmte ihn
dann ganz fest ein zwischen Daumen und Zeigefinger, so dass nur ein
wildes Zucken war, aber kein wildes Spritzen. Peterli war im Himmel.
Nun begannen die Nubier zu trommeln, und die Mädchen, die alle
wieder eingetreten waren, zu singen: „Baubo…. Baubo… Baubon…. Mach
schon…. Baubo… sei froh…. Baubo… Mund, oh, Baubo, Baubo, Baubo“
und so ging das in einem fort, eine wilde Melodie aus afrikanischer
Vergangenheit, Peterli begann zu fallen, und er musste sich
festklammern, er erfasste von hinten die breiten Backen des Mädchens,
das zu jauchzen begann und auf seinem Bauch auf und ab hüpfte, Peterli
sah ihre Baubo sich öffnen, auf und ab hüpfte sie, dabei kam ihm die
Baubo mit jeder Bewegung näher und näher, bis sie auf seinem Gesicht,
auf seiner Nase, auf seinen Augen, dann auf seinem Munde landete,
dabei die Spur einer Schnecke hinterlassend, die Arschbacken drückten
seine Nase zu, die Luft wurde ihm knapp, denn die Baubo sass auch auf
seinem Mund wie ein riesiger Käfer, die Haare die Tentakeln und Beine,
er begann die Haare mit seinem nassen Mund zu waschen,
anzufeuchten, das Mädchen, seinen Baubon immer noch in ihrem Mund,
zuckte hinauf, hinunter, bewegte sich nach links und nach rechts, kreiste
auf ihm wie die Biene um die Blüte, dabei quoll der Honigseim aus ihrer
Baubo heraus dass eine ganze Wabe damit gefüllt werden könnte,

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Peterli erlabte sich an dem schweren würzigen Honig, das Mädchen biss
wieder zu, als ob eine Biene in Baubon stechen würde, mit kleinen
spitzen Vorderzähnen nur, der Honig wurde zu Wasser, das Peterli
ertränken wollte, er ging unter und schnaufte, sie schnaufte genauso
und liess einen gewaltigen Wind, der Peterli die Haare zerzauste, ihn
endgültig und mit einem Schrei seine Milch ablassen liess, sie melkte
und melkte und er milchte und milchte, dabei schrie sie in einem fort
Laute einer unbekannten Sprache, „Anna se minulle, pikkupoika, anna se
minulle, joo, joo, joo, helvetti ja kirous“, und Peter schmatzte unter ihr
„jajaja Heil dir Helvetia“ und die Milch, die floss, und jetzt spritzte auch
der Honig wild über Peterlis weit offenes Maul, seinen Riechzinken, mit
dem er nun nochmals in ihre Fotze sich hineinwühlte, hineinhämmerte,
wilde Laute gurgelte, ertrinken wollte…. Bis sie auf ihm niedersank und
er seine harten Muskeln losliess, zu zerfliessen schien, aber das war
natürlich nur Einbildung, er befand sich immer noch in seiner Haut, bloss
dass seine Füllung jetzt kochte, er musste fürchten zu platzen.

Die letzten Tage im Schloss

Peterli war nun fast ganz vorbereitet für seine Mission. Noch war ihm
aber der letzte Schliff nicht verliehen. Dieses Schleifen wollte sich die
Herzogin vorbehalten. Doch nun musste Peterli nicht mehr am Tor
beginnen, nicht mehr auf die Ankunft des von sechzehn Dalmatinern
gezogenen Schienenschlittens im eigens dafür angelegten Tunnel
warten.
Nein, Peterli wurde von seinen fünf Zofen in den Palast geleitet, dabei
kamen sie auch am Tor vorbei, welches das nicht ummauerte Anwesen
gegen die Aussenwelt abschirmte. Das Tor war wie schon bei seiner
Ankunft, es schien ihm Jahre her zu sein, bewacht durch zwei Greisinnen
in Harnisch und Spitzhauben, bewaffnet mit Schild, Speer und
Morgenstern. Neben dem Tor herrschte ein reges Kommen und Gehen
ein Gewusel wie es die Welt seit der Ermordung Caesars im römischen
Senat nicht mehr gesehen hatte. Karawanen aus Konstantinopel,

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Scharen berittener Sarazenen mit ihren langen scharfen Krummsäbeln


auf feurigen Araberhengsten, Marketenderinnen in offenen
Pritschenwagen boten ihre Brüste dar, frei marodierende Truppen von
Landsknechten mit dreckigen Händen, wirren langen Haaren, gewandet
in stinkiges Ochsenleder, die Hellebarde von der Rechten zur Linken,
dann von der Linken zur Rechten sich werfend, grobe Lieder grölend,
Bier aus schmutzigen Humpen herunterwürgend, am Wegrand liegend
in Kotze und Kot, nackte Kinder in Abfällen wühlend, hinkenden Ratten
die Beine ausreissend, schwärende Hunde verrichteten ihre Notdurft
mitten im schönsten Kiesgarten, ein übler Gestank direkt aus der Hölle
waberte über dem Ganzen, niemand hätte sich über ein drei Morgen
grosses Gesicht aus den Wolken kommend gewundert, die Sonne schien
die Finger des Herrn aus ihrem Gesicht zu nehmen und zur Erde hinunter
zu werfen, während die Jägerinnen Satans mit verkniffenen Gesichtern
der rundum grassierenden Unzucht Herr zu werden suchten, immer
hoffend, sie möge noch lange Bestand haben und ihrem öden Leben
einen Inhalt geben, der sie des Tages umtrieb und des Nachts wach hielt.
Peterli konnte ob der verzweifelten Jagd nach Unzucht nur lachen, er
hatte etwas viel Besseres nun gefunden, den Kult der Baubo, den die
glänzenden Nubier ihm gezeigt hatten. Er wurde durch das Tor
hindurchgeführt und in den Palast geleitet, abgeholt durch zwei
vestalische Jungfrauen in weissen Gewändern, als das wurden sie ihm
vorgestellt.
Der Palast, ein weit ausladendes Gebäude aus weissen Kalksteinen mit
Zwiebeltürmen, ornamentierten Torbogen, ins Leere führenden Säulen
sonder Zahl und auf Pfählen ruhenden Gärten konnte Peterli, Bub aus
den majestätischen Kathedralen der Schweizer Berglandschaft nicht für
sich einnehmen. Doch er hatte von den Nubiern gelernt zuzuhören,
ruhig zu schauen, das Ziel zu orten und dann zu treffen. So erlangt man
Dankbarkeit, hatte man ihn gelehrt. Und Dankbarkeit ist die Nahrung der
Edlen, zu denen sich Peterli nun zählte.

44
nach Johanna Spyri, unlektoriert

Er konnte nicht mehr abwarten, Heidi zu seinen neuen Höhen empor zu


führen. Mit ihm und Flühmeli eine neue Dreieinigkeit der Geistigkeit des
Fleisches zu bilden.
Mit diesen Gedanken nahm er die Erscheinung der Herzogin erneut tief
in sich auf. Man hatte ihm gesagt, er dürfe sie nicht anblicken. Er müsse
auf den Boden schauen. Dieser war hier, im Palast, ausschliesslich aus
kristallenen Spiegeln gefertigt, er sah die Schuhe der Herzogin, aus
feinem Ziegenleder gefertigte Pantoffeln, die einen weichen Fuss zart
umspielten, darauf der Stempel der Jägerinnen Satans, er erkannte ihn
sofort, die drei Nummern waren ihm aus den Erklärungen der Nubier
wohl bekannt. Er war auf der Hut. Er hatte seine Augen offen. Weit
offen. So weit wie die Füsse der Herzogin auseinander standen. Im
Kristallboden spiegelte sich ihr feiner Rock aus Damast, und er konnte
fast bis zu ihrem nackten Bauch hinauf sehen, über die feinen Knie, den
zarten Schlitz einer haarlosen Baubo, einen fein austarierten
Bauchnabel, zur Hälfte im Bauch drin, zur Hälfte draussen. Eine feine
Linie Haares zog sich von der Baubo bis zu diesem Nabel, eine ganz
feine, sie war fast nicht sichtbar, doch der Sonne Strahl brach sich im
spiegelnden Boden in einer Weise, dass diese blonden feinen Haare von
einer Seite erleuchtet, auf der anderen Seite im Schatten waren, ganz
wie der Mond, nur viel kleiner, und es war auch nicht Nacht, es war
heller Nachmittag, die Zeit, wo die Geissen jetzt unter den Sträuchern
der dampfend heissen Sonne auszuweichen suchen.
Die Herzogin hiess ihn sich niedersetzen auf einem dreibeinigen
Schemel. Es wurde die Haschischpfanne herein gebracht von 12
gazellenfeinen Frauen aus dem fernen Surinam, die sich aber sofort
wieder entfernten. Peterli blieb mit der Herzogin allein. Eine schwüle
Hitze warf sich über ihn, das musste wieder dieses Haschisch sein, er
mochte das gar nicht und es zwang ihm jedes Mal ein wildes Hobeln in
die Fotzen ab. Doch nun war er ein Edler von Baubo, nun war er kein
tumber Bauer aus den Bergen mehr, nun führte er eine feine
Fleischesklinge… immer wieder scheinen ihm die Gedanken böse
Streiche zu spielen, doch er ist geschult, sofort fängt er sie ein mit steifer

45
nach Johanna Spyri, unlektoriert

Miene und prügelt sie mit seinem Baubon in die… Die Herzogin spricht
und unterbricht seine klugen Gedanken. „Peterli, wir machen jetzt
schnell fertig, denn du wirst gebraucht, weit fort von hier, ich kann es
nicht mehr abwarten, dass diese Hure die ihr zustehende Strafe erfährt.
Doch zuerst sollst du mir zeigen, ob du soweit bist, die Sakramente
meiner Gnade zu empfangen. Setz dich gerade hin! Und halte auch den
Kopf gerade! Nein, nicht so schräg!“ Und damit versetzt sie ihm eine
kräftige Ohrfeige, dass dem Edlen von Baubo die Ohren Sturm läuten.
Und bevor der Klang verschwunden, kommt schon die Nächste. Von der
anderen Seite diesmal. Und dann, man kann es nicht mehr anders
nennen, verprügelt die Herzogin unseren Peterli nach Strich und Faden,
eine Ohrfeige folgt der Nächsten, in einem irren Crescendo, einem
Ohrfeigengewitter wie später bei Stalingrad – halt, wir greifen da 250
Jahre vor…. Doch Peterli steht seinen Mann, ja mit jeder Ohrfeige steht
er fester, und die Herzogin ist es endlich zufrieden, lässt von ihm ab,
zieht ihn in ihre Baubo hinein, Peterli weiss gar nicht wie ihm geschieht,
wie das Eine zum Andern kam, aber hier steckt er nun fest, er will sich
entwinden, sie aber packt ihn fest an den Hinterbacken, und als ob sie
das Spiel kennen würde, fährt sie ihm mit der ganzen flachen Hand
hinten hinein dass es nur so brennt, brennt wie Feuer und Flamme, als
ob sie sich vergewissern wollte der Abwesenheit der Stalaktiten, die man
ihm wegmeisseln musste. Und so erfasst sie ihn da hinten, zieht ihn an
der Backe hoch, stösst ihn wieder ganz fest hinein, es brennt wie Feuer,
als ob Jesus höchstselbst mit seiner Dornenkrone dort drinnen wohnen
würde und ständig den Kopf schüttelte, auf und ab, nach links, nach
recht, nach vorne, nach hinten, Peterli erfühlt Richtungen die es gar
nicht gibt, die wohl nie erfunden sein würden, und dann kommt die
andere Hand, umklammerte seinen Sack, der Daumen hieb einen harten
langen Nagel in die Wurzel seines Baubons, dabei wetzte sie mit
fürstlicher Wut über ihre Baubo dass es eine Art hatte, dazu schrie sie
ständig Worte wie „Der Hure wirst du es geben! Du wirst sie in den
Erdboden falten! Sie wird schon sehen, was sie davon hat! Nun mach
schon, hier kommt die Flut….“ Undsoweiter undsofort bis zum
Morgengrauen, das rosa in die Halle mit dem klirrend spiegelnden

46
nach Johanna Spyri, unlektoriert

Kristallboden drang. Doch Peterli nahm das schon gar nicht mehr wahr.
Die Herzogin hockte auf ihm, er schlief tief und fest, doch sie kümmerte
das nicht, sie hatte ihn in einem Klammergriff, der Baubon zur Säule
erstarren liess, den den Palast füllenden, ins Leere führenden Säulen
nicht unähnlich.

Die Reise nach Bonn

War lang.

Warum Ludwig van Beethoven taub ist und nicht blind?

Die Anweisungen der Herzogin waren klar gewesen. Peterli hatte sich als
Mädchen zu kleiden, um bei Herrn von Beethoven die Stelle des
Hausmädchens zu bekleiden. Peterli schien das etwas gar dumm, denn
die Arbeit hätte genauso gut von einem Knaben wie ihm ausgeführt
werden können. Sie bestand zur Hauptsache darin, die Kaffeelieferungen
in Empfang zu nehmen und die Bohnen dann in Enveloppen à 16 Stück
zu verpacken. Dann mussten sie von Hand mit einem Datum versehen
werden, für jeden Tag ein Tütchen. Das Auftragen der Daten auf Papier
hatte er von seiner Vorgängerin gelernt, er konnte diese einfach von
einem grossen Kalender abmalen. Es hiess, Herr von Beethoven habe
alle zwei Wochen eine Neue; er könne es auf den Tod nicht ausstehen,
wenn eine Arbeit unsorgfältig gemacht werde; wenn die
Kaffeebohnenanzahl nicht genau 16 war, zum Beispiel, dann bedeutete
das die sofortige und fristlose Kündigung. Und das war gar nicht so
einfach, was machte man zum Beispiel, wenn eine Bohne nicht ganz
perfekt war, vielleicht ein Stückchen fehlte, zählte diese dann als eine
oder musste man die Stückchen zusammenzählen? Seine Vorgängerin,
das wusste er, hatte die beschädigten Bohnen in einer Dose versteckt
gehabt, um dann später sie mit Eiweiss zusammenzukleben. Doch dann
waren plötzlich keine Eier mehr erhältlich.

47
nach Johanna Spyri, unlektoriert

Im Haushalt ging es sehr laut zu. Man sagte, Herr von Beethoven sei
schwerhörig geworden. Peterli war erstaunt, er hatte bei der Herzogin
gelernt, dass man blind werden konnte, aber taub? Sie hatte ihm denn
auch eingeschärft, alles zu vermeiden, was zur Blindheit führen konnte,
und stattdessen sich in der Baudo zu üben.

Wäre Herr von Beethoven blind gewesen, hätte Peterli sich nicht zu
verkleiden brauchen, trotzdem aber als Hausmädchen arbeiten können.
Warum war er denn taub, das gab es doch gar nicht, und nicht blind,
solche, Blinde, gab es nämlich viele in Bonn. Vielleicht weil ein
Blindenheim in der Nähe lag. Er sann noch lange an dieser Frage herum.
Einmal lernte er ein Küchenmädchen kennen, das, in der Annahme, er
sei auch Mädchen, ganz freigiebig mit ihm sprach. Sie kannte die Familie
des Herrn von ihrer Grossmutter her, und die wusste zu berichten, der
junge Ludwig habe sich des Nachts nicht im Zaume halten können,
ständig habe er an sich herumgefingert, so dass sogar das Bettzeug nach
zwei drei Jahren erneuert werden musste, die Säure hatte gnadenlos
Löcher in das Tuch gefressen, so erzählte man es sich im Dorf. Woraus
auch hervorginge, dass im Hause Beethoven der Satan gastieren würde.
Die Beethovens würden einem grossen Kreis von Satanisten angehören,
die sich alle das Zeichen des Gottseibeiuns auf die Pantoffeln nähen
liessen. Aber das bestimmt nur ein Gerücht.
Und da die Familie die Entdeckung fürchtete, denn welcher
gottesfürchtige Mensch spuckt schon Säure, die Betttücher zerfrisst,
hatte man den kleinen Ludwig von nachts ans das Bett gefesselt. Nun
war es aber zu einem tragischen Unfall gekommen. Der kleine Ludwig
von bekam eines Nachts eine Hand aus den ledernen Fesseln und hegte
darüber eine so gewaltige Befriedigung, dass er diese noch zu vertiefen
suchte, die rechte Hand war ja jetzt frei. Diese konnte er bewegen, aber
alles sonst war festgezurrt. Er bewegte diese Hand hin und her, vor
allem aber auf und ab, und es kam, wie es kommen musste: Eine
gewaltige Fontäne schoss in die Luft mit einem solchen Knall, dass das
ganze Haus erschüttert wurde. Der kleine Ludwig van erlitt einen

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

sogenannten Hörsturz, der zu einem Tinnitus und später zu Gehörverlust


bis zur Taubheit führen würde, so diagnostizierten das die Ärzte.
Und seit diesem Tage lässt das Gehör des Herrn van Beethoven nach,
Tag um Tag ein bisschen, es ist absehbar, dass er in 5 bis 10 Jahren völlig
taub sein wird.

Nun machte die Taubheit den Herrn manchmal recht zornig. Vor allem
sollte er auf den Freiherrn von Goethe schlecht zu sprechen sein, weil
der so ein Kriecher vor der Obrigkeit sei. «Herr Hofschranze», so nannte
er ihn gerne.

Küchenlatein

Charlotte von Stein war eine gar zarte Frau, immer weiss gekleidet, sehr
scheu und keusch, so hörte Peterli in der Küche erzählen. Man tratschte
nämlich im Personal hin und her die Frage der Frau von Stein und des
Hofrats Johann Wolfgang von Goethe, ihr Liebhaber. Sie soll ihn nie
rangelassen haben, aber von ihm lassen wollte sie doch nicht, denn sie
wollte unbedingt in die Geschichtsbücher eingehen. Das würde ihr sicher
nicht gelingen, warum auch, so waren alle vom Personal überzeugt. Es
könnte allerdings sein, so wendete der Fuhrknecht ein, dass sie wegen
ihrer Schleiertänze auf männlichen Gesellschaften in Weimar in den
Tagebüchern der Herren, an deren Existenz ja niemand zweifelte, notiert
würde.
Man besprach auch eifrig die Frau von Stein, weil man wusste, das
Hausmädchen Peterli, die Schweizerin mit dem komischen Namen, sollte
bald in ihre Dienste kommen, als Leihgabe des Herrn van Beethoven. Der
Stiefelknecht war zufälligerweise dabei beim Gespräch der beiden
Herren, als Beethoven Goethe antraf, in Berlin. Beethoven erwähnte
dabei das neue Hausmädchen, Peterli, die ganz anständig wäre, sich
nicht gerne vom Herrn belohnen lasse, man treffe sie viel öfters in den
Kammern des weiblichen Personals, und einmal habe Beethoven einen
versteckten Zeichner in einer Kammer verborgen, der alles bildnerisch

49
nach Johanna Spyri, unlektoriert

festhalten sollte, was dort geschah. Die Bilder erregten dann den Herrn
van Beethoven aufs Äussersten, weil das Peterli einen gar gewaltigen
Kitzler hatte, die anderen Mädchen, drei waren noch in der Kammer,
konnten davon gar nicht genug kriegen, sie mussten einfach immer und
immer wieder daran saugen.

Da wurde Herr von Goethe hellhörig, spitzte die Ohren, interessierte


sich. Denn, wie er sagte, er habe das Gefühl, die Frau von Stein sei eher
den Frauen zugetan, sie lasse ihn nie ran, obwohl er ihr Brief um Brief
schrieb, antwortete sie ausschliesslich mit Zurechtweisungen, was er
alles falsch mache, wie er ihr einfach nicht genügen könne, ihr Niveau sei
halt schon ein ganz anderes als das eines Beamten und Federfuchses.
Goethe war verzweifelt.

Und so fasste er einen Plan: Er wollte ihr ein Kuckucksei ins Nest legen,
sozusagen, er wollte sich dieses Hausmädchen mit dem gewaltigen
Kitzler ausleihen, dem Frau von Stein unmöglich widerstehen könne.
Dadurch würde sie vielleicht auch für ihn erweckt werden.
Dem konnte Herr van Beethoven sich nicht widersetzen, obwohl er dem
Herrn von Goethe nicht allzu gewogen war. Er versprach ihm, sich die
Sache mal durch den Kopf gehen zu lassen. Als Demokrat sei es ihm
allerdings nicht möglich, über den Kopf auch einer Untergebenen solch
weit reichende Entscheidungen zu treffen.
Eines Nachts versteckte sich Herr van Beethoven in der Kammer, wo das
Peterli zusammen mit seinen drei Zimmergenossen schlief. Und er
wartete, bis sie zu Bett gingen. Dabei sah er dann, dass das Peterli sich
vor den Kameradinnen auszog, einen sehr schönen Fotzenhobel
hervorholte, zweifellos handelte es sich um einen solchen, Beethoven
war doch nicht so blöd wie offenbar der Zeichner, und er lud seine
Freundinnen reihum ein daran zu lutschen, was diese auch gerne taten,
schliesslich hielten sie Peterli trotzdem für ein Mädchen, halt eines das
weit schöner war als alle anderen, sogar als sie selber.

50
nach Johanna Spyri, unlektoriert

Mehr geschah nicht, ausser dass jedes seine halbe Lutscherstunde


zugestanden bekäme, Peterli meinte, er sei in wichtiger Mission hier, er
dürfe es nicht übertreiben. Und so schliefen denn auch alle bald ein.
Herr van Beethoven allerdings freute sich gar diebisch über das
Gesehene. Er würde dem Goethe diesen Kuckuck ins Nest setzen, auf
dass er ihm die Frau von Stein endgültig verderbe. Das würde gelingen,
daran gab es keinen Zweifel.

Derweil, droben auf dem Dach,da hockte Satan, und der freute sich, sein
Plan war aufgegangen, für den ihm die Herzogin als Werkzeug gedient
hatte. Er würde nun Geschichte schreiben, danach würde Gott, dieses
Arschloch, sich die Finger lecken. Goethe und die Stein in einer sexuellen
Verschwörung, hahaha!
Er lutschte an seinem Schwanz.
Es hatte halt Vorteile, der Teufel zu sein.

Die Intrige wird eingefädelt

Es trat Ludwig van Beethoven beim Freiherrn Johann Wolfgang von


Goethe in die gute Stube, in der Hand hatte er eine kleine Tür aus
Schokolade. „Hallo mein lieber Goethe, ich falle gleich mit der Tür ins
Haus“, damit überreicht er ihm die Schokoladentür. „Schweizer
Schokolade, mein lieber Goethe, Schweizer Schokolade, von meinem
Schweizer Bankier, nehmen Sie, nehmen Sie, es hat noch genug, das
Mündel einer Schwägerin des Bankiers ist soeben bei mir eingetroffen,
was denken Sie denn, die Schweizerinnen, sie essen nicht nur gern, nein
man muss ihnen einen lassen (hahaha, lieber Goethe, kleiner Scherz,
aber sie haben es ja mit den Annalen, stimmt’s? In Ihrem Beruf). Wie
gesagt, die Schweizerinnen, süss wie die Nacht, heiss wie der Tag, wenn
ich so sagen darf, bitte sagen Sie jetzt nichts, ich habe noch nicht
ausgeredet, und ich habe einen schönen Vorschlag für Sie, sie wissen ja,
ich fahre dieses Jahr wieder nach Berlin, dem Preussen so tüchtig
einzuheizen höhöhö, irgendjemand muss das ja tun, wo Sie lieber um die

51
nach Johanna Spyri, unlektoriert

mächtigen Herren herum scharwenzeln, bitte entschuldigen Sie meine


demokratische Offenheit, aber Schwamm, Schwamm drüber, ich möchte
mich mit Ihnen versöhnen, sie etwa sich nicht auch mit mir, kommen
Sie, kommen Sie… Ja, das Mädchen, es hat etwas Besseres verdient als
bei einem armseligen Musikanten vom Morgen an den Abend
abzuwarten, wir haben ja nichts, können ja nichts, sind ja nichts, Sie
hingegen mein lieber Freiherr – wenn ich sie jetzt bäte mir zu helfen,
diesem Mädchen einen guten Eindruck unseres schönen Landes
TaTaTaTaaa sie wissen…“ Bricht ab, macht eine Theaterpause, Goethe
tut es ihm gleich. Bis sie dann beide gleichzeitig wieder anfangen zu
sprechen, doch nur Goethen kann man hören, sein von
Selbstbewusstsein strotzendes Organ soll dem Beethoven mal zeigen
wer das gute Ende vom Stecken in Händen hält, was Beethoven sofort
durchschaut, aber das Spiel mitspielt, um es dann umso leichter an sich
zu reissen.
„Das Mädchen“, so fängt er wieder an, „möchte für sein Leben die Frau
von Stein kennen lernen, und da ich weiss, dass sie beide (zwinkert kurz,
dann nochmals, um sicher zu sein, dass es gesehen wurde), Sie und die
Frau von Stein, sie haben doch ein Herz für arme Mädchen, ist nicht
gerade sie auch ohne standesgemässe Hilfe im Moment? Man sollte
Schweizer Bankiers sich warm halten höhöhö aber wir reden ja von
einem Mä…“ – „ja schon gut“ unterbricht ihn Goethe, fiebrig vor
Erwartung, eine Schweizerin? Wie diese Gespielinnen, von denen
Rousseau so viel berichtet hatte, am See da? Auf Pfählen oder etwas in
der Art? „ich werde sie engagieren für die Frau von Stein, vielleicht kann
ich sie so mir endlich gewogen machen, gewogen machen“ wiederholt
er ohne Unterlass. Kann es sein, dass das Blut ihm aus dem Hirn
abgeflossen ist, nach unten, in den Fotzenhobel, wie so Viele hämisch
behaupten. Schon sein armseliger getriebener „Eroberungs“-Feldzug für
die Stein, da ist mir ja Krieg noch lieber, denkt sich Beethoven.
Als hätte es nur auf das Signal Goethes gewartet, tritt das Mädchen
hinter einem langen schweren Brokatvorhang hervor, überrumpelt so
den armen Goethe, der so viel Weiblichkeit nichts entgegen zu setzen

52
nach Johanna Spyri, unlektoriert

vermag. Er geht mit ihr gleich ab nach hinten. Und tritt bei Frau von
Stein ein, klopft aber vorher ein Geheimzeichen (TaTaTaTaaaa usw.),
woraufhin sie ihm öffnet, „ja Goethe, was will Er hier? Habe ich ihm
nicht gesagt dass ich seinen Stil, seine Beleidigungen gegen mich nicht
schätze?“ „Aber liebe Charlotte, das waren doch keine Beleidigungen,
ich habe einzig geschrieben, dass mir Spaghetti nur auf meinen
Italienischen Reisen schmecken, das hatte doch mit dem Nachtessen bei
Ihnen gar nichts zu tun, es waren ja auch keine Spaghetti, es waren
Spaghetti-Nudeln!“
„Liebe Gnädigste, ich habe hier für Sie ein, sozusagen ein Geschenk,
wenn auch nur auf Zeit, es wird ja schliesslich auch älter werden und
dann wird es sie nicht mehr behagen es im Hause zu haben, aber jetzt…
Das ist Peterli, das ist ein Hausmädchen bei meinem alten Freund van
Beethoven, den sie ja schon kennen von der letzten Gesellschaft, er hat
dort seine Sonate am Piano gespielt.“ „Ah ja, sehr revolutionär und
aufmüpfig, der Herr van Beethoven. Nun, mir kommt das Mädchen zu
Pass, wie soll es denn heissen?“
Und so wurde Peterli als Mädchen im Haushalte der Frau Charlotte von
Stein, Freifrau, Kammerfrau der Herzogin Anna Amalia von
Braunschweig-Wolfenbüttel, aufgenommen.

Frau von Stein trifft Baubon

Frau Charlotte von Stein ist sehr liebenswürdig, so findet Peterli. Gar
kein Vergleich mit der Herzogin, die ihn grün und blau geschlagen. Sie
befiehlt ihn in ihr Boudoir, ein ganz mit weiss ausgeschlagenes Gemach
mit hohen Fenstern, vor denen helle Vorhänge wehen. Ein kleiner
Schminktisch mit wenigen, aber fein riechenden Essenzen steht in der
Mitte des Raumes, von der Decke hängt unser Herr Jesu in weiblicher
Prägung, also mit Fotze… aber Peterli weiss jetzt, im kulturell hoch
stehenden Afrika ist das die Baubo, einfach manchmal, wenn er sehr
erregt ist, fällt er in die alten Begriffe zurück, Fotze, Fotzenhobler,

53
nach Johanna Spyri, unlektoriert

Liebeshammer, solche Sachen, die er von den Kutschern der alten Vettel
gelernt hat.
Frau von Stein weist Peterli einen weich gepolsterten Schemel zu, sie
selber setzt sich auf einen Diwan, der ebenfalls mitten im Raum steht.
Sie wendet den Blick nach rechts, die Sonne geht in dem Moment auf
über dem Wasser des Teichs, erste Frösche quaken, Lilien öffnen ihre
Lippen, die kühle Sonne des Ostens macht sich auf ihren Weg gen
Westen, über die Kuppel des grosszügigen Gartenhauses. Frau von Stein
seufzt, „Ach, wie manche Tage musste ich hier von diesem Diwan aus
den Lauf der Sonne über mir verfolgen, alleine, verschreckt von diesem
Landsknecht der Feder, diesem Goethe, diesem Grobian, der mir seine
zerstörerische Liebe aufdrängen will. Mir, die doch ihr Leben dem Herrn
widmen will, und beim Gemahle steh ich ebenfalls in der Pflicht. Peterli,
wir Mädchen sind Opfer dieser Grobiane, die für das feine Empfinden
der Frau keine Ader haben. Denke nur, du stehst weit unter mir, aber wir
sind uns doch ganz nahe, da vom selben Geschlecht. Weisst du, Frauen
sind Frauen ohn‘ Unterschied, und auch die Höchststehende hat immer
noch jemand über sich, den Mann, den Mann an sich, und sei er auch
blosser Fuhrknecht. So hat Gott es eingerichtet in seiner
unergründlichen Weisheit, aber er erlaubt uns auch, uns gegenseitig
unsere Tränen zu trocknen. Peterli, nimm vom Tischlein dort dies
hellblaue Tüchlein und komm her, bring die zwei kleinen Töpfe dort
gleich mit.“
Peterli tat wie ihm geheissen, sanften Schrittes ging er durch den Raum,
fast schwebend, wie es die Nubier ihn gelehrt hatten. Er tritt an den
Diwan heran. Frau von Stein flüstert: „Peterli, du musst mich Charlotte
nennen jetzt. Denn du musst mir die heiligen Essenzen auftragen auf
meine sterbliche Hülle, auf dass unser Herr Jesu und die Heilige Mutter
Gottes ihr Wohlgefallen in diesen einfachen Raum eingiessen können.
Peterli, nimm zuerst die Helle hier.“ Peterli tat wie sie ihm geheissen, er
salbte den zarten Fuss der Frau von Stein, dann den anderen auch, er
zog mit sanftem Druck ihre Knie gen Ost das Eine, gen West das andere,
parallel zum beigefarbenen Diwan. Er streichelte die Knie, beide

54
nach Johanna Spyri, unlektoriert

zugleich, die Hände noch leicht fettig und feucht. Sie seufzte ein wenig,
„ach, Peterli, niemand ist so zart mir wie das weibliche Wesen“. Peterli
blieb still, wurde zarter und zarter, ein Fliegenbein hätte den feinen
Druck unbeschadet überstand, ja ein fragiler Flügel gar. Gänsehaut in
den Kniekehlen der Frau von Stein, von Charlotte, leichter Schweiss
daselbst, das war der Effekt von Peterlis Bemühen, ja eigentlich seiner
Einführung in die Kultur des Afrikaners durch die drei Nubier.
Peterli nahm ein seidenes Tüchlein vom Schminktisch, trocknete Frau
von Stein, Charlotte, die zarten Schweissperlen von der Stirn, die rosa
erglänzte. „Wir können einander nichts sein und sind einander zu viel“,
solches entglitt ihrem leicht geöffneten Mund, was seinen Eindruck auf
den überraschten Peterli nicht verfehlte. Überrascht war er, dass es so
einfach war, obwohl man ihm angekündigt hatte, die Freifrau sei nach
vielen Enttäuschungen nun reif für den Jünger der Baubo, nach vielen
Jahren der Anbetung durch grobe Landsknechte, worunter sie eigentlich
alle Männer, auch die von Stande, zählte. Goethe, den groben Klotz,
zuvorderst, und seinen unmöglichen Busenfreund, den Schiller, den
Verbrecher gegen alle Fragen des Gemüts.

Peterli nickte leise, sagte aber nichts, um das Geheimnis um ihn nicht
mutwillig aufzudecken. Er bedeckte Charlottes Herz mit einer weichen
Hand, die von den Zofen noch mit besonderer Aufmerksamkeit in
erweichenden Essenzen gebadet worden war. Kein Mädchen konnte
eine solch zarte, feine Hand haben, ausser es sei von Stande. Frau von
Stein kam ins Schaudern. Sollte hier vielleicht gar… ? Solches las man ja
öfters in den Liebesromanen, die sie heimlich durch fliegende Händler
herbei schaffen liess…. Doch Peterli zog seine Hand schon zurück. Er
nahm die Ihre dann in die Seine, liess sie einfach ruhen auf dem
Oberschenkel der Freifrau. Ihre Finger mit den fein polierten rosa Nägeln
zuckten leise. Zuckten etwas mehr. Es zuckten abwechselnd die Ring-
und der Zeigefinger. Und strichen plötzlich leicht leise, in heftigster
Erregung aber, über jene Peterlis.

Die Sonne stand im Zenit, ihre Strahlen durchbrachen das Glasdach, die
Frau von Stein lag mehr als dass sie sass auf dem Diwan. Die Aufregung,

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

die nun abklang, hatte sie weich und müde werden lassen. Sie schickte
Peterli weg. Peterli zog sich zurück. Sein Plan war geglückt.

Ein angekündigter Besuch

Am Sonntag kam der Amtsrat Goethe zu Besuch, zusammen mit seiner


Verehrerin und Mäzenin, Fürstin Anna von Braunschweig, vom Stande
einer Herzogin, wenn auch nur in den Adel eingeheiratet. Fürstin Anna
war die Dienstherrin von Charlotte, deshalb musste sie auch die
Gegenwart des „Landsknechts“, wie sie Goethe gegenüber Peterli
genannt hatte, akzeptieren. Am Vorabend liess sie Peterli in ihr Gemach
kommen, er sollte sie wieder mit den Essenzen dem Leben zuführen.
Peterli schien aber diesmal wie verwandelt: Er hüllte sich unvermittelt in
ein Gewand aus braunem Sacktuch, welches durch Schnüre
zusammengehalten wurde. Dazu gab er der Frau von Stein zu verstehen,
er hätte da eigene Tinkturen dabei. Sie war eingedenk des letzten Mals,
da sie, also Peterli, das Mädchen, ihr süsse Gefühle wie noch nie
verschafft hatte, und sie fühlte sich direkt in Not, sollte sie sie diesmal
verpassen. Peterli holte einen hohen Teller mit einer braunen Paste
hervor, von der sie einen kleinen Löffel nahm und ihn der Freifrau in den
Mund steckte.

„Aber, Peterli, das ist etwas bitter, ich kann das nicht essen“, aber Peterli
tat, als ob er sie nicht hörte. „Bitte runterschlucken, einfach schlucken,
immer schlucken“, so beharrte sie mit sanfter Stimme. Endlich hatte
Charlotte ein Einsehen, der Weg zu himmlischen Vergnügen führte halt
über eine steile Leiter.

Während Frau von Stein langsam in einen Haschischrausch


hineindämmerte, zog Peterli sich aus. Frau von Stein, der nun heiss
wurde in dem ungelüfteten Boudoir, zog sich die Schühlein und die
Strümpfe, das Mieder und die Kappe auf dem Haar aus. Sie sank etwas
tiefer in ihrem Diwan. Peterli kam auf sie zu mit einer der Salben aus
ihrem Schminktisch, und begann wie beim ersten Mal mit den Füssen,
den Knien, den Unter- und Oberschenkeln… dann wartete er einen

56
nach Johanna Spyri, unlektoriert

kurzen Moment. Sie blickte ganz verträumt an sich herunter, dort unten,
zwischen ihren Beinen, ja das war die Peterli. Sie presste die Beine fest
zusammen, schlug sie übereinander. Gleichzeitig aber rutschte sie ein
bisschen in eine Seitenlage, so dass Peterlis Hand ihren rechten Schenkel
von unten erfassen musste, sollte sie nicht herunterfallen, was natürlich
furchtbar unelegant wäre. Sie rutschte ein bisschen auf der Hand hin
und her, so dass Peterli diese abwechseln zwischen die beiden
Oberschenkel pressen oder eben von unten festhalten musste. Dabei
wurden seine Bewegungen immer weiter, vorsichtig zwar, aber doch
merklich, sie hätte das leicht dreiste, leicht schüchterne Spiel jederzeit
beenden können. Aber ihre Bewegungen wurden eher stärker, dann
heftiger gar. Irgendwann war Peterlis Hand dann sehr deutlich nach
oben gerutscht, er fühlte schon die feinen Rundungen, eine enge Spalte
hinten, sie presste immer noch fest zusammen, rutschte aber doch auf
seiner Hand hin und her, Peterli begann nun echt zu schwitzen, das
überstieg alles womit er rechnen musste, in der Ausbildung war nie von
einer dermassen passiv-aktiven Freifrau die Rede. Er musste
improvisieren!
Wie weiter? Ach, er überliess einfach alles dem Fluss der Erregung der
Frau von Stein. Diese war noch nicht abgeflaut, obzwar sie sich nicht
zugeben konnte ihre Begierde für das junge Mädchen. Das Peterli dachte
nun daran, den gordischen Knoten leicht anzustupsen. Die Hand
bewegte sich auf den Knoten zu, ganz leicht, und Frau von Stein begann
zu keuchen! Peterli fühlte eine Hitze wie noch nie zuvor bei einer Frau,
und dann sah er die Pfütze zwischen ihren Beinen. Seine Hand fuhr hoch,
erfasste mit festem Griff den ganzen Knoten und flüsterte „Baubo, ach
Baubo, so schön ist das, Charlotte, bitte setzen Sie sich auf meine Hand,
ich werde ihre Baubo gebührend feiern, ja anbeten gar“ – Frau von Stein
wurde rot und bleich zugleich, doch der Unterleib war ihr schon lange
entronnen, er führte ein Eigenleben, tanzte auf der Hand des Peterli,
vom scheuen Ringelreihen zum Veitstanz und zurück. Dazu keuchte sie,
ja sie schrie, sie schrie direkt, der Mund öffnete und schloss sich, einem
Goldfisch gleich japste sie nach Luft, oder war es Futter, das der Mund
suchte? Peterli hielt die Hand unten, mit der zweiten Hand fuhr er unter

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

ihrem losen weissen Gewand hinauf, er fühlte einen Bauch, sie jaulte
auf, er fühlte einen Nabel! Sie wurde ganz still und stocksteif. Er liess die
Hand da liegen, wo sie war. Er bewegte keine Faser. Im Raum war es
still. Langsam begann sie sich zu bewegen, zuerst hob und senkte sich
der weiche Bauch mit dem sanften Atem, dann wackelte sie auf der
Hand ganz leise, aber merklich hin und her, rutschte auch hinunter, so
dass Peterli die Einladung annahm und gleichzeitig hinauf rutschte, bis
die Hand in medias res , im Zentrum des Taifuns angekommen war. Und
da wurde es ihm fast unheimlich, denn die Frau, Charlotte, sie schien gar
nicht mehr atmen zu können, ihr Kopf wurde fast schwarz, was einen
wundervollen Kontrast zum weizenblonden Haar ergab, bis sie mit
einem ganz gewaltigen Windstoss die Lungen wieder füllen konnte, ihr
Gesicht nahm eine halbwegs normale Farbe wieder an, sie schnaufte
heftig und fiel in die Kissen zurück.
Die Pfütze am Boden hatte Zuwachs bekommen.

Frau von Stein wird Afrikanistin

„Wer ist Baubo, Peterli?“, wollte Frau von Stein wissen. Auf diesen
Moment hatte er gewartet. Er setzte sich zu ihren Füssen hin, sie liess
die neue Vertraulichkeit zu und es schien ihr gar sehr angenehm.
Peterli schaute Frau von Stein ganz ernst an. „Charlotte, kannst du mir
eines sagen?“ und legt seine Hand auf ihre Fotze, was sie ohne weiteres
zulässt. „Wie nennst du das hier, unter meiner Hand?“ – Sie wird
puterrot, und haucht ein „Fotze, doch?“ in den Raum. Eine kleine
Feuchtigkeit ist unter seiner Hand, sie beginnt gar zu rinnen, in ihre Ritze
hinein. Er streicht leicht drüber, will fortfahren, doch so schnell nimmt er
diesen Faden nicht wieder auf.
Die Sonne ist ein bisschen weiter vorgerückt, Frau von Stein rutscht fast
vom Diwan, Peterli kann zeigen was er gelernt hat. Doch er nimmt nun
die nasse Hand aus ihrer Fotze, setzt sich gerade hin, beugt sich leicht
über sie und flüstert ihr ins Ohr: „Liebe, wir nennen das nicht Fotze. Das

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

ist die Sprache der Landsknechte, der Rüpel wie dieser Schriftsteller, der
ja bald hier sein wird. Nein, wer liebt, der spricht auch in der Sprache der
Liebe, Charlotte, Erstaunliche, Wundervolle.“
„Hach, Peterli, wie ist denn die Sprache der Liebe, sag es mir, in der Tat
kenne ich nur diese Grobiane, diesen Goethe, seinen furchtbaren
Busenfreund, den Militär-Schiller, ach wie graust mir, zurück unter diese
Menschen gehen zu müssen, könnten nur wir Frauen unter uns bleiben,
unseren eigenen Planeten bewohnen, fernab dieser fleischgewordenen
Monströsitäten, die uns alle hinunter zwingen in die Sklaverei der
Schlange, des einäugigen Glubschstengels, des blaugeäderten
Stinkstiefels – hach, Peterli, ein Planet der Frauen, so es ihn gäbe, du
wärst seine Königin!“

Peterli hub erneut an, „oh Göttliche, oh Mädchen die du bist im Körper
der reifen Frau, wisse, es gibt etwas in entfernten Weiten unseres
Planeten wovon ich dir zeugen will – es ist der Ort wo meine Lehrer
wohnen, die Nubier, die mit der blankglänzenden schwarzen Haut…“ Sie
zuckt zusammen, gar garstig klingt das jetzt, gar furchteinflössend –
doch Peterli legt wieder Hand an, er zeigt ihr, dass es noch mehr Dinge
zwischen Himmel und Erde gibt als sie bisher sehen konnte, hier
begraben in diesem fürchterlichen Weimar, unter Bengeln Kriegern
Prügeln und Prüglern, Dumpfgeistigen und Irrläufern, Verstockten und
Möchtegernheiligen, Verkennern, Erfindern von Wahnsystemen,
Bauchnabelhorchern und Welterzählern. Und sie schaut weit über die
gläserne Decke des Pavillons, des Gartenhäuschens hinaus und fühlt
Dinge, die der Mensch nicht sehen kann, Dinge, die nur im Bereich der
Wahrnehmung eines treuen Hundes nur liegen.

Und so gibt sie sich ganz hin dem Moment, wo nur die Liebe zählt, bis
Peterli seine Erzählung langsam zu Ende bringt. „Mir war die Gnade zu
Teil in Gemeinsamkeit mit Freundinnen das Geschenk der Nubier, der
schwarzen Männer aus dem tiefen Afrika zu empfangen, das Geschenk
der Vereinigung von Baubo mit Baubon, liebe Charlotte, und sie haben
mir gezeigt, wo tiefste Empfindung ist, da ist keine Scham, da ist nur
noch die heilige Liebe unserer heiligen Mutter und Jesu, dem Sohn

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Gottes…“ Frau von Stein zuckt wieder etwas zusammen, denn das Buch
der Bücher steht über allen irdischen Dichtungen, womit sie Goethen
auch schon zum Wahnsinn getrieben, und es braucht die ganze
Überredungskunst Peterlis, ihr die Angst vor diesem letzten Schritt zu
nehmen.

Die Sonne steht danach schon fast ganz im Westen, zur Linken des
Diwans also, und Peterli will sie nun auf die höchste Stufe der
Verzückung heben, „liebe Charlotte, sie haben mir gezeigt die höchste,
die göttliche Stufe der Verzückung, wo die Engel und die Heiligen ihren
Reigen tanzen, wo nur Auserwählte Teil haben können, Charlotte, sieh,
das ist Baubo“ – und er legt die Hand auf ihre Fotze, „und dazu gehört
auch Baubon, oh Liebe, oh Begnadete, fühle die Kraft des Orients nun,
wie sie über uns kommt“ – worauf Frau von Stein alles verliert was sie
kennt, Sinne Kopf und Räson, sie nimmt Baubon in die Hand, sie kann
nicht mehr anders, Baubon muss sie in den Mund nehmen, oh Seligkeit
des himmlischen Daseins, sie fühlt die Gegenwart der Heiligen, sie fühlt
die Kraft Baubons, sie will die beiden zusammen bringen, Baubon und
Baubo, der Mensch soll nun vereinigen was Gott als Ganzes geschaffen
hat, und Peterli fühlt sie nun ganz offen, und Baubo nimmt Baubon auf,
voller Gnade, voller Freude, Urfreude gar, die Flammen züngeln hoch,
Frau von Stein verliert gänzlich die Façon in einem wilden Tanz, bis die
Flammen unter gewaltigen Strahlen gelöscht werden, langsam langsam
eine Flamme um die andere, immer wieder zuckt eine hoch, kann bis
zum Flämmlein gezügelt werden, um dann wieder fauchend
aufzuscheinen.
Es klopft an der Tür. „Ciel, c’est Goethe“, erschrickt die Freifrau
Charlotte von Stein.
Hofdame der Herzogin Anna Amalia von Braunschweig-Wolfenbüttel (*
24. Oktober 1739 in Wolfenbüttel; † 10. April 1807 in Weimar), durch
Heirat Herzogin von Sachsen-Weimar und Eisenach.

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Das Komplott wird aufgedeckt

Und exakt diese Herzogin steht nun in der Tür. „Zieh dich an, Törichte“,
herrscht sie ihre Gesellschafterin an. „Du hast den Himmel gesehen, nun
falle tief zurück zur Erde, falle noch tiefer als du jemals warst, du
verlottertes Wesen. Du wirst nun erfahren was mir bisher versagt
geblieben. Du wirst nun erfahren, dass es nichts Furchtbareres gibt als
die Erfüllung seiner Träume. Denn wen die Götter strafen wollen, dem
lassen sie die Träume wahr werden. Empfange nun die Strafe der Götter,
Unselige.“

Es tritt ein hinter ihr der Amtsrat und Dichterfürst Johann-Wolfgang


Goethe, mit zorniger Miene schaut er die Entehrte an, er spuckt auf den
hellen Boden des nun dunklen Pavillons, kein Wort kommt ihm über die
dünnen zusammen gepressten Lippen, ausser ein kurzes „Ciao und
Arrivederci, du Fotze, ich bin dann in Italien wenn du mich suchst – aber
untersteh dich, du sei aus meinem Leben gestrichen auf immerdar.“ Ob
die Worte verstanden werden ist nicht klar. Charlotte ist nur noch matt
zitternder Leib, den Peterli mit Mühe zusammenhält. Der kleine
Schweizer aus ärmlicher Hütte in den Bergen, durch ein unergründliches
Schicksal an den Hof in Weimar gespült, er fühlt, hier nimmt die Reise
ein Ende, und er hofft, es möge ein Gnädiges sein.
Goethe tritt ab, funkelnd vor Zorn. Die Herzogin setzt sich auf den
Schemel, der unter anderen Umständen Peterli als Ausgangspunkt für
die wilde Reise gedient hatte. Und sie hub also an:
„Peterli erkennt mich nicht mehr, zu wild war unser Ritt, nicht wahr,
Bube?“, spricht sie ihn direkt an. „Ja, du Hure, du wolltest mir Goethen
wegnehmen, dem ich so viel Gutes getan, und als du ihn hattest, da
wolltest du ihn dann doch nicht. Das erste hätte ich dir noch verzeihen
können, das zweite aber nicht mehr. Man spielt nicht mit dem Essen, du
blöde Kuh, dumme Fotze! Nun hast du es zerstört für uns beide mit
deinem Zaudern und Zögern, deinem Drängen und Bangen. Wisse,
Arschloch, in Gefahr und höchster Not bring der Mittelweg den Tod! Dir
wird er noch nicht zuteilwerden, aber richte dich ein auf einen langen

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nach Johanna Spyri, unlektoriert

Weg des Leidens ins Verblühen und Vergessenwerden, auf Einsamkeit


und Langeweile, du, der die ganze Welt offen gestanden hat, aber mit
deiner verfluchten Christenseligkeit hast du uns allen das Leben auf
immer vergällt, Satan ist mein Zeuge, und um dich zu vernichten habe
ich ihn eingeladen in mein verwunschenes Schloss, wo Peterli auch alles
erfuhr was der Dunkle Erdteil deiner fein ziselierten kaputten Welt
voraus hat. Sag Dank den Nubiern, den Zofen, sag auch dank dem Heidi,
welches uns dieses Naturtalent hier, diesen tumben Tor geschenkt hat.“
Peterli hatte plötzlich das Gefühl, es sei von ihm die Rede, und er merkte
auf. Und tatsächlich: Kaum hatte die Fürstin dies gesagt, da öffnete sich
eine Tapetentür, und hervor trat das Heidi.
„Wisse, das Heidi ist meine Tochter, die bei Herrn van Beethoven ganz
früh schon Klavierunterricht genoss, aber ich musste es verbannen in die
wilden Alpen, denn der Alte kam ihr gefährlich nahe. So traf sie denn auf
diesen wunderbaren fügsamen Knaben, den sie mir denn auch
anempfahl für die Intrige, die der Herr van Beethoven bei mir bestellte.
Als seine Mäzenin wollte ich ihm auch diesen Wunsch erfüllen: Dem
Wichtigtuer Goethe, dem Pinscher und Diener seiner Herrn, dem
unverbesserlichen Untertan eine Lektion zu erteilen durch die
Schändung seiner über alles geliebten und doch immer wieder
verschmähten Charlotte von Stein, die ja auch an diesem Hin und Her
zwischen den beiden nicht ganz unschuldig ist, ja vielleicht ist sogar sie
die Herrin seines Schicksals.
Peterli wurde also abgerichtet und erzogen, von langer Hand vorbereitet
auf seine Rolle als Mädchen, was der Freifrau bei allem Schrecken nun
doch ein ganz wunderbares Erlebnis beschert hat. Von Stein, sie schere
sich nun hinweg, ich habe mit den beiden hier zu reden.“
Charlotte suchte aus dem Schrank ein bitter beissendes Büssergewand
hervor und ging nach links ab. Wortlos. In Peterli brach etwas entzwei…..
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nach Johanna Spyri, unlektoriert

„Nun komm her, meine Tochter. Komme her, Peterli, lieber Tor. Gebt
euch die Hände. Nehmt euch in die Arme. Küsst euch. Küsst euch wild,
wilder, noch wilder… Im Namen Satans, meines Herrn und Meisters,
erkläre ich euch in wilder Ehe vereint, und nehmt diese Vereinigung nun
endlich vor, der Weg war lang, …“ Sie schwatzte und schwatzte, doch die
beiden hörten schon lange nicht mehr hin. Heidi lag auf dem Boden,
nein sie ruhte auf allen Vieren, Peterli hatte einen gewaltigen Baubon
aus dem Gewande geholt, Heide fasst wieder beherzt nach hinten, doch
diesmal erfasste sie diesen Fotzenhobel, nein den Baubon also, und
schon ihn sich hinein, kurz aufschreiend, dann verschwand der Raum
langsam in den unendlichen Weiten des Raumes, das Gartenhaus, der
Pavillon, alles hob sich in die Lüfte, Heidi schien zu segeln, Baubon
rasend hinten drein, das Holz des Pavillons splitterte nach aussen,
explodierte, die beiden aber klebten nun am Boden fest, ihre Füsse, ihre
Beine schienen zu zerfliessen, zu gelbem Schleim zu werden, derweil die
Herzogin von tausend winzigen Teufeln mit brennenden Augen
gepeitscht wurde und doch von Schmerzen nichts fühlte, ihr Maul
begann zu triefen, so dass die Gluten der Teufeln dadurch ausgelöscht
wurden, der Boden öffnete sich, flammende Kohlen wurden
ausgespuckt, während Peterli wie wild mit Baubon zu hobeln suchte,
doch wie zusammen bringen was nicht zusammengehört?
Die Geschichte ist hier zu Ende, und so haben wir Zeit und Musse, über
diese Frage nachzudenken.

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