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Dienstag, 03.06.

2014

Wenn die Pacht unerschwinglich wird


Für Ackerland müssen Landwirte immer tiefer in die Tasche greifen, wenn sie Pachtverträge
verlängern oder neu abschließen. Jetzt will die Politik eingreifen.

Von Carola Böse-Fischer

Quelle: Jens Büttner

Hannover. Ottmar Ilchmann ist Milchbauer. 60 Kühe gehören zu seinem Hof im Landkreis
Leer. 70 Hektar, Wiesen und etwas Ackerland sind seine Existenzgrundlage. Nur 28 Hektar
sind Eigentum des 52-Jährigen, die übrigen 60 Prozent hat er gepachtet. Das ist nicht
ungewöhnlich. In Niedersachsen wie in anderen Bundesländern sind mehr als die Hälfte der
Agrarflächen Pachtland. Wer wachsen will, das predigt die Agrarlobby den Bauern seit
Jahrzehnten, kann das nur, wenn er Flächen dazupachtet.

Früher musste sich Ilchmann keine Sorgen machen. Lief ein Pachtvertrag aus, wurde er
verlängert, in der Regel zu gleichen Konditionen. „Fast 30 Jahre lang kostete die Pacht 250
bis 265 Euro je Hektar Grünland“, sagt der Landwirt. Aber seit einigen Jahren steigen die
Pachten und in ihrem Gefolge die Kaufpreise für Acker- und Grünland rasant.

Vor zwei Jahren hat Ilchmann, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft ist, zum ersten Mal Land verloren, weil er bei der Neuverpachtung nicht
mithalten konnte. „500 Euro waren das Äußerste, was ich bieten konnte“, sagt der Friese. Den
Zuschlag habe ein Biogasproduzent bekommen - für 1000 Euro, rund viermal so viel, wie
Ilchmann bis dahin für den Hektar an Pacht bezahlt hatte.

Längst ist das kein Einzelfall mehr. Vor allem in den Hochburgen der Massentierhaltung und
Biogasanlagen, die immer größere Flächen für den Maisanbau beanspruchen, hat sich Acker-
und Grünland so drastisch verteuert, dass der grüne Agrarminister alarmiert ist. Denn in der
Konkurrenz um knappe Flächen haben extensiv wirtschaftende Öko- und Milchbauern immer
öfter das Nachsehen. Und die liegen Christian Meyer, der die Landwirtschaft in
Niedersachsen mit einer „sanften Agrarwende“ umsteuern will, besonders am Herzen. Sorgen
macht dem Minister zudem, dass auch private Investoren Acker und Forst als profitable
Kapitalanlage entdecken und den Preiswettbewerb noch verschärfen.

Laut Meyers Ministerium sind die Pachtkosten für Ackerland allein von 2010 bis 2013 um 22
Prozent hochgeschnellt. Bei den Kaufpreisen betrug die Steigerungsrate seit 2006 etwa 85
Prozent, wie der Obere Gutachterausschuss für Grundstückswerte festgestellt hat, der in
Niedersachsen für Transparenz auf diesem Markt sorgen soll.

In manchen Regionen wie in Friesland haben sich die Kaufpreise mehr als verdoppelt,
teilweise sogar verdreifacht. In der Spitze werden Preise bis zu 60 000 Euro für den Hektar
Land bezahlt, wie Thorsten Hiete, Chef der Niedersächsischen Landgesellschaft (NLG),
berichtet. Die mehrheitlich dem Land gehörende NLG betreibt als gemeinnütziger
Dienstleister das Grundstücksmanagement für die Entwicklung der Agrarstruktur im Land.
Noch in Ordnung sei „die Welt südlich der A 2“, weil es hier wie in der Region Hannover
bislang kaum Tierhaltung und erst wenige Biogasanlagen gebe, sagt Hiete.

Trotzdem spricht der NLG-Chef von einer „ungesunden Entwicklung für die Landwirtschaft“.
Deshalb hat Minister Meyer der Bodenspekulation den Kampf angesagt - und scheut auch
keine gesetzlichen Maßnahmen, um „bäuerliche Betriebe“ besser zu schützen. Zurzeit prüfen
seine Beamten außer einer Pachtpreisbremse ein eigenes Grundstücksverkehrsrecht, das
Landwirten ein „wirksames Vorkaufsrecht“ sichern soll.

Das Landvolk, die Agrarlobby in Niedersachsen, die auch die Interessen der großen Betriebe
vertritt, scheint sich nicht querlegen zu wollen. Man sei sich einig, dass das bisherige Gesetz
„als Steuerungsinstrument seine Wirkung verfehlt und reformiert werden muss“, sagt Meyer.
Auch jetzt gibt es ein Vorkaufsrecht für Bauern. Aber der Erwerber müsse den vom Verkäufer
verlangten Preis zahlen, sagt NLG-Chef Hiete. Daher sei das Vorkaufsrecht bisher kaum
geeignet, die Preise zu deckeln. Laut Hiete gibt es aber die Möglichkeit, bestimmte Geschäfte
zu unterbinden - „wenn ein Kaufpreis mehr als 150 Prozent über dem örtlichen
Vergleichswert liegt“. Man könne dann auf 120 Prozent deckeln. „Das wirkt wie eine
Kaufpreisbremse.“ Das wäre eine einschneidende Maßnahme, wie der NLG-Chef sagt, aber
angesichts der Lage durchaus „angesagt“. Ob es dazu kommt, ist fraglich. So ließe sich die
Entwicklung der Betriebe und die Agrarstruktur in Richtung kleinerer Höfe steuern. Doch
eine solche Beschränkung ihrer Entfaltungsmöglichkeiten würden etliche Landwirte kaum
kampflos hinnehmen.

Milchbauer Ilchmann meint, viele machten sich nicht klar, dass „jeder große
Wachstumsschritt direkt in die Abhängigkeit von Banken und Verpächtern führt“. Ilchmann
hält das für die „falsche Philosophie“. Er hat die gleiche Betriebsgröße wie vor 25 Jahren. Er
habe damit ein gutes Auskommen, keine Schulden und gerade einen neuen Traktor „bar
bezahlt“. Alles darüber hinaus sei Gier.

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