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Alle Rechte vorbehalten. © Haufe Verlag. Download vom 13.10.2023 11:06 von www.wiso-net.de.
Innovationen in einer
vernetzten Welt
Technologien und Geschäftsmodelle für Unternehmen
im neuen Jahrzehnt
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Innovationen in einer
vernetzten Welt
Technologien und Geschäftsmodelle für Unternehmen
im neuen Jahrzehnt
1. Auflage
Haufe Group
Freiburg · München · Stuttgart
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Würdigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Über dieses Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Übersicht über Fallbeispiele, Szenarien, Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
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Inhaltsverzeichnis
10 Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
10.1 Mobilitätsprobleme im Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
10.2 Entwicklungsstand der Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
10.2.1 Entwicklungsstand der personenbezogenen Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . 278
10.2.2 Entwicklungsstand der wirtschaftlichen Mobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
10.3 Gestaltungsansätze der Future Mobility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
10.3.1 Vernetzte Infrastruktur zur Verkehrssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
10.3.2 Die Zukunft der Mobilitätsdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
10.3.3 Inter- und multimodale Mobilität als neuer Standard . . . . . . . . . . . . . . . . 290
10.3.4 Urbane Logistik zukunftsfähiger gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
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Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
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Vorwort
In dieser Periode des Ausnahmezustands haben wir gleichzeitig gelernt, dass plötz-
lich Lösungen und positive Veränderungen in einer Schnelligkeit möglich sind, die
vorher undenkbar schienen: die rapide Entwicklung und massenhafte Produktion von
lebensrettenden Impfstoffen, die Umsetzung von Homeoffice und Homeschooling mit
neuen digitalen Werkzeugen oder die Onlineabwicklung von Behördengängen, die
uns noch vor kurzem viel Zeit gekostet hat.
In unserer Gesellschaft
Menschen stellen sich zunehmend die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit bzw.
ihres Lebens. Bei vielen geht es nicht mehr nur darum, einer Erwerbstätigkeit nachzu-
gehen, sondern sie wollen gezielt einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, der auf eine
nachhaltige Zukunft einzahlt. Auch im Privatleben ist dieser Trend zu erkennen, wie
die größere Wertschätzung für das Ehrenamt zeigt. Es ist zu hoffen, dass immer mehr
Menschen Verantwortung übernehmen, sich engagieren und Teil der Lösung werden.
In unserem Bildungswesen
Die Coronakrise hat die Defizite in unserem Bildungssystem schonungslos offengelegt,
von den Schulen, über die Hochschulen bis hin zu den Betrieben. Lehrende hatten
oftmals nicht ausreichende Kompetenzen und Erfahrungen für den Onlineunterricht.
Schülern, Lehrern und Berufstätigen fehlten oft die notwenige digitale Ausstattung
und Infrastruktur. Kinder waren während der Homeoffice-Zeiten ihrer Eltern häufig
auf sich selbst gestellt. Auch die Eltern stießen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.
Und viele Fach- und Führungskräfte waren überfordert, unter den neuen Rahmenbe-
dingungen zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig haben viele den Weckruf in der Krise
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Vorwort
gehört und viele Unternehmen und Bildungseinrichtungen haben sich auf den Weg
Richtung digitaler Zukunft gemacht.
In der Wirtschaft
Der deutsche Mittelstand war immer das Rückgrat unserer starken Wirtschaft und
Basis für unseren Wohlstand. Um noch resilienter zu werden und im globalen Wett-
bewerb weiter zu bestehen, sollten unsere kleinen und mittleren Unternehmen diese
Krise als Chance begreifen und insbesondere den Digitalisierungsschub der letzten
Monate noch stärker vorantreiben. Dazu ist es notwendig, dass die Kompetenzträger
ihre Kräfte weiter bündeln und wir nicht nur die notwendigen Ressourcen wie Tech-
nologien und Kapital zusammenbringen, sondern auch Talente finden und fördern.
Der wichtigste Motor für den innovativen Fortschritt bleibt dabei das unternehmeri-
sche Handeln. Starkes Unternehmertum fußt auf leistungsfähigen Ökosystemen, die
Menschen und Ressourcen regional, national und global gut vernetzen. München und
Berlin sind aktuell die treibenden Innovations- und Start-up-Cluster. Deutschland
braucht noch viel mehr solcher herausragender unternehmerischer Leuchtturmregio-
nen, um im globalen Innovationswettbewerb bestehen zu können. Auch hier braucht
es eine gemeinsame Kraftanstrengung zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.
Dieses Buch gibt einen guten Überblick über die enormen Innovationspotenziale des
angehenden Jahrzehnts und darüber, welche Lehren wir noch ziehen und welche
Aufgaben wir für eine nachhaltige Zukunft angehen sollten. Die Kapitel zeigen viele
praktische Beispiele, Hilfestellungen und Werkzeuge auf und animieren zum Unter-
nehmertum.
Letztendlich liegt es an uns allen, die Zukunft positiv zu gestalten. Lassen Sie uns ge-
meinsam die Chancen zu mehr Innovation und Unternehmertum ergreifen und ein
Umfeld schaffen, das die nächste Generation von unternehmerischen Menschen op-
timal fördert.
UnternehmerTUM
Center for Innovation and Business Creation at Technische Universität München (TUM)
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Würdigungen
Wolfgang Müller-Pietralla
Head of Future Research, Volkswagen AG
In den letzten Jahren haben Themen wie Nachhaltigkeit, Globalisierung und soziokul-
turelle Aspekte von Nutzeranforderungen ein neues Innovationsverständnis – jenseits
von rein technischen Innovationen – gefördert. Soziale Innovation, Open-Innovation,
Low-Tech-Innovation, frugale Innovationen und Dienstleistungsinnovationen haben
das traditionelle Verständnis von Innovationen abgelöst. Damit haben sich auch Inno-
vationsprozessmodelle verändert, insbesondere im Hinblick auf Strukturen und Funk-
tionen eines Innovationssystems, sowie die Rollen der Innovationsakteure. Ein neuer
sozioökonomischer Ansatz für die integrale Gestaltung sektoraler und technologi-
scher Innovationen wird immer wichtiger. Auch zivilgesellschaftliches Engagement im
Kontext spezifischer Problemlösungen beeinflusst zunehmend das Innovationssys-
tem. Die vielfältigen Motive der Akteure, sich in den Innovationsprozess einzubringen,
gilt es zu verstehen, um neue Innovationskapazitäten zu mobilisieren.
Dieses Buch leistet hierzu einen herausragenden Beitrag. Es gibt Einblicke in die Viel-
falt der Innovationskonzepte und deren Realisierung, befasst sich mit ihrem Impact
sowie mit Innovationskooperationen mit Partnern aus Politik, Wirtschaft, Bildungs-
einrichtungen und diversen Communities sowie Privatpersonen als eine neue Art der
Innovation, Produktion und des Konsums. Ich bin davon überzeugt, dass durch die
Vielfalt der Fallstudien das kreative Potenzial der Designer und Ingenieure angeregt
wird, die künftige Welt ganzheitlicher und in langfristigen Zeithorizonten (20–100 Jah-
re) zu denken. Ebenso wie Unternehmer heute motiviert werden, entschlossene
Schritte in Richtung transformativer Innovationsökosysteme umzusetzen und damit
die erforderlichen Innovationen für eine digitale und nachhaltige Zukunft auf den Weg
zu bringen.
Barbara Bergmeier
Executive Vice President, Head of Operations, Airbus Defence and Space
Mit einer starken europäischen DNA hat Airbus die kulturellen Unterschiede zwischen
den vier europäischen Kernländern erfolgreich gemeistert und gelernt, die daraus
erwachsenden Herausforderungen in Kreativitäts- und Innovationspotenziale umzu-
wandeln. Um die Agilität und Flexibilität des Geschäftsmodells im Allgemeinen und
in den Produktionsprozessen im Besonderen weiter zu erhöhen und neue Ansät-
ze zu entwickeln, wendet sich Airbus auch an die lokalen Akteure des Ökosystems.
Dieses Buch spiegelt die Dualität der Entwicklung der Zusammenarbeit auch mit un-
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Würdigungen
gewöhnlichen Partnern und des Schaffens einer neuen kulturellen Grundlage inner-
halb von Organisationen wider, um dieses neue Wissen erfolgreich und nachhaltig zu
integrieren.
Digitalisierung und Vernetzung haben die Welt in den letzten 30 Jahren erkennbar
verändert und es ist davon auszugehen, dass die digitale Transformation von Wirt-
schaft und Gesellschaft noch mindestens 30 weitere Jahre andauern wird. Wie lange
genau, wissen wir nicht, und viel weiter als 10 Jahre können wir kaum in die Zukunft
blicken. Aber genau das sollten wir tun, denn nur wenn wir die zentralen Trends in der
Technologieentwicklung, der Gestaltung von Innovationen und Geschäftsmodellen,
der Organisation von Arbeit und andere gesellschaftliche Veränderungen kennen und
verstehen, können wir die digitale Transformation aktiv gestalten. Zukunft ist nichts,
was einfach »passiert«, sondern es liegt an uns, aus der Vielzahl möglicher »Zukünfte«
diejenige zu wählen, die unseren Bedürfnissen und Werten am besten entspricht.
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Dieses Buch soll begeistern. Es soll den Entdeckergeist in uns wecken für die fantasti-
schen Innovationspotenziale, die das kommende Jahrzehnt für uns bereithält. Innova-
tionen, die Menschheitsprobleme lösen und uns die Nachhaltigkeit erreichen lassen.
Mit führenden Experten entwickeln wir ein Bild für die Welt im Jahr 2031, gespeist
aus einer positiven Vision für die Entwicklung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Wenn wir etwas zur Erhaltung der Welt und der Rolle Europas in diesem Kontext tun
wollen, brauchen wir einen neuen Aufbruch, der gleichzeitig technologische, nachhal-
tige und soziale Ziele verbindet.
Im letzten Buchprojekt mit dem Titel »Neues unternehmerisches Denken« haben wir
uns dem »Entrepreneurial Spirit« gewidmet, den wir benötigen, um unsere Zukunft
erfolgreich zu gestalten. Mit dem richtigen Mindset fängt jede Reise an und die innere
Haltung trägt dann auch durch schwieriges Terrain auf dem Weg zum Erfolg. Nachdem
wir so die Voraussetzungen für einen innovativen Aufbruch geklärt haben, lag es auf
der Hand, jetzt konkret auf die Innovationspotenziale in den verschiedenen Branchen
einzugehen, um so Anregungen für die (neue) strategische Ausrichtung von Unterneh-
men zu geben. Wir haben uns dazu die Zeitspanne des aktuellen Jahrzehnts bis in das
Jahr 2031 gegeben, da die maßgeblich wirksamen Innovationen im Jahr 2031 heute
angestoßen werden und somit einen konkreten Handlungsbedarf beschreiben. Dies
entspricht der sogenannten »Moonshot-Distanz«, die am 25. Mai 1961 in einer Rede
von John F. Kennedy vor dem Kongress mit dem berühmten Satz »I believe that this
nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of land-
ing a man on the moon.« begann. Eine Zielsetzung, die die bekannte Technologie der
Raumfahrt um den Faktor 10x herausforderte, und somit eine Reise in ganz neue Di-
mensionen bedeutete. Es war eine mutige Ansage, die – wie wir alle wissen – 1969, am
20. Juli mit der Landung von Apollo 11 auf dem Mond umgesetzt wurde. Unvergessen
sind die Worte von Neil Armstrong bei seinem ersten Schritt auf die Mondoberfläche
«That’s one small step for a man, one giant leap for mankind!« Das war großes Kino für
die 600 Millionen Menschen, die das am TV-Bildschirm miterleben durften, und eine
fantastische technische Leistung, die eine ganze Generation begeistert hat.
Die aus der Mondlandung resultierenden Innovationen und die Geisteshaltung der
10x-Technologiesprünge waren dann auch der Grundstein für die Blüte des Silicon Val-
ley. Diesen Moonshot-Gedanken und die Begeisterung für den Aufbruch in das Neue
müssen wir heute in Europa wieder neu entdecken. Nur heißen die aktuell dringen-
den Herausforderungen nicht die Reise zum Mond oder zu fernen Galaxien, sondern
Digitalisierung und Nachhaltigkeit. In diesem Kontext stehen wir in der Tat wieder
vor einem Jahrzehnt des »Moonshots«, das durch neue Technologien wie Künstliche
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Intelligenz KI, Vernetzung durch 5G/6G und Augmented Reality geprägt wird. In der
Kombination der verschiedenen Technologien lassen sich heute noch kaum vorstell-
bare Innovationssprünge generieren, solange die verschiedenen Themen auch kon-
sequent vorangetrieben werden. Damit ergibt sich die große Chance, Nachhaltigkeit
nicht allein durch Verzicht, sondern maßgeblich durch Innovationen zu erreichen.
Neue Technologien und Produkte für Nachhaltigkeit haben zudem ein riesiges Poten-
zial für die Exportnation Deutschland. Allerdings müssen wir derzeit feststellen, dass
Europa im internationalen Wettbewerb zurückfällt und wir die Gestaltung der Zukunft
zunehmend den USA und China überlassen. Dies hängt zum einen mit einer gewis-
sen Wohlstandsträgheit zusammen, die durch Mut und Entschlossenheit für einen
neuen Aufbruch überwunden werden muss. Andererseits liegt es auch an Strukturen
und bürokratischen Prozessen auf nationaler und europäischer Ebene, die uns im Vo-
rangehen unnötige Fesseln anlegen. Dazu kommt ein Verständnis von Datenschutz,
das aktuellen Entwicklungsmöglichkeiten im Wege steht und in eine zukunftsfähige
Datenverantwortung überführt werden muss. Bei aller Selbstkritik und allem Zweifel
überwiegen dennoch die Chancen, durch ein Jahrzehnt der Innovationen eine Zukunft
für die nächsten Generationen zu gestalten – es mit Elan und Nachdruck anzugehen,
ist sicherlich die Grundvoraussetzung.
Bei diesem Projekt des Wissenstransfers der Hochschule Landshut haben sich en-
gagierte Studierende aus meiner Mastervorlesung »Führungskompetenzen« mit
ausgewiesenen Experten zusammengetan, um die verschiedenen Aspekte der »Inno-
vationen in einer vernetzen Welt« zu einem Gesamtwerk herauszuarbeiten. Das be-
deutet für alle Beteiligten ein hohes Maß an Engagement und Commitment. Es ist aber
gleichzeitig ein kreativer Prozess, der viel Spaß bereitet und in der Kombination beein-
druckende Ergebnisse generiert. Es ist ein Non-profit-Projekt, alle Einnahmen fließen
in die nächsten Projekte ein.
Bedanken möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen, die an dem erfolg-
reichen Zustandekommen dieses Buches mitgewirkt haben. Das sind zum einen die
engagierten Studierenden, die sich die Themenstellungen mit viel Neugierde und Elan
erarbeitet haben. Damit steht dieses Buch in der Tradition der Landshut Leadership
Buchreihe, in der bereits sechs Bände zum Themenkomplex Leadership in der Digita-
len Transformation entstanden sind. Zum anderen sind dies natürlich die Experten,
die sich trotz vielfältiger Verpflichtungen in ihrem angestammten Tagesgeschäft auf
einen intensiven Coachingprozess eingelassen haben und die Kapitel so finalisiert
haben, wie sie im Buch zu finden sind. Weiterhin gilt mein Dank Frau Dipl.-Ing. Dia-
na Tuczek (IKT) für die fortwährende Unterstützung und Inspiration. Ebenso danke
ich Herrn Felix Wimmer, cand. M. Eng., der sich um die redaktionelle Vorbearbeitung
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verdient gemacht hat. Schließlich gebührt Bettina Noé vom Haufe Verlag für das en-
gagierte Produktmanagement und Helmut Haunreiter für das aufmerksame Lektorat
mein Dank.
Möge dieses Buch einen kleinen Beitrag leisten, die Zukunft zu wagen.
Hubertus C. Tuczek
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Dieses Buch gibt einen Einblick in die Innovationspotenziale der nächsten Deka-
de. Aus einem breiten Blickwinkel heraus betrachtet es die verschiedenen Branchen
ebenso wie soziokulturelle Aspekte oder technologische Themen. Hieraus wird ein
Szenario für die Welt im Jahr 2031 gezeichnet, das sich aus einer positiven Vision für
die Entwicklung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit nährt.
Der Ausgangspunkt und die Motivation für dieses Buch besteht darin, einen Überblick
über die Vielfalt der Innovationspotenziale im nächsten Jahrzehnt – im Wesentlichen
getrieben durch die Digitalisierung – zu geben. Die Natur der Innovationsprozesse
hat sich insofern grundsätzlich gewandelt, als neue Geschäftsmodelle branchenüber-
greifend entstehen und somit weit über die eigene bekannte Industrie hinausgeblickt
werden muss. Um in dieser neuen, komplexen Arena des Wettbewerbes erfolgreich
sein zu können, empfiehlt es sich, sich mit geeigneten Partnern in Innovationsöko-
systemen zusammenzuschließen und Kräfte zu bündeln. Ein Stahlhandelskonzern
wie Klöckner muss sich heute mit potenziellen Wettbewerbern wie Amazon ausei
nandersetzen und Antworten darauf finden, wie er in Zeiten von Plattformökonomien
seinen Marktzugang künftig organisiert. Ebenso konkurrieren Firmen wie BMW oder
Volkswagen mit Google um das zukünftige Betriebssystem im Auto.
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neuen Ideen und neuen technischen Möglichkeiten anzugehen und so eine positive
Vision der Zukunft zu entwickeln.
Das Buch ist nach Themenschwerpunkten gegliedert. Daher ist es nicht unbedingt
notwendig, es durchgehend zu lesen. Es kann je nach konkreter Situation und aktu-
eller Problemstellung als Nachschlagewerk verwendet und nach Bedarf zur Hand ge-
nommen werden.
Im ersten Kapitel von Teil 1 entwerfen Ole Wintermann, Senior Project Manager bei
der Bertelsmann Stiftung, Nicolas Buchwald und Martin Lenger ein Bild von der Zu-
kunft im Jahr 2031, bei dem wir durch den konsequenten Einsatz der Möglichkeiten
der Digitalisierung die Nachhaltigkeitsziele erreichen. Als Grundlage für das Szenario
dienen die Thesen der Zukunftsstudie des Münchner Kreises und der Bertelsmann
Stiftung. Der Technologie der Künstlichen Intelligenz kommt dabei eine Schlüsselrolle
zu, um die Potenziale für mehr Nachhaltigkeit zu nutzen. Für Unternehmen bietet sich
die Möglichkeit, sich mit Pionierarbeit eine entsprechende Marktposition zu sichern.
Uwe Dumslaff, CTO und Executive Vice President bei Capgemini, widmet sich gemein-
sam mit Elisabeth Hauser und Christina Siwasch den gesellschaftlichen Auswirkun-
gen des Megatrends Digitalisierung. Sie beschreiben ein Zukunftsbild einer umfassend
vernetzten Gesellschaft. Die Gesellschaft 5.0 hat das Potenzial, Lebensqualität zu
verbessern und scheinbar unüberwindbare Probleme zu bewältigen, indem digitale
Technologien in die Gesellschaft integriert werden. Dabei ist eine positive Herange-
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hensweise an die Transformation durch alle Beteiligten von großer Bedeutung. Die
Voraussetzung dafür ist, die Digitalisierung als Chancengeber und Problemlöser an-
zuerkennen.
Das erste Hauptkapitel Leben und Arbeiten in einer vernetzten Welt wird durch Chris-
tian Mohr, Mitglied der Geschäftsleitung und Managing Partner bei UnternehmerTUM,
Silke Grimhardt und Matthias Niedermeier mit der Betrachtung von Ökosystemen
und ihrer Rolle für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen abgeschlossen. Das Zu-
sammenführen von Know-how verschiedenster Unternehmen bietet für alle Be-
teiligten enorme Potenziale und einen Mehrwert in jeglicher Hinsicht. Die daraus
resultierende Wechselwirkung soll allen Teilnehmern wirtschaftlichen Erfolg und
Wachstum über Jahre sichern. Das Kapitel gibt Aufschluss darüber, wie der Einstieg
für den Mittelstand erfolgreich gemeistert werden kann.
Die Digitalisierung der Industrie wird von Helmut Figalist, Chief Technology Officer
der Siemens Digital Industries, gemeinsam mit Verena Murer und Markus Huber
diskutiert. Im Zuge der digitalen Transformation und der fortschreitenden daten-
basierten Vernetzung in nahezu allen Industriezweigen wird der strategischen und
zielgerichteten Erfassung, Verwaltung und Analyse von Daten über die gesamte Wert-
schöpfungskette eine entscheidende Rolle beigemessen. Digital Twins, Smart Pro-
ducts, Additive Fertigung und Smart Factory sind die Bausteine der Industrie der
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Florian Nöll, Head of Innovation & Corporate Development bei PwC, Laura Reinsch
und David Fabian Leiner zeigen auf, dass es sich bei dem New-Work-Gedanken um
das Erschaffen eines grundlegend neuen Verständnisses von Arbeit handelt. Neue
Technologien, allumfassende Vernetzung und zunehmende Automatisierung ver-
ändern die Arbeitswelt und machen bestimmte Berufe und Aufgaben sogar gänzlich
überflüssig. Der zunehmende Wunsch nach Sinnhaftigkeit im eigenen Beruf verlangt
darüber hinaus eine Veränderung der bisherigen Arbeits- und Organisationsformen.
In ihrem Kapitel beschreiben die Autoren die Philosophie und die operative Imple-
mentierung von New Work in der Arbeitswelt.
Gemäß dem Motto »Innovationen geben der Zukunft eine Zukunft« befassen sich Wol-
rad Claudy, Geschäftsführender Gesellschafter der Familienholding Maffei & Co. sowie
des Accelerators m.partners, Katharina Kari und Sebastian Födlmeier mit Impact In-
novations und wie dadurch die UN-Klimaziele erfüllt werden können. Forciert durch
den »Green Deal« der EU spannt sich ein rasant wachsendes Ökosystem in diesem
Kontext auf. Es entsteht ein neuer Standard, an dem sich künftige Geschäftsmodelle
messen lassen müssen. Die Digitalisierung ist dabei das dominante Instrument, das
die nächste Dekade gestaltet und zahlreiche neue Ansätze einer nachhaltigen Ent-
wicklung generiert.
Tobias Reil, CEO bei Alternative Energy Driven Solutions, Helena Grzegorek und
Thomas Wohlmannstetter untersuchen in ihrem Kapitel, wie die steigenden Mobi-
litätsbedürfnisse der Gesellschaft und der Logistik auch zukünftig – und unter den
Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit und Ressourcenknappheit betrachtet – erfüllt
werden können. Eine effizientere Auslastung der vorhandenen Mobilitätsressour-
cen ist dabei essenziell. Die digitale Vernetzung der Infrastruktur und der Sharing-
Trend führen zu einem neuen Mobilitätsverständnis. Zum Erreichen einer inter- bzw.
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Eine der erfolgversprechendsten Technologien des 21. Jahrhunderts wird von Sieg-
fried Bialojan, Director EY Life Science Center, Franziska Köhr und Dennis Rudolf mit
dem Innovationspotenzial der Biotechnologie vorgestellt. Als eine zentrale Antriebs-
kraft bei der Entwicklung einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaft werden keinem
anderen Industriesektor so viele bahnbrechende Entwicklungen zugeschrieben wie
der Biotechnologie. Abbau von Mikroplastik, Tissue Engineering (Gewebezüchtung),
Artificial Meat (aus Zellkulturen), Wasserstoff aus Mikroalgen und neue Gewebe aus
Spinnenseide (Bionics) sind einige der aussichtsreichen Beispiele, die im Jahr 2031
bereits zur Realität gehören können.
Ihr
Hubertus C. Tuczek
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Thesen aus der Zukunftsstudie Es werden die zwei Thesen zu »Bewusste Ablehnung« 44
des Münchner Kreises II sowie »Versagen von Regulierung« behandelt.
Leben und Arbeiten im länd- Durch die zunehmende Digitalisierung und die Mög- 45
lichen Raum lichkeit die Arbeit von überall zu erbringen, wird das
Leben im ländlichen Raum immer beliebter.
Neue Formen digitaler Öko- Das Ziel, die bisher verfolgte Strategie in ein nachhalti- 48
nomie ges digitales Unternehmertum zu transformieren.
Thesen aus der Zukunftsstudie Es werden die zwei Thesen zu »Transparenz von 49
des Münchner Kreises III Arbeitsleistung« sowie »Neue Unternehmen mit hoher
KI-Durchdringung« behandelt.
Klassisches vs. Digitales Reise- Erklärung der Komponenten der Digitalisierung (Digi- 56
büro tization & Digitalization).
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Im Jahr 2030+ – Ein gewöhn- Familie Moretti zieht von Italien nach Deutschland, 67
licher Tag das vernetzt und hochinnovativ ist und in dem die Ge-
sellschaft 5.0 bereits etabliert ist.
Mobilität und Urbanisierung in Wir begleiten Samuels Alltag in der Stadt, der stark 73
den Jahren 2030+ von Innovationen und der fortschreitenden Digitalisie-
rung geprägt ist. Auch Alessia’s Leben auf dem Land
hat sich stark verändert. Sie nutzt die Vorzüge der neu
gewonnenen Mobilität in der Zukunft.
Greeencitysolutions – für bes- Der CityTree von Greencitysolutions ist ein Bio-Tech- 77
sere Luftqualität in Städten Filter, der zu einer nachweisbaren Verbesserung der
Luftqualität führt.
Blutproben per Drohne Eilige Proben können per Drohne bei nahezu jeder Wit- 78
terung schnell und sicher transportiert werden.
Fearless – Die Zukunft der Das innovative Start-up cogvis entwickelte einen in- 80
Pflege telligenten Bewegungssensor für die Pflege, der eine
qualitativ hochwertige Betreuung gewährleistet und
zu einer Effizienzsteigerung führt.
Soziale Innovationen geben Die Chancen und Risiken bei der Verwendung von so- 81
Lebensqualität? zialen Innovationen in der Pflege werden anhand von
zwei Technologien beleuchtet.
Kry – gesund, munter, fit Die App von dem schwedischen Unternehmen Kry er- 84
möglicht einen reibungslosen und einfachen Ablauf
von Videosprechstunden.
Big Data und KI – Die Zukunft Das Start-up Merantix Healthcare und das Partnerpro- 86
von morgen jekt CancerScout erzielen durch die Verwendung von
Big Data und KI eine Effizienzsteigerung in der Krebs-
diagnostik und -behandlung.
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Innovative Ökosysteme und Zusammenschluss von Ökosystemen aus Startups und 101
Mittelstand Mittelstand.
Judith Gerlach: «miagehn. Statement von Judith Gerlach zur digitalen Nachbar- 106
online« schaftshilfe #miagehnonline.
Die Zukunft des Familien- Die Ausrichtung eines Familienunternehmens in eine 110
unternehmens erfolgreiche Zukunft.
Ein typischer Samstagmorgen Gedankenspiel, wie ein Samstagmorgen der Zukunft 116
aussehen könnte.
Ein typischer Samstagmittag Gedankenspiel, wie ein Samstagmittag der Zukunft 123
aussehen könnte
VR-Unterhaltung auf der Rück- VR-Gaming Erlebnis im Auto mittels Echtzeit Fahr- 125
bank des Autos daten.
Ein untypischer Samstag- Gedankenspiel, wie ein Samstagabend der Zukunft 132
abend aussehen könnte
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Dr. Nils Petersen – PTC Interview mit Dr. Nils Petersen zum Potential der Aug- 145
mented Reality Technologie mit intelligenter Software
Prof. Dr. Ingo Timm – DFKI Interview mit Prof. Dr. Ingo Timm zum Forschungs- 148
projekt SOSAD.
Bauunternehmen Stroll GmbH Der Bauunternehmer Günther Stroll betreibt seine 152
Baustellen mit vollautonomen Baustellenfahrzeugen.
Winzerin Cordula Scholz Ein Winzerehepaar betreibt eine Flotte von auto- 156
nomen Feld-Robotern für die Bewirtschaftung ihre
Weinberge.
Fendt Feldroboter, Projekt Beschreibung von Agrarrobotern, die mit Hilfe von 158
Xaver Schwarmtechnologie landwirtschaftliche Felder be-
arbeiten.
App »Plantix« des Unterneh- Darstellung einer Smartphone-App, mit der Pflanzen 160
mens PEAT GmbH per Foto analysiert und ihr Gesundheitszustand diag-
nostiziert werden kann.
Ambulante Pflegerin mit Ein ambulantes Pflegeszenario, bei dem eine Pflegerin 161
ihrem Assistenten bei ihrer Arbeit von einem humanoiden Roboter unter-
stützt wird.
Der Serviceroboter »Pepper« Beschreibung eines sozialen humanoiden Roboters für 165
von Softbank Robotics einfache Interaktionen mit dem Menschen.
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Fit für den Winter per Maus- Vorinstallierte Premiumausstattung im Fahrzeug er- 172
klick im Jahr 2031 möglicht Anna Wagner das bequeme Nachrüsten per
Mausklick.
Maßgeschneiderte Brille als Start-Up fertigt maßgeschneiderte Brillen mittels 3D- 174
Eyecatcher – »Topology Eye- Scan des Gesichts.
wear«
Teslas »Gigafactory« – Batte- Durch modernste Technik und intelligente Zusam- 178
riefabrik der Superlative menarbeit von Mensch und Maschine erreicht Tesla
in seiner Gigafactory in Nevada ein neues Maß der
Produktivität.
Smart Gripping – autonomes Neue Greif- und Spanntechnik bei Schunk nutzt Künst- 180
Greifen mit KI liche Intelligenz für autonome Handhabung unabhän-
gig der Bauteilgeometrie.
Professor Dr. Jörg Franke zum Interview mit Professor Dr. Jörg Franke zum 3D-Druck 181
3D-Druck der Zukunft der Zukunft.
Neue Produktivität mit Aug- Dank AR werden einem Monteur die nötigen Arbeits- 182
mented Assembly schritte und Materialien direkt in sein Sichtfeld proji-
ziert und ermöglicht dadurch fehlerreduzierten Einbau
bei Spezialanfertigungen.
Franz Weghofer zum »Status Bei Magna Steyr wird bereits heute eine Vielzahl in- 184
quo« der Smart Factory novativer Technologien konsequent eingesetzt und
weiterentwickelt.
Franz Weghofer zum »New Eine Verzahnung zwischen virtueller und realer Welt 186
Normal« der Smart Factory wird das »New Normal« einer wandlungsfähigen und
agilen Produktion darstellen.
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Dareto zum Potential des Di- Ein prozessübergreifender Digitaler Zwilling ermög- 189
gital Twin licht eine flexible und branchenübergreifende Anpas-
sung von Prozess- und Ablaufgeschwindigkeiten.
Siemens: Mehr Effizienz für Smarte Sensoren speichern »Vitaldaten« von Motoren 191
Antriebskomponenten und lassen den Anlagenbetreibern aus den Betriebs-
zuständen bedarfsgerechte Servicemaßnahmen ab-
leiten.
Dr. Martin Hedges zur Techno- Interview mit Dr. Martin Hedges zur Technologie des 192
logie des Elektronik-Drucks Elektronik-Drucks.
7 Innovationen im Bildungssystem
Lotta und Klicks Ein Kinderbuch, das schon in frühen Jahren Kindern 206
Digitalkompetenzen in Verbindung mit analogen Me-
dien beibringen soll.
Schule im Jahr 2020 – Heraus- Im Jahr 2020 müssen sich Lukas und Marie durch die 207
forderung Homeschooling Corona-Pandemie mit neuen digitalen Herausforde-
rungen auseinandersetzen.
Schule im Jahr 2031 – Selbst- Im Jahr 2031 läuft der Lernalltag von Lukas und Maria 211
bestimmung statt Lehrplan anders ab. Praxisbezug, Selbstbestimmung und Men-
toren treten anstelle von Lehrplan und Schulalltag ein.
Taskbase – E-Learning mithilfe Taskbase nutzt Machine Learning bei der Umsetzung 213
von KI von E-Learning Inhalten für verschiedene Anwen-
dungsgebiete.
HyperMind: Das intelligente HyperMind ist ein digitales Schulbuch, das mithilfe 215
Schulbuch von innovativen Technologien die Leser unterstützt
und das Gelesene vertieft.
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Flipped Classroom – Das Kon- Moderne Unterrichtsmethode, bei der das gewöhnli- 217
zept der umgedrehten Lehre che Konzept von Schulunterricht umgekehrt wird.
Udacity – Online-Bildung für Video-Kurse, um sich eine Vielzahl von Inhalten selbst 219
alle? beizubringen.
8 New Work
Jeannette Goecke, SupraTix Gedanken zu den Auswirkungen von Covid-19 auf die 231
Entwicklung von New Work
Dominik Pötsch, Arthur Tech- Vorstellung von Arthur Technologies sowie Gedanken 234
nologies zur Entwicklung von New Work und das »New Normal«
in 10 Jahren
Jeannette Goecke, SupraTix Vorstellung von Supratix sowie Gedanken zur Ent- 235
wicklung von New Work und das »New Normal« in
10 Jahren
Vanessa Moll, MatchManao Vorstellung von MatchManao sowie Gedanken zur 236
Entwicklung von New Work und das »New Normal« in
10 Jahren
Klaudia Bachinger, WisR Vorstellung von WisR sowie Gedanken zur Entwicklung 237
von New Work und das »New Normal« in 10 Jahren
Marc-Angelo Bisotti, ApoQlar Vorstellung von ApoQlar sowie Gedanken zur Entwick- 240
lung von New Work
Jonathan Muck, Ada Vorstellung von Ada sowie Gedanken zur Entwicklung 241
von New Health und das »New Normal« im Gesund-
heitssektor in 10 Jahren
9 Impact Innovation
Das Jahr 2021 Kwame arbeitet auf der Elektroschrottdeponie in Gha- 247
na und bekommt hier die Schattenseiten der Digitali-
sierung zu spüren.
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made of air Made of air nutzt CO2 zur Herstellung eines vielfältigen 259
und nachhaltigen Rohstoffs.
Oma Greta Oma Greta zeigt wie sie trotz ihres fortgeschrittenen 263
Alters Teil der Digitalisierung sein kann und auch so
deren Vorteile für sich zu nutzen vermag.
Eric Gehl, Gründer und CEO Herr Gehl ermöglicht einen Einblick in sein Unterneh- 264
von Hakisa men und zeigt, wie er so zu einem positiven Einfluss
auf die Zukunft beitragen möchte.
Martin Baart, Gründer und Mission des Unternehmens und wie sich aktuelle 270
CEO von Ecoligo Trends auf das Start-Up auswirken.
Das Jahr 2031 Kisi, 13-Jahre, aus Ghana, ist auf dem Heimweg von 272
der IT-Schule, in der sie programmieren lernt.
10 Mobilität
Mobilitätsprobleme im Alltag Familie Müller wohnt in einem Vorort von München 275
und erfährt Mobilitätsprobleme in ihrem Alltag.
Urbane Logistik 2030 in Studie über die Urbane Logistik im Jahr 2030, die in 282
Deutschland vier mögliche Szenarien unterteilt wird. Diese ergeben
sich aus den Dimensionen Regulierung und Koopera-
tion.
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Zoox als RideHailing-Anbieter Vorreiter auf dem Gebiet des autonomen Fahrens. 287
Der Kunde soll ein autonomes, elektrisch fahrendes
Auto zur Verfügung gestellt bekommen und keine War-
tungsfunktionen am Auto übernehmen müssen.
Mobilitätsplattform Whim Ein Algorithmus der App »Whim« berechnet die beste 290
Kombination aus Dienstleistern und ÖPNV Angeboten
um von A nach B zu kommen.
Clean Logistics Das Joint Venture hat das Projekt ins Leben gerufen, 294
40-Tonnen-LKW auf umweltschonende Wasserstoff-
Hybrid-LKW umzurüsten. Dies gelingt mittels einer
emissionsfreien Brennstoffzellentechnologie sowie
Hochleistungsbatterien.
TETEC AG – neue Heilungsme- Beispiel eines deutschen Unternehmens, das bereits 305
thode für Knorpelschäden heute im Bereich Tissue Engineering tätig ist und inno-
vative Technologien zur Heilung durch körpereigenen
Gewebeersatz entwickelt.
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CRISPR-Therapeutics heilt Neuartige Zelltherapie, bei der durch Isolation und 306
Erbkrankheiten anschließender Reparatur von körpereigenen Stamm-
zellen bisher tödliche Erbkrankheiten geheilt werden
können.
mRNA-Impfstoffe – Durch- Von der Idee bis zum fertigen Impfstoff gegen SARS- 308
bruch in der Pandemie CoV2 in weniger als einem Jahr.
Restaurantbesuch im Jahr Clara und Paul erinnern sich bei ihrem jährlichen 308
2031 Restaurantbesuch im Steakhaus an vorherige Besucht
und vergleichen das Angebot.
Mosa Meat – Pionier für Artifi- Das bahnbrechende Unternehmen Mosa Meat stellt 310
cial Meat den ersten künstlichen hergestellten Burger vor und
arbeitet weiterhin an der Markteinführung.
Mikroorganismen als Plastik- Umweltfreundlicher Bioreaktor zum Abbau von Plas- 312
fresser tikabfällen.
Mikroalgen als Energielie- Mikroalgen erzeugen Biogas, welches unter Anderem 314
ferant der Zukunft und weit der Stromerzeugung dienen könnte.
mehr?
Amsilk, Pionier biotechnisch Beispiel eins Unternehmens, das Spinnenseide bio- 316
hergestellter Spinnenseide technisch herstellt und damit viele unterschiedliche
Anwendungsgebiete abdeckt.
Szenario 2031 Kritischer Blick auf eine mögliche Zukunft des Energie- 322
systems im Jahr 2031.
Ein Nobelpreis für Li-Ionen Eine bereits Jahrzehnte bekannte Technologie mit 328
Batterien Zukunftspotential.
Advanced Microgrids in der Eine Technologie mit Potential zur Stabilisation des 340
Industrie 2031 Stromnetzes.
Wohnen 2031 Das Leben einer Familie in einem Smart Building im 343
Jahr 2031.
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Zusammenfassung
Wir schreiben das Jahr 2031. Mithilfe der Digitalisierung wurden in den letzten
10 Jahren globale Probleme wie der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität
angegangen. Es zeichnet sich nunmehr eine leichte Entspannung der weltweiten Be-
drohung der Existenz der Menschheit ab. Wie konnte diese Entspannung konkret er-
reicht werden? Welche Maßnahmen wurden zu Beginn der 2020er Jahre initiiert? Mit
diesen Fragen befasst sich das vorliegende Buchkapitel. Es ist ein positives Szenario
der Verschmelzung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit und vermittelt damit eine
Zukunftsperspektive, für die es sich lohnt zu leben.
Schlüsselbegriffe
Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Selbstbestimmung, Biodiversität,
Kreislaufwirtschaft, Sharing Economy, Ressourceneffizienz,
Gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, Biodiversität, Klimawandel
1.1 Ausgangssituation 2020/2021
Die Welt befindet sich auf einem Scheideweg. Auf einem Scheideweg, der darüber
bestimmt, wie wir in den Jahren 2030+ leben, arbeiten und lernen werden. Bis dahin
werden uns vielfältige (Mega-)Trends begleiten, aber ganz entscheidend wird es sein,
auf diesem Weg die großen, mächtigen Themen der Nachhaltigkeit und Digitalisierung
in den Fokus zu stellen und sie nicht weiter vor uns herzuschieben.
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Das Krisenjahr 2020 diente aufgrund von SARS-CoV-2 bereits als Katalysator für die
Digitalisierung wie kein zweites Jahr davor. Immer mehr Unternehmen interessieren
sich mehr und mehr dafür, denn: Die Technologie wird die Märkte von morgen ent-
scheidend prägen und über die künftigen Marktanteile mitentscheiden. So sehr die
Digitalisierung heute im Jahr 2020/2021 endlich flächendeckend in Deutschland vo
rangetrieben wird, so notwendig ist der gleiche Enthusiasmus in Bezug auf die Nach-
haltigkeit. Es wird immer deutlicher, dass unsere Art, zu leben und zu wirtschaften,
negative Folgen für unseren Planeten hat. Allerdings birgt die Digitalisierung ein er-
hebliches Potenzial, das wir für die Nachhaltigkeit nutzen können und auch müssen.
Die bisherige Entwicklung zeigt, dass die Nachhaltigkeit gerade im individuellen Kon-
sum immer mehr zum Kriterium im Wettbewerb wird. Für Unternehmen bietet sich
hier die Möglichkeit, Pionierarbeit zu leisten und den nachhaltigen (digitalen) Konsum
entsprechend zu unterstützen.
Die künstliche Intelligenz 2 ist dabei die Schlüsseltechnologie der nächsten Jahre
schlechthin. Wer ihr Potenzial früher und konsequenter ausschöpft als die Mitbewer-
ber, gewinnt einen Vorsprung. Die KI kann auf vielfältige Weise verwendet werden und
nimmt gleichzeitig Einfluss auf entscheidende, weitreichende Bereiche. Wir entschei-
den, wie wir diese Technologie einsetzen und im Sinne des oben genannten Scheide-
wegs anwenden.
Im folgenden Szenario konzentrieren wir uns auf die Themenbereiche »Leben 2030+«,
»Arbeit 2030+« sowie »Bildung 2030+«. Dabei stellen wir immer wieder den Bezug zur
Nachhaltigkeit her und wie diese durch die Digitalisierung erreicht werden kann3 .
1.2 Szenario 2031
Als Grundlage für das folgende Kapitel dienen die Thesen der Zukunftsstudie des
Münchner Kreises und der Bertelsmann Stiftung. Zu Beginn eines jeden Kapitels wer-
den diese Thesen gesamtheitlich aufgelistet und es wird gekennzeichnet, wann mit
dem Eintreffen der These zu rechnen ist, und mit welcher Eintrittswahrscheinlichkeit
(kurz: EW) die These eintreten wird. In der Studie vom Münchner Kreis und der Bertels-
2 Was künstliche Intelligenz ist, welche Definition ihr zugrunde gelegt wird etc. lesen Sie im Kapitel
»Künstliche Intelligenz: Mensch-Maschine Kollaboration, Ausblick ›Augmented Intelligence‹« nach. Im
Folgenden geht es darum, den Einfluss der KI-Technologie bzw. von Digitalisierung im Allgemeinen auf
unser zukünftiges Leben anhand eines Szenarios darzustellen.
3 Dieses Szenario soll den Grundton für dieses Buch festlegen und als Hinführung zu allen Inhalten in den
folgenden Kapiteln dienen. Szenarien sind eine in die Zukunft gerichtete Analysetechnik. Im Gegensatz
zu Ex-Post-Analysen gibt es jedoch keine Empirie, auf die Bezug genommen werden könnte. Daher
arbeitet man in der Szenario-Methode mit Plausibilitäten, die als objektive Grundlage für Einschätzungen
zukünftige Entwicklungstrends beinhalten, dann aber subjektiv bewertet werden.
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mann Stiftung finden sich u. a. die Thesen, von denen angenommen wird, dass sie vor
dem Jahr 2030 eintreten werden4 .
1.2.1 Leben 2031
Es ist 06:30 Uhr am Donnerstagmorgen, der 10.07.2031, und der Wecker klingelt. Müde
murmelt Jens Bauer vor sich hin: »Socian, mach den Wecker aus!«. Socian ist sein
persönlicher Assistent. Bereits am Vortag hat er mit ihm vereinbart, er solle ihn um
diese Uhrzeit wecken. Als Antwort hört er die Frage, ob er seinen Morgen wie üblich
mit seinem Lieblingsfrühstück beginnen möchte. Er bejaht dies und weiß, dass sich
Socian selbstständig darum kümmert, dass der Essbereich temperiert wird, der Kaf-
fee durchläuft und bereits die Eier und der Speck, hergestellt aus Tissue Engineering6 ,
nachbestellt werden, die er gleich für die Rühreier benötigt. Nachdem er sich angezo-
gen hat, greift er zu seiner Brille, setzt sie auf und fragt: »Wie wird das Wetter heute?«.
Die smarte Brille liefert sodann die gewünschten Informationen und stellt diese im un-
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mittelbaren Blickfeld zur Verfügung. Der Tag soll sonnig und angenehm warm werden.
»Dann kann ich heute bei dem Wetter nach der Arbeit ja noch meinen Rasen mähen«,
denkt er sich. Einen eigenen Rasenmäher besitzt Jens aber nicht. In dem Dorf auf dem
Land, in dem er wohnt, gibt es einen Geräteschuppen, in dem alle notwendigen Gerä-
te vorhanden sind und nach dem Sharing-Prinzip jedem Anwohner per Reservierung
zur Verfügung stehen. Per App sichert sich Jens also für eine bestimmte Uhrzeit den
dorfeigenen Rasenmäher. Ein Glück, dass sich diese Technologie wie viele andere in
den letzten Jahren so weit entwickelt hat, dass sie für den Endkunden verfügbar sind7.
»Socian, greif doch mal auf meine persönliche Cloud zu und spiel über die Lautspre-
cher meine Lieblingsplaylist ab.« Und sofort schallt es aus den Boxen. Während Jens
sein Frühstück genießt, muss er lachend zurückdenken: »Ich verstehe gar nicht mehr,
warum ich anfangs dieser Technologie noch kritisch gegenübergestanden habe.« Für
seine Kinder, die Mitglied der neuen Generation KI sind, ist diese Morgenroutine schon
fast Normalität, wichtig war dabei insbesondere die herausragende Kommunikations-
fähigkeit von Socian, dem man nicht anmerkt, dass er eigentlich »nur« ein KI-System ist.
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Exkurs 1-2: Thesen aus der Zukunftsstudie des Münchner Kreises und der Bertelsmann Stiftung
Persönliche Assistenten (EW = 60 %): KI-basierte »persönliche Assistenten« kommunizie-
ren selbstständig und unabhängig mit anderen KI-basierten Systemen. Die Diskussion zu
diesem Thema ist in den letzten Jahren eine technische geblieben, hat aber zunehmend
auch den Nutzer ins Zentrum gestellt. KI-basierte persönliche Assistenten können positive
Auswirkungen für Wirtschaft und Gesellschaft haben, wenn die Gesellschaft deren Vor- und
Nachteile kennt und Rahmenbedingungen geschaffen werden, die v. a. die Verarbeitung und
Speicherung von Daten transparent eingrenzen. Eine internationale Standardisierung von
Schnittstellen ist v. a. für die Wirtschaft wichtig, um die Kommunikation zwischen den Assis-
tenten zu ermöglichen. Unternehmen sollten zudem darauf hinarbeiten, dass KI-Assistenten
sowohl Rechte durch den Nutzer bewusst übertragen bekommen als auch dem Nutzer ent-
sprechende Grenzen aufzeigen können.
Generation KI (EW = 50 %): Es wächst eine Generation auf, die völlig selbstverständlich und
intuitiv KI-Systeme als integralen Bestandteil ihres täglichen Lebens verwendet. Bei diesem
Thema sind aktuell die Gesellschaft und die Wirtschaft die Diskursgeber, wobei künftig v. a.
die Gesellschaft das Thema gestalten sollte, eine besondere Verantwortung wird hier den
Schulen zukommen.
Wettbewerbsfähigkeit (EW = 51 %): Unternehmen aus Deutschland, die keine KI-Techno-
logien nutzen, sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Maßgeblicher Diskursgeber heute und in
Zukunft ist die Wirtschaft, ein zunehmend wichtiger Teilnehmer ist der gesellschaftlich-poli-
tische Raum. Für die Politik/Wirtschaft bedeutet das, dass Kompetenzen in der Nutzung von
KI unmittelbar benötigt werden. Außerdem ist eine bildungspolitische Unterstützung zwin-
gend notwendig, um Arbeitsmarktstabilität und Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.
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Nachhaltigkeitsziele voran? Es besteht hierbei die Möglichkeit, auf den Konsumenten zuzu-
gehen und aufzuzeigen, wie viel CO2 bei der Produktion oder Dienstleistung emittiert werden.
Damit kann man sich ehrgeizige Ziele setzen und gleichzeitig von der Konkurrenz abgrenzen,
die diesen Weg nicht mitgehen will. Schon heute gibt es Anwendungen, wie z. B. Apps, die dem
Konsumenten zeigen, »ob Produkte ökologisch empfehlenswert sind«.
Gerade wird im Radio davon berichtet, dass der weltweite Rat sich wieder zu einem
mehrtägigen Ausschuss trifft, um die Einführung einer Kontrollinstanz, die so wich-
tig im Umgang mit künstlicher Intelligenz ist, zu diskutieren und voranzutreiben. Auf
diesem Wege soll ein Versagen von Regulierung verhindert werden. Eine weltweit ver-
stärkte Zusammenarbeit sei heute wichtiger denn je, um u. a. interkulturelle Konflikte
zielführend auflösen zu können.
Vor dem Tagungsgebäude, heißt es weiter in dem Bericht, versammeln sich erneut Geg-
ner der Technologie der künstlichen Intelligenz. Die Demonstrant:innen weisen auf die
Gefährlichkeit von KI hin und warnen davor, dass mit dieser Technologie kein selbstbe-
stimmtes Leben mehr möglich sei und die Gesellschaft künftig weiter in zwei Lager gespal-
ten werde. Diejenigen, die die KI-Technologie nicht verwenden und in das eigene Leben
integrieren, würden abgehängt, so die Befürchtung. Auch finden sich Verschwörungs-
theoretiker unter den Demonstranten, die von einer dystopischen Zukunft sprechen.
Nach dieser Meldung muss Jens kurz schmunzeln und denkt sich: »Das mit den Ver-
schwörungen und der Weltherrschaft einiger weniger kommt mir doch bekannt vor.«
An Socian gewandt sagt er lachend: »Warn mich bitte vor, wenn du vorhast, meine
Familie und mich zu unterwerfen!« Währenddessen bedeutet er seinen Kindern, sich
für die Schule fertig zu machen, die er sodann auf dem Weg zu seiner Arbeit vor der
Schule aussteigen lässt.
Exkurs 1-4: Thesen aus der Zukunftsstudie des Münchner Kreises und der Bertelsmann Stiftung
Bewusste Ablehnung von KI (EW = 42 %): In Deutschland hat die zunehmende Durchdrin-
gung vieler Lebensbereiche mit KI-Technologien dazu geführt, dass ein Großteil der Bürger
diese als eine Bedrohung empfindet und bewusst ablehnt. Bei der Diskussion über diese
These herrscht Einigkeit hinsichtlich der negativen Auswirkungen für Wirtschaft und Gesell-
schaft. Zukünftig sind v. a. Gesellschaft und Politik in der Pflicht, den Diskurs zu gestalten. KI-
Technologie scheint bislang sehr akademisch bzw. wissenschaftlich ausgeprägt (»KI-Blase«)
und ist noch nicht in der breiten Bevölkerung angekommen.
Durch eine gemeinsame, interdisziplinäre Aufklärungsstrategie können die positiven Aspek-
te von Digitalisierung und KI-Technologie herausgestellt werden.
Versagen von Regulierung (EW = 36 %): Die ordnungspolitische Kontrolle von KI-Systemen
hat in Deutschland versagt. Für die Wirtschaft werden dabei sowohl positive als auch nega-
tive Auswirkungen gesehen, die Konsequenzen für die Gesellschaft hingegen werden ein-
deutig negativ bewertet. Die Politik gilt dabei als zukünftiger Diskursgestalter, konkret die
Bundesregierung, aber auch das Europäische Parlament.
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1.2.2 Arbeit 2031
Zusammen mit seinen Kindern steigt Jens in seinen Wagen und fährt los11. Normaler-
weise sind auf der Straße nur noch autonome Fahrzeuge unterwegs, die Nutzung der
smarten Brille, die beim Fahren mit Informationen zum unmittelbaren Umfeld unter-
stützt, erlaubt es den Menschen aber, selbst zu fahren. Dabei dient die Frontscheibe
des Autos als eine Art Display. An Ampeln wird ihm bspw. die restliche Wartezeit an-
gezeigt, er wird darauf aufmerksam gemacht, falls sich eine Person oder ein Fahrzeug
auch während des Fahrens im toten Winkel befindet, und automatisch umgeleitet,
sollte sein gewöhnlicher Weg zum Arbeitsplatz durch einen Unfall etc. zu Verspätun-
gen führen. Normalerweise benötigt er nur ca. 45 Minuten, um vom Land zu seinem
Arbeitsplatz in der Stadt zu kommen, und das auch nur ein- bis zweimal pro Woche, da
Jens ansonsten im Homeoffice arbeitet.
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fährt selbstständig dorthin. Mithilfe von intelligenten Straßenlampen, die erkennen, wenn
sich eine Person oder ein Fahrzeug nähert, und dementsprechend heller aufleuchten, kann
Strom eingespart werden. Auch die automatische Temperatursteuerung in Gebäuden bietet
sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen die Möglichkeit, Heizkosten zu senken und
zugleich zur Nachhaltigkeit beizutragen.15
Auch beim Einkaufen wird IoT im Jahr 2031 nicht mehr wegzudenken sein. Mithilfe von
Kameras kann die Länge der Schlange an der Kasse analysiert werden, damit bei Bedarf
schnellstmöglich neue Kassen geöffnet werden. Die Anlieferung neuer Waren wird zukünftig
mit RFID-Tags überwacht. Zusätzlich sind Waren, die gekühlt angeliefert werden müssen, mit
einem Temperatursensor ausgestattet, der sicherstellt, dass sich die Temperatur in einem
festgelegten Bereich befindet.
Dies trägt zur Qualität der Lebensmittel bei und verhindert, dass Waren frühzeitig entsorgt
werden müssen. Auch der Einkauf von Kleidung kann durch IoT erleichtert werden. Im Jahr
2031 erfassen Kamerasysteme die Körperform der Kunden und geben darauf basierend Vor-
schläge, welche Kleidungsstücke passen. Dies erspart dem Kunden das lästige Anprobieren
von verschiedenen Größen.
Insbesondere in der Fertigung können Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil durch die
Implementierung von innovativen IoT-Techniken erzielen. Die kontinuierliche Überwachung
von Fertigungsanlagen mithilfe von Sensoren ermöglicht es, frühzeitig einen bevorstehen-
den Ausfall zu erkennen und somit eine proaktive Wartung von Maschinen durchzuführen.
Zusätzlich wird die Ausfallzeit der Fertigung verkürzt. Dies spart nicht nur Kosten und Zeit,
sondern verringert auch den CO2-Ausstoß, der bei der Fertigung von neuen Ersatzteilen ent-
stehen würde.
Anhand von Sensordaten zu Wetterbedingungen, Fahrzeug- und Fahrerverfügbarkeit in der
Logistik kann die Supply Chain effizienter gestaltet werden und die vorhandenen Ressourcen
können optimal genutzt werden. Mithilfe von GPS-Modulen ist eine Sendungsverfolgung je-
derzeit möglich, wodurch sich ein genauer Ankunftszeitpunkt von Fahrzeugflotten, Schiffen,
Zügen und Lkws berechnen lässt.
Smartwatches sind heute schon in der Lage, einen Sturz ihrer Träger zu erkennen und ge-
gebenenfalls einen Notruf abzusetzen. Zusätzlich wird die Herzfrequenz überwacht und die
Smartwatch erkennt, falls sich die Herzfrequenz unnatürlich verändert. Gerade für ältere
Menschen, die im hohen Alter noch zu Hause wohnen, bieten diese Funktionen eine gewisse
Sicherheit. Computer werden schon bald in der Lage sein, eine telemedizinische Diagnose
durchzuführen und die Gesundheitswerte zu überprüfen. Diese werden bei Auffälligkeiten an
einen Arzt übermittelt, der bei Bedarf eingreift.
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mit diesem Hintergrund zwölf Megatrends, die entsprechend dem anfangs gezeichneten
Szenario die Zielerreichung maßgeblich beeinflussen.
Nähert man sich den Schnittstellen von Digitalisierung und Nachhaltigkeit über den Mega-
trend der Neo-Ökologie, so lässt sich erkennen, dass folgende Trends in Verbindung dazu
stehen: Silver Society, Individualisierung (weiterführende Informationen siehe Kapitel 2
»Gesellschaft 5.0: Neues Normal in einer vernetzten Welt«), Gesundheit (siehe Kapitel 11
»Biotechnologie – Innovationstreiber für das 21. Jahrhundert«), Globalisierung (siehe Kapi-
tel 2 »Gesellschaft 5.0: Neues Normal in einer vernetzten Welt«), New Work (siehe Kapitel 8
»New Work«), Urbanisierung sowie Mobilität (siehe Kapitel 10 »Mobilität«). Die Silver Society
entwickelt sich aus einer stetig älter werdenden Bevölkerung bei gleichzeitig steigender An-
zahl an älteren Menschen. Die Frage ist hierbei, wie ein Unternehmen das Alter und Altern
in ein anderes Mindset umwandeln und den dabei entstehenden potenziellen Beitrag zur
Vitalisierung des eigenen Unternehmens nutzen kann. Der Megatrend Konnektivität, vom
Zukunftsinstitut als wirkungsmächtigster Trend bezeichnet, hat überraschenderweise somit
keine einzige direkte Verbindung zur Neo-Ökologie. Diese trügerische Lücke wird im Verlauf
dieses Kapitels mit entsprechenden Fallbeispielen geschlossen, indem aufgezeigt wird, wie
Digitalisierung mit Nachhaltigkeit vereint werden kann.
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und Produzent verschwimmen und durch digitale Technologien eben jene Konsumenten
zunehmend Produkte mitgestalten und -produzieren. Neben digitalen Gemeingütern, wie
z. B. Wikipedia oder OpenStreetMap, findet auch zunehmend eine kollaborative materielle
Entwicklung sowie Produktion Anwendung. Insbesondere sog. FabLabs (kurz für Fabrica-
tion Laboratories) sind ein ausgezeichnetes Format für die kollaborative Produktion. Ein
FabLab ist bspw. eine offene Werkstatt mit dem Ziel, Konsumenten den Zugang zu moder-
nen Fertigungsverfahren für Einzelstücke zu ermöglichen. Auf diesem Wege können die
Prosumenten, zu denen die Konsument:innen werden, individuelle Einzelstücke oder nicht
mehr verfügbare Ersatzteile herstellen. Somit unterstützen Unternehmen eine nachhaltige
Kreislaufwirtschaft.
Zur Erinnerung: Das Unternehmen, für das Jens arbeitet, ist ein Spezialist für be-
sondere Anforderungen im Halbleiterbereich und bringt regelmäßig neue Lösungen
auf den Markt, die speziell auf das IoT ausgerichtet sind. Die Firma setzt dabei stark
auf KI-Technologien im Unternehmensalltag. Dadurch, dass Jens in seinem Stu-
dium bereits viele Module belegt hatte, die ihn zu einem qualifizierten Mitarbeiter
im Umgang mit und im Verstehen von KI-Technologien entwickelt haben, konnte er
sich bereits auf der Karriereleiter ein Stück nach oben bewegen. Heute leitet Jens
ein Team von rund 15 Mitarbeitenden. An diesem Donnerstag steht u. a. wieder ein-
mal ein Feedbackgespräch mit seinen Mitarbeitenden an. Mithilfe von KI fällt es ihm
leichter, diese Gespräche zu führen. Denn mit der Nutzung dieser Technologie kann
er die Arbeitsleistung transparent aufzeigen und gezielt auf Stärken und eventuelle
Defizite eingehen.
Exkurs 1-9: Thesen aus der Zukunftsstudie des Münchner Kreises und der Bertelsmann Stiftung
Transparenz von Arbeitsleistung (EW = 59 %): Die Steuerung von Arbeitsaufgaben mittels
KI-Technologien hat den Menschen und seine Arbeitsleistung transparenter gemacht. In der
Wirtschaft muss die Personalführung durch KI in den öffentlichen Diskurs und nach nationa-
len und internationalen Standards reguliert werden. Beim Datenschutz muss sichergestellt
sein, dass jeder Arbeitnehmer stets Einblick und Einfluss auf über ihn gespeicherte Daten
hat.
Neue Unternehmen mit hoher KI-Durchdringung (EW = 52 %): In Deutschland entstehen
neue Unternehmen, in denen KI-Technologien in alle Bereiche des Unternehmensalltags
eingebunden sind und diese zum Teil entscheidend steuern. Für die Wirtschaft und Politik
gilt: Entscheidend ist die transparente Wirkungsweise der Algorithmen und die Frage,
wo und wie diese angewendet werden und wer letztlich für die Entscheidungen verantwort-
lich ist.
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1.2.3 Bildung 2031
Innerfamiliäres Lernen
durch KI
– EW 58%
Familieneigene KI-
Systeme
– EW 45%
Lebenslanges Lernen
durch KI
– EW 71%
KI Grundqualifikation
Arbeitnehmer
– EW 58%
KI-Grundkompetenz für
alle
– EW 52%
Staatliche KI-Kontrolle
– EW 48%
Selbstständige
Entwicklung von KI
– EW 48%
Bereits seit einigen Jahren finden Bewerbungsgespräche größtenteils mithilfe von Vi-
deomeetings statt. Aktuell ist Jens auf der Suche nach einem KI-Architekten. Dabei
handelt es sich um ein neues Berufsbild, das sich durch die hohe Dynamik im Bereich
der Digitalisierung und vor allem der künstlichen Intelligenz entwickelt hat. Mittler-
weile bieten sogar schon die ersten Hochschulen und Universitäten Studierenden an,
die auf dieses Berufsbild abzielen, um die Ausbildung der Studenten immer auf dem
neuesten Stand zu halten.
Jens macht sich bereits seit einigen Tagen Gedanken, wie er den Bewerber:innen sein
Unternehmen bestmöglich präsentiert. In letzter Zeit hat sich der Kampf um talentier-
te Arbeitskräfte drastisch verschärft, was dazu geführt hat, dass viele Unternehmen
mittlerweile aktiv nach geeigneten Mitarbeitern suchen. Aus seinem eigenen Umfeld
weiß er, dass nur noch kognitiv anspruchsvolle und kreative Tätigkeiten von Men-
schen ausgeführt werden, für den Rest sind KI-Systeme verantwortlich. Wenn Jens
an seine analoge Schulzeit zurückdenkt und diese mit der seiner Kinder vergleicht,
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wird ihm bewusst, wie sehr sich auch die Art der Bildung in den letzten Jahren geän-
dert hat. Während er noch stundenlang Gedichte auswendig lernen musste, um sein
Gedächtnis zu trainieren und Kopfrechnen geübt hat, lernen seine Kinder heutzutage
nur noch kulturelle Grundfertigkeiten wie Lesen oder Formulieren. Der Fokus in der
Schule liegt heutzutage stärker auf der Entwicklung von individualisierten und per-
sönlichen Fähigkeiten.
1.3.1 Digitalisierung
18 Um die Digitalisierung zugunsten von Nachhaltigkeit einzusetzen, hat das BMU die Umweltpolitische
Digitalagenda erarbeitet, in der strategische Grundsätze und Ziele sowie über 70 Maßnahmen definiert
wurden (BMU, 2020).
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als »digitale Umwandlung und Darstellung bzw. Durchführung von Information und
Kommunikation« oder als »digitale Modifikation von Instrumenten, Geräten und Fahr-
zeugen«19.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft greift in seinem Glossar zur
Erklärung wesentlicher Begriffe der Digitalisierung die oben stehenden Definitionen
auf und erweitert diese um das Ergebnis der Digitalisierung. Diese sind »Dateien, die
aus einer Folge von Bits und Bytes bestehen«20 .
Einen anderen Ansatz zur Definition verfolgt hingegen die Bertelsmann Stiftung. Die
Bertelsmann Stiftung geht neben der reinen Begriffserklärung einen Schritt weiter
und verbindet den Begriff »Digitalisierung« mit den einhergehenden Veränderungen
in den verschiedensten Gesellschaftsstrukturen. Die Digitalisierung verursacht nicht
nur Veränderungen in der Wirtschaft, sondern in gleichem Maße in den politischen,
sozialen und kulturellen Strukturen. Digitalisierung wird hierbei als Chance gesehen,
»mehr Dialog, Kooperation und Partizipation zu ermöglichen«, wobei alle Bürger am
technologischen Wandel teilnehmen müssen21.
Nur wenn die Digitalisierung nicht nur als technologischer Trend verstanden wird, der
gesondert in einem kleinen Wirkungskreis vorzufinden ist, sondern als verbindendes
Merkmal aller sich gegenseitig beeinflussende Lebensbereiche sowie als Möglichkeit,
die Gesellschaft als Ganzes zu gestalten und zu verändern, kann das volle Potenzial
der Digitalisierung ausgeschöpft werden.
Unter Nachhaltigkeit wird allgemein ein Handlungsprinzip verstanden, das die Nut-
zung eines regenerierbaren Systems in einer Weise beschreibt, dass dieses System in
seinen wesentlichen Eigenschaften langfristig erhalten bleibt und sein Bestand auf
natürliche Weise regeneriert werden kann. Das deutsche Wort »Nachhaltigkeit« wird
in dieser Bedeutung erstmals im 18. Jahrhundert bei der Forstwirtschaft durch Hans
Carl von Carlowitz erwähnt. Diese forstwirtschaftliche Zielsetzung übernimmt die
Politik allerdings erst im 20. Jahrhundert auf andere Felder22.
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Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung veröffentliche im Jahr 1987 ein als
»Brundtland-Bericht« bekannt gewordenes Abschlussdokument, in dem erstmals ein
Konzept einer »Nachhaltigen Entwicklung« definiert worden ist. Dabei ist eine nach-
haltige Entwicklung »eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt,
ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befrie-
digen können«23 .
Vergleicht man nun die beiden Begriffe »Nachhaltigkeit« und »Nachhaltige Entwick-
lung« miteinander, so wird deutlich, dass es sich bei der »Nachhaltigkeit« mehr um
eine Fähigkeit handelt, einen aktuellen Zustand zu erhalten. Die »Nachhaltige Ent-
wicklung« hingegen setzt es sich zum Ziel, diese Fähigkeit, einen gewünschten Zu-
stand zu erhalten, zu erreichen.
Welche Komponenten spielen demnach bei der »Nachhaltigkeit« eine wichtige Rolle?
Im allgemeinen Verständnis handelt es sich um drei Komponenten, die sich im soge-
nannten »Drei-Säulen-Modell« der Nachhaltigkeit wiederfinden (siehe Abbildung 4).
Ökologie
Soziales
Soziales
Ökologie Ökonomie
Ökonomie
Wie links in Abbildung 4 zu sehen, wird jeder Bereich als gleich wichtig und gleich-
berechtigt angesehen. Das bedeutet, dass Nachhaltigkeit nur erreicht werden kann,
wenn alle drei Säulen gleichwertig erfüllt werden.
Rechts daneben wird hingegen ein Vorrangmodell der Nachhaltigkeit dargestellt. Die-
ses bringt zum Ausdruck, dass die einzelnen Bereiche in Abhängigkeit zueinanderste-
hen. Ohne eine (nachhaltige) Ökonomie gibt es keine Gesellschaft, ohne Gesellschaft
gibt es keine Ökologie. Die Kausalität kann ebenso in die andere Richtung erfolgen.
Ohne eine funktionierende Ökologie gibt es keine Gesellschaft, die in diesem Umfeld
lebt. Ohne eine funktionierende Gesellschaft kann es keine (nachhaltige) Ökonomie
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geben. Da die Ökologie alle Bereiche umschließt, sollte bei Zielkonflikten dem Erhalt
der Natur Vorrang gegeben werden.25 Diese Abbildung unterstreicht allerdings auch
den Stellenwert und die Vorreiterrolle der Wirtschaft, die sie im Zuge einer nachhalti-
gen Entwicklung einnehmen sollte.
Die einzelnen Komponenten wiederum teilen sich auf in spezifische Ressourcen, die in
der folgenden Abbildung 5 dargestellt werden. Dabei wird in Anlehnung an Abbildung
4 auf die Abhängigkeiten bzw. Auswirkungen der einzelnen Komponenten Rücksicht
genommen.
Ökonomische Ressourcen
• Finanzielle Ressourcen: Cashflow, Kreditwürdigkeit, etc.
• Humane Ressourcen: Hilfsarbeiter, Facharbeiter, Ingenieure, Führungskräfte, etc.
• Organisatorische Ressourcen: Informationssysteme, Integrationsabteilungen, etc.
• Physische Ressourcen: Gebäude, Anlagen, Servicestationen, etc.
• Technologische Ressourcen: Qualitätsstandards, Markennamen, Forschungs-Know-How, etc.
Sozial-kulturelle Ressourcen
• Physiologische Ressourcen: Gesundheit, etc.
• Soziale Ressourcen: Beziehungsnetze, etc.
• Kulturelle Ressourcen: Bildung, etc.
• Strukturelle Ressourcen: Gesellschaftliches Umfeld, etc.
Ökologische Ressourcen
• Natürliche Ressourcen: Wasser, Land, Nahrung, Energie
• Endliche biotische Ressourcen: Holz aus Urwäldern, etc.
• Endliche abiotische Ressourcen: Metalle (Erze), etc.
• Erneuerbare biotische Ressourcen: Nahrung, Holz, etc.
• Erneuerbare abiotische Ressourcen: Wasser
Sowohl die Nachhaltigkeit als auch die nachhaltige Entwicklung kann bei allen drei
Komponenten vielseitig ansetzen. Darüber hinaus hat ein Einwirken auf eine der drei
Komponenten Auswirkungen auf die restlichen Komponenten. Abhängig davon, wie
die Ökonomie mit seinen Ressourcen umgeht, nimmt sie ebenfalls Einfluss auf das
sozial-kulturelle Umfeld, das wiederum Auswirkungen auf die Ökologie hat. Anders
betrachtet kann es mit überstrapazierten ökologischen Ressourcen langfristig kein
funktionierendes sozial-kulturelles Umfeld geben, was sich abschließend wieder auf
die Ökonomie auswirkt.
Für weitere Informationen zur Nachhaltigkeit lesen Sie bitte im Kapitel 9 »Impact In-
novation« weiter.
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Wie in der nachfolgenden Abbildung 6 zu sehen ist, setzt sich die (deutsche Überset-
zung von) Digitalisierung aus den beiden englischen Übersetzungsmöglichkeiten »Di-
gitization« und »Digitalization« zusammen.
Digitization Digitalization
= Digitalisierung = Digitalisierung von Digitalisierung
von Daten Geschäftsmodellen
Die überspitzte Annahme, dass ein Unternehmen die Digitalisierung in Gänze um-
gesetzt hat, weil es vom Fax auf E-Mail umgestellt oder Papier in der gesamten Or-
ganisation verboten hat, ist eines von vielen Missverständnissen und trifft nicht den
eigentlichen Kern der Sache. Die Digitalisierung verfolgt, analog zur Abbildung 6, zwei
Schwerpunkte:
»Digitization« erleichtert den Alltag im täglichen Arbeitsleben. Daten können per Klick
verschickt werden, der rasche Datenfluss erlaubt es einem Unternehmen, schnel-
ler auf neue Situationen zu reagieren, digitale Kommunikationskanäle ermöglichen
einen kostengünstigen Austausch wie auch die Arbeit vom eigenen Zuhause aus
usw26 . Die Umsetzung von »Digitization« ist zwar ein wichtiger Teilbereich der Digita-
lisierung, aber eine reine Fokussierung darauf ist zu kurz gedacht und ermöglicht es
einem Unternehmen nicht, sein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern
zu behaupten. Diese Wettbewerber können zum einen Unternehmen, die schon lange
am Markt sind und die Digitalisierung ihres Unternehmens vorantreiben, und zum an-
deren junge, digitale Start-ups sein, die sich zwischen das eigene Unternehmen und
den Kunden schieben.
Um das zu vermeiden, sollte sich ein Unternehmen verstärkt auf die »Digitalization«
konzentrieren. Hierbei geht es um das unternehmensinterne Geschäftsmodell und
dessen digitale Transformation27. An dieser Stelle sollten sich die Unternehmen über-
legen, wo genau ihr Mehrwert liegt und an welcher Stelle er generiert wird. Denn an
diesem Punkt werden die konkurrierenden Unternehmen ansetzen und sich entspre-
chend vor dem Kunden etablieren. Diesen Punkt im Geschäftsmodell zu identifizieren
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und letztendlich auch digital umzusetzen, wird die größte Herausforderung im Be-
reich der Digitalisierung sein.
Die größte Schwierigkeit bei der Nachhaltigkeit entsteht dadurch, dass der Begriff
»Nachhaltigkeit« nicht geschützt ist und somit viel Raum für Interpretationen bietet.
Dieser Umstand findet sich insbesondere im sog. »Greenwashing« wieder. Green-
washing »bezeichnet den Versuch von Unternehmen, durch Marketing- und PR-Maß-
nahmen ein ›grünes Image‹ zu erlangen, ohne allerdings entsprechende Maßnahmen
im Rahmen der Wertschöpfung zu implementieren«28 . Greenwashing versucht damit
also, von anderen ökologisch nicht vertretbaren Problemen abzulenken. In der folgen-
den Abbildung 7 sind einige solcher Greenwashing-Maßnahmen aufgelistet.
Greenwashing •
•
Unternehmen aus umweltschädlicher Branche engagieren sich
Erfundene Gütesiegel
• Verwendung unklarer Fachbegriffe
• Einfluss auf politische Entscheidungsträger
• Vergleich mit noch umweltschädlicheren Produkten
Neben diesen oft gewählten Maßnahmen gibt es auch eine Reihe an für Greenwash-
ing genutzten, aber ungeschützten Bezeichnungen, siehe Abbildung 8. Das bedeutet,
dass ein Unternehmen diese Begriffe ohne Weiteres verwenden darf, ohne dabei we-
sentliche Richtlinien einhalten zu müssen.
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• Ocean Plastic
• Natürliches Aroma
Ungeschützte • Nachhaltig
• Klimaneutral/Klimafreundlich
Bezeichnungen • Umweltschonend
• Biologisch/Ökologisch
• Geschützt sind aber "Bio" und "Öko"
Weitere Themen bzw. konkrete Beispiele, die die Nachhaltigkeit bzw. spezifische
Punkte betreffen, finden Sie im Kapitel 9: »Impact Innovations«.
Unternehmen können bei der Zusammenführung von digitalem Wandel und Nachhal-
tigkeitstransformation die durch die Digitalisierung entstehenden Potenziale für eine
nachhaltige Entwicklung nutzen und als Pioniere die nächsten zehn Jahre gestalten.31
Die Digitalisierung unterstützt diese Entwicklung z. B. mit einer erhöhten Transparenz
auf den Märkten. Sie erhöht zudem die Vielfalt und Verfügbarkeit von Informationen
und erlaubt eine direkte Interaktion zwischen zwei Parteien – unabhängig von der
geografischen Entfernung –, sowohl auf der Seite des Unternehmens als auch der
Kunden. Dadurch, dass auch die Kund:innen von einer erhöhten Datentransparenz
profitieren, informieren sie sich im Vorfeld über die Produkte bzw. Dienstleistungen
und entscheiden entsprechend ihrer Vorstellung einer nachhaltigen Welt. Gerade bei
den Kunden bietet es sich also an – auch im Zuge einer verstärkten Berichterstattung
über Umweltauswirkungen – bei den angebotenen Produkten zu differenzieren und
auf Nachhaltigkeitskriterien zu achten32. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass die
»Vereinbarkeit unternehmerischen Handelns mit Nachhaltigkeitszielen [ …] zu einem
Kriterium im Wettbewerb«33 wird.
30 Christoph Schulze, Greenwashing – Wie Unternehmen sich mit Umweltlügen grüner machen, als sie sind,
2019.
31 Vgl. https://makronom.de/mit-wachstumsunabhaengigkeit-zur-nachhaltigen-digitalisierung-37011,
abgerufen am 10.02.2021.
32 WBGU, Unsere gemeinsame digitale Zukunft, 2019, S. 128 f.
33 Ebd.
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Gleichzeitig zeigt sich immer mehr, dass die Veränderung hin zu einer digitalen
Arbeitskultur zu einer Veränderung der Werte der Beschäftigten in Richtung mehr
Nachhaltigkeit führen könnte. Betriebe scheinen sowohl durch Kunden als auch durch
die eigenen Beschäftigten unter Druck zu geraten.34
34 Acar, Ahmet, Kueper, Maike, Wintermann, Ole: Nachhaltigkeit und Digitalisierung – Mit digitalen Lösungen
analoge Probleme lösen, in; Jens Nachtwei, Antonia Sureth (Hg.), HR Consulting Review, Band 12,
S. 22–25, Berlin 2020.
35 Für eine Übersicht des Diskurses: https://www.opendemocracy.net/search/?query=degrowth, abgerufen
am 12.2.2021.
36 Vgl. https://makronom.de/klima-oekonomik-ist-die-neoklassik-bereit-zum-diskurs-38107, abgerufen am
12.2.2021.
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Eine vermittelnde Position nehmen die GreenGrowther ein, bei denen die Entkopp-
lung von Umweltauswirkungen und die Steigerung des materiellen Wohlstands im
Fokus steht. Sie sehen im Wachstum an sich kein Problem, wenn der Energieeinsatz
auf der einen und die Nutzung von natürlichen Ressourcen auf der anderen Seite je
Einheit des globalen BIP entkoppelt werden; nur durch eine solche Entkopplung von
Energie- und Ressourceneinsatz ist letztlich Nachhaltigkeit auch nur ansatzweise er-
reichbar. Sie haben damit das Ziel, das marktwirtschaftliche System von innen heraus
zu »heilen«. Zudem hoffen sie auf technologische Ansätze in der Zukunft zur Lösung
des Nachhaltigkeitsproblems. Diese Systemfrage und die empirisch nachweisbaren
kontraproduktiven Reboundeffekte konterkarieren jedoch einen produktiven Dialog
zwischen Degrowthern und GreenGrowthern. Aber gerade die volkswirtschaftliche
und nationale Festlegung auf eine der beiden alternativen Ansätze wäre entscheidend
für die Gestaltung der regulatorischen Leitplanken für Unternehmen, die sich – mit
Unterstützung und durch die digitale Transformation – in Richtung von mehr betrieb-
licher Nachhaltigkeit auf den Weg begeben.
Nach dieser (Kunden-)Schnittstelle muss die interne Struktur hinter dem Vorhang
folgen. Digitalisierung hinter dem Vorhang spielt sich vor allem in Form von Flexibi-
lisierung und Optimierung der internen Arbeitsabläufe und Schnittstellen sowie der
37 Hofmann, Josephine, Ricci, Claudia, Wienken, Valerie, in; Bertelsmann Stiftung (Hg.), Erfolgskriterien
betrieblicher Digitalisierung, 2020, S. 34 f.
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Änderung der Arbeitskultur ab. Darunter fallen u. a. »die Zentralisierung von Arbeits-
prozessen und -informationen, der Einsatz künstlicher Intelligenz und der situative
Ersatz vom klassischen Wasserfall-Projektmanagement durch iterative, agile Arbeits-
weisen«38 . Dies gestaltet sich als tiefgreifender und komplexer Prozess, der eine
Veränderung in den Arbeitsweisen und in den Führungsrollen mit sich bringt. Die Di-
gitalisierung hinter dem Vorhang ist nicht von einem organisationalen und kulturellen
Wandel im Unternehmen zu trennen.
Wer etwas Neues entwickeln und sein Unternehmen auf neue Märkte ausrichten
möchte, der muss im Rahmen der digitalen Transformation innovativ sein. Die be-
triebliche Innovationsfähigkeit kann anhand von fünf Charakteristika gemessen wer-
den: Fehlertoleranz, Experimentierfreude, psychologische Sicherheit, ausgeprägter
Kooperationsgeist, keine hierarchischen Strukturen. Diese Charakteristika begleiten
die digitale Transformation entlang ihrer Kernkomponenten.
Die Transformation beginnt mit der obersten Führungsebene, die als Treiber der Digi-
talisierung in Erscheinung tritt. Die Geschäftsführung ist also verantwortlich für den
Startschuss. Erkennt die Geschäftsführung die Bedeutung der digitalen betrieblichen
Transformation nicht, so kann das für den gesamten Betrieb negative Konsequenzen
haben. Erst durch die Geschäftsführer werden die notwendigen Weichen gestellt und
wird der (Handlungs-)Rahmen definiert. Das heißt, dass die IT nicht der Haupttreiber
der digitalen Transformation ist.
Arbeitskultur Technisierung
Kommunikations-, Kooperations-, Einsatz von Informations-
Fehlerkultur, die bewusst über technologien als Enabler für
Kommunikation, gewohntes eine reibungslose Zusammen-
Verhalten, Rituale, Events und arbeit, Kommunikation und
sonstige Artefakte aktiv gestaltet Prozesssteuerung.
wird.
Unsere
sechs
Führung Geschäftsmodell
Neues Führungsverständnis und Handlungs-
Geschäftsstrategische und
neue Führungsmodelle im Sinne felder finanzielle Verankerung der
von Orientierung, Befähigung Veränderung im Zuge der
und Sinngebung. digitalen Transformation.
Kompetenzaufbau/Lernen Arbeitsorganisation
Personenbezogene Maßnahmen, um Organisationsstrukturen und
individuelle Veränderungsfähigkeit zu unter- Arbeitsformen, die Fluidität, Agilität
stützen: Lernen, Weiterbildung, Austausch. und Flexibilisierung ermöglichen.
38 Ebd., S. 36.
39 Bertelsmann Stiftung, Erfolgskriterien betrieblicher Digitalisierung, 2020, S. 17.
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Die Technisierung umfasst die Ausstattung der Betriebe und Mitarbeitenden mit
Hard- und Software, was zu neuen Formen der Kommunikation und Kollaboration
führt – d. h. mit Office-Programmen, Videokonferenztools, Onlinelernangeboten,
Kollaborations- und Kommunikationstools, Cloud-Diensten usw. Ebenso ist es wich-
tig, auch neue Technologien in die Betriebe einzubinden, so z. B. Cloud-Computing,
künstliche Intelligenz bzw. Anwendungen des maschinellen Lernens, Big Data Analy-
tics, Virtual bzw. Augmented Reality. Hier muss das Unternehmen natürlich für sich
entscheiden, in welchem Maß die Nutzung solcher Technologien sinnvoll ist. Welchen
Nutzen künstliche Intelligenz haben kann, lesen Sie im Kapitel 5 »KI: Mensch-Maschi-
ne-Kollaboration und Augmented Intelligence« nach.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Umgang mit den Daten im Betrieb. Dabei wird
unterschieden zwischen Kunden-, Unternehmens- und Mitarbeiterdaten. Kunden-
daten werden zur Prognose und Produktionssteuerung benötigt, Unternehmensdaten
zur digitalen Abbildung der gesamten Prozesse im Unternehmen. Die Mitarbeiter-
daten – mit denen sensibel umgegangen werden muss – werden z. B. als Basis zur
Abrechnung von Leistungen verwendet. Hier besteht die Gefahr, das Vertrauen der
Mitarbeiter:innen zu verlieren, allerdings sind die Unternehmen nach der DSGVO nicht
nur ihren Kund:innen, sondern auch ihren Mitarbeitenden gegenüber verpflichtet,
aufzudecken, welche Daten über sie gesammelt und ausgewertet werden. Dies muss
genauso kommuniziert werden, als wenn keine Daten erhoben würden.
Die digitale Transformation hat ebenso Auswirkungen auf die räumliche wie zeitliche
Flexibilisierung der Arbeit, die Präsenzkultur sowie auf die Arbeitsmethoden. Mobiles
Arbeiten, d. h. an einem anderen betrieblichen Standort, bei Kund:innen vor Ort oder
von zu Hause aus tätig zu sein, wird durch die digitale Transformation ebenso ermög-
licht wie das Arbeiten von zu Hause aus an einem vom Arbeitgeber oder Arbeitgeberin
ausgestatteten Arbeitsplatz oder auch das Zurverfügungstellen von Co-Working-Spa-
ces. Ob, wann und wer überhaupt mobil oder von zu Hause arbeiten darf, wird sehr in-
dividuell geregelt und ist abhängig von der Entscheidung der einzelnen Führungskräfte,
die an dieser Stelle die Weichen stellen und bestimmen müssen, wo es sinnvoll und
vertretbar ist. Ebenso ist es wichtig, sich von der stringenten Präsenzkultur abzukehren
bzw. von den damit einhergehenden Vorurteilen gegenüber der mobilen Arbeitsweise40.
Ganz entscheidend für die erfolgreiche Transformation ist eine Arbeitskultur, in der
aus Fehlern gelernt wird, um anpassungsfähig zu sein. Wo es notwendig ist, sich stän-
dig an neue Umstände anzupassen, kommt es auf einen schnellen und effektiven In-
40 Einer Sonderstudie der Bertelsmann Stiftung zufolge sind lediglich 17 % der befragten Experten der
Meinung, dass Menschen im Home-/Mobile-Office über den Tag verteilt tendenziell weniger arbeiten
als im Büro. 37 % stimmten für gleich viel, 41 % sind sogar der Meinung, dass eher mehr gearbeitet wird
(Sonderstudie Corona, 2020, S. 13.).
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Die Transformation beginnt nicht nur mit der obersten Führungsebene, sie verändert
auch die Führung an sich. Insbesondere hat sie Auswirkungen auf die Rolle des mitt-
leren Managements. Führungskräfte werden im Rahmen der Transformation immer
mehr zu »Coachings- und Sparringspartnern, Orientierungsgebern, Moderator:innen
auf Augenhöhe« 41 und Enablern für ihre Mitarbeitenden. Die Rolle von Führungskräf-
ten besteht in der Transformation vor allem darin, »die Veränderung als Vorbild zu le-
ben und vorzuleben und dabei ihre Mitarbeitenden zu fordern und zu fördern« 42.
Das wichtigste Handlungsfeld bei der Transformation ist der Kompetenzaufbau bzw.
das Lernen. Die wichtigsten Kompetenzen, die das Rüstzeug für die Digitalisierung
bilden, sind: Eigenverantwortung, Bereitschaft zum lebenslangen Lernen, Kommu-
nikationskompetenz, Problemlösungskompetenz, vernetztes Denken und Handeln.43
Die IT-Kompetenz ist zwar nicht zu vernachlässigen, kommt aber erst später in der
Hierarchie. Die Niveaus der genannten Kompetenzen sollten bei Führungskräften und
Mitarbeitenden gleichauf sein. Vor allem in größeren Unternehmen mit einer sehr he-
terogenen und differenzierten Belegschaft sind sich die Mitarbeitenden nicht einig,
was Digitalisierung tatsächlich bedeutet und welche Kompetenzen für die digitale
Transformation benötigt werden. Zur Verbesserung von digitalen Kompetenzen soll-
ten v. a. Führungskräften, aber auch deren Mitarbeitenden, interne und/oder externe
Schulungen angeboten werden.44
41 Hofmann, Josephine, Ricci, Claudia, Wienken, Valerie, in; Bertelsmann Stiftung (Hg.), Erfolgskriterien
betrieblicher Digitalisierung, 2020, S. 65.
42 Ebd.
43 Vgl. ebd., S. 66.
44 Vgl. Hofmann, Josephine, Ricci, Claudia, Wienken, Valerie, in; Bertelsmann Stiftung (Hg.), Erfolgskriterien
betrieblicher Digitalisierung, 2020, S. 49–70.
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Takeaways:
Nützliche Links
¸ https://www.zukunftderarbeit.de/
¸ https://www.researchgate.net/publication/345670805_Sonderband_
Zukunft_der_Arbeit
¸ https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/
did/zukunftsstudie-leben-arbeit-bildung-2035
¸ https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/
did/erfolgskriterien-betrieblicher-digitalisierung-all
¸ https://www.value-balancing.com/
¸ https://www.wbgu.de/de/publikationen/hauptgutachten
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Zusammenfassung
Unsere Welt befindet sich in einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruch,
getrieben durch eine der größten Herausforderungen in der heutigen Zeit: die Digita-
lisierung. Dieser Megatrend muss umfassend verstanden werden und ist längst nicht
mehr nur ein rein technologisches Phänomen, sondern macht zudem soziale Refor-
men notwendig. Um die digitale Implikation in der Gesellschaft erfolgreich einzubet-
ten, ist es von großer Bedeutung, sie als Chance anzuerkennen. Somit werden nicht
nur bestehende oder brandneue Probleme in bedeutenden Kernbereichen gelöst,
sondern auch neue Chancen eröffnet.
Schlüsselbegriffe
Gesellschaft 5.0, Digitalisierung, Bildung der Zukunft, Mobilität
und Urbanisierung, Alter und Gesundheit, digitale Ethik
Wir leben in einer Welt, die inmitten einer digitalen Revolution steckt. Eine unvorher-
sehbare globale Pandemie hat gravierende Defizite in vielen Kernbereichen des Le-
bens aufgezeigt und die Welt zu einem radikalen Umdenken der jetzigen Strukturen
in Wirtschaft und Gesellschaft gezwungen. Im Zusammenhang mit den bestehenden
Einflussfaktoren – Globalisierung, Demografie, Individualisierung, Konnektivität und
Klimawandel – wird die Umsetzung von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ver-
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Die Digitalisierung ist das Sprungbrett zu einer umfassend vernetzten Gesellschaft, dem
Zukunftsbild Gesellschaft 5.0. Dabei ist eine positive Herangehensweise an die Trans-
formation von allen Beteiligten von großer Bedeutung. Die Voraussetzung dafür ist, die
Digitalisierung als Chancengeber und Problemlöser anzuerkennen und die Herausfor-
derungen in jedem Lebensbereich zu überwinden. Mögliche Ängste und Negativerwar-
tungen der Bevölkerung hinsichtlich dieser radikalen Vernetzung dürfen jedoch nicht
bagatellisiert werden. Hierbei kommt die Politik ins Spiel, die durch die von ihr gesteck-
ten Rahmenbedingungen – Datensouveränität, Datenschutz, Infrastruktur und Bildung –
eine breite gesellschaftliche Akzeptanz von digitalen Technologien erreichen will und
muss. Bei der Bildung eines positiven Mindsettings ist Japan Vorreiter. Der Begriff Gesell-
schaft 5.0 wird in Japan als eine Lösung postuliert, die die Lebensqualität verbessert und
das Wirtschaftswachstum ankurbelt. Es werden bis dato als unüberwindbare geltende
Probleme bewältigt, indem digitale Technologien in die Gesellschaft integriert werden.3
Dieses Kapitel betrachtet die Situation in Deutschland und konzentriert sich auf aus-
gewählte Kernbereiche, angelehnt an die 2018 veröffentlichte Studie »Gesellschaft
5.0« des Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmens Capgemini sowie dem
Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen Prognos. Der Fokus liegt dabei
auf den derzeitig diskutierten und gesellschaftlich relevanten Bereichen: Bildung und
Arbeit, Mobilität und Urbanisierung sowie Alter und Gesundheit. Der in der Studie er-
gänzend aufgeführte Kernbereich Migration und Integration wird hier nicht bearbei-
tet. Für Aspekte und Zukunftsvisionen des Bereichs wird auf die Studie Gesellschaft
5.04 von Capgemini und Prognos sowie auf die Digitalisierungsagenda 2020 5 des Bun-
desamts für Migration und Flüchtlinge verwiesen.
Die Analyse beinhaltet die Betrachtung der jetzigen und zukünftigen Situation in den
jeweiligen Kernbereichen zusammen mit den spezifischen Herausforderungen und
Chancen. Die im Folgenden aufgeführten Start-ups haben bestehende Probleme und
Schwachstellen aufgegriffen und entwickelten mittels Digitalisierung neue Anwen-
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dungen und Lösungen, damit ein Leben – wie in Szenario 2-1 beschrieben – Realität
werden kann. Es werden die dafür notwendigen politischen Rahmenbedingungen
sowie gesellschaftlichen Auswirkungen untersucht. Für eine funktionierende Gesell-
schaft 5.0 wird die notwendige unternehmerische Digitalethik analysiert.
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»65 % der Kinder, die jetzt in der Grundschule sind, werden in Jobs arbeiten,
die wir heute noch gar nicht kennen.«
Verena Pausder7
Die auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft nachgefragten Qualifikationen werden sich im
Transformationsprozess stetig und exorbitant verändern. Demzufolge ist Bildung in
der Gesellschaft 5.0 eine Ressource der Zukunft und ist Basis für die Teilhabe am zu-
künftigen Arbeitsleben. 8 Um mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu hal-
ten, wird das lebenslange Lernen unverzichtbar. Durch die Digitalisierung ist mobiles,
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orts- und zeitunabhängiges Lernen schon längst möglich. Dadurch werden Chancen
eröffnet: Bildung ist nicht länger ein Privileg weniger Menschen und damit spielen bei-
spielsweise die gesellschaftliche Schicht oder Herkunft eine untergeordnete Rolle.9
Die Bildungsinhalte müssen neu überdacht und im Zeichen der Digitalisierung refor-
miert werden. Die mathematisch-naturwissenschaftliche Grundausbildung sowie die
Lehre der Informatik gewinnt in Zukunft weiter an Relevanz und wird sich zunehmend
in den Bildungsinhalten widerspiegeln. Durch Modularisierung könnten Fächer wie
Latein bei entsprechendem Interesse durch Informatik ersetzt werden.11 Besonders
wichtig wird die Förderung interdisziplinärer Fähigkeiten. Bildung der Zukunft ist pra-
xisorientiert, kooperativ und projektbasiert. Interessen der Lernenden müssen er-
kannt und aktiv gefördert werden. Die Erkenntnisse aus der Hirnforschung, dass das
Interesse an der Thematik die Lust und damit letztendlich die Effizienz beim Lernen
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immens steigert, muss Anwendung in der Praxis finden.12 Deutschland muss, beson-
ders als ein ressourcenarmes Land, erkennen:
Bildung ist der deutsche Rohstoff der Zukunft und muss als solcher wahrgenom-
men und behandelt werden.
Voraussetzung:
Stetige Anpassungen des
Bildung in der Gesellschaft 5.0 ist vielfältig. Alle Beteiligten in der
bestehenden Status quo Gesellschaft müssen stetig im Transformationsprozess mitgenommen
werden. Das beginnt in der Erstbildung, geht weiter über Ausbildung
Mathematisch-
naturwissen- und Studium bis hin zur Weiterbildung, die ein immer wichtiger
schaftliche werdender Pfeiler in der Bildung der Gesellschaft 5.0 sein wird.
Grundaus-
bildung
Praxisorientierter
Ansatz: weg von
der klassischen
Inhaltsvermittlung
Neue Zielgerichtete, Unternehmen in
Bildung in
der
hin zur
Methoden- Bildungs- finanzierbare
Weiterbildung
Verantwortung,
lebenslanges
inhalte
kompetenz
der
Lernen
Stärken zu ermöglichen
stärken!
Interessen
entdecken und
aktiv fördern
Gesellschaft Lebens- Grundvoraus-
langes setzung zur
5.0 Lernen
Teilhabe an der
Gesellschaft 5.0
Positive
Lehr- Pädagogik: weg
Individuali- und Lern- vom Defizitblick
sierung hin zur
methoden Wertschätzung
Die »Bildungsmap der Zukunft« resümiert die wichtigsten Punkte in der Bildungsthe-
matik. Die Pandemie hat nicht nur bestehende Defizite im deutschen Bildungssystem
aufgezeigt, sondern auch bewiesen, dass der Sprung ins kalte Wasser durchaus als
Katalysator fungieren kann. Wichtig sind dabei ein gesunder Optimismus und die Neu-
gier, das Neue auszuprobieren. An dieser Stelle sei auf Kapitel 7 »Innovationen im Bil-
dungssystem« verwiesen, das die Bildungsthematik vertieft.
12 Vgl. Deutschlandfunkkultur, Neurowissenschaft – Wie wir den Spaß am Lernen nicht verlieren, 2020.
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wortet werden, was in Zukunft produziert wird. Zum anderen, welche Rolle mensch-
liche Arbeit bei der künftigen Produktion spielt.13
Vieles wird sich in der Arbeitswelt verändern: Die Art zu arbeiten, das Arbeitsverhält-
nis, die Arbeitszeit und der Arbeitsort.14 Digitalisierung bedeutet nicht notgedrungen
weniger Arbeit, sondern andere. Darauf muss die Gesellschaft vorbereitet werden. Das
ist unabdinglich, um die Gesellschaft nicht in »online« und »offline« zu spalten oder
Teile der Gesellschaft digital abzuhängen. Dies kann u. a. mithilfe eines funktionieren-
den Bildungskonzeptes und von innovativen Weiterbildungsmodellen gelingen. Vor-
reiter im Bereich der Industrie 4.0 zeigen bereits heute, wohin die Reise der Produktion
gehen könnte. Zentrale Faktoren werden dabei die Vernetzung von Produktion und
Vertrieb sowie neue Produktionstechniken sein. Zudem wird eine weiter zunehmende
Produktindividualisierung eine elementare Rolle spielen. Die Produktion wird daher
weitestgehend auf Bestellung erfolgen und durch einen rein digitalen Prozess abge-
wickelt. Im Kontext voranschreitender Individualisierung wird der Verbraucher in den
Design- und Entwicklungsprozess miteinbezogen. Aus Consumern werden Prosumer
(Producer und Consumer).15
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Menschen komplett »aussaugt« und 24/7 für die Arbeit verfügbar macht? Die Tendenzen gibt
es in der Entwicklung auch und damit müssen wir umgehen. Ansonsten halte ich den Hebel
der Digitalisierung dafür, dass wir wegkommen von der »Tyrannei des Bürotisches«, als sehr
bedeutend. Oft muss heute noch der Mensch in ein Büro gehen und zu einer bestimmten Zeit
dort arbeiten: Präsenzkultur eben. Das steht jedoch häufig in keiner sinnvollen Beziehung
zu den Anforderungen der Projekte oder Tätigkeiten die er/sie tut, sondern wird aufgrund
unseres Industriegesellschaftsbildes vorausgesetzt, erwartet und eingefordert. Ich würde
hoffen, dass wir hier zukünftig eine viel stärkere Wahlmöglichkeit haben. Das bedeutet eben
zugleich nicht, dass alle immer nur zu Hause im Homeoffice sitzen [ …], sondern dass eben
die Wahlmöglichkeit existiert. [ …] Aber das verlangt nach einem großen Diskurs um remote
und mobile work und einen grundlegenden Kulturwandel in der Art, wie wir arbeiten. Es im-
pliziert auch eine neue Kultur des Schutzes der Arbeitszeit, der Freizeit und auch der Nicht-
erreichbarkeit zum Beispiel. Das würde ich mir wünschen, weil ich mir daraus einen Hebel für
soziale Innovationen erhoffe, dass die Menschen weniger nur in ihrem eigenen Institut, ihrer
Organisation oder ihrem Unternehmen arbeiten. Denn das produziert homogene Kulturen
und es könnte deutlich innovationsfördernder sein, wenn man mehr Möglichkeiten hat, auch
mit anderen außerhalb des eigenen Unternehmens oder der eigenen Institution zusammen-
zuarbeiten, dass die Kollaboration fluider wird. [ …] Auch das bedeutet allerdings noch einen
großen Kulturwandel. Da müssen wir aus meiner Sicht, gerade in Deutschland, noch kräftig
nachholen, um das überhaupt zu lernen und umsetzen zu können.
Impliziert das für Sie auch eine neue Art von Führungskultur?
Absolut. Das betrifft zum einen die Führungskultur und beinhaltet im Übrigen auch das The-
ma Selbstführung. Eine Rolle spielt hier auch, dass agile Arbeitsformen zunehmen werden.
Weniger »das haben wir schon immer so gemacht«, »hier ist die Matrixorganisation« und »der
sagt das und du folgst dem«. Wir werden auf eine Art arbeiten, die viel mehr Selbststeuerung
braucht und eine andere Art von Führung benötigt als das »von oben nach unten runter-
brechen«. Mit dem Eintritt jüngerer Generationen ins Berufsleben muss sich das allerdings
wahrscheinlich sowieso ändern. Ich glaube, wir fahren mit vielen großen Organisationen
»vor die Wand«, wenn wir an der alten Führungskultur festhalten – das findet keine Akzep-
tanz mehr. Und es birgt schon heute ein hohes Konfliktpotenzial am Arbeitsplatz. Das könnte
man also jetzt proaktiv viel stärker voranbringen, auch weil es für das Thema Innovation z. B.
ein großer Hebel ist. Man hat dann eben aber auch die Anforderung, dass sich nicht nur die
gegenwärtige Führungsebene öffnet für eine Art neue Coach-Rolle. Vielmehr müssen auch
die Mitarbeiter im Team »stark werden« beim Thema Selbstmanagement sowie auch im Be-
reich Führung ohne hierarchische Kontrolle. [ …] Zugleich muss die Entscheidungsfindung
auf schlankerem Weg stattfinden. Die aktuelle Bremse im System ist da ganz klar auch eine
Führungsebene, die das Alte kennt und die jetzt immens damit ringt, ihre alten Privilegien
und Kontroll-Mechanismen aufzugeben.
Was müssen Unternehmen bzw. Unternehmer:innen Ihrer Meinung nach tun, um im
Transformationsprozess in der Arbeitswelt mithalten zu können und damit auch in der Zu-
kunft wettbewerbsfähig zu bleiben?
Ich gehe davon aus, dass Unternehmen langfristig nur erfolgreich sind, wenn sie zum einen
die Sinnfrage klar beantworten können. Wenn sie also etwas tun, das zum gesellschaftli-
chen Purpose bzw. Gemeinwohl beiträgt. Und dann zum anderen, wenn sie auf Augenhöhe
mit den Mitarbeitern kommunizieren. [ …] Das betrifft auch das Thema Führung sowie die
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Frage, wie man Aufgabenorganisation macht, wie man kommuniziert – und auch wen man
einstellt. An dieser Stelle spielt Diversität eine große Rolle. Das ist auch heutzutage schon
sichtbar. [ …] Das Argument des hohen Gehalts allein hat nicht mehr den Stellenwert wie
früher. Je nachdem wie stark uns der Klimawandel noch vor Probleme stellt, wird dieses Ar-
gument radikal brechen. Die Pandemie hat diesbezüglich viele Menschen zum Nachdenken
gebracht, wie sie ihr Leben denn gestalten möchten. Das kann dann aber rückwirkend dazu
führen, dass man als Unternehmen erst einmal den kurzfristigen Shareholder-Value als Ziel
zurückschrauben muss. Das ist hochgradig komplex, denn die meisten großen Unternehmen
agieren genau nach dieser Logik. Das ist aus meiner Sicht noch eine große systemtechnische
Bruchstelle für einen wirklichen Paradigmenwandel Richtung Nachhaltigkeit.
Wie äußert sich die Digitalisierung in Ihrem beruflichen Alltag?
In einem Tool-Wahnsinn, ehrlich gesagt! (lacht) Besonders durch COVID-19. Aber vorher
haben wir auch schon virtuell und sehr verteilt gearbeitet. Wir sind eigentlich schon in einer
kompletten Remote-Kultur angelangt mit einer sehr hohen Wertschätzung dafür, wenn wir
uns persönlich sehen. Ich finde, das ist aktuell das einzig Vernünftige und Zukunftsweisende.
Die Menschen sind damit auch »freier« und können private Anliegen besser mit den Anfor-
derungen der Arbeit vereinbaren. COVID hat das so weit potenziert, dass das auch bei den
Kunden angekommen ist. [ …] Für uns ist das digitale Arbeiten wie die Luft zum Atmen, und
jetzt erst recht!
Vielen Dank für das sehr interessante und spannende Gespräch!
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Am nächsten Tag sitzt Samuel in Holland. Abends wird er wieder zu Hause sein. Da fällt ihm
ein: »Oh nein – Max kommt heute Abend zum Fußball schauen und mein Kühlschrank ist kom-
plett leer!« Er checkt kurz seinen Kühlschrankstatus per App und sieht: der Kühlschrank hat
automatisch nachbestellt – und sogar die Pizza für heute schon vorbestellt! Durch die intelli-
gente Vernetzung mit dem Kalender wusste der Kühlschrank, dass Samuel Pizza – und Bier –
benötigt. Samuel lacht. Manchmal staunt auch er noch über die Digitalisierung.
Gleicher Montagmorgen – 7.30 Uhr auf dem Land. Auch Alessia wird von ihrem Smartphone
geweckt. Sie arbeitet für einen großen Konzern, nutzt aber dreimal die Woche ihr Recht auf
Homeoffice und fährt dazu zu einem Co-Working-Space im nächstgrößeren Dorf. Der autono-
me Bus hält um 08.00 Uhr in der Nähe ihres Hauses. Falls Alessia mal verschläft und den Bus
verpasst – kein Problem! Sie nimmt einfach ihr Auto. Der Co-Working-Space ist mit Lademög-
lichkeiten ausgestattet. Wenn die Sonne nicht scheinen sollte und Alessias Auto sich dadurch
nicht selbst mit Solarenergie aufladen kann, steckt Sie es an der Ladesäule an. Die Abbuchung
läuft bequem über denselben Account, mit dem sie den Sitzplan im Co-Working-Space bezahlt.
Ihr eigenes Auto nutzt Alessia aber meistens nur, um zweimal die Woche in die Firma zu fahren.
Einige Kundentermine nimmt sie dort gerne persönlich wahr. Außerdem schadet es nicht, die
Kolleg:innen in 3D zu sehen! Die meisten ihrer Bekannten und Freunde sind in die großen Städ-
te gezogen – Alessia kann das gar nicht verstehen. Sie genießt das Landleben in vollen Zügen:
Ihre Karriere läuft bestens, die Digitalisierung hat Einzug in das Landleben genommen. Ein gro-
ßer Vorteil: Alessias Haus ist im Vergleich zu den Wohnungen ihrer Freunde riesig: die meisten
in der Stadt leben in kleinen Wohnungen oder WGs. Der Trubel in der Stadt wäre ihr ohnehin zu
viel. Zumal jetzt dort noch mehr Menschen leben und arbeiten. Besonders schön: Alessias Oma
Luise kann mithilfe der neuen Verkehrsmittel ein viel selbstständigeres Leben führen – und das
auch jetzt im hohen Alter. Durch ihre Sehbehinderung hatte sie oft Angst im Straßenverkehr. Ihr
eigenes autonomes Auto gibt Luise Selbstständigkeit und damit viel Lebensfreude zurück.
So – oder so ähnlich – könnte das Leben in Jahren 2030+ aussehen. Dieser Abschnitt
soll darstellen, welche Auswirkungen und Chancen die Digitalisierung auf die Bereiche
Mobilität und Urbanisierung hat, aber dabei die Sicht auf die Risiken nicht vernachläs-
sigen. Besonders die Wechselwirkung der beiden Kernbereiche wird anhand praxis-
relevanter Fallbeispiele deutlich gemacht. Ziel ist es, ein mögliches Bild der Mobilität
der Zukunft zu schaffen. An dieser Stelle wird zudem auf das Kapitel 10 »Mobilität«
verwiesen, das die Mobilitäts-Thematik vertiefend darstellt.
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seits nimmt die Verkehrsbelastung in den Städten weiter zu und der Klimaschutz wird
zum entscheidenden Faktor, sowohl für die Gesellschaft als auch für die Wirtschaft.
Im Zusammenspiel mit technologischen Entwicklungen können digitale Lösungen
helfen, diese großen Herausforderungen der Gesellschaft erfolgreich zu bewältigen.18
Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass bis 2050 fast 70 Prozent der Weltbevöl-
kerung in Städten leben werden.19 Die Entwicklung von Städten stellt das vor zentrale
Herausforderungen. Die enge Verzahnung der Bereiche Mobilität und Urbanisierung
bedingt, dass die Lebensqualität in den Städten immer abhängiger von der Gestaltung
der Versorgung und Infrastruktur in immer dichter werdenden Lebensräumen wird. Es
bedarf daher verschiedener Antworten auf Fragen der Gestaltung der Mobilität und
der Städte der Zukunft unter besonderer Berücksichtigung des zunehmenden Urbani-
sierungstrends. Die transformatorische Entwicklung der globalen Mobilitätssysteme
wird vor allem durch die Elektrifizierung des Straßenverkehrs, eine zunehmende Ver-
breitung von Sharing-Konzepten sowie durch die Einführung autonomer Fahrzeuge
angetrieben.
Autonome Fahrzeuge
Autonomes Fahren bezeichnet das vollständig automatisierte Fahren eines Fahrzeugs
ohne Fahrer. Eine Realisierung autonomer Fahrzeuge im Straßenverkehr wird einen
elementaren Wandel hinsichtlich der Mobilität der Gesellschaft auslösen. Autonome
Fahrzeuge können beispielsweise auch von führerscheinlosen oder beeinträchtig-
ten Menschen genutzt werden. Die eingesparte Fahrzeit kann für andere Aktivitäten
verwendet werden, wie z. B. Arbeiten oder Schlafen. Dadurch rückt das Auto neben
Arbeitsstelle und Zuhause zum »Third Place« auf.21 Im Gesamtsystem wäre das Ent-
stehen neuer autonomer Geschäftsmodelle denkbar. Würden bis 2025 alle rechtlichen
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Eben diesen Zeitgewinn möchte das Start-up Hardt Hyperloop zu seinem entschei-
denden Wettbewerbsvorteil machen.
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Zukünftige Versorgungswege
Das Einkaufsverhalten wandelt sich grundlegend durch die Digitalisierung. Im On-
linehandel wird bis 2030 mindestens eine Umsatzverdoppelung erwartet. Treibender
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Faktor sind hier vor allem die Güter des täglichen Bedarfs.29 Die Logistikbranche wird
daher vor zunehmende Herausforderungen im Bereich der Auslieferung gestellt. Lö-
sungsansätze wie Roboterhunde, die aus dem Kofferraum eines autonomen Liefer-
wagens springen und Pakete bis zur Haustür tragen, sind durchaus vorstellbar. 30 Auch
Ansätze, die Mobilität jenseits herkömmlicher Infrastrukturen stattfinden lassen,
werden zunehmend Anwendung finden.
Darüber hinaus muss die Versorgungsfrage neu gestellt werden, da sie mit einer völlig
neuen Komplexität behaftet sein wird. Lösungsansätze beinhalten eine Dezentrali-
sierung des Nahrungsmittelversorgungssystems. In den Städten werden neue Mög-
lichkeiten geschaffen, um die Lebensmittelherstellung vor Ort zu realisieren. Urbane
Farming Start-ups wie beispielsweise das Berliner Indoor-Farming-Start-up Infarm
machen sich bereits heute die zukünftige Versorgungsfrage unter Berücksichtigung
der Ressourcenschonung zur Aufgabe. 32 Insgesamt können neuartige Angebote im Be-
reich der Mobilität sowohl im ländlichen als auch in urbanen Regionen älteren, weni-
ger mobilen Menschen durch technologische Entwicklungen das Leben erleichtern.
Städte bleiben attraktiver Wohnraum, weshalb ein Großteil der Menschen im Jahr
2030 in den Städten leben wird. Ob die smarte Gesellschaft auch den ländlichen Raum
nachhaltig aufwertet, zeigt sich erst jenseits des Jahres 2030, da Änderungen im Sied-
lungsverhalten ihre Wirkungen zeitversetzt zeigen. 33
Die Digitalisierung ist ein wichtiger Chancengeber, um die Herausforderungen des Ge-
sundheitswesens zu bewältigen. Eine der zentralen Problematiken ist die Versorgung
der alternden Bevölkerung. Ein längeres und selbstbestimmtes Leben in den eigenen
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vier Wänden durch digitale Systeme reduzieren den stationären Pflegebedarf und
entlasten das Gesundheitswesen. Zusätzlich bieten telemedizinische Anwendungen
die Gelegenheit, dem Fachkräftemangel und der Urbanisierung entgegenzuwirken.
Durch digitale Innovationen werden neue proaktive und individuelle Diagnostik- und
Behandlungsmethoden möglich, die zu einer effizienteren und kostengünstigeren Ge-
sundheitsversorgung führen. 34
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dem Pflegekollaps. Aktuelle Zahlen belegen diese Aussage: Laut der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kommen auf 100 Erwachsene über
80 Jahren nur elf Altenpfleger. Nach aktuellen Berechnungen werden im Jahr 2030
voraussichtlich 500.000 Pflegekräfte in Deutschland fehlen. 37
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42 Beispielsweise wie wir sie im Jahr 2020 mit der Corona Pandemie erlebten.
43 Vgl. Rößler, Soziale Pflege-Roboter setzen sich nur langsam durch, 2019.
44 Vgl. ebd.
45 Vgl. Wohlfahrtswerk, PARO – innovative Technik bei der Betreuung von Menschen mit Demenz, o. J.
46 Vgl. Rößler, Soziale Pflege-Roboter setzen sich nur langsam durch, 2019.
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47 Vgl. Deutscher Ethikrat (steht hier nicht nur »Ethikrat« – ohne Deutscher Ethikrat – als Quelle? Ich habe es im
Netz nur so gefunden), Ethikrat: Chancen für die Pflege durch verantwortliche Nutzung von Robotik, 2020.
48 Vgl. Granny Vision, o. J.
49 Vgl. Statistisches Bundesamt, Ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte arbeitete 2018 mehr als 48 Stunden pro
Woche, 2020.
50 Vgl. Aerzteblatt.de, KBV: Bis 2030 fehlen mehr als 6.000 Ärzte, 2016.
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Telemedizinische Anwendungen dürfen nur als Maßnahme zur Erweiterung bzw. Er-
leichterung der medizinischen Versorgung angesehen werden. Jedoch werden auch
Besorgnisse in der Bevölkerung registriert. Das Start-up MedKitDoc greift die Be-
fürchtung von Fehldiagnosen auf, indem sie körperliche Untersuchungen mittels
zertifizierten Medizingeräten digital abdecken. Durch das Versenden von digitalen
Stethoskopen, Elektrokardiogrammen, Pulsoximetern etc. an die Patienten, wird eine
fundierte Fernbehandlung verwirklicht. 58 Auch Wearables, wie Smartwatches oder
Fitnessarmbänder können bei einer genaueren Diagnose behilflich sein.
56 Vgl. Hosseini, Digitale Plattformen transformieren das Gesundheitswesen – Höchste Zeit für die Definition
einer Plattformstrategie, 2020.
57 Vgl. Kry, o. J.
58 Vgl. MedKitDoc, o. J.
59 Vgl. Olesch, Big Data bereitet den Weg von einer Interventions- zur Präventivmedizin, 2017.
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»Big Data kann nur Korrelationen liefern. Für relevante und richtungsweisende
Ergebnisse gilt es jedoch mit Kausalitäten zu arbeiten und somit Big Data in
Smart Data zu überführen.«61
Big Data, das Sammeln und Zusammenführen von individuellen Patienten- und
Gesundheitsdaten sowie klinischen, epidemiologischen, bildgebenden und mole-
kulargenetischen Daten, stellt einen wichtigen Meilenstein dar. Aber erst eine sys-
tematische Vernetzung und Auswertung dieser Daten durch die Entwicklung von
künstlicher Intelligenz und Algorithmen führt zu einer Revolution in der Medizin und
im Gesundheitswesen. Die gewaltigen Datenbestände der Dienstleister:innen im Ge-
sundheitswesen schließen eine Analyse durch menschliche Arbeitskraft aus. KI-An-
wendungen und Algorithmen zeigen durch eine tiefgehende und permanente Analyse
ein enormes Potenzial in der Gesundheitsforschung und -versorgung auf. Durch den
Einsatz von KI im Managementbereich wird eine Verbesserung der operativen Effi-
zienz und Leistung erzielt, indem eine bessere Auslastung der Ressourcen erreicht
wird, was Zeit- und Kosteneinsparungen bedingt. Der Einsatz von Machine-Lear-
ning-Lösungen – ein Teilbereich der KI – ermöglicht das Erkennen von Mustern und
Trends im Gesundheitsverlauf vieler Patienten, wodurch eine bessere und schnellere
Diagnostik, bei gleichzeitiger Reduzierung der Gesundheits- und Folgekosten erreicht
werden kann.62 Medizinische Datenzentren 63 können durch das kontinuierliche Bereit-
stellen von Gesundheitsdaten durch Wearables und Sensoren – aber natürlich nur mit
60 Vgl. Prof. Dr. Dabrock, Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Stellungnahme »Big Data und
Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung«, 2017.
61 Mittelstädt, Basis zur effizienten Nutzung von Big Data? Eine einheitliche Infrastruktur im
Gesundheitswesen, 2017.
62 Vgl. Rüping, Datenanalyse: Big Data in der Medizin, 2013.
63 Erwähnenswert ist beispielsweise Watson Health von IBM, der eine hohe Informationsdichte an freigegebenen
Daten kontrolliert und auf medizinisches Wissen, klinische Fälle sowie Fachliteratur zurückgreift.
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Die Anwendungsbereiche von Big Data und KI sind grenzenlos. In der folgenden Fall-
studie werden spezifische Fälle beschrieben.
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zu verbessern. Die bereits in fünf europäischen Ländern eingesetzte Software wurde mit
einem Datensatz von mehr als 2 Millionen Aufnahmen trainiert. Zukünftig will das Start-up
die Wahrscheinlichkeit einer Brustkrebserkrankung beurteilen, indem Mammografien durch
weitere Risikoprofile erweitert werden.68
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Verbindung mit Big Data eröffnet in der Diagnostik
und somit auch in der Krebsbehandlung neue Chancen. Die Basis für jede personalisierte
Krebstherapie ist die molekulare Analyse des Tumors. Die dadurch vollzogene Einteilung in
verschiedene Untergruppen entscheidet, ob eine zielgerichtete Therapie angeboten werden
kann. Nicht für jede Subgruppe existieren bereits passgenaue Medikamente. Doch die mole-
kulare Testung ist mit hohem personellem und finanziellem Aufwand verbunden und verhin-
dert somit einen flächendeckenden Einsatz. Hier setzt das Partnerprojekt Cancer Scout mit
der Idee einer »digitalen Biopsie« an. Allein durch die digitale Analyse histologischer Bilder
soll der Computeralgorithmus die Einteilung des Tumors in eine Subgruppe vorhersagen.
Fälle mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einer personalisierten Therapie werden im Nach-
gang sicherheitshalber molekular getestet. Das Projekt, gefördert mit 9,6 Millionen Euro, för-
dert einen flächendeckenden Zugang zur personalisierten Krebstherapie bei gleichzeitiger
Kosteneinsparung und Schonung wertvoller Personalressourcen.69
Nicht nur die Krebsforschung, -diagnostik und -behandlung profitieren von dem Ein-
satz künstlicher Intelligenz. Viele Institutionen, Unternehmen und Start-ups haben
weltweit bereits bedeutende Fortschritte bei Krankheiten wie Demenz, Lungenbe-
atmung und Diabetes erzielt. Künstliche Intelligenz ist die Schlüsseltechnologie der
Zukunft, die Patient:innen in den Mittelpunkt der medizinischen Versorgung stellt.
Gleichzeitig wird in den Gesundheitssystemen Europas ein großes Einsparungs-
potenzial generiert. Zudem wird durch die Möglichkeit der Früherkennung in den
Gesundheitssystemen Europas ein großes Einsparungspotenzial generiert. Das Bun-
desministerium für Bildung und Forschung fördert aus diesem Grund mehr als 60 KI-
Projekte mit 90 Millionen Euro.70
2.3 Digitale Ethik
Das enorme wirtschaftliche Potenzial, dass mit der Digitalisierung einhergeht, ist
gleichzeitig an eine große Verantwortung gebunden. Daraus resultieren immer lauter
werdende Diskussionen um ethische Regeln für die digitale Welt. Im Kontext der Ge-
sellschaft 5.0 darf eine digitalethische Perspektive nicht fehlen.
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Unternehmen die Möglichkeit, die (digitale) Welt von morgen führend mitzugestalten.
Die folgende Abbildung stellt den »Weg in eine menschfreundliche digitale Zukunft«
visuell dar.
Das Design von Unternehmen tragen Grenzen zwischen Digitale Fähigkeiten Jeder Einzelne von
Produkten und u. a. Sorge dafür, dass ethisch Machbarem und lebenslanges uns kann einen Teil
Services aus einer die Gesellschaft am und ethisch Lernen sind dazu beitragen, dass
nachhaltigen technologischen Vertretbarem zukünftig apokalyptische
Fortschritt teilhaben müssen definiert elementare Szenarien ausbleiben
Perspektive sorgt
kann. Damit wird CDR werden. Letzte Kernkompetenzen und die
von Beginn an für Digitalisierung unser
zu einer essenziellen Instanz ist demnach der Menschen.
das Einbringen Durch Leben weiterhin
Voraussetzung für die Politik, um einen
ethischer Weiterbildung oder verbessern wird.
Unternehmen, um ethischen
Perspektiven. So nachhaltig erfolgreich Handlungsrahmen Kooperationen Dafür benötigen wir
entstehen nur agieren zu können. zu schaffen. lassen sich Wissen Optimismus und
ethisch vertretbare und Skills aneigen. Gestaltungswillen!
Angebote.
2030 wird sich nicht alles grundlegend geändert haben, aber die Auswirkungen der
Digitalisierung werden in allen Lebensbereichen deutlich spürbar sein. Die Digitali-
sierung bietet der Gesellschaft zahlreiche Lösungen und Chancen. Von besonderer
Bedeutung ist es, die Menschen in den technologischen Entwicklungen nicht zu ver-
nachlässigen und damit zu verlieren. Es ist essenziell, niemanden auf dem Weg in die
ultrasmarte Gesellschaft digital zu behindern und damit abzuhängen. Für eine erfolg-
reiche Transformation darf keine (digitale) Spaltung der Gesellschaft hervorgerufen
werden.
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Takeaways:
Nützliche Links
¸ https://www.capgemini.com/de-de/wp-content/uploads/sites/5/2018/
03/gesellschaft-5-01.pdf
¸ https://corporate-digital-responsibility.de/
90
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Zusammenfassung
Ökosysteme werden – so der Stand heute – hauptsächlich von amerikanischen Unter-
nehmen betrieben. Das folgende Kapitel gibt Aufschluss darüber, wie der Einstieg
für den Mittelstand erfolgreich gemeistert werden kann. Neben einem Handlungs-
vorschlag für den Eintritt, werden auch Werte identifiziert, die für Ökosysteme von
besonderer Bedeutung sind. Das Zusammenführen von Know-how verschiedenster
Unternehmen bietet für alle Beteiligten enorme Potenziale und hohen Mehrwert in
jeglicher Hinsicht. Die daraus resultierende Wechselwirkung soll allen Teilnehmern
wirtschaftlichen Erfolg und Wachstum über Jahre sichern.
Schlüsselbegriffe
Ökosystem, Mittelstand, Innovationsökosystem, Geschäftsmodell,
Offenheit, Kreativität, Dynamik, Zusammenarbeit,
Neuausrichtung, UnternehmerTUM, Kollaboration, Netzwerk
3.1 Einleitung
Emilia Groß, die Tochter eines mittelständischen Unternehmers, übernahm vor fünf
Monaten den Chefposten ihres Vaters. Von den Lieferanten und Kunden hört sie im-
mer öfter den Begriff »Ökosystem«. Eines Abends bei einem Glas Wein erinnerte sie
sich an ihren Großvater, der seinerzeit große Waldflächen besaß und ihr die folgende
Geschichte erzählte, als sie ein kleines Mädchen war:
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Abb. 12: John Ernest Weaver, The Ecological Relations of Roots, Washington, Carnegie Institution of
Washington, 1919
Diese Geschichte lässt Emilia Groß nicht mehr los und sie sucht nach weiteren Infor-
mationen, die ihr diese Zusammenhänge genauer erläutern.
»Was die Natur über Jahrmillionen lehrte, bedarf keinerlei weiterer Erfolgs-
prognosen des Menschen.« – Die Autoren
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3.1 Einleitung
Das biologische Ökosystem funktionierte schon vor Beginn der Menschheit und tut es
heute noch. Es ist ein reichhaltiges, adaptives und widerstandsfähiges Geflecht von
Organismen. Es besitzt in sich das Potenzial bzw. die Möglichkeit, mit den verschie-
densten Lebewesen gemeinsam zukunftsfähig zu arbeiten1. In einem Ökosystem kön-
nen einzelne Komponenten niemals allein existieren. Das bedeutet, dass Biotop (der
Lebensraum einer einzelnen Lebensart) und Biozinöse (die Lebensgemeinschaft von
Pflanzen und Tieren in einem Biotop) voneinander abhängig und in gewisser Weise ein
Teil des anderen im Gesamtsystem sind. Es lassen sich daraus drei wesentliche Eigen-
schaften eines funktionierenden Ökosystems nennen:
Der erste Schlüsselfaktor ist Offenheit. Ein Ökosystem ist nie von anderen Ökosys-
temen isoliert, sondern es ist immer eine Verschmelzung mehrerer. Darin können
Lebewesen beliebig wechseln und interagieren, sodass alle davon profitieren können.
Dabei ist die Dynamik der zweite wichtige Faktor. Ein statisches, unflexibles System
hat lediglich die Fähigkeit, eine bestimmte Situation zu meistern, ist aber niemals ziel-
führend. In der Natur warten ständig neue Herausforderungen, die eine dynamische
Anpassung auf neue Situationen unumgänglich machen. Die Komplexität, als dritte
wesentliche Eigenschaft, sowie deren Wechselwirkungen, sollen das Geflecht zwi-
schen Lebewesen und Umwelt stabilisieren.2
Beispielhaft für die anhaltende Digitalisierung ist der Wandel des klassischen Buches
zum digitalisierten Hörbuch bzw. mit den neuesten technologischen Entwicklungen
zum Live-Podcast, den die App Clubhouse3 ermöglicht. Mit der digitalen Transforma-
tion von physischen Produkten, kann das Angebot für den Nutzer optimiert werden.
Denn verschiedene Firmen können durch die jeweiligen zusätzlichen Services das
Produkterlebnis für den Kunden verbessern. Beispielsweise Amazon: Es ist nicht mehr
nur möglich, das Buch digital zu lesen (Kindle), sondern man kann mit Audible an der
entsprechenden Stelle des Buches weiterhören. Alles ist miteinander vernetzt und
generiert so eine neue Erfahrung für den Kunden, die durch das digitale Ökosystem
ermöglicht wird.
1 Vgl. Deloitte, Ecosystems – Kooperation als Zukunftsmodell für die Digital Economy, 2020.
2 Vgl. Kubb, Ökosystem, 2020.
3 t3n, Hype um Clubhouse: https://t3n.de/news/hype-um-clubhouse-diese-1349947 (Aufrufdatum: 19.02.2021).
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Audible
Portable Recorder
CD
Buch
3.2 Das Geschäftsökosystem
Mit der Einkehr der Industrie 4.0 in die Unternehmen weltweit wird der Begriff »Öko-
system« im Wirtschaftssektor immer präsenter. In der aktuellen Zeitrechnung agieren
Ökosysteme aufgrund der technologischen Fortschritte zunehmend in digitaler Form,
auch wenn das nicht grundsätzlich zwingend erforderlich ist. In der Vergangenheit ha-
ben sich bereits auch physische Ökosysteme als erfolgreich erwiesen. Dabei ist ein
Ökosystem ein System, das sich durch Beziehung und Wechselwirkungen zwischen
sozialen und technischen Aspekten auszeichnet.4
Hier nehmen Unternehmen, digitale Systeme oder Menschen bestimmte Rollen ein,
die nicht miteinander in Verbindung stehen müssen. Das sind beispielsweise verschie-
dene Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Wenn sich diese voneinander
unabhängigen Akteure entschließen, einem Ökosystem beizutreten, oder ein Unter-
nehmen selbst ein Ökosystem gründet und andere Teilnehmer anheuert, muss für
jeden einzelnen Teilnehmer im Gesamtsystem ein gewisser Mehrwert entstehen. Die-
ser Mehrwert soll durch gegenseitige Interaktionen und Zusammenarbeit gesteigert
werden und wird als Netzwerk- oder Skaleneffekt bezeichnet: Je mehr Kunden sich
auf der Plattform befinden, desto mehr Anbieter werden angelockt. Je mehr Anbieter
wiederum auf der Plattform sind, desto größer ist die Auswahl und auch die Vergleich-
barkeit der Angebote, was meist zu attraktiveren Preisen und damit einer höheren
Attraktivität bei den Kunden führt. Es zeigt sich, dass sich dieser Kreislauf fortlaufend
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bestärkt. Folglich ist die Akquise von kompetenten und zuverlässigen Partnern im
Ökosystem von großer Bedeutung. Gemeinsame Ziele definieren, klare Absprache der
Aufgaben, Festlegung des Formats, Input der Teilnehmer und Output des Gesamtsys-
tems sind wesentliche Faktoren einer ökonomischen Zusammenarbeit. Denn eines ist
klar: Ein Ökosystem ist nur so stark wie sein schwächstes Einzelglied – das gilt in der
Natur und wird auch in der Wirtschaft gelten. 5
Zu Beginn des Kapitels wurde bereits von drei elementaren Begriffen gesprochen, die
die Existenz des biologischen Ökosystems sichern. In die Wirtschaft übertragen, müs-
sen diese Faktoren von Personen getragen werden, die in den Unternehmen Entschei-
dungen treffen. Nur so können die Samen eines Ökosystems gepflanzt werden und im
Laufe der Zeit gedeihen.
Offenheit
Je höher die Marktmacht eines Unternehmens in den letzten Jahrzehnten war, desto
schwieriger ist es, Offenheit für Neues zu beweisen. Sich von Altbewährtem zu lösen
und neuen Trends zu folgen, sind Meilensteine für eine erfolgreiche Zukunft. Viele
Mittelstandsunternehmen werden aktuell noch von den Firmengründern bzw. de-
ren Nachfolger:innen geführt und verfolgen nicht selten das Erfolgskonzept der Ver-
gangenheit, auch zurecht. Jedoch werden Trendbegriffe oder auch Buzzwords, wie
Ökosysteme bzw. Innovationsökosysteme, bei Diskussionen um eine Neuausrichtung
im Keim erstickt. Doch genau diese Konzepte werden unabdinglich, wenn ein Unter-
nehmen in den nächsten Jahren noch erfolgreich am Markt agieren möchte. Es geht
darum, langjährige Konkurrenten nicht mehr als Gegner zu sehen, sondern mit ihnen
gemeinsam zu kooperieren und dadurch Innovationen voranzutreiben. Dadurch wird
aus Competition (Wettbewerb) Co-opetition (zusammen agierender Wettbewerb),
das heißt, sich von bisherigen Tabus zu lösen und zu versuchen, mit Start-ups oder
kleinen Unternehmen zu kooperieren. Diese werden selbstverständlich nicht dem ge-
wünschten Sicherheits- oder Qualitätslevel entsprechen, aber es sollte deshalb eine
Zusammenarbeit nicht kategorisch ausgeschlossen werden.6 Grundsätzlich ist es
hilfreich, neuen Projekt offen gegenüberzustehen und ihnen die Chance zu geben,
sich peu à peu den geforderten Standards anzugleichen. Es ist sinnvoll, deren Produk-
te ernsthaft zu durchleuchten, um später die eigenen Produkte oder Dienste damit
verbessern zu können und den Wandel des Käufermarktes voranzutreiben.
5 Vgl. Dr. Trapp, Digitale Ökosysteme und Plattformökonomie, Was ist das und was sind die Chancen?, 2020.
6 Vgl. ayway media GmbH, Handbuch Digitaler Mittelstand, 2020, S. 75.
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Dynamik
Dynamik warnt indirekt davor, blauäugig zu agieren und sich nur auf den Begriff Öko-
systeme zu verlassen. Dynamische Fortschritte treten nämlich nur bei geplanten und
durchdachten Konzepten ein. Ein Nischenprodukt oder ein innovativer Service kann
dies selbstverständlich zusätzlich verstärken. Eine dynamische Entwicklung lässt sich
durch die zunehmende Anzahl an Spielern auf Anbieter- und Nachfragerseite erken-
nen. Für Mittelständler gilt, die Dynamik eines Ökosystems vorher kritisch zu durch-
leuchten, um dann strategische Partnerschaften mit Lieferanten eingehen zu können.
Die Lösung des Henne-Ei-Problems ist hier das Kernthema. Um Restriktionen zu ver-
meiden, bietet es sich an, dass neu gegründete Plattformen bzw. Ökosysteme bereits
mit einem Angebot an Produkten von verschiedenen Teilnehmern in den Markt ge-
hen. Damit können sie einem bestimmten Ökosystem klar zugeordnet werden und
gleichzeitig die Erwartungen im positiven Sinne beeinflussen. Es geht also darum, die
kritische Masse zu erreichen und infolgedessen die Plattform zu stärken und damit
Netzwerk- bzw. Skaleneffekte zu erzeugen.7
Komplexität
»Mit jeder Schnittstelle steigt die Komplexität im Quadrat«8 . Aussagen wie diese sind
in jedem Unternehmen allgegenwärtig. Um in Ökosystemen Komplexität beherrschen
zu können, gibt es vorab wichtige Aufgaben, die zu klären sind. Beim Eintritt eines
Ökosystems bzw. beim Aufnehmen eines Teilnehmers ist es eminent wichtig, dass
diese Beziehung »matched«. Hier wird der Grad der Modularität herangezogen und
beurteilt, inwieweit der Service oder das Produkt zum jeweils anderen passt. Zudem
werden Richtlinien, Aufgaben und Gesetze festgelegt, die Prozesse so definieren, dass
das Verschmelzen von verschiedenen Playern eine hohe Modularität zur Folge hat.
Es müssen mehrere Attribute im Sinne von gemeinsamen Zielen sowie In- und Out-
putfaktoren verfolgt werden, um jedes einzelne Mitglied an die Besonderheiten eines
Ökosystems anzupassen und gleichzeitig im großen Ganzen aufeinander abgestimmt
zu sein.
3.2.2 Lösungsökosystem
7 Vgl. ebd.
8 Vgl. PuLLberatung, Qualitätsleitsätze, 2020.
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Lieferanten Komplementäre
Kernunternehmen Konsument
3.2.3 Transaktionsökosystem
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der Konsumenten und Lieferanten verbindet und die Schnittstelle zwischen den bei-
den darstellt.11
Ökosystem-
Anbieter Konsumenten
administrator
Ökosystem-
service
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die beiden Ökosystemtypen nicht nur
im Aufbau variieren, sondern auch in der Art der Teilnehmer. Das Lösungsökosystem
stellt den Gesamtprozess bzw. das daraus resultierende Endprodukt in den Vorder-
grund. Ferner werden Lösungsökosysteme in Zukunft noch stärker gesucht, da diese
Antworten auf eine wachsende Problematik liefern: Die Umsetzung von Innovationen.
Das Transaktionsökosystem hingegen, ist relativ einfach aufgebaut und profitiert pri-
mär von der wachsenden Anzahl der Teilnehmer.
Ein Unternehmen muss nicht konsequent in einem der beiden Ökosysteme bleiben.
Nur in der Anfangsphase empfiehlt es sich, einen der beiden Wege einzuschlagen,
um das eigene Know-how transparenter einbringen zu können. Marktdominierende
Unternehmen wechselten vom ursprünglichen Ökosystem in eine hybride Form. Der
Onlinemarktplatz für Ferienwohnungen, Airbnb, beispielsweise startete als Transak-
tionsökosystem mit Anbietern, die ihre Wohnungen zur Verfügung stellten, und Rei-
senden, die diese in Anspruch nehmen. Um ihre Marktposition weiter zu behaupten
und den Service für Reisende zu erweitern, wurden weitere Funktionen rund ums
Thema Reisen für die Touristen zur Verfügung gestellt. Dadurch steht nicht nur das
Vermieten von Unterkünften im Vordergrund, sondern es wird der Gesamtprozess des
Reisens betrachtet. Das Angebot wurde durch Hilfen bei Reisevorbereitungen oder zu-
sätzliche Informationen während der Reise ergänzt.13
Aribnb ist hier nur ein Beispiel von vielen. Bei nahezu allen marktdominierenden
Technologieunternehmen lassen sich Aktivitäten außerhalb der ursprünglichen Bran-
chengrenze erkennen. Am Ende jeder Wertschöpfungskette, egal, ob von Produkten
im B2B-Bereich oder Dienstleistungen im B2C-Bereich, steht der Endverbraucher. Die
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Konsequenz daraus ist, dass sich die beiden Märkte zu einem B2I-Markt (»Business to
Indiviual«) konsolidieren und in Verbindung mit Ökosystemen zu einem E2I (»Ecosys-
tem to Individual«) werden.14
Zur einfacheren Illustration wird zunächst der grundsätzliche Aufbau eines Ökosys-
tems betrachtet. Angelehnt an den Ecosystemizer von Prof. Dr. Julian Kawohl, wurde
das Framework Ökosystem mit den fünf wichtigsten Rollen aufgebaut. Das Unter-
nehmen bestimmt zunächst, wo es verortet und welcher Reifegrad sowie welche Ex-
pertise vorhanden ist. Im Folgenden werden die Rollen detaillierter beschrieben. Im
äußersten Bereich ist der Lieferant angesiedelt, der dem Ökosystem materielle Res-
sourcen oder möglicherweise auch Geld zur Verfügung stellt. Dem folgt der Zulieferer,
der Fachwissen, Ideen oder Forschungsergebnisse einbringt. Die dritte Rolle ist der
Anbieter, der das Marktpotenzial überprüft. Der Umsetzer soll Ideen der Zulieferer und
Anbieter anschließend in die Praxis integrieren. Die wohl wirtschaftlich lukrativste
Rolle ist die des Vernetzers als Kern des Ökosystems. Diese Funktion soll das Ziel eines
jeden Unternehmens sein, da hier die größten Gewinne zu erzielen sind.
Vernetzer
Umsetzer
Anbieter
Zulieferer
Lieferant
14 Vgl. Versicherungsforen: Erfolgreich Ökosysteme gestalten – wie Versicherer sich durch Ökosysteme neu
erfinden können, 2020.
15 In Anlehnung an: Gespräch UnternehmerTUM.
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3.3 Mittelstand
»Die Zukunft von Unternehmen ist die Gegenwart, die sie (noch) nicht kennen.«
Die Autoren
Laut einer Studie der McKinsey Forschung werden digitale Ökosysteme bis 2025 30 %
des globalen BIP erwirtschaften16 . Die digitalen Big Player sind bereits auf dem Vor-
marsch und werden ihre Positionen in den verschiedenen Ökosystemen weiter stär-
ken wollen, während das Thema Ökosysteme im deutschen Mittelstand noch in den
Kinderschuhen steckt. Es ist noch nicht zu spät, um sich einen Platz im Ökosystem zu
sichern, aber es ist allerhöchste Zeit!
Bei Unternehmen des Mittelstandes, die noch keine oder wenig Erfahrungen mit Öko-
systemen haben und erst den Anschluss suchen, bietet es sich an, zum Ausgangspunkt
zurückzugehen und das eigene Unternehmen hinsichtlich der Potenziale eines Öko-
16 Vgl. McKinsey, The rise of ecosystems and platforms: What role can insurers play and how can they get
started, 2020.
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3.3 Mittelstand
17 Vgl. Mansholt, Der Nokia-Chef über alte Fehler, das Smartphone-Comeback – und Steve Jobs, 2018.
18 Neues unternehmerisches Denken, Hubertus C. Tuczek (Hrsg.), Haufe-Lexware, Freiburg, 2020.
19 Vgl. PwC, Zwei, die sich gut verstehen: https://www.pwc.de/de/mittelstand/zwei-die-sich-gut-verstehen-von-
family-venture-capital-profitieren-familienunternehmen-und-startups.html (Aufrufdatum: 19.02.2021).
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Bei den bereits erwähnten plattformbasierten Unternehmen wie Amazon und Airbnb
wurden die Rollen eines Ökosystems bereits eindeutig an Unternehmen verteilt und
sie funktionieren in sich stimmig. Für Mittelständler ist es nicht unwesentlich, sich
neben den drei Grundpfeilern Offenheit, Dynamik und Komplexität auch über den
Faktor Zeit bewusst zu werden. Eine Implementierung von Innovationsökosystemen
kann nie von heute auf morgen voranschreiten, sondern benötigt sehr viel Geduld.
Durch die Berücksichtigung dieser Faktoren sollen der Einstieg in ein Ökosystem er-
leichtert und die damit verbundenen Facetten dargelegt werden.
Daraus resultiert zunächst die Frage, warum sich der Mittelstand überhaupt mit Öko-
systemen beschäftigen sollte. Ökosysteme bieten Unternehmen grundsätzlich vier
ausschlaggebende Vorteile: Zugriff zu einer Bandbreite an Funktionen, eine prompte
Skalierbarkeit, eine hohe Flexibilität und Ausfallsicherheit. Durch die klar ausgemach-
ten Schnittstellen und ein modulares Konstrukt, können Teilnehmer sehr einfach
hinzugefügt werden. Das vereinfacht nicht nur die Zusammenarbeit der Teilnehmer,
sondern sorgt nebenbei auch für ein dynamisches Wachstum. Eine sehr wichtige
Eigenschaft aus Konsumentensicht ist die hohe Flexibilität, die aus einer hohen Aus-
fallsicherheit in Krisenzeiten (Stichwort: Coronakrise) resultiert. Ein robuster Kern der
Plattform mit stabilen und flexiblen Schnittstellen sichert eine variable Anpassung an
Kundenbedürfnisse und die Wirtschaftslage. Auf diese Weise steigert das Ökosystem
seine Attraktivität am Markt und besitzt dementsprechend großes Entwicklungs-
potenzial.20
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3.3 Mittelstand
Auf einer Art Moderationskarte können die Akteure kurz beschrieben und deren An-
teil am Gesamtsystem hinsichtlich Rolle/Rollen und In- und Output kann aufgelistet
werden.
Jeder Akteur kann jetzt auf der Ökosystemkarte eingezeichnet und die Zusammen-
arbeit mit Verbindungspfeilen markiert werden. Bei Bedarf kann bei den Verbindungs-
pfeilen die Form der Kooperation eingetragen werden. Es kann sich dabei auch um
sehr pragmatische Kooperationsarten handeln, wie beispielsweise die Teilnahme an
einer Jobbörse von regionalen Unternehmen.
W
k
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ft
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Ge
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Um noch tiefer in diese Thematik einzusteigen, empfehlen wir Ihnen, sich die Publika-
tion von Fraunhofer IAO »Innovation Ecosystem Strategie tool« anzusehen24 .
Player (Spieler)
y Welche Spieler ziehen einen Nutzen aus der Kooperation?
y Für welche Spieler ist eine Kooperation eine Win-win- oder eine Win-lose-Situation?
y Welche Spieler haben bei einer Kooperation das Nachsehen?
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3.3 Mittelstand
Rules (Regeln)
y Welche Regeln bringt die Kooperation mit sich?
y Welche Regeln sind sinnvoll?
y Sind diese Regeln veränderbar oder vertraglich festgelegt?
Tactics (Taktik)
y Wie reagieren andere Player auf das Kooperationskonzept?
y Besitzen die Akteure eine flexible bzw. eine veränderbare Wahrnehmung?
Scope (Bezugsrahmen)
y Welchen Umfang hat die Zusammenarbeit?
y Wo liegen die Grenzen? Mit welchen Bedingungen sind diese ausweitbar?
y Welche Grenzen müssen weiterhin bestehen?27
3.3.2 Fallbeispiele
Gesellschaftliches Ökosystem
Im März 2020 hat die Bundesregierung den WirVsVirus-Hackathon ins Leben gerufen.
Ein digitaler Beteiligungsprozess, bei dem innerhalb von 48 Stunden fast 30.000 Men-
schen an über 1.500 Lösungen gearbeitet haben, um der Coronakrise entgegenzuwir-
ken. Was damals als Initiative gestartet hat, ist heute zu einem innovativen Ökosystem
gewachsen mit Solution Enablern, Solution Buildern, Förderpartner und einer Com-
munity, die bei der Umsetzung der Lösungen unterstützt. Solution Enabler sind dafür
verantwortlich, die Lösungen umzusetzen und zu testen, damit ein Nutzen geschaffen
werden kann. Die Solution Builder laufen die Phasen in einen Sprint, um innerhalb von
10 Wochen skalierbare Lösungen zu bauen, die mit ersten Partnern umgesetzt werden
können. Förderpartner waren zum Beispiel Vodafone, Google oder Respond.28
Mit dem Beginn der Coronakrise und dem daraus resultierenden Lockdown im Frühjahr
2020, war bei vielen kleinen, regional ansässigen Unternehmen die Sorge um die Exis-
tenz groß. Mit Ladenschließungen und Ausgangssperren wurden die regionalen Unter-
nehmen faktisch vom Wirtschaftsleben ausgeschlossen, da bis dato kein Online-Auftritt
realisiert wurde. Dies sollte sich mit der Aktion »miagehn.online« ändern, inspiriert durch
die Aktion des WirVSVirus. Die Städte München, Würzburg und Landshut haben sich zum
Ziel gesetzt, den Kleinunternehmern unter die Arme zu greifen. In Landshut und Würz-
burg wurde das Vorhaben mit dem Kooperationspartner UnternehmerTUM und unter
der Schirmherrschaft des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales umgesetzt.
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Dazu ein Statement der Staatsministerin für Digitales und Schirmherrin der Aktion
Judith Gerlach:
Wie bereits erwähnt, hat die Initiative miagehn.online während des Lockdowns dazu
beigetragen, die Digitalisierung auch bei kleinen Einzelhändlern einzuführen und so
den Umsatz und damit ihr Überleben sicherzustellen. Das genaue Vorgehen ist im Fol-
genden geschildert:
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3.3 Mittelstand
Wie man auf der obigen Abbildung erkennen kann, können Kleinunternehmer nicht
nur mit Gleichgesinnten kooperieren, sondern auch mit weltweit agierenden Akteu-
ren wie beispielsweise Google oder Cisco. Genauso kann es für regionale Unterneh-
men von großer Wichtigkeit sein, sich von den großen erfolgreichen Playern etwas
abzuschauen, um das eigene Wachstum voranzutreiben oder zumindest gewohnte
Umsätze in Krisenzeiten erzielen zu können. Vor welchen Herausforderungen und
Hürden die Gesellschaft x.0 in Zukunft steht wird, wurde im Kapitel 2 »Gesellschaft 5.0:
Neues Normal in einer vernetzten Welt« bereits erläutert. Ökosysteme können dabei
helfen, diese Probleme zu lösen.
Technologisches Ökosystem
Cisco und Google sind nicht nur in regionalen Ökosystemen vertreten, sondern haupt-
sächlich dort, wo ihre Kernkompetenzen liegen bzw. wo ein lukrativer Markt entsteht.
Nicht allzu sehr überraschend ist daher, dass sich viele große Tech-Unternehmen des-
halb im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) ansiedeln wollen.
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Die Ökosysteme, die den Bereich KI abdecken und somit zu den technologischen Öko-
systemen zählen, sollten nicht unerwähnt bleiben. Aktuell hält KI schon Einzug in
Deutschlands Wohnzimmer, Produktionslinien oder den Entertainment-Bereich. Dies
ist aber erst der Anfang. Zukünftig soll KI beispielsweise in der Pflege oder im Stra-
ßenbau implementiert werden. Hierzu wird auf das Kapitel 5 »KI: Mensch-Maschine-
Kollaboration und Augmented Intelligence« verwiesen. Als die Bildungseinrichtung
UnternehmerTUM die Initiative appliedAI 2018 ins Leben gerufen hat, gab es wenig
bis keine Unterstützung bei der Realisierung von KI-Potenzial zwischen Wissenschaft
und Forschung sowie der Praxis. Dadurch soll Unternehmen geholfen werden, ihren
KI-Reifegrad sukzessiv zu verbessern.
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3.3 Mittelstand
y Der Fachmann. Unternehmen, die das Fachmann-Level erreicht haben, haben KI-
Anwendungen nicht nur implementiert, sondern skaliert und professionell und
effizient eingesetzt. Daraus entwickeln sich auch neue Geschäftsmodelle
y Der Former. Die höchste Reifestufe des Gestalters können nur wenige Unterneh-
men erreichen, da diese Unternehmen die KI-Entwicklung eines ganzen Feldes be-
stimmen (wollen). Man spricht von AI First-Unternehmen. Intern ausgearbeitete
Lösungen werden extern übernommen und Ökosysteme um die eigenen Anwen-
dungen heraus aufgebaut.35
Ferner bringt die Implementierung von Unternehmen in Ökosystemen auch für die
Arbeitnehmer einiges an Flexibilität mit sich. Zukünftig wird es irrelevant werden,
bei welchem Unternehmen der Angestellte ursprünglich einen Arbeitsvertrag unter-
schrieben hat. Es werden zwar neue Mitarbeiter noch von einem bestimmten Unter-
nehmen eingestellt und auch teilweise bezahlt, sie stehen aber optional auch für
andere Unternehmen eines Ökosystems zur Verfügung. Vorstellbar wäre hier ein
flexibler Grundarbeitsvertrag von 15–30 Stunden und ein optionaler Vertrag eines
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Vielmehr soll das Wirtschaften von kulturellen und nachhaltigen Aspekten beeinflusst
werden. Um den stupiden Büroalltag zu begraben und das Arbeiten angenehmer ge-
stalten zu können, werden für die Mitarbeiter sogenannte Ermöglichungsräume ge-
schaffen. Dort sollen innovative Prozesse und modulare Entwicklungen den Weg zur
Wissensgesellschaft 37 ebnen. Ausgehend von UnternehmerTUM und der Stadt Mün-
chen entsteht ab 2021 das »Munich Urban Colab«. Das Innovations- und Gründungs-
zentrum soll genau diese Prozesse unterstützen und Menschen aus verschiedenen
Bereichen zusammenführen. Living Labs, Wintergärten sowie Sport- und Fitness-
räume sollen dazu führen, Kreativität und Kollaboration anzukurbeln (https://www.
unternehmertum.de/ueber/munich-urban-colab). Das neuartige Bauwerk soll zur
Potenzialentfaltung der dort ansässigen Start-ups, Corporate Innovators und Wissen-
schaftler führen. 38Um einen detaillierteren Einblick in das Thema Potenzialentfaltung
im Arbeitsalltag 2031 zu bekommen, wird auf das Kapitel 8 »New Work« im Buch ver-
wiesen.
37 Mit Wissensgesellschaft ist die wachsende Bedeutung von Wissen – technologischem Wissen und
Handlungskompetenz – in fast allen Lebensbereichen der modernen Gesellschaft gemeint, vor allem auch
in der Wirtschaft.
38 Vgl. UnternehmerTUM, Munich Urban Colab, 2020.
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einfließen lassen und ein stärkeres Augenmerk auf die Work-Life-Balance gelegt. Mit der
Teilnahme an Ökosystemen, der Auseinandersetzung mit innovativen Arbeitskonzepten
innerhalb des Unternehmens sowie den traditionellen Unternehmenswerten wie Ehrlichkeit,
Mitarbeiterorientierung, Respekt und Nachhaltigkeit strahlt das Unternehmen eine enorme
Anziehungskraft für potenzielle Arbeitnehmer bzw. neue Ökosystemteilnehmer aus. Damit
kann Emilia mit dem Familienunternehmen in eine sorgenfreie Zukunft blicken.
Die Ideen und kreativen Ansätze, die der Mensch aus dem biologischen Ökosystem
ziehen kann, sind enorm. Ökosysteme leben vom Geben und Nehmen jedes einzelnen
Teilnehmers, der auch nur den Mehrwert herausziehen kann, den dieser selbst hinein-
steckt – dies gilt selbstverständlich auch ökosystemübergreifend. Wie im Kapitel 11
»Biotechnologie – Innovationstreiber für das 21. Jahrhundert« nachzulesen ist, ver-
sucht man durch Geschäftsökosysteme nicht nur Produkte oder Dienstleistungen zum
Wohlstand der Menschen zu konzipieren. Es soll zukünftig ein noch viel nachhaltigerer
und wichtigerer Beitrag geleistet werden: die Erhaltung des Ökosystems in der Natur.
Das vorliegende Kapitel soll zur Verdeutlichung der Vielseitigkeit von Ökosystemen
dienen, die von Unternehmen in den verschiedensten Bereichen anzuwenden sind.
Die Vorteile von und die Dringlichkeit für eine Implementierung von Ökosystemen
wurden in diesem Kapitel dargelegt. Nun liegt es an jedem einzelnen Unternehmen,
die Grundpfeiler Offenheit, Dynamik und Komplexität so anzuwenden, dass eine neue
und erfolgreiche Zeitrechnung eingeläutet wird.
Ausblick 2050
Mittelständler, die im Jahr 2050 ihr Unternehmen noch erfolgreich führen und allmäh-
lich dem Sohn/der Tochter das Zepter übergeben, haben es geschafft, sich mit Öko-
systemen auseinanderzusetzen und den Mehrwert am »Miteinander« zu erkennen.
Die nachfolgende Generation wird daher grundsätzlich Prinzipien, wie Offenheit und
partnerschaftliches Kooperieren mit allen relevanten Wirtschaftsteilnehmern ver-
innerlicht haben. Dazu kommt, dass sich das Innovationsmindset fundamental und
nachhaltig ändern wird und neue, digitale Herausforderungen zu implementieren
sind. Heutige Start-ups werden der Mittelstand von morgen sein. In der Mittelstands-
landschaft der Zukunft wird entsprechend nicht nur digitale Affinität ein entscheiden-
der Faktor sein, sondern auch gesellschaftskritische Ereignisse wie Klimawandel oder
Rohstoffverknappung. Damit steigt entsprechend die Verantwortung, Ökosysteme
weiter zu bestärken und die Zusammenarbeit von Start-ups und dem Mittelstand wird
immer wichtiger, sowohl jetzt als auch in der Zukunft (weitere Informationen zu er-
folgreicher Zusammenarbeit zwischen Start-ups und dem Mittelstand: https://www.
vdma.org/startup-machine-startups).
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Takeaways:
Nützliche Links
¸ https://bc.unternehmertum.de/innovations-oekosystem
¸ https://www.cerri.iao.fraunhofer.de/content/dam/iao/cerri/de/
Leistungsspektrum/InnovationEcosystemStrategies/Fraunhofer_CeRRI-
Innovation_Ecosystem_Strategy_Tool.pdf
¸ https://ecosystemizer.com/
¸ https://www.businessinsider.de/gruenderszene/allgemein/oekosystem-
startups-kpmg-2015-1601/
¸ https://www.businessinsider.de/gruenderszene/dgis/zusammenarbeit-
startups-corporates-dgis-studie/
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Zusammenfassung
Moderne Telekommunikationsnetze sind in einer zunehmend digitalen Welt entschei-
dende Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes und beeinflussen Unter-
nehmen, Politik und Endverbraucher gleichermaßen. In der Dekade 2021 bis 2031
wird 5G dabei eine zentrale Rolle spielen. 5G ermöglicht nicht nur im industriellen
Sektor neue Möglichkeiten, sondern bietet auch im Bereich des Endverbrauchers eine
Vielzahl an Innovationen. Bereits heute sind die Vorboten dieser Innovationen erfahr-
bar. Im kommenden Jahrzehnt werden dann neben dem Smartphone weitere Endge-
räte wie intelligente Kopfhörer, vernetzte Uhren, Brillen mit erweiterter Realität und
selbstfahrende Autos unseren Alltag prägen.
Schlüsselbegriffe
Digitale Welt, Netzausbau, 5G, Innovationen, 5GAA, V2X, Virtual
Reality, Augmented Reality, Precise Positioning, autonomes
Fahren, Predictive Quality of Service, Mobile Edge Computing
4.1 Einleitung
Stellen Sie sich vor, Sie wachen auf und befinden sich im Jahr 2031. Wie würde Ihr All-
tag zu diesem Zeitpunkt aussehen? Inwiefern würde er sich von dem heutigen Alltag
unterscheiden? Die Reise beginnt an einem Samstagmorgen, da sich die Veränderun-
gen für Privatpersonen besser anhand eines Freizeitalltags darstellen lassen. In den
folgenden Beispielen werden auch die technischen Voraussetzungen und Rahmenbe-
dingungen beschrieben, die die aufgeführten Innovationen ermöglichen. Hierbei gilt
es zu erwähnen, dass ein Großteil der Anwendungen bereits heute realisiert werden
kann, jedoch nicht in dem später genannten Umfang und in der benötigten Qualität.
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Im vorherigen Kapitel haben Sie einen kleinen Ausflug in die Zukunft gemacht. Hier-
bei haben Sie Alltags-Anwendungen, wie Smarthome, AR-Brille sowie smarte Textilien
kennengelernt. Vermutlich ist Ihnen die Bezeichnung Smarthome sowie AR-Brille be-
reits ein Begriff. Was ist hier jetzt so besonders, bzw. was hat 5G damit zu tun? Was ist
5G überhaupt?
Der 5G-Standard baut auf drei zentralen Dimensionen auf: »eMBB – Enhanced Mobile
Broadband«, »mMTC – Massive Machine Type Communications« und »uRLLC – Ultra-
Reliable and Low-Latency Communications«1 (siehe Abbildung 21).
Für die Anwendungen im privaten Bereich von Bedeutung sind vor allem eMBB, was
sich im Wesentlichen in höherer Übertragungsrate und erhöhter Kapazität einer Mo-
bilfunkzelle niederschlägt, sowie uRLLC. Wie die Darstellung zeigt, sind mMTC und
weite Teile von uRLLC für industrielle Anwendungen, die nicht Gegenstand dieses Bei-
trags sind, von Bedeutung.
Nachfolgend gehen wir auf die für private Anwendungen besonders wichtigen Verbes-
serungen von 5G ein: höhere Übertragungsraten, gesteigerte Kapazitäten und niedri-
gere Latenzen.
1 Vgl. Telekom: Was ist 5G, Entdecken Sie die neue Mobilfunktechnologie, 2020.
2 Vgl. Telekom: Was ist 5G, mMTC, eMBB und uRLLC im Überblick, 2020.
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Beginnen wir mit der Übertragungsrate, die in Zukunft weiter exponentiell ansteigen
wird:
10,000
Bis 10 Gbit/s
5G
8,000
Megabit pro Sekunde
6,000
bis 1
4,000 Gbit/s
< 0,2 < 0,39 <= 7,2 < 42 < 150
Mbit/s 4G
Mbit/s Mbit/s Mbit/s Mbit/s LTE Adv.
2,000 4G
2G 3G 3G 3G
GSM UMTS HSPA HSPA + LTE
0
1996 2004 2006 2009 2010 2014 2020
3
Abb. 22: Entwicklung Übertragungsrate der Mobilfunkstandards
Der zweite Aspekt von 5G ist die deutliche Steigerung der Kapazität innerhalb einer
Mobilfunkzelle. Nicht nur die verbesserte Technologie, sondern auch die zusätzlichen
Frequenzen, die Netzbetreiber seit 2019 in ihren Ländern erwerben, führen zu einer
bis zu zehnfachen Kapazitätserweiterung der Netze. Die Entwicklung der letzten zehn
Jahre hat gezeigt, dass das übertragene Datenvolumen im Mobilfunk massiv angestie-
gen ist. Die Bundesnetzagentur hat in ihrem Jahresbericht 2019 einen exponentiellen
Anstieg des Datenvolumens (siehe Abbildung 23) genannt, der sich fortsetzen wird.
5G-Netze sind die dringend notwendige Basis, um den Endverbrauchern auch zukünf-
tig ausreichende Kapazität zur Verfügung zu stellen.
3 Vgl. Lossau: Jetzt wird das Internet 100 Mal schneller, 2018.
4 Vgl. Deutsche Telekom AG, 5G Geschwindigkeit ist Datenkommunikation in Echtzeit, 2020.
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3000
2,757
2500
Datenvolumen in Millionen Gigabyte
1,993
2000
1500 1,388
1000 913
575
500 395
267
100 156
65.41
0
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
5
Abb. 23: Entwicklung des übertragenen Datenvolumens im Mobilfunk in Deutschland
Der dritte Vorteil von 5G-Netzen wird die verbesserte Latenz sein. Die Latenzzeit be-
schreibt hierbei die Zeit, die vergeht, bis auf ein Ereignis reagiert werden kann.6 Mit
anderen Worten, je geringer die Latenzzeit, desto schneller ist die Reaktion auf ein
Ereignis. Die Erwartung vieler Anwendungs-Entwickler, vom Spielebereich bis hin zur
Automobilbranche, ist eine garantierte Internet-Verbindung mit sehr niedriger und
stabiler Latenz, die ein Echtzeit-Internet ermöglicht. In Kapitel 10 »Mobilität« werden
wir hierauf nochmals im Zusammenhang mit dem Auto gesondert eingehen.
Doch was genau haben Bandbreite, Kapazität und Latenz mit unseren neuen
Alltagsanwendungen im Jahr 2031 zu tun?
5 Vgl. Bundesnetzagentur: Jahresbericht 2019, Netze für die digitale Welt, 2019.
6 Vgl. Rouse: Latenz.
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Wie in Kapitel 4.1 bereits angedeutet, wird das Smartphone in der kommenden De-
kade zunehmend weniger zum Einsatz kommen. Auch wenn dieses Device aus dem
heutigen Alltag fast nicht mehr wegzudenken ist, wird die unmittelbare Nutzung des
Smartphones in Zukunft mehr und mehr an Bedeutung verlieren. Im Jahr 2031 wird es
deshalb noch nicht verschwunden sein, es wird aber durch einzelne Innovationen wie
beispielsweise die Smartwatch oder die AR-Brille mehr und mehr in den Hintergrund
gedrängt werden.
Heutzutage erleben wir noch, dass die Leistung eines Smartphones von Jahr zu Jahr
zunimmt und immer weitere Funktionen hinzukommen. Dennoch bringt ein Smart-
phone auch Einschränkungen mit sich, die sich durch eine verbesserte Leistung ir-
gendwann nicht mehr ausgleichen lassen. So kann ein Smartphone beispielsweise
nicht den Puls eines Anwenders permanent überwachen. Oder die Bildqualität eines
Smartphones: Sie wird nie die einer Spiegelreflexkamera überbieten.
Zeit
Entwicklung Einführung Wachstum Reife Sättigung Rückgang
Die Entwicklung und Markteinführung der vernetzten Wearables wird zum einen über
die beschriebenen Leistungsmerkmale von 5G ermöglicht, zum anderen fallen die In-
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novationen bei den Wearables zeitlich zusammen mit der 5G-Dekade. Aus Sicht des
Verbrauchers wird diese Dekade die Zeit sein, in der sich die digitale Welt und die reale
Welt zunehmend verbinden. Das Smartphone allein kann die entsprechende Sensorik
nicht mehr liefern, bleibt aber sicherlich für lange Zeit die Schaltzentrale für dieses
Ökosystem von sich permanent austauschenden Geräten.
Wie man in Abbildung 24 erkennen kann, befinden sich bereits viele Innovationen in
ihrer Entwicklung oder schon in der Einführung bzw. Wachstumsphase.
Auf den nachfolgenden Seiten wird ein Teil der bereits in Kapitel 4.1 vorgestellten
Innovationen erörtert und anhand von Fallbeispielen dargestellt. Ziel ist es, einen
Überblick über die aktuelle Situation zu geben sowie einen Ausblick in die Zukunft im
Bereich Anwendungsinnovationen für den Endverbraucher anzubieten.
Durch 5G können dem Anwender Echtzeitdaten auf der Brille angezeigt werden und es
lässt sich somit die reale Welt mittels zusätzlicher Informationen füllen. Wie in Abbil-
dung 24 bereits dargestellt, befinden sich AR-Brillen noch in der frühen Entwicklungs-
phase des Produktlebenszyklus. In der Industrie existieren bereits AR-Brillen, die den
Arbeitsalltag von Mitarbeitern verbessern. Für den Endverbraucher gibt es bis dato
jedoch keine erwähnenswerten Produkte, die alle wichtigen Voraussetzungen erfül-
len. Aufgrund der hohen hardwaretechnischen Anforderungen fallen aktuelle Produk-
te noch sehr unhandlich und »nicht stylisch« genug aus. Das US-Unternehmen Apple
entwickelt derzeit die sogenannte »Apple Glass«. Falls man den Leaks von Jon Prosser
Glauben schenkt, wird das genannte Produkt neue Maßstäbe setzen. Hierbei soll das
Design schlicht ausfallen und dennoch technische Erweiterungen besitzen, die es dem
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9 Vgl. Prosser: Apple’s AR Glasses! HERE YOU GO! Design, Name, Price, Release date, and more! EXCLUSIVE
LEAKS!, 2020.
10 Vgl. Dietzke: Pokémon Go, 2019.
11 Vgl. Stürmer: iPhone 12 Pro: LiDAR-Scanner erkennt Personen und misst die Entfernung 2020.
12 Vgl. Meurer: Apple stellt neues iPad Pro mit fortschrittlichem LiDAR Scanner vor und bringt Trackpad-
Unterstützung für iPadOS, 2020.
13 Vgl. Apple, Newsroom, 2020.
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Wie die Fallstudien zeigen, ist das Anwendungsfeld von Augmented Reality breit ge-
fächert und wird in Zukunft einen großen Einfluss auf den Endverbraucher haben. Die
oben genannten Apps könnten bei einer voranschreitenden Entwicklung der AR-Bril-
len auch bald über die Brille selbst, ganz ohne Smartphone oder Tablet, dargestellt
werden. Die 5G-Technologie ermöglicht es, zu jeder Zeit und an jedem Ort komple-
xe virtuelle Darstellungen in Echtzeit zur Verfügung zu stellen und bildet somit den
Grundstein für weitere Innovationen im Bereich Augmented Reality.
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kurz den Tisch auf, wofür vorhin nicht mehr die Zeit gereicht hatte, und wechseln anschlie-
ßend noch Ihren Sitzplatz beim Spiel. Jetzt können Sie das Spiel noch besser mitverfolgen.
Die zweite Hälfte des Spiels ist deutlich spannender! Zuerst schießt Spanien, gleich nach
dem Anpfiff, das 0:1. Das Stadion tobt. Der Jubel der spanischen Fans ist so laut, dass Sie
erstmal die Lautstärke reduzieren müssen. In der 73ten Minute schafft Deutschland den Aus-
gleich, wieder einmal tobt das Stadion. Jetzt sind es aber natürlich die deutschen Fans. Kurz
vor Schluss, in der ersten Minute der Nachspielzeit, gelingt es Deutschland über einen Frei-
stoß, den Endstand von 2:1 zu erzielen. Sensationell! Damit hatten Sie nicht mehr gerechnet.
Live das Fußballspiel von Zuhause aus mitverfolgen und dabei das Gefühl zu haben,
als wäre man direkt im Stadion, das ist nur ein Fallbeispiel, wie im Jahr 2031 Virtu-
al Reality genutzt werden kann. Ein Großteil von Ihnen kennt Virtual Reality wahr-
scheinlich schon, dennoch ergeben sich durch 5G neue Anwendungsfelder, die in der
heutigen Zeit noch nicht umsetzbar sind. Was Virtual Reality ist und wie sich die Tech-
nologie auf Basis von 5G entwickelt, wird im Anschluss erläutert.
Virtual Reality
Virtual Reality (VR) beschreibt eine virtuell geschaffene, computergenerierte Wirk-
lichkeit, die zumeist über ein Head-Mounted-Display (VR-Brille) übertragen wird.16
Hierbei werden dem Nutzer Bild und Ton – das Bild in einer 360-Grad Ansicht – zur
Verfügung gestellt. In der VR kann er in Echtzeit agieren. Die virtuelle Realität existiert
physisch nicht und wird über ein Computerprogramm simuliert. Durch die 360-Grad-
Ansicht ist es möglich, die Authentizität der Simulation zu bekräftigen und dem Nut-
zer das Gefühl zu vermitteln, dass er sich tatsächlich in einer anderen Welt befindet.
Um eine detailgetreue Umgebung darstellen zu können, benötigt der Dienst Virtual
Reality eine hohe Breitbandanforderung, die vom Anwendungsbereich eMBB der 5G-
Technologie abgedeckt wird.17
Bereits heute lassen sich virtuelle Anwendungen mittels der VR-Brille gut darstellen,
jedoch birgt Virtual Reality noch ungenutzte Potenziale und Verbesserungen in sich.
Durch 5G lassen sich über die VR-Brille ganz neue Szenarien darstellen. Die vergrö-
ßerte Bandbreite ermöglicht es, dass die virtuellen Darstellungen noch detaillierter,
schärfer und somit realistischer wirken. Es wird also möglich sein, virtuelle Räume zu
schaffen, die sich rein optisch nahezu nicht mehr von der Realität auseinanderhalten
lassen. Die Hersteller forschen derzeit an Auflösungen von mehr als 4K pro Auge, um
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In den letzten Jahren wurde ein Großteil der verkauften VR-Brillen noch mit 3 DoF
betrieben. DoF steht hierbei für den englischen Begriff »degrees of freedom« (Grade
der Freiheit) und beschreibt die Anzahl der Parameter eines Systems, die unabhängig
voneinander variieren können. Eine VR-Brillen mit einer 3-DoF-Funktion kann ledig-
lich die Kopfbewegung des Anwenders wahrnehmen und diese visuell darstellen. Die
aktuelle Generation der meisten VR-Brillen ist in der Lage, eine Simulation in 6 DoF
darzustellen. Hierbei kann zusätzlich zu der Kopfbewegung verfolgt werden, ob der
Anwender sich nach vorne, hinten, zur Seite oder vertikal bewegt.19 Im Bereich Ga-
ming und Videospiele lassen sich somit ganz neue Spielerlebnisse generieren.
18 Vgl. Expertengespräch mit Dr. Alexander Lautz, Senior Vice President der Telekom Innovations
Laboratories, am 09.11.2020.
19 Vgl. Vielhaber: 3DOF & 6DOF, 2020.
20 Vgl. IONOS Digital Guide: Edge-Computing – Rechnen am Rand des Netzwerks, 2020.
21 Vgl. T-Systems: Edge Computing – Power. Where you need it, 2020.
22 Vgl. Kremp: Raumschiffjagd auf dem Rücksitz, 2019.
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Am Anfang dieses Beitrags wurde ein erster Einblick in die Welt mit dem neuen 5G
Technologiestandard für den Anwender gegeben. Erläutert wurden neue Anwendun-
gen auf Endgeräten wie VR- oder AR-Brillen und sogar smarte Kleidung. Obwohl die-
se Geräte die Eigenschaften und technischen Möglichkeiten weitreichend ausnutzen,
gibt es doch einen weiteren Profiteur, der daraus einen noch größeren Nutzen ziehen
kann und damit als das ultimative 5G-Device gesehen werden kann: das Automobil.
Im kommenden Abschnitt wird genau diese Frage detailliert diskutiert. Dabei wird
weniger darauf eingegangen, welche zukünftigen Mobilitätskonzepte im Jahre 2031
zu erwarten sind. Vielmehr wird erläutert, warum die Einführung des 5G-Telekommu-
nikationsstandards sowie weiterer begleitender Telekommunikations-Technologien
gerade für die Anforderungen der Mobiltätsbranche bedeutend sind.
Grundsätzlich kann unter autonomem Fahren die Fähigkeit verstanden werden, dass
sich ein Fahrzeug aufgrund entsprechender technischer Systeme im Fahrzeug selbst-
ständig in einer Verkehrssituation bewegt.
Autonomes Fahren, wie es in diesem Beitrag verstanden wird, basiert auf zwei we-
sentlichen technologischen Faktoren: Zum einen auf einer Fülle von Sensoren und Ak-
toren, die im Fahrzeug verbaut sind und das Fahrzeug sich im besten Sinne des Wortes
Autonomie eigenständig, unabhängig und sicher im Straßenverkehr bewegen lässt.
Allerdings greift diese logische Definition aus Sicht der Autoren zu kurz, weil eine zwei-
te, essenzielle Funktion hinzugezogen werden muss: Die Vernetzung des Fahrzeugs
mit dem Internet und der Infrastruktur. Nur über diese Vernetzung kann sichergestellt
werden, dass sich das Fahrzeug zügig in komplexen Verkehrssituationen und im Zu-
sammenspiel mit anderen Verkehrsteilnehmern flüssig bewegen kann. Daher wird in
diesem Beitrag unter autonomem Fahren ein autonomes, mit der Umwelt vernetztes
Fahren verstanden.
Das autonome, vernetzte Fahrzeug entscheidet selbst, wie es sinnvoll auf die vorlie-
gende Situation reagieren soll. Basis dafür ist es, alle Teilnehmer im Straßenverkehr
wahrzunehmen. Dabei kommunizieren und kooperieren die Systeme und die vernet-
zen Dinge in der unmittelbaren Umgebung ständig miteinander. Unterstützt wird das
durch verschiedene Radar-/Lidarsensoren und verschiedenen Kameras am und im
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Fahrzeug.23 Ein direkter Fahrzeugführer wird dadurch überflüssig und kann sich an-
deren Aufgaben widmen. Beispielsweise ermöglicht das autonome Fahren dem Pas-
sagier, die gewonnene Zeit zu nutzen, um zu arbeiten.
Damit das autonome Fahrzeug im Straßenverkehr flüssig fahren kann, gilt es, einen
Überblick über die Verkehrssituation zu bekommen. Dabei reicht es nicht, nur das Ver-
halten der Fahrzeuge in der unmittelbaren Nähe zu analysieren. Vielmehr muss die
gesamte Umgebung ausgewertet werden, um ein vollständiges und sicheres Abbild
über das Geschehen zu erhalten.
Um diese Flut an Informationen aufzudecken, zeigt die folgende Abbildung die Kom-
plexität der Informationsflüsse:
Auf den ersten Blick ist eine etwas komplexere und vielbefahrene Straßenverkehrskreu-
zung zu erkennen. Verkehrsteilnehmer an dieser Kreuzung sind unterschiedliche Arten
von Fahrzeugen mit verschiedener Größe. Dazu kommen Fußgänger und Fahrradfahrer,
die sich am Straßenrand aufhalten. Ferner sind einfache Ampeln und Verkehrszeichen
zu erkennen, die den Straßenverkehr regeln und für einen reibungslosen Ablauf sorgen.
In der Regel funktioniert dieses Verkehrssystem ohne größere Hürden, sodass Personen
und Fahrzeuge schnell und sicher die Kreuzung überqueren können.
Wird diese Abbildung 27 aber auf den Straßenverkehr im Jahr 2031 projiziert, wird er-
kennbar, welche Menge an Informationen zu verarbeiten ist, um den Straßenverkehr
23 Vgl. Deutsche Telekom AG, Autonomes Fahren mit 5G als Grundlage, 2020.
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mindestens genauso flüssig und sicher zu gestalten, wie es heute der Fall ist. Damit das
autonome Fahrzeug aber seine Verhaltensentscheidung überhaupt treffen kann, be-
nötigt es neben seiner eigenen Position und Geschwindigkeit auch Informationen und
Daten über seine Umwelt. Diese Daten können neben der Anzahl der Fahrradfahrer und
Fußgänger auch deren unterschiedliches Verhaltensmuster, deren Geschwindigkeit
oder deren Position sein. Hinzu kommen die direkten Verkehrsteilnehmer, die Informa-
tionen über die Abstände, Geschwindigkeiten und Abbiegeverhalten liefern. Eingeglie-
dert in die Peripherie, müssen Informationen über Verkehrsaufkommen, Schilder und
Ampelschaltungen berücksichtigt werden. Diese Daten werden entweder über Senso-
ren, Kamerasysteme oder über Kommunikation mit der Umwelt gewonnen.24
Doch wozu wird hier das 5G Netz benötigt und welche Anforderungen muss es
erfüllen?
Was eben beschrieben wurde zeigt, wie komplex das Verkehrsgeschehen sein kann.
Hinzu kommt, dass sich alle Verkehrsteilnehmer stetig individuell verhalten können
und werden. Eine Ableitung von Erfahrungswerten ist deswegen nur sehr einge-
schränkt möglich, daher muss das selbstfahrende Auto stets den Überblick behalten
können. Die Bewältigung dieser Informationsflut sowie die Geschwindigkeit, in der
diese Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, stellen neue Herausfor-
derungen an Telekommunikationsnetze dar, die heutige Standards noch nicht ab-
decken. Die Automobilindustrie setzt daher stark auf den 5G-Standard und weitere
Technologien, die nachfolgend vorgestellt werden.
Folgende wichtige 5G-Eigenschaften werden als maßgeblich für den Erfolg des auto-
nomen, vernetzen Fahrens erachtet:
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Als Latenzzeit wird eine konkrete Zeitspanne bezeichnet, die nach einer Aktivität eine
Reaktion auf einem anderen Gerät auslöst. Gerade für selbstfahrende Fahrzeuge sind
geringere Latenzzeiten von enormer Bedeutung, denn: Entscheidungen müssen in
Sekundenbruchteilen erfolgen, wenn das Fahrzeug noch im richtigen Moment zum
Stehen kommen soll. Mit dem 5G- Netz werden schon jetzt Latenzzeiten von weniger
als 20 Millisekunden erreicht. Bei einem autonomen Fahrzeug mit einer Geschwindig-
keit von 100 km/h würde das Fahrzeug bis zur Reaktion rund 60 cm zurücklegen.25 Im
Vergleich dazu wäre eine menschliche Reaktion um den Faktor 10 langsamer.26 Neben
einer niedrigen Latenzzeit ist aber auch die Qualität der Daten von enormer Bedeu-
tung. Gerade für autonome Funktionen im Fahrzeug ist eine beständige und durch-
gehende Datenqualität – also wenig Ausschläge (Jitter) – sehr wichtig.27
Ein wesentliches Charakteristikum des 5G Standards ist, dass dieser von Beginn an
von der Telekommunikationsindustrie zusammen mit weiteren Branchen entwickelt
wird. Die erste Industrie, die sich bereits früh in der Phase der Standardisierung von
5G engagiert und als Branche organisiert hat, ist die Automobilindustrie in Form der
5G Automotive Association (5GAA). Nicht selten schafft die Automobilbranche schon
in der Phase der Forschung und Entwicklung eine gemeinsame Basis und stellt die
Anforderungen der einzelnen Branchenakteure in einen Zusammenhang. Mit Blick auf
5G hat die 5GAA nicht nur Einfluss auf den Telekommunikationsstandard an sich ge-
nommen, sondern auch eine Reihe weiterer Anforderungen an die Telekommunika-
tion formuliert: Precise Positioning (PP), predictive Quality of Service (QoS), Mobile
Edge Computing (MEC) und Vehicle to Infrastructure (V2X).
25 Vgl. Deutsche Telekom AG, Autonomes Fahrern mit 5G als Grundlage, 2020.
26 Ebd.
27 Vgl. ZVEI e.V, 5G im industriellen Einsatz, 2016.
28 Vgl. 5GAA, About us, 2020.
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Autonomes Fahren
5G
Diese im Folgenden näher erläuterten Schlüsselfaktoren, bilden die Grundlage für den Erfolg
des autonomen Fahrens.
Die 5GAA wurde 2016 mit acht Mitgliedern gegründet. Von Anfang an dabei waren Unternehmen
wie: Audi AG, BMW Group, Daimler AG, Ericsson, Huawei, Intel, Nokia und Qualcomm Incorpo-
rated. Mittlerweile ist die Organisation auf rund 130 Mitglieder angewachsen und beinhaltet die
wichtigsten Player aus jeder Sparte der Telekommunikations- und Automobilbranche.29
Von zentraler Bedeutung für das Steuern autonomer Fahrzeuge ist die präzise Bestim-
mung der Position des Fahrzeugs und exakte Navigation im Straßenverkehr mit vielen
29 Ebd.
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Eine Technologie, die im Rahmen der 5G-Dekade ausgerollt wird, ist das Precise Posi-
tioning mit GNSS Korrekturdaten. Die herkömmliche Globale-Navigation-Satellite-
Systems-(GNSS)-Technologie ermöglicht derzeit eine Genauigkeit von ca. 4–6 Metern,
wobei die Genauigkeit häufig auch schwankt. Eine Genauigkeit von 6 Metern bedeutet
im Grunde, dass ein Fahrzeug einer falschen Spur zugeordnet werden kann – was ver-
heerende Auswirkungen haben kann. Daher sind für autonome Fahrzeuge Genauig-
keiten im cm-Bereich notwendig.
Precise Positioning mit GNSS Korrekturdaten funktioniert wie folgt: Der GNSS Satellit
sendet Signale aus, die der Empfänger nutzen kann, um seine eigene Position zu be-
stimmen. Hierbei können aber eine Reihe von Fehlerquellen entstehen, die das Signal
beeinflussen:
y Abweichungen in der Satellitenlaufbahn
y Abweichungen in der Satellitenuhr
y Signalstörungen in der Atmosphäre durch das Wetter
y Signalreflektionen durch Gebäude
Als Basis dienen die Daten der Referenzstation, die als Grundlage für die Berechnung
der Korrekturdaten dienen. Durch einen Cloudservice werden durchgehend die jewei-
ligen Fehlerwerte je Satellit und Region berechnet. Dieses Verfahren nennt sich SSR.
Hierbei wird jeder Fehler einzeln ermittelt und modelliert. Diese einzelnen Fehler kön-
nen sich im Zweifel zu einer Gesamtungenauigkeit addieren. Die SSR Korrekturdaten
werden dann als kontinuierlicher Datenstrom an die Empfänger übertragen. Das Be-
sondere an dem SSR-Verfahren ist, dass diese Daten für alle Empfänger in einer be-
stimmten Region gleich sind. Also würden zum Beispiel alle Fahrzeuge beispielsweise
in Köln exakt dieselben Daten erhalten. Dadurch ist es möglich, diese Daten als Broad
cast im 5G- Netz auszustrahlen und den Dienst somit für Millionen von Fahrzeugen
oder auch Drohnen nutzbar zu machen.
Die genaue Lokalisation erfolgt durch die Kombination der Satellitendaten, der Korrek-
turdaten und ggf. einer Ergänzung durch die Sensorik am Fahrzeug. Dadurch können
sehr genaue Positionsdaten ermittelt werden, die im Umfang von 10–50 cm liegen.31
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Diese Weiterführung der Storyline zeigt die nächste Technologie, die vom Ausbau des
neuen 5G-Telekommunikationsstandards profitiert: Predictive Quality of Service.
Grundsätzlich sagt der Begriff Quality of Service etwas über das Maß der Qualität
eines Kommunikationsdienstes aus Sicht des Anwenders aus. QoS oder auch Dienst-
güte genannt, wird daran gemessen, wie sehr der Dienst den Anforderungen des Nut-
zers gerecht werden kann und diese auch abdeckt.32 Für Telekommunikationsdienste
gibt es eine Reihe von Anforderungen. Einige davon sind im Folgenden aufgelistet:33
y Schneller Aufbau der Verbindung
y Stabilität der bestehenden Verbindung
y Hohe Übertragungsqualität
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Im Beispiel des Szenarios 4-6 wurde statt der kürzesten Fahrzeit als bestimmender
Parameter eine Stunde an einer Videokonferenz bei der bestmöglichen Netzabde-
ckung währen der Fahrt festgelegt. Anhand dieses Parameters sollte die bestmögli-
che Route, ausgewählt unter Einbeziehung der voraussichtlichen Qualität des Netzes,
erfolgen. Route A wäre zwar die schnellere Route gewesen, allerdings mit dem sehr
wahrscheinlichen Risiko von fehlender Bandbreite, da das Fahrzeug an einem vollbe-
setzten Fußballstadion vorbeigefahren wäre und sich alle Teilnehmer die Kapazität
einer Mobilfunkzelle hätten teilen müssen. Da bei Route A also Netzengpässe schon
im Voraus ermittelt werden konnten, schlägt das Fahrzeug als Alternative die Route
B vor. 35
34 Vgl. 5GAA, Making 5G Proactive and Predictive for the Automotive Industry, 2019.
35 Vgl. Deutsche Telekom AG, 5G Geschwindigkeit ist Datenkommunikation in Echtzeit, 2020.
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Ein weiterer Aspekt, der bei einer großen Anzahl von vernetzten Fahrzeugen und Teil-
nehmern im Straßenverkehr in Zukunft zu beachten ist, sind die Datenmengen, die
verarbeitet und verwaltet werden müssen. In einem zukünftigen Szenario im Straßen-
verkehr müssen die Fahrzeuge jederzeit und mit sehr kurzen Zugriffszeiten alle rele-
vanten Informationen von anderen Verkehrsteilnehmern oder Infrastrukturen in der
Umgebung für die schnelle Entscheidungsfindung zur Verfügung haben.
Bisher legen die Daten aber erstaunlich große und weite Wege zurück, bevor sie zu-
rück an ihren Empfänger gelangen. Bis zu mehrere hundert Kilometer lang ist der
Weg, über den die Daten übertragen werden, bevor Sie in das nächstgelegene Rechen-
zentrum gelangen. Dort angekommen, werden sie erst bearbeitet, bevor sie wieder
denselben langen Weg zurückgehen. In kritischen Anwendungsfällen geht es um jede
Millisekunde, die eingespart werden muss. 36
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4.6.6 Vehicle–to-Everything (V2X)
Fahrzeuge, die das autonome Fahren unterstützen, besitzen neben Sensoren noch
Radar-, Lidar- und verschiedene Kamerasysteme, die die unmittelbare Umgebung
ausleuchten. Um aber mit der indirekten Umgebung sowie den anderen Verkehrs-
teilnehmern kommunizieren zu können, treibt die 5GAA den Standard Cellular-V2X
(C-V2X) voran. Durch C-V2X kann das Fahrzeug mit anderen Fahrzeugen (Vehicle-to-
Vehicle, V2V) ohne die direkte Nutzung des Mobilfunknetzwerkes mit Fahrradfahrern
oder Fußgängern (Vehicle-to-Pedestrian, V2P) oder auch mit der Infrastruktur, also
z. B. verschiedenen Baustellenhindernissen oder Ampeln (Vehicle-to-Infrastructure,
V2I), kommunizieren. 38
Die folgenden Beispiele sind nur einige wenige Möglichkeiten, die sich durch die Imple-
mentierung der direkten Kommunikation der Verkehrsteilnehmer ergeben können:
y Auffahrschutz
y Spurhalteassistent
y Kreuzungsassistenz
y Einsatzfahrzeugmelder
y Kolonnenbildung
V2X
Radar Kamera
3D HD Karten
Ultraschall Lidar
PP
Doch wieso ist C-V2X so wichtig, obwohl das Fahrzeug verschiedene Radar-, Lidar- und
Kamerasysteme besitzt?
Obwohl die Fahrzeuge mit einer Vielzahl an hochleistungsfähigen Sensoren und Ka-
merasystemen ausgestattet sind, die stetig die Umgebung abscannen, fehlt ihnen
dennoch der Weitblick, um wirklich die volle Transparenz über das Verkehrsgeschehen
zu bekommen. Durch die Kommunikation der Verkehrsteilnehmer untereinander hat
38 Vgl. All-Electronics, C-V2X ebnet den Weg hin zu 5G für autonomes Fahren, 2018.
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5G ist bereits da. Allein in 2020 berichtete die Deutsche Telekom eine 5G-Netzabde-
ckung für 65 % der deutschen Bevölkerung. Der 5G-Netzausbau wird ein wichtiger
Motor dafür sein, den weiteren Anschluss der Digitalisierung in Deutschland nicht zu
verpassen. Profitieren von 5G wird nicht nur die Industrie, sondern insbesondere auch
der Verbraucher: in Form von Augmented- oder Virtual-Reality, einem Ökosystem mit
weiterem Zubehör rund um das Smartphone und nicht zuletzt in Form von autono-
men, vernetzten Fahrzeugen. Diese Endgeräte jenseits des heute dominanten Smart-
phones werden sich in den kommenden 10 Jahren wie selbstverständlich in den Alltag
einfügen. Und rückblickend werden wir das dann als die 5G-Dekade bezeichnen.
Die Vielfalt der neuen Anwendungen durch 5G ist eine große Chance für den Wirt-
schafts- und Technologiestandort Deutschland und wird unsere Welt, wie wir sie ken-
nen, nachhaltig verändern.
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Takeaways:
¸ Verlassen Sie sich nicht auf Testberichte, sondern benutzen Sie Ihre
5G-fähigen Geräte und probieren Sie die verschiedenen Funktionen
aus!
¸ Informieren Sie sich über Newsletter oder besuchen Sie verschiedene
Meet-Ups, um stets über Neuerungen informiert zu bleiben.
¸ Nehmen Sie Kontakt zu verschiedenen Developern oder Telekom-
munikationsunternehmen auf.
¸ Überdenken Sie stets die internen Prozesse Ihres Unternehmens. Die
fortschreitende Digitalisierung ermöglicht neue Formen der Prozess-
verbesserung.
Nützliche Links
¸ https://5gaa.org/5gaa-in-motion/news/#position-papers
¸ https://www.telekom.de/unterwegs/was-ist-5g/5g-mobilfunk
¸ https://xrcollaboration.com/
¸ https://www.youtube.com/user/deutschetelekom
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5 KI: Mensch-Maschine-Kollaboration
und Augmented Intelligence
Zusammenfassung
Künstliche Intelligenz (KI) ist einer der wirkmächtigsten Begriffe der letzten Jahre. In
diesem Kapitel werden KI-basierte Technologien der Interaktion von Mensch und Ma-
schine aufgezeigt und fiktive Zukunftsszenarien erzählt. Die Fallstudien extrapolieren
den Stand von Forschung und Technologie. Behandelt werden medizinische KI-An-
wendungen in Kombination mit Augmented-Reality-Technologie, KI im Kontext von
Pandemie und Sozialsimulation. Vorgestellt wird die Mensch-Roboter-Kollaboration
(MRK) in der ambulanten Pflege, im Weinanbau oder im Straßenbau. Ziel ist es, Skep-
sis vor KI zu relativieren, ihre Anwendungen zu konkretisieren, um unternehmerische
Chancen frühzeitig nutzen zu können.
Schlüsselbegriffe
Künstliche Intelligenz, Mensch-Maschine-Kollaboration,
Augmented Intelligence, Augmented Reality, Machine Learning,
Deep Learning, Robotik
Seit 2011 sprechen wir von Industrie 4.0, der 4. industriellen Revolution. Schon vor
2350 Jahren sah die Antike das selbsttätige Werkzeug als konstruktiven Beitrag und
Chance für eine utopisch menschenwürdige Gesellschaft:
»…. Denn freilich, wenn jedes Werkzeug auf erhaltene Weisung, oder gar die
Befehle im Voraus erratend, seine Verrichtung wahrnehmen könnte [ …], dann
brauchten allerdings die Meister keine Gesellen und die Herren keine Knechte.«
Aristoteles, 384–322 v. Chr., »Politik«, Buch 1, Kapitel 4.
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KI-Experte, ist KI die Wissenschaft und technische Umsetzung von intelligenten Ma-
schinen1. Nach KI-Professorin Elaine Rich ist es schlicht die Wissenschaft, Computer
solche Dinge tun zu lassen, bei denen im Moment Menschen noch besser sind2. Viele
Erklärungsversuche liegen vor, eine präzise Definition gibt es nicht.
Bei der Verarbeitung großer Datenmengen sind digitale Systeme Menschen überle-
gen. Bei der erstmaligen Einschätzung von neuartigen Situationen und Umgebungen
ist die menschliche Vernunft im Vorteil3 . Das liegt daran, dass der Mensch ein a priori
Verständnis von Kausalität hat, Wirkungen erkennen, Ursachen benennen, Zusam-
menhänge assoziativ ableiten und sein Wollen in Handeln umsetzen kann. Lebens-
langes Lernen ist ein elementares, inhärentes Kennzeichen menschlicher Existenz.
Maschinelle Intelligenz muss ebenfalls in der Lage sein, aus vergangenen Situationen
zu lernen, um bessere Entscheidungen treffen zu können.
Bereits 1959 wurde Machine Learning von Arthur Samuel, einem Pionier auf dem Feld
der Computerwissenschaften, als Wissenschaft beschrieben, die es Computern er-
laubt, zu lernen, ohne speziell programmiert zu sein4 . Maschinelles Lernen ist vor
allem relevant, wenn der Weg der Problemlösung überkomplex oder die Problemlage
volatil und hochdynamisch ist. Diese Aufgaben werden bislang besser von Menschen
bewältigt.
Die Umfrage von bitkom (s. Abbildung 32) zeigt, dass heute die Furcht vor Jobverlust
und schlechteren Arbeitsbedingungen die Vorfreude auf das bevorstehende KI-Zeit-
alter überwiegt. Dieses Kapitel soll dazu beitragen, den Fokus auf die positiven bzw.
konstruktiven Aspekte von KI zu lenken, und zeigen, dass Wachsamkeit ratsam ist,
aber viele Ängste unbegründet sind.
1 Vgl. McCarthy, What is Artificial Intelligence, 2007, S. 2 – übersetzt aus dem Englischen.
2 Vgl. Rich, Artificial Intelligence, 1983 – übersetzt aus dem Englischen.
3 Vgl. Ertel, Grundkurs Künstliche Intelligenz, 2016.
4 Vgl. Samuel, Some studies in machine learning using the game of checkers, 1959.
5 Vgl. Statista, Projected Increase of GDP due to artificial intelligence by industry sector in China in 2030, 2018.
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Basis: Alle Befragten (n = 1.004 | *Antworten »stimme voll und ganz zu« oder »stimme eher zu« | Quelle: Bitkom Research 2020
6 Vgl. bitkom, Die Menschen wollen KI – und haben auch Angst vor ihr, 2020.
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Personen. Seit der Einführung kann Max Niedermeier seine Arbeit besser einteilen und prio-
risieren. Durch kurzes Klicken auf einen unauffälligen, schwarzen Ring, den er an der Hand
trägt, bestätigt er die aktuellen Meldungen und widmet sich der Arbeit. Die Brille schickt
ihn in Zimmer A1.004, wo bereits die erste Patientin, eine junge Dame, wartet. Sie war in der
Früh auf ihrer Treppe ausgerutscht und hat sich dabei das Knie verdreht. Nach einem kurzen
Gespräch und vorsichtigen Abtasten der Belastungsfähigkeit des Knies, entscheidet Max
Niedermeier, dass eine MRT-Untersuchung unumgänglich ist. Da ähnliche Verletzungen öfter
vorliegen, hat er sich einen Shortcut für den Terminkalender der Kernspintomographie er-
stellt. Durch Drehen des Rings im Uhrzeigersinn findet er schnell die benötigte Anwendung
und bestätigt durch einmaliges Klicken. Laut der Krankenhausleitung soll dieselbe Funktion
ab dem nächsten Monat auch noch durch Spracherkennungssysteme innerhalb der Behand-
lungszimmer unterstützt werden und so der Prozess nochmal angenehmer und effizienter
gestaltet werden. 13:15 Uhr ist der nächste freie Termin. Die junge Dame bedankt sich für
den schnellen Untersuchungstermin. Auch allgemein hat Max Niedermeier festgestellt, dass
er weniger Zeit am Computer verbringt, um Daten zu recherchieren, und seine Patienten
zufriedener mit der geleisteten Arbeit sind. Nachdem sich die junge Dame verabschiedet hat,
muss er weiter. Laut seinem Dashboard wartet in Zimmer A1.002 ein älterer Herr, der sich bei
Renovierungsarbeiten eine tiefe Schnittverletzung zugezogen hat.
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Dass AR-Brillen und deren Anwendungen in der Industrie heutzutage noch nicht wei-
ter verbreitet sind, sondern meistens lediglich im Rahmen von Pilotprojekten getestet
werden, hängt mit technischen Limitationen des aktuellen Status quo zusammen. In
einem Interview mit IEEE Spectrum antwortete Nandan Nayampally, ehemaliger Vice
President für Immersive Experiences bei ARM, auf die Frage, was die verbleibenden
technischen Herausforderungen seien:
9 Vgl. Deutsche Post DHL Group, DHL successfully tests Augmented Reality application in warehouse, 2015.
10 Vgl. Glass, Complex assembly done faster, 2017.
11 Vgl. Upskill, GE Renewables Speeds Wind Turbine Production using AR, 2017.
12 Vgl. IEEE Spectrum, Coming Soon: Augmented Reality Glasses for the Masses, 2019 – übersetzt aus dem
Englischen.
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AUGMENTED REALITY
IN LOGISTICS
PICK-BY-VISION PILOT BY DHL & RICOH
PILOT SETUP
3 weeks of
Pick-by-vision More than More than
successful
used by 20,000 items 9,000 orders
produktive
10 order pickers picked fulfilled
order picking
QUALITATIVE RESULTS
EQUIPMENT
Staff was equipped No hand-held No paper
with Google Glass or scanners pick list
VuzixM100 containing
Ubimax´s xPick software
13 Quelle: Deutsche Post DHL Group, DHL successfully tests Augmented Reality application in warehouse, 2015.
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Ein weiterer Aspekt, der bei der Konstruktion zukünftiger AR-Brillen bedacht werden
muss, ist, ob diese mit oder ohne Kameras ausgestattet sind. In vielen Situationen
könnte es ausreichen, die Informationen nur auf Basis von Ortung, Ausrichtung und
Lagesensoren in der Brille zu generieren. Das würde eine Kamera überflüssig ma-
chen, den Formfaktor verkleinern und bestehende Privacy-Bedenken verringern.
Es hätte jedoch den Nachteil, dass die Brillen weniger vielseitig verwendbar und auf
ausgewählte Anwendungen beschränkt wären. Daher ist es wahrscheinlich, dass die
AR-Brille 2031 mit einer Kamera ausgestattet sein wird, ähnlich der bereits beschrie-
benen Google Glass Enterprise Edition.
Im folgenden Interview mit Dr. Nils Petersen von PTC wird deutlich, wie in Zukunft AR,
verknüpft mit KI, im Industriealltag verwendet werden kann. Er baut dabei auf Erfah-
rungen aus seiner Arbeit am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
und seinem, jetzt in PTC integrierten, Unternehmen ioxp. Das Interview wurde im De-
zember 2020 geführt.
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Druckerhersteller kommen sollten, sondern auch noch zusätzliche Schritte, wie zum Beispiel
das Finden des richtigen Schrankes mit dem Toner mit aufgenommen werden können. Eine
Augmented Reality Lösung würde das System auch noch hochverständlich machen und hät-
te mich in der Situation gerettet. Am DFKI habe ich an dieser Idee dann weitergearbeitet und
letztendlich ist daraus das Unternehmen ioxp entstanden.
Wo haben Sie bereits heute Anwendungen der Technologie und wo sehen Sie sie in Zukunft?
Die Kerntechnologie bei ioxp war, aus Beobachtungen von durchgeführten Arbeitsabläufen
ein wiederholbares Augmented-Reality-Handbuch zu erstellen. Eines, das nicht nur als
Schritt-für-Schritt-Videotutorial fungiert, sondern ein gewisses Verständnis über die einzel-
nen Schritte und die Taskziele hat und versteht, was in einem bestimmten Schritt mit dem
Interaktionsobjekt geschieht.
Die Anwendungsfelder, die wir bei ioxp hatten, waren zu großen Teilen in der Produktion und
Fertigung. Hier konnten wir Werkern Schritt-für-Schritt zeigen, wie die Produktionsschritte
durchzuführen sind, aber auch, auf Basis des zugrunde liegenden Verständnisses für den
Task, in Echtzeit Feedback geben, ob der letzte Schritt korrekt durchgeführt wurde. Das
hat dann natürlich große Auswirkungen auf das Qualitätsmanagement, weil wir teilweise
die Bauteilprüfung auch gleich mit in die Anleitung integrieren konnten und diese so auto-
matisch durchgeführt wurde. Ein zweites großes Anwendungsfeld waren Servicefälle und
Kundendienst, bei denen ein Servicemitarbeiter das System verwendet, um beim Kunden
Wartungs- oder Reparaturarbeiten durchzuführen und diese dann auch gleich zu dokumen-
tieren. Andererseits wäre auch denkbar, dass der Kunde dann auf Basis der dokumentierten
Arbeiten selbst die Wartung durchführt, sofern dies natürlich im geschäftlichen Interesse des
Anbieters liegt.
Welche technologischen Grenzen müssen bezogen auf AR und KI noch überwunden wer-
den bzw. wo bestehen heute noch Limitationen solcher Anwendungen?
Man muss zwei Aspekte unterscheiden: Entwicklungen, die jetzt bereits begonnen haben
und bei denen man sozusagen nur noch auf die Reife warten muss. Das sind unter anderem
leistungsfähige aber entsprechend kleine Computerchips, die es erlauben, komplexere KI-
Algorithmen auf der Brille selbst durchzuführen. Ähnliches gilt für die allgemeine Ergonomie
der Brillen, auch wenn hier eventuell noch einige Schlüsselinnovationen – z. B. bei den Dis-
plays – schlichtweg fehlen.
Der spannendere, weil schwerer vorhersehbare Aspekt liegt auf Seite der AR-Applikationen
selbst. Heute haben wir isolierte Anwendungen, z. B. Werkerunterstützung bei Produktion
oder Service, Raumplanung, Unterhaltung und so weiter. Hierbei werden im Wesentlichen
bekannte Lösungen mit AR ergänzt. Sobald die Plattform AR-Brille selbst aber so ausgereift
ist, werden sich aus den isolierten Anwendungen und Features völlig neuartige Gesamtlö-
sungen entwickeln. Man spricht hierbei von Plattformemergenz.
Etwas Ähnliches haben wir beim Mobiltelefon gesehen, mit dem man zunächst ja nur tele-
fonieren konnte, das kannte man vorher schon beim Festnetz. Dann kam der Browser, den
man mobil verwenden konnte, die MP3-Wiedergabe, die Kamera. Die entstandene Plattform
hat dann komplette Industrien wie Retailgeschäft, Tonträger oder Bezahldienste neu erfunden,
während man heute das ursprüngliche Kernfeature Telefonie eher als nebensächlich ansieht.
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wesentlicher Bestandteil der digitalen Landschaft sein und hoffentlich vielseitig in In-
dustrie und Alltag eingesetzt werden. Im nächsten Abschnitt geht es um eine weitere
wichtige Entwicklung auf dem Feld der KI, diese ist jedoch, im Gegensatz zum Thema
dieses Unterkapitels, unabhängig von Hardwareentwicklung.
5.4.1 Szenario »Infektionskrankheiten-Tracing«
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Anfang 2020 hat niemand erwartet, dass ein neuartiges Virus der Welt und der glo-
balen Wirtschaft so zusetzen wird, wie es durch COVID-19 passierte. Während, Stand
Januar 2021, versucht wird, langfristige Prognosen zu treffen und Effekte von Coro-
na-Schutzmaßnahmen vorherzusagen, bestimmte zu Beginn das »Fahren auf Sicht«
die Pandemiebekämpfungspolitik; letztlich auf der Grundlage von Trial-and-Error von
Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen. Durch das Zusammenspiel von menschli-
cher Vernunft und KI wird man frühzeitiger und fundierter entscheiden können. So-
zialsimulationsmodelle, wie beispielsweise aus dem Forschungsprojekt SoSAD von
Prof. Dr. Ingo Timm, werden es ermöglichen, die Auswirkungen von unterschiedlichen
Pandemieeindämmungsmaßnahmen auf eine Gesellschaft darzustellen. Eingesetzt
wird KI bei der Simulation des gesellschaftlichen und individuellen Verhaltens. Abwä-
gungen müssen in Zukunft dann nicht mehr nur auf Basis von statistischen Modellen
getroffen werden. Im Interview (geführt im Dezember 2020) beschreibt Prof. Dr. Ingo
Timm, DFKI und Universität Trier, die Zielsetzung des Projekts und erörtert, inwiefern
sein Modell im Jahr 2020 zum Einsatz gekommen ist.
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Eindämmungsmaßnahmen liegt. Wir wollen die Menschen so abbilden, dass man besser
und realistischer einschätzen kann, was tatsächlich passiert, wenn man eine Maßnahme be-
schließt. Viele Folgen solcher Maßnahmen sind nur sehr schwer von Beginn an abzuschätzen,
weil sie aus der Interaktion von Menschen untereinander erst entstehen. Zwei große Fakto-
ren hierbei sind die Selbstüberschätzung (»Da wird schon nichts passieren.«) der Menschen
sowie eine Unterschätzung des generellen Risikos.
Zur Umsetzung nutzen wir das Modell der kognitiven Sozialsimulation. Dabei wird das Ver-
halten der Individuen innerhalb einer Gesellschaft durch einen KI-Planungsalgorithmus
bestimmt. Außerdem können wir in unserem Modell menschliches Fehlverhalten abbilden.
Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir versuchen zu lösen, ist die Optimierung. Wann ist
beispielsweise der richtige Zeitpunkt zwischen Schulmodellen (Wechselunterricht, Home-
schooling, Regelbetrieb) umzuschalten? Hierfür können wir in unserem Modell Maßzahlen
herausarbeiten.
Woher kam die Idee für das Projekt?
Das Grundthema hat für mich 2009 angefangen, als wir die erste Pandemie hatten, die in
Deutschland durchgeschlagen hat, die H1N1-Pandemie. Es gab dann auf einmal überall einzig-
artige Maßnahmen, beispielsweise in Frankfurt geschlossene Schulen ab einer Infektion von
drei Kindern pro Einrichtung. Da allerdings weiter keine Maßnahmen beschlossen wurden,
konnten sich die Kinder nachmittags nach wie vor mit Gleichaltrigen anderer Schulen und Ge-
genden treffen, was eine Nachverfolgbarkeit unmöglich machte. Daher kam die Frage auf: Ist
das Schließen von Schulen wirklich eine geeignete Maßnahme zur Pandemieeindämmung?
Wird das Modell bereits heute zur Pandemiebewältigung eingesetzt?
Das Modell wird bereits eingesetzt, allerdings noch nicht im »Daily Business«. Wir versuchen
auch gar nicht, jeden Tag neue Prognosen zu erstellen, das kann mit mathematischen/sta-
tistischen Methoden auch gelöst werden. Unser Ziel ist es, einen Erklärungsbeitrag für die
Öffentlichkeit zu liefern, und das ist auch der Punkt, an dem die KI eine große Rolle spielen
kann, da Menschen handeln und auf ihr sich veränderndes Umfeld reagieren. Es ist nur
schwer möglich, langfristige Verläufe mit rein statistischen Modellen vorherzusagen, die so-
ziale Interaktionen außen vor lassen.
Seit Juli 2020 arbeiten wir nun auch offiziell mit der Stadt Kaiserslautern zusammen, die
uns wirklich tolle Daten zu Haushalten, Arbeitsplätzen und Schulen im Stadtgebiet für unser
Modell zur Verfügung stellte. Auch vom Bundesministerium hatten wir bereits Anfragen be-
züglich unserer Expertise zum Thema Wechselbetrieb an Schulen. Dessen Effekte auf das In-
fektionsgeschehen können wir in unserem Modell abbilden und mit anderen Möglichkeiten,
wie beispielsweise einer kompletten Schulöffnung im Normalbetrieb, vergleichen. In Zukunft
hoffen wir, gerade bei solchen Themen mit unseren Forschungsergebnissen noch besser ge-
hört zu werden, als es im Moment der Fall ist.
18 Vgl. Else, How a torrent of COVID science changed research publishing, 2020.
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ist Chance und Stolperstein. Für Mediziner wird es immer schwieriger, Entscheidungen
auf dem neuesten Stand der Forschung zu treffen. Daher wurden KI-basierte Ansätze
zur automatisierten Auswertung und Prüfung von wissenschaftlichen Publikationen
entwickelt. Eine Initiative der US-Regierung in Kooperation mit führenden US-Techun-
ternehmen hat einen Datensatz mit über 100.000 wissenschaftlichen Arbeiten aggre-
giert und nun weltweit zur Arbeit an diesem aufgerufen. Unter dem Namen »COVID-19
Open Research Dataset Challenge (CORD-19)« werden nun neueste Algorithmen aus
dem Feld des sog. Natural Language Processing angewandt, um das verfügbare Wis-
sen zu filtern und effizienter zu vermitteln19.
Ein weiteres Beispiel im Kontext COVID-19 ist das sogenannte AlphaFold Forschungs-
projekt. Hier geht es darum, auf Basis der Aminosäuren-Sequenz, die hochkomplexe
Struktur eines Proteins mithilfe maschinellen Lernens vorherzusagen, was durch her-
kömmliche Laborforschung Monate oder Jahre dauern kann20 . Eine schnelle und prä-
zise Vorhersage der Struktur ermöglicht es den Pharmakonzernen und Medizinern, die
Funktion des Virus zu verstehen und frühzeitig mit der Impfstoffentwicklung beginnen
zu können21. Hier beschleunigt und ermöglicht KI Prozesse, die anderweitig vom Men-
schen gar nicht umsetzbar wären.
Abgesehen von dem Kontext Pandemie, der die Potenziale von »Augmented Intelli-
gence« veranschaulichen konnte, wird es zahlreiche Einsatzfelder geben. Darunter
fallen Entscheidungsprozesse in Unternehmen. KI wird die zugrunde liegende Daten-
verarbeitung und -auswertung durchführen. Der Mensch entscheidet und es wird sei-
ne Aufgabe sein, KI-Ergebnisse mit emotionalen und sozialen Werten ins Verhältnis zu
setzen. Aber KI macht die Entscheidungsunterstützung besser, Augmented Intelligen-
ce wird dabei ein Kernelement darstellen und viele Tore öffnen.
In diesem Abschnitt soll der Fokus auf den Einfluss, den KI auf die Mensch-Maschi-
ne-Kollaboration (MMK) in den kommenden zehn Jahren haben wird, gelegt werden.
MMK ist ein allgemeiner Oberbegriff für jede Zusammenarbeit von Menschen mit einer
Maschine. In diesem Kapitel wird jedoch vor allem die Kollaboration des Menschen
mit Robotern betrachtet. Entwickelt werden Szenarien, die im Jahr 2031 spielen, und
die aufzeigen, wie eine Zusammenarbeit oder ein »Zusammenleben« mit intelligenten
Maschinen aussehen kann. Ergänzend wird mit Fallstudien aus der Gegenwart aufge-
zeigt, wie weit die Technologie bereits fortgeschritten ist.
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Die Kuka AG ist ein Maschinenbauunternehmen und auf die Produktion von Indus
trierobotern spezialisiert. Das Unternehmen war auch einer von acht Projektpartnern
des Forschungsprojekts »Hybr-iT: Hybride Teams für Industrie 4.0«, bei dem an der
Zusammenarbeit von Menschen, Robotern und Produktionsanlagen über drei Jahre
hinweg bis Oktober 2019 geforscht wurde. Als Ergebnis sind hybride Konzepte für die
Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in der industriellen Fertigung entstan-
den.24 Auf seiner Homepage unterscheidet die Kuka AG die verschiedenen Ausprägun-
gen der Zusammenarbeit folgendermaßen:
y »Koexistenz: Mensch und Roboter arbeiten ohne Schutzzaun in benachbarten
Arbeitsbereichen. Sie teilen sich jedoch keinen gemeinsamen Arbeitsraum und
arbeiten unabhängig voneinander an unterschiedlichen Aufgaben.
y Kooperation: Bei der Mensch-Roboter-Kooperation arbeiten Mensch und Roboter
im gleichen Arbeitsraum. Sie bearbeiten zeitversetzt unterschiedliche Aufgaben
eines Prozesses. Es findet keine direkte Interaktion statt.
y Kollaboration: Mensch und Roboter interagieren in einem gemeinsamen Arbeits-
raum miteinander. Beispielsweise reicht der Roboter dem Menschen etwas an oder
sie führen gleichzeitig unterschiedliche Aufgaben am selben Bauteil durch.«25
Die Frage ist, wie ein solches System gestaltet sein muss, sodass die Interaktion von
Mensch und Roboter »Hand in Hand« stattfinden kann. Dabei spielen die Akzeptanz
gegenüber der Technik, die subjektiv erlebbare Sinnhaftigkeit des Technikeinsatzes,
22 Vgl. Seeger, Robotics Innovation, Neuroleadership und Künstliche Intelligenz, 2018, S. 246.
23 Vgl. Bendel, Die Maschine an meiner Seite, Mensch-Roboter-Kollaboration, 2020, S. 1–3.
24 Vgl. Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Hybride Teams für Industrie 4.0 –
Forschungsprojekt Hybr-iT erfolgreich abgeschlossen, o. J.
25 Kuka AG, Mensch-Roboter-Kollaboration bei der Arbeit, 2020.
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eine ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Arbeitsschutz und die psychi-
schen Belastungen, wie z. B. zu schnelle oder zu langsame Bewegungsabläufe, wich-
tige Rollen.26
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nen Tabelle unterhalb aufgelistet sind, leuchten in einem hellen Grün, nur bei dem Modul
»Höhen-Nivellierung« blinkt es rot. Auf dem Monitor ist auch eine Fräsmaschine abgebildet,
die im Vorfeld den alten Straßenbelag abträgt. Dort sind Daten des aktuellen Baufortschritts
zu sehen. Zum Beispiel »10,4 km Wegstrecke« oder »112 Stunden Einsatzzeit«. Ein weiteres
Symbol auf dem Monitor stellt eine Walze dar, die auch die Temperatur des frischen Asphalts
misst und Längen- und Breitenmaße des neuen Bauabschnitts erfasst, bevor sie den neuen
Straßenabschnitt auf die gewünschte Dicke plättet. »Zum Glück funktionieren die restlichen
Maschinen«, bemerkt Günther. »Kannst du mir dann das gesamte Zeitprotokoll des Straßen-
fertigers schicken? Ich werde am Nachmittag auch einen zusammengefassten Statusbericht
der bereits asphaltierten Straße mit Qualitätsparametern und Abweichungen brauchen.«
Christian antwortet mit einem Blick auf die Uhr: »Kein Problem, Chef, ich halte dich auf dem
Laufenden und schicke dir alle Protokolle zu.«
In diesem Szenario kommen Maschinen vor, die Straßen autonom asphaltieren. Ak-
tuell werden sie im Straßenbau noch mit Personal geführt. Durch den Einzug der Di-
gitalisierung wird die Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter reduziert; die Arbeiten in
Gefahrenbereichen mit Lärm, Dämpfen und Vibrationen werden minimiert und die
Maschinen können rund um die Uhr überwacht arbeiten. Projekte werden planbarer,
wirtschaftlicher und Straßensperrungen punktgenauer. Auch Nachhaltigkeit spielt
eine Rolle, da ressourcenschonender gefertigt werden kann. Die Maschinen sollen
autonom und vernetzt arbeiten. Notwendig sind Investitionen in Sensorik und digi-
tale Infrastruktur. Dass dies bereits heute schon vorangetrieben wird, kann folgender
Fallstudie der STRABAG AG entnommen werden.
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wie Nivellier- oder Temperatursysteme für einen Straßenfertiger zur Nachrüstung beschafft
werden.28 In der Abbildung 34 ist ein Gesamtprozess für die Straßenfertigung mit der dazu-
gehörigen Vernetzung schematisch dargestellt.
28 Vgl. MOBA Mobile Automation AG, MOBA Maschinensteuerung für mobile Anwendungen im Straßenbau
Erdbewegung, 2020.
29 Quelle: Strabag AG, Forschungsprojekt »Robot – Straßenbau 4.0«, 2019. Unter diesem genannten Link ist
eine Broschüre der Strabag AG mit einer ausführlichen Projektbeschreibung zu finden: https://de.strabag-
newsroom.com/documents/strabag-strich-tpa-forschungsprojekt-robot-strassenbau-4-punkt-0-86055.
30 Vgl. Mann + Hummel GmbH & Co. KG, Produktmarke Senzit, o. J.
31 In diesem YouTube-Video wird der Einsatz des Monitoring-Tools »Senzit« bei dem Unternehmen »Garco
Construction« gezeigt: https://www.youtube.com/watch?v=h233vaV0wV8.
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Abb. 35: Der Sensor »Senzit« und das digitale Monitoring-Tool für das Smartphone32
Die Firma Mann und Hummel zeigt, dass bereits heute die Sammlung und Auswertung
von Daten Arbeitsprozesse deutlich erleichtern kann, auch wenn nur ein einzelnes Mo-
dul eines Fahrzeugs betrachtet wird. Da jedes technische Modul einer Baumaschine
digital überwacht werden kann, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese sich in Zu-
kunft autonom fortbewegen und arbeiten können. Der Mensch übernimmt dann die
entscheidende Rolle bei Planung und Überwachung der Großmaschinen.
Nach dem Szenario im Straßenbau folgt nun ein fiktives Szenario der Landwirtschaft,
in dem ein Winzerehepaar eine Flotte autonomer Feld-Roboter betreibt.
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Das Szenario des Winzerehepaares ist nachvollziehbar, wenn man die beiden folgen-
den aktuellen Fallstudien kombiniert.
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37 Vgl. AGCO GmbH, Fendt Future Farm Projekt Xaver: Forschung im Bereich Agrarrobotik. Precision Farming
weitergedacht, o. J. Auf dieser Webseite ist auch ein Video von den realen Xaver-Robotern im Einsatz zu
finden. Dort wird unter anderem auf technische Details eingegangen. https://www.fendt.com/de/xaver.
38 Quelle: AGCO GmbH, Fendt Future Farm Projekt Xaver: Forschung im Bereich Agrarrobotik. Precision
Farming weitergedacht, o. J.
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Es ist essenziell, dass sich der Roboter an den steilen Hängen der Weinberge fortbe-
wegen und ausbalancieren kann. Mit seinen vier Beinen kann Spot aktuell Treppen
steigen oder Steingeröll überqueren. Nicht terrassierte Steillagen mit einer Hangnei-
gung von 30 % (entspricht 17 Grad) können mit Maschinen bewirtschaftet werden. Ab
einer Hangneigung von 50 % (entspricht 27 Grad) wird von terrassierten Steillagen ge-
sprochen, bei denen die Hänge mit Steinen zusätzlich gefestigt werden. Dort werden
die Reben hauptsächlich per Handarbeit und mit einzelnen Maschinen, wie Zahnrad-
bahnen oder Zugschlitten, bearbeitet. Diese Hanglage ist für den vierbeinigen Spot
vermutlich noch möglich. Der steilste Weinberg Europas liegt an der Mosel. Er heißt
Calmont und hat eine Hangneigung von 250 % (entspricht 68 Grad). Die Weinberge
werden dort ausschließlich per Handarbeit bewirtschaftet. Der reibungslose Einsatz
von Robotern bei dieser steilen Neigung wird eher bezweifelt. 39
Ein wichtiger Bestandteil ist die sensomotorische Intelligenz der Manipulatoren. Sie
müssen die Pflanzen effizient bearbeiten, dürfen diese aber nicht verletzen oder ih-
nen Schaden zufügen. Der aktuelle Spot kann mit einem Greifer auf seinem Rücken
Türen öffnen. Dieser Vorgang ist jedoch nicht so anspruchsvoll, wie der Schnitt an
einem filigranen Ast, in dessen Nähe weitere Äste sind, die nicht abgeschnitten wer-
den sollen. In zehn Jahren kann die Feinmotorik an handähnlichen Robotermanipula-
toren möglicherweise so weit entwickelt sein. Cordulas Feldroboter funktionieren mit
dem Prinzip der Schwarmintelligenz, wie die Feld-Roboter des Fendt-Projekts Xaver.
Über ein Cloudsystem sind sie miteinander vernetzt und wissen genau, welche Pflan-
zen wie bearbeitet wurden. In der Basis (Container) laden sie sich auf oder können
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sich mit anderen Aufsätzen bestücken. Sie werden für bestimmte Reben-Reihen an-
gewiesen. Auf einem flachen Feld ist das einfach möglich, am Weinberg müssen noch
die Höhenunterschiede mit einberechnet werden.
Der neueste Roboter in Cordulas Roboterflotte kann Pflanzen analysieren, ihren Ge-
sundheitszustand einschätzen und sie behandeln. Das notwendige Equipment: Ka-
meras, die Pflanzen detektieren, Werkzeuge zur Probenentnahme, Messsensoren für
Proben, ein Vorrat an Nährstoffen und Medikamenten, ein System, das auf die ver-
schiedenen Essentials zugreifen und diese verabreichen kann, Zugriff auf eine große
Wissensdatenbank über Pflanzen. Die Messgeräte müssen robust und in der Lage sein,
den Stößen des Roboters, die beim Gehen oder bei eventuellen Stürzen entstehen,
wie auch allen Witterungsbedingungen standzuhalten.
Dieses Beispiel für MMK beschreibt, wie Feld-Roboter den Menschen von ergonomisch
belastender Handarbeit in den Weinbergen entlasten können. Die Arbeit der Winzerin
Cordula besteht 2031 vor allem in der Einsatz- und Aufgabenplanung und dem Moni-
toring der Feld-Roboter-Flotte. Aus heutiger Perspektive ist erwartbar, dass sich Ro-
boter in zehn Jahren auf steilen unwegsamen Untergrund sicher fortbewegen, stehen,
Pflanzen analysieren und filigrane Tätigkeiten direkt an der Pflanze durchführen kön-
nen. Unklar ist, ob sich die notwendigen Investitionen amortisieren werden. Gut sieht
es aus beim Thema der Pflanzenanalyse. Das Unternehmen PEAT GmbH aus Berlin
bietet mit seiner App »Plantix« seit 2016 einen mobilen Pflanzenarzt an:
40 In diesem YouTube Video wird die Nutzung der App »Plantix« und ihre daraus resultierenden Vorteile kurz
erläutert: https://www.youtube.com/watch?v=1M6rkCQ_eJY.
41 Vgl. PEAT GmbH, Plantix | Best Agriculture App, 2020.
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dort selbst bis vor 15 Jahren als Redakteur gearbeitet hat. Der pflegebedürftige Heribert ist
seit 7 Jahren an das Bett gefesselt. Ein Krebstumor hat sein Rückenmark in der Wirbelsäule
befallen. Die für die Beine wichtigen Nervenbahnen sind stark beeinträchtigt worden, das
Gehen ist für Heribert seitdem kaum möglich. Beate weist Carsten an, ein Tablett aus der
Küche zu holen. Dann erkundigt sie sich nach Heriberts Nacht und die beiden kommen ins
Plaudern. Carsten kommt sogleich mit einem Tablett in der Hand wieder zurück in das Wohn-
zimmer. Beate nimmt leeres Geschirr, Gläser und Flaschen von Heriberts Tisch neben dem
Bett und stellt sie auf das Tablett, während sie mit Heribert über die aktuellen Wahlergeb-
nisse in den USA diskutiert. Beate fragt: »Du hast doch damals auch über Barack Obama
Artikel geschrieben, oder?« »Ja, das habe ich.«, stimmt Heribert zu und führt mit bestimmter
Stimme fort: »Alex, lies meinen bekanntesten Artikel über Barack Obama vor.« Ein Laut-
sprecher in der Wand zitiert einen Artikel von Heribert aus dem Jahre 2009, in dem es um
die Verleihung des Friedensnobelpreises an Obama geht. Carsten trägt in der Zwischenzeit
das gefüllte Tablett in die Küche und stellt es auf der Arbeitsfläche ab. Er öffnet die Spülma-
schine, die Heribert 2016 gekauft hat, und stellt das saubere Geschirr sortiert auf die Arbeits-
platte, sodass Beate es später leicht in die Schränke einräumen kann. Dann räumt er das
gebrauchte Geschirr in die Spülmaschine ein. Gleich danach bringt er ein frisches Glas und
Flaschen mit dem Tablett an Heriberts Bett. Beate stellt beides auf Heriberts Tisch, denn sie
weiß genau, wie wichtig es Heribert ist, an welchem Platz sein Glas und seine Flasche stehen
soll. Heribert freut sich sichtlich über Beates Geste. Carsten klippst nebenbei den gefüllten
Katheterbeutel, der am Bett hängt, ab und entleert diesen im Badezimmer der Wohnung.
Dann nimmt er den Akkustaubsauger, der an der Wand hängt, und saugt den Flur, bis ihn
Beate ruft: »Carsten, komm ins Wohnzimmer! Wir müssen Heribert aus dem Bett heben!«
Carsten hängt den Staubsauger zurück auf die Ladestation und steht kurz darauf an der
Längsseite von Heriberts Bett. Er schaut zu Heribert, Heribert nickt und beugt sich vor. Cars-
ten weiß, dass Heribert bereit ist. Carsten fährt behutsam mit seinen Armen unter Heriberts
Körper, hebt ihn an und setzt ihn in den neben dem Bett stehenden Rollstuhl. »Carsten,
beziehe das Bett neu!«, weist Beate ihn danach an. Carsten greift nach Decke und Kissen,
zieht die Bezüge herunter und löst das Spannbetttuch von der Matratze, das dabei leicht
einreißt. Beim Versuch, das Bett mit einem frischen Laken zu beziehen, scheitert Carsten an
der zweiten Ecke der Matratze. Beate schiebt Carsten behutsam beiseite und sagt ihm, dass
er genau zuschauen solle. Beate bezieht das Bett geschickt mit dem Spannbetttuch und De-
cke und Kissen mit neuen Bezügen. Carsten beobachtet sie dabei aufmerksam, verfolgt mit
seinem Kamerasystem ihre Handbewegungen und speichert diese ab. »Beim Abziehen warst
du heute schon besser, Carsten. Beim Bett neu beziehen müssen wir weiterhin üben.« »Zum
Glück hast du mich vorhin nicht fallen lassen, Carsten« sagt Heribert schmunzelnd, der die
gesamte Situation aus seinem Rollstuhl beobachtete. »Dann werden wir dich jetzt umziehen,
Heribert, mal schauen, ob dich Carsten dabei fallen lässt nach deinem Witz«, entgegnet Bea-
te mit einem Zwinkern. Heribert beugt sich wieder vor und Carsten hebt ihn leicht an, damit
Beate Heriberts Hose und Pullover ausziehen kann. Beate schiebt Heribert mit dem Rollstuhl
in das Badezimmer, um ihn in der bodentiefen Dusche zu waschen. Sie unterhalten sich über
seine Enkelkinder, während Carsten die getragenen Klamotten von Heribert aufsammelt und
sie in die Waschmaschine steckt, die er seit zwei Wochen auch einschalten kann. Aus Heri-
berts Kleiderschrank holt er frische Wäsche und bringt sie ins Badezimmer. Beate ist genau
in diesem Moment fertig geworden, Heribert zu waschen, gemeinsam ziehen sie ihn wieder
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an. Kurz danach fragt Heribert, ob sie noch Rommé spielen können. Sie setzen sich zu dritt
an einen Tisch im Wohnzimmer. Carsten mischt die Karten und teilt sie aus. Beate sagt zu
ihm: »Heute spielst du aber bitte wieder im leichten Modus, wir möchten auch das ein oder
andere Spiel gewinnen.« Heribert stimmt Beate mit einem Kopfnicken Richtung Carsten und
einem Lächeln auf den Lippen zu.
Heribert Bell wird in seinem gewohnten Zuhause gepflegt. Durch das hybride Team
Beate und Carsten kann er seinen Lebensmittelpunkt selbst bestimmen. Durch den
maschinellen Assistenten hat die Pflegerin deutlich mehr Zeit, sich um den Patienten
zu kümmern und ihn emotional zu betreuen, während der Pflegeroboter gleichzeitig
Aufgaben im Haushalt erledigt. Außerdem kann ein Roboter einer Pflegekraft bei kör-
perlich anstrengenden monotonen, aber auch bei als unangenehm empfundenen Tä-
tigkeiten assistieren. Die Qualität der Pflege verbessert sich deutlich, da die Pflegerin
mehr Zeit für ihren Patienten hat, unangenehme Tätigkeiten fallen weg, Zeit wird ein-
gespart, die Stimmung wird verbessert. Pflegende und Gepflegte profitieren.
Wie muss ein Pflegeroboter gestaltet sein und welche Fähigkeiten muss er haben,
um diese Tätigkeiten autonom ausführen und bei der ambulanten Pflege aktiv unter-
stützen zu können? Für einen Menschen klingen die Tätigkeiten des Pflegeroboters
Care3000, alias Carsten, einfach und machbar. Um die Use Cases meistern zu können,
sind folgende Fähigkeiten für einen humanoiden Roboter notwendig:
1. Situation: »Carsten, hol ein Tablett.« (Tablett und nicht Tablet!): Erkennen und Ver-
arbeiten der Befehle, Orten des Tabletts in der Küche, Fortbewegen zum Standort,
Greifen und Transportieren. Ausbalancieren des zusätzlichen Gewichts von Gläsern
und Flaschen, Transport dieser ohne Schaden.
43 Vgl. Statista, Pflegebedürftigen und über 80-Jährigen in Deutschland bis 2060, 2020.
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2. Situation: »Carsten räumt die Spülmaschine ein und aus.«: Bedienen des Gerätes,
öffnen der Türe, herausziehen der Körbe und betätigen der Knöpfe, erkennen, greifen,
sortieren, stapeln des Geschirrs und auf der Arbeitsplatte ablegen. Sinnvolle Platzie-
rung von verwendetem Geschirr in der Spülmaschine – und ja, alles natürlich ohne
Schäden zu verursachen.
3. Situation: »Carsten hebt Heribert aus dem Bett (mit Unterstützung durch den
Patienten)«: Erkennen der Position Heriberts, Interaktion mit Heribert, errechnen
der optimalen Hebepunkte zur optimalen Ausbalancierung von Heriberts Körper,
vorbeugen und positionieren von Händen und Armen (Roboterarme mit speziellen
Auflagen, eventuell mit Wärmepolster) mit feinmotorischen Bewegungen unter den
Menschen ohne diesen zu verletzen, bewegen/gehen bei gleichzeitiger Balance des
eigenen Gleichgewichts inklusive Gewichts des Menschen, absetzen Heriberts in den
Rollstuhl.
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muss auch dann funktionieren, wenn der Roboter die Person nicht sieht (z. B. be-
fiehlt Heribert aus dem Wohnzimmer dem im Flur stehenden Carsten, ihm die Zei-
tung zu bringen). Der Roboter muss Gesprächsbezüge erkennen, wissen, welche
Objekte sich wo in der Wohnung befinden und wer was und wann gesagt hat.
y Sensorik: Damit sich ein Roboter in der realen Welt orientieren kann: Kameras,
Ultraschall-Entfernungs-, Temperatur-, Beschleunigungs-, Neigungs-, Kraftsenso-
ren, GPS, Lidar, Radar usw.
y Feinmotorische Fähigkeiten: Interaktion mit Menschen (z. B. Übergabe der Zei-
tung). Filigrane Tätigkeiten (z. B. Geschirr einräumen).
y Fähigkeiten für normale Haushaltstätigkeiten: Erkennen, Greifen, Tragen, Bü-
cken, Gehen, Setzen, Aufstehen, Betätigen von Knöpfen oder Schaltern, Öffnen
und Schließen von Türen, rudimentäre Bedienung von Haushaltsgeräten etc.
y Rommé-Spiel: Erkennen der Spielkarten, Ablegen der Spielkarten, Verarbeitung
der Spielzüge der Mitspieler, Entwickeln einer Strategie auf Grundlage der Regeln.
Die Steuerung des Pflegeroboters muss sich an die jeweilige Umwelt anpassen. Mit
Machine Learning wird ein künstliches System mit Trainingsdaten und Erfahrungen
trainiert. Durch das Training kann der Algorithmus Muster erkennen. Somit kann er für
seinen programmierten Zweck verschiedene Fälle verallgemeinern. In Verbindung mit
künstlichen neuronalen Netzwerken wird von »Deep Learning« gesprochen. Mit dieser
Technologie kann der Pflegeroboter Care3000 von seinem Unternehmen entwickelt
und trainiert werden. Während seiner Anwendung lernt er dazu, zum Beispiel ein be-
stimmtes Bettmodell zu beziehen, und wird so stetig besser. Die erlernten Daten gibt
er an seine maschinellen Kollegen weiter, sodass alle Pflegeroboter ihre Fähigkeiten
ausbauen. Die zwei folgenden Fallstudien dienen als Beispiele für den aktuellen Stand
der Technik der humanoiden Roboter.
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Erscheinungsbild soll er sympathisch wirken und durch seine weiche Außenhaut und Ab-
standssensoren sind Verletzungen von Personen ausgeschlossen.444546
44 In diesem YouTube Video hilft Pepper während der Covid-19-Pandemie Gesundheitsrisiken zu minimieren,
indem er Menschen zum Beispiel in verschiedenen Supermärkten oder im Krankenhaus auf geltende
Hygienemaßnahmen hinweist: https://www.youtube.com/watch?v=1xV7rdPbLkc.
45 Vgl. Softbank Robotics, Robots & Service, o. J.
46 Vgl. Stoffers, Neuer Kollege im Altenheim, 2020.
47 Quelle: Softbank Robotics, Press, 2020.
48 Vgl. Boston Dynamics, Atlas® | Boston Dynamics, 2020.
49 In diesem YouTube Video macht »Atlas« unter anderem Purzelbäume, Saltos und Pirouetten: https://www.
youtube.com/watch?v=_sBBaNYex3E.
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Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass dort nur die erfolgreichen Versuche des Unterneh-
mens gezeigt sind. Natürlich bedarf es für solch eine erfolgreiche Aufnahme, einige Anläufe,
bei denen der Roboter Informationen sammelt und lernen muss. Mit Machine Learning und
künstlichen neuronalen Netzwerken sind die Entwickler in der Lage, entweder anhand von
Simulationen auf der Basis von synthetischen Daten oder durch tatsächliche Versuche mit
zufälligen Bewegungen und Wiederholungsschleifen, die Beine des Roboters zu trainieren. 50
Der aktuelle Stand der humanoiden Robotertechnologie ist beeindruckend. Aber die
heutige Leistungsfähigkeit ist weit entfernt von den fiktionalen Szenarien der Holly-
wood-Blockbuster (Vgl. »I, Robot«, ein Science-Fiction-Film aus dem Jahr 2004 mit
Will Smith, dessen Handlung im Jahr 2035 in Chicago spielt). Im Pflegebereich wird der
Serviceroboter »Pepper« bereits getestet, um das Pflegepersonal zu entlasten und die
Patienten zu unterhalten. Langzeitstudien sind noch nicht vorhanden. In Verbindung
mit einem Roboter wie »Atlas« von Boston Dynamics, der auf zwei Beinen gehen kann,
könnte ein humanoider Roboter bei der stationären Pflege eine Hilfestellung sein. Für
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einen Einsatz, wie in dem beschriebenen Pflegeszenario, benötigt ein solcher Roboter
natürlich u. a. eine entsprechende Energieversorgung. Es kann davon ausgegangen
werden, dass diese Roboter in den nächsten zehn Jahren stetig weiterentwickelt und
verbessert werden. Aus heutiger Sicht ist jedoch unklar, ob ein Pflegeroboter in zehn
Jahren mechanisch, sensorisch, energetisch und steuerungstechnisch in der Lage
sein wird, einer ambulanten Pflegekraft bei den beschriebenen komplexen Tätigkei-
ten ergonomisch und adäquat flexibel zu assistieren.
KI kann Menschen ein gutes Leben ermöglichen, wenn wir es in den nächsten Jahren
oder Jahrzehnten schaffen, die grundsätzlichen erkenntnistheoretischen und inge-
nieurswissenschaftlichen Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Gesellschaft-
lich geht es natürlich auch darum, die Skepsis dieser Technologie gegenüber durch
konkrete Anschauung in Neugier und Interesse zu verwandeln. Wenn wir Maschinen
nach unseren Vorstellungen erfolgreich kreieren und Risiken nicht aus den Augen ver-
lieren, dann wird sich Aristoteles freuen (siehe Eingangszitat). Auch wenn KI-basierte
Roboter eigene Entscheidungen treffen, bleibt das auf seinen spezifischen Anwen-
dungsbereich beschränkt. Emotionalität, Empathie und Kreativität werden auch noch
2050 die Domänen von Menschen sein.
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Takeaways:
¸ Emanzipieren Sie sich von Hollywood und lassen Sie sich nicht von
Hype-Schlagzeilen zu KI hypnotisieren.
¸ Nutzen Sie spielerisch jedes kostenfreie KI-Angebot, um eigene
Erfahrung aufzubauen.
¸ Evaluieren Sie KI als konkretes Werkzeug, um neue Lösungen für
tatsächliche Probleme umzusetzen.
¸ Unterstützen Sie eine KI-affine Unternehmenskultur.
¸ Fördern Sie KI-Gemeinschaftsprojekte als Push für Innovation.
¸ Überdenken Sie Ihr Geschäftsmodell: Wie und wo genau kann KI Ihr
Geschäftsmodell verändern und Ergebnisse verbessern?
¸ Machen Sie Mitarbeitende durch MMK zufriedener und gleichzeitig
effektiver, indem Maschinen monotone und anstrengende Aufgaben
übernehmen.
¸ Deep Learning ist datenhungrig. Führen Sie eine Daten-Anamnese durch:
Welche Daten stehen zur Verfügung? Wo werden sie gespeichert? Wer
hat Zugriff? Wie werden sie im Unternehmen geteilt? Welche Daten
werden gehortet, aber nicht geteilt?
¸ Investieren Sie, falls sinnvoll und notwendig.
¸ Zusammengefasst: Nutzen Sie KI als disruptives Werkzeug für disruptive
Ergebnisse ohne Disruption für die Belegschaft. Bleiben Sie interessiert!
Neugier ist die kleine Schwester der guten Idee!
Nützliche Links
¸ https://www.dfki.de/web/
¸ https://ki-campus.org
¸ https://www.plattform-lernende-systeme.de/startseite.html
¸ https://www.plattform-i40.de/PI40/Navigation/DE/Home/home.html
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Zusammenfassung
Gesellschaftliche Entwicklungen und Trends beeinflussen die industrielle Produktion
seit jeher. Unsere globalisierte Welt sowie die zunehmende Digitalisierung lassen die
Marktdynamik ansteigen und verändern Kundenanforderungen. Daraus resultieren
immer kürzer werdende Produktlebenszyklen, eine Entwicklung, die auch die Pro-
duktion nachhaltig verändern wird. Der digitale Wandel hält Einzug in die Industrie
von morgen und charakterisiert das Gesicht der vierten industriellen Revolution. Im
folgenden Kapitel erhält der Leser einen Einblick in den »Status quo« sowie einen
Überblick über die Chancen für die industrielle Produktion des nächsten Jahrzehnts.
Schlüsselbegriffe
Digitalisierung, Digital Twin, Smart Products, Industrie der
Zukunft, Additive Fertigung, Smart Factory
»Data is the new oil« – die Aussage, die dem britischen Mathematiker und Unterneh-
mer Clive Humby zugesprochen wird, zielt auf die Bedeutsamkeit der Datenerhebung
sowie deren Auswertung ab. Im Zuge der digitalen Transformation und der fortschrei-
tenden datenbasierten Vernetzung in nahezu allen Industriezweigen wird der strate-
gischen und zielgerichteten Erfassung, Verwaltung und Analyse von Daten über die
gesamte Wertschöpfungskette eine entscheidende Rolle beigemessen.1 Big Data
bildet einen weiteren Rohstoff der Wirtschaft im 21. Jahrhundert.
1 Vgl. Richter, Datenanalyse – Warum werden Daten als das »neue Öl« der digitalen Wirtschaft gehandelt?,
2017, S. 2–3.
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Die Weiterverarbeitung und intelligente Auswertung der Daten zu Smart Data ebnet
den Weg für eine neue Ära der Produktion – der vierten industriellen Revolution.2
Szenario 6-1: Fit für den Winter per Mausklick im Jahr 2031
Dezember 2031. Anna Wagner huscht durch die schmalen Gassen der Münchner Innenstadt.
Sie friert trotz des heißen Früchtepunschs und der gebrannten Mandeln vom Münchner
Weihnachtsmarkt. Schon von Weitem sieht sie ihren neuen Wagen in strahlendem Weiß auf
dem Parkplatz stehen. Sie hatte ihn noch keine vier Monate im Besitz und doch war er ihr
ganzer Stolz. Verärgert setzt sie sich aufs kalte Leder des Fahrersitzes. Damals im August hat-
te sie sich lediglich für die Klimaanlage entschieden. Der bevorstehende Winter kam ihr zu
dieser Zeit noch nicht in den Sinn. Aber das sollte sich nun ändern. Sitz- und Lenkradheizung
mussten her – und beheizte Außenspiegel. Dank des rasanten digitalen Wandels der letzten
Jahre ist es nicht verwunderlich, dass die notwendigen physischen Elemente bereits vor-
handen sind und lediglich über Software freigeschaltet werden. So auch im Falle von Annas
Wunsch-Winterausstattung. Eine Bestellung per Mausklick und schon kann Anna in ihrem
Auto Sitz- und Lenkradheizung nutzen und muss sich zudem nie wieder mit beschlagenen
Außenspiegeln ärgern. Selbstverständlich erfolgt die Bedienung und Steuerung – anders als
noch vor einem Jahrzehnt über physische Drucktaster – vollumfänglich über den Bordcom-
puter. Gleich heute Abend wird sie das erledigen. Sie lächelt zufrieden. »Großartig, wie die
Digitalisierung das Leben der Menschen vereinfacht«.
Anna schwelgt in Erinnerungen an ihre Schulzeit. Im Jahre 2011 hatten sie im Rahmen des
Geschichtsunterrichts die Historie der Industrie behandelt. Das industrielle Zeitalter begann
Mitte des 18. Jahrhunderts mit der ersten Dampfmaschine. Zunehmende Mechanisierung
und arbeitsteilige Massenproduktion prägten die zweite industrielle Revolution. Ab Mitte der
1970er-Jahre wurde die Produktion durch einen steigenden Automatisierungsgrad erneut
revolutioniert. 3 2011 galt die vierte industrielle Revolution noch als eine Vision für die Pro-
duktion von morgen. Auf Anlass des Bundesforschungsministeriums wurden im selben Jahr
im Rahmen des Zukunftsprojekts »Industrie 4.0« Rahmenbedingungen zur umfassenden
Digitalisierung der Produktion festgelegt. Ziel ist es, die Produktion flexibler, wandelbarer,
kundenzentrierter und ressourcenschonender zu gestalten.4
Eine Nachricht auf ihrem Handy reißt Anna aus den Gedanken. Ein Sensor, der im linken Hin-
terreifen ihres Fahrzeugs verbaut ist, meldet eine Abweichung zwischen Ist- und Sollzustand
des Reifenprofils. Mehrere Terminvorschläge zum Besuch bei ihrer Servicewerkstatt werden
ihr angeboten. Im Gegenzug initiiert die Sensormeldung eine automatische Beschaffung des
Reifens. Wieder lächelt Anna, denn sie ist sich sicher: Die Gesellschaft ist längst in der neuen
Ära der Produktion angekommen – der vierten industriellen Revolution.
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6.2.1 Massenprodukte
Die Relevanz von Massenprodukten liegt vor allem darin begründet, dass Kunden kei-
neswegs pauschal personalisierte Güter den standardisierten Massenprodukten vor-
ziehen. Vielmehr werden individualisierte Produkte verstärkt nachgefragt, wenn ihr
funktionaler Nutzen gegenüber konventionellen Gütern einen Mehrwert bietet. 89 Die
Krux liegt damit in der Definition von Mehrwert. Neben funktionellen und finanziel-
len Aspekten hängt der Mehrwert eines Produkts oder seiner Eigenschaft immer vom
persönlichen Empfinden des Anwenders ab.10 In diesem Bezug bieten aber gerade
5 Vgl. Schaeffer, Digitalisieren heißt, die eigenen Produkte neu zu erfinden, 2019.
6 Vgl. Netzwelt, Die Gadgets des Jahrzehnts, o. J.
7 Vgl. Willrett, Werkzeugbau: Smart Glasses helfen, Servicezeiten und -kosten zu senken, 2018.
8 Vgl. Kreuzer, Mass Customization: Strategische Option mit beschränktem nachfrageseitigem
Erfolgspotenzial, 2006, S. 205–207.
9 Vgl. Gräßler, Kundenindividuelle Massenproduktion, 2004, S. 121–123.
10 Vgl. Beyer Business Solutions, Das Mehrwertprinzip – Vorläufer des Content-Marketings?, 2014.
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6.2.2 Individualisierte Produkte
Vor dem Einsetzen der ersten industriellen Revolution waren Produkte individuelle
Einzelstücke, doch das änderte sich schlagartig, als Abläufe und Produkte standar-
disiert wurden, um den Bedarf an Gütern einer wachsenden Bevölkerung zu decken.
Massenprodukte wurden die Norm und der Anteil der Produkte, die auf den Kunden
zugeschnitten waren, sank. Doch dieser Trend kehrt sich aktuell um, da Käufer in be-
stimmten Produktsegmenten zusehends mehr Wert auf Produkte legen, die auf sie
zugeschnitten sind12 und in einer vernetzten Welt, in der Markentreue ein immer ge-
ringerer Faktor wird, Unternehmen immer mehr auf die Bedürfnisse ihrer Kunden ein-
gehen müssen.13
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Der nächste Schritt auf dem Weg zur Industrie des Jahres 2031 soll dem Kunden er-
möglichen, komplexere Änderungen an Produkten vorzunehmen. Das Resultat ist
ein für jeden Konsumenten individuell gefertigtes Produkt, das in Design und Funk-
tion weitgehend individualisiert werden kann.15 Die Produktion von hoch individuel-
len Produkten, wie im Falle von Topology Eyewear, wird im Jahr 2031 einen deutlich
größeren Stellenwert einnehmen, um dem steigenden Kundenwunsch nach Indivi-
dualität nachzukommen. Besonders relevant ist dabei der positive Einfluss von In-
dividualisierung auf die Kundenbindung 16 . Diese befähigt Unternehmen, sich gegen
eine steigende Zahl von Mitbewerbern in der globalisierten Weltwirtschaft durchzu-
setzen.
6.2.3 Smart Products
14 Vgl. Özkan, Entwicklung von Mass Customization Strategien für KMU – Die Potenziale von 3D-Druck und
Kundenintegration, 2020, S. 2.
15 Vgl. Gandhi, How technology can drive the next wave of mass customization, 2013, S. 2–3.
16 Vgl. Coelho, Creating customer loyalty through service customization, 2012, S. 10.
17 Vgl. Gandhi, How technology can drive the next wave of mass customization, 2013, S. 2–3.
18 Vgl. Carre Technologies inc., Hexoskin Smart Shirts – Cardiac, Respiratory, Sleep & Activity Metrics, 2020.
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Doch die Anwendung im Sport ist erst der Anfang. Entsprechend integriert kann smarte
Kleidung in Zukunft helfen, die Vitaldaten von Patienten drahtlos und unkompliziert zu über-
wachen und so deren Lebensqualität erhöhen und Behandlungskosten senken.19
Informationstechnologien haben die Art und Weise, wie wir produzieren, während
der letzten fünfzig Jahre bereits grundlegend transformiert. CAD-Programme haben
Zeichenbretter abgelöst und viele Unternehmensbereiche sind bereits weitgehend
automatisiert, wohingegen viele Produkte von diesem Wandel bisher unberührt blie-
ben.20 Doch auch die produzierten Güter sind im Begriff, vom digitalen Wandel erfasst
zu werden. Grund dafür ist die immer kleiner und kostengünstiger werdende Mikro-
elektronik, die es ermöglicht, in Alltagsgegenstände leistungsfähige Rechner zu inte-
grieren.21
Das Resultat sind sogenannte »Smart Products«, Produkte, die neben ihren herkömm-
lichen Komponenten auch Computerchips, Sensoren und erweiterte Konnektivität
enthalten. Dies ermöglicht das Sammeln und Teilen von Daten mit Konsumenten und
Herstellern. Auch Anwendungen wie das Auslagern von Funktionen vom physischen
Produkt, etwa durch Cloud Computing, können dadurch gelöst werden.22 Auf diese
Weise werden Produkte wirklich smart oder wie es Michael Porter und James Heppel-
mann beschreiben:
19 Vgl. O’Donnell, Measurement of symptoms, lung hyperinflation, and endurance during exercise in chronic
obstructive pulmonary disease, 1998.
20 Vgl. Harvard Business Review, How Smart, Connected Products Are Transforming Competition, 2014.
21 Vgl. Fleisch, Das Internet der Dinge, 2005, S. 39.
22 Vgl. Harvard Business Review, How Smart, Connected Products Are Transforming Competition, 2014.
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35000
30000
25000
IN MILLIONEN
20000
15000
10000
5000
0
2007 2010 2011 2014 2018 2020 2024 2025
Durch die rasche Zunahme vernetzter Produkte ergeben sich für das Jahr 2031 neue
Anforderungen an die Entwicklung und Produktion, um die Elektronik- und Software-
Komponenten in ehemals rein mechanische Produkte zu integrieren.
Die digitale Transformation ermöglicht es, die industrielle Produktion signifikant um-
zugestalten. Flexible Produktionssysteme und dezentrale Steuerungen, kombiniert
mit additiven Fertigungsverfahren, bilden die Grundlage für eine individualisierte
Massenproduktion.2425 Trotzdem ist ihre pauschalisierte Umsetzung hinsichtlich der
technisch-rationalen Angemessenheit auch im Fertigungsprozess umstritten.26 Da-
her sollten industrielle Produktionsprozesse hinsichtlich ihres tatsächlichen Nutzens
betrachtet werden und dem Anwender damit zu einer differenzierten Betrachtungs-
weise verhelfen.
23 Vgl. Mercer, Global Connected and IoT Device Forecast Update, 2019, S. 2.
24 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Zukunftsbild »Industrie 4.0«, 2015, 15–17.
25 Vgl. Institut für Innovation und Technik, Foresight-Studie »Digitale Arbeitswelt«, 2016, S. 50.
26 ebd.
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6.3.1 Massenfertigung
Seit jeher zielt die Massenfertigung von Produkten auf die positiven Effekte von sta-
bilen und standardisierten Fertigungsverfahren ab. In der Folge führen homogene
Fertigungsprozesse zu einer hohen Effizienz und bilden die Grundlage für eine Ratio-
nalisierung der Produktion. Produzenten von Massenprodukten erreichen dadurch
positive Skaleneffekte, da der Output im Verhältnis zum Mitteleinsatz aufgrund der
Fixkostendegression stärker ansteigt. Maßgebend und damit voraussetzend für eine
rentable Massenproduktion ist jedoch die umfassende Akzeptanz homogener und
konformer Leistungsmerkmale von allen relevanten Marktteilnehmern. Genau dann,
wenn Hersteller von Großserien in der Lage sind, ihre Produkte über einen längeren
Zeitraum in maximaler Stückzahl abzusetzen, wird sich die Massenproduktion von
Erzeugnissen auch in Zukunft als berechtigt erweisen.27 Dieser Grundsatz galt schon
zu Zeiten Henry Fords und wird sich auch trotz des mittlerweile effizienten Einsatzes
additiver Fertigungsverfahren in Serienproduktionen nicht ändern.282930 Vielmehr
werden auch Produzenten der industriellen Massenproduktion relevante Technolo-
gien im Rahmen der digitalen Transformation nutzen, um Fertigungsprozesse künftig
effizienter und leistungsfähiger zu gestalten.
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Die industrielle Fertigung unterlag bisher meist starren Mustern und vorprogrammier-
ten Abläufen. Kurzfristige Änderungen des Produktionsprogrammes gingen bis dato
häufig mit erhöhtem Aufwand oder gar einem unterbrochenen Produktionsprozess
einher. Dynamische Märkte, der Trend zu zunehmend nachgefragten kundenindivi-
duellen Produkten und steigender Termindruck veranlassen Unternehmen dazu, auf
flexible Produktionsstrukturen zu setzen. Die Produktion mit autonomen dezentralen
Maschinen ermöglicht einen neuen Grad an Flexibilität. Die eingebettete Mikroelek
tronik in allen Komponenten des Fertigungsprozesses gewährleistet eine ganzheitli-
che Vernetzung zu intelligenten Produktionsstrukturen. 3435
In einer autonomen Produktion ist das Werkstück selbst in der Lage, Informationen zu
notwendigen Prozessschritten mitzuführen. Hierbei ist es unerheblich, ob das Werk-
stück schon physikalisch oder nur als Digital Twin existiert. Dennoch ist zu erwarten,
dass das Werkstück zunächst nur virtuell existieren wird.
34 Vgl. Günter Bitsch, »Smart Decisions« als integraler Bestandteil von Industrie 4.0, 2017, S. 121–123.
35 Vgl. Thomas Bauernhansl, Die Vierte Industrielle Revolution – Der Weg in ein wertschaffendes
Produktionsparadigma, 2014, S. 17–18.
36 Vgl. Homag, Alles aus einer Hand, 2018.
37 Vgl. HOMAG, Vernetzte Produktion und Industrie 4.0 – Eine Vision ist Realität, 2016.
38 Vgl. Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Hannover Messe 2017: Bauteil mit
Verantwortung – Fraunhofer IPT, 2017.
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Um dies zu erreichen, werden intelligente Maschinen benötigt, die in der Lage sind,
einen Prozess dezentral und autonom zu steuern. Bearbeitungsmaschinen prüfen
mittels eingebauter Kamerasensoren Lage und Optik der einzelnen Bauteile und be-
stimmen selbstständig den notwendigen Produktionsschritt. 39
Mit der Vernetzung zu digitalen Systemen und daraus resultierend einer dezentra-
len autonomen Steuerung durch intelligente Werkstücke oder Maschinen wird dem
Begriff »Losgröße 1« in relevanten Teilbereichen der Industrie ein neuer Stellenwert
beigemessen. Rüstzeiten und Taktspreizungen an unterschiedlichen Bearbeitungs-
stationen durch wechselnde Bauteile werden künftig weniger relevant werden.
Überall dort, wo kundenindividuelle Produkte und ein agiler Herstellprozess als Wett-
bewerbsfaktor gelten, werden sich flexible Produktionssysteme mit ihren intelligen-
ten Bauteilen und Maschinen durchsetzen.
6.3.3 Additive Fertigung
39 Vgl. Werkstoffzeitschrift, Intelligente Maschinen für die Fabrik der Zukunft, 2014.
40 Vgl. Konstruktion & Entwicklung, Schunk: Smart Gripping, 2019.
41 Vgl. Schunk, Autonomes Greifen, o. J.
42 Vgl. Industrieanzeiger, Additive Fertigung: Industriestudie erstellt Roadmap bis 2030, 2013, S. 32.
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Interview 6-8: Professor Dr. Jörg Franke zum 3D-Druck der Zukunft43
Nachdem der 3D-Druck anfänglich nur zur Illustration räumlicher Designs (Rapid Proto-
typing) eingesetzt wurde, können schon seit Langem mechanische Bauteile auch in hoch
belasteten Anwendungen additiv gefertigt werden. Mittlerweile können generative Produk-
tionstechnologien in individuellen Anwendungen oder komplexen Geometrien sogar für
die Serienproduktion, z. B. für Hüftgelenke, Tragelemente in der Luftfahrt oder Turbinen-
schaufeln, wirtschaftlich genutzt werden (Additive Manufacturing), so Professor Dr. Franke.
Der Fokus für die Zukunft liegt darüber hinaus auf dem 3D-Druck mechatronischer, also auch
elektronischer, sensorischer und aktorischer Funktionen. Mit seinem Lehrstuhl für Ferti-
gungsautomatisierung und Produktionssystematik verfolgt er die Vision:
»Im Jahr 2031 werden wir ein miniaturisiertes Handy voll funktionsfähig und individuell additiv
gefertigt aus dem 3D-Drucker nehmen können.«
Dass dieses Handy so aussieht wie heute, stellt Professor Franke allerdings infrage. Ein Dis-
play ist nicht mehr erforderlich, da die Informationsausgabe über Sprachausgabe oder eine
AR-Brille erfolgt. Da die Daten in der Cloud gespeichert und dort auch komplexe Rechenope-
rationen durchgeführt werden, müssen keine leistungsfähigen und energieverbrauchenden
Prozessoren verbaut werden. Die Kunden können entscheiden, ob sie diese Funktionen lie-
ber in einem Ring oder im Ohr tragen möchten. Dr. Franke ist überzeugt, dass er seine Vision
bis zum Jahre 2031 exemplarisch umgesetzt hat.
Konkret könnte das so aussehen: Annas Kopfhörer sind defekt. Anstatt in ein Geschäft
zu fahren, konfiguriert sie sich online bei einem Hersteller ihre Kopfhörer selbst, ge-
nau auf ihre Kopfform angepasst. Der Hersteller druckt dann bei Anna zu Hause oder
im Copyshop und sie kann ihre fertigen Kopfhörer einfach zu Hause aus ihrem Dru-
cker entnehmen oder dort abholen. Weder Verpackung noch Versand sind nötig. Für
Unternehmen ermöglicht dies neue Geschäftsmodelle, in denen Kunden Aufgaben
übernehmen, die einst bei den Herstellern lagen.
6.3.4 Augmented Manufacturing
Mit immer komplexeren Produkten und Produktionssystemen sind im Jahr 2031 auch
die Anforderungen an die Mitarbeiter gestiegen. Komplexität, Variantenreichtum und
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Doch 2031 werden Menschen bei diesen Aufgaben durch technische Hilfsmittel unter-
stützt. Eine vielversprechende Technologie hierfür ist Augmented Reality (AR). Diese
hat laut einer Studie von PwC das Potenzial, das Bruttoinlandsprodukt bis 2030 welt-
weit um bis zu 1,5 Billionen Dollar zu steigern. 45 Dank AR können Informationen schnell
und flexibel in das menschliche Sichtfeld eingeblendet werden, ohne dafür einen Bild-
schirm zu benötigen. Dadurch ergeben sich unzählige Anwendungsmöglichkeiten im
industriellen Bereich. AR-Anwendungen können etwa Mitarbeiter bei Montagetätig-
keiten unterstützen. AR kann eingesetzt werden, um Qualifikationsunterschiede zwi-
schen den Beschäftigten zu kompensieren und die Produktivität zu erhöhen46 , doch
vor allem bietet sie einen Ansatz, um die Produktion von hoch komplexen oder indivi-
dualisierten Produkten durch Menschen zu ermöglichen.
Neben der AR gibt es noch die Virtual Reality (VR). Dieser Begriff beschreibt eine
hard- und softwareerzeugte künstliche Wirklichkeit. Auch die Produktentwicklung
wird durch Augmented und Virtual Reality verändert. Fortschrittliche VR ermöglicht
es Teams, überall digitale Prototypen zu visualisieren und zu analysieren, wie in Ab-
bildung 42 gezeigt. Somit wird eine Zusammenarbeit in Echtzeit für globale Teams
möglich, wenn beispielweise persönlicher Kontakt reduziert werden soll, ein Faktor
der speziell in jüngster Zeit wichtig wurde.48 Der Begriff Rapid Prototyping, also das
schnelle Fertigen von Musterbauteilen, wird weitgehend irrelevant, wenn es möglich
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»Nicht der Stärkste überlebt, nicht einmal der Intelligenteste, sondern derjeni-
ge, der sich am schnellsten einem Wechsel anpasst.«
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Interview 6-10: Franz Weghofer zum »Status quo« der Smart Factory53
»XR-Technologie ist der Gamechanger in der industriellen Produktion.«
XR bezeichnet übergeordnet alle Virtual-, Augmented- und Mixed Reality-Systeme. Damit wer-
den virtuelle und reale Umgebungen in unterschiedlichem Maße miteinander verbunden oder
rein virtuelle interaktive Welten dargestellt.54 Als Medium kommen Smart Devices wie z. B. Bril-
len, Tablets o. Ä. zum Einsatz. Magna Steyr nutzt die XR-Technologie fachbereichsübergreifend:
y Virtual Reality wird für die Fabrikplanung genutzt. So wurde die Rohbaufertigung eines
namhaften europäischen Fahrzeugmodells komplett virtuell geplant und real umge-
setzt. Mit dem Eintauchen in die virtuelle Fabrik mittels Brille können Inkonsistenzen
wie z. B. Kollisionen vorab identifiziert werden. 55
y Mixed-Reality-Systeme assistieren dem Mitarbeiter bei der Qualitätsprüfung. Mittels
Brille werden die zu prüfenden Bereiche holografisch am realen Fahrzeug eingeblendet.
Diese Live-Visualisierung gibt umgehend Aufschluss über die Lokalität des Fehlers im
laufenden Fertigungsprozess. Der Einsatz von XR-Technologie ermöglicht Magna schon
heute eine deutliche Zeit- und Kostenersparnis. Eine automatische Dokumentation
beugt menschlichen Fehlern vor und sichert die Datenqualität.
52 Vgl. Stracke, Herausforderungen und Lösungsansätze für die Fahrzeugproduktion der Zukunft, 2017, S. 24.
53 Weghofer, Interview zum Thema Status quo und New Normal der Smart Factory von Magna, 2020.
54 Vgl. Plattform Industrie 4.0, Extended Reality, o. J.
55 Vgl. Die Industrie, DIE ZUKUNFTSMACHER MAGNA STEYR Fahrzeugtechnik AG & Co KG, 2018.
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Automated Intelligent Vehicles (AIV) sind bei Magna Steyr in der Produktion bereits bei der
Beförderung von Autositzen im Einsatz. Im Vergleich zu traditionellen, liniengeführten För-
dermitteln bricht die neue Variante fahrerloser Transportsysteme die starren Strukturen zu-
gunsten einer variablen Routenplanung auf. Dabei nutzen fahrerlose Transportsysteme das
ohnehin aus der virtuellen Fabrikplanung bekannte digitale Abbild, überlagern es mit dem
realen Produktionsumfeld und errechnen den Weg zur Zielstation. So können Fahrzeugteile
auf beliebigen Routen völlig autonom zu den entsprechenden Produktionsstationen trans-
portiert werden, ohne dabei Kollisionen mit Gegenständen zu verursachen. 56
Der hohe Autonomiegrad und die freie Navigation der AIV erlauben eine Steigerung der
Flexibilität und eine Reduzierung der Vorlaufzeit bei der Bereitstellung von Exterieur und
Interieur. 57
Brownfield-taugliche
Lösungen Autonome
Schwerpunkte einer Produkte & Maschinen
wandlungsfähigen,
Standardisierte flexiblen und agilen
Schnittstellen & Produktion der Zukunft Live-Visualisierung
Security
Echtzeitfähige Interaktion
Intelligente zwischen virtueller & realer
Datenaufbereitung Welt
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Interview 6-11: Franz Weghofer zum »New Normal« der Smart Factory60
»Smart Glasses werden in Zukunft »state of the art« sein.«
2031 werden Smart Devices im Bereich XR-Technologie das »New Normal« in produzierenden
Unternehmen sein. Smart Glasses werden leichter und bereichsübergreifender verwendbar
sein. Daten werden rollenabhängig ad hoc sowie on-the-fly und damit in Echtzeit zur Verfü-
gung gestellt werden.
Als Output aus der Planungswelt wird in Zukunft die Variantenlogik hinsichtlich Produkt-,
Prozess- und Ressourceninformationen für den Umfang der Auftragssteuerung genutzt.
Dieses Echtzeittracking gewährt die notwendige Flexibilität für eine künftige Boxen- oder
Matrixfertigung als Konsequenz der zunehmenden Variantenvielfalt des Automobils. Damit
wird den AIV eine besondere Rolle zugesprochen. Sie transportieren dann nicht nur Material
wie aktuell Fahrzeuginterieur, sondern auch Maschinen, Roboter und in letzter Form das
Fahrzeug selbst und steuern so autonom und variantenspezifisch Boxen an.61
»In der wandlungsfähigen Fabrik werden Stationen und Zellen in kürzester Zeit umgestellt und
modifiziert werden können.«
Der Ausdruck »Plug & Play« und die damit verbundene einfache Handhabung und »auto-
matische Anpassung von Systemkomponenten«62 wie Tastatur und Drucker ist aus der
Informationstechnologie hinreichend bekannt. Analog können mit dem Ansatz einer »Plug
& Produce«-Produktionsumgebung zukünftig komplette Produktionslinien umgerüstet und
neues Equipment kann ohne Programmieraufwand integriert werden. »Plug & Produce«
wird die Fabrik wandlungsfähig und agil gestalten. Tatsächlich ist dieser Ansatz ein viel dis-
kutiertes Thema, das in der industriellen Praxis aufgrund fehlender Standardisierung kaum
Einsatz findet.
Maßgebend für die Smart Factory des Fahrzeugauftragsfertigers ist die »Interaktion der
Live-Produktion mit der virtuellen Welt in Echtzeit«63 also das Digital Twin Konzept.
Der Digital Twin ist eines der Buzzwords im Kontext von Industrie 4.0. Eine einheit-
liche Definition existiert in der Fachsprache nicht. Im Allgemeinen stellt der Digital
Twin ein Konzept dar, das digitale Modelle eines Objektes oder Prozesses benutzt,
mit dem Ziel, in der virtuellen Welt bestimmte Tätigkeiten effizienter als in der realen
Welt durchführen zu können, siehe Abbildung 44. Dabei wird das Konzept sowohl im
60 Weghofer, Interview zum Thema Status quo und New Normal der Smart Factory von Magna, 2020.
61 Vgl. Homrich, Fahrerloser Transportservice für die Montage, 2018.
62 Oxford Languages, Plug and Play, 2020.
63 Weghofer, Interview zum Thema Status quo und New Normal der Smart Factory von Magna, 2020.
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So allgemein die Definition des Digital Twins ist, so vielfältig kann er eingesetzt werden.
Digital Twins erlauben nicht nur, Produkte schneller zu entwerfen, zu simulieren und
herzustellen, sie ermöglichen es auch, sie je nach Wunsch besonders günstig, leistungs-
stark, robust oder umweltfreundlich zu gestalten. Siemens setzt den Digital Twin bei-
spielsweise bei der Produktionsplanung in der Automobilbranche ein. Hierbei kann der
gesamte Herstellungsprozess in einer vollständig virtuellen Umgebung geplant werden:
vom Design des Layouts über die Visualisierung von Materialflüssen und Engpässen bis
zur Simulation des SPS-Codes für die Automatisierungs-Hardware. Dies führt zu einer
virtuellen Inbetriebnahme, mit deren Hilfe neue Produktionslinien getestet und opti-
miert werden können. Somit reduzieren sich Zeit, Aufwand und Risiko einer realen In-
betriebnahme. Auch in der Verkehrssimulation werden Digital Twins bereits erfolgreich
angewendet. Für nähere Informationen sei an dieser Stelle auf das Forschungsprojekt
»Providentia++« aus der Fallstudie 10-1 des Kapitels Mobilität verwiesen. In der moder-
nen Fabrik kann der Digital Twin während des gesamten Lebenszyklus in relevanten
Teilbereichen der Wertschöpfung eingesetzt werden. Abbildung 45 gibt einen Überblick
über die Digital Twin Landschaft in der diskreten Industrie.
64 Vgl. Device Insight, Was ein Digital Twin leisten kann – und was nicht, 2020.
65 Vgl. Dareto, Interview zum Thema Potentiale und Einsatzbereiche des Digital Twin, 2020.
66 Siemens, Taking the next step in Digital Enterprise, 2019.
187
6
67
188
Produktion Produktnutzung
Produktentwicklung Anlagen-/Produktionsplanung/ Inbetriebnahme
inklusive Service inklusive Service
ElektrischesModell
Geometrisches Elektronisches Produktionspro- Modell
Modell Anlagen-
Modell Modell zessmodell Produktperformance
CAD/CAM-Modell performance
Modell der Modell
Stückliste Implementierungs-
funktionalen Fertigungs-
verfahrens modell fürdie
Digitalisierung der Industrie
Sicherheit und
Zuverlässigkeit Produktion
Materialmodell Modell
digitaleZwillinge
Modell für Produktions- Modell
eingebettete steuerung Produktionsqualität
Strukturelleund funktionale
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Software
Elektromagne- Elektronisches
tisches Modell Simulationsmodell
Simulationsmodell Virtuelles
der funktionalen Steuerungsmodell
VerhaltensbasiertedigitaleZwillinge
Sicherheit und
Zuverlässigkeit
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Das Münchner Start-up-Unternehmen Dareto sieht das Potenzial des Digital Twins
längst nicht mehr nur auf Shopfloor-Ebene. Ein unternehmensübergreifender Einsatz
des Digital Twin wird zur fast vollkommenen Transparenz der Supply Chain führen und
darüber hinaus Produktivitätssteigerung generieren. Der flexiblen Anpassung realer
Prozesse als Reaktion auf Veränderungen in der Supply Chain wird dabei ein besonde-
rer Stellenwert beigemessen.
68 Vgl. Autodesk, Von der Schraube bis zur Produktionslinie alles digitalisiert – mit Smart Factory für mehr
Effizienz, 2019.
69 Vgl. Siemens, Der digitale Zwilling lebt, 2017.
70 Dareto, Interview zum Thema Potentiale und Einsatzbereiche des Digital Twin, 2020.
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te dynamisch anpassen kann. Die Folgen der Coronapandemie haben die Notwendigkeit zur
spontanen Drosselung von Prozess- und Ablaufgeschwindigkeiten branchenübergreifend
bewiesen.
Ein Digital Twin, der neben Einzelsysteme auch komplette Prozesse abbildet, bricht die in
der industriellen Praxis oft vorherrschenden teilbereichsinternen Datenstrukturen zuguns-
ten eines erleichterten Datenzugriffs auf. Statt auf einzelne Datensilos bestehender IT-Syste-
me zurückgreifen zu müssen, können Daten zentral abgefragt und bereitgestellt werden.
Der Digital Twin wird eine bereichsübergreifende Datentransparenz entlang der gesamten
Supply Chain ermöglichen und dadurch die dringend notwendige Flexibilität in Zeiten
volatiler und dynamischer Märkte erhöhen. Ein großes Hemmnis zur Abbildung des »Rück-
wegs« und in diesem Sinne der Möglichkeit, reale Prozesse ad hoc und in Echtzeit durch
virtuelle Parameterkonfiguration zu verändern, ist die fehlende Standardisierung von
Schnittstellen durch herstellerbedingte Zersplitterung. Auf Anlagenebene bieten die OPC
UA (Open Platform Communications Unified Architecture) Companion Specifications, eine
serviceorientierte Kommunikationsarchitektur, bereits Datenmodelle, die einen standar-
disierten Zugriff auf die Produktion ermöglichen. Individuelle herstellerabhängige IT-Land-
schaften bedingen eine Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationsprotokolle, die eine
Automation verhindern. Vielmehr braucht es eine zentrale Komponente, die standardisiert
Daten sammelt und verwaltet. Externe IT-Systeme können anschließend die benötigten
Daten über offene Schnittstellen abrufen. Durch flexible Datennutzung und -verarbeitung
leistet der Digital Twin einen wesentlichen Beitrag zur prozessübergreifenden Effektivitäts-
und Produktivitätssteigerung.
Das Münchner Start-Up Dareto sieht in serviceorientierten und Smart Data basierten
Geschäftsmodellen sowohl für Kunden als auch für Anlagenhersteller die Chance, bis
dato ungenutzte Produktivitätspotenziale zu erschließen. Dabei profitieren die Kun-
71 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Smart Service Welt – Internetbasierte Dienste für die
Wirtschaft, 2017, S. 3–4.
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SIMOTICS CONNECT
400
Data
Transmission
72 Vgl. Dareto, Interview zum Thema Potentiale und Einsatzbereiche des Digital Twin, 2020.
73 Vgl. Siemens, Sidrive IQ: Mehr Effizienz mit Konnektivitätsmodul Simotics Connect 400, 2019.
74 Vgl. Siemens, Konnektivitätsmodul – SIMOTICS CONNECT 400 Betriebsanleitung, 2020, S. 35.
75 Siemens, Simotics Connect 400, Systemarchitektur / Prinzipdarstellung, 2019.
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Neotech AMT ist ein Pionier bei additiv hergestellten Elektronikbauteilen. In Zusam-
menarbeit mit dem Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung der Friedrich-Alexan-
der-Universität Erlangen-Nürnberg ist es Neotech AMT gelungen, mittels 3D-Druck
komplette mechatronische Systeme zu fertigen, wofür das Unternehmen den Innova-
tionspreis des TÜV SÜD erhielt.77 Das Unternehmen forscht beispielsweise an 3D-ge-
druckten individuell angepassten Hörgeräten. Dr. Martin Hedges, Managing Director
von Neotech AMT, informiert im folgenden Interview über den 3D-Druck elektroni-
scher Bauteile und dessen Potenziale.
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Die Möglichkeiten enden jedoch nicht beim Druck mechatronischer Produkte. Viele
weitere Werkstoff-Kombinationen sind möglich, so werden bereits heute Glas oder
Kohlefaserverbundwerkstoffe additiv gefertigt. Laut Prof. Franke wird bereits am
3D-Druck von Lichtleitern und künstlichen Muskeln geforscht. Zudem wird auch an
einem neuen Verfahren, dem 4D-Printing/Druck gearbeitet. Dabei werden Werkstof-
fe genutzt, die sich während ihres späteren Einsatzes verändern, beispielsweise aus-
dehnen oder krümmen. Damit sollen neue Anwendungsgebiete erschlossen werden,
für die bisher komplexere mechanische Teile notwendig wären. Wie sich ein 4D-ge-
drucktes Bauteil verändern kann, zeigt Abbildung 47. Die Form des gedruckten Teiles
verändert sich nach Aktivierung durch einen externeren Reiz, etwa durch Licht oder
Temperatur selbstständig.
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Die Welt unterliegt einem ständigen Wandel, so auch Kundenwünsche und Produkt-
anforderungen, die von Unternehmen bedient werden wollen. Mit wachsenden
Datenmengen ergeben sich Potenziale für fast alle Branchen. Doch diese Entwick-
lungen stellen sowohl Chancen als auch Herausforderungen dar. Für die Industrie
bedeutet dies die Umsetzung von neuen Produktkonzepten wie Mass Customization
und Smart Products. Neben den Produkten selbst verändert sich auch die Art und
Weise, wie produziert wird. In der Industrie von morgen bilden flexible Produktions-
systeme und dezentrale Steuerungen kombiniert mit additiven Fertigungsverfahren
die Grundlage für eine individualisierte Massenproduktion. Eingebettete Mikroelek
tronik in allen Komponenten des Produktionsprozesses gewährleistet eine ganzheit-
liche Vernetzung zu intelligenten Produktionsstrukturen. Hierbei besteht auch der
Bedarf, manuelle Arbeiten effizienter zu gestalten. Maßgebend für eine sogenann-
te Smart Factory ist die Interaktion der realen Produktion mit der virtuellen Welt in
Echtzeit.
Neue Technologien, die eine flexible, wandlungsfähige und agile Fabrik möglich ma-
chen, wie der Digital Twin, Augmented Reality und Machine Learning existieren bereits.
Dennoch liegt es nun an den Unternehmen, deren volles Potenzial zu nutzen, und die
digitale Industrie mitzugestalten. Andere Megatrends wie nachhaltige und saubere
79 Vgl. Ge, Multimaterial 4D Printing with Tailorable Shape Memory Polymers, 2016.
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Schließlich stellt sich die Frage nach der Rolle des Menschen in der künftigen Ferti-
gung. Die Vertreter der ›menschenleeren Fabrik‹ sehen den Menschen im Wesentli-
chen als Störfaktor. In der Tat spielt der Mensch in kritischen Produktionsbereichen,
in denen Prozesssicherheit und hohe Qualität maßgebend sind, schon heute eine nur
mehr untergeordnete Rolle. Dies gilt etwa für die Produktion sicherheitsrelevanter
Bauteile und auch bei der Herstellung von Halbleiterplatten. 80 Andere wiederum wei-
sen vollkommen nachvollziehbarerweise darauf hin, dass das Konzept der menschen-
leeren Fabrik in den letzten 40 Jahren eine Ausnahme geblieben ist. Der Grund wird in
einem Endbericht der IG Metall aus dem Jahre 1991 passend zusammengefasst: »Die
Fabrikinnovation, [ …], ist insofern gescheitert, wie man die Nicht-Beachtung oder gar
Verachtung des Erfahrungswissens der Arbeitnehmer:innen zur Betriebskultur zählen
konnte«. 81
Im Jahr 2031 wird es weder ausschließlich individualisierte Produkte noch ein einzel-
nes Produktionsparadigma geben. Auch in Zukunft werden die unterschiedlichen Pro-
duktionsverfahren nebeneinander zum Einsatz kommen und die Rolle des Menschen
in diesem Kontext neu definiert werden.
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Takeaways:
¸ Learning by doing
Beginnen Sie Digitalisierungsprojekte klein und skalieren Sie später,
um aus Fehlern lernen zu können!
¸ Digitalisierung ist kein Allheilmittel
Überdenken Sie bestehende Prozesse zuerst und machen Sie diese
dann fit für die Digitalisierung. Vermeiden Sie unnötiges Customizing!
¸ Datenstrategie für digitale Geschäftsmodelle
Legen Sie fest, welche Daten Sie sammeln, auf welche Sie zugreifen
müssen und welche Sie teilen möchten!
¸ Digitalisierung als Chance
Erkunden Sie den Nutzen neuer Technologien für Ihr Unternehmen.
Folgen Sie Technologietrends aber nicht blind!
¸ Leadership als Basis für erfolgreiche Digitalisierung
Legen Sie fest, wer im Managementteam für das Thema Digitalisie-
rung verantwortlich ist. Prüfen Sie die Einführung eines Chief
Digital Officers!
Nützliche Links
¸ https://new.siemens.com/de/
¸ https://www.dareto.tech
¸ https://www.faps.fau.de/
¸ https://www.magna.com/de
¸ https://neotech-amt.com/
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7 Innovationen im Bildungssystem
Zusammenfassung
In der erheblich komplexer werdenden und sich immer rascher verändernden
Lebens- und Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts hat sich das aus dem Industriezeitalter
stammende Bildungssystem als untauglich erwiesen. Trotz der beträchtlichen struk-
turell begründeten Änderungsresistenz werden die Schulen der Zukunft nicht mehr
auf das Erfüllen von Lehrplänen, auf Konkurrenz und Selektion und auf die Aneignung
von prüfungsrelevantem Wissen ausgerichtet sein. Stattdessen wird zum zentralen
Anliegen aller Bildungsbemühungen, die jedem Heranwachsenden angeborene Freu-
de am eigenen Entdecken und am gemeinsamen Gestalten aufrechtzuerhalten. Diese
intrinsische Motivation der Lernenden darf nicht mehr durch die bisher eingesetzten
extrinsischen Motivationsmethoden unterdrückt werden. Deshalb wird sich unser
Bildungssystem in den nächsten Jahren grundlegend verwandeln, und zwar so, dass
die Lernenden von den sie begleitenden Lehrpersonen eingeladen, ermutigt und ins-
piriert werden, sich den Lernstoff selbstständig und eigenverantwortlich anzueignen.
Schlüsselbegriffe
Freude am Lernen, Potenzialentfaltung, Lernmotivation,
Lebenslanges Lernen, Lernplattformen, Massive Open Online
Courses
7.1 Wie, wo, was und von wem wird im Jahr 2031 gelernt?
199
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7 Innovationen im Bildungssystem
und die Selektion der Heranwachsenden benutzt worden war. Nicht nur Universi-
täten, sondern auch alle anderen weiterführenden Bildungseinrichtungen suchten
händeringend nach jungen Menschen, die sich weniger durch gute Zeugnisse aus-
zeichneten, sondern stattdessen vor allem durch ihr selbst erworbenes Wissen und
Können, ihre Lebenskompetenzen, ihre Entdeckerfreude, Gestaltungslust und ihre
Bereitschaft, sich einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Weil das starre
schulische Verwaltungssystem die notwendigen Veränderungen zu sehr behinderte,
begannen die Bürger:innen in den Städten und Gemeinden, sich auf eine völlig neue
Weise um die dort heranwachsenden Kinder und Jugendlichen zu kümmern. In einer
gemeinsamen Anstrengung verwandelten sie ihre gesamte Stadt, ihren jeweiligen
Stadtteil oder ihre Gemeinde in einen Bildungscampus. Jeder Raum und jeder Ort, an
dem Menschen dort tätig waren, wurde als Lernort ausgewiesen. Alle in der jeweiligen
Stadt oder Gemeinde heranwachsenden Kinder und Jugendlichen wurden eingela-
den, ermutigt und inspiriert, sich an diesen Orten und bei den »Meistern ihres Faches«
umzuschauen. Immer mehr Heranwachsende begannen sich für die dabei gemachten
Erfahrungen zu öffnen und sich für bestimmte Themen zu interessieren.
Jack Ma, Gründer von Alibaba, fordert auf, sich Gedanken darüber zu machen, welche
Inhalte in Zukunft gelehrt werden sollen. Die Veränderung der Welt durch immer mehr
Technik, Digitalisierung und Vernetzung fordert eine neue Aufstellung der Lerninhalte.
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Was vor 50 Jahren als wichtig zu lernen galt, dass können heutzutage Maschinen viel
schneller als wir Menschen umsetzen. Jack Ma sagt:
Für Jack Ma wird es in Zukunft keinen Wettbewerb mehr um Wissen geben. Wissen
können die Maschinen besser speichern als der Mensch. Der entscheidende Unter-
schied und das Herausstellungsmerkmal des Menschen gegenüber Maschinen, digita-
len Geräten und mit sogenannter künstlicher Intelligenz ausgestatteten Robotern und
Automaten ergibt sich aus dem Umstand, dass Menschen Bedürfnisse haben. Nur wer
ein Bedürfnis in sich spürt, wird auch eine Vorstellung davon ausbilden können, wie
dieses Bedürfnis gestillt werden kann. Und nur dann kann das entstehen, was wir als
Intentionalität bezeichnen, also der Wille, die betreffende Vorstellung auch zu reali-
sieren. Das selbstständige, unabhängige Denken, die Kreativität und Fantasie werden
deshalb in den Fokus rücken. Diese Fähigkeiten werden in Zukunft mehr denn je ge-
fragt sein und müssen deshalb vermittelt werden.2
Lernprozesse finden ununterbrochen im Leben eines Menschen statt. Für die Verfesti-
gung von Lernerfahrungen kennen die Pädagogik und die Psychologie drei Verfahren:
Erfahrungslernen, Imitationslernen und Dressurlernen. Das Erfahrungslernen ist die
nachhaltigste Möglichkeit, um neues Wissen und Können im Gehirn zu verankern. Die
Basis für das Imitationslernen bieten die Spiegelneuronensysteme, die bei einer Be-
obachtung von anderen Menschen aktiv werden. Durch die Beobachtung bestimmter
Verhaltensweisen oder Tätigkeiten verankern sich diese in Form der dafür zuständi-
gen neuronalen Verschaltungsmuster im eigenen Gehirn. Das Dressurlernen ist leider
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7 Innovationen im Bildungssystem
noch immer wohl die am häufigsten eingesetzte Lernmethode in der Schule. Hierbei
werden für die Aneignung von Wissen Belohnungen (etwa die Anerkennung durch
gute Noten) oder Bestrafungen (wie das Sitzenbleiben) in Aussicht gestellt. Es erfolgt
das Lernen aber nicht mit einer intrinsischen Motivation, sondern wird von außen
erzwungen.4 Kreativität, selbstverantwortliches und eigenständiges Lernen werden
langfristig umso nachhaltiger unterdrückt, je früher Kinder bereits in ihren ersten Le-
bensjahren mit solchen Abrichtungsmethoden erzogen und gezwungen werden, die
Erwartungen ihrer Bezugspersonen zu erfüllen.
Das Bildungssystem aus dem Jahr 2020 wird sich also bis zum Jahr 2031 so verän-
dert haben, dass es dieses Dressurlernen nicht mehr gibt. Bis dahin werden auch die
Pädagogen erkannt haben, dass es dadurch zur Herausbildung des sogenannten Bu-
limielernens kommt. Durch die Aussicht auf eine Belohnung, eigenen sich dabei Schü-
lerinnen und Schüler bestimmte Lerninhalte in kürzester Zeit an. Bereits sehr bald
nach der Prüfung ist das Wissen allerdings nicht mehr abrufbar. Die Belohnung wurde
erreicht und für Weiteres wird das Gelernte nicht mehr benötigt. Es findet kein Lernen
für das Leben statt, wenn gelernte Inhalte bereits nach kurzer Zeit wieder irrelevant
und dadurch vergessen werden. Der Entdeckergeist und die Freude am Lernen wer-
den nachhaltig unterdrückt
Nachfolgend wollen wir einige wichtige Schritte auf dem Weg der Umgestaltung unse-
res Bildungssystems etwas genauer betrachten und dabei auch praktische Beispiele
vorstellen, die deutlich machen, dass dieser tiefgreifende Umgestaltungsprozess an
vielen Stellen schon längst begonnen hat.
Um die Schritte nachvollziehen zu können, sollten Sie sich von der Vorstellung be-
freien, dass Kinder nur lernen, wenn es ihnen vorgeschrieben oder von Ihnen verlangt
wird. Alle Heranwachsenden wollen aus sich heraus lernen, wie das Leben geht und
worauf es dabei ankommt. Sie werden dabei durch die Begegnung und den Austausch
mit anderen Menschen beeindruckt und entwickeln daraus die Intention, sich all das
auch selbst anzueignen.
Jedes Kind hat bei der Geburt bereits zwei Grunderfahrungen gemacht: Zum einen
die Erfahrung von engster Verbundenheit und Vertrautheit, zum anderen hat das Kind
erfahren, dass es aus dieser Verbundenheit immer wieder neu über sich hinauswach-
sen kann. Die im Gehirn verankerte Erfahrung engster Verbundenheit mit der Mutter
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während der vorgeburtlichen Entwicklung lässt ein Kind mit der Erwartungshaltung
zur Welt kommen, dass es so angenommen wird, wie es ist, dass es dazugehört und
mit den anderen verbunden ist. Dann wird auch jedes Kind seinen eigenen Weg beim
Entdecken und Gestalten seines Lebens ausprobieren und als seine Lösungen im Ge-
hirn verankern.
Wird ein Kind jedoch von seinen Bezugspersonen zum Objekt ihrer Erwartungen,
Maßnahmen und Bewertungen gemacht, so hat das betreffende Kind ein schwerwie-
gendes Problem, das es lösen muss. Sein Bedürfnis nach Verbundenheit wird nicht
mehr gestillt. Erfüllt es die Erwartungen der Eltern oder Bezugspersonen nicht, stößt
es auf Ablehnung und unterdrückt seinen Drang, an eigenen Aufgaben zu wachsen
und zu lernen. Stattdessen versucht es, sich an die Erwartungen und Vorgaben seiner
Bezugspersonen anzupassen, bis es diese zu deren Zufriedenheit erfüllt und sie ihm
deshalb das Gefühl vermitteln, von ihnen angenommen zu sein und dazugehören zu
dürfen.
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7 Innovationen im Bildungssystem
Diese App soll allzu fantasielosen und mit wenig pädagogischer Intuition ausgestatte-
ten Eltern und Pädagogen als Inspiration dienen. Im Gegensatz zu vielen anderen Apps
werden mit ihr die Kinder nicht beschäftigt, indem sie über das Display des Smart-
phones wischen, sondern indem Eltern Anregungen vermittelt werden, um ihr Kind
altersgerecht zu erziehen und den Entdeckergeist der Kinder zu stärken. Die Nutzung
der App ist dann gewinnbringend, wenn die Ideen als Inspiration verstanden werden
und nicht als feste Vorgabe. Die Kinder dürfen nicht gezwungen werden, ein Bewe-
gungsspiel zu spielen, weil den Eltern dieses gerade in der App vorgeschlagen wurde.
Eine weitere Möglichkeit ist es, die Kinder zu eigenen Entscheidungen zu ermutigen
und sie somit ihren Entdeckergeist jeden Tag aufs Neue erleben.
Kinder lernen nach den ersten Monaten, sich durch Krabbeln fortzubewegen und die
Eltern helfen dem Kind dabei, irgendwann seine ersten Schritte zu machen. Auch das
Sprechen lernen die Kinder von allein, wenn sie Eltern haben, die mit ihm zugewandt
und liebevoll reden.
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Wenn ein Kind Sprechen kann, beginnt es Fragen zu stellen und erschließt sich so,
als Konstrukteur seines eigenen Lernprozesses, sein Wissen. »Mama, was steht da auf
dem Schild geschrieben?«, »Papa, was heißt das?«, »Warum macht man das so?«, »Wie
schreibt man meinen Namen?«. All diese Fragen beschäftigen Kinder, sie wollen wis-
sen, was Buchstaben bedeuten, wollen lesen und schreiben lernen. Meist lernen sie
es spielerisch und oft auch schon lange bevor sie in die Schule kommen. Wer keine
Zeit oder wenig Interesse hat, Kinder bei diesem spannenden Selbstlernprozess zu
begleiten, kann die Lernplattform WriteReader nutzen, um Kindern eine spielerische
Möglichkeit zum Verbessern ihrer Lese- und Schreibkünste zu bieten.
Immer mehr Eltern geben ihre Kinder zur Betreuung in Kindertagestätten. Ebenso geht
der Trend weiter zur Digitalisierung und Vernetzung aller Lebensbereiche. Daher müs-
sen auch Kindertagesstätten in die Entscheidung zur Nutzung digitaler Medien einbe-
zogen werden, um die Kinder auf ihren vernetzten Lebensalltag im Erwachsenenalter
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7 Innovationen im Bildungssystem
vorzubereiten. Bereits heute wissen Kleinkinder, wie ein Smartphone zu bedienen ist.
Warum sollen diese Medien dann nicht auch Einzug in die Kindertagestätten halten?
Gibt die Digitalisierung dem Betreuungspersonal nicht auch die Möglichkeit, mehr auf
die Kinder und ihre Fragen einzugehen? Die Diskussion über Vernetzung und Digitali-
sierung in Kindertagesstätten steht immer wieder zur Debatte. Das Aufstellen eines
Tablets im Gruppenraum muss überdacht werden und darf nicht dazu führen, dass die
Kinder nur noch mit Apps spielen und ihr Entdeckergeist bereits in den ersten Jahren
ihres Lebens begraben wird. Es geht um eine sinnvolle Integration von digitalen Me-
dien in den Alltag von Kindertagesstätten.
»Digital in der Kita ist nicht unbedingt eine Frage der Technik. Vielmehr ist es
eine Frage der Haltung.«
Verfasser unbekannt
Die Digitalisierung kann die Verwaltung und die gruppeninterne Organisation er-
leichtern. Auch die Krankmeldung eines Kindes muss nicht mehr telefonisch erfolgen,
sondern die Meldung wird von den Eltern über eine App an die Kindertagesstätte ge-
sendet und darüber automatisch in den Anwesenheitskalender der Gruppe eingetra-
gen. Ebenso können Fotos der Kinder oder Videos über deren Entwicklung mit dem
gruppeneigenen Tablett aufgenommen und sehr einfach mit den Eltern digital geteilt
werden. Die Eltern haben dadurch die Möglichkeit, »live« in der Kindertagesstätte mit
dabei zu sein.
Kinder sollen in ihrer Freude am Lernen unterstützt werden, aber oft können ihre Fra-
gen auch von Erwachsenen nicht beantwortet werden. Die Kinder spielen zusammen
im Garten der Kindertageseinrichtung und entdecken einen Schmetterling. Ihr Entde-
ckergeist möchte natürlich wissen, welcher Schmetterling das ist. Ein Betreuer macht
mit dem Tablet ein Foto und kann so mit den Kindern zusammen den Namen und die
Art des Schmetterlings herausfinden. Auf diese Weise machen sie erste Erfahrungen
damit, digitale Medien als Werkzeuge sinnvoll einzusetzen. Bereits im Kindesalter
startet somit die Aneignung der Digitalkompetenz. Hierfür können Bücher wie »Lotta
und Klicks« von Benjamin Wockenfuß Hilfestellungen bieten.
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und im Internet birgt Gefahren für Kinder. Deshalb werden im Buch spielerisch Themen
angesprochen, bei denen Kinder vorsichtig sein und Eltern eine erhöhte Aufmerksamkeit
haben müssen. Das Buch entstand im Rahmen des Medienkompetenz-Projekts DigiKids,
das in einer Kooperation der Hessischen Landesstelle für Suchfragen e. V. und der Techniker
Krankenkasse durchgeführt wird. Das Projekt soll dazu dienen, Kinder ab vier Jahren auf
einen souveränen Umgang mit den digitalen Welten vorzubereiten. Die Form eines analogen
Buches wurde bewusst gewählt, um den Eltern und Kindern eine Pause vom digitalen Leben
zu geben, es soll zur Kommunikation und zum Mitmachen anregen. Damit den Kindern nicht
ausschließlich vorgelesen wird, wurde das Buch mit Bildern von Lotta, ihren Erlebnissen und
Erkenntnissen ausgestaltet. 8
Erfolgreiches Lernen kann nur durch das Aufrechterhalten der Freude am Lernen er-
reicht werden. Diese gilt es, in den Fokus aller Bildungsbemühungen zu stellen. Die
Bedeutung der Freude am Lernen im heutigen Schulsystem ließ sich bei Schülern be-
sonders deutlich bei der Einführung des Homeschoolings während der Coronamaß-
nahmen beobachten. Das folgende Szenario macht das anschaulich:
8 Vgl. DigiKids: Lotta und Klicks – Ein Bilderbuch für mehr Digitalkompetenz.
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7 Innovationen im Bildungssystem
Zur gleichen Zeit bei Familie Schmidt: Marie ist schon seit einer Stunde wach und kehrt ge-
rade vom Spaziergang mit dem Familienhund zurück. Es bleibt ihr noch genug Zeit für ein
Frühstück und ein schnelles Musikstück auf der Geige. Pünktlich um 8 Uhr startet sie die App
für den Unterricht und lauscht gespannt den Worten der Deutschlehrerin. Sie vermisst den
Unterricht in den Klassenzimmern, aber es macht ihr trotzdem Spaß, online zusammen mit
ihren Mitschülern und der Lehrerin Neues über die deutsche Sprache zu lernen. Sie liest stolz
ihre Erörterung vor. Sie hat ein großes Ziel vor Augen, sie will Musikerin werden. Ihre Eltern
wollen hingegen, dass sie Anwältin oder Ärztin wird. Das liegt zwar in der Familie aber viel
lieber will sie Musik studieren, weil sie leidenschaftlich gerne Geige spielt. Wie sie das ihren
Eltern beibringen soll, das weiß sie noch nicht, aber nach dem Abitur ist sie ja schließlich
erwachsen und kann selbst für sich entscheiden. Den ganzen Tag musizieren, so stellt sie
sich ihr zukünftiges Leben vor, auf großen Bühnen stehen und die Zuhörer mit ihrer Musik
begeistern. Dafür braucht sie zwar keine Bestnoten, aber sie ist sehr interessiert daran, sich
weiterzubilden und stehts Neues zu lernen. Nach dem Unterricht recherchiert sie zu interes-
santen Themen häufig im Internet, um mehr dazu zu erfahren. Lediglich mit den technischen
Fächern hat sie gewisse Schwierigkeiten, Mathematik wird nie ihr Lieblingsfach werden.
Trotzdem macht sie ihre Übungen und erreicht so dennoch gute Noten.
Lehrkräfte müssen neue Kompetenzen erwerben, um auch Schüler wie Lukas nicht zu
verlieren. Im klassischen Schulunterricht fällt dies leichter, da eine direkte Kommu-
nikation und Beobachtung stattfinden kann. Ebenso prägt sich das Gemeinschafts-
gefühl der Schüler und Schülerinnen im Homeschooling nicht so stark aus, wie beim
gemeinsamen Lernen im Klassenraum. Marie hat durch ihre anhaltende Entdeckerlust
und ihre Freude daran, Neues zu lernen, keine Probleme damit, sich den Lerninhalt
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selbst anzueignen. Die Digitalisierung bietet ihr hierzu sogar die Möglichkeit, einfach
an zusätzliche Informationen zu interessanten Lerninhalten zu gelangen. Lukas hin-
gegen fehlt der Entdeckergeist, der mit der Freude am Lernen verbunden ist, um die
neuen Lerninhalte zu verstehen. Für Lukas ist der persönliche Kontakt und die Ver-
knüpfung des Lerninhaltes mit der Lehrkraft ein sehr wichtiger Bestandteil zum er-
folgreichen Lernen.
Computer-
unterstützung
0,37
Webbasiertes Schüler-
Lernen Lehrer-Beziehung
0,18 0,7
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2
Effektstärke
Hattie ordnet die verschiedenen Einflussfaktoren in eine Skala ein, von sehr positi-
ven bis hin zu gar negativen Einflüssen. Über alle Einflussfaktoren hat er deren durch-
schnittlichen Effekt errechnet, der bei 0,4 liegt. An diesem gemessen werden die
einzelnen Einflussfaktoren eingeordnet. Um den hohen Einfluss der Schüler-Lehrer-
Beziehung im Vergleich zur Digitalisierung zu verdeutlichen, zeigt Abbildung 48, wie
die Einflussfaktoren webbasiertes Lernen, Computerunterstützung und Schüler-Leh-
rer-Beziehung eingeordnet werden.
Mit einem Wert von 0,18 hat webbasiertes Lernen nur einen sehr geringen Ein-
fluss auf den Erfolg des Lernens. Die Computerunterstützung ist mit 0,37 nahe am
durchschnittlichen Einfluss der Faktoren. Sowohl webbasiertes Lernen wie auch
Computerunterstützung können demnach bei sinnvollem Einsatz einen Lernerfolg
unterstützen. Ebenso ist abzuleiten, dass der persönliche Kontakt zwischen Lehr-
kräften und Schüler:innen auch bei fortschreitender Digitalisierung eine sehr wichtige
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7 Innovationen im Bildungssystem
Komponente bleiben wird, denn hierbei werden Fähigkeiten wie Empathie, Fürsorge
und Respekt vermittelt. Ebenso entsteht eine engagiertere Klassengemeinschaft, die
wiederum eine offenere Lernform zulässt.
Marie und Lukas wurden beide mit der Freude am Lernen geboren. Es liegt in der
Natur eines Menschen, am Lernen und Entdecken Freude zu verspüren. Jedoch wird
dieses Phänomen häufig durch negative Erfahrungen und Gefühle bereits im Kindes-
alter unterdrückt. Zu viele negative Erfahrungen führen dazu, dass die Freude am
Lernen unterdrückt wird. So ist es wohl bei Lukas geschehen. Seine Eltern haben sei-
ne Entdeckungen oft nicht gewürdigt, oder ihm diese gar verwehrt. Maria hingegen
hatte die Möglichkeit, als Kind das Leben zu entdecken und so immer mehr eigene
Erfahrungen zu sammeln. Sie ist dadurch stark genug geworden, um den Wunsch
ihrer Eltern für ihren späteren Beruf zu ignorieren und ihren eigenen Weg zu gehen.
Eltern dürfen Wünsche für ihre Kinder haben. Sie dürfen den Kindern ihre Erwartun-
gen aber nicht aufzwingen und ihnen somit eine feste Schiene für ihr Leben vorge-
ben, sondern ihnen weitere Chancen und Möglichkeiten im Leben zeigen. Ein Kind
kann dem wichtigsten Wunsch der Eltern nur dann nachkommen, wenn es tun darf,
wofür es sich interessiert. Nur dann ist ein Mensch glücklich. Es ist die Aufgabe der
Begleiter eines Kindes, ihm beim Herausfinden dessen zu helfen, was alles interes-
sant sein könnte.
Für den Fall, dass Sie einen Führerschein besitzen, werden Sie sich noch an einen
ganz bestimmten Moment erinnern. Vermutlich ist das derjenige, als Ihnen mitge-
teilt wurde, dass Sie die Prüfung bestanden haben. Das Ausbildungskonzept der
Fahrschule unterscheidet sich in einem entscheidenden Aspekt von dem in der
Schule: Eine Fahrlehrerin oder ein Fahrlehrer bereitet die Schüler auf die Prüfung
vor, er oder sie vers oder sie teht sich als kompetenter Begleiter ihres Lernprozesses
und hilft ihnen bei der Aneignung all dessen, was für die Fahrprüfung gebraucht wird.
Anschließend werden die Fahrschüler:innen von einem unabhängigen Prüfer oder
einer Prüferin bewertet und es wird entschieden, ob bestanden wurde oder nicht.
Im ersten Fall freut sich der Fahrlehrer oder die Fahrlehrerin im letzteren wird er
oder sie sich fragen, wie er oder sie seine ode ihre Unterstützung künftig verbessern
kann. Er kommt dabei niemals in die Rolle der Prüfenden. Die eigene Motivation,
die Führerscheinprüfung bestehen zu wollen, und die Trennung von Unterstützern
(Fahrlehrer) und Prüfer sind entscheidend dafür, dass so viele Fahrschüler:innen die
Führerscheinprüfung bestehen.
Übertragen wir das Konzept der Fahrschule auf das Schulsystem. Wie genau das aus-
sehen könnte, wird im nachfolgenden Szenario beschrieben.
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Bei diesem Konzept nimmt die Lehrperson die Rolle eines Lernbegleiters ein. Sie ver-
sucht, die Lernenden so gut wie möglich zu unterstützen und ihnen zu helfen, wenn
sie Fragen haben. Lehrkräfte sind in diesem Fall nicht mehr gleichzeitig Unterstützer
und Prüfer:innen. Dadurch kann wesentlich besser auf die einzelnen Schüler:innen
und deren individuelle Bedürfnisse eingegangen werden, ähnlich wie in der Fahr-
schule. Zensuren fallen weg, die Schüler können Online-Zertifikate erwerben und sich
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7 Innovationen im Bildungssystem
Module, die sie interessieren, zusammenstellen. Dadurch ist auch kein Lehrplan mehr
notwendig und die Lernenden sind motivierter, da sie sich die Inhalte selbst zusam-
menstellen können. Digitale Konzepte und Onlineplattformen ergänzen den Lernall-
tag der Schülerinnen und Schüler sinnvoll.
Viele digitale Lernkonzepte und Werkzeuge verfolgen das Ziel, die Lernmotivation von
Kindern und Jugendlichen (wieder) zu entflammen. Durch neue Online-Lernumge-
bungen soll bei Schüler:innen und Studierenden Begeisterung für neue Themenge-
biete und das Lernen an sich geschaffen werden.
Für viele stehen digitale Medien jetzt schon als »Retter« für das Schulsystem der Zu-
kunft fest. Heißt das, im Jahr 2031 geht jeder Schüler und jede Schülerin nur noch mit
seinem Tablet zur Schule und arbeitet mit innovativen Lernprogrammen und Virtual
Reality? Ganz so einfach ist es nicht. Aber die zunehmende Digitalisierung an Schu-
len:innen kann die Schüler:innen durchaus bei ihren Lernaufgaben unterstützen.
Wenn zuvor allerdings keine intrinsische Motivation vorhanden war, die Inhalte zu ler-
nen, weil die Schülerinnen und Schüler überhaupt nicht verstehen, wofür sie diese
eigentlich lernen, bringen auch digitale Medien oder innovative Online-Lernkonzepte
nichts.
Daher muss die Digitalisierung viel mehr bei den pädagogischen Aspekten ansetzen.
Nicht jedes Kind lernt gleich schnell, d. h., hier ist ein guter Ansatzpunkt für neue
digitale Konzepte, die sich bspw. an die individuelle Lerngeschwindigkeit der Schü-
lerinnen und Schüler anpassen. Die Lehrperson kann dabei den individuellen Lern-
fortschritt einer Klasse beobachten und online einsehen, bei welchen Aufgaben die
Schüler Verständnisprobleme und Wissenslücken haben. Sie kann so den Unterricht
individueller gestalten und auf diese Probleme eingehen. Zugleich können Schüler,
die die Aufgaben schneller lösen konnten, bereits mit anspruchsvolleren Aufgaben
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versorgt werden. Möglich ist das schon jetzt, mithilfe KI-gestützter Lernplattformen
sogar völlig automatisiert.10
Lernpfad Marie
Lernpfad Lukas
Abbildung 49 zeigt beispielhaft die Lernpfade der beiden Schüler aus den Szenarien dieses
Kapitels. Es ist deutlich erkennbar, dass Maria einen »einfacheren« Lernpfad nimmt als
Lukas, da ihr Pfad näher am direkten Weg zum Lernziel ist. Taskbase errechnet die unter-
schiedlichen Lernpfade durch zuvor erwähnte Test- und Lernalgorithmen und passt für bei-
de die Aufgaben so an, dass sie in ihrer individuellen Geschwindigkeit das Lernziel erreichen
können. Dadurch kann auch im Selbststudium eine optimale Lernkurve für beide garantiert
werden. Die Algorithmen nehmen Rücksicht auf Stärken und Schwächen sowie individuelle
Lernpräferenzen und wählen weitere Übungen aufgrund von vorangegangenen Interaktio-
nen mit dem Lernprogramm aus. So werden die Lernenden weder über- noch unterfordert,
zumindest in der Theorie. Diese Tatsache soll sich in Form einer höheren Lernmotivation bei
den Schülern äußern.14 Bei vielen Online-Lernanwendungen gibt es allerdings noch eine zen-
10 Vgl. Dräger, Jürgen: Bitte keine Pseudo-Digitalisierung in der Schule – Digitalisierung der Bildung.
11 Vgl. Gruenden.ch: Erfahrene Verwaltungsräte unterstützen Startups beim Wachstum.
12 Vgl. Portmann, Samuel: Taskbase startet mit Vollgas ins neue Jahr – Taskbase – Medium.
13 Eigene Darstellung
14 Vgl. Taskbase – Adaptive Lernalgorithmen.
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trale unbeantwortete Frage: Was passiert mit den erhobenen Daten der Schülerinnen und
Schüler? Ohne Dateninput sind die KI-Lernalgorithmen von Ed-Tech-Unternehmen wie bspw.
Taskbase nutzlos. Je größer der Datensatz, desto besser können die Lernprogramme auf
die Eingaben von einzelnen Personen reagieren. Ed-Tech-Unternehmen könnten die Daten
der Nutzer aber auch z. B. zu kommerziellen Zwecken verwenden. Dies geschieht häufig bei
kostenlosen Online-Lernangeboten. Taskbase nutzt nach eigener Aussage die Daten nur
anonymisiert und ausschließlich zur Verbesserung und Weiterentwicklung der Lernalgorith-
men. Dennoch ist das Thema Datenschutz auch im Bereich Online-Bildung auf keinen Fall zu
vernachlässigen und wird in Zukunft einen immer größeren Stellenwert einnehmen.15 Damit
Programme wie Taskbase überhaupt von den Schüler:innen angenommen werden, muss
Motivation vorhanden sein, die Inhalte zu lernen. Falls diese Motivation und Lernfreude nicht
gegeben sind, setzen sich Schülerinnen und Schüler gar nicht erst mit den Inhalten ausein-
ander und Taskbase verfehlt seinen eigentlichen Zweck.
Aber wie schneiden digitale Texte eigentlich im Vergleich zur analogen Variante in
puncto Lernverhalten ab? Eine Studie der University of Maryland befasste sich mit
der Wirkung von gedrucktem und digitalem Text auf Lernende. So behaupteten die
Studenten, die den Text in digitaler Form gelesen hatten, ihn schneller verstanden zu
haben – tatsächlich aber waren sie lediglich mit dem Lesen schneller fertig. Die Stu-
denten, die den Text nur in gedruckter Form gelesen hatten, hatten den Inhalt besser
verstanden. Beide Gruppen konnten allgemeine Fragen zum Text zwar ähnlich gut
beantworten, allerdings zeigten sich deutliche Unterschiede bei den Detail- und Ver-
ständnisfragen. Diese konnten von der Gruppe, die den gedruckten Text gelesen hat-
te, deutlich besser beantwortet werden als von der Studierendentengruppe mit dem
digitalen Text. Dies lässt sich auf das Scrollen zurückführen, da der Informationsfluss
zwischen Auge und Gehirn immer wieder unterbrochen wird und die zuvor gelesenen
Passagen noch nicht fest im Gehirn verankert sind. Dadurch kommt kein kontinuier-
licher Lesefluss zustande.19
15 Vgl. Portmann, Samuel: Der gläserne Schüler: Datenschutz im Unterricht – Taskbase – Medium.
16 Vgl. Dräger, Jürgen: Bitte keine Pseudo-Digitalisierung in der Schule – Digitalisierung der Bildung.
17 Vgl. Aichmayr, Hannes: Digitalisierung in der Schule: Was bleibt nach Corona? – Digitalisierung der Bildung.
18 Vgl. Aichmayr, Hannes: Corona als Chance: Ein Blick über den Tellerrand des Distanzlernens.
19 Vgl. Cuvillier Verlag: Studie beweist: Mit dem gedruckten Buch lernt man effektiver.
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Somit lässt sich festhalten: Digitale Medien sollten immer einen Mehrwert für die Ler-
nenden mit sich bringen. Anderenfalls ist die analoge Variante zu bevorzugen. Ferner
muss dieser vermeintliche Mehrwert immer individuell bewertet werden, da vor al-
lem in den vergangenen Jahren viele neue Player in den umkämpften EdTech-Markt
eingestiegen sind. 2018 lagen die weltweiten Investitionen bei rund 6 Mrd. Euro, die
Tendenz ist stark steigend. Dabei bleibt es auch in Zukunft spannend, welche Unter-
nehmen sich nur am Trend »digitale Bildung« beteiligen und welche wirklich innovati-
ve und pädagogisch wertvolle Konzepte mit digitalen Medien umsetzen wollen.20
Diese Tatsache ist auch während des ersten Lockdowns, der aufgrund der Corona-
pandemie Anfang 2020 in Deutschland ausgerufen wurde, deutlich geworden. Viele
Schülerinnen und Schüler sollten sich zu Hause selbst mit diversen Unterrichtsthe-
men auseinandersetzen. Allerdings waren sowohl Eltern und Lehrkräfte als auch die
Schüler:innen häufig mit der neuen Online-Lernsituation überfordert – und das nicht
nur aufgrund der mangelhaften IT-Infrastruktur in deutschen Bildungseinrichtungen
oder der fehlenden Digitalkompetenzen. Die soziale Interaktion via Online-Video-
kommunikation ist schlichtweg beschränkter als beim Präsenzunterricht. Dass sich
an diesem Umstand in Zukunft etwas ändert, ist eher unwahrscheinlich. Digitale Lern-
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7 Innovationen im Bildungssystem
programme und Onlineunterricht sollten demnach auch künftig als »Ergänzung zur
Realität« und nicht als Ersatz für eben jene betrachtet werden.24 25
7.2.7 Schritt 7: Zukunftskompetenzen
In der heutigen Welt, die sich durch die Globalisierung und Digitalisierung so rasant
und schnell verändert wie nie zuvor, ist ein Ende der Lernzeit nach Abschluss der
Ausbildung undenkbar. Heute gehören spezielle Zertifikate, freiwillige Schulungen
und Technologiekompetenzen zum Standard-Repertoire eines jeden Erwachsenen,
um auf dem umkämpften Arbeitsmarkt überhaupt eine Chance zu haben. Die Be-
reitschaft, sich lebenslang neues Wissen und Können anzueignen, ist entscheidend
geworden, um an den aktuellen Entwicklungen teilzuhaben und die eigene Arbeits-
fähigkeit (engl. »employalibility«) zu erhalten. Diese außerschulische, kontinuierliche
Weiterbildung wird gern als »Lebenslanges Lernen« bezeichnet, ist aber noch längst
nicht in den Köpfen der meisten Erwachsenen verankert.
Dabei wird v. a. in technischen Bereichen der Erwerb von bloßem Faktenwissen im-
mer unwichtiger. Das liegt daran, dass Fachwissen in der heutigen Zeit nur eine kurze
»Halbwertzeit« aufweist, also nicht mehr über einen längeren Zeitraum aktuell bleibt.
Massiv beschleunigt wird diese Entwicklung durch die Digitalisierung. Durch sie gibt
es stetig Innovationen in den unterschiedlichsten Bereichen, die Arbeitnehmer in der
jeweiligen Branche kennen müssen. Statt möglichst viel Wissen im Gehirn abzuspei-
chern, ist es viel bedeutsamer, das richtige Wissen schnell finden und anwenden zu
können. Ein einzelner Mensch kann diese sich täglich vergrößernde Informationsmen-
ge ohnehin nicht im Gehirn speichern. Für das Auffinden der relevanten Informationen
ist Digitalkompetenz erforderlich, da für den Abruf dieses Fachwissens häufig Online-
Datenbanken oder Suchmaschinen zum Einsatz kommen.26
Der digitale Wandel bringt eine Vielzahl von neuen Herausforderungen mit sich, mit
der sich die jetzt heranwachsende Generation in den nächsten zehn Jahren ausei
nandersetzen muss. Welche Kompetenzen sollten Absolventinnen und Absolventen
im Jahr 2030 erlernt haben? Um diese Frage beantworten zu können, werden nachfol-
gend die wichtigsten Aspekte aus einer groß angelegten Zukunftsstudie, die in Zusam-
menarbeit von Microsoft und McKinsey & Company entstanden ist, näher beleuchtet.
Im Rahmen dieser Studie wurden 2.500 Lernende und 2.500 Lehrende zur »Schule der
Zukunft« befragt.
24 Vgl. Schubarth, Wilfried: »Wir wollen wieder in die Schule« – Schule als sozialen Ort (wieder)entdecken | bpb.
25 Vgl. Lembke, Gerald; Leipner, Ingo: Die Lüge der digitalen Bildung. Warum unsere Kinder das Lernen
verlernen. 2018, S. 202–205.
26 Vgl. Bosbach, Guido: Lebenslanges Lernen.
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Lernende im Fokus
Ein wichtiger Aspekt, der sich im Rahmen der Studie herauskristallisiert hat, ist das
Bedürfnis danach, die Lernenden und nicht die Lerninhalte in den Fokus zu stellen.
Für den Lernenden ist es besonders wichtig, sein Lernen durch eigene Entscheidun-
gen in die Richtung zu lenken, in der sich ihre Neugier und ihre Begabungen entfalten
können. Ferner fordern die befragten Schüler:innen, dass die Lehrkräfte sie verstärkt
als individuelle Persönlichkeiten wahrnehmen, um sie besser auf ihrem Bildungsweg
unterstützen zu können. Darüber hinaus werden in Zukunft sowohl neues Denken als
auch neue Praktiken erforderlich sein, um den Lernenden die kognitiven Fähigkeiten
und sozial-emotionalen Kompetenzen für ein gelingendes Privat- und Berufsleben zu
vermitteln. Als besonders relevant werden dabei die Kompetenzbereiche Kreativität
und Problemlösung gesehen. Für ein gelingendes Leben sind außerdem sozial-emo-
tionale Kompetenzen wie der Aufbau von Beziehungen, Selbstbewusstsein, Überzeu-
gungskraft, Selbstorganisation und Selbstreflexion wichtig.27
Selbstbestimmtes Lernen
Wie kann die schulische Ausbildung für Kinder und Jugendliche zukunftsfähiger ge-
staltet werden? Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich 83 % der befragten
Schüler:innen mehr Selbstbestimmung wünschen. Das betrifft sowohl die Lerninhalte
an sich als auch die Medien, mit denen sie lernen. Logischerweise steigt die Lernmo-
tivation, wenn die Lernenden sich mit Themen auseinandersetzen, die sie auch inte-
ressieren. Dabei würden die Schüler:innen gern digitale Plattformen nutzen, um sich
auszutauschen und Aufgaben zu bearbeiten. Die Unterrichtsform wird somit persona-
lisierter, projektorientierter und dezentraler.
Das bedeutet allerdings nicht, dass das Lehrpersonal im Jahr 2031 überflüssig sein
wird, ganz im Gegenteil. Die Lehrkräfte haben durch diese neuen Unterrichtsmethoden
mehr Zeit für einzelne Schüler:innen und deren Probleme. Somit können die Lehrbe-
auftragten ihrer eigentlichen Aufgabe wesentlich intensiver nachkommen: der Betreu-
ung und Unterstützung der Schüler:innen bei der Vorbereitung auf ihr späteres Leben.28
27 Vgl. Microsoft Deutschland: Microsoft Bildungsstudie über Kernkompetenzen für Schule der Zukunft.
28 Vgl. ebd.
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7 Innovationen im Bildungssystem
Hefteinträge oder beantworten die Fragen eines kurzen Quiz. Die eigentliche Unterrichts-
stunde kann dann zum Großteil für Fragen oder Übungsaufgaben genutzt werden. Die
Lehrkraft kann die Schüler:innen dadurch wesentlich besser unterstützen. Die wichtigste
Voraussetzung für den Erfolg mit dieser Unterrichtsmethode ist, dass sich die Lernenden
auf die Unterrichtseinheiten vorbereiten und sich selbstständig mit den jeweiligen Themen
auseinandersetzen. Dadurch wird der Unterricht individueller und die Schüler:innen haben
genügend Zeit für Übungen und Fragen. Zudem können bei Verständnisproblemen die Er-
klärvideos erneut angesehen werden. Die Lernenden können außerdem zu einem gewissen
Grad bestimmen, wann und wie sie einzelne Unterrichtseinheiten zu Hause vorbereiten.2930
Diese Forderung kann allerdings nur umgesetzt werden, wenn der derzeitige Lehrplan
flexibel gestaltet oder sogar ganz abgeschafft wird. Die Lehrpläne an den Schulen
orientieren sich an der Vergangenheit. Das ist insofern problematisch, als die Lernen-
den dadurch nicht ausreichend auf ihr zukünftiges Leben vorbereitet werden können.
Themen, die in den kommenden Jahren immer relevanter werden (Digitalisierung,
Kollaboration, sozio-emotionale Kompetenzen etc.), sind kaum Bestandteil der heu-
tigen Lehrpläne.
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tätige, die sich weiterbilden möchten (Stichwort: Lebenslanges Lernen). Die MOOCs
behandeln dabei die unterschiedlichsten Themen, von Programmieren über Fremd-
sprachen bis hin zu Persönlichkeitsentwicklung. Doch wie sinnvoll sind diese Online-
Kurse und werden sie in Zukunft das Bildungssystem nachhaltig verändern?
MOOCs werfen durch das Online-Format einige Probleme auf, die bspw. in einem Prä-
senz-Seminar nicht auftreten:
y Hohe Abbrecherquote von über 90 %
y MOOC-Anbieter sind nicht dafür verantwortlich, dass Lernfortschritte erreicht
werden
y Keine Unterstützung während des Lernprozesses oder bei Lernproblemen/Ver-
ständnisfragen
y Kein direkter Kontakt zwischen Lernenden und Lehrenden
y Keine Prüfung über Vorkenntnisse der Lernenden
y Datenschutz ist häufig nicht ausreichend gewährleistet
Ein wesentlicher Vorteil der MOOCs sind die geringen Kosten verglichen mit denen
herkömmlicher Schulungen oder Vorlesungen. Für Unternehmen und Bildungsein-
richtungen kann es daher verlockend sein, bestimmte Inhalte über einen Onlinekurs
zu vermitteln.
Ein Onlinekurs begeistert nicht mehr oder weniger für ein Thema, nur weil er online
stattfindet. Entscheidend für die Vermittlung von Inhalten ist die Relevanz für die Ler-
nenden und deren Lernmotivation. Sofern in Zukunft nicht an dieser Stellschraube
gedreht wird, werden die Onlinekurse höchstwahrscheinlich weiterhin hohe Abbre-
cherquoten aufweisen und somit kaum den gewünschten Effekt erzielen. 33
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7 Innovationen im Bildungssystem
In der komplexen und vernetzten Welt des Jahres 2050 gehört die Schule, wie wir sie
heute kennen, der Vergangenheit an. Kinder und Jugendliche lernen selbstbestimmt
im Alltag und bereiten sich individuell auf den Beruf vor, den sie später ausüben wol-
len. Sie setzen sich selbstständig mit Themen auseinander und werden von Mentor:in-
nen unterstützt. Digitale Plattformen helfen den Lernenden dabei, sich untereinander
auszutauschen und Probleme gemeinsam zu lösen.
Takeaways:
Nützliche Links
¸ https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2019-12/bildung-
neuseeland-schulen-lehrer-kinder-lernen
¸ https://www.schule-im-aufbruch.de
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8 New Work
Zusammenfassung
Wir leben in turbulenten Zeiten – rasante Entwicklungen im Rahmen der Globalisie-
rung und Digitalisierung führen zu sich stetig verändernden Rahmenbedingungen.
Auch die Arbeitswelt bleibt davon nicht verschont: neue Technologien, allumfassende
Vernetzung und zunehmende Automatisierung verändern sie und machen bestimm-
te Berufe und Aufgaben sogar gänzlich überflüssig. Der zunehmende Wunsch nach
Sinnhaftigkeit im eigenen Beruf sowie die steigende Zahl an physisch und psychisch
kranken Arbeitskräften verlangt darüber hinaus eine Veränderung der bisherigen
Arbeits- und Organisationsformen. Das folgende Kapitel beschreibt den in diesem
Kontext immer wichtiger werdenden New-Work-Gedanken sowie dessen operative
Implementierung in der Arbeitswelt.
Schlüsselbegriffe
New Work, New Health, Innovations-Ökosysteme, Innovation,
Purpose/Sinnhaftigkeit, veränderte Arbeitsweisen, Innovation,
neue Arbeitswelt
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8 New Work
8.1 Einleitung
8.1.1 Story
Was genau verbirgt sich hinter der Idee »New Work«, die zurzeit beständig an Populari-
tät zu gewinnen scheint und zunehmend in Fachzeitschriften, einschlägigen Podcasts
und Personalstrategien von Unternehmen verwendet wird? Begründer des Begriffs
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8.1 Einleitung
ist der 1930 in Sachsen geborene Philosoph und Anthropologe Frithjof Bergmann2.
Ihm kommt die dem New-Work-Gedanken zugrunde liegende Idee, als er in den
1970er Jahren im damals größten US-amerikanischen Produktionsstandort des Auto-
mobilkonzerns General Motors (kurz: GM) in Flint, Michigan, arbeitet. 3 Aufgrund der
zunehmenden Automatisierung im Produktionsprozess drohen den GM Fabriken Mas-
senentlassungen. Ihm fällt in diesem Zusammenhang auf, dass die Automatisierung
zwar eine Verkürzung der derzeitigen Arbeit mit sich bringen würde, jedoch gleich-
zeitig keine gänzliche Abschaffung eben dieser automatisierten Arbeit bedeutet. Da
raufhin tritt er dem Management mit einem revolutionären Vorschlag gegenüber: Man
solle der Belegschaft ermöglichen, die Hälfte ihrer Arbeitszeit weiterhin, wie gewohnt,
am Fließband zu arbeiten und die andere Hälfte damit zu verbringen, herauszufin-
den was sie wirklich will und somit ihre wahre Berufung zu finden. Dies solle auch mit
zielgerichteten Maßnahmen unterstützt werden. Dafür baue er in Folge sogenannte
»Zentren für Neue Arbeit« mit Gleichgesinnten auf. Zusätzlich argumentiert er vor der
Führungsebene von GM, dass mit diesen Maßnahmen eine Teilung der Arbeiterschaft
in Arbeitslose und Überarbeitete, mit schweren Folgen für die ganze Stadt, vermieden
werden würde.4
Zwei der von Frithjof Bergmann geprägten Begriffe spielen im Weiteren eine essenziel-
le Rolle bei der Formulierung des Gedankens von New Work. Zum einen beschreibt der
Philosoph mit »Armut der Begierde« die Tatsache, dass viele Menschen nicht wissen,
welche Arbeit genau sie in ihrem Leben wirklich leisten wollen. Einer Arbeitskraft, die
kaum Motivation und Frohsinn in ihrer Arbeit verspürt – wie aktuellen Zahlen zufolge
das bei etwa einem Viertel aller Arbeitskräfte in Deutschland der Fall ist 5 – bleibt in
dem Zustand des »arm an Begierde seins« also ein Umschwung zum Besseren unter
allem Umständen verwehrt, da das Bewusstsein um die eigene Leidenschaft schlicht-
weg nicht vorhanden ist. Zum anderen beschreibt die »Polarität der Arbeit« die zwei
möglichen, gegensätzlichen Auswirkungen von Arbeit auf den Menschen: Unzufrie-
denheit, Krankheit und schlimmstenfalls sogar Tod bei ungeliebter Arbeit sowie Zu-
friedenheit, Selbstverwirklichung und ein großes Maß an Motivation bei geliebter
Arbeit.6 Diese beiden Betrachtungsweisen bewegen Bergmann letzten Endes dazu,
sich fortan mit vollem Fokus der Erschaffung eines grundlegend neuen Verständnis-
ses von Arbeit zu widmen – der New-Work-Gedanke ist geboren.
Was steckt nun also dahinter? Menschen sollen als Teil von New Work auf professio-
nelle und empathische Art und Weise in der Entdeckung ihrer wahren Leidenschaft
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8 New Work
unterstützt werden und somit schließlich die Arbeit finden, die für sie sinnstiftend ist
und damit erfüllende und beglückende Funktionen beinhaltet.7 In anderen Worten:
Bergmanns Konzept strebt danach, die Souveränität zu ermöglichen, zu tun, was den
persönlichen Wünschen entspricht, sowie nach den dabei entstehenden positiven Be-
gleiterscheinungen. 8
Genau wie einst Frithjof Bergmann vor 40 Jahren, ausgelöst durch den damals stark
zunehmenden Grad an Automatisierung, erleben wir im Moment einen nicht weniger
stark ausgeprägten Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt durch die Megatrends der
Globalisierung, Digitalisierung und Technologisierung.9 Arbeitsplätze sowie die Art
und Weise in und über Unternehmensgrenzen hinweg – in Innovations-Ökosyste-
men – zu arbeiten, werden sich in den kommenden Jahren grundlegend wandeln und
tiefgreifende Veränderungen in der Gesellschaft provozieren.1011
Ein weitverbreiteter Irrglaube ist jedoch noch immer, New Work sei etwas, »was die
Arbeit ein bisschen reizvoller macht«.12 Unternehmen denken ganz eindeutig zu klein,
wenn sie einzelne Maßnahmen wie das Aufstellen eines Tischkickers, die Einführung
des Rechts auf Homeoffice oder das Initiieren eines wöchentlichen Stammtisches als
ihren Beitrag zu New Work betrachten.
New Work ist vielmehr eine ganzheitliche Denkweise, die im Wesentlichen durch die
im Folgenden erläuterten sechs charakteristischen Eigenschaften beschrieben wer-
den kann:13
y Unternehmen, die im Sinne des New-Work-Gedankens agieren und ihr Handeln
daran ausrichten, sind zweckgerichtet und haben ein ausgeprägtes Bewusstsein
für die Sinnhaftigkeit ihres Schaffens. Das kommt sowohl der Identität ihres Unter-
nehmens zugute als auch dem Verantwortungsbewusstsein für die Auswirkungen
des eigenen Handelns auf die Gesellschaft und motiviert dadurch alle Beteiligten.
y Ferner sind sie sich der Wichtigkeit ihrer Arbeitskräfte und ihrer Arbeit bewusst
und stellen deren Wohlergehen deswegen aus gutem Grund in den Fokus.14 Ge-
meinsam mit den ständigen Bemühungen, die unternehmensinterne Interaktion
7 Vgl. Schnell et al., New Work Hacks. 50 Inspirationen für modernes und innovatives Arbeiten., 2019, S. 8.
8 Vgl. Berend et al., New Work: Souveränität im postdigitalen Zeitalter, 2020, S. 12.
9 Vgl. Bergmann et al., Neue Arbeit kompakt, 2007, S. 16.
10 Vgl. Schnell et al., New Work Hacks. 50 Inspirationen für modernes und innovatives Arbeiten., 2019, S. 9.
11 Vgl. McKinsey & Company, Competing in a world of sectors without borders, 2017.
12 Hornung, »Für viele ist New Work etwas, was Arbeit ein bisschen reizvoller macht, quasi Lohnarbeit im
Minirock«, 2018, S. 40.
13 Vgl. Schnell et al., New Work Hacks. 50 Inspirationen für modernes und innovatives Arbeiten., 2019, S. 9–14.
14 Vgl. Schnell et al., New Work Hacks. 50 Inspirationen für modernes und innovatives Arbeiten., 2019, S. 9–14.
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8.1 Einleitung
Die Relevanz des Themas liegt in großen Teilen auf der Hand: So ist es für Unterneh-
men im Kampf um Talente beispielsweise von enormer Wichtigkeit, moderne Arbeits-
plätze mit attraktiven Arbeitsbedingungen anbieten zu können. Besonders junge
15 Vgl. Ebd.
16 Vgl. Ebd.
17 Vgl. Ebd.
18 Vgl. Ebd.
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8 New Work
Menschen legen bei der Auswahl ihres Berufs darüber hinaus Wert auf die Sinnhaf-
tigkeit einer Tätigkeit und suchen aktiv nach einer Arbeit, die – ganz im Einklang mit
Frithjof Bergmanns ursprünglicher Vorstellung – nicht nur ihrem Broterwerb dient,
sondern ihnen gleichzeitig dabei behilflich ist, die eigene Persönlichkeit zu entfalten
sowie Freude stiftet.19 Schafft es ein Unternehmen, eine solche Arbeit bereitzustel-
len, wird es mit einer großen Beliebtheit bei Jobsuchenden belohnt und kann Wett-
bewerbern im Markt womöglich allein deshalb einen Schritt voraus sein. Außerdem
ist bekannt, dass sinnstiftende Arbeit die beste Quelle für Motivation von Arbeitenden
ist, was sich wiederum in einem gesteigerten Level an Produktivität niederschlägt und
Unternehmen somit ein weiteres Mal zugutekommt.20
Noch anschaulicher wird die große Bedeutung von New Work, wenn man einen Blick
auf die weniger offensichtlichen und oftmals vergessenen, jedoch weitreichenden
Folgen von sinnloser und unglücklich machender Arbeit wirft. Laut dem Gallup Enga-
gement Index 2019 haben etwas mehr als zwei Drittel der Beschäftigten in Deutsch-
land keine starke Bindung zu ihrem Arbeitgeber und machen lediglich Dienst nach
Vorschrift. 16 %, und damit fast sechs Millionen, haben innerlich bereits gekündigt
und in ganzen 85 % der Fälle werden die Bedürfnisse am Arbeitsplatz nicht oder nur
teils erfüllt 21. Arbeitnehmer, die mit ihrer Arbeit unzufrieden sind und deren Wunsch
nach Sinnhaftigkeit stark von der Arbeitsrealität abweicht, sind also bei Weitem keine
Seltenheit. Umso schwerwiegender ist das Problem, dass diese wesentlich öfter von
gesundheitlichen Problemen wie beispielsweise Rücken- oder Gelenkbeschwerden,
Kopfschmerzen und sogar Infektionskrankheiten betroffen sind als Beschäftigte, de-
ren Anspruch an ihren Beruf gut mit der Wirklichkeit zusammenpasst.22 Erstere haben
dadurch auch im Durchschnitt mehr als doppelt so viele krankheitsbedingte Fehlta-
ge im Jahr vorzuweisen als Zweitere, zugleich sind sie häufiger trotz Krankheit – also
gegen den Rat des Arztes und in ihrer Leistung stark gemindert – am Arbeitsplatz an-
zutreffen.
Dieses Phänomen wird Präsentismus genannt und verursacht Jahr für Jahr enorme
Produktivitätsverluste.23 Die Einbußen sind hauptsächlich begründet durch psychi-
sche Probleme wie Ängste oder Schlafstörungen, die sich auf lange Sicht bei Nicht-
behandlung oftmals zu psychischen Erkrankungen entwickeln. Und tatsächlich: Wirft
man einen Blick in Statistiken rund um das Thema mentale Gesundheit, wird klar, dass
Handlungsbedarf besteht. Ein Anstieg an Fallzahlen mit Hauptdiagnose psychische
Störungen sowie Verhaltensstörungen, eine zunehmende Zahl an Frühberentungen
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Betrachtet man nun also die verheerenden Auswirkungen von schlechten Arbeitsbe-
dingungen und nicht-sinnstiftender Arbeit in Form von Einbußen in der Produktivität,
bedingt durch vermehrt auftretende physische und psychische Erkrankungen, wird
die immer größer werdende Relevanz von New Work als ein Gegenmittel ersichtlich.
Die Vorteile der neuen Modellierung von Arbeit liegen ferner auch aufgrund der besse-
ren Ausgangslage gegenüber den Wettbewerbern im Kampf um Talente auf der Hand.
Auch der Fakt, dass bereits heute immer mehr Unternehmen den New-Work-Gedan-
ken aktiv leben und die Vorzüge daraus ziehen, zeugt von der Zukunftsträchtigkeit
des Konzepts.25 In nur wenigen Jahren wird sich die jetzige Arbeit zu »Old Work« ge-
wandelt haben – Firmen, die bis dahin kein Umdenken angestoßen haben, könnten
Schwierigkeiten zum Beispiel im Recruiting haben.
Ein Trend wächst nicht über Nacht. Viele verschiedene Faktoren haben zu dem struk-
turellen Wandel der alten Arbeitswelt beigetragen. Um zu verstehen, aus welchen
Gründen New Work zu einem Megatrend wurde, werden die unterschiedlichen Ein-
flüsse im Laufe dieses Kapitels erläutert.
8.2.1 Digitalisierung
Die Digitalisierung ist ein starker Treiber für New Work, denn erst durch ihre Hilfe
konnte das Grundgerüst für den Start des Strukturwandels der Arbeitswelt geschaffen
werden. Arbeitnehmer, Gesellschaft, Politik und Unternehmen müssen sich mit dem
Thema auseinandersetzen, denn schon heute ist die Bedeutung der Digitalisierung in
allen Bereichen spürbar.26 Daher zählt die Digitalisierung zu den elementarsten Grün-
den für den Wandel der alten Arbeitswelt und hat Einfluss auf die anderen Aspekte.
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8 New Work
Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne, Professoren an der Oxford Martin School,
veröffentlichten 2013 eine Studie, in der das Automatisierungspotenzial von 702 ver-
schiedenen Berufen analysiert wurde. Ferner beschäftigt sich die Studie mit der Grö-
ße der Gefahr, dass die Maschinen künftig einen Großteil der heutigen Berufe ersetzen
werden.27 Das Ergebnis: 47 % aller Jobs sind durch Automatisierung, Computerisie-
rung sowie Digitalisierung bedroht. Technischer Wandel hat auch schon in der Vergan-
genheit zur Veränderung oder sogar zum Verschwinden von Berufen, Unternehmen
oder gar ganzen Branchen geführt. Das Neue der jetzigen Situation liegt darin, dass
nicht mehr nur Arbeitskräfte, die nur geringe oder mittlere Qualifikationsanforde-
rungen erfüllen müssen und vor allem körperliche Arbeit oder Routinetätigkeiten
im Produktionsbereich ausführen, um ihre Arbeitsplätze bangen müssen. Durch die
zunehmende Vernetzung und Digitalisierung sind auch Angestellte mit komplexeren
Tätigkeiten gefährdet, sobald sich ihre Aufgaben in Programm-Algorithmen abbilden
lassen. Vor allem in der Zukunft werden intelligente Maschinen und Roboter immer an-
spruchsvollere Handlungen durchführen können, was Auswirkungen für den Arbeits-
markt nach sich zieht.28
Nachdem ihnen bewusst geworden ist, dass die Digitalisierung die Arbeitsplätze und
Berufe drastisch verändern wird, stehen Arbeitnehmer nun vor der großen Heraus-
forderung, sich an die Veränderungen anzupassen, was wieder einen Auslöser für den
Strukturwandel der Arbeitswelt darstellt. Sei es, um auf dem neuen Arbeitsmarkt
einen neuen Job zu finden oder um ihre bisherige Position zu halten: Arbeitnehmer:in-
nen müssen ihr Qualifikations- und Kompetenzprofil aktualisieren – Digital Literacy
ist dabei eine Grundvoraussetzung. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter praktische An-
wenderkenntnisse und Online-Kompetenzen besitzen, ein Verständnis für Funktions-
weisen aufweisen sowie Kommunikationsgeräte und -tools beherrschen müssen. Um
dieses Wissen aufzubauen, müssen Arbeitnehmer entsprechende Weiterbildungs-
maßnahmen und Trainings ergreifen.29
Durch die Digitalisierung werden aber nicht nur Berufe verdrängt. Denn die fortge-
schrittenen Technologien eröffnen verschiedene Möglichkeiten, seien es innovative
Produktionsverfahren oder gar komplett neue Geschäftsmodelle. An diesen Stellen
werden Arbeitsplätze geschaffen, die zum Wandel der Technologie komplementär
sind und in der alten Arbeitswelt noch gar nicht existierten. Auch durch diesen Aspekt
ergibt sich der aktuelle Aufschwung von New Work.
27 Vgl. Dörner, Droht mit Digitalisierung jedem zweiten Job das Aus?, 2016.
28 Vgl. Eichhorst, Die Zukunft der Arbeit und der Wandel der Arbeitswelt, 2015, S. 2–3.
29 Vgl. Brommer, Faszination New Work: 50 Impulse für die neue Arbeitswelt, 2019, S. 80.
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Für die neuartigen Stellen gibt es, wie bereits beschrieben, hohe Qualifikationsanfor-
derungen vor allem im Bereich des technologischen Verständnisses. Mit der immer
weiter zunehmenden Digitalisierung ist ein Anstieg der wissensintensiven Tätigkeiten
und somit ein Bedarf an Fachkräften zu erwarten. Auch mit verschiedenen Weiterbil-
dungsmaßnahmen werden nicht ausreichend Arbeitnehmer mit Berufen aus der al-
ten Arbeitswelt Digital Literacy aufbauen können, um die komplette Nachfrage am
Arbeitsmarkt decken zu können. Somit kommt es unausweichlich zu einem Fachkräf-
temangel.30
8.2.2 Demografischer Wandel
8.2.3 Globalisierung
30 Vgl. Eichhorst, Die Zukunft der Arbeit und der Wandel der Arbeitswelt, 2015, S. 2–3.
31 Vgl. Statistisches Bundesamt, Jahr 2030, Mehr über 65-Jährige als unter 20-Jährige im Erwerbsleben, 2020.
32 Vgl. Eichhorst, Die Zukunft der Arbeit und der Wandel der Arbeitswelt, 2015, S. 4.
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8 New Work
Die Revolution der Arbeitswelt wurde außerdem durch die veränderten Sichtweisen
der Arbeitnehmer angefacht. Wie bereits im ersten Teil des Kapitels beschrieben, gibt
es einen Bewusstseinswandel unter den Beschäftigten, der bei den Millennials, also
den jungen Arbeitnehmern, besonders ausgeprägt ist.34 So soll Arbeit längst nicht
mehr nur eine dröge Betätigung sein, mit der der Lebensunterhalt verdient wird. Statt-
dessen wächst der Wunsch nach der freien Entfaltung der Persönlichkeit und Kreativi-
tät sowie nach Spaß an der Arbeit drastisch an. Im Mittelpunkt steht nun das Motto:
»Arbeiten um zu leben, statt leben um zu arbeiten«.35
Diesen Anforderungen kann die alte Arbeitswelt nicht ohne Weiteres gerecht wer-
den, woraus resultiert, dass es Anpassungen in der Arbeitsstruktur und -organisation
geben muss. 36 Auch vor dem Hintergrund des steigenden Fachkräftemangels ist die
Arbeitswelt gezwungen zu reagieren, um Arbeitsplätze für die nachkommende Gene-
ration attraktiv zu gestalten. Folglich kann der Bewusstseinswandel als ein weiterer
Ursprung der Popularität von New Work gesehen werden.
8.2.5 Globale Coronapandemie
Das Thema New Work hat durch die globale Coronapandemie einen Aufmerksam-
keits-Push bekommen – darüber sind sich etliche Start-ups einig. Denn aufgrund der
verschiedenen Lockdowns bestand für viele Unternehmen ein Zwang zum Handeln.
Eine gute Übersicht zu den Auswirkungen von COVID-19 auf die Entwicklung von New
Work hat Jeannette Goecke von dem Start-up SupraTix gegeben.
33 Vgl. Walter, Die Zukunft der Arbeitswelt – Auf dem Weg ins Jahr 2030, 2013, S. 25–27.
34 Vgl. Haufe Akademie, New Work. Zahlen, Daten, Fakten, 2020, S. 5.
35 Hackel, Ich war noch niemals in New Work: Studie zur Zukunft der Arbeitswelt, 2016, S. 6.
36 Hackel, Ich war noch niemals in New Work: Studie zur Zukunft der Arbeitswelt, 2016, S. 6.
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New Work hat aus unterschiedlichen Gründen an Wichtigkeit gewonnen. Doch wie
sieht New Work in Unternehmen tatsächlich aus und mit welchen Instrumenten kann
das Konzept in der Arbeitswelt umgesetzt werden? Die verschiedenen Aspekte, die bei
der Verwirklichung von New Work berücksichtigt werden müssen, werden in diesem
Kapitel erklärt.37
Agilität ist einer dieser Punkte. Nach einer Definition ist Agilität »die Fähigkeit von
Teams und Organisationen, in einem unsicheren, sich verändernden und dynami-
schen Umfeld flexibel, anpassungsfähig und schnell zu agieren«.38 Agilität hilft also
einem Unternehmen dabei, innovativ auf Veränderungen zu reagieren, was ausge-
sprochen wertvoll für die New-Work-Absichten des Unternehmens ist. 39
Arbeitskräfte erwarten sich von New Work außerdem Individualität in ihrer Arbeit.
Individualität steht dabei für die »Unterschiede in den Wert- und Lebensvorstellun-
37 Vgl. Hackl, New Work: Auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt, 2017, S. 71.
38 Hofert, Einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität, 2018, S. 6.
39 Vgl. Hofmann, New Work Best Practices und Zukunftsmodelle, 2019, S. 29–30.
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8 New Work
Eine tragende Rolle für die Umsetzung von New Work spielt auch die Führung, denn
in diesem Bereich müssen sich die Beteiligten des Arbeitsmarktes auf die stärksten
Veränderungen vorbereiten. Zum einen muss die Führungskultur modernisiert und
demokratisiert werden, damit die Mitarbeiter die bereits erwähnten gewünschten
Freiräume nutzen können. Zum anderen muss die Rolle der Führungskräfte überarbei-
tet werden, sodass sie in der neuen Arbeitswelt eher Coach- und Personalentwickler
sind. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der Beschleunigung und Komplexitäts-
steigerung im Berufsalltag wichtig.42
Ein nächster elementarer Punkt für die Realisierung von New Work ist die Flexibili-
tät. Dabei sind vordergründig die zeitflexible sowie die ortsflexible Arbeit relevant.
Beispiele hierfür sind Vertrauensarbeitszeit, Wahlarbeitszeit oder auch Langzeitkon-
ten sowie Formen der Telearbeit und der mobilen Arbeit. Diese Möglichkeiten fungie-
ren im Sinne des New-Work-Gedankens aber nur, solange die Wahl des favorisierten
Arbeitszeitpunkts- sowie des Orts selbstbestimmt erfolgt.43
Hinter dem fünften Aspekt von New Work stehen neue Bürokonzepte. Diese sollten
so gestaltet sein, dass alle Arbeitskräfte eines Unternehmens ihre Leistung und Krea-
tivität optimal entfalten können.44 Im Besonderen sind Multispace-Lösungen mit
verschiedenen Raumoptionen, die flexibel von allen Mitarbeitern genutzt werden
können, für New Work vorteilhaft.45
Möchte ein Unternehmen nicht nur New Work nachhaltig einführen, sondern auch
den Unternehmenserfolg steigern, so muss es seinen Fokus auf Diversität und In-
klusion legen. Eine Studie von McKinsey aus dem Jahr 2020 ergab, dass Unterneh-
men mit hoher ethnischer Diversität im Unternehmensvorstand eine um 36 % höhere
Wahrscheinlichkeit besitzen, überdurchschnittlich profitabel zu sein. 46 Die Boston
Consulting Group geht noch einen Schritt weiter und erklärt, dass Unternehmen mit
40 Hackl, New Work: Auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt, 2017, S. 71.
41 Vgl. ebd. S. 71–21.
42 Vgl. ebd. S. 75–76.
43 Vgl. Hofmann, New Work: Best Practices und Zukunftsmodelle, 2019, S. 26–29.
44 Vgl. Hackl, New Work: Auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt, 2017, S. 77.
45 Vgl. Haufe Akademie, New Work, 2020.
46 Vgl. McKinsey & Company, Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg so deutlich wie nie,
2020, S. 1.
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Angesichts der genannten Teilaspekte von New Work sollte bewusst geworden sein,
dass das Thema eine strategische Neuausrichtung bedeutet und nicht nur eine kurz-
fristige einfache Investition darstellt.
In der allgemeinen Arbeitswelt sind die Auswirkungen von New Work schon zu spüren.
In den nächsten zehn Jahren wird das Thema samt seinen Neuerungen den Arbeits-
alltag jedoch deutlich mehr durchdringen. Vor allem vor dem Hintergrund derzeiti-
ger Probleme wie beispielsweise den geografisch begrenzten Möglichkeiten in der
Arbeitswelt, einer suboptimalen Zusammenarbeit von Personen an verschiedenen
Standorten, starren und unflexiblen Projektteams oder dem hohen Handhabungsauf-
wand der vielen verschiedenen in Anwendung stehenden Programme ist der Wandel
zu New Work für die Zukunft der Unternehmen ein entscheidender Faktor. Die genann-
ten Hindernisse zu beseitigen und den Wandel zu New Work durch Tools zu unterstüt-
zen, haben sich einige Start-ups zur Aufgabe gemacht.
Hierzu zählt das Start-up Arthur Technologies, das die Software für ein virtuelles Büro
entwickelt und somit die Kommunikation, Kollaboration sowie Information in Unter-
nehmen verbessern möchte. Die Software läuft auf einer Virtual-Reality-Brille, die von
Kunden getragen wird und diese somit in das virtuelle Office eintreten lässt. Hier kön-
nen Personen gemeinsam arbeiten, Whiteboards nutzen, Präsentationen erstellen
oder an Workshops, Trainings oder auch Events teilnehmen. Mit Arthurs Technologie
hat der Nutzer das immersive Gefühl, woanders zu sein, sodass auch geografisch un-
abhängig im Team gearbeitet werden kann.48
47 Vgl. Boston Consulting Group, Vielfalt und Integration – Advancing Diversity in the workplace, 2020.
48 Vgl. Dominik Pötsch, Interview, 24.11.20.
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8 New Work
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Viele weitere Start-ups arbeiten ebenfalls mit ihren Ideen an der Gestaltung der
Arbeitswelt von morgen wie zum Beispiel SupraTix und MatchManao. SupraTix kon-
zentriert sich mit einer webbasierten ganzheitlichen Lösung auf die Optimierung des
digitalen Arbeitsplatzes. Das Tool umfasst Leistungen von ortsunabhängigem E-Lear-
ning und Personalmanagement bis hin zur Verwaltung von Produktionsprozessen.
MatchManao unterstützt Unternehmen bei der optimalen Zusammensetzung und
Weiterentwicklung von Teams durch Persönlichkeitsanalysen der Mitarbeiter:innen.
Dadurch kann gewährleistet werden, dass jedes Teammitglied seine oder ihre Stärken
optimal einbringen kann.
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8 New Work
«Einfach mal anfangen, reflektieren und anschließend verbessern«: Gerade auch für KMU,
die am Markt bestehen wollen, ist Agilität ein wichtiges Thema. Um langfristig erfolgreich zu
sein, müssen sie nämlich nicht nur innovativ sein, sondern brauchen eine sehr schnelle und
große Anpassungsfähigkeit und somit auch entsprechend talentierte Mitarbeitende.
Wie könnte das »New Normal« von New Work in 10 Jahren aussehen?
In der Zukunft wird alles noch viel vernetzter sein, als es eh schon der Fall ist. Digitale Noma-
den, rein digital arbeitende Unternehmen sowie Roboter gibt es ja bereits, dies wird aber in
der Zukunft – in Kombination mit auf der Kompetenz der Arbeitskräfte basierenden Aufga-
ben – das neue Normal sein. In die Arbeit integriertes Lernen, bei dem man nicht zwingend
merkt, dass man gerade lernt – wird in einigen Jahren ganz normal sein.
Key Insights der Autoren:
y SupraTix bietet eine webbasierte Komplettlösung für den digitalen Arbeitsplatz
y Agile Arbeitsweisen und hohe Flexibilität werden zunehmend wichtiger
y Ortsunabhängige, kompetenzbasierte Aufgabenzuteilung sowie lebenslanges Lernen
entsprechend dem zukünftigen »New Normal«
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der gleichen Vision arbeiten und es völlig egal ist, wo ich bin, denn wir können remote von
überall auf der ganzen Welt arbeiten. Es wird keine Work-Life-Balance in dem Sinn geben,
sondern es wird alles nur noch Lebenszeit sein. Wenn ich mal meinen Arbeitgeber gefunden
habe, bei dem ich mich wohl fühle, dann werde ich nicht sagen »Jetzt hätte ich mal Lust,
mich umzuorientieren und eine neue Aufgabe zu übernehmen, deshalb wechsle ich jetzt zu
einem neuen Unternehmen«, sondern ich suche mir innerhalb meines Unternehmens eine
neue Aufgabe.
Key Insights der Autoren:
y MatchManao verbessert die Arbeitswelt durch das Bilden ausgewogener Teams und
setzt den Fokus auf zwischenmenschliche Aspekte und Softskills
y Ein »cooler« Arbeitsplatz ist weniger relevant als eine gute Teamdynamik
y Das Kandidaten-Matching führt zu glücklichen Mitarbeitern mit Zugehörigkeitsgefühl
zum Unternehmen
Ein weiteres Start-up, welches das Thema New Work vor allem vor dem Hintergrund
des demografischen Wandels bearbeitet, ist WisR. Der Name steht für die Weisheit
älterer Menschen. Das Team um Gründerin Klaudia Bachinger entwickelte eine Job-
Plattform, die ältere Menschen, welche schon im Ruhestand sein könnten, für Teil-
zeit- oder projektbasierte Arbeit an Unternehmen vermittelt. Mittlerweile wurde das
Ganze noch ausgeweitet – mit WisR Enterprise gibt es nun auf einzelne Unternehmen
zentrierte Marktplätze mit firmeninternen Senior Experts.49
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8 New Work
Eines steht fest: Die Arbeitswelt wird im Jahr 2031 verändert sein. Wie genau sie aus-
sehen wird und welche Innovationen in der Arbeitswelt langfristig verankert werden,
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kann dagegen noch nicht mit absoluter Sicherheit vorausgesagt werden. Jedoch sind
sich die Interviewpartner in mehreren Punkten einig:
So hat sich herauskristallisiert, dass sich mit New Work das Ausmaß von zeit- und
ortsflexibler Arbeit enorm erhöhen wird. Die Arbeitswelt wird demnach ins Virtuelle
übergegangen und Remote-Working wird standardisiert sein. Entsprechende Tools,
Plattformen und VR-Offices werden dies ermöglichen sowie die Teamarbeit verein-
fachen und optimieren. Aufgrund der geografischen Unabhängigkeit bekommen Zu-
sammenhalt und Menschlichkeit eine verstärkte Bedeutung. Mittels entsprechender
Technologien werden Menschen, egal welchen Alters, zu passenden Unternehmen
gematched, sodass harmonierende und hoch produktive Projektteams entstehen,
die sich zu ihren Unternehmen zugehörig fühlen. Weiter wird New Work dazu füh-
ren, dass sinnbefreite Aufgaben eliminiert werden und Mitarbeiter nur noch Tätig-
keiten übernehmen, die kompetenzbasiert auf sie zugeschnitten sind. Durch diese
stimmige Kombination aus zugeschnittenen Aufgaben sowie der Bindung zu Unter-
nehmen und Team, haben Angestellte in ihrer Rentenzeit die Möglichkeit, weiterhin
Unternehmen zu beraten und aktiv zu sein. Die Arbeit wird sich aber nicht nur auf
der Mitarbeitendenseite verändern, auch die Führungsriege wird anders strukturiert
sein und die Angestellten auf dem Weg zu mehr Eigenverantwortung und Selbst-
ständigkeit begleiten. Trotz der angestoßenen Verbesserungen wird New Work auch
in zehn Jahren definitiv noch nicht vollendet und in allen Unternehmen vollständig
implementiert sein.
8.4.2 New Health
Gerade deshalb verfolgen immer mehr Start-ups das Ziel, die Arbeit für Ärzt:innen,
Pfleger:innen, Arzthelfer:innen und andere Betroffene zu verbessern. Hierfür ist das
Software Start-up apoQlar, das eine Augmented-Reality-Plattform für medizinische
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8 New Work
Anwendungen entwickelt, ein sehr innovatives Beispiel. apoQlar wurde von Sirko
Pelzl gegründet und verfolgt das Ziel, Patient:innendaten möglichst zeiteffektiv zu
erfassen, zu visualisieren, zu bewerten und zum Beispiel in chirurgischen Verfahren
einzusetzen. apoQlar fasst das Ganze in dem Begriff »Holomedizin« zusammen. Dabei
kommen neben Augmented-Reality-Anwendungen auch zahlreiche KI-Verfahren zum
Einsatz. Ferner werden weitere, bereits vorhandene medizinische Geräte eingebun-
den – vergleichbar mit einem Internet-of-Things-Ansatz.
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Aber nicht nur apoQlar ist ein absoluter Vorreiter. Auch das Start-up Ada, das eine Ge-
sundheits-App für Patienten entwickelte, ist ein bemerkenswertes Beispiel für New
Health. Das Ziel des Start-ups ist es, Menschen vertrauenswürdige und gesicherte
Informationen über ihre Gesundheit zu geben, sodass sie im Anschluss die nächsten
notwendigen Behandlungsschritte einleiten können. Nachdem ein User seine Symp-
tome in die App eingegeben hat, muss er anschließend eine Reihe adaptierter Fragen
beantworten, wonach er KI-gestützte Wahrscheinlichkeitsangaben für die Ursache
der Symptome erhält. 50
Die Entwicklung des Gesundheitssektors wurde durch die Corona-Krise nach vorne ge-
trieben: Die gesamte Digitalisierung des Bereichs wurde ganz eindeutig beschleunigt, was
nachhaltige Auswirkungen haben wird. Auch Kollaborationen von bereits etablierten Unter-
nehmen und Akteuren des Gesundheitswesens werden in Zukunft vermehrt vorkommen, da
man jetzt an prominenten Beispielen wie den gemeinsamen Bemühungen um einen Impf-
stoff von Biontech und Pfizer die Vorteile interdisziplinärer und intersektoraler Kollabora-
tionen deutlich sieht.
Wie könnte das »New Normal« im Gesundheitssektor in 10 Jahren aussehen?
Schon heute googelt eine Mehrheit der Patienten ihre Symptome – wir wollen diese Leute
dazu motivieren, dass sie ihre Symptome stattdessen in unsere App eingeben. Durch intel-
ligente Care-Navigation-Systeme kann die Gesundheitsversorgung an Effizienz gewinnen,
weil Patienten auf Anhieb zu dem für sie passenden Arzt geleitet werden. Wir gehen davon
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8 New Work
aus, dass KI-gestützte Symptomanalysesysteme wie Ada künftig noch viel stärker in die
Versorgung integriert sein werden. Natürlich wollen wir keine Ärzte ersetzen, wir sind al-
lerdings überzeugt, dass Ärzte, die auf KI-Systeme zurückgreifen, langfristig eine qualitativ
höherwertige Behandlung anbieten können, allein schon aufgrund der hohen Potenziale bei
der Erkennung seltener Erkrankungen.
Key Insights der Autoren:
y Ada bietet einen auf KI-gestützten Symptomchecker an.
y Patienten können zielgerichtetere Schritte zur Behandlung einleiten, Ärzten fällt vor
allem das Erkennen seltener Krankheiten leichter.
y Das erhöht die Effizienz des Gesundheitswesens und entlastet es.
Durch diese und viele weitere Innovationen werden die Arbeitsweisen im Gesund-
heitswesen in der Zukunft eine andere Form annehmen und einige Probleme aus dem
Jahr 2020 werden schon behoben sein. In zehn Jahren wird die Arbeit von Ärzt:innen
und anderem Gesundheitspersonal so rationalisiert sein, dass der Fokus hierbei noch
mehr auf den Patient:innen liegt. Mithilfe verschiedener Innovationen behandeln
Ärzt:innen zum Beispiel nur noch Patient:innen, die in ihren Fachbereich fallen, was
dazu führt, dass ihre Zeit und Ressourcen bestmöglich ausgeschöpft werden. Zeitein-
sparungen werden ebenso über Geräte wie beispielsweise die HoloLens ermöglicht,
denn mit ihren Funktionen können zum Beispiel nicht nur Operationen rationalisiert
werden, sondern auch die Datenverwaltung, die ab jetzt per Spracheingabe möglich
ist, sowie viele weitere Aspekte des Arbeitsalltags. Durch die Holo- sowie die Teleme-
dizin wird außerdem die Vernetzung sowie die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen auf
der ganzen Welt möglich, sodass Ärzt:innen bei der Patient:innenbehandlung nicht
mehr auf lokale Expertise beschränkt sind. Die genannten Veränderungen stehen bei-
spielhaft für die Vielzahl an Neuerungen, die zu New Health in 2031 führen.
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Unternehmen und dessen interne Arbeitsweisen, sondern auch auf die Zusammen-
arbeit mit weiteren Unternehmen in der Wirtschaft und auf die gesamte Gesellschaft. 51
Welche Bedeutung hat dies für jedes einzelne Unternehmen? Laut Definition sind
derartige Ökosysteme eine »dynamische Struktur verschiedenster, losgekoppelter,
sozialer und wirtschaftlicher Akteure«. Diese interagieren mittels gemeinsamer Tech-
nologien, Institutionen sowie Sprachen und bilden dadurch ein Netzwerk. 53
Der dritte Abschnitt dieses Buchs widmet sich dem Thema Ökosysteme und wie
Unternehmen sich in diesen ausrichten können. In Bezug auf New Work rückt insbe-
sondere der Aspekt der Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure einer Wirtschaft
in den Fokus. Relevant ist also nun, wie einzelne Unternehmen die Kollaboration mit
anderen Marktteilnehmern gestalten und welche Beispiele in diesem Feld bereits Vor-
reiter sind.
Durch die Kombination des Wissens, der Kompetenzen sowie der Ressourcen der
Teilnehmer:innen bekommen Unternehmen den notwendigen Perspektivenwechsel,
um neue, kreative Lösungsansätze sowie Innovationen anzustoßen. Es werden somit
nicht nur die Realisierungs- und Durchsetzungschancen der Innovationsprojekte ver-
bessert, sondern zugleich bekommen Unternehmen auch noch ein besseres Gespür
für Zukunftstrends. 55 Damit die Zusammenarbeit in Innovationsökosystemen funk-
tionieren kann, bedarf es eines mit New Work im Einklang stehenden Wandels von
51 Vgl. Berend, Zusammen wachsen, Positive Psychologie und New Work, 2020, S. 105–106.
52 McKinsey
53 Gabler Banklexikon, Ökosystem, 2018.
54 Vgl. https://wirvsvirus.org/, Aufrufdatum: 03.04.2021.
55 Vgl. Schütz, Innovation Ecosystem Strategy Tool, o. J., S. 4.
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8 New Work
8.5 Schluss
Seit Frithjof Bergmanns erster Formulierung der New-Work-Idee ist mittlerweile fast
ein halbes Jahrhundert vergangen und es hat sich viel getan. Noch immer denken viele
Unternehmen und Entscheidungsträger zu klein, wenn sie einzelne Aktionen wie das
Bereitstellen einer Obstschale oder die Initiierung von Mitarbeiterstammtischen als
Umsetzung von Bergmanns Konzept verstehen – dieses entspricht nämlich viel mehr
einer ganzheitlichen Denkweise, die sich in jedem Aspekt des unternehmerischen
Agierens zeigt. Die zweifelsfrei hohe Relevanz des Themas ist nicht nur durch die posi-
tiven Auswirkungen auf die Produktivität sowie die höhere Attraktivität für potenziel-
le Arbeitnehmer begründet, sondern vor allem auch durch die aus den Maßnahmen
resultierenden Vorteile in Bezug auf die Mitarbeitergesundheit. Die Digitalisierung, die
Globalisierung, der demografische Wandel, veränderte Anforderungen von Arbeits-
kräften sowie auch die aktuell präsente globale Coronapandemie haben darüber hi-
naus maßgeblich zu dem strukturellen Wandel der Arbeitswelt beigetragen und New
Work zu enormer Popularität verholfen. In den im Rahmen dieses Buchbeitrags ge-
führten Interviews wurde deutlich, wie verschiedenste Innovationen schon jetzt die
Arbeitswelt und -weise nachhaltig verändern und verbessern – dabei sind wir sowohl
heute als auch im Jahr 2031 selbstverständlich noch lange nicht am Ende dieser Ent-
wicklung angekommen. Auch wenn die Zukunft nicht exakt vorhergesagt werden
kann und im Moment nicht fassbar ist, so legen Megatrends wie der demografische
Wandel, die zunehmende Urbanisierung oder auch der Klimawandel verbunden mit
einer steigenden Ressourcenknappheit doch sehr nahe, dass auch über das Jahr 2031
hinaus die Gestaltung und Änderung von Organisations- und Arbeitsmodellen nicht
abgeschlossen und New Work sehr bedeutsam sein wird. Zu hoffen bleibt dabei, dass
das Wohlergehen des Menschen ganz nach Frithjof Bergmanns Vorstellung auf lange
Frist an oberster Stelle aller Bemühungen steht.
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8.5 Schluss
»Was ich mir stark wünschen würde, ist, dass eintönige Aufgaben bis dahin
[Jahr 2050, Anm. d. Verf.] wirklich von Maschinen übernommen werden, sodass
der Mensch freigespielt wird und nur noch die Aufgaben übernehmen muss, die
Kreativität, emotionale Intelligenz, Kommunikation und flexibles Problemlösen
voraussetzt – also all jene Sachen eben, die den Menschen menschlich machen.«
Klaudia Bachinger, Gründerin WisR
8.5.2 Story
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8 New Work
Takeaways:
Nützliche Links
¸ https://pwc.de/innovation
¸ https://vsi.healthde/
¸ https://ada.com/
¸ https://arthur.digital/
¸ https://www.supratix.com/de/
¸ https://matchmanao.de/
¸ https://www.growwisr.com/?lang=de
¸ https://www.fuer-gruender.de/wissen/geschaeftsidee-finden/
geschaeftsmodell-entwickeln/
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9 Impact Innovation
Zusammenfassung
Nicht erst seit dem »Green Deal« der EU spannt sich von der Grundlagenforschung,
über die Anwendungsentwicklung, von innovativen Geschäftsmodellen bis hin zu
seiner Finanzierung und Implementierung ein rasant wachsendes Ökosystem um Im-
pact Innovation herum auf. Hier entsteht ein neuer Standard, an dem sich künftige
Geschäftsmodelle messen lassen müssen. Zentrale Fragen sind dabei: Welche Werte
erfüllt der Geschäftszweck, wie skalierbar ist das Geschäftsmodell, um einen gesell-
schaftlich und ökologisch positiven Einfluss für die Zukunft zu generieren? Die Digita-
lisierung ist dabei das dominante Instrument, das die nächste Dekade gestaltet und
zahlreiche neue Ansätze einer nachhaltigeren Entwicklung generiert.
Schlüsselbegriffe
Sustainable Development Goals, Geschäftsmodellinnovation,
Circular Economy, Impact Investing, Fair Trade, Moonshots,
Agenda 2030, Environmental Social Governance, Innovationshub,
Nachhaltige Entwicklung
9.1 Prolog
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9 Impact Innovation
weiterverkauft. Ein Teil der aus dem fernen Europa oder Amerika angelieferten Produkte war
schon bei der Einfuhr defekt. Aber für viele waren Altgeräte die einzige Alternative, die sie
sich leisten konnten. Das Problem dieses Handels war, dass die alten Geräte, nachdem sie
ausgedient hatten, im Land blieben, wo sie nur selten ordnungsgemäß recycelt wurden. Der
Großteil dieses Abfalls wanderte auf die Deponie nach Agbogbloshie, nahe Accra.
Fraglich ist, ob Kwame bewusst war, dass dieser Ort, an dem er arbeitete, schlief, aß und
sich wusch, zu den giftigsten Plätzen der Welt zählte. Über der ganzen Deponie waren die
stinkenden, schwarzen Rauchsäulen zu sehen, als Zeichen ihrer gefährlichen Arbeit. Wie
viele andere auch kaufte Kwame den Elektroschrott von den Händlern, um ihn dann zu ver-
brennen und so an die wertvollen Ressourcen zu kommen. Ohne Schutzbekleidung, nur mit-
hilfe eines Stocks, die Haut übersäht mit Brandnarben, hielt er das Feuer der Kupferkabel am
Brennen. Später wird er die so erhaltenen Metalle weiterverkaufen und damit einen Gewinn
von umgerechnet ein paar Euros machen.
Ein paar hundert Meter weiter schlug einer seiner Freunde gerade mit einer Machete eine
alte Autobatterie auf. Die Säure goss er auf den Boden und die Flüssigkeit versickerte nahe
dem Holzverschlag, in dem er mit seiner Frau und der dreijährigen Tochter lebte. Mit bloßen
Händen zerlegte er die Batterie, um an das darin enthaltene wertvolle Blei zu gelangen. Auch
wenn der Import von Autobatterien verboten war, wurden immer mehr ins Land geschmug-
gelt, da hier vergleichsweise hohe Profite erzielt wurden. Den Preis für ihren Lohn zahlten die
Arbeiter von Agbogbloshie mit ihrer Gesundheit, denn der Boden war voller Kontaminatio-
nen, vor allem mit Schwermetallen, die den Körper aufs Massivste schädigen.1
9.2 Einführung
Damit eine Erfindung zur Innovation im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung wird,
muss sie kommerziell erfolgreich sein und kann erst dadurch einen Beitrag zur Bewäl-
tigung gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen leisten. Genau diese
Innovationen mit Impact werden aktuell verstärkt benötigt, um die Lebensgrundla-
gen zukünftiger Generationen zu verbessern bzw. zu erhalten. Obwohl Wissenschaft-
ler seit Jahrzehnten einen Wandel menschlichen Umgangs untereinander sowie mit
der Umwelt anmahnen2, wurde bisher eher nur notdürftig reagiert, anstatt aktiv ge-
stalterisch zu agieren.
Doch die Menschheit hat schon früher bewiesen, dass sie fähig ist, große Herausfor-
derungen mittels sogenannter »Moonshots« zu bewältigen. Der Begriff »Moonshot«
stammt aus den 1960er Jahren: Angetrieben vom Wettlauf mit Russland im Kalten
1 Vgl. Bernhardt, The worlds worst 2013: The top ten toxic threats, 2013, S. 10 ff.
2 Vgl. Meadows, The limits to growth – A report for the Club of Rome on the Predicament of Mankind, 1972,
S. 186.
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9.2 Einführung
Krieg, verkündete 1962 der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, John F. Ken-
nedy, noch bis Ende des Jahrzehnts würde ein Amerikaner als erster Mensch auf dem
Mond sein. Was zu Beginn noch unvorstellbar schien, wurde durch immense Bemü-
hungen tatsächlich im Juli 1969 zur Wirklichkeit. 3
Der Begriff der Nachhaltigkeit wird seit Jahrhunderten mit der Forstwirtschaft und
ihrem auf viele Generationen ausgelegten Waldbetrieb in Verbindung gebracht. Dies
wird heute auf alle Lebensbereiche erweitert und verstärkt als Antwort auf die glo-
balen Herausforderungen des Klimawandels, der Ressourcenverknappung sowie des
wirtschaftlichen Ungleichgewichts gefordert.
Da der Effizienzansatz sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bietet, wird
er von Unternehmen bevorzugt. Kontrovers zu dieser Vorgehensweise steht jedoch
der Rebound-Effekt. Dieser stellt sich ein, da aufgrund der gesteigerten Ressourcen-
effizienz die Produkte günstiger werden und somit der Konsum steigt, was die Ein-
sparungen wieder aufhebt. Der Konsistenzansatz versucht alles in einem Kreislauf
wiederzuverwerten bzw. durch nachwachsende und regenerative Rohstoffe zu er-
setzen. Auf diesem Grundgedanken basiert die Circular– sowie die Bio Economy. Eine
vollkommene Kreislaufwirtschaft zu etablieren erfordert jedoch umfangreiche Ände-
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9 Impact Innovation
Wirtschaft
Po
stw
a
ch
stu
Effizienz Suffizient
ms
(mehr mit weniger? (Verzicht)
an
sat
z
Nachhaltigkeit
En
tko
pp
lun
Technologie Ökologie
gsa
nsa
tz
Konsistenz
7
Abb. 50: Nachhaltigkeitsstrategien
Das Zusammenspiel der oben beschriebenen Ansätze setzt sich zum Ziel, die Wirt-
schaft und deren Wachstum vollständig vom Ressourcen- und Umweltverbrauch zu
entkoppeln. Hierbei wird auf den Einsatz neuer Technologien und Geschäftsmodell-
innovationen gesetzt, die mittels Dematerialisierung des Konsums eine nachhaltigere
Wirtschaftsentwicklung ermöglichen sollen.
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9.2 Einführung
konkreten Zielen, die innerhalb der nächsten 10 Jahre global erreicht werden sollen.
Durch diese Sustainable Development Goals (SDGs) setzt sich die Weltgemeinschaft
einheitliche Ziele, die eine nachhaltige Entwicklung auf sozialer, ökologischer und
ökonomischer Ebene sichern sollen. Zentrale Aspekte sind hierbei ein nachhaltiges
Management der natürlichen Ressourcen, das Steigern des Wirtschaftswachstums,
das Heben des Lebensstandards und das Fördern von Chancengleichheit.
Insbesondere den G20Staaten, die nahezu zwei Drittel der Weltbevölkerung und 90 %
der globalen Wirtschaftsleistung repräsentieren, wird hierbei eine besondere Verant-
wortung zugeschrieben. Durch das Konsumverhalten und den hohen Lebensstandard
in diesen Ländern ist es entscheidend, dort ein Umdenken zu initiieren, was global zu
einem nachhaltigeren Handeln führen soll.
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9 Impact Innovation
Auf Basis der beschlossenen Ziele der Agenda 2030 entwickeln die jeweiligen Regie-
rungen und Länder ihre eigenen Richtlinien und Gesetze. Die Bundesregierung hat im
Zuge des UN-Leitfadens ihre Nachhaltigkeitsstrategie 2016 überarbeitet.11 Unterneh-
men werden von diesen Regulatoren angehalten, ihre Prozesse und Systeme nachhal-
tiger auszurichten. Um Sanktionen und Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, müssen
sie vorausschauend Prozesse und Anlagen anpassen. Daneben gibt es auch noch wei-
tere Treiber, die die Nachhaltigkeit in Firmen beschleunigen.
Hierzu zählt auch der immer dynamischere Wandel des Nachfragemarktes. Immer
mehr Konsumenten legen bei ihrer Produktauswahl gesteigerten Wert auf Nachhal-
tigkeit. Neben dem ökologischen Aspekt und der eigenen Gesundheit spielt auch die
soziale Nachhaltigkeit vermehrt eine Rolle. Ein gutes Beispiel hierzu ist »Fair Trade«,
was für angemessene Produktionsbedingungen von Erzeugnissen in Ländern der Drit-
ten Welt steht. Um diesem Wertewandel der Kunden gerecht zu werden, müssen sich
viele etablierte Unternehmen grundlegend neu aufstellen.
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y Elektrofahrzeuge: Die rund 1.500 vorhanden Fahrzeuge sollen umgehend durch 1.000
reine Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Hierbei reicht das Spektrum von Kleintranspor-
tern und Autos bis zu Mikromobilitätsfahrzeugen.
y Energieversorgung: Künftig wird die Energieversorgung der Insel primär von erneuer-
baren Energien wie Wind- und Solarenergie gespeist. Dadurch soll auch die Ladeinfra-
struktur für die eingeführten Elektromobile mit Strom versorgt werden.
y Mobilitätsdienste: Um die rege Nachfrage nach Mobilität weiterhin zu bedienen, wird
nun auf den Einsatz von Sharing-Modellen gesetzt. Wie solche Konzepte konkret ausse-
hen können, erfahren Sie im Kapitel 10 »Mobilität« dieses Buches.
Durch das System, das hierbei auf Astypalea geschaffen wird, bietet Volkswagen einen Ein-
blick in den Aufbau nachhaltig orientierter Städte der Zukunft. Das wegweisende Pilotpro-
jekt kann hierbei als Blaupause für künftige Transformationen dienen und hat somit einen
enormen Impact auf die Zukunftsgestaltung unserer Infrastrukturen. Bereits im Jahr 2030
könnte solch ein Konzept weitestgehend Anwendung in allen globalen Ballungsräumen
finden. VW kann dabei durch sein anhaltendes Engagement beweisen, auf Astypalea kein
Green-washing ihrer derzeit vorrangigen Verbrennungsmotor-Flotte zu betreiben.
Projiziert man das Projekt »Astypalea – Smart Sustainable Island« im Rahmen der
Agenda 2030 auf die dazugehörigen 17 SDGs, werden folgende adressiert:
Abb. 52: Auszug aus der Agenda 2030 – SDGs die durch Astypalea unterstützt werden
Durch die Dekarbonisierung der Energiegewinnung und die damit verbundene Re-
duzierung der Luftverschmutzung wird die Gesundheit und das Wohlergehen der
Bewohner von Astypalea gefördert, was auf das siebte Ziel »Bezahlbare und saubere
Energie« sowie den Klimaschutz einzahlt. Das veraltete Gesamtsystem der Insel wird
durch eine Kombination von verschiedenen Innovationen modernisiert und auf diese
Weise wird aktiv zu einer nachhaltigen Infrastruktur der Gemeinde beigetragen. Dies
unterstützt sowohl das neunte als auch das elfte Ziel der Agenda 2030. Weitere Bei-
spiele für die Nutzung erneuerbarer Energien finden Sie im Kapitel 12 »Erneuerbare
Energien und digitales Energiemanagement« dieses Buches.
9.3.2 Innovationsförderung
Um Innovationen zu entwickeln und diese dann auch wirklich nutzbar zu machen, be-
darf es eines gut organisierten Innovationsmanagements. Hierbei ist das Ziel, neue
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9 Impact Innovation
Beispiele für die erfolgreiche Umsetzung stellen Innovationshubs da. Diese sind neben
unabhängigen Inkubatoren meist ausgelagerte Einheiten großer Unternehmen. Dabei
stehen Kreativität, Agilität und Dynamik im Mittelpunkt. So soll an innovativen Ideen
gearbeitet und deren Entwicklung vorangetrieben werden. Das bekannteste Zentrum
zur Förderung solcher Ideen ist wohl Google X. Der US-amerikanische Tech-Konzern
hat allein im vierten Quartal 2020 sieben Milliarden US-Dollar in ihre sogenannten
»Moonshots« investiert.14 Dabei unterstützt Google mit dieser Organisation wenige,
vielversprechende Technologien in den unterschiedlichsten Bereichen. Diese sollen
einen wesentlichen Beitrag zur Zukunft der Menschheit leisten. Neben Google gibt es
zahlreiche Netzwerke und Programme, die sich mit der Betreuung, Förderung und
Forschung von nachhaltigen Innovationen beschäftigen.
14 Vgl. statista.com/statistik/daten/studie/445722/umfrage/ausgaben-von-google-fuer-forschung-und-
entwicklung/
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die großen Themen unserer Zeit anzugehen. Dabei initiieren wir wirkungsvolle Koopera-
tionsprojekte zwischen Industrie, Start-ups und Hochschulen, um nachhaltige Lösungen zu
entwickeln.«15 Die derzeit bekanntesten von UnternehmerTUM hervorgebrachten Moonshots
sind Lilium, mit der Entwicklung durch Solar angetriebene Flugtaxis, sowie Hyperloop, an
dem UnternehmerTUM mitarbeitet und womit die Mobilität bis 2030 revolutioniert werden
soll.
9.4.1 Circular Economy
Das Prinzip der Circular Economy oder auch Kreislaufwirtschaft beruht darauf, Res-
sourcen lange im Umlauf zu halten und Abfall zu vermeiden. Daraus resultieren langle-
bige Produkte mit hoher Qualität, die wiederverwendbar oder recyclebar sind. Durch
diese Art des Wirtschaftens entstehen ökonomische, ökologische und soziale Vortei-
le. Durch die Aufarbeitung und Wiederverwendung werden weniger Ressourcen ver-
braucht, weniger Abfall produziert und kürzere Transportwege zurückgelegt. Hinzu
kommt, dass dabei Know-how und Arbeit entsteht, was lokale Arbeitsplätze schafft 16
und vor allem »Wissen und Fähigkeiten der Älteren« benötigt.
In einer linearen Wirtschaft, in der der Markt nur von der zunehmenden Anzahl ver-
kaufter Stückzahlen lebt, scheinen Sollbruchstellen und eine geplante Obsoleszenz
zielführend zu sein. In der Kreislaufwirtschaft wird bereits im Produktdesign über
mögliche Defekte nachgedacht und das Produkt dementsprechend reparaturfreund-
lich entwickelt, zum Beispiel durch eine modulare Bauweise.
Der Begriff des »Cradle to Cradle« wurde maßgeblich von Braungart und McDonough
geprägt und umfasst den Betrachtungs- und Planungszeitraum von Produkten und
deren Umweltauswirkungen von »der Wiege bis zur Wiege«. Während bei Cradle to
Gate und Cradle to Grave, wie in Abbildung 54 dargestellt, nur die Umweltauswirkun-
gen des Produkts von der Rohstoffgewinnung bis zum Ende der Produktfertigung bzw.
zum Ende der Nutzphase betrachtet werden, wird bei Cradle to Cradle darüber hinaus
auch die Entsorgung und die Rückgewinnung der Rohstoffe verfolgt.
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9 Impact Innovation
Entsorgung
Rohstoff-
und Rück-
gewinnung
gewinnung
Nutzung Material-
herstellung
Produkt-
fertigung
Cradle to Gate
Cradle to Grave
Cradle to Cradle
»Die Tatsache, dass ein Material recycelt wurde, macht es nicht automatisch
umweltfreundlich, vor allem dann nicht, wenn das Recycling bei seiner Herstel-
lung nicht ausdrücklich mit eingeplant war.«18
- Michael Braungart & William McDonough
17 Eigene Darstellung nach Jäger, Erstellen eines Konzepts für die Ökobilanzierung, 2016, S. 5.
18 Braungart, Cradle to Cradle, 2016, S. 83.
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Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung neuer Technologien für eine nachhalti-
ge Entwicklung ist deren Anwendung in einem skalierbaren Geschäftsmodell. Hierbei
bestimmt unter anderem die Einzigartigkeit des bedarfsgerechten Nutzens eines An-
gebots über den kommerziellen Erfolg. Eine systematische Nutzenanalyse dient der
Verifizierung und Quantifizierung des Impacts.
Nutzenempfänger
Nutzer Anbieter Gesellschaft Umwelt
Flexibilität x x
Nutzenarten
Effizienzsteigerung x x x x
Zeitgewinn
Sicherheit
Benutzerfreundlichkeit
Transparenz x x x x
Wohlbefinden x x x x
Selbstverwirklichung x x
19 Vgl. (ist das in Ordnung, dass Vgl. so nah an der 19 ist?)Nike, Waste, 2020.
20 Vgl. Tuczek, Neues unternehmerisches Denken, 2020, S. 45.
21 Vgl. eigene Darstellung in Anlehnung an: Tuczek, Neues unternehmerisches Denken, 2020, S. 45.
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9 Impact Innovation
zeigen. Die vollständige Wiederverwendung aller Materialien schont zum einen die
Umwelt durch geringeren Rohstoffbedarf und reduzierte Abfallmengen und spart
zum anderen Kosten für den Anbieter, weil Rohstoffe nicht neu gewonnen werden
müssen.
Nike versucht, mittels Cradle to Cradle einen Beitrag zum neunten und zwölften SDG
sowie als Teil eines größeren Ökosystems zum siebzehnten SDG zu leisten. Durch die
Wiederverwendung von Lederresten trägt der Global Player zudem dazu bei, dass
weniger Gerbstoffe eingesetzt werden müssen. Dies schont erstens »Gesundheit und
Wohlergehen« durch »Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum« (SDG
Nummer 3 und 8) und trägt zweitens aufgrund der wasserschonenden Methode auch
zur SDG Nummer sechs und vierzehn bei.
Abb. 56: Auszug aus der Agenda 2030 – SDGs die durch Nike unterstützt werden22
9.4.2 Bio Economy
Wie die Circular Economy ist die Bio Economy ein Ansatz für nachhaltigere Produktion
durch Verwendung biologischer bzw. nachwachsender Ressourcen. Bis zur Mitte des
18. Jahrhunderts war Holz die primäre Energiequelle. Mit der industriellen Revolution
wurden zuerst Kohle und dann Erdöl/-gas die wichtigsten Brennstoffe. Dazu kamen
die vielen Einsatzmöglichkeiten in der Petrochemie, sodass diese fossilen Ressourcen
Basis für rund 90 % aller industriellen Prozesse sind.23
Die Bio Economy trägt zu einer Diversifizierung der Rohstoffbasis bei und schafft
Beschäftigungsmöglichkeiten für den ländlichen Raum. Allerdings stehen die An-
bauflächen von biologischen Rohstoffen für die Industrie im Wettbewerb mit der Le-
bensmittelproduktion, was wiederum steigende Lebensmittelpreise zur Folge hat.
Dies ist vor allem in Ländern problematisch, in denen die Bevölkerung schon jetzt an
Mangelernährung leidet. Hierbei handelt es sich meist auch um Gebiete, in denen zu-
22 Vgl. eigene Darstellung in Anlehnung an: Nachhaltige Entwicklung – Agenda 2030 / SDGs, 2020.
23 Vgl. Schurr, Bioökonomie für Einsteiger, 2017, S. 2.
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dem auch Wasserknappheit herrscht. Der hohe Bedarf an Wasser für die industrielle
Produktion würde diesen Zustand noch weiter verschärfen.24
Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid führt zum Treibhauseffekt und ist eines der größ-
ten Probleme unserer Zeit. Doch Kohlenstoff ist auch die Basis unseres Körpers,
unserer Nahrung sowie unseres gesamten Lebensraumes.25 Um das vom Pariser Kli-
maabkommen angestrebte 1,5°C-Ziel zu erreichen, müssen die Emissionen entgegen
des derzeitigen Trends schneller sinken, um vor 2050 die Netto-Null zu erreichen.26 .
Eine erhebliche Rolle spielt hierbei das Baugewerbe, das einen erheblichen CO2-Aus-
stoß verursacht.27 Dieser Effekt wird durch eine wachsende Bevölkerung, die zusätz-
lichen Wohnraum benötigt, noch verstärkt.
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9 Impact Innovation
Nutzenempfänger
Nutzer Anbieter Gesellschaft Umwelt
Flexibilität x
Nutzenarten
Effizienzsteigerung x x x
Zeitgewinn
Sicherheit
Benutzerfreundlichkeit
Transparenz
Wohlbefinden x x
Selbstverwirklichung x x x x
Analysiert man das Start-up anhand der Landshuter Nutzenmatrix, so ergibt sich die
in Abbildung 57 dargestellte Ausgangssituation. Die Effizienzsteigerung für die Um-
welt und das damit einhergehende Wohlbefinden für Gesellschaft und Umwelt lässt
sich hierbei als Hauptnutzen identifizieren. Durch die Speicherung von CO2 aus der At-
mosphäre und dem Einsatz in der Industrie können die unten dargestellten Sustaina-
ble Development Goals unterstützt werden. Weitere Beispiele zur Bio Economy finden
Sie in Kapitel 11 »Biotechnologie«.
9.5 Nachhaltige Stadtentwicklung
Um die Stadtentwicklung nachhaltig zu gestalten, muss eine Vielzahl von Aspekten ver-
eint und deren Beziehungen untereinander beachtet werden. Dazu zählen unter anderem
die Mobilität, Bildung und gesundheitliche Strukturen sowie die Versorgung mit Energie,
Lebensmitteln und Trinkwasser. Doch auch soziale Interaktionen und gesellschaftliche
Teilhabe sind wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens. Die vorherrschende
Anonymität in Städten kann ein Gefühl der Einsamkeit verursachen. Deshalb ist es wich-
tig, mit innovativen Maßnahmen Rahmenbedingungen und Handlungsspielraum für
eine aktive Zivilgesellschaft und funktionierende Gemeinschaft zu schaffen.
32 Vgl. eigene Darstellung in Anlehnung an: Tuczek, Neues unternehmerisches Denken, 2020, S. 45
33 Vgl. eigene Darstellung in Anlehnung an Nachhaltige Entwicklung – Agenda 2030 / SDGs, 2020.
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Laut einer Studie der Vereinten Nationen werden im Jahr 2050 vermutlich 68 % der
Weltbevölkerung in Städten wohnen. 34 Dabei erhoffen sich die Bürger »in Städten
einen besseren Zugang zu Einkommen, Wohnraum, Bildung, Gesundheit und Mobili-
tät«.35 Um dies ökologisch, ökonomisch und sozialverträglich im Hinblick auf weitere
Megatrends nachhaltig gewährleisten zu können, nennt das Umweltbundesamt die
folgenden Anforderungen zum Erfüllen einer nachhaltigen Stadtentwicklung:
y die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung und gesunde Wohn- und Arbeitsverhält-
nisse
y Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen
y Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität unter Berücksichti-
gung der Verringerung und Vermeidung von Verkehr
y Belange der Wirtschaft und verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung
y Soziale/kulturelle Bedürfnisse, Sport, Freizeit und Erholung
y Umweltschutz, Naturschutz und Landschaftspflege36
34 Vgl. United Nations, World Urbanization Prospects: The 2018 Revision – Key Facts, 2019, S. 2.
35 Breckner, Nachhaltige Stadtentwicklung – Sozialverträglichkeit und Umweltorientierung in der Stadtentw., 2018.
36 Umweltbundesamt, Stadtentwicklung, 2017.
37 Vgl. Stadtverwaltung Ludwigsburg, meinLB Bürgerbeteiligung, 2021.
38 Nachbarnetz Ludwigsburg, Alle in Ludwigsburg, 2020.
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9 Impact Innovation
Als Stadt vertritt Ludwigsburg viele Interessensgruppen, die Bürger, ansässige Unter-
nehmen oder Bildungseinrichtungen. Daraus ergibt sich die Unterstützung aller SDGs,
die hier der Vollständigkeit halber nochmals aufgelistet sind:
Abb. 59: SDGs, die durch die Stadt Ludwigsburg unterstützt werden41
Durch die Chancen, die mit der Digitalisierung Hand in Hand gehen, bietet sich ein ganz
neues Spektrum an Möglichkeiten, eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Um
Innovationen im Bereich der Digitalisierung zu fördern, hat die Bundesregierung den
Aktionsplan »Natürlich.Digital.Nachhaltig« entwickelt. Im Mittelpunkt dieser Initiative
steht, die Zukunft im sozialen, ökologischen und ökonomischen Bereich durch den
Einsatz von Digitalisierung zu begünstigen und so eine nachhaltige Entwicklung zu
beschleunigen. »Das Bundesministerium für Bildung und Forschung verfolgt dabei
einen umfassenden Ansatz, der sich von der Bildung über die Grundlagen und Metho-
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denforschung bis hin zur Anwendung erstreckt.« 42 Hierbei ist es wichtig, allen Bevöl-
kerungsgruppen und Generationen Zugang zu digitalen Diensten zu ermöglichen, so
auch Oma Greta:
Den Bürgern wird damit eine kostenlose Plattform zur Verfügung gestellt, die weite-
re Dienstleistungen, wie z. B. Angebote und Dienste rund um eine Ladeinfrastruktur
für Elektromobilität, mit einbindet. Zudem gibt es ein digitales Bonussystem für den
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9 Impact Innovation
lokalen Handel, das die Wirtschaft vor Ort stützt. So trägt Hakisa mithilfe der Digitali-
sierung zur Bewältigung des demografischen Wandels, der Sicherung der regionalen
Datensouveränität und der gesellschaftlichen Teilhabe aller bei, was sich in folgenden
SDGs widerspiegelt:
Abb. 60: Auszug aus der Agenda 2030 – SDGs die durch Hakisa unterstützt werden44
Ferner fördert das Projekt die lokale Infrastruktur für ein nachhaltiges, urbanes Le-
ben. Darüber hinaus werden zusammen mit der Caritas wertvolle Beiträge im Bereich
Gesundheit und soziale Gerechtigkeit verwirklicht. Analysiert man das Geschäfts-
modell des Unternehmens anhand der bereits eingeführten Geschäftsnutzenmatrix,
so treten vor allem die Bereiche Nutzer und Gesellschaft hervor. Hierbei wird gerade
durch die universell einsetzbare Plattform jede Nutzenart dieser beiden Empfänger
bedient. Projekte wie Saarlouis realisieren aber auch weitere Nutzenpotenziale, bei-
spielsweise im Bereich der Umwelt.
Nutzenempfänger
Nutzer Anbieter Gesellschaft Umwelt
Flexibilität X X X X
Nutzenarten
Effizienzsteigerung X X X X
Zeitgewinn X X X
Sicherheit X X
Benutzerfreundlichkeit X X
Transparenz X X X
Wohlbefinden X X X X
Selbstverwirklichung X X X
44 Vgl. eigene Darstellung in Anlehnung an: Nachhaltige Entwicklung – Agenda 2030 / SDGs, 2020.
45 Vgl. eigene Darstellung in Anlehnung an: Tuczek, Neues unternehmerisches Denken, 2020, S. 45.
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Unsere Software bietet ein Back- und ein Frontoffice an, das auch ein 80-Jähriger bedienen
und so seine Community moderieren kann. Unsere industrialisierte Tier-1-Plattform kann
Echtzeitverfahren durch diverse Schnittstellen zu anderen Systemen, beispielsweise IoT oder
AI-Systemen, gewährleisten und das zu für Non-Profit-Organisationen tragbaren Kosten.
Was sehen Sie als zentrale Mission Ihres Unternehmens, bzw. was soll durch Ihren Lö-
sungsansatz bewirkt werden?
Wir haben uns auf Kunden mit sozialer Verantwortung spezialisiert. Hierzu gehören die Be-
reiche Wohnungsbau, Soziale Träger und Kommunen. Dort wollen wir die menschliche und
technologische Hilfe zusammenbringen, um so einen Beitrag zur besseren Versorgung Hilfs-
bedürftiger zu leisten. Ferner geht es uns um die Bewältigung des demografischen Wandels:
Wir möchten dazu beitragen, dass Menschen solange als möglich autonom leben können.
Welchen Impact hat die aktuelle Situation (COVID-19) auf Ihr Unternehmen? Sehen Sie sie
als Hemmnis oder als Chance für Ihr Unternehmen?
Für uns ist die aktuelle Situation ein klarer Accelerator. Die gemeinschaftlichen, lokalen The-
men, mit denen wir uns beschäftigen, wurden gerade durch den Lockdown den Leuten sehr
bewusst. Wir können eine Vielzahl von hieraus entstandenen Bedürfnissen unserer Kunden
bedienen.
Finden sich die Werte der SDGs auch in Ihrer Unternehmenskultur wieder?
Wir sind ein Software Unternehmen, mit einem jungen und international aufgestellten Team.
Hiervon sind alle auf die Themen, mit denen sich Hakisa beschäftigt, bereits sensibilisiert
und bringen daher solche Werte von Grund auf mit. Deshalb sind gerade Aspekte wie nach-
haltiges Wirtschaften zentrale Aspekte unseres Wertesystems.
Können Sie aus dem Verhalten Ihrer Kunden einen gewissen Trend für die Nachfrage nach
mehr Nachhaltigkeit erkennen?
Die lokalen Unternehmen müssen künftig mit den sozialen Trägern gemeinschaftlich arbei-
ten, um so gegen die GAFA-Konzerne (Google, Apple, Facebook, Amazon) bestehen zu kön-
nen. Durch die bereits vorhandenen Kunden in den Datenbänken der sozialen Träger werden
diese die größten Wirtschaftsträger für die digitale Welt von morgen. So sind sie nicht nur ein
Kostenfaktor, sondern leisten auch einen wesentlichen Benefit für die Wirtschaft, was ein
nachhaltiges Modell schafft.
Welche Vision haben Sie in Bezug auf Ihr Unternehmen für die nächsten 10 Jahre?
Mir persönlich ist es wichtig, den sozialen Trägern und Non-Profit-Organisationen den
selbstverantwortlichen Umgang mit ihren Daten zu ermöglichen. Europa muss mit Projekten
wie Gaia-X unabhängig werden, um gegen die großen GAFA Konzerne zu bestehen.
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9 Impact Innovation
finden zunehmend Beachtung bei der Darstellung von Disparitäten. Der Human De-
velopment Index (HDI) setzt sich aus den Parametern Lebensdauer, Bildungsniveau
und Lebensstandard zusammen.46 Wie Abbildung 62 zeigt, haben Nordamerika, Euro-
pa, Australien sowie Neuseeland und Japan den höchsten HDI, während vor allem auf
der Südhalbkugel ein weitaus geringerer Entwicklungstand vorliegt.
9.6.1 Impact Trading
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Hervorzuheben ist dabei auch die Transparenz, mit der sich die Hilfeleistungen verfolgen
lassen. Mit den QR-Codes auf den share-Produkten kann der Nutzer genau nachvollziehen,
wohin die Unterstützung geht, die er durch den Kauf finanziert hat. Dadurch entsteht ein
konkreter Bezug für den Nutzer und das Gefühl, persönlich geholfen zu haben. Das Unter-
nehmen setzt auf Nachhaltigkeit, was sich in der Herstellung der Produkte widerspiegelt.
So wurde die erste Wasserflasche auf den deutschen Markt gebracht hat, die zu 100 % aus
recyceltem Plastik besteht. Im Fokus des Start-ups steht laut der Gründer nicht der Gewinn,
sondern das Ziel, unsere Umwelt und Gesellschaft positiv zu verändern.49
Abb. 63: Auszug aus der Agenda 2030 – SDGs die durch share unterstützt werden50
Der Hauptnutzen, den share generiert, ist das Wohlbefinden der Gesellschaft. Hinzu
kommt die Transparenz, die Konsumenten mithilfe des QR-Codes geboten wird.
Nutzenempfänger
Nutzer Anbieter Gesellschaft Umwelt
Flexibilität
Nutzenarten
Effizienzsteigerung x x x x
Zeitgewinn
Sicherheit
Benutzerfreundlichkeit x x x x
Transparenz x x x x
Wohlbefinden x x x x
Selbstverwirklichung x x x x
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9 Impact Innovation
9.6.2 Impact Investing
520.3
EUR millions
309.2
164.7
101.3
82.4
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einträchtigt als nachhaltig angelegte Investitionen. Dieser negative Effekt wird die
Unternehmen beeinflussen, denn wenn Investoren den Fokus mehr auf Nachhaltig-
keit legen und weniger auf den kurzfristigen finanziellen Gewinn, werden die Unter-
nehmen umdenken müssen. 57
57 Vgl. World Economic Forum, The Net-Zero Challenge: Fast-Forward to Decisive Climate Action, 2020, S. 10.
58 Vgl. Ecoligo, Ecoligo, 2020.
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9 Impact Innovation
Nutzenempfänger
Nutzer Anbieter Gesellschaft Umwelt
Nutzenarten Flexibilität X
Effizienzsteigerung X X X X
Zeitgewinn X X
Sicherheit
Benutzerfreundlichkeit X X
Transparenz X X X
Wohlbefinden X X X X
Selbstverwirklichung X X X
59 Vgl. eigene Darstellung in Anlehnung an: Tuczek, Neues unternehmerisches Denken, 2020, S. 45.
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Beschäftigen Sie sich mit dem Erreichen der SDGs und, wenn ja, zu welchen leistet Ihr
Unternehmen einen positiven Beitrag?
Wir fokussieren uns auf die SDGs Nummer 7, 8 und 13. Das sind unsere Kern SDGs, denn
unser Anspruch heißt »affordable und clean«. Wir wollen immer CO2-neutral sein und das Ziel
13 ist somit die Konsequenz daraus.
Können Sie aus dem Verhalten Ihrer Kunden einen gewissen Trend für die Nachfrage nach
mehr Nachhaltigkeit erkennen?
Ein sehr gutes Beispiel dafür ist eine Kundengruppe aus Kenia, die Blumen in die UK, nach
Europa und Australien exportiert. Mittlerweile bekommen diese Kunden von den Märkten
wie Rewe und Aldi die Vorgabe, komplett CO2-neutral zu werden – sowohl in ihrer Energie-
versorgung als auch in ihrer Lieferkette. Das lässt sich indirekt auf unser Konsumverhalten
hier vor Ort zurückleiten. Vor fünf Jahren hat niemand in den Emerging Markets über CO2-
Neutralität nachgedacht, da ging es in erster Linie um Kostensenkungen. Das ist der »Greta
Thunberg Effekt«, die mit ihrer Fridays-for-Future-Bewegung sehr viel Aufmerksamkeit auf
das Thema Nachhaltigkeit gelenkt hat, sodass sich viel mehr Leute Gedanken machen.
Welche Vision haben Sie in Bezug auf Ihr Unternehmen für die nächsten 10 Jahre?
In einem Satz gesagt, haben wir die Vision, dass wir in Schwellen- und Entwicklungsländern
eine CO2-freie Energieversorgung ermöglichen wollen. Bis 2030 ist noch lange hin, aber ich
glaube, da werden wir in 25 bis 30 Ländern aktiv sein, vielleicht so um die 1.000 Mitarbeiter
haben und hoffentlich ein bekannter Name sein, um als Blaupause zu dienen.
Nur durch einen verstärkten Wertewandel in der Gemeinschaft und damit bei den
Verbraucher:innen lässt sich eine Gesellschaft gestalten, die nicht durch Verzicht und
Reglementierung geprägt ist. Allein philanthropische Ansätze von Non-Profit-Organi-
sationen werden nicht den nötigen Impact entwickeln können. Die Technologien für
Geschäftsideen mit Moonshot-Potenzial zur Bewältigung der Herausforderungen des
neuen Jahrzehnts stehen bereits zur Verfügung. Das Leben im Jahr 2031 wird vom Er-
folg profitabler und skalierbarer Geschäftsmodelle geprägt werden, die diese Techno-
logien im Sinne einer nachhaltigeren Entwicklung zum Einsatz bringen.
Handeln im Sinne der 17 SDGs der UN wird zur Notwendigkeit von Unternehmen,
wenn sie nachhaltig weiterbestehen wollen. Entscheidend hierbei ist, dass die SDGs
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9 Impact Innovation
nicht nur zum Schein, sondern tatsächlich berücksichtigt und implementiert werden.
Hierfür muss der Wertewandel auch firmenintern im Sinne einer nachhaltigen Gover-
nance authentisch gelebt werden, nicht nur um die qualifiziertesten und engagiertes-
ten Mitarbeiter akquirieren und motivieren zu können. Es gilt, Environmental Social
Governance (ESG) konkret festzuschreiben, deren Einhaltung messbar zu verfolgen
und zu dokumentieren.60
Die COVID-19-Pandemie hat uns gezeigt, wozu wir im Angesicht einer globalen Katas-
trophe in der Lage sind. Aber auch wie fragil unsere globalen Wertschöpfungsketten
sind, wobei sich digitale und nachhaltige Geschäftsmodelle als deutlich resilienter
erwiesen haben. Der »Green Deal« der Europäischen Union, bis 2050 CO2-neutral zu
wirtschaften, ist die »Mondmission« der heutigen Generation.61
60 Vgl. Kirton, Trebilcock: Voluntary Standards in Global Trade, Environment and Social Governance, 2017.
61 Vgl. MITTEILUNG DER KOMMISSION: Der europäische Grüne Deal, 2019.
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Takeaways:
Nützliche Links
¸ www.17ziele.de
¸ www.c2c.ngo
¸ www.thinking-circular.com
¸ www.bioeconomy.de
¸ www.biooekonomie.de
¸ www.boell.de
¸ www.forum-fuer-verantwortung.de
¸ www.bundesinitiative-impact-investing.de
¸ www.nachhaltigwirtschaften.at
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10 Mobilität
Zusammenfassung
Um die kontinuierlich steigenden Mobilitätsbedürfnisse der Gesellschaft und der
Logistik auch zukünftig und unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit und Res-
sourcenknappheit betrachtet erfüllen zu können, ist eine effizientere Auslastung
der vorhandenen Mobilitätsressourcen essenziell. Während die zunehmende Digita-
lisierung und Vernetzung der Infrastruktur dazu beiträgt, den Verkehrsfluss auf den
Transportwegen bestmöglich zu steuern, führt der Sharing-Trend zu einem neuen Mo-
bilitätsverständnis. Zum Erreichen einer inter- bzw. multimodalen und urbanen Mobi-
lität, ist die Kooperationsbereitschaft der beteiligten Akteure notwendig.
Schlüsselbegriffe
Urbanisierung, Ridehailing, inter- und multimodale Mobilität,
Mobility-as-a-Service, Modal Split, urbane Logistik, smart city,
optimierte Ressourcennutzung, Carsharing, Crowd-Logistik,
Emissionsreduzierung, Mobilitätsdienstleistungen
10.1 Mobilitätsprobleme im Alltag
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10 Mobilität
Die Idee, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Innenstadt zu gelangen, hat der Fa-
milienvater nach den ersten Versuchen bereits wieder verworfen. Eine Kombination aus
verschiedenen Verkehrsmitteln wäre nötig gewesen. Neben der aufwendigen Planung der
Wegabschnitte und den zeitraubenden Umstiegen stand am Ende noch ein 15-minütiger
Fußweg zum Büro an, der mit Aktentasche und Unterlagen bepackt zurückgelegt werden
müsste. Aus Gründen der Flexibilität und des Komforts hat sich Herr Müller daher wieder für
den PKW entschieden. Heute wäre eigentlich einer seiner beiden Homeoffice-Tage, wenn da
nicht diese wichtigen Termine gewesen wären, an denen er unbedingt persönlich teilneh-
men muss. Ausgerechnet heute sind die Straßen besonders frequentiert und die Hauptver-
kehrsknotenpunkte hoffnungslos überlastet. Zur ersten Besprechung wird er es nicht mehr
rechtzeitig schaffen und so wählt er sich bereits genervt über die Freisprechanlage telefo-
nisch ein. Auf den starken Verkehr konzentriert, hat er keine wirkliche Chance dem Meeting
konsequent zu folgen. Nach einer halben Stunde erreicht Peter endlich den firmeneigenen
Parkplatz. Aufgrund des verspäteten Ankommens sind jedoch, wie bereits häufig, alle Stell-
plätze belegt und er muss auf das nächstgelegene Parkhaus als kostenintensive Alternative
ausweichen.
Auch der kleine Moritz hat bereits das Haus verlassen und befindet sich auf seinem Schul-
weg. Wobei er sich meistens gar nicht so sicher ist, in welche Richtung er tatsächlich fährt.
Scheinbar kreuz und quer fährt der Bus die Haltestellen der Route ab – teilweise auch, ohne
dass Kinder dort tatsächlich zusteigen. Bis sie an der Schule ankommen, die eigentlich nur
4 km Luftlinie entfernt liegt, vergeht fast eine ganze Stunde. Gerade noch rechtzeitig zum
Unterrichtsbeginn hetzt Moritz schließlich ins Klassenzimmer. Tochter Anna fährt dagegen
mit einem anderen Bus zum Gymnasium. Ihr fällt auf, dass nur etwa die Hälfte der Plätze
besetzt ist. Nachdenklich blickt sie aus dem Rückfenster und erkennt das Paketauto, das
morgens immer auf der Straße vor ihrem Grundstück parkt. Sie winkt dem Paketboten zu, es
ist derselbe wie heute Morgen.
Während die Kinder in der Schule sind und Herr Müller in der Arbeit ist, kümmert sich Frau
Müller um das 10 Monate alte Baby und den Haushalt. Ein Paketzusteller der Firma X liefert
mal wieder ein Paket. Gerade in der jetzigen Corona-Zeit, in der Geschäfte oft überfüllt sind,
bestellt die Familie lieber online, da sie sich so sicherer vor Infektionen fühlt. Im Laufe des
Vormittags klingeln noch weitere Paketzusteller der Firmen Y, Z, A und nochmal X, um weite-
re Pakete zuzustellen. Zum Glück konnte Katrin all dieses Pakete bis jetzt immer entgegen-
nehmen. Ansonsten hätte Sie auch noch mit dem Auto zum 3 km entfernten Postamt fahren
müssen, um nicht zugestellte Pakete abzuholen.
Peter Müller ist für die Logistik seines Arbeitgebers zuständig. Heute steht der monatliche
Rundgang über das Firmengelände an. Dabei werden alle Abteilungen aufgesucht, für die er
Verantwortung trägt. Im Warenein- und -ausgang fällt dem Logistiker immer wieder auf, dass
viele LKW, die dort umgeschlagen werden, oft nur zu ca. 50 % ausgelastet sind. Diese Pro
blematik ist ihm bereits lange bekannt und auch die Tatsache, dass einige firmeneigene LKW
zeitweise ungenutzt auf dem Gelände stehen.
Mittags holt Katrin Müller Sohn Moritz mit dem Zweitwagen von der Schule ab. Auf dem
Heimweg fallen Moritz die vielen Auflieger auf, die oft ohne Zugmaschine am Straßenrand,
in Parkbuchten oder auf Parkplätzen stehen. Er fragt seine Mutter, warum das so ist. Katrin
hat darauf keine Antwort. Sie vermutet jedoch, dass diese Auflieger zu viel Rangierfläche be-
anspruchen, wenn Sie auf dem Firmengelände abgestellt werden. Nachdem Moritz am Nach-
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mittag seine Hausaufgaben erledigt hat, darf er sich auf der verkehrsberuhigten Straße vor
dem Haus auf das spätere Fußballtraining vorbereiten. Aber seine Mutter macht sich dabei
immer Sorgen, denn die Paketdienstleister, Postboten und auch andere Fahrzeuge fahren
dort oft schneller als erlaubt und könnten ihren Sohn beim Spielen übersehen. Vor ein paar
Wochen wurde Moritz fast von einem Transporter erfasst. Geschockt stellte Katrin den Fah-
rer damals zur Rede, warum er in dieser Straße mit überhöhter Geschwindigkeit fahre. Die
lakonische Antwort: »Wir sind immer im Stress. Wir müssen so schnell fahren, damit wir alle
Pakete möglichst termingerecht ausliefern können.«
Gegen 17.00 Uhr ist der Arbeitstag von Herrn Müller beendet. Während er Laptop und zu-
sätzlich jede Menge Unterlagen heute bis zu dem entfernteren Parkhaus schleppen muss,
beobachtet er einige Arbeitskollegen. Ähnlich wie er steigen die meisten alleine in ihre Autos,
die in den letzten 8 Stunden den Firmenparkplatz belegt haben. Dass Stellplätze nahe den
Arbeitsplätzen Mangelware sind, wundert ihn nicht. »Wäre es nicht besser, Fahrgemeinschaf-
ten zu organisieren und so die Nutzung der Fahrzeuge zu optimieren?«, so seine Überlegung.
Allerdings weiß er bisher nicht, woher die Kollegen kommen und ob ein solcher Zusammen-
schluss überhaupt erwünscht wäre. Spätestens als der Verkehr auf dem Heimweg wieder zur
Geduldsprobe wird, hat Herr Müller die Idee erst einmal wieder vergessen.
Noch bevor Herr Müller zu Hause angekommen ist, bringt Katrin Müller Moritz mit dem Auto
zum Fußballtraining. Zeitgleich mit vielen anderen Elternteilen steuert sie den Sportplatz
an und bereits nach 90 Minuten muss sie ihren Sohn schon wieder abholen. Oft versucht sie,
diese Zeitspanne mit Einkaufen oder Ähnlichem zu überbrücken. Heute aber hat sie keine
Besorgungen zu erledigen und fährt in dem Wissen nach Hause, dass sie bereits in Kürze
wieder ausrücken muss. Daheim angekommen stellt sie fest, dass Anna noch nicht von ihrer
Freundin zurückgekehrt ist, zu der sie gleich nach Schulschluss gefahren ist. Besorgt blickt
Frau Müller immer wieder auf die Uhr. Draußen ist es bereits dunkel geworden und die Halte-
stelle ist fast einen Kilometer entfernt. Am liebsten würde sie ihre Tochter jedes Mal mit dem
Auto abholen, was jedoch aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist. So verbringt sie noch
einige unruhige Minuten, bis Anna dann schließlich eintrifft.
Nachdem nun alle Familienmitglieder zu Hause sind, bereitet Frau Müller das Abendessen
vor. Ihr fällt ein, dass der vor einer Woche gelieferte Badschrank an den Hersteller aufgrund
eines Produktionsfehlers zurückgeschickt werden muss. So bittet sie ihren Mann, noch eine
sichere Verpackung zu finden und das Paket zum Postamt zu bringen. Herr Müller steht nun
aber vor einem Problem. Er findet keine für den Rücktransport geeignete Verpackung und
muss deshalb am kommenden Tag nach einer anderen Möglichkeit suchen. Das Postamt
kann ihm an diesem Abend keine Hilfe mehr sein, da es ab 18:00 Uhr bereits geschlossen hat.
Die Erlebnisse der Familie Müller, bezogen auf die unterschiedlichen Aspekte der Mo-
bilität, stellen keineswegs Einzelfälle dar, sondern lassen sich durch konkrete Zahlen
belegen. Dabei kann im Bereich der Mobilität zwischen der personenbezogenen Mobi-
lität und der wirtschaftlichen Mobilität unterschieden werden. Im Folgenden werden
diese, auch wenn teilweise Parallelen erkennbar sind, separat betrachtet.
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10 Mobilität
Verkehrsaufkommen Verkehrsleistung
Anteile Wege Anteile Personenkilometer
2017
3% 3%
10%
2008 19% 3% 3%
8% 22% 15%
8% 2002 3%3%
24% 15%
14% 15% 23%
Zwei oder 16%
mehr
Personen
22%
9% 24%
10% 11% 20%
57%
55%
55%
44% Zwei oder
43% mehr
43% Personen
Ein Fahrer/in
Ein Fahrer/in
Der motorisierte Individualverkehr (MIV), worunter neben den PKW z. B. auch Motor-
räder und Nutzfahrzeuge gezählt werden, deckt weiterhin den Großteil des bundes-
weiten Verkehrsaufkommens.4 Während die grundsätzliche Verteilung in den letzten
drei Studien (2002, 2008 und 2017) annähernd konstant war, hatten die Lockdowns
2020 eine reduzierte Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel (ÖV) zur Folge. 5 Es wird
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jedoch davon ausgegangen, dass mit Eindämmung der Pandemie eine annähernde
Rückkehr zu vorherigen Gewohnheiten stattfindet.
Die Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, ein Mobilitätssystem zu entwi-
ckeln, das auf der einen Seite das zunehmend individualisierte Mobilitätsbedürfnis si-
cherstellt, auf der anderen Seite aber auch die Restriktionen bzgl. Nachhaltigkeit und
Ressourcenknappheit stärker berücksichtigt. Grundsätzlich gibt es verschiedene An-
sätze, wie die Mobilität der Zukunft gestaltet werden kann. Die Frage, die sich hierbei
vordergründig stellt, ist: Welches Transportmittel ist das nachhaltigste und gleichzei-
tig effizienteste und ist damit am besten geeignet für eine möglichst umweltgerechte
und ressourcenschonende Zukunft?
Unter diesen Umständen ist beispielsweise der Zugverkehr inklusive Verlegung der
Schienen, des Flächenbedarfs und der langfristigen Wartung von Gleisen in einigen
Fällen weitaus schädlicher und kostspieliger als der Flugverkehr, für den kaum Wege-
infrastruktur anfällt. Jedes Verkehrsmittel hat somit seine individuellen Stärken, wel-
che die Daseinsberechtigung legitimieren. Eine transparente Kosten-Nutzen-Analyse
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10 Mobilität
ist daher grundsätzlich immer unter Beachtung der speziellen Gegebenheiten durch-
zuführen, sodass ein generell gehaltener Vergleich nur schwer möglich ist. Aus diesem
Grund wird von einer detaillierteren Betrachtung der Mobilitätshardware im folgen-
den Kapitel abgesehen. 8
Stattdessen soll der Fokus auf einen Lösungsansatz gelegt werden, der unweigerlich
in jede Debatte bzgl. »Future Mobility« einbezogen werden muss: Nicht die nachhal-
tigsten und effizientesten Transportmethoden sollen ermittelt werden, sondern die
Möglichkeiten einer nachhaltigeren und effizienteren Nutzung bzw. Auslastung der
bereits zur Verfügung stehenden Transportmittel und Ressourcen. Unabhängig von
der eingesetzten Technologie kann durch deren Nutzungsoptimierung eine erhebli-
che Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur erreicht werden.
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Der Verkehrssektor war im Jahr 2018 der drittgrößte Verursacher von Treibhausgas-
emissionen weltweit, wobei hiervon wiederum der zweitgrößte Anteil den Straßen-
nutzfahrzeugen zuzuschreiben ist.11 Der Modal-Split der Transportleistung der Jahre
2017 bis 2019 stellt diese Dominanz des Straßengüterverkehrs deutlich dar. Der Anteil
von LKW an der insgesamt erbrachten Transportleistung ist seit dem Jahr 2004 ten-
denziell gestiegen und liegt im Jahr 2020 bei rund 71,5 %.12 So lag die Verkehrsleistung
im Güterverkehr im Jahr 2020 bei rund 550 Milliarden Tonnenkilometern.
Öl-
Fernleitung
Binnen-
schiff
3% 7%
Güterbahn
19%
71%
LKW
Für das Jahr 2020 rechnet die Bundesregierung allein für den Verkehrssektor mit einer
Erhöhung des CO2-Ausstoßes von über 3 Millionen Tonnen. Gründe hierfür sind die
stetig ansteigende Fahrleistung, die durch eine wachsende Nachfrage an Gütern ent-
steht und die immer noch vorherrschende Dominanz fossiler Kraftstoffe im Güter- und
Personenverkehr.14
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10 Mobilität
Eine weitere zusätzliche Folge des stetig anwachsenden Gütervolumens ist die eben-
falls zunehmende Anzahl an Leerfahrten und entsprechend den Leerkilometern, die
bereits seit Jahren unvermindert hoch sind.15 Derzeit fahren rund 30 % der LKW auf
europäischen Straßen leer.16 Alleine in Deutschland lag der Anteil an Leerfahrten im
Jahr 2018 bei 58,9 % und somit bei 155,4 Millionen Leerfahrten.17 Das ist eine natür-
liche Konsequenz aus den gesteigerten Güterströmen aufgrund von wechselnden und
ungleich verteilten Nachfragen. Denn im Regelfall senden Empfänger von Waren nur
selten wieder Güter an den Absender zurück.
Mit diesen erkannten Defiziten und den aktuellen Herausforderungen der urbanen
Logistik hat sich die Unternehmensberatung Roland Berger und die Bundesvereini-
gung für Logistik (BVL) beschäftigt.18 Die erarbeiteten möglichen Zukunftsszenarien
der urbanen Logistik 2030 sollen als Denkmodell und Handlungsempfehlung dienen.
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optimiert. Ziel dieses Szenarios ist die Erhöhung der Netzeffizienz unter Einbezug des Wett-
bewerbs- und Innovationsdrucks.
Innerhalb des vierten und letzten Szenarios, der »Koexistenz der Großen«, kristallisieren sich
wenige, aber große miteinander konkurrierende Plattformen heraus, die die urbane Logistik
dominieren und steuern. Diese Plattformen können von einer steigenden Nutzerzahl und
einem erhöhten Liefervolumen profitieren und somit den Logistikverkehr effizienter bün-
deln. Durch eine steigende Zahl der Nutzer wächst allerdings die Marktmacht der Plattform-
betreiber.19
Intelligente Regulierung
des urbanen Systems
(aktive Regulierung)
2 3
Regulierte
Stadtplattform
Vielfalt
Intelligente Kooperatives
Individuallösungen Gesamtsystem
1 4
Wilder Koexistenz
Westen der Großen
Vertrauen in
Selbstregulierung
(passive Regulierung)
Da mögliche Synergien, die durch eine Kooperation oder einen Austausch zwischen
Kommunen und/oder Unternehmen entstehen könnten, bislang aber ungenutzt blei-
ben, stellt das Szenario »Wilder Westen« bisher das reale Zukunftsszenario dar.21
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10 Mobilität
Der erste Ansatzpunkt, der an dieser Stelle angeführt wird und als Projektionsrahmen
für weitere Innovationen dienen kann, ist die Vernetzung von Infrastruktur und Fahr-
zeugen. Ziel ist hierbei, die Kapazitätsauslastung von bestehenden Verkehrswegen zu
analysieren und sie in Form einer intelligenten Verkehrssteuerung zu optimieren.
Gemäß dem Leitsatz »Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts«, werden auch im Ver-
kehrssektor durchgehend Informationen über typisches Nutzerverhalten gesammelt.
Sowohl von Privatunternehmen als auch von staatlicher Seite wird der Verkehr auf
verschiedenste Weisen beobachtet und analysiert.
22 Vgl. BMVI, Providentia- Stadt, Land, Autobahn: ACCorD startet mit drei neuen Testfeldern in 2021, 2020.
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Auf Grundlage des aktuellen Verkehrsstroms und einer Vielzahl von Bewegungsdaten
sollen durch künstliche Intelligenz (siehe hierzu Kapitel 5 »Künstliche Intelligenz«)
konkrete Vorschläge zum verbesserten Verkehrsfluss, aber auch zur Gefahrenwar-
nung an die Autofahrer übermittelt und so die Verkehrsfrequenz optimieren werden.
Die Informationslage eines Fahrers ist damit nicht mehr nur auf das direkte Umfeld be-
schränkt, das durch die im Fahrzeug integrierten Messsysteme erfasst werden kann,
sondern erheblich erweitert. Speziell an Knotenpunkten und Kreuzungen kann das
Verkehrsleitsystem an die jeweils vorherrschende Verkehrssituation intelligent ange-
passt werden und den Durchfluss an Fahrzeugen dadurch optimieren.
Projiziert man die Entwicklungen der vernetzten Infrastruktur auf das Jahr 2031, so
können die Veränderungen nur teilweise von Außenstehenden unmittelbar wahrge-
nommen werden. Oft erfolgen Austausch und Auswertung von Daten im Hintergrund,
sodass letztendlich nur das Ergebnis für den Nutzer sichtbar wird.
23 Vgl. BMVI, Providentia – Vernetzung: Wie der Verkehr in Städten davon profitiert, 2020.
24 Vgl. Capgemini, Connected Vehicle Trend Radar 2, 2020.
25 Vgl. PwC, Digital Auto Report, 2020.
26 Vgl. BMVI, Providentia++: Die vier größten Herausforderungen, 2020.
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10 Mobilität
Für Familie Müller bedeutet dies zwar noch nicht, dass sich alle Verkehrsprobleme
wie beispielsweise Staus aufgelöst haben, allerdings können diese durch eine gezielte
Steuerung des Verkehrsstroms durch intelligente Leitsysteme oder individuelle An-
weisungen reduziert werden. Bei der Parkplatzsuche kann sich Herr Müller dann be-
reits auf ein Navigationssystem stützen, das ihm den nächstbesten Parkplatz sowohl
anzeigt als auch reserviert.
Zwar kann der Verkehrsfluss noch verbessert werden, der Verkehrsraum an sich ist
jedoch nur begrenzt ausbaufähig. Um dem Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung wei-
terhin entsprechen zu können, ist die Gesellschaft somit auch auf Lösungsansätze
zum Senken bzw. Optimieren des grundsätzlich vorhandenen Verkehrsaufkommens
angewiesen. Wie die in Kapitel 10.2.1 genannten Zahlen zur durchschnittlichen Nut-
zungsdauer bereits andeuten, sind die Transportmittel grundsätzlich bereits in aus-
reichender Stückzahl vorhanden. Lediglich deren unzureichende Auslastung bildet
die Stellschraube, an der für eine optimierte Mobilität hauptsächlich gedreht werden
muss. Eine Berechnung des Umweltbundesamts lässt erahnen, welche Ineffizienz ak-
tuell vorherrscht: Die derzeitigen Besetzungsgrade von etwa 50 % bei der Bahn und
nur ca. 1,5 Personen pro privatem PKW sind ausbaufähig. Diese freien Kapazitäten
können und müssen als Chance für künftiges Verbesserungspotenzial angesehen
werden. Bereits eine Steigerung des Besetzungsgrads um 0,2 Personen pro Fahrzeug
kann, Berechnungen des Umweltbundesamts zufolge, zu einem Rückgang der PKW-
Verkehrsleistung um 11 % führen.27
Genutzt werden kann an dieser Stelle ein sich bereits entwickelnder Sharing Trend,
der bereichsübergreifend mehr und mehr Einzug in die heutige Gesellschaft hält. An-
stelle von materiellem Besitz, der als Statussymbol angesehen wird, ist vermehrt
die Bereitschaft zur gemeinschaftlichen und geteilten Nutzung zu beobachten. Für
eine detailliertere Betrachtung kann hier auf Kapitel 1 verwiesen werden. Unter
dem Begriff »Mobility-as-a-Service« (MaaS) wird inzwischen ein breites Spektrum
an verschiedenen Transportangeboten offeriert. Das reicht von öffentlich zugäng-
lichen Fahrrädern oder E-Scootern, über Fahrgemeinschaften bis hin zu Angeboten
der öffentlichen Nahverkehrsmittel. Der Kunde zahlt in diesem Fall für »Mobility on
demand«, was bedeutet, dass er einen Transport von A nach B kauft. Der Dienstleis-
ter stellt die hierfür benötigten Rahmenbedingungen und Transportmittel zur Ver-
fügung. Durch die Mobilitätsdienstleistungen werden die Fixkosten des Autokaufs
und der Unterhaltung auf variable Kosten für die tatsächliche Nutzung umverteilt.
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Anstelle von selten und mit geringer Auslastung genutzten privaten Fahrzeugen kom-
men hochfrequent und gemeinschaftlich genutzte Transportmittel zum Einsatz. Dies
optimiert einerseits die Kapazitätsauslastung der eingesetzten Fahrzeuge erheblich,
andererseits wird auch die Preissensitivität gesteigert, sodass Anwender offener für
umweltfreundlichere Transportmodi wie Bus, Bahn und Fahrrad werden. Als zen-
traler Baustein des neuen vernetzten Angebots hat Carsharing beispielsweise das
Potenzial, pro verfügbarem Fahrzeug in Deutschland, je nach Lage und Einsatzgebiet,
bis zu 10 private PKW ersetzen zu können. Zudem zeigt eine in Paris durchgeführte
Studie, dass pro stationsgebundenem Carsharing-Wagen etwa 5 Parkplätze einge-
spart werden können.28
Obwohl die Offerten der meisten Mobilitätsanbieter noch in den Kinderschuhen ste-
cken und ein optimales Zusammenspiel mit den Kunden und Umgebungsbedingun-
gen noch gefunden werden muss, ist bereits eine zunehmende Akzeptanz innerhalb
der Bevölkerung wahrzunehmen. Naturgemäß stoßen die MaaS-Lösungen derzeit
vorrangig bei technikaffinen jüngeren Altersklassen auf Interesse. Um einen mög-
lichst barrierefreien Zugang zu gewährleisten, werden die Dienstleistungen durch
technologische Innovationen zur vereinfachten Interaktion erweitert. Neben einer
komfortablen Anwendung sind eine hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit notwen-
dige Kriterien für die Kundenakzeptanz.29 Wie zukünftige Mobilitätsangebote ausse-
hen können, kann durch einen Blick auf aktuelle innovative Geschäftsmodelle erahnt
werden.
28 Vgl. BMVI, Elektromobilität im Carsharing – Status quo, Potenziale und Erfolgsfaktoren, 2020, S. 41.
29 Vgl. Münchner Kreis e. V., Die Zukunft der Mobilität 2025+, 2020, S. 42.
30 Vgl. Zoox, Homepage, 2021.
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10 Mobilität
Wie die angeführten Fallbeispiele zeigen, wird das autonome Fahren (siehe Abbil-
dung 70), an dem bereits seit vielen Jahren intensiv auf Testgeländen und inzwischen
sogar im normalen Straßenverkehr geforscht wird, schon ganz konkret in erste Ge-
schäftsmodelle eingebunden. Durch den Wegfall von Fahrern und einen optimierten
Verkehrsfluss sollen die Beförderungskosten erheblich gesenkt werden, wodurch wie-
derum neue Einsatzgebiete erschlossen werden können, die aktuell aus wirtschaft-
licher Sicht noch nicht rentabel sind.
Im Jahr 2031 ist ein Mischverkehr aus autonomen und konventionellen Fahrzeugen
zumindest in Teilbereichen denkbar. Bis dahin sind jedoch rechtliche, technische und
ethische Fragen zu klären und in den nationalen Gesetzgebungen zu verankern. Auf-
grund der unterschiedlichen Herangehensweisen der einzelnen Länder sind zeitliche
Unterschiede in der Zulassung von autonomen Fahrzeugen auf den Straßen je nach
Staatsgebiet wahrscheinlich. 32
Ferner kann MaaS den Umstieg auf alternative Antriebsformen begünstigen und als
Enabler eine beschleunigende Wirkung ausüben. Speziell bei diesen täglich mehrstün-
dig eingesetzten Fahrzeugen kann sich der vergleichsweise hohe Anschaffungspreis
dieser E-Autos jedoch über die zu erwartende hohe Laufleistung und die geringeren
Betriebskosten wieder kompensieren.33
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Level 0
Keine Der Fahrer übernimmt sämtliche Fahrfunktionen ohne fremde Hilfe.
Automatisierung
Der Fahrer steuert ständig das Fahrzeug und wird bei manchen Aufgaben durch
Level 1 Assistenzsysteme unterstützt.
Assistiertes Fahren
Beispiel: Spurhalteassistent
Der Fahrer beherrscht ständig das Fahrzeug, wobei die Steuerung zeitweise
Level 2
bei bestimmten Aktionen ohne Eingreifen des Menschen möglich ist.
Teilautomatisiertes
Fahren Beispiel: Parkassistent
Der Fahrer darf sich vorübergehend unter bestimmten Umständen von Fahraufgabe
Level 3
und Verkehr abwenden, muss aber derart wahrnehmungsbereit bleiben,
Hochautomatisiertes dass er die Steuerung nach Aufforderung wieder übernehmen kann.
Fahren
Beispiel: Stauassistent im A8 (aktuell noch ohne Zulassung)
Aller Voraussicht nach können im Jahr 2031 für die meisten Wege Transportdienstleis-
ter in Anspruch genommen werden, deren Angebote verglichen mit dem Nutzen eines
eigenen PKW dann sowohl preislich mindestens gleichwertig als auch absolut ver-
lässlich sein werden. Da man bei der Fahrt zumeist nur als Passagier fungiert, können
währenddessen andere Tätigkeiten ausgeführt werden, was zu steigendem Komfort
und mehr Kundenfreundlichkeit führt.
Durch die Einführung des vollautomatisierten Fahrens wird es Herrn Müller problem-
los möglich sein, bereits auf der Hinfahrt zur Arbeit nicht nur an Meetings teilzuneh-
men, sondern diese auch mit der nötigen Aufmerksamkeit zu verfolgen. Für Fahrten
von mehreren Personen mit dem gleichen Ziel, wie beispielsweise der Weg zum Fuß-
balltraining, bietet sich die Nutzung von smarten Poolingkonzepten an. In die Zukunft
blickend, wird zudem ein intelligentes Schulbussystem einsetzbar sein, das die Bus-
se nicht mehr nur auf Verdacht an vorgegebene Haltestellen schickt und somit wer-
den sowohl Emissionen als auch Zeit eingespart. Über mobile Endgeräte werden die
Schulkinder in definierten Zustiegsgebieten lokalisiert, woraus sich dann für die Shut-
tlebusse eine optimale Route und Taktung zur Einsammlung errechnen lässt.
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10 Mobilität
Die Forderung ist daher, die Komplexität für den Kunden so gering wie möglich zu
halten, indem z. B. die Schritte der Suche, Verkettung und Buchung bereits in einem
einzigen Servicepaket zusammengefasst sind. Konkret bedeutet das, dass die in Ka-
pitel 10.3.2 präsentierten Lösungen, die sich über Jahre hinweg parallel und zunächst
unabhängig voneinander entwickelt haben, miteinander kombiniert und integriert
werden müssen. Durch die Kombination der einzelnen Dienstleistungsangebote wird
auch die strikte Trennung der Transportmittel aufgeweicht. Sie ergänzen sich entlang
von Mobilitätsketten, sodass eine multimodale und intermodale Mobilität mit fluiden
und nahtlosen Übergängen zwischen verschiedenen Streckenabschnitten entsteht.
+ + Montag
Mittwoch
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Birmingham und Wien verfügbar. Der Nutzer gibt den gewünschten Start und Endpunkt der
Reise an, woraufhin ein Algorithmus die jeweils besten Kombinationen aus einer Vielzahl an
verschiedenen Dienstleistern ermittelt und in gebündelten Paketen zum Kauf vorschlägt.
Integriert sind dabei bereits z. B. öffentliche Verkehrsmittel, Taxibetriebe, Car- und Bikesha-
ring-Anbieter. Optimiert wird das Angebot durch individuelle Vorlieben, wie beispielsweise
die Bevorzugung bestimmter Verkehrsmittel. Abhängig von den zuvor favorisiert ausgewähl-
ten Transportmitteln wird die Strecke von A nach B direkt über die App bezahlt. Alternativ
ist auch eine Auswahl an verschiedenen Abonnements und Flatrates verfügbar, die eine un-
begrenzte und damit flexible Nutzung teilnehmender Verkehrsmittel über einen definierten
Zeitraum zulassen. 35
Über Städte und Ländergrenzen hinweg wächst ein Netzwerk nach dem »Hub and
Spoke«-Prinzip. Transporte zwischen Knotenpunkten (»Hubs«) werden durch große
Transportkapazitäten wie Bus, Bahn oder Flugzeug übernommen, wohingegen die
Tür-zu-Tür bzw. Feinverteilung (»Spoke«) durch regionale Mobilitätsdienstleister oder
Fahrzeuge für die »letzte Meile« erfolgt. Zu letztgenannten zählen E-Scooter oder
Fahrräder, die die individuelle finale Strecke abdecken.
Im Jahr 2031 wird die multimodale Mobilität bereits fester Bestandteil unseres Alltags
sein. Im Gegensatz zur heutigen Zeit wird die Kombination und Integration bereits so-
weit fortgeschritten sein, dass die täglichen Wege über wenige Klicks gebucht werden
können. Je nach individuellem Bedürfnis können die spezifischen Vorteile wahrge-
nommen werden. Bei schönem Wetter wird ein Fahrrad eventuell in Kombination mit
dem ÖPNV gebucht, bei schlechtem Wetter wird Ridepooling in Anspruch genommen
und für mögliche Einkäufe nach Feierabend kann ein PKW in Form des Ridehailing ge-
ordert werden.
35 Vgl. MaaS Global, Sampo’s Blog: What Segmentation of Mobility Customers Tells Us About The Future, 2020.
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10 Mobilität
In den aktuellen Medien und Diskussionen rund um das Thema »smart City« sind die
Begriffe »Mobility-as-a-Service«, »Ride-Sharing« oder urbane Mobilität nicht mehr
wegzudenken. Jedoch erweckt die neue Möglichkeit der urbanen Logistik des inner-
städtischen Verkehrs in der Gesellschaft bislang noch kein großes Interesse, obwohl
sie grundlegend für die Versorgung der Stadt und für die Erhaltung der Lebensquali-
tät der Bewohner benötigt wird. Trends wie Urbanisierung, elektrische Antriebe, On-
linehandel und auch steigende Anforderungen an den Einzelhandel zeigen, dass ein
großer Handlungsbedarf besteht, die aktuelle Logistik weiterzuentwickeln. 36 Diese
Trends bringen bereits in der jetzigen Zeit massive Auswirkungen für Bürger und die
Logistikindustrie mit sich. Mithilfe von innovativen Projekten und Start-ups versucht
die Logistikindustrie den Folgen entgegenzuwirken und Lösungen zu erarbeiten.
Autonome Fahrzeuge im Jahr 2031 stellen eine verminderte Unfallgefahr dar. In Bezug
auf das obige Geschäftsmodell können die »Ducks« (hintereinander gekoppelte Elek-
troleichtfahrzeuge, siehe Abbildung 72) viel schneller auf Mehrfachanlieferungen an
einem Tag reagieren als gegenwärtig Postboten oder Paketzusteller.
Im Jahr 2031 kann das für Familie Müller bedeuten, ihre Pakete nicht zu unterschiedli-
chen Zeiten und damit von verschiedenen Versanddienstleistern zu erhalten, sondern
zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt direkt vor die Haustür geliefert zu bekommen.
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Abb. 72: Urbane Logistik Infrastruktur – ein regionaler zentraler Logistik Hub im Jahre 2030
Um die Treibhausgasemissionen auch außerhalb von Städten reduzieren und somit die
gesteckten Umweltziele erreichen zu können, ist der Einsatz von alternativen Antrieben
bei leichten Nutztransportern und LKW ebenfalls eine mögliche Maßnahme. Da die He-
rausforderungen an die entsprechenden Reichweiten der Nutzfahrzeugklassen ab 7,5
Tonnen enorm hoch sind, existieren batterieelektrifizierte LKW bislang entweder nur als
Prototyp oder als Kleinserie von Umbauten konventioneller LKW.39 Um dies auf lange
Sicht zu ändern, arbeiten bereits einige Unternehmen daran, die alternativen Antriebe
serienreif zu gestalten und den Einsatz auch auf längeren Strecken zu ermöglichen.
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10 Mobilität
Im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung ist das Ziel, bis 2030 etwa ein
Drittel der Fahrleistung des schweren Straßengüterverkehrs auf elektrische Antrie-
be oder auf strombasierte Kraftstoffe umzustellen, fest verankert. Allerdings werden
derzeit von der Gesamtzahl der LKW von 3,1 Millionen nur ca. 24.500 LKW elektrisch
angetrieben.41 Damit das Ziel der Treibhausgasreduzierung der Bundesregierung er-
reichbar wird, ist der Einsatz von elektrifizierten und mit erneuerbaren Energien be-
triebenen LKW unausweichlich. Wenn rund 30 % der LKW in Deutschland elektrisch
betrieben werden, kann eine Einsparung von sechs Millionen Tonnen an CO2-Emissio-
nen erreicht werden.42
Neben der Entwicklung von batterieelektrifizierten LKW gibt es noch viele weitere
Möglichkeiten, um noch weniger bzw. gar keine Emissionen im Betrieb zu verursa-
chen. Eine weitere der alternativen Möglichkeiten ist der Einsatz des Brennstoffzellen-
antriebs für LKW. Der Einsatz einer Brennstoffzelle ist bei LKW, im Vergleich zu PKW,
deutlich attraktiver, da die Lebensdauer einer Brennstoffzelle bei LKW um ein Viel-
faches höher ist.43
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biniert werden, ohne dabei Emissionen zu verursachen. Ebenfalls kann der Feinstaub,
der durch Bremsabrieb entsteht, durch eine Bremskraftrückgewinnung (Rekupera-
tion) deutlich verringert werden.47
Nicht nur durch eine Umstellung der vorhandenen Antriebsarten ist eine Einsparung
von CO2-Emissionen möglich, sie lässt sich ebenfalls durch optimierte Softwarelösun-
gen für den Einsatz von Ressourcen erreichen. Eine dieser Möglichkeiten ist dabei die
Erhöhung von Beladungsgraden und somit die Reduzierung von Leerfahrten. Um eine
optimalere Routenplanung zu ermöglichen, sind diverse Algorithmen bereits im Ein-
satz. Ein seit Jahren bekanntes Problem ist die unzureichende Nutzung von Ressour-
cenkapazitäten im Logistikbereich.
10.3.7 Crowd-Logistik
Innovative Geschäftsmodelle lassen sich allerdings nicht nur im Bereich der letzten
Meile finden, sondern ebenfalls für die sogenannte erste Meile. Das Stichwort hierfür
lautet Crowdsourcing. Hierbei überträgt ein Unternehmen bestimmte Transporttätig-
keiten auf Privatpersonen, die diese Aufgaben aktiv bearbeiten. Ziel dabei ist es, eine
47 Vgl. ebd.
48 Vgl. Dizzbo, Homepage, 2019.
49 Vgl. DVV, Dizzbo will nicht ausgelastete LKW füllen, 2019.
50 Vgl. HighText, RAIN startet Realtime-Logistikplattform für Dizzbo, 2019.
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10 Mobilität
Im Jahr 2031 kann auch Familie Müller von solchen Geschäftsmodellen profitieren.
Probleme, wie die Koordination von Lieferzeitpunkten oder Rücksendungen von gro-
ßen oder sperrigen Waren, sollten sich mit Modellen der Crowd-Logistik lösen lassen.
Auf der Fahrt zur Arbeit kann Herr Müller in seinem PKW Pakete mitnehmen, die auf
seinem Arbeitsweg liegen oder in die Nähe seines Arbeitsplatzes geliefert werden
müssen. Ebenso kann Frau Müller auf dem Weg zum Einkaufen oder in den Kindergar-
ten Pakete ausliefern. So werden Strecken nicht unnötigerweise mehrfach befahren,
sondern notwendige Fahrten zusätzlich effizienter genutzt.
Auf das Jahr 2050 vorausschauend, ist ein gemischter Verkehr aus manuell und auto-
nom gesteuerten Fahrzeugen sehr wahrscheinlich. Während dieser Zeitspanne wird
sicherlich die Diskussion erfolgen, ob ausschließlich autonomes Fahren zugelassen
werden soll, um menschliche Fehler und deren Folgen im Straßenverkehr zu eliminie-
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ren. Ferner werden auch innovative Hardware- und Technologieformen eine ergänzen-
de Rolle spielen. Regelmäßig werden schon jetzt alternative Transportmöglichkeiten
wie Flugtaxis oder Hyperloops thematisiert, die den vorhandenen Bewegungsraum
um zusätzliche Möglichkeiten in der Luft oder unter der Erde erweitern sollen. Prof.
Dr. Rolf Henke, Vorstand im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ist der
Meinung, dass man durch die medienwirksam durchgeführten Tests bewusst »die
Fantasie eines breiten Publikums bedient« und die Bereitschaft der Bevölkerung zur
Nutzung des derzeitigen und zukünftigen Technologie- und Wissenschaftsstands aus-
testet.
Ein zukunftsnahes Szenario, wie diese Innovationen die Mobilität maßgeblich verän-
dern können, sieht er dabei noch nicht. 52 Dennoch zeigen die Fortschritte und gelun-
genen Testflüge und -fahrten eine, wenn auch eher ins Jahr 2050 zu terminierende
Vision, wohin sich die Mobilität noch entwickeln könnte.
Auch im Bereich der Logistik sind neue Geschäftsmodelle mit autonomen und voll-
automatischen Technologien denkbar. Ein Unternehmen aus der Schweiz hat bereits
im Jahr 2017 den Lösungsansatz von sogenannten »Cargo sous terrain« vorgestellt,
die kleine Frachttransporte auf ein unterirdisches Tunnelsystem verlagern. 53 So
könnten rund 30 % des Lieferverkehrs übernommen und rund 50 % der Lärmemissio-
nen reduziert werden. 54 Eine weitere denkbare Transportmöglichkeit von Gütern für
die letzte Meile können im Jahr 2050, aber vermutlich auch schon sehr viel eher, soge-
nannte »Robodogs« sein. Diese wurden von dem internationalen Automobilzulieferer
Continental entwickelt. Das Konzept hierzu besteht aus einem autonom fahrenden
Fahrzeug namens CUbE (Continental Urban Mobility Experience), das die kleinen »Ro-
boterhunde« zu einer bestimmten Adresse bringt und aussetzt. Jeder Roboterhund
bringt daraufhin sein geladenes Paket zum Zielort. Die Roboterhunde sollen laut des
Unternehmens auch Treppen steigen oder an einer Tür klingeln können.
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10 Mobilität
Takeaways:
Nützliche Links
¸ https://www.muenchner-kreis.de/download/zukunftsstudie7.pdf
¸ https://think-beyondtheobvious.com/stelters-podcasts/
¸ https://www2.deloitte.com/ch/de/pages/press-releases/articles/wie-
covid19-unseren-alltag-beeinflusst-mobilitaetskonzepte.html
¸ https://www.rolandberger.com/de/Insights/Publications/Wie-wird-
urbane-Logistik-2030-aussehen.html
¸ https://www.plattform-zukunft-mobilitaet.de/2download/wege-zur-
erreichung-der-klimaziele-2030-im-verkehrssektor-kapitel-4-
schlussfolgerung-und-ausblick/
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11 Biotechnologie – Innovationstreiber
für das 21. Jahrhundert
Zusammenfassung
Biotechnologie ist eine der erfolgversprechendsten Technologien des 21. Jahr-
hunderts. Ihr enormes Innovationspotenzial wird unser Leben in den kommenden
Dekaden in vielen Bereichen deutlich verändern. Im folgenden Kapitel werden die
Biotech-Branche und die damit assoziierten Technologien genauer beschrieben. An-
schließend wird das Innovationspotenzial anhand konkreter Beispiele aus den wich-
tigsten Bereichen Gesundheit, Ernährung, Umwelt, Energieversorgung und neue
Materialien dargestellt. Dabei handelt es sich um Innovationen, die im Jahr 2031 be-
reits zur Realität gehören können.
Schlüsselbegriffe
Biotechnologie, Querschnittstechnologie, Abbau von Mikroplastik,
Tissue Engineering (Gewebezüchtung), Artificial Meat (aus Zellkultur),
Wasserstoff aus Mikroalgen, neue Gewebe aus Spinnenseide (Bionics)
»Biotechnologie auf einen Nenner gebracht: Feed, fuel and heal the world«
US Biotechnology Industry Organization (BIO)
Innovationen im Bereich der Biotechnologien sind eine zentrale Antriebskraft bei der
Entwicklung einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaft. Keinem anderen Industrie-
sektor werden so viele bahnbrechende Entwicklungen zugeschrieben wie der Bio-
technologie. Durch sie werden unter anderem eine Vielzahl medizinischer Bedürfnisse
befriedigt, eine intelligente, effizientere Nutzung natürlicher Ressourcen und eine Re-
duzierung der Treibhausgase ermöglicht sowie die Qualität und Quantität der Lebens-
und Futtermittel verbessert werden. Damit trägt die Biotechnologie entscheidend zur
Verbesserung der Lebensqualität, Produktivität und des Umweltschutzes bei.1
1 Vgl. Dupont-Inglis, Horizon 2030: A new vision for transformative, innovative biotechnology, 2020, S. 6.
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Doch was genau versteht man unter Biotechnologie, welche Innovationen und An-
wendungen werden damit in Verbindung gebracht?
Die Biotechnologie ist eine interdisziplinäre Branche mit Verbindungen zur Biologie,
Medizin, Chemie und zu den Ingenieurwissenschaften. Deshalb wird sie auch oft als ty-
pische Querschnittstechnologie charakterisiert.2 Ihr Ziel ist es, durch die Anwendung
von Wissenschaft und Technik auf lebende Organismen, neue lebende oder nicht le-
bende Materialien zu entwickeln, um sie für die verschiedensten Anwendungen aus
den Bereichen Medizin, Industrie und Landwirtschaft zu nutzen. 3 Dabei geht es fast
immer um das gleiche Grundprinzip: Einbringen genetischer Information in Zellen und
Umschreiben in Proteinen sowie Herstellen von Proteinen mit den gewünschten Funk-
tionen – Enzyme, Antikörper, Hormone, Peptide, um nur einige Beispiele zu nennen.
Das breite Spektrum an Einsatzgebieten für biotechnologisch erzeugte Produkte zeigt
auch die Aufteilung der Tätigkeitsfelder deutscher Biotechnologie-Unternehmen, die
in Abbildung 73 dargestellt ist.
Fast die Hälfte der Firmen ist im Gesundheitssektor tätig und entwickelt beispiels-
weise neue Therapien für bisher unheilbare Krankheiten oder Diagnostiktests. Knapp
ein Drittel der Unternehmen zählt zu den Forschungsdienstleistern. Sie sind in erster
Linie als Zulieferer und Partner für andere Life Science-Unternehmen tätig. Rund 10 %
der deutschen Firmen im Biotechnologiesektor beschäftigen sich mit industrieller
Biotechnologie. Sie bringen unter anderem Neuerungen in wichtige Branchen wie die
Chemie-, die Kosmetik- oder die Ernährungsindustrie. Der Bereich der Bioinformatik
gewinnt im Zuge der Digitalisierung immer mehr an Bedeutung. Firmen in diesem
Sektor beschäftigen sich mit der Verarbeitung immer größerer Datenmengen wie bei-
2 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Innovationen durch Biotechnologie, 2017, S. 6.
3 Vgl. acatech IMPULS, Innovationspoteztiale der Biotechnologie, 2017, S. 7.
4 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Innovationen durch Biotechnologien, 2017, S. 8.
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spielsweise der Sequenzierung von Genomen diverser Lebewesen. Die kleinste, aber
nicht zu vernachlässigende Sparte der Biotechnologien ist die Agrobiotechnologie.
Unternehmen in diesem Bereich beschäftigen sich beispielsweise mit der Präzisions-
züchtung neuer Pflanzen mit verbesserten Eigenschaften. 5
Automobil-
Bau Chemie
branche
Die wirkliche Breite der Einsatzgebiete der Biotechnologie über viele, auch volkswirt-
schaftlich relevante Industriezweige zeigt die Branchenübersicht in Abbildung 74 mit
Beispielen bioökonomischer Entwicklungen. Aus dieser Abbildung wird deutlich, dass
in fast allen wichtigen Branchen in Deutschland, auch dort, wo man es nicht erwarten
5 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Innovationen durch Biotechnologie, 2017, S. 7–8.
6 Vgl. acatach (Hrsg.), Innovationspotenziale der Biotechnologie, 2017, S. 48.
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Biotechnologie gilt als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts mit einem enor-
men Innovationspotenzial. Ihr wird eine ähnliche Transformationskraft wie der Di-
gitalisierung zugeschrieben. Der sich verstärkende Trend in fast allen Branchen zur
Ressourcen-Schonung, Umweltverträglichkeit und Energieeffizienz rückt gerade die
Biotechnologie als Lösungsanbieter in den Fokus. 8
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11.3 Biotechnologie-Innovationen 2031
Aber welche bahnbrechenden Innovationen aus der Biotechnologie können wir mit
Blick auf das Jahr 2031 tatsächlich erwarten? Und welche Bedeutung werden sie bei
der Bewältigung der bereits heute absehbaren Problemfelder der Zukunft haben? Ei-
nige konkrete Beispiele sollen dies im Folgenden anschaulich aufzeigen.
Tissue Engineering vereint die Prinzipien der Zellbiologie, der Werkstoffkunde, der
Chemie, der Molekularbiologie, der Ingenieurswissenschaften und der Medizin. Dazu
werden Patienten Zellen (gewebespezifische Primärzellen oder pluripotente Stamm-
zellen) entnommen und durch Zellkulturtechniken vermehrt.11 Die Primärzellen (z. B.
Herzzellen), lassen sich durch die Wahl der richtigen Kultivierungsbedingungen auf
einer gestaltgebenden Matrix züchten und somit zu komplexeren funktionalen Ge-
webestrukturen entwickeln. Die pluripotenten Stammzellen können mit spezifischen
Wachstumsfaktoren zu den unterschiedlichsten Zelltypen ausdifferenziert werden.
Im weiteren Verlauf werden auch diese Zellen genutzt, um eine biologische oder syn-
thetische Trägerstruktur zu besiedeln.12
10 Vgl. Janson, Infografik: So viele Patienten warten auf ein Spenderorgan, 2020.
11 Vgl. Schanz, Tissue Engineering: Menschliches Gewebe aus dem Labor, 2013.
12 Vgl. Schanz, Tissue Engineering: Menschliches Gewebe aus dem Labor, 2013.
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Die Anwendungsgebiete für das Tissue Engineering sind vielfältig. So können auf die-
se Weise Strukturen wie Vitalorgane, Blutgefäße, Muskeln, Sehnen, Knorpel und Haut
hergestellt werden. Es ist also möglich, nahezu alle Bestandteile des menschlichen
Körpers nachzubilden.15 Ein neueres Forschungsgebiet ist die Rekonstruktion von
neurologischem Gewebe. Dabei werden die Trägerstrukturen neben der Einbringung
von Stammzellen auch dazu genutzt, Medikamente in das betroffene Gewebe einzu-
bringen. Bei erfolgreicher Umsetzung wäre es möglich, auch neurologische Krankhei-
ten wie Alzheimer, Parkinson und amyotrophe Lateralsklerose (ALS) zu heilen und die
Langzeitfolgen von akuten Schlaganfällen und Rückenmarksverletzungen zu verhin-
dern.16
Neben dem Ersatz von Organen werden die hergestellten Gewebe bereits heute als
humane Testsysteme für die Grundlagenforschung sowie für die Medikamentenent-
wicklung genutzt. So können viele – aus ethischen Gründen auch sehr kritisch dis-
kutierte – Tierversuche ersetzt und eingespart werden. Die Ergebnisse der Tests von
neuartigen Medikamenten können besser auf den Menschen übertragen und Zulas-
sungsprozesse dadurch verkürzt werden17.
Das Marktpotenzial des Tissue Engineering wird durch die oben angeführten mögli-
chen Anwendungsgebiete definiert. Das große Defizit an Spenderorganen wird sich
mit Blick auf die längere Lebenserwartung der Bevölkerung verschärfen.18 Es ist zwar
noch ein langer Weg, bis komplette komplexere Organe wie das menschliche Herz
künstlich hergestellt werden können, doch wenn dies möglich ist, wird der Bedarf
an Organersatzmöglichkeiten groß sein. Unterschiedlichen Studien zufolge wird der
13 Vgl. Rey, Advances in Tissue Engineering and Innovative Fabrication Techniques for 3-D-Structures:
Translational. Application in Neurodegenerative, 2020, S. 2–3.
14 Vgl. Schanz, Tissue Engineering: Menschliches Gewebe aus dem Labor, 2013.
15 Vgl. Langer, Advances in Tissue Engineering, 2016, S. 2–5.
16 Vgl. Rey, Advances in Tissue Engineering and Innovative Fabrication Techniques for 3-D-Structures:
Translational. Application in Neurodegenerative, 2020, S. 16–21.
17 Vgl. Schanz, Tissue Engineering: Menschliches Gewebe aus dem Labor, 2013.
18 Vgl. ebd.
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19 Vgl. Grand Review Research, Tissue Engineering Market Size, Share & Trends Analysis Report By
Application (Cord Blood & Cell Banking, Cancer, GI & Gynecology, Dental, Orthopedics, Musculoskeletal, &
Spine), By Region, And Segment Forecasts, 2020–2027, 2020.
20 Vgl. Market Research Future, Tissue Engineering Market Size Projection, Research Insights, Growth Trends,
Sales Statistics, COVID-19 Impact and Industry Dynamics By 2024, 2020.
21 Vgl. TETEC – Tissue Engineering Technologies AG, Unternehmen, 2020.
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funktionelle Gene) gezielt und präzise ausschneiden und durch funktionelle Gense-
quenzen ersetzen, wie in Abbildung 75 dargestellt. Doch nicht nur für die Heilung ge-
netisch bedingter Krankheiten kommt diese Technologie zum Einsatz. Vielmehr spielt
sie auch schon heute bei der gezielten Veränderung von pflanzlichen Merkmalen eine
Rolle (z. B. Hitzeresistenz, Ertrag etc.). CRISPR/Cas ist eine Methode, die unsere jetzige
Lebenswelt radikal verändern wird.22 Sie wird schon jetzt von einigen Wissenschaft-
lern als die Entdeckung des 21. Jahrhunderts bezeichnet, obwohl ihr wahres Potenzial
noch nicht annähernd aufgedeckt ist.23
Dies wird auch dadurch eindrucksvoll unterstrichen, dass im Jahr 2020 Emmanuelle
Charpentier (Max-Planck-Institut Berlin) und Jennifer Doudna nur wenige Jahre nach
ihrer Entdeckung den Chemie-Nobelpreis für die Erfindung der CRISPR/Cas-Methode
erhielten.24
22 Vgl. Deutscher Ärzteverlag GmbH: CRISPR/Cas9: Große Chancen, kaum kalkulierbare Risiken, 2017.
23 Vgl. Deutscher Ärzteverlag GmbH : Genomchirurgie: Weder Schwarz noch Weiß, 2016.
24 Vgl. BR Wissen: Entdeckung der Genschere CRISPR ausgezeichnet, 2020.
25 Vgl. i-bio Information Biowissenschaften: CRISPR/Cas-System, 2020.
26 Vgl. i-bio Information Biowissenschaften: Nobelpreis für CRISPR/Cas: Was man dazu wissen sollte, 2020.
27 Vgl. LUMITOS AG: CRISPR Therapeutics, 2020.
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In der aktuellen Coronapandemie war die schnelle Entwicklung von wirksamen Impf-
stoffen auf Basis der »m-RNA-Plattform« innerhalb eines knappen Jahres eine Sen-
sation. Dass hierbei auch gleich zwei deutsche Biotech-Unternehmen mit an der
vordersten Front der Technologieentwicklung standen, ist umso erfreulicher. Gleich-
zeitig wurde damit aber auch die Basistechnologie dieser Plattform bestätigt.
Die m-RNA-Technologie beschleunigt diesen Weg dadurch, dass statt des mühsamen
Prozesses zur Herstellung der Antigene dem Körper direkt die genetischen Baupläne
(in Form von m-RNA) zugeführt werden, aus denen der Körper selbst die Antigene her-
stellt und die entsprechenden Immunreaktionen initiiert. 30 Im Falle der Corona-Infek-
tion wurde hierfür die genetische Information der sog. »Spike«-Oberflächenproteine
des Virus genutzt.
Die deutlich schnelleren Prozesse unter Nutzung der m-RNA-Plattform sind mit Blick
auf Infektionskrankheiten und auf die Gefahren, die von zukünftigen Pandemien aus-
gehen können, eine große Chance, schneller auf sie zu reagieren und sie effektiver
abzuwenden.
Das Innovationspotenzial dieser m-RNA-Plattform ist aber noch deutlich größer und
eröffnet visionärere Optionen, die die Therapiewelt revolutionieren könnten. Man
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stelle sich nur vor, dass man zukünftig mit m-RNA, also dem Überträger der geneti-
schen Baupläne zur Herstellung von Proteinen, alle bisherigen Proteintherapien er-
setzen könnte. Insbesondere fallen hierunter die inzwischen breit angewendeten
monoklonalen Antikörper, sog. »Blockbuster«, gegen eine Vielzahl von krankheits-
relevanten Zielstrukturen (Targets) im Patienten. Oder auch therapeutische Proteine
wie z. B. das Insulin, eröffnen einen weltweiten Milliardenmarkt für die Therapie von
Diabetes. Diese Visionen werden heute bereits in der Forschung aktiv bearbeitet. Der
Durchbruch bei den m-RNA Impfstoffen bestätigt das Prinzip und lässt umso mehr
auch auf Erfolge mit diesen Anwendungen hoffen. Signifikante Änderungen für die
gesamte Pharmaindustrie – Herstellungsprozesse, Supply Chain, Geschäftsmodelle–
wären die Folge. Patienten würden entsprechend von schnelleren Entwicklungen und
Zulassungen profitieren.
We shall escape the absurdity of growing a whole chicken in order to eat a bre-
ast or a wing, by growing these parts separately under a suitable medium.
Winston Churchill
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Die Problematik, die Churchill bereits vor knapp 100 Jahren – damals sicherlich als
wünschenswerte Utopie – angesprochen hat, wird sich in den kommenden Jahren
durch eine stark wachsende Bevölkerung (9 Milliarden im Jahr 2050) noch verstärken.
Doch auch der Wandel der Essgewohnheiten wird dazu führen, dass der Bedarf an Le-
bensmitteln um bis zu 70 % steigen wird. In Anbetracht der Begrenzung von Ackerland
und Ressourcen stellt dies eine große Herausforderung dar. Der Fleischkonsum in den
Industrieländern wird zwar tendenziell sinken, im Gegensatz dazu entwickeln sich die
Entwicklungsländer jedoch weiter zu einer Mittelklassegesellschaft und zählen da-
durch Luxusartikel wie Fleisch und andere tierische Produkte zu ihren Standards. 31
Es befinden sich bereits unterschiedliche Alternativen zu konventionellem Fleisch in
der Entwicklung. Neben Fleischersatzprodukten aus Pflanzen oder Pilzen gibt es als
Alternative im Labor gezüchtetes Fleisch, das sogenannte kultivierte Fleisch (Artificial
Meat). 32 Doch was ist kultiviertes Fleisch, wie wird es hergestellt und hat es vielleicht
sogar Vorteile im Vergleich zum konventionellen, klassischen Fleisch?
Zur Züchtung von kultiviertem Fleisch im Labor werden grundsätzlich ähnliche Me-
thoden wie beim Tissue Engineering angewendet. Ziel ist es, mithilfe von wenigen Zel-
len als Ausgangsmaterial fleischähnliche Strukturen zu züchten. Mithilfe einer Biopsie
werden dem lebenden Tier Muskelstammzellen entnommen. Die darin enthaltenen
Zellen können sich in verschiedene in Muskeln vorkommende Zellen verwandeln. Die
Zellen werden in einen Bioreaktor gegeben, wo sie sich in einem Nährmedium mit
Nährstoffen, Hormonen und Wachstumsfaktoren vermehren. Nach der Zellvermeh-
rung werden die Zellen durch einen Wechsel des Nährmediums zur Differenzierung
angeregt und verändern sich dadurch in Muskelzellen, wobei sie Fasern, die Muskel-
fasern ähnlich sind, bilden. Diese Streifen werden dann auf einer schwammartigen
Trägerstruktur befestigt, die die Zellen mit Nährstoffen versorgt und sie mechanisch
dehnt. Durch die mechanische Belastung erhöhen die Zellen ihre Größe und ihren Pro-
teingehalt. Das entstandene Gewebe kann, nachdem es die passende Größe erreicht
hat, zum Verzehr genutzt werden.33
Daan Luining, der CTO eines der führenden Unternehmen im Bereich des im Labor ge-
züchteten Fleisches, beschreibt mit seiner Aussage das Potenzial von In-vitro-Fleisch
sehr eindeutig. Es hat gegenüber dem konventionellen Fleisch einige Vorteile. Ein gro-
ßer Nutzen ist der positive Effekt auf die Umwelt. Es ist bekannt, dass die Viehzucht
einen beachtlichen Beitrag zur Emission von Treibhausgasen beiträgt. Vor allem der
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Ausstoß von Methan kann deutlich verringert werden. Unter bestimmten Produk-
tionsfaktoren reduziert künstlich hergestelltes Fleisch, verglichen mit der »normalen«
Fleischproduktion, die Landnutzung um 99 %, den Wasserverbrauch um 90 % und den
Energieverbrauch um 40 % und ist damit um einiges nachhaltiger.34 Darüber hinaus
wird das künstlich produzierte Fleisch als sicherer eingestuft, da es keine durch Tie-
re übertragene Krankheiten weitergeben kann. Ein nicht zu vernachlässigender Vor-
teil ist die Möglichkeit, die Nährwerte auf die Konsumenten abzustimmen. So wird es
möglich sein, den Nährwertgehalt des im Labor gezüchteten Fleisches u. a. auf die Be-
darfe der Verbraucher abzustimmen. Dies ist vor allem für ältere, kranke Menschen
von großem Interesse, aber auch für Sportler oder andere Menschen, die besonders
auf ihre Ernährung achten.35 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Tech-
nologie des kultivierten Fleisches vielversprechende Zukunftsperspektiven eröffnet.
Studien zur Akzeptanz von im Labor gezüchteten Fleisch in den USA, Indien und Chi-
na zeigen, dass die Fleischalternative durchaus auf Befürwortung in der Bevölkerung
stößt. Demnach würden 64,6 % das gezüchtete Fleisch probieren und 49,1 % können
sich vorstellen, es regelmäßig als Ersatz für normales Fleisch zu konsumieren.
34 Vgl. Bonny, What is artificial meat and what does it mean for the future of the meat industry?, 2015, S. 257.
35 Vgl. Fernandez, You Will Be Eating Lab-Grown Meat Soon: Here’s What You Need to Know, 2020.
36 Vgl. Mosa Meat, Frequently Asked Questions about clean meat, 2020.
37 Vgl. Reuters, 9 statt 250.000 Euro für einen Burger – Kosten für Laborfleisch sinken, 2020.
38 Vgl. Mosa Meat, Frequently Asked Questions about clean meat, 2020.
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Abb. 76: Vergleich zwischen einer Qualle und Plastik, Autor: Buğra Doğan & Naja Bertolt Jensen
Mikroplastik gelangt auf vielen Wegen in unsere Umwelt. Es ist in Kleidung aus chemi-
schen Fasern, aber auch in Kosmetikprodukten wie Zahnpasta und Peelings enthal-
ten. Klärwerke sind nicht fähig, diese mikroskopisch kleinen Teilchen herauszufiltern,
wodurch sie letzten Endes im Meer landen. Eine weitere Problematik ist die Menge
an Einwegplastik auf unserem Planeten. In vielen Ländern führt das Fehlen der Infra-
struktur und finanziellen Mittel dazu, dass nicht einmal 50 % des produzierten Mülls
regelkonform beseitigt werden. Große Teile davon landen in Südostasien in Flüssen
und im Meer.41
Nicht nur das Meer und die Tiere leiden unter den Massen von Plastik. Auch die Klima-
erwärmung wird durch die Produktion von Plastik beschleunigt. Eine Prognose des
Zentrums für internationales Umweltrecht besagt, dass die Plastikproduktion bei der
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jetzigen Wachstumsrate im Jahr 2050 einen Ausstoß von 52,5 Gigatonnen Kohlendi-
oxid generieren wird. Dies entspricht zirka 13 % der jährlichen Produktion.42
Neben der Produktion führt auch die Verbrennung von Plastik weltweit zu etwa 400
Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich. Recycelt werden bisher nur geringe Men-
gen, da es aus wirtschaftlicher Sicht nicht rentabel ist. In Europa sind es 30 %, in Chi-
na 25 % und in den USA sogar nur 9 % des gesamten Plastiks, die wiederaufbereitet
werden.
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»Wasserstoff ist nicht konkurrenzfähig« – diese Aussage könnte schon bald der Ver-
gangenheit angehören. Denn durch die Erforschung von Mikroalgen zur Herstellung
von Wasserstoff in großen Mengen ändert sich dies. Angesichts der Klimaerwärmung
kann diese Errungenschaft weltverändernd sein. Denn bei der Verbrennung produ-
ziert Wasserstoff im Gegensatz zu herkömmlichen Energiequellen keine umwelt-
schädlichen Nebenerzeugnisse.
Wasserstoff ist ein ausgezeichneter Energiespeicher und dient als Kraftstoff, Grund-
stoff für industrielle Prozesse und Erdgasersatz zugleich. Aufgrund der guten Spei-
cherfähigkeit und hohen Energiedichte wird er unter anderem als Treibstoff für
Raketen verwendet. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Speicherung auf unterschiedli-
che Arten erfolgen kann. – von kleinen Kartuschen bis hin zu riesigen unterirdischen
Kavernen. Bisher ist Langzeitspeicherung von Energie nur mit Wasserstoff vernünftig
durchführbar.45
Aktuell ist die Wirtschaftlichkeit hinter dieser Technologie noch nicht gegeben.
Schwerlasttransporte, die lange Strecken zurücklegen, werden diese vermutlich zu-
erst erreichen.46 Der Klimawandel und die einhergehenden Gesetzesänderungen
zwingen die Unternehmen jedoch zu einem Umdenken im Bereich der Mobilität.
Es existiert derzeit noch keine nachhaltige Lösung zur Herstellung von Wasserstoff
im industriellen Rahmen. Der Energiebedarf ist extrem hoch, um das Molekül H2 aus
Wasser abzuspalten. Aus diesem Grund generiert der Herstellprozess (wie beispiels-
weise die Elektrolyse) eher Verlust als Gewinn. Außerdem ist dieses Unterfangen nicht
ungefährlich. In Kombination mit Sauerstoff entsteht ein explosives Gemisch. Schließ-
lich ist das Verfahren auch umweltschädlich, da bei manchen Produktionstechniken
Erdgas benötigt wird, wodurch als Nebenprodukt Kohlenstoffdioxid entsteht. Auch
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hier stellt die Biotechnologie innovative Alternativen zur Verfügung, die die gegen-
wärtigen Probleme bei der Wasserstoffnutzung überwinden können.
Fallstudie 11-7: Mikroalgen als Energielieferant der Zukunft und weit mehr?
Es ist nichts Neues, dass Algen Wasserstoff herstellen können. Bisher war jedoch der ex-
treme Platzbedarf ein großes Problem. Forschern der Universität Bristol und des Harbin
Institute of Technology ist es nun gelungen, diese Hürde zu überwinden. Sie haben eine hohe
Dichte an Algenzellen auf kleinstem Raum, in einem Tröpfchen, komprimiert. Aufgrund des
unzureichenden Sauerstoffgehalts in diesem Tröpfchen, wurden Enzyme im Stoffwechsel
der Algenzellen aktiviert, durch die sie statt Sauerstoff Wasserstoff erzeugen können. Durch
weitere Vorgehensweisen konnten die Forscher die Menge an Algenzellen in dem Tröpfchen
noch weiter erhöhen, sodass ein Anstieg der Wasserstoffproduktion errungen wurde.47 Es
ist eine vielversprechende und umweltfreundliche Methode, die zwar noch in den Kinder-
schuhen steckt, jedoch eine revolutionäre Wende darstellen könnte. Wasserstoff könnte
somit eine umweltfreundliche Alternative zu Treibstoff und eine effizientere Möglichkeit zur
Energiespeicherung darstellen.48
Die heutige Infrastruktur kann durch eine Modifizierung weiter genutzt werden. Es müssen
keine komplett neuen Systeme installiert werden. Fahrzeuge auf nicht elektrifizierten Stre-
cken könnten mit Wasserstoff angetrieben werden, was eine emissionsfreie Fortbewegung
im öffentlichen Personennahverkehr und für Gütertransporte bedeuten könnte.49
Algen haben in Bezug auf ihren Einsatzbereich ein immens großes Potenzial. Mikroalgen er-
zeugen Biogas, das der Stromerzeugung dienen könnte. Bioreaktorfassaden könnten einen
Durchbruch für den kommerziellen Stromgebrauch bedeuten. Umweltfreundliche Energie-
gewinnung wäre dann die einzige und nicht nur eine alternative Methode.
Algen können als nährstoffreicher Dünger, Nahrungsmittel und auch als Biomasse zur Energie-
produktion von Nutzen sein. Durch eine sinkende Anzahl von beispielsweise Maisfeldern als
Energiepflanze könnte vermehrt Platz für Anbauflächen für menschliche Nahrungspflanzen
geschaffen werden.
Bio-Öl aus Algen könnte Rohöl ersetzen und somit einen neuen, nachhaltigen Rohstoff zur
Kunststoffherstellung bieten. Es wäre auch möglich, robuste Kleidung aus Algen herzustel-
len, da die Fasern sehr widerstandsfähig sind.
Algen binden wie auch andere Pflanzen durch Fotosynthese Kohlenstoffdioxid. 50 Durch das
Anbringen von Algenkulturen an Häuserfassaden möchte das deutsche Unternehmen Solaga
die Luftqualität in Städten aufwerten. 51
47 Vgl. Energiezukunft: Neuer Ansatz bei der Herstellung von Wasserstoff aus Algen, 2020.
48 Vgl. BR Wissen: Explosives Gas als Energieträger der Zukunft, 2020.
49 Vgl. ZEAG Energie AG: Mobilität – ein wichtiger Anwendungsbereich für Wasserstoff, 2020.
50 Vgl. Trends der Zukunft: Neue Super-Algen produzieren das Fünffache an Wasserstoff, 2020.
51 Vgl. Energiezukunft: Neuer Ansatz bei der Herstellung von Wasserstoff aus Algen, 2020.
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Materialforschung ist die Grundlage unseres Lebens. Ohne sie ist Fortschritt
nicht möglich.
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Schon seit Bestehen der Menschheit sind funktionelle Materialien eine bedeutende
Triebkraft für den technologischen Fortschritt. So werden schon die Entwicklungs-
phasen der Menschen, die Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit, nach den zur jeweiligen
Zeit prägenden Materialien benannt.
Auch in Forschung und Entwicklung sind neuartige und innovative Materialien all-
gegenwärtig. So haben mehr als zwei Drittel aller technischen Neuerungen direkt
oder indirekt mit neuen Materialien zu tun. Beispielweise können durch sie Autos
leichter und kraftstoffsparender konzipiert werden, Flugzeuge können ebenfalls leich-
ter und betriebskostensparender gebaut werden und medizinische Produkte können
besser an den menschlichen Körper angepasst werden. Durch die große Reichweite
von innovativen Materialien wird die Materialwissenschaft auch als Schlüssel- und
Querschnittstechnologie beschrieben. 52 Dass auch im Bereich der innovativen Mate-
rialwirtschaft die Biotechnologie eine entscheidende Rolle spielt, zeigt das Beispiel
»Spinnenseide«. Generell repräsentiert dieses Beispiel einen wichtigen Trend, der vor
allem durch die Biotechnologie realisiert werden kann: »Bionics« beschreibt die tech-
nische Umsetzung von interessanten Beobachtungen in der Natur – von meist durch
die Evolution hervorgebrachten besonderen Leistungen von Tieren, Mikroorganis-
men oder Pflanzen.
Die Seide ist das Überlebensmittel der Spinne. Und diese ist schon einige Mil-
lionen Jahre länger auf der Welt als der Mensch – sie hat also ganz schön lange
durchgehalten.
Jens Klein
Das Zitat des Geschäftsführers des Unternehmens AMSilk zielt auf die herausragen-
den Eigenschaften der Spinnenseide ab. Als innovatives »Biomaterial« ist sie stärker
als Stahl oder Kevlar aber auch enorm dehnbar, zugfest, flexibel, leicht, hypoallergen
und antibakteriell. 53 Ferner besteht die Spinnenseide nur aus Proteinen und ist damit
umweltfreundlich und komplett biologisch abbaubar.
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Leider kann dieses Wundermaterial der Spinnen nicht so einfach produziert werden.
Spinnen, ähnlich wie Seidenspinnenraupen, für die Herstellung der Seide zu züchten
und zu halten, ist aufgrund ihres kannibalischen Verhaltens nicht möglich. Die Lösung
liegt in der Biotechnologie: Die Gene, die in Spinnen das Spinnenseidenprotein ko-
dieren, werden mithilfe von Klonierungstechniken in E. coli Bakterien eingesetzt. Die
Spinnenseidenproteine können nach Fermentation und Vermehrung der genmodi-
fizierten Bakterien als weißes Pulver gewonnen werden. Dieses kann dann in unter-
schiedlichen Formen für die verschiedensten Anwendungen genutzt (»versponnen«)
werden. 54
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Anwendungsgebieten hat sich das Unternehmen auf die Bereiche Fasern, Medizintechnik
und kosmetische Inhaltsstoffe konzentriert. Die Fasern werden in den Gebieten Luftfahrt,
Automobil, Sport und Textilien verwendet. Dabei können die spezifischen Eigenschaften
je nach Anwendungsgebiet und Einsatzbereich individualisiert angepasst und optimiert
werden.60 Im Bereich der Medizintechnik fokussiert sich AMSilk auf die Beschichtung von
Implantaten zur Biokompatibilitätsoptimierung sowie zur Reduzierung von Biofilmbildung
und Entzündungsrisiken. Ferner können auch Wundverbände, chirurgische Netze und Bio-
sensoren mit dem innovativen Material versehen werden.61 Auch im kosmetischen Bereich
können die veganen Biopolymere vor allem in der Haar- und Hautpflege vielfältig eingesetzt
werden.62
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Aufbau kompetenter Teams und vor allem durch Unterstützung bei der Finanzierung
professionelle Starthilfe bekommen.65 Jedoch die größte Herausforderung ist das
Problem der Finanzierung im Biotechnologie-Sektor. Die Entwicklungszyklen sind im
Biotechnologiebereich, vor allem in der Medizinbranche wesentlich länger als in an-
deren Branchen. Wie bereits im Kapitel 11.2 erläutert, ist die Verfügbarkeit von Risiko-
kapital für die Biotech-Branche unzureichend. In Deutschland aber herrscht eher eine
signifikante Risikoscheu als »gesellschaftliches Mindset« vor, die auch Investoren von
den Hochrisiko-Investments zurückhält. Die meist unsichere Finanzierung führt dazu,
dass Unternehmen vor allem in der medizinischen, roten Biotechnologie vor große
Herausforderungen gestellt werden. Ein letzter, aber nicht zu vernachlässigender
Punkt ist die fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung. Gerade gegenüber der grünen
Biotechnologie und der Genom-Editierung sind viele Menschen skeptisch und eindeu-
tig negativ eingestellt. Sie sehen den ethischen Aspekt sehr kritisch, was wiederrum
zu einer negativen Grundeinstellung gegenüber den Technologien führt. Diese Skep-
sis der Bevölkerung muss überwunden werden, indem ethische Frage- und Problem-
stellungen aufgegriffen und gelöst werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass
der öffentliche Sektor in Deutschland durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen
Anreize für Innovationen und deren Kommerzialisierung schaffen sollte, damit die un-
bestrittenen Innovationspotenziale besser ausgeschöpft und in volkswirtschaftlich
signifikante Wertschöpfung am Standort Deutschland überführt werden.66
11.5 Fazit
Die Biotechnologie wird mit gutem Grund als eine der Schlüsseltechnologien des 21.
Jahrhundert bezeichnet. Die beschriebenen Beispiele zeigen, dass die Biotechnologie
für zahlreiche Lebensbereiche weitreichende und lebensverbessernde Innovationen
hervorbringt. Die Technologie wird in den nächsten Jahren noch weiter an Bedeutung
gewinnen. So werden im Jahr 2031 weit mehr Produkte durch biotechnische Ver-
fahren produziert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um hochwirksame
Medikamente gegen seltene Krankheiten, effiziente und umweltschonende Produk-
tionsverfahren im industriellen Bereich oder um an spezifische Anforderungen ange-
passte Nutzpflanzen handelt. Deshalb sollte Deutschland seine gute Position in dieser
zukunftsträchtigen Branche festigen und die beschriebenen Herausforderungen an-
nehmen, um auch in Zukunft eine führende Rolle im globalem Biotechnologiemarkt
einzunehmen und dies in volkswirtschaftliche Wertschöpfung umsetzen zu können.67
65 Vgl. Balojan, Good Translational Practice, Welche Hebel senken das Risiko im Innovationsprozess?, 2020,
S. 12–13.
66 Vgl. acatach (Hrsg.), Innovationspotenziale der Biotechnologie, 2017, S. 47–53.
67 Vgl. ebd., S. 66.
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11.5 Fazit
Die oben beschriebenen Beispiele klingen aus heutiger Sicht zum Teil schon nach Zu-
kunftsmusik; es ist teilweise noch schwer, sich vorzustellen, dass diese Beispiele im
Jahr 2031 zum Alltag gehören werden. Tatsächlich handelt es sich bei den vorgestell-
ten biotechnologischen Innovationsansätzen um Visionen, die zum Teil noch in den
Kinderschuhen stecken. Doch hat die aktuell im Fokus stehende Impfstoffentwicklung
gegen das COVID-19-Virus sehr eindrucksvoll gezeigt, mit welcher Dynamik sich diese
neuen Technologien entwickeln können, wenn die entsprechenden gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Interessen und damit auch Förderungen und Finanzierungen da-
hinterstehen. Es ist deshalb nicht abwegig, diese Dynamik auch auf die Entwicklung
anderer biotechnologischer Innovationen zu übertragen.
Gerade aber auch aufgrund dieser sich ändernden Dynamik, mit der sich neue Tech-
nologien weiterentwickeln und etablieren, ist es schwer, Vorhersagen dazu zu treffen,
was Biotechnologie im Jahr 2050 an etablierten Errungenschaften hervorgebracht ha-
ben wird. Jedoch ist klar, dass die Nachfrage nach biotechnologischen Innovationen
beispielsweise im Zusammenhang mit dem Klimawandel hoch sein wird. Allerdings ist
noch nicht bekannt, wie sich das schwankende Wetter und die daraus resultierenden
Umweltbedingungen auf unsere Umgebung auswirken und welche neuen Schädlin-
ge und Krankheiten dadurch möglicherweise entstehen können. Sobald diese Ver-
änderungen jedoch sichtbar beziehungsweise vorhersehbar werden, wird es möglich
sein, mithilfe von Biotechnologie Lösungen für die entstehenden Probleme zu entwi-
ckeln.68 Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass im Gesundheitsbereich Heilungsmög-
lichkeiten für Krebs und andere seltene Krankheiten gefunden werden. Im Bereich der
Ernährung werden keine Tiere mehr für den Verzehr geschlachtet werden müssen und
Landwirte können dank biotechnologischer Verfahren ihre Nutzpflanzen perfekt an
die gegebenen und wechselnden Umweltbedingungen anpassen und trotzdem dafür
sorgen, dass der Ertrag der Pflanzen maximiert wird. Im Bereich der Industrie wird die
Biotechnologie in alle Bereiche Einzug gehalten haben. Dazu zählen unter anderem
die Bereiche Ressourcenrecycling, Energiegewinnung, industrielle sowie Haushalts-
prozesse und -materialien.
68 Vgl. Cornelissen, Biotechnology for Tomorrow’s World: Scenarios to Guide Directions for Future
Innovation, 2020, S. 1–3.
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verändert haben und in allen Bereichen des Lebens eine wichtige Rolle spielen wird.
So wird sie viele Prozesse und Verfahren vereinfachen und in vielen Bereichen lebens-
verbessernd wirken beziehungsweise die Lebensqualität der Menschen positiv beein-
flussen.
Takeaways:
¸ Die Biotechnologie ist eine der wichtigsten Technologien des 21. Jahr-
hunderts.
¸ Das Imitieren „evolutionsgeschulter Naturprinzipien – Bionics“ – und
technische Perfektionierung der biologischen Grundprinzipien des
Lebens – biotechnologischer Werkzeugkasten – schafft ungeahnte
Anwendungsmöglichkeiten.
¸ Biotechnologie wird in der Zukunft in sehr vielen Bereichen des Lebens
eine wichtige Rolle spielen. Sie bietet ganz neue Möglichkeiten und
innovative Lösungsansätze für die größten Herausforderungen der
Menschheit in einer zunehmend global vernetzten Welt: Gesundheit und
Prävention sowie Umgang mit Pandemien, Bewältigung der Klimakrise,
Eindämmung der Umweltverschmutzung, Sicherstellen von Ressourcen
für Ernährung- und Energieversorgung, neue Materialien mit
verbesserten Eigenschaften ...
¸ Deutschland muss seine Anstrengungen deutlich erhöhen, um das
enorme Innovationspotenzial, das in den Lebenswissenschaften steckt,
auch am Markt umzusetzen. Dazu bedarf es politischer Rahmenbe-
dingungen, die gezielt und selektiv Anreize für junge Unternehmer und
Start-ups schaffen, die professionelle Translation von der Idee zur
kommerziellen Entwicklung unterstützen und dabei helfen, ein
konsistentes Kapitalökosystem zu etablieren.
¸ Die Coronapandemie, welche die Leistungsfähigkeit des Biotechsektors
unter Beweis gestellt hat, sollte ein starker Motivator
dafür sein.
Nützliche Links
¸ https://www.sciencedirect.com/journal/trends-in-biotechnology
¸ https://www.biodeutschland.org/de/
¸ https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Branchenfokus/Industrie/
branchenfokus-biotechnologie.html
¸ https://www.ey.com/de_de/life-sciences
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Zusammenfassung
Das Energiesystem ist im Wandel. Die Energiewende und der damit verbundene Wech-
sel von fossilen zu erneuerbaren Energiequellen ist eine der größten Herausforderun-
gen des 21. Jahrhunderts. Die Verwendung regenerativer Erzeugungstechnologien
steigert die Komplexität des Systems. Ohne Digitalisierung und Flexibilisierung lässt
sich die entstehende Komplexität kaum bewältigen. Elemente werden vernetzt und
Steuerungen automatisiert. Ein integrierter Energie- und Datenfluss soll die Grund-
lage für die Beherrschung eines neuen, intelligenten Energiesystems bilden. Kommu-
nikation und Vernetzung erschaffen neue Geschäftsmodelle – alles wird smart!
Schlüsselbegriffe
Dekarbonisierung, Dezentralisierung, Smart Grid, Smart Home
Digitalisierung, Advanced Microgrids, Energiespeicher,
Ladeinfrastruktur, Systemdienstleistungen, Smart Building
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Veränderung des Energiesystems und zeichnet
ein Bild möglicher Trends und Szenarien der Energiewelt 2031. »Die drei großen D’s«2:
Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung werden das Energiesystem
in den nächsten zehn Jahren und darüber hinaus transformieren. Abbildung 77 setzt
diese Megatrends mit den wichtigsten Elementen des Energiesystems in Verbindung.
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Die Darstellung visualisiert die Abhängigkeiten und das Zusammenwirken der einzel-
nen Elemente. Ein Blick auf die Grafik zeigt die Komplexität des Systems. Im Weiteren
werden wir einzelne, wichtige Aspekte detaillierter betrachten, die Rolle der technolo-
gischen Kernkomponenten einordnen und einen Blick auf das Spannungsfeld, in dem
die Energiewende erfolgt, werfen.
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In einigen Teilen der Bevölkerung kommt beim Thema »Energie« Freude auf. Wer es sich
leisten kann, hat sogenannte »Super-smart-integrated-solutions« im Eigenheim installiert.
Durch geschickte Kombination verschiedener Erzeugungs- und Speichertechnologien kann
der moderne Haushalt einen Großteil seines Strombedarfs selbst decken und verdient da
rüber hinaus in vielen Fällen durch Einspeisung in das Versorgungsnetzt eine schöne Summe
dazu. Auch die Mobilität ist für Bewohner solcher »Smart Homes« günstiger geworden. Wenn
die erzeugte Energiemenge den Bedarf übersteigt und zufällig der batteriebetriebene Zweit-
wagen in der Einfahrt steht, wird dieser einfach mit einem Teil der überschüssigen Energie
betankt. Für längere Strecken und die intensivere Verwendung kommt natürlich das Elektro-
auto mit Wasserstofftank und Brennstoffzelle zum Einsatz. Einfach toll, jedenfalls für den,
der es sich leisten kann. Haushalte einkommensschwächerer Milieus fahren noch immer ihre
Verbrenner und kaufen ihren Strom vom Energieversorger. Die stark angestiegenen Steuern
für Kohlenstoffausstoß machen den Verbrenner zur Kostenfalle. Eingekaufter Strom ist durch
die gestiegenen Netzkosten auch nicht gerade günstig. In vielen Fällen reicht das Geld für
Auto und häusliche Energieversorgung kaum und für die »Super-smart-integrated-solution«
erst recht nicht. Einige wenige beginnen sogar die soziale Gerechtigkeit des Energiesystems
infrage zu stellen. Aber trotz der Schwierigkeiten und Hindernisse herrscht größtenteils Op-
timismus vor. Der gemeinsame Kampf gegen die Erderwärmung eint die Weltgemeinschaft
und die Energiebranche boomt wie nie zuvor.
Die Frage, wie die Welt in 10 Jahren aussehen wird, ist unmöglich mit absoluter Sicher-
heit zu beantworten. Allerdings lassen sich aus aktuellen Entwicklungen, politischen
Zielen, Vereinbarungen und Plänen relativ präzise Aussagen und Prognosen für die
Welt 2031 ableiten. Den Rahmen bildet dabei das Spannungsfeld zwischen Gesell-
schaft, Wirtschaft und Politik, in dem die Energiewende stattfindet. Die Gesellschaft
wählt die Regierenden, die wiederum über Gesetze und Verordnungen entscheiden,
die die Handlungen der Wirtschaft und der Gesellschaft in die politisch gewünschten
Bahnen zu lenken suchen. Was sich in der folgenden Abbildung in einem einfachen
Schaubild darstellt, ist in Realität ein vielschichtiges sich Reiben. Parteipolitik trifft auf
wirtschaftliche Interessen von Unternehmen und Partikularinteressen, beispielswei-
se artikuliert von Lobbyorganisationen und Bürgerbewegungen. Mittels Lobby-Arbeit,
Stimmungsmache und auf dem Rechtsweg mittels Gerichtsprozessen versuchen be-
teiligte Gruppen Entwicklungen in die von ihnen präferierte Richtung zu beeinflus-
sen. Hineinspielen zudem Einzelinteressen wie der erwartete persönliche Vor- oder
Nachteil, der mögliche Verlust oder Gewinn des Arbeitsplatzes oder des Mandats, aber
auch der Wert eines Grundstücks. Ob die Energiewende ein Erfolg wird, hängt maß-
geblich davon ab, ob dieses komplexe Zusammenspiel zwischen den Individuen der
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gewinnbringend für dieses Ziel funktioniert.
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Auch 2031 wird die weitere Energiewende – abhängig von politischen Mehrheitsver-
hältnissen – mit wechselnder Ausrichtung und Intensität vorangetrieben werden. In
der Vergangenheit ermöglichte die deutsche Politik den ersten breiten Einsatz von
Photovoltaik in einem Energiesystem und damit die Grundlage für die günstige Mas-
senproduktion von Solarzellen. Wenig später gab es allerdings gravierende politische
Fehlentscheidungen, mit denen die teuer aufgebaute technische und wirtschaftliche
Vorreiterrolle der deutschen Solarbranche wieder verspielt wurde. In der Folge ging
in einer kurz zuvor noch boomenden Industrie eine Vielzahl von Unternehmen in die
Insolvenz und zehntausende Arbeitsplätze gingen verloren. Ein Vorgang, der sich trau-
riger- und unnötigerweise in den vergangenen Jahren auf ähnliche Art in der heimi-
schen Windenergie-Branche wiederholt hat. Eine Branche, bei der aktuell unklar ist,
welche Rolle heimische Unternehmen hier zukünftig national und international noch
spielen werden und welche Rolle ihr die Politik zudenkt.
Seit 2015 ist durch das Klimaabkommen von Paris (englisch: Paris Agreement) die De-
karbonisierung formal in der globalen Politik angekommen. Es haben sich nach heu-
tigem Stand 194 Vertragsparteien, inklusive der EU und China, darauf geeinigt, dass
der Anstieg der Erderwärmung, trotz des weiterhin steigenden globalen Energiebe-
darfs, begrenzt werden muss. Die International Energy Agency (IEA) geht davon aus,
dass der globale Energiebedarf bis 2030 um ca. 5 % ansteigen wird. Vor Beginn der
COVID-19-Pandemie wurde sogar ein 10 %iger Anstieg des Energiebedarfs bis 2030 an-
genommen. 3 Das Klimaabkommen von Paris sieht trotz steigenden Verbrauchs eine
Reduzierung der Treibhausgasemissionen in dem Maße vor, dass die Erwärmung der
Erde auf unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau begrenzt wird. Es sollen darüber
hinaus Anstrengungen unternommen werden, den Temperaturanstieg auf maximal
1,5 °C zu begrenzen.4 Aber erst durch die geänderte gesellschaftliche Wahrnehmung
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der jüngeren Vergangenheit und den maßgeblich von der Schülerbewegung »Fridays
for Future« aufgebauten gesellschaftlichen Druck hat die europäische und die deut-
sche Politik die Energiewende langsam wieder aufgenommen. Letztendlich war aller-
dings eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nötig, um die deutsche Politik
von der Notwendigkeit ernsthafter Maßnahmen zum Erreichen des Paris-Ziels zu über-
zeugen. Das historische Urteil des Bundesverfassungsgerichts stuft den Klimaschutz
als Grundrecht ein. Das aktuelle Handeln darf die Freiheit zukünftiger Generationen
nicht einschränken, wie es als Folge des wenig ehrgeizigen Klimagesetzes von 2019
spätestens ab 2030 eingetreten wäre. Somit muss die Politik einen Handlungsrahmen
schaffen, der aktiv die Dekarbonisierung Deutschlands vorantreibt. 5 Die Relevanz der
Klimapolitik war zum Zeitpunkt des Urteils schon längst in den Köpfen der Gesell-
schaft angekommen, 80 % sehen in der Energiewende eine Gemeinschaftsaufgabe, zu
der jeder einen Beitrag leisten sollte.6
Zur Umsetzung ihrer Ziele bedient sich die Politik zweier Maßnahmen: Regularien
und Förderung; Peitsche und Karotte. Durch die Definition regulatorischer Rahmen-
bedingungen und finanzieller Förderung, versucht die Politik die Klimaziele mit dem
steigenden Energiebedarf in Einklang zu bringen. Insgesamt ist der politische Einfluss
im Energiesektor sehr hoch, da dieser weniger durch technologische Rahmenbedin-
gungen geprägt ist, sondern vielmehr durch gewachsene Regularien, Subventionen
und Abgaben. Direkt und indirekt beeinflussen diese die Business Cases und damit die
Investitionen in alle Formen von Technologien und Anlagen sowie deren Betrieb. Eine
kleine regulatorische Änderung führt zum Entstehen eines ganzen Industriezweigs oder
zu dessen Zerstörung. Der Auf- und Niedergang der deutschen Solar-Branche und die
Flaute der letzten Jahre in der deutschen Windenergie zeigen dies eindrucksvoll.
5 https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html;
aufgerufen am 06.06.21.
6 Vgl. Setton, Soziales Nachhaltigkeitsbarometer der Energiewende 2018, Institut für transformative
Nachhaltigkeitsforschung (IASS), Potsdam 2019, S. 8.
7 Vgl. Europäische Kommission, Renewable energy directive, 2020. https://ec.europa.eu/energy/topics/
renewable-energy/renewable-energy-directive/overview_en; aufgerufen am 06.06.2021.
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y Ziel der »Energy efficiency directive« sind 32,5 % Energieeffizienz bis 2030 8 , wofür
eine jährliche Effizienzsteigerung von 0,8 % nötig ist.9
y Die Mitgliedsstaaten werden veranlasst, einen »National Energy and Climate
Plan – NECP« zu entwickeln. Dieser dient als Planungs- und Monitoringinstrument
der nationalen Beiträge zur Erreichung der EU-Ziele. In Deutschland entstand hier-
durch der »Nationale Energie- und Klimaplan« mit dem Zeithorizont 2021–2030.10
y Unter dem Namen »Electricity market design« wird eine verstärkte Integration der
Mitgliedsstaaten in das europäische Energiesystem angestrebt und die bestmög-
liche Förderung emissionsfreier oder -armer Energieerzeugung.
Durch die gezielte Allokation von politischen Instrumenten und finanziellen Mitteln
auf europäischer, nationaler und privater Ebene wurde mittels des SET-Plans das
europäische Forschungs- und Entwicklungssystem überholt und so die technologi-
sche Entwicklung als Zentrum in die europäische Energiepolitik integriert. Nach heu-
tigem Stand wird das Budget bis 2050 auf ca. 71,5 Milliarden Euro geschätzt. In Form
von 14 konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten soll bis 2030 eine Summe
von 7 Milliarden Euro mobilisiert werden.11 Unter den Zielen sind die Sicherstellung
der wirtschaftlichen Führungsposition der EU in kohlenstoffarmen Energietechno-
logien und der Wandel zu einer dekarbonisierten Wirtschaft. Die Schlüsselfelder des
SET-Plan sind:
8 Vgl. Europäische Kommission, Energy efficiency targets, 2020, Der Effizienzwert bezieht sich auf das
Verhältnis zwischen Primär- und Endenergieverbrauch; https://ec.europa.eu/energy/topics/energy-
efficiency/targets-directive-and-rules/eu-targets-energy-efficiency_en; aufgerufen am 06.06.2021.
9 Vgl. Europäische Kommission, Energy efficiency directive, 2020; https://ec.europa.eu/energy/topics/
energy-efficiency/targets-directive-and-rules/energy-efficiency-directive_en; aufgerufen am 06.06.2021.
10 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Nationaler Energie- und Klimaplan (NECP), 2020.
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Energie/necp.html; aufgerufen am 06.06.2021.
11 Vgl. Europäische Kommission, Strategic Energy Technology Plan, 2019, S. 73.
12 Vgl. Europäische Kommission, Actions towards implementing the Integrated SET Plan, 2020. https://setis.
ec.europa.eu/actions-towards-implementing-integrated-set-plan; aufgerufen am 21.02.2021.
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12.3 Technologien 2031
13 Vgl. Agora Energiewende, Energiewende 2030: The Big Picture, Megatrends, Ziele, Strategien und eine
10-Punkte-Agenda für die zweite Phase der Energiewende, Berlin, 2017, S. 21.
14 Vgl. Ebd.
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12.3.1 Stromnetz(e)
Verantwortlich sind primär die Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber. Sie haben die
Aufgabe, die Netze stabil zu halten.16 Für den Netzausbau in der Höchstspannungs-
ebene werden die Übertragungsnetze innerhalb Deutschlands und EU-weit ausge-
baut. Ziel ist es, die Windenergie aus dem Norden und Osten besser in den Süden und
Westen Deutschlands transportieren zu können und den EU-weiten Energieaustausch
zu verbessern.17 Die Verteilnetze müssen aufgrund der steigenden Einspeisung ins
Verteilnetz und wegen der neuen Verbraucher wie Elektromobilität und Wärmepum-
pen ausgebaut werden.18
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Das Gesetz ist am 01.01.2021 in Kraft getreten, allerdings sind die exakte Definition,
die technische Spezifikation wie auch ein möglicher Markt, geschweige denn der Be-
darf für die bennanten Systemdeinstleistungen zu diesem Zeitpunkt weitestgehend
unklar. Konsequenterweise setzt der Gesetzestext auch direkt die marktgestützte
Beschaffung aus, und zwar bis die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde diese
Punkte geklärt hat. Weiterhin ermöglicht das Gesetz der Bundesnetzagentur Ausnah-
men für die marktliche Beschaffung, die spätestens alle drei Jahre zu überprüfen sind.
Was bedeutet dies für das Stromnetz im Jahr 2031? Technisch bietet das Gesetz
das Potenzial, Systemdienstleistungen zu entwickeln, die effizient und ökonomisch
das Stromnetz des Jahres 2031 stabil halten. Es bleibt allerdings spannend, wie die
Überführung des Gesetztextes in technische Regularien gestaltet wird, ab wann eine
marktliche Beschaffung tatsächlich erfolgt und wie groß der Rahmen für innovati-
ve Technologien und Geschäftsmodelle sein wird. Dieser Rahmen wird für Betreiber
finanziell interessant und der Betrieb von Anlagen gleichzeitig effizient, wenn die
19 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zur
marktgestützten Beschaffung von Systemdienstleistungen, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/
Service/gesetz-zur-aenderung-des-energiewirtschaftsgesetzes-zur-marktgestuetzten-beschaffung-von-
systemdienstleistungen.html; aufgerufen am 06.06.2021.
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Advanced Microgrids
In einem Advanced Microgrid wirken verschiedene erneuerbare und konventionelle
Erzeuger, Kurzzeit- und Langzeitspeicher sowie schaltbare Verbraucher zusammen,
um möglichst effizient und kostengünstig lokal die Verfügbarkeit zu sichern. Die
Technologie ermöglicht unter anderem den unterbrechungsfreien Übergang einer
netzgekoppelten Energieversorgung in einen sicheren Inselbetrieb bei Störungen im
umgebenden Stromnetz. Ist das umgebende Netz wieder stabil verfügbar, so erfolgt
die unterbrechungsfreie Re-Synchronisation mit dem Netz.
Durch die steigenden Anforderungen moderner Maschinen und Anlagen gewinnt die
Advanced-Microgrid-Technologie in der produzierenden Industrie zunehmend an Be-
deutung. Moderne komplexe, digital gesteuerte Maschinen und Anlagen haben höhe-
re Anforderungen an die Qualität der Stromversorgung und verursachen gleichzeitig
bei einem Stromausfall höhere Kosten. Neben dem Ausfall der Produktivität können
diese aus Fertigungsausschuss und Maschinenschäden sowie zeitlichem und perso-
nellem Aufwand für den Wiederanlauf resultieren.
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Für das Jahr 2031 würden hieraus eine Reihe von Vorteilen resultieren: Reservekapazi-
täten im Stromnetz in Form von konventionellen Kraftwerken könnten zügig und ohne
direkten Ersatz abgeschaltet werden, CO2-Emmissionen würden drastisch reduziert.
Unter der Voraussetzung geeigneter Regularien für den Handshake zwischen Stromnetz
und Advanced Microgrid, würde – konträr zur Erwartung – die elektrische Energieversor-
gung insgesamt sogar resilienter, da die weit im Netz verteilten Advanced Microgrids zur
Stabilität des Verbundnetzes beitragen und Systemdienstleistungen erbringen können.
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2031 wird in der Folge wesentlich weniger Strom über das Stromnetz ausgetauscht,
die Netzbetreiber verlieren damit eine ihrer Einnahmequellen. Um die kostspielige In-
frastruktur des Stromnetztes weiter zu finanzieren und zu betreiben ist entsprechend
eine Anpassung der Abrechnungsmodalitäten zu erwarten. Die Kosten des Anschlus-
ses an das Stromnetz werden deutlich stärker aus der zur Verfügungstellung einer
definierten Anschlussleistung und der Volatilität des Energiebezugs – die Netzbetrei-
ber und Stromversorger vorhalten müssen – resultieren, weniger aus der bezogenen
Energiemenge.
12.3.2 Erzeugung
Bereits 2018 haben erneuerbare Anlagen eindrucksvoll bewiesen, dass die Stromge-
stehungskosten von Wind- und Solarenergie auch ohne Subventionierung mit denen
fossiler Energieträger leicht mithalten können, teils sogar deutlich darunter liegen.22
Während der Ausbau erneuerbarer Anlagen aufgrund bürokratischer Hemmnisse al-
lerdings nur langsam voranschreitet, wird aktuell diskutiert, welche Relevanz fossiles
Erdgas als nächste Brückentechnologie erhält.
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12.3.3 Energiespeicher
Die folgende Abbildung stellt einige Anwendungen für Energiespeicher mit aktuell
häufig diskutierten Technologien und deren Leistungszeit sowie den generellen aus
der Anwendung resultierenden Anforderungen gegenüber. Es wird deutlich, dass
hauptsächlich Speichertechnologien für kleine bis moderate Mengen Energie mit
einer kurzen Leistungszeit im Bereich von Minuten und Stunden verfügbar sind. Für
einen effizienten Einsatz dieser Speicher sind maßgeblich eine große Zyklenlebens-
dauer, eine hohe Wandlungseffizienz und geringe leistungsbezogene Kosten relevant.
Bei Langzeitspeichern mit einer Leistungszeit von vielen Stunden oder Tagen sind
23 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Dialogprozess Gas, 2030, 2019, S. 6–9. https://
www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/C-D/dialogprozess-gas-2030-erste-bilanz.pdf?__
blob=publicationFile&v=4; aufgerufen am 06.06.2021.
24 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Wie viel Gas geben wir?, 2019. https://www.bmwi-
energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2019/03/Meldung/topthema.html; aufgerufen am 06.06.2021.
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honoriert. Bis 2031 steht zu erwarten, dass sich dies grundlegend ändert. Die Kosten
des Bezugs von Strom aus dem Stromnetz wird deutlicher von der Volatilität der ab-
gerufenen Leistung geprägt sein und der Ausbau und die Qualität des Stromnetzes
wird nicht mit den wachsenden Anforderungen der neuen Verbraucher schritthalten.
Eine Reihe kommerziell attraktiver Einsatzgebiete für Energiespeicher entsteht, wie
aktuell beispielsweise in der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Weitere Busi-
ness Cases für Energiespeicher werden in den verschiedenen Netzebenen im Bereich
der Systemdienstleistungen bestehen sowie in der verbraucherseitigen Nutzung von
Energiespeichern in Advanced Microgrids, zur Effizienzsteigerung industrieller Pro-
zesse und in der elektrischen Mobilität.
12.3.4 Verbrauch
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definiert. 31 Gemeint ist, dass die »Verluste«, also die Wandlung in nicht nutzbare Ener-
gieformen, vom ersten technischen Prozessschritt bei der »Erzeugung« bis zur genutz-
ten Energieform im »Verbrauch« einen Wert von 67,5 % nicht überschreiten dürfen.
Während diese Zahl zunächst absurd hoch klingt, resultieren daraus für viele verbrei-
tete Technologien und Anlagen gravierende Anforderungen. Hocheffiziente Technolo-
gien werden somit nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus politischen bzw.
gesetzlichen Gründen benötigt. Es wächst damit auch der Bedarf an Technologien,
die dazu beitragen, aktuell noch akzeptierte Verluste nutzbar zu machen. Beispiele
sind die Verstromung von Abwärme mittels ORC-Anlagen oder die effiziente Rekupe-
ration von Bremsenergie mittels Kurzzeit-Energiespeichern im schienengebundenen
Verkehr oder von Anlagen und Kränen.
40 % der Fahrzeugeigentümer haben nicht die Möglichkeit, ihr Fahrzeug an einer Wall-
box zu Hause oder auf dem Parkplatz am Arbeitsplatz zu laden. Der politisch gesetz-
te Rahmen sieht deshalb bis 2030 eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte in
Deutschland vor. Die Bunderegierung unterstützt diesen Ausbau mit Fördermitteln in
Höhe von bis zu 4 Mrd. €. 33
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ging – HPC). Die Dauer eines Wocheneinkaufs von 20 bis 30 Minuten reicht aus, um das
Fahrzeug für das Mobilitätsbedürfnis der kommenden Tage oder Woche zu laden. In
der Folge hat Hochleistungs-Ladeenergie für den Kunden einen höheren Wert als La-
deenergie mit geringer Leistung und HPC-Ladestationen werden zum Standortfaktor
für Kundenparkplätze. Allerdings führen solche Ladestationen zu gravierenden Belas-
tungen des Stromnetzes. Sie erfordern einen kosten- und zeitintensiven Netzausbau
und ihr Betrieb ist aufgrund der ungleichförmigen pulsierenden Belastungen mit ho-
hen Leistungspreisen für den Energiebezug verbunden.
Aufgrund des großen Wertes von Ladeenergie mit großer Leistung entstehen neue
Geschäftsmodelle. Bereits heute positionieren sich etablierte und neue Unterneh-
men, indem sie sich beispielsweise Standortrechte sichern34 oder Unternehmen in
der Branche übernehmen. 35 Technologien, die die Netzverträglichkeit und die Kos-
ten solcher Ladestationen reduzieren – und damit eine wirtschaftliche(re) Umsetzung
ermöglichen – nutzen beispielsweise Energiespeicher zur Vergleichmäßigung des
Netzbezugs. Sie puffern Energie aus dem Stromnetz, wenn nur wenig oder keine La-
deleistung abgerufen wird, und stellen die für das HPC-Laden nötigen hohen Peak-
Leistungen effizient bereit.
Für Eigentümer und Betreiber von Solar- und Windenergieanlagen entsteht daraus ein in-
teressanter Business Case: Ladeenergie mit großer Leistung hat für einen Fahrzeugfahrer
einen über zehnfach höheren Wert, als der Verkauf der Energie im Stromnetz einbringt.
Abb. 83: Buffered High Power Charging mit einem Flywheel (Schwungmassenspeicher) als Puffer-
Speicher36
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12.4 Sektorkopplung
12.4 Sektorkopplung
Bis 2031 werden die Sektoren an weiteren Stellen noch stärker gekoppelt, hierzu ge-
hören beispielsweise neben der Elektromobilität selbst, die Nutzung von in Elektro-
fahrzeugen gespeicherter elektrischer Energie für andere Zwecke (Vehicle2Grid) und
die Verstromung von Abwärme mittels ORC-Anlagen.
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Ein Beispiel: In einem Werksnetz springt ein Blockheizkraftwerk (BHKW) an, um den
aktuellen lokalen Elektrizitätsbedarf zu decken, anstatt ihn aus dem Stromnetz zu
beziehen. Das BHKW wandelt Gas aus dem Gasnetz in Elektrizität und Wärme. Die
Elektrizität wird sofort lokal genutzt, die Wärme könnte in einem Wärmespeicher
gespeichert werden und nachts zur Temperierung des Gebäudes genutzt werden.
In diesem einfachen Beispiel entsteht durch die Sektorenkopplung schon eine Last-
verschiebung vom Stromnetz in das Gasnetz. Gleichzeitig wird über einen Wärme-
speicher thermische Energie zeitlich verschoben. Alternativ würde dieser thermische
Energiebedarf nachts über eine Gastherme gedeckt, es sinkt also auch der nächtliche
Bezug aus dem Gasnetz. Die Sektorenkopplung ermöglicht hier einerseits eine we-
sentlich größere Flexibilität im Energiesystem, andererseits steigt die Komplexität
des Systems exponentiell an. Im Zusammenspiel mit der Digitalisierung des Strom-
netzes werden so Eingriffe in den elektrischen Verbrauch möglich, die zu einer Steige-
rung der Effizienz des Strom- und Gasnetzes führen können.
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alle verfügbaren Reserven aktiviert und das BHKW hochgefahren. Der Strombezug aus dem
Netz war innerhalb von Sekundenbruchteilen auf null reduziert worden, dann hatte die Fa-
brik sogar die Frequenz- und Spanungsregelung des Netzabschnittes übernommen. Wie mit
dem Netzbetreiber vereinbart hielt sie den Netzabschnitt stabil, wofür sie aktuell 40 % ihres
ursprünglichen Energiebezugs einspeiste.
Herr Schmidt freute sich. Die Prognose war dahin, aber das war damit für heute nebensäch-
lich. Es war nicht zum Stromausfall gekommen, die Produktion lief ohne Unterbrechung
weiter und es wird eine hohe Vergütung des Netzbetreibers für die erbrachten Systemdienst-
leistungen geben. Es war bereits der vierte Einsatz des Flywheel-Systems in diesem Jahr, die
jährlichen Kosten waren damit gedeckt und mit jedem weiteren Einsatz würde das System
richtig Geld verdienen. Er hatte die Investitionsentscheidung für die Anlage gepusht, was vor
drei Jahren nicht ohne Risiko war. Aber er hatte richtig gelegen und mit diesem Event war
seine Beförderung wieder einen Schritt näher gerückt. Sein Vorgesetzter, Herr Müller, würde
morgen Abend mit dem Auto zum Tennis fahren können.
12.5 Digitale Infrastruktur
Aber warum spielt die Digitalisierung eine so große Rolle im Energiesystem der Zu-
kunft, da doch das bisherige Energiesystem scheinbar sehr gut ohne diese Techno-
logien ausgekommen ist? Ist Digitalisierung nur die vornehme Umschreibung der
Behebung jahrzehntealter Investitionsstaus? Um die Frage beantworten zu können,
muss wieder betrachtet werden, wie sich das Energiesystem verändert. Die Struk-
tur des konventionellen Energiesystems zeichnet sich durch Zentralität aus. Energie
wurde in wenigen zentralen Kraftwerken erzeugt und über eine Baumstruktur an
eine Vielzahl von Verbraucher:innen verteilt. Teil der Energiewende ist die Dezentra-
lisierung der Energieerzeugung hin zu einer Vielzahl mittlerer, kleinerer und winziger
Erzeugungseinheiten. Diese werden in den unteren Netzebenen angeschlossen, in
denen klassisch die Verbraucher:innen angesiedelt sind. Diese Veränderung führt zu
37 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Zitat der Woche, 2018. https://www.bmwi-energiewende.
de/EWD/Redaktion/Newsletter/2018/09/Meldung/zitat-der-woche.html; aufgerufen 21.02.2021.
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einem Wandel hin zu einem dezentralen Energiesystem mit bilateralen Energie- und
Informationsflüssen. 38 Die Komplexität des Stromnetzes wächst.
12.5.1 Smart Grid
Häufig ist mit dem Wort »Smart« eine Kommunikationsschnittstelle gemeint, aber
auch die Automatisierung und Steuerung einzelner Elemente kann gemeint sein. Es
gibt eine Vielzahl von Definitionen und die Abgrenzung zwischen Begriffen wie »Smart
Home«, »Smart Market« oder »Smart Grid« ist nicht immer eindeutig. Dieser Abschnitt
soll einen Überblick darüber geben, was in den meisten Fällen unter dem Smart Grid
verstanden wird. E.ON definiert den Begriff wie folgt:
»Das Smart Grid ist ein intelligentes Stromnetz. Ein Netz wird dann intelligent,
wenn innerhalb des Netzes ein Informationsaustausch erfolgt, mit dessen Hilfe
die Stromerzeugung, der Verbrauch und die Speicherung dynamisch gesteuert
werden können.«40
Ziel eines solchen Smart Grids ist es, Erzeugung, Netzbelastung und Verbrauch wei-
testgehend automatisiert aufeinander abzustimmen. Es sollen Lastspitzen verringert
und das Netz optimal ausgelastet werden.41 So sollen die Versorgungssicherheit erhal-
ten und Netzstabilität gewährleistet werden. Das Smart Grid basiert auf Energie- und
Datenströmen; dem eigentlichen Stromnetz und der Kommunikation; Messstellen,
38 Vgl. Ernst & Young GmbH: Digitalisierung der Energiewende, Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie, 2019, S. 10 ff.
39 Vgl. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, Digitale Energiewirtschaft, 2016, S. 19.
40 E.ON, Smart Grid: Aufbau, Definition und Funktionen, 2021. https://www.eon.de/de/eonerleben/smart-
grid-so-funktioniert-das-intelligente-stromnetz.html; aufgerufen 06.06.2021.
41 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Intelligente Netze, https://www.bmwi.de/Redaktion/
DE/Artikel/Energie/intelligente-netze.html; aufgerufen 06.06.2021.
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Steuerungseinheiten und Aktoren. Die einzelnen Elemente von der Erzeugung über
die Verteilung bis zur Speicherung und zum Verbrauch werden kommunikativ ver-
netzt und über Steuereinheiten verbunden. Dies erfolgt auf allen Netzebenen und
über die Ebenen hinweg; sowohl im Übertragungs- und Verteilnetz als auch Behind-
the-Meter in Fabrik-Netzen und im Gebäude-Netz (»Smart Building«, »Smart Home«).
Steuerungseinheiten einer Netzebene werden sowohl das Verhalten von Anlagen in
der gleichen als auch in angrenzenden Netzebenen beeinflussen. Ein Beispiel ist die
Diskussion über Abschalt-Möglichkeiten von Ladevorgängen von Elektroautos und
Wärmepumpen, die auf Kund:innenseite angeschlossen sind, aber vom Verteilnetz-
betreiber gesteuert werden sollten.42
Parallel zum realen System werden physische Energieflüsse und Elemente des Energie-
systems zukünftig vermehrt als digitales Modell abgebildet (»Digital Twin«), wodurch
detaillierte Einblicke in das System und Vorhersagen über den Systemzustand möglich
werden. Aufgrund der Komplexität des Systems wird allgemein erwartet, dass selbst-
lernende künstliche Intelligenzen zur Umsetzung der nötigen Automatisierungs- und
Optimierungsprozesse unabdingbar sind. Diese könnten hier ihre Stärken ausspielen,
indem sie aus den riesigen Datenströmen lernen, um im nächsten Schritt die zugrunde
liegenden physischen Vorgänge optimiert steuern zu können. Nähere Informationen zu
künstlicher Intelligenz finden sich im Kapitel 4 »5G Beyond the smartphone«. Neben der
etablierten Vernetzung über das Kupfer- und Glasfasernetz bietet sich als kommunika-
tionstechnische Grundlage die Vernetzung der Mobilfunknetze mittels etablierter und
neuer Standards wie »5G« an (siehe Kapitel 4 »5G Beyond the smartphone«).
12.5.2 Smart Buildings
42 Vgl. t3n, Zwangsabschaltung für E-Autos gefordert: Stromversorger befürchten Überlastung der Netze,
2021. https://t3n.de/news/zwangsabschaltung-fuer-e-autos-1343295/; aufgerufen 21.02.2021.
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ist. Sogar die Ladung des Autos ist so eingestellt, dass die induktive Ladestation selbst ent-
scheidet, wann sie das Auto auflädt. Ihre Eltern nehmen diese Einstellung vor, um die selbst
erzeugte und gespeicherte Energie optimal zu nutzen und somit Geld zu sparen. Denn der
Bezug von Strom aus dem Stromnetz ist teuer geworden. Die meisten Geräte im Haus der
Familie sind intelligent. Inzwischen hat man aber auch kaum mehr eine andere Wahl, fast
jedes Gerät am Markt ist »smart«. Als Emma am Frühstückstisch ankommt, haben ihre Eltern
bereits zu essen begonnen und der intelligente Assistent liefert gerade einen auf sie persön-
lich zugeschnittenen Bericht über die neusten Ereignisse der Energiewelt. »Die Klimaziele
der Bundesregierung wurden verfehlt.«, »Erneuter Stromausfall in Teilen Bayerns, aufgrund
fehlerhafter Kommunikation der Netze« und »Proteste tausender Jugendlicher gegen den
anhaltenden Kohlestrombezug in Bergheim«. Emmas Gedanken schweifen ab. Sie denkt an
den Ausflug in den Zoo, den die Familie Müller für heute geplant hat. »Wann fahren wir los?«
fragt sie. »In 20 Minuten« antwortet ihre Mutter. Ihr Blick wandert zur Anzeige an der Tür, sie
leuchtet grün. Das heißt, dass das Elektroauto vollgeladen ist. Familie Müller hatte früher
ein Benzinauto, dieses hat sie aber schon vor ein paar Jahren verkauft, um sich ein vom Staat
subventioniertes E-Auto zu kaufen. Einige Freunde von Emma haben noch einen alten »Ver-
brenner«. Diese Autos findet Emma total uncool, weil die so laut und luftverschmutzend sind.
Als die Familie das Haus 20 min später verlässt, drückt der Vater noch kurz auf das Panel neben
der Tür und sagt: »Alle Geräte und Wärmepumpe aus. Voraussichtliche Rückkehr 16:00 Uhr.
Saug-, Spül- und Waschvorgang in diesem Zeitraum durchführen.« Die Müllers verbringen den
ganzen Tag im Zoo. Die Wohnung ist pünktlich zu ihrer Rückkehr angenehm geheizt, die Wäsche
und das Geschirr ist fertig gespült und das Erdgeschoss gesaugt. Allmählich wird es dunkel, jetzt
bezieht die Familie ihren Strom aus dem Speicher, der den Tag über aufgeladen wurde.
43 Vgl. Agora Energiewende, Energiewende 2030: The Big Picture, 2017, S. 17.
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Die Integration soll mittelfristig im Sinne von »Plug & Play« erfolgen, sodass smarte
Geräte angeschlossen werden können, ohne weitere Einstellungen vornehmen zu
müssen. Es entsteht ein riesiges, integriertes Daten- und Energienetz.47 Aufgrund
fehlender einheitlicher Standards sind aktuelle Lösungen häufig noch Insellösun-
gen, die nur schwer mit anderen mehr oder weniger smarten Produkten interagieren
können. Dies wird sich bis 2031 ändern. Ähnlich wie sich heute ein Smartphone recht
einfach über eine entsprechende App mit dem Smart-TV verbindet, wird eine sich
automatisch aufbauende, unsichtbare Vernetzung der wichtigsten Teilnehmer:innen
entstehen. Erzeugungsanlagen und Speicher, Temperierung und Klimatisierung, das
Laden der Elektrofahrzeuge und alle Arten von größeren Verbraucher:innen werden
ihre Energiebedarfe im Kontext des Stromnetzes aufeinander abstimmen können.
Im Heimnetz steht zu erwarten, dass ähnlich wie beim Smartphone, der mit der Ver-
netzung einhergehende Komfortgewinn Bedenken hinsichtlich der Datenweitergabe
der Geräte in den Hintergrund treten lässt. Mittelfristig wird es entsprechend zu einer
weiten Verbreitung vernetzter Erzeuger:innen und Verbraucher:innen kommen, stan-
dardisierte Datenschnittstellen und Protokolle lassen einen neuen globalen Markt
entstehen.
Besonders für die Industrie birgt die smarte Vernetzung großes Einsparpotenzial.
Durch die intelligente Vernetzung von Maschinen und technischer Gebäudeausstat-
tung können Verbräuche vergleichmäßigt und auf die lokale Erzeugung abgestimmt
sowie eine deutliche Effizienzsteigerung realisiert werden. Hierbei bieten zwei Tech-
nologien das Potenzial, deutlich zur von der EU geforderten Effizienzsteigerung bis
2031 beizutragen: die Rekuperation und Zwischenspeicherung heute noch ungenutz-
ter Bremsenergie, beispielsweise mittels zyklenfester Schwungmassenspeicher, 48
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12.6 Ausblick 2050
Im Jahr 2031 ist die Energiewende in vollem Gange. Die Atomkraftwerke sind abge-
schaltet, Kohle- und Gaskraftwerke laufen noch immer. Erneuerbare Erzeugungstech-
nologien tragen signifikant zum Energiemix in Deutschland bei, könnten aber niemals
allein die Bundesrepublik mit Strom versorgen. Ganz im Sinne der Sektorenkopplung
steigt der Anteil an Elektromobilität und Wärmepumpen kontinuierlich an. Die Berei-
che Strom, Wärme und Verkehr verschmelzen miteinander. Die digitale Infrastruktur
bildet bereits eine entscheidende Säule im Energiesystem, ist aber noch nicht das ge-
wünschte reibungslos funktionierende Rückgrat.
Bis 2050 wird dann alles anders – zumindest laut Plan. Die Klimaneutralität des Ener-
giesystems soll erreicht sein. Das heißt, dass die CO2-Bilanz der Energieerzeugung bei
null liegen wird. Der Atomausstieg ist Geschichte und das letzte Kohlekraftwerk wurde
schon lange heruntergefahren. Die Energiewende ist abgeschlossen! Alles, was bleibt,
ist der Rückbau von Kraftwerken aus einem anderen Jahrhundert. Die Digitalisierung
ist weder Neuland noch laufender Prozess. Digitalisierung ist ein abgeschlossener
Zustand, die Lebenssituation 2050 ist eine »all electric society«. Energieerzeugung
erfolgt ausschließlich aus regenerativen Quellen und überall. Speichertechnologien
sind ein wichtiger Bestandteil des Energiesystems. Netz und Verbraucher sind resi-
lient. Stromausfälle passieren, aber keiner merkt es. Das Netz kann guten Gewissens
als Smart Grid bezeichnet werden. Die einzelnen Elemente des Netzes sind an den
Datenstrom angeschlossen und kommunizieren innerhalb des gesamten Strom-
netzes. Das Eigenheim wurde zum Smart Home, größere Bauwerke und Fabriken zu
Smart Buildings. Es herrscht die vollständige Vernetzung.
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Takeaways:
Nützliche Links
¸ ec.europa.eu/info/strategy_de
¸ bmwi.de/Navigation/DE/Home/home.html
¸ dena.de
¸ agora-energiewende.de
¸ iea.org
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Stichwortverzeichnis
B F
Bergmann, Frithjof 223 Flexibilität 232
Bio Economy 249, 258, 260 Freude am Lernen 200, 202, 203, 204, 206,
Bionics 315 207, 209, 210
Biotechnologie 25, 35, 111, 260, 299, 300, Führung 232
301, 302, 303, 314, 315, 316, 317, 318, 319,
400, 403 G
Geschäftsmodell 43, 55, 247, 257, 264, 269,
C 292, 293, 322, 327
Care Navigation 241 Geschäftsmodellinnovation 270
Carsharing 287 Gesellschaft 5.0 28, 48, 65, 66, 67, 68, 69,
Circular Economy 255, 256, 258 70, 75, 76, 87, 88, 107, 399
Coronapandemie 230 Gesundheit 48, 66, 77, 78, 81, 110, 248, 252,
Crowd-Logistik 295, 296 253, 258, 261, 262, 263, 264, 267, 299, 303,
305, 307, 310
D Globalisierung 224, 229
Deep Learning 147, 165
Dekarbonisierung 75, 253, 321, 324, 327, H
339 Homeoffice 224
demografischer Wandel 229, 237
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Experten
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chern in Remote Microgrids, mit dem Ziel die Betriebskosten dieser Netze zu senken,
bei gleichzeitiger Steigerung der Zuverlässigkeit und Effizienz.
Dr. Uwe Dumslaff kam 1994 zu Capgemini. Als Executive Vice Pre-
sident der Capgemini-Gruppe ist er zusätzlich zu seiner CTO-Posi-
tion für Capgemini Deutschland Mitglied des deutschen
Management-Teams. Er leitete bis 2019 den Innovationsbereich
Digital Enabling und verfügt über Berufserfahrung als Software
Engineer, Consultant, Solution Architect, Engagement Manager
und Account Director in verschiedenen Branchen. Er war verant-
wortlich für die Global Market Unit Bayer und treibt derzeit er die
Cloud- und innovationsbezogenen Lösungen für die Kunden von Capgemini voran. Uwe
Dumslaff ist in vielen Forschungsthemen involviert (Zusammenarbeit mit Lehrstühlen
in der Informatik, Fellow der Gesellschaft für Informatik; von 2011 bis 2013 Senator der
Deutschen Forschungsgemeinschaft). In den letzten zehn Jahren war er verantwortlich
für die jährliche Capgemini-Studie »IT-Trends«. Er studierte Informatik an der Universi-
tät Koblenz und promovierte an den Universitäten Koblenz und Stuttgart.
Dr. Helmut Figalist war Chief Technology Officer der Siemens AG,
Digital Industries. Zuvor leitete er fünf Jahre lang die Abteilung
»Advanced Technologies« innerhalb von Digital Industries.
Schwerpunktthemen waren in dieser Zeit die ›Zukunft der Indust-
rie‹, insbesondere die Rolle von neuen additiven Fertigungsver-
fahren, von Advanced Robotics und die künftige Bedeutung von
Artificial Intelligence. Darüber hinaus arbeitete er in verschiede-
nen Positionen zu Strategiethemen mit Schwerpunkt Innova-
tionsmanagement. In mehr als 30 Jahren Erfahrung erwarb er tiefes Fachwissen in der
Automatisierungstechnik und in der Anwendung von Automatisierungs- und PLM-
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Gerald Hüther, Dr. rer. nat. Dr. med. habil., Neurobiologe. Vor-
stand der Akademie für Potentialentfaltung.
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Masterstudierende
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arbeitet sie an der Hochschule Landshut als studentische Hilfskraft im Bereich Pro-
jektkoordination. Sie möchte mit ihrem Kapitel dem Leser und potenziellen Gründer
neue Perspektiven zum lebenslangen Lernen bieten.
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Landshut, welchen er 2021 mit dem Master of Engineering abschließen wird. Er freut
sich darauf, die weitere Entwicklung der Industrie und Gesellschaft verfolgen und mit
den im Buch festgehaltenen Prognosen vergleichen zu dürfen.
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