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Medizinische Terminologie

- Skript -

Institut für Ethik und Geschichte der Medizin


Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
© Institut für Ethik und Geschichte der Medizin
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Direktor: Prof. Dr. med. Giovanni Maio
Stefan-Meier-Str. 26, 79104 Freiburg
Tel. 0761/203-5033
E-Mail: sekretariat@egm.uni-freiburg.de
http://www.egm.uni-freiburg.de
Inhalt
Zur Einführung................................................................................................................................................... 2
I. Sprache in der Medizin................................................................................................................................... 3
1. Wurzeln der medizinischen Fachsprache in Antike und Mittelalter ......................................................... 3
2. Die Entwicklung der modernen Medizin ................................................................................................... 4
3. Sprachfunktionen und die Arzt-Patient-Kommunikation ......................................................................... 6
4. Pathologisierung, Distanzierung, Stigmatisierung .................................................................................... 9
5. Metaphern in der Medizin ...................................................................................................................... 11
6. Klinische Alltagsbewältigung mit sprachlichen Mitteln .......................................................................... 12
II. Grammatik anatomischer Ausdrücke.......................................................................................................... 14
1. Allgemeines ............................................................................................................................................. 14
1.1. Aussprache ....................................................................................................................................... 14
1.2. Abkürzungen und Schreibweisen anatomischer Ausdrücke ............................................................ 14
1.3. Funktionen der Wortendung ........................................................................................................... 14
1.4. Angaben in Wörterbüchern zu Substantiven ................................................................................... 15
1.5. Angaben in Wörterbüchern zu Adjektiven....................................................................................... 15
2. Verbindungstypen anatomischer Ausdrücke .......................................................................................... 16
2.1. Genitivverbindung zweier Substantive ............................................................................................ 16
2.1.1. Beispielanalyse: Septum linguae ............................................................................................... 16
2.1.2. Übung ........................................................................................................................................ 17
2.2. Substantiv + Adjektiv ........................................................................................................................ 18
2.2.1. Beispielanalyse: Arteriae digitales dorsales .............................................................................. 19
2.2.2. Übung ........................................................................................................................................ 19
2.3. Substantiv + Apposition ................................................................................................................... 20
2.3.1. Beispielanalyse: Musculus extensor.......................................................................................... 20
2.3.2. Übung ........................................................................................................................................ 20
2.4. Komma-Beiordnung ......................................................................................................................... 22
2.4.1. Beispielanalyse: Vena portae hepatis, Ramus dexter, Ramus anterior .................................... 22
2.4.2. Übung ........................................................................................................................................ 23
3. Deklinationsschemata ............................................................................................................................. 24
3.1. Substantive ....................................................................................................................................... 24
3.2. Adjektive der a- und o-Deklination (mit drei Endungen im Nom. Sg.)............................................. 25
3.3. Adjektive der i/konsonantischen Deklination (mit zwei Endungen im Nom. Sg.) ........................... 26
3.4. Adjektive der i/konsonantischen Deklination (mit einer Endung im Nom. Sg.) .............................. 26
3.5. Komparative ..................................................................................................................................... 27
3.6. Superlative ....................................................................................................................................... 27
3.7. Unregelmäßige Steigerungen........................................................................................................... 28
III. Grundwortschatz ........................................................................................................................................ 29
1. Klinische Grundbegriffe ........................................................................................................................... 29
2. Präpositionen .......................................................................................................................................... 31
3. Präfixe...................................................................................................................................................... 32
4. Suffixe ...................................................................................................................................................... 35
5. Zahlen ...................................................................................................................................................... 38
6. Farben ..................................................................................................................................................... 39
7. Lagen, Richtungen, Ebenen ..................................................................................................................... 40
8. Ausgewählte Begriffe der anatomischen Nomenklatur .......................................................................... 42
IV. Lösungen zu den Übungsaufgaben ............................................................................................................ 46

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1. Historische Wurzeln der medizinischen


Zur Einführung Fachsprache
2. Die Fachsprache in der modernen Medizin
Im ärztlichen Alltag spielt Sprache eine zentrale
3. Sprachfunktionen und die Arzt-Patient-
Rolle: Das Verfassen von Arztbriefen und Kranken- Kommunikation
akten, der Austausch mit Kollegen sowie das Ge- 4. Pathologisierung, Distanzierung, Stigmati-
spräch mit Patienten und deren Angehörigen ge- sierung
hören zu den täglichen Aufgaben eines Arztes. Die 5. Metaphern in der Medizin
medizinische Fachsprache erfüllt dabei in vielen 6. Klinische Alltagsbewältigung mit sprachli-
chen Mitteln
Fällen wichtige Funktionen, in anderen stößt sie
an Grenzen. Jede Sitzung beinhaltet zusätzlich einen Abschnitt
Dies trifft vor allem auf die klinische Terminologie zur grammatikalischen Analyse anatomischer und
zu, die (mit ca. 80 000 Begriffen) den größten Teil klinischer Begriffe, die in zwei zusätzlichen
der medizinischen Fachsprache ausmacht. Sie um- Übungssitzungen vertieft wird. Der Kurs schließt
fasst z.B. Krankheitsbezeichnungen, Therapiever- mit einer MC-Klausur. Das Bestehen der Klausur
fahren, Diagnoseformen, aber auch Bezeichnun- ist Voraussetzung für das erfolgreiche Absolvieren
gen von Körperfunktionen. Die Wurzeln der klini- des Kurses.
schen Terminologie liegen vor allem im Griechi-
schen, aber auch lateinische und zunehmend eng-
lische Begriffe spielen eine Rolle.
Den zweiten Bereich der medizinischen Fachspra-
che bildet die anatomische Nomenklatur, die aus
ca. 10 000 Begriffen besteht. Sie ist stärker stan-
dardisiert als die klinische Fachsprache, verändert
sich nur wenig und besteht in erster Linie aus la-
teinischen Bezeichnungen. In der anatomischen
Nomenklatur werden mit Hilfe einiger Regeln der
lateinischen Grammatik komplexe, zusammenge-
setzte Begriffe gebildet.
Ziel des Kurses der medizinischen Terminologie
ist:
1. in die Bildungsweise von Begriffen der anatomi-
schen Nomenklatur und der klinischen Fachspra-
che einzuführen. Sie sollen nach Abschluss des
Kurses in der Lage sein, komplexe anatomische
und klinische Begriffe grammatikalisch zu analy-
sieren und mit den dazugehörigen Hilfsmitteln
(Wörterbücher, anatomische Atlanten etc.) in ih-
rer Bedeutung zu verstehen.
2. die Stärken und Grenzen fachsprachlicher Kom-
munikation zu vermitteln. Sie sollen erkennen
können, wann und warum die Verwendung von
Fachsprache hilfreich und wann sie problema-
tisch sein kann.
Der Kurs gliedert sich in folgende Sitzungen:
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I. Sprache in der Medizin Zur Verbreitung der hippokratischen Medizin über


die weiten Territorien des römischen Reiches trug
1. Wurzeln der medizinischen der aus Pergamon stammende, aber in Rom wir-
Fachsprache in Antike und Mittelalter kende Arzt Galen (129-199 n.Ch.) bei. Er vervoll-
Die antike Medizin bestand aus zwei Traditionsli- ständigte die hippokratische Medizin, unter ande-
nien: der theurgischen Medizin (Asklepios-Kult) rem auch durch anatomische Erkenntnisse, die er
und der hippokratischen Medizin. durch die Sektion und Vivisektion von Tieren ge-
Der Asklepios-Kult verbreitete sich im 3.-4. Jh. wann. Neben Hippokrates wurde Galen zur unum-
ausgehend von Epidauros, wo sich das wichtigste strittenen Autorität in der abendländischen Medi-
Kultzentrum befand. Die kultische Handlung war zin bis in die Neuzeit hinein.
ein komplexes Handlungsgeschehen, das Bäder, Das Erbe der Antike wurde in den arabischen Kul-
Gebete, Opfergaben und den heilenden Tempel- turräumen übernommen und weiterentwickelt. In
schlaf umfasste. Während des Schlafes hoffte man Byzanz und in Bagdad wurde nahezu die gesamte
auf eine Erscheinung des Gottes im Traum. Am philosophische und naturkundlich-medizinische
darauffolgenden Tag interpretierten die Priester griechische Literatur ins Arabische übersetzt und
die Träume und leiteten daraus die Therapie ab. von Ärzten wie Avicenna (980-1037) systemati-
Die Ursprünge der abendländischen Medizin lie- siert.
gen in der antiken hippokratischen Medizin, die Erst mit der Gründung der Schule von Salerno im
auf das Wirken des Hippokrates von Kos zurück- 10. Jh., der ersten medizinischen Hochschule, ent-
geht (460-375 v.Ch.). Unter dem Namen „corpus wickelte sich eine medizinische Fachsprache, die
hippocraticum“ sind 60-70 Einzelschriften zu un- sich des Lateinischen bedient . In Salerno und spä-
terschiedlichen Teilgebieten der Medizin überlie- ter in Toledo wurden die antiken griechischen
fert worden, von denen allerdings vermutlich nur Texte wiederum aus dem Arabischen ins Lateini-
ein geringer Teil von Hippokrates selbst verfasst sche übersetzt. Griechische Begriffe der klinischen
wurde. Fachsprache werden dabei latinisiert. Dieser Text-
Die hippokratische Medizin fußte auf der als „Hu- korpus bildete von nun an die Grundlage für die
moralpathologie“ bekannten Krankheitslehre. medizinische Ausbildung an den Universitäten, die
Krankheiten wurden als Störungen des Gleichge- ab dem 11. Jh. gegründet wurden. Die antiken
wichts von Körpersäften und deren Qualitäten Texte wurden dabei meist unkritisch übernom-
und auch der charakterlichen und kosmologischen men, so dass inhaltlich weiterhin das Grundpara-
Harmonie erklärt. Das humoralpathologische Er- digma der hippokratischen Medizin und ihr humo-
kenntnismodell blieb in der abendländischen Me- ralpathologischer Ansatz bestimmend blieben.
dizin bis in die Neuzeit maßgebend. Die akademisch ausgebildeten medici dieser Zeit
Griechischstämmige Begriffe aus der klinischen waren in erster Linie Forscher und keine praktizie-
Fachsprache wie Anamnese, Diagnose, Therapie renden Ärzte. Für die Krankenbehandlung waren
und Prognose, die die Struktur des ärztlichen Han- Bader, die Aderlässe vornahmen, Zahnreißer, fah-
delns auf bis heute gültige Weise beschreiben, rende Heilmittelkrämer und sonstige Laienmedizi-
stammen aus dieser Zeit. Auch Bezeichnungen für ner zuständig.
Krankheitssymptome und einzelne anatomische Im gesamten Mittelalter fehlte wie auch früher in
Strukturen wurden damals geprägt. Dabei nutzte der Antike eine medizinische Krankenpflege. Diese
man häufig Bezeichnungen für Alltagsgegenstände wurde vor allem von religiösen Institutionen ge-
oder Tätigkeiten und übertrug sie auf die anatomi- währleistet. Entscheidend war dabei der christli-
schen Strukturen und die Krankheitssymptome. che Caritas-Gedanke, der dem gläubigen Christ die
Pflicht zur Sorge für den Kranken auferlegte. Das

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sich seit dem 4. Jh. entwickelnde Hospital beschäf- die Entstehung von verschiedensten Arten von
tigte keine medici, sondern diente vornehmlich Krankheiten annimmt.
der Kranken- und Armenpflege. Untrennbar zum Ein Umbruch in der Medizin
Bild der Heilkunde im Mittelalter gehören daher
Man kann diesen Umbruch auf verschiedene Wei-
das Bild des Christus Medicus und die Vorstellung
sen charakterisieren. Erstens wird im Hinblick auf
vom Wunderwirken der Heiligen.
die Ätiologie und Therapie einer Krankheit nicht
Es ist zuerst die Anatomie, die systematisch das mehr auf die Vorstellungen eines Gleichgewichts
Wissen Galens erweitert und neu entwickelt. In von Elementen oder Funktionen zurückgegriffen.
der Renaissance im 16. Jh. nimmt z.B. Vesal Lei- Stattdessen werden einzelne Körperfunktionen
chensektionen vor und erstellt auf dieser Grund- isoliert betrachtet.
lage die ersten anatomischen Atlanten. Die anato-
Zweitens sucht man die „eigentlichen“ Ursachen
mischen Begriffe, die dabei Anwendung finden,
einer Erkrankung nun auf immer tieferen Ebenen
stammen aus dem Lateinischen.
des körperlichen Aufbaus des Menschen, das
Zusammenfassung heißt zunächst in den Zellen und heute in den in-
Die abendländische Medizin hat ihren Ursprung in ter- und intrazellulären molekularen Prozessen,
der antiken hippokratischen Medizin. Diese be- was auch bedeutet, dass der Schwerpunkt der
ruhte auf der Humoralpathologie, einer Krank- Therapieoptionen nicht mehr auf diätetischen
heitslehre, die bis in das 19 Jh. hinein für die Kran- Maßnahmen liegt, sondern u.a. auf medikamentö-
kenbehandlung maßgeblich blieb. sen Interventionen in körpereigene Funktionen.
Zentrale griechischstämmige Begriffe aus der klini- Schließlich und drittens erscheint der Arzt in die-
schen Fachsprache stammen aus dieser Zeit. Sie ser neuen Perspektive vor allem als Naturwissen-
wurden, vermittelt über die arabischen Überset- schaftler und Techniker des menschlichen Kör-
zungen, im Spätmittelalter latinisiert übernom- pers, für den das Gespräch und die Beziehung zum
men. Inhaltlich änderte sich an den überlieferten Patienten vor allem als Mittel der Informationsge-
Texten wenig. Die anatomische Nomenklatur wird winnung über mögliche Krankheitsursachen von
in der Renaissance systematisch mit Hilfe lateini- Bedeutung sind. Dass die Beziehung zum Arzt und
scher Begriffe neu entwickelt. das Arzt-Patienten-Gespräch selbst Einfluss auf
das Wohlbefinden des Patienten, seinen Umgang
mit Krankheit und seine Krankheit selbst haben
2. Die Entwicklung der modernen
können, steht dagegen weniger im Zentrum der
Medizin
Aufmerksamkeit.
In der Neuzeit wurde die Humoralpathologie von
Was heißt es etwas zu erkennen?
der naturwissenschaftlich geprägten Medizin ab-
gelöst. Die naturwissenschaftliche Medizin ver- Grundlegend lässt sich dieser Wandel in der Medi-
steht Krankheiten als körperinterne Funktionsstö- zin auch als ein Wandel in der Vorstellung davon
rungen. In ihr kommen Anatomie und Nosologie begreifen, was es überhaupt heißt, Wissen zu ge-
zusammen, weil Krankheiten im Rückgriff auf ana- nerieren und etwas zu erkennen. Ein in den Natur-
tomisch-physiologische Veränderungen erklärt wissenschaften verbreitetes Erkenntnismodell ist
werden. der Positivismus, der deshalb so heißt, weil dieser
Position zufolge Ereignisse direkt („positiv“) beo-
Einen wichtigen Schritt in dieser Entwicklung stellt
bachtet werden können und aus diesen Beobach-
die Zellularpathologie Rudolf Virchows dar.
tungen unmittelbar zugrundeliegende Regelmä-
Virchow versucht zum ersten Mal, eine einheitli-
ßigkeiten und Gesetzmäßigkeiten hervorgehen.
che, körperinterne Basis und Beschreibungsebene
Aus der Beobachtung folgen also Erkenntnisse in
für die Entstehung zu finden, indem er pathologi-
Form von Faktenwissen über Gesetzmäßigkeiten.
sche Veränderungen von Zellen als Ursache für

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Dagegen geht man im hermeneutischen Erkennt- dem hermeneutischen Erkenntnismodell. Die Kon-
nismodell davon aus, dass Erkennen ein andau- zentration auf die Heilung von Krankheiten durch
ernder Prozess des Verstehens ist, in dem Ereig- das Aufspüren von körpereigenen Fehlfunktionen
nisse auf bestimmte Weise und beeinflusst von legt eine positivistische Grundkonzeption nah.
Vorannahmen des Erkennenden interpretiert wer- Gleichzeitig aber hat es die Medizin immer mit
den. Erkenntnisse über einen bestimmten Gegen- dem Patienten als ganzem Menschen zu tun, mit
stand sind in diesem Modell prinzipiell revidierbar, dem kommuniziert werden soll und muss und der
weil der Gegenstand sich immer auf neue Weise sich durch Kommunikation verändert. In diesen Si-
so zeigen kann, dass alte Interpretationen hinfällig tuationen ist die Medizin nicht als Technik, son-
werden. Nicht Ursache und Gesetz sind daher die dern als „sprechende Medizin“ gefragt, für die das
Grundbegriffe dieses Erkenntnismodells, sondern hermeneutische Modell des Erkennens geeignet
Grund und Wille. Erkenntnis ist in diesem Modell, ist.
kurz gefasst, ein interpretatorisch erlangtes Wis- Zusammenfassung
sen über das Vorliegen von Gründen, die einen
Mit der Entwicklung der modernen, naturwissen-
Gegenstand zu einem bestimmten Handeln veran-
schaftlichen Medizin geht ein Wandel im Krank-
lassen.
heitsverständnis und im Verständnis von der Rolle
Es ist offensichtlich, dass das hermeneutische Er- des Arztes einher. Krankheiten werden als körper-
kenntnismodell besonders gut auf unsere Vorstel- liche Funktionsstörungen beschrieben, deren Ur-
lung von und unseren Umgang mit anderen Men- sachen in den Funktionen der Grundbausteine des
schen passt. Im Zusammensein mit anderen Men- menschlichen Körpers zu suchen sind und an de-
schen geht man davon aus, dass der andere wie nen daher auch Therapie in erster Linie ansetzen
man selbst von Gründen zum Handeln bewegt sollte. Der Arzt wird als Naturwissenschaftler und
wird, dass sich diese Gründe im Gespräch ändern Techniker verstanden, der in diese Prozesse ein-
können und dass nicht vorab feststeht, auf welche greifen kann.
guten Gründe man sich in einem Gespräch einigen
Philosophisch gesehen wendet sich die Medizin
wird und welche Gründe dann entsprechend das
mit dieser Entwicklung einem positivistischen Er-
eigene Handeln und das Handeln des anderen im
kenntnisideal zu, das sich gegen den hermeneuti-
Anschluss an das Gespräch bestimmen werden.
schen Erkenntnisbegriff abgrenzen lässt. Das Ge-
Rein positivistisch gesehen dagegen wäre ein sol- spräch mit dem Patienten ist aus positivistischer
ches, offenes Gespräch über gute Handlungs- Sicht vor allem Mittel zur Informationsgewinnung
gründe sinnlos - oder bestenfalls eine Illusion - und nicht ein Weg zur Veränderung oder Bekräfti-
weil letztlich alles Handeln Ursachen folgt, die im gung von Handlungsintentionen.
einzelnen in Form von genetischer Information,
Neurophysiologie oder ähnlichem unabänderlich
vorliegen und das Verhalten bestimmen.
Der Positivismus schließt damit nahtlos an die Be-
obachtung von Phänomenen an, die keinen er-
kennbaren Subjektcharakter haben und bei denen
deshalb die Verwendung von Begriffen wie
„Grund“ und „Wille“ bestenfalls metaphorisch an-
gemessen erscheint. Solche Phänomene sind auch
die physiologischen Prozesse im menschlichen
Körper.
Die Medizin als Wissenschaft vom kranken Men-
schen steht zwischen dem positivistischen und

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3. Sprachfunktionen und die Arzt- Dinge, zum Beispiel konkrete Gegenstände („Hohl-
Patient-Kommunikation vene“), aber auch Handlungen, Eigenschaften,
Wenn wir sprechen, möchten wir jemandem et- Ideen etc. Die Beziehung zwischen dem sprachli-
was mitteilen. Dies geschieht mit Hilfe der Be- chen Zeichen und dem Bezeichneten ergibt sich
zeichnungsfunktion der Sprache und funktioniert dabei nicht zwingend aus Eigenschaften des Be-
dann, wenn Sprecher und Hörer einen gemeinsa- zeichneten, sondern beruht auf Konvention.
men Sprachcode teilen. Die Verbindung zwischen dem sprachlichen Zei-
In der Medizin ist es einerseits Voraussetzung für chen und dem Bezeichneten wird über den Begriff
die Fähigkeit zu heilen, dass man Dinge korrekt hergestellt. Der Begriff ist die Art und Weise, wie
und eindeutig benennt. Gleichzeitig jedoch behan- jemand ein sprachliches Zeichen mit dem Bezeich-
delt man in der Medizin Patienten, die verstehen neten in Verbindung bringt. „Hohlvene“ ruft z. B.
müssen, woran sie leiden, die an einer Therapie bei einem Arzt die Vorstellung eines Gefäßsys-
mitwirken sollen und die den Umgang mit einer tems und die Verortung dieser Vene links vom
Krankheit und die Prävention von Krankheiten in Herzmuskel auf. Ein Patient verbindet mit „Hohl-
ihre Alltagsroutinen und ihr Lebensmodell integ- vene“ dagegen möglicherweise ganz andere Vor-
rieren müssen. Für die Bewältigung dieser Aufga- stellungen. Dennoch sprechen beide über das-
ben kommt es darauf an, dass Arzt und Patient ei- selbe Bezeichnete.
nen Behandlungsweg als gemeinsame Aufgabe Die Gesamtstruktur des sprachlichen Bezeichnens
beschreiben und verstehen können. lässt sich im semiotischen Dreieck (von gr. se-
Auch bei dieser zweiten Aufgabe kann die speziali- meion – Kennzeichen) darstellen:
sierte Fachsprache unter bestimmten Vorausset-
zungen hilfreich sein, sie stößt hier jedoch auch an
Grenzen. Um diese Grenzen analysieren zu kön-
nen, ist es wichtig sich zu verdeutlichen, dass
Sprache in der Kommunikation neben der Be-
zeichnungsfunktion immer weitere Funktionen er-
füllt.
Voraussetzung für die naturwissenschaftliche Me- Zu kommunizieren heißt aber auch, sich selbst
dizin ist die möglichst eindeutige und systemati- dem Hörer gegenüber auf eine bestimmte Weise
sche Bezeichnung von, erstens, anatomischen zu präsentieren, etwas vom Hörer zu erwarten o-
Strukturen des menschlichen Körpers und, zwei- der ihn zu etwas aufzufordern und zu dem Hörer
tens, von Krankheiten und Diagnose- und Thera- eine bestimmte Art von Beziehung aufzubauen. So
pieverfahren usw. Wie in anderen Gebieten auch, kann die Aussage „Mir ist heiß“ eine entspre-
ist aus diesen Anforderungen eine spezifische chende Information übermitteln, gleichzeitig aber
Fachsprache erwachsen. Angestrebt wird, Gegen- auch eine Aufforderung sein, das Fenster zu öff-
standsbereiche aus einer Beobachterperspektive nen und möglicherweise signalisieren, dass ich die
heraus in ihren Funktionen zu beschreiben und anstrengende Wanderung nicht fortsetzen kann.
dabei die Bezeichnungsfunktion der Termini so Eines der ersten sprachwissenschaftlichen Mo-
klar und unmissverständlich wie möglich zu ge- delle, das diesem Funktionsspektrum Rechnung
stalten. trug, war das Organon-Modell aus den 1930er
Wenn ein sprachliches Zeichen ein Ding bezeich- Jahren von Karl Bühler. Bühler unterscheidet ne-
net, dann steht es für das, was es bezeichnet. Es ben der Darstellungsfunktion die Ausdrucks- und
ist ein Repräsentant für das Repräsentierte. Re- die Appellfunktion der Sprache. Die Ausdrucks-
präsentiert werden können ganz unterschiedliche seite gibt über den Inhalt oder die Form der
sprachlichen Äußerung etwas über den Sprecher
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(bei Bühler: „Sender“) zu erkennen, die Appell- Mit Hilfe dieses Modells können zum Beispiel der
seite des Zeichens besteht in einer Aufforderung Aussage „Ich habe immer noch starke Schmerzen“
an den Hörer („Empfänger“) etwas Bestimmtes zu folgende Kommunikationsaspekte zugeordnet
tun. werden:

In der Kommunikation kann Sprache immer im


Hinblick auf alle diese vier Funktionen interpre-
Organon-Modell nach Bühler, 1934
tiert werden, unabhängig davon, welche Funktion
für den Sprecher im Vordergrund steht.
Dieses Modell ist in vielfältiger Weise erweitert Das bedeutet auch, dass Sprecher und Hörer diese
und modifiziert worden. Im Folgenden soll dem Aspekte unterschiedlich wahrnehmen können.
Modell des Psychologen Friedemann Schulz von Dies kann die Frage betreffen, wie einer der As-
Thun gefolgt werden. Er unterscheidet neben der pekte gedeutet wird, es kann aber auch darum ge-
Bezeichnungsfunktion die Appellfunktion, die hen, welcher der Aspekte als vorrangig verstan-
Selbstkundgabefunktion und die Beziehungsfunk- den wird, z.B. kann der Hörer einen Appell ver-
tion der Sprache. nehmen, während der Sprecher in erster Linie et-
was über sich selbst aussagen will.
In Bezug auf die Fachsprache ist von besonderer
Wichtigkeit, dass fachsprachliche Äußerungen im-
mer mit besonderen Selbstkundgabe-, Bezie-
hungs- und Appellaspekten verbunden sind, die
auch unbeabsichtigt vermittelt werden und die
Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun, 1981
den Erwartungen von Patienten zuwider laufen
1. Sachaspekt / Bezeichnungsfunktion: bezieht können.
sich auf den Sachverhalt, der mitgeteilt werden Sprachfunktionen der Fachsprache
soll: die Mitteilung in ihrem sachlichen Gehalt. Das Ideal der Fachsprache besteht darin, den zu
2. Appellaspekt: bezieht sich auf das, was der einem Zeichen gehörigen Begriff so sachlich eng
Sprecher mit seiner Mitteilung beim Hörer bewir- wie möglich an den bezeichneten Gegenstand zu
ken möchte. binden. Im Vordergrund steht bei der Fachsprache
3. Selbstkundgabeaspekt: beschreibt, wie der daher die Bezeichnungsfunktion der Sprache und
Sprecher sich selbst durch die Art seines Sprechens das Ideal der Fachsprache zeichnet sich im Ver-
darstellt. gleich zur Alltagssprache aus durch:
4. Beziehungsaspekt: fragt danach, welche Art von
Beziehung zwischen mir und meinem Hörer durch
mein Sprechen konstituiert wird.
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1. Entkontextualisierung: Ein bestimmter Gegen- Eineindeutige Zuordnung von Bezeichnung zu Ge-


standsbereich wird nicht im Hinblick darauf wahr- genstand, topographisch zusammengehörige Ob-
genommen, welche Wünsche und Absichten sich jekte werden ähnlich benannt, Lage-, Größe- und
mit seiner Hilfe in einem bestimmten Kontext er- Funktionsadjektive werden in Gegensatzpaaren
füllen oder umsetzen lassen, sondern im Hinblick strukturiert.
darauf, wie die Gegenstände dieses Bereiches in Daraus folgt auch, dass Synonyme (unterschiedli-
allen möglichen verschiedenen Kontexten funktio- che Bezeichnungen für dasselbe Objekt), Homo-
nieren. nyme (eine Bezeichnung für unterschiedliche Ob-
2. Entsubjektivierung: Ein Gegenstandsbereich jekte) und Eponyme (Bezeichnungen, die aus
wird nicht nach dem Schema von Person-Inten- Orts- oder Personennamen gebildet sind) vermie-
tion-Handlung beschrieben, sondern in Form von den werden sollen.
apersonalen Gesetzmäßigkeiten. Der aktuelle Stand der Standardisierungen wird in
3. Entnormativierung: Die Funktionen eines Ge- der Terminologica Anatomica (TA) und der Inter-
genstandsbereiches werden nicht daraufhin be- national Classification of Diseases (ICD) festgehal-
schrieben, ob sie als gut oder schlecht zu gelten ten.
haben, sondern allein auf ihren faktischen Gehalt Neben ihrer Aufgabe bei der Bezeichnung und Er-
hin. klärung von Körperteilen, -funktionen und Krank-
4. Entrhetorisierung: Ausschlaggebend für die heiten im medizinisch-therapeutischen Kontext
Frage, welche Überzeugung anzuerkennen ist, soll erlaubt Fachsprache aber auch, Krankheiten sta-
allein der Grad der richtigen Darstellung der Sach- tistisch erfassbar und für Verwaltung und Ökono-
verhalte sein, gemessen an logischer Folgerichtig- mie in unserem heutigen Gesundheitssystem
keit und empirischer Evidenz. Die mitreißende handhabbar zu machen. Die Erfassung und Ab-
Überzeugungskraft der Rede oder der gesell- rechnung der Behandlung von Patienten ist heute
schaftliche Status des Redenden sollen deshalb in ohne standardisierte Krankheitsklassifikationen
den Hintergrund treten und rhetorische Mittel nicht möglich.
sollen in der Fachsprache vermieden werden. Fachsprache in der Arzt-Patient-Kommunikation
5. Kalkülisierung: Einzelne Begriffe der Fachspra- In der Arzt-Patient-Kommunikation nutzt der Arzt
che sollen auf eineindeutige Weise auf Gegen- die Fachsprache zum Beispiel dazu, die heteroge-
ständen und Sachverhalte referieren und intern so nen Symptome des Patienten in ein einheitliches
verbunden sein, dass sie die Systematik des Ge- und benennbares Krankheitsbild zusammenzufas-
genstandsbereichs wiedergeben. sen (z.B. „Appendizitis“). Der Patient hat ebenfalls
Aufgrund dieser Charakteristika soll die Fachspra- Interesse daran zu erfahren, welche Krankheit er
che im Idealfall eine neutrale und eindeutige Be- hat. Für ihn ist jedoch neben einer möglichst sach-
zugnahme auf ihre Objekte gewährleisten, die lichen und neutralen Benennung wichtig, welche
eine (internationale) Kommunikation unter Exper- Bedeutung diese Diagnose für sein Leben hat. Er
ten ermöglicht. In diesem Bereich hat die Fach- wird im fachsprachlich geführten Diagnosege-
sprache ihren primären Verwendungskontext. spräch zu einem Mit-Experten, der über sich
selbst urteilt, sucht aber gleichzeitig nach Hilfe bei
Medizinische Fachsprache heute
der Bewältigung der Diagnose. Daraus resultieren
Heute existiert eine Reihe von Regelungen für die
besondere Herausforderungen bei der Nutzung
Bildung medizinisch-fachsprachlicher Ausdrücke,
von Fachsprache im Arzt-Patienten-Gespräch. Im
um sicherzustellen, dass die Fachsprache ihre
Hinblick auf die vier Aspekte der Kommunikation
Funktion erfüllen kann. Regeln für die Bildung
stellt sich dies im Detail so dar:
anatomischer Bezeichnungen sind:

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Sachbezug: Der Arzt beschreibt einen Sachverhalt,


der Patient versteht dies, wenn ein geteilter 4. Pathologisierung, Distanzierung,
„Code“ vorliegt, das heißt, wenn die Fachbegriffe Stigmatisierung
erläutert werden, so dass der Patient sie versteht.
Die medizinische Fachsprache strebt eine mög-
Allerdings sucht er darüber hinaus nach einer Be-
lichst exakte Bezeichnung, Einordnung und Klassi-
zeichnung oder Erläuterung, durch die die Diag-
fizierung von Körperteilen, Organen, Krankheiten
nose ihm persönlich und seinem Alltag zugeord-
usw. an. Die Stärken dieses fachsprachlichen Be-
net wird.
zeichnens lassen sich besonders gut an der anato-
Selbstkundgabe: Der Arzt stellt sich durch die Nut- mischen Nomenklatur aufzeigen. Grenzen dieses
zung der Fachsprache als Experte dar. Der Patient Anspruchs zeigen sich dagegen im Bereich der kli-
nimmt dies auch so wahr. nischen Terminologie und der Nosologie (Lehre
Beziehungsaspekt: Der Arzt tritt als Wissender ge- von den Krankheitsbezeichnungen, von gr. „no-
genüber dem zu informierenden Patienten auf sos“ – Krankheit), weil es Probleme bereitet,
und ist bemüht, den Patienten auf den gleichen Krankheiten als rein objektiv-empirisch zu bestim-
Wissensstand zu heben wie er selbst ihn hat. Für mende Gegenstände aufzufassen und zu identifi-
den Patienten ist dies eine Beziehung des Be- und zieren.
Verurteilens, bei der er gleichzeitig Beurteilter Krankheitsbegriff
und sich selbst Beurteilender ist. Als Kranker er- Eine möglichst objektive Grundlage für die Zu-
wartet er aber gleichzeitig eine Beziehung von schreibung von Krankheit möchte das „biostatisti-
Helfendem zu Hilfebedürftigem. sche“ Krankheitsmodell von Christopher Boorse
Appellfunktion: Der Arzt erwartet, dass der Pati- schaffen (Christopher Boorse: On the Distinction
ent seine Informationen aufnimmt und in ihrem between Disease and Illness. Philosophy and
fachlichen Gehalt versteht. Auch wenn der Patient Public Affairs 5, 1, 1975, 49-68). Eine Krankheit
dies leisten kann, erwartet er darüber hinaus ei- liegt diesem Modell zufolge dann vor, wenn ein
nen Appell, der ihn dazu auffordert, etwas Be- Organ oder der ganze Organismus in seiner Funk-
stimmtes zu tun oder nicht zu tun, und (bei einer tion zur Sicherung von Überleben und Fortpflan-
schweren Diagnose) sein Leben auf bestimmte zung statistisch signifikant beeinträchtigt ist.
Weise neu zu verstehen und zu führen. Krankheit wird als organische Dysfunktion be-
Zusammenfassung schrieben. Die Vergleichsgruppe zur Bestimmung
Für die moderne Medizin ist die Entwicklung einer der Abweichung der Funktionsfähigkeit soll dem
einheitlichen Fachsprache wichtig, die dem Ideal potentiellen Patienten in Alter und Geschlecht
nach eine möglichst eindeutige und neutrale Be- gleichen. Mit diesem Modell können zum Beispiel
zugnahme auf ihre Objekte gewährleisten soll. Aus eine Pneumonie oder ein Karzinom gut als Krank-
diesem wissenschaftlichen Erfordernis ergeben heiten erfasst werden.
sich jedoch Herausforderungen in der Arzt-Patient- Ein erstes Problem für dieses Modell besteht da-
Kommunikation. Mit Hilfe des Kommunikations- rin, auch solche Zustände als Krankheiten zu erfas-
quadrats lässt sich verdeutlichen, dass der Patient sen, die zwar alterstypisch sind, aber dennoch Be-
in einem fachsprachlich geführten Diagnosege- schwerden und Funktionsbeeinträchtigungen ver-
spräch die Rolle eines Beurteilers seiner selbst ursachen (z.B. Arthrose bei alten Patienten).
übernimmt. Die Erwartungen des Patienten, dass Will man hier das Leiden als Symptom einer
er als hilfesuchender Kranker angesprochen wird Krankheit beschreiben und behandeln, kann man
und etwas darüber erfährt, wie er mit seiner die Zusammensetzung der Vergleichsgruppe än-
Krankheit umgehen und sie verstehen kann, wer- dern. Wenn man die Arthrose eines alten Patien-
den in einem solchen Gespräch allein nicht erfüllt.

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ten mit der organischen Funktions- und Überle- Im Fall von chronischen Erkrankungen und Behin-
bensfähigkeit von 30-jährigen vergleicht, liegt eine derungen aber ist die Behinderung für den Be-
statistisch signifikante Abweichung vor. troffenen häufig ein nicht wegzudenkender Teil
Pathologisierung seiner selbst. Eine Behinderung nur fachsprachlich
Die Frage, wie die Vergleichsgruppe gewählt wer- zu bezeichnen, kann deshalb beim Patienten den
den soll, spiegelt gesellschaftliche Normen wider: Eindruck erwecken, er selbst sei als Behinderter so
Wenn man möglichst lang so leistungsfähig sein zu betrachten wie eine zu therapierende Krank-
will und soll wie als 30-jähriger, dann wählt man heit. Die Neutralität und Sachlichkeit der Fach-
diese Gruppe als Vergleichsgruppe. Hinzu kommt, sprache kann in solchen Fällen als eine Stellung-
dass sich ein ökonomisch lukrativer Markt auftut, nahme gegen den behinderten Menschen selbst
sobald ein bestimmter Zustand als Krankheit gilt. verstanden werden.
Diese beiden Tendenzen führen zum Phänomen Stigmatisierung
der Pathologisierung. Einen Zustand „Krankheit“ zu nennen bedeutet
Unter Pathologisierung versteht man die Umdeu- erstens, dass man den Betroffenen schont und
tung eines Zustandes, der bisher als natürlich oder ihm medizinische Hilfe anbietet. Gleichzeitig er-
normal gilt, zu einer Krankheit. So können die Be- wartet man zweitens von ihm, diese Hilfe auch an-
schwerden einer Frau im Klimakterium zum Symp- zunehmen, an seiner Heilung mitzuwirken und ge-
tom einer Krankheit erklärt werden, wenn man nerell bekannten Gesundheitsrisiken so weit wie
auf den sinkenden Östrogenspiegel verweist und möglich aus dem Weg zu gehen. Wenn ein Be-
diesen mit dem Östrogenspiegel jüngerer Frauen troffener diesen Erwartungen dauerhaft nicht ge-
vergleicht. Der alterstypische Übergang in die Me- nügt, wird man ihm das Recht auf Behandlung ab-
nopause wird damit pathologisiert. sprechen.
Wenn man sich des Einflusses der gesellschaftli- Mit diesen Anforderungen an den Kranken verbin-
chen Normvorstellungen auf die Krankheitszu- den sich wiederum gesellschaftliche Vorstellungen
schreibung in Fällen wie diesen nicht bewusst ist, von guter und akzeptabler Lebensführung. Erkran-
kann der Eindruck entstehen, der Abfall des Öst- kungen wie Hepatitis C oder HIV/Aids werden auf
rogenspiegels müsse zwingend – weil empirisch dem Blutweg übertragen. Da eine Vielzahl der In-
nachweisbar – als Krankheit verstanden werden. fektionen im Drogen-und Prostitutionsmilieu er-
folgen und diese Milieus gesellschaftlich nicht ak-
Fachsprachliche Ausdrücke können den Eindruck
zeptiert sind, kann einem Erkrankten schnell vor-
von Objektivität der Krankheitszuschreibung auch
geworfen werden, dem Ansteckungsrisiko nicht so
in den Fällen verstärken, in denen diese Objektivi-
weit wie möglich aus dem Weg gegangen zu sein
tät nicht oder nur bis zu einem gewissen Grad be-
und deshalb ein geringeres Recht auf Behandlung
steht.
zu haben als andere.
Abwertung durch Distanzierung
Diese moralische Verurteilung eines Kranken auf-
Die fachsprachliche Bezeichnung einer Krankheit
grund seiner Erkrankung nennt man Stigmatisie-
bedingt eine Distanznahme zur Krankheit. Krank-
rung. Man versteht die Krankheit als äußerlich
heit wird als isolierbares Objekt beschrieben, das
sichtbares Zeichen (gr. „stigma“ – Brandmal) sei-
vom Kranken selbst unabhängig besteht. Damit
ner selbstverschuldeten moralischen Vergehen.
geht der Appell einher, die Krankheit wegzuma-
Fachsprachliche Ausdrücke können (bis zu einem
chen oder wegmachen zu lassen. Bei akuten und
gewissen Grad, vgl. den vorigen Abschnitt zu „Dis-
gut therapierbaren Erkrankungen ist dies sinnvoll
tanzierung“) davor schützen, dass es zu Stigmati-
und ermöglicht dem Patienten einen guten Um-
sierungen kommt. Wird die Diagnose „Äthylis-
gang mit seiner Krankheit.
mus“ (oder „Alkoholismus“) gestellt, dann geht

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damit die Vorstellung einher, dass bei dem Patien- 5. Metaphern in der Medizin
ten eine objektiv festzustellende Funktionsstö- Eine Metapher ist eine Form uneigentlicher Rede
rung vorliegt, die ihn von persönlicher Schuld an (ein sog. „Tropus“). Damit ist gemeint, dass über
seinem Schicksal (weitgehend) freispricht und die einen Gegenstandsbereich mit Begriffen gespro-
ein Anrecht auf medizinische Behandlung beinhal- chen wird, die ursprünglich nicht zur Bezeichnung
tet. Galt der Betreffende vorher als jemand, der dieser Gegenstände dienten. Es werden also Be-
„seine Finger nicht von der Flasche lassen“ kann, griffe aus einem „Quellbereich“ herausgenom-
so wird er mit der Diagnose zu einem therapiebe- men und auf einen anderen „Zielbereich“ ange-
dürftigen Patienten. wendet, um den Zielbereich auf bestimmte Weise
Zusammenfassung zu erschließen. Aufgrund von vermuteten oder
Die medizinische Fachsprache dient dazu Zu- bekannten Ähnlichkeiten zwischen den beiden
stände eindeutig und neutral zu benennen und zu Bereichen werden so bei einer Metapher Eigen-
klassifizieren. schaften und Konnotationen, die mit dem Quell-
Da die Zuschreibung von Krankheit aber nicht nur bereich zusammenhängen, auf den Zielbereich
von objektiv-empirischen Faktoren abhängig ist, übertragen.
sondern auch von Vorstellungen darüber, was als Mit diesen Übertragungen kann eine ästhetische
normal gelten soll, lässt sich das Ideal einer wert- Funktion, nämlich die Illustration, verbunden
freien Benennungsrelation zwischen den Krank- sein. Durch die Metapher werden Eigenschaften,
heitsbezeichnungen und den Krankheiten selbst Tätigkeiten oder Personen besonders plastisch vor
nicht erfüllen. Krankheitszuschreibungen haben Augen geführt („Der kämpfende Löwe Achill“). In
auch eine normative Dimension, d.h. sie sind zum solchen Fällen wird die Ähnlichkeit zwischen
Teil abhängig von Wertvorstellungen. Quell- und Zielbereich als bekannt vorausgesetzt.
Wenn man sich dieser Grenze nicht bewusst ist,
Im Kontext von Fachsprachen sind Metaphern auf
besteht die Gefahr, den Nachweis physiologischer
den ersten Blick nutzlos oder wirken sogar so, als
Veränderungen bereits für einen Krankheitsnach-
ob sie Wissen verfälschen. Das Ideal fachsprachli-
weis zu halten und so Pathologisierungen unkri-
cher Bezeichnung ist die möglichst eindeutige und
tisch zu akzeptieren.
abstrakt-universale Identifikation und Benennung
Auf ähnliche Weise kann der Neutralitätsanspruch von Objekten. So wie deshalb in der Fachsprache
der fachsprachlichen Krankheitsbezeichnung dar- Synonyme und Homonyme vermieden werden
über hinweg täuschen, dass die Diagnose einer sollen, so sollen auch Metaphern vermieden wer-
Krankheit immer den Imperativ beinhaltet, diese den.
Krankheit behandeln zu lassen. Chronische Krank-
Es gibt jedoch einen Bereich des Wissenserwerbs,
heiten oder Behinderungen können aber so eng
bei dem Metaphern eine positive Rolle spielen
zur Identität der Betroffenen gehören, dass dieser
können. Dies ist der Bereich der Erforschung
Imperativ wie ein Urteil über den Wert der Be-
neuer, unbekannter Gegenstandsbereiche. Die
troffenen selbst erscheint.
Funktionen, die Metaphern in diesem Zusammen-
Auch beim Umgang mit Krankheit schließlich spie-
hang erfüllen, nennt man „epistemische Funktio-
len gesellschaftliche Normvorstellungen eine
nen“ (von gr. episteme - Wissen). In diesen Fällen
Rolle. Dies zeigt sich am Phänomen der Stigmati-
wird die Ähnlichkeit zwischen Quell- und Zielbe-
sierung, bei dem Krankheit zum Stempel für ein
reich nicht als bekannt vorausgesetzt, sondern als
moralisch fehlerhaftes Verhalten des Patienten
möglicherweise hilfreiche Annahme für die Erfor-
wird.
schung des neuen Objektbereichs postuliert.
Man kann drei epistemische Funktionen von Me-
taphern unterscheiden:

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1. Innovation: Metaphern regen durch Analogie-


bildung die Entwicklung neuer Forschungsfragen
6. Klinische Alltagsbewältigung mit
und Forschungsziele an.
sprachlichen Mitteln
2. Konstitution: Metaphern konstituieren einen Ironie, Sarkasmus und Zynismus sind rhetorische
neuen Gegenstandsbereich als etwas Bestimmtes. Stilmittel, die oft im klinischen Alltag anzutreffen
3. Normativierung: Metaphern legen fest, was sind.
über einen neuen Gegenstandsbereich gedacht Ironie. Aus dem Griechischen eironeia: Vortäu-
und gesagt werden soll. schung, Verstellung.
In der Medizin gibt es zum Beispiel die Metaphern Ironie ist eine rhetorische Figur, bei der das Ge-
von der „Kommunikation“ zwischen Zellen, von sagte und das Gemeinte mit Absicht nicht über-
DNA als „Software“ und vom Immunsystem als einstimmen, wobei die Nichtübereinstimmung für
Abwehrsystem mit „Killerzellen“. den Zuhörer durchschaubar ist. Durch Ironie kön-
nen – häufig unausgesprochene – Erwartungen
Wenn man davon spricht, dass die DNA das Ver-
aufgedeckt werden, indem zum Schein das Gegen-
halten einer Zelle so steuert wie Software die Pro-
teil behauptet wird. Kennzeichnend für ironisches
zesse der Hardware steuert, dann kann das 1. zu
Sprechen sind doppeldeutige oder konträr struk-
innovativen Fragen führen: Lässt sich so etwas wie
turierte Ausdrücke, die implizit auf Gegenteiliges
ein Programmcode finden? Kann man möglicher-
hinweisen, z.B. durch Homonymie (Doppeldeutig-
weise diesen Code reprogrammieren? 2. hat diese
keit), durch Antonymie (gegenteilige Bedeutung,
Metapher eine konstituierende Funktion: DNA ist
z.B. „Du bist entzückend“ für „Du bist gemein“),
eine Software, die de facto eine Zelle in ihrem
durch Kontrastbildung („körperlich ist er ein
Verhalten vollständig steuert. Und 3. leitet sich
Riese“) oder durch mehrdeutige Handlungsauffor-
daraus eine normativierende Funktion ab: Zellver-
derung („Mach weiter so!“).
halten kann und soll nur im Rückgriff auf DNA-
Strukturen erklärt werden. Um Ironie erkennbar und damit wirkungsvoll zu
machen, muss der Kontrast zwischen Gesagtem
Auch in der Arzt-Patient-Kommunikation können und Gemeintem möglichst groß sein. Neben ei-
Metaphern eine wichtige Rolle spielen. So wie sie nem offensichtlichen Widerspruch zu kontextuel-
dem Forscher helfen, einen neuen Objektbereich len Faktoren („Schönes Wetter heute“, bei Platz-
zu erschließen, so können sie auch dem Patienten regen gesagt) leisten dies verschiedene „Ironiesig-
helfen, ihm unbekannte organische Vorgänge bes- nale“, z.B. Hyperbeln, d.h. Übertreibungen („Du
ser zu verstehen. Fachtermini mit Metaphern zu bist ja superpünktlich!“) exklamativer Satzmodus
erläutern kann deshalb dabei helfen, Patienten („War das aufregend!“ mit gesprochener Beto-
möglichst gut über ihre Erkrankung zu informieren nung auf „aufregend“), Intonation usw.
und ihnen Handlungsweisen zu empfehlen.
Sarkasmus. Aus dem Griechischen sarkasmein:
Zusammenfassung zerfleischen, verhöhnen.
Obwohl Metaphern dem Ideal einer eindeutigen Sarkasmus bezeichnet beißenden und bitteren
und neutralen Bezugnahme auf ein Objekt nicht Spott. Sarkasmus wird meistens eingesetzt um
entsprechen, können sie in der Fachsprache dazu eine Idee, Person oder Institution herabzusetzen,
dienen, neue Gegenstandsbereiche zu erschließen der Lächerlichkeit preiszugeben oder anzugreifen.
und Forschungsfragen zu generieren. Im Arzt-Pati- Anders als die Ironie wird in der sarkastischen
ent-Gespräch können Metaphern dazu genutzt Aussage das Gemeinte direkt ausgedrückt. (A: „Es
werden, dem Patienten Krankheiten verständlich gibt viele Psychotiker, die keinen Leidensdruck
zu machen und implizit Handlungsempfehlungen verspüren.“ B: „Es sei denn, sie kommen in die
an den Patienten zu vermitteln. Psychiatrie.“).
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Während die Ironie durch Über- oder Untertrei- sich selbst und andere erzeugt wird, kann auch für
bung auf die Kehrseite verweist, wobei sie die Ja- Patienten und Angehörige entlastend sein und er-
nusköpfigkeit der Erscheinungen humorvoll gelten möglichen, den Blick zumindest partiell aus Hoff-
lässt, wird im Sarkasmus ein eindeutiges (negati- nungslosigkeit herauszuführen. Auch tabuisierte
ves) Urteil als richtig vorausgesetzt. Ironie ist ein Themen können so zugänglich gemacht werden.
sprachliches Mittel, das zu unterschiedlichen Zwe- Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es eine
cken eingesetzt werden kann. Sarkasmus bezeich- feste Basis von gegenseitigem Verständnis und
net Äußerungen und rhetorische Mittel, die einge- Vertrauen zwischen Arzt und Patient bzw. Ange-
setzt werden, um andere herabzusetzen. hörigen gibt, da andernfalls eine ironische Bre-
Zynismus. Aus dem Griechischen kynismos: Bissig- chung sehr schnell als takt- und respektlos emp-
keit (wörtl.: „Hundigkeit“). funden werden wird.
Zynismus ist wiederum nicht lediglich bitterer Neben diesen sinnvoll zu nutzenden Funktionen
Spott und Hohn, sondern Ausdruck einer Haltung, der Ironie kann Ironie andererseits auch dazu die-
die zentrale Normen und Moralvorstellungen ver- nen, Zugehörigkeiten und Hierarchien auf Kosten
wirft und für lächerlich hält. Der Zyniker stellt die anderer zu unterstreichen, sowohl im Gespräch
Gültigkeit üblicher Wertvorstellungen in Frage mit Kollegen als auch mit Patienten. Das ironische
und ist durch eine Haltung der Indifferenz oder Gespräch mit der Kollegin über Patienten kann z.
Misanthropie gekennzeichnet. B. die Funktion haben, die Zugehörigkeit unter
Kollegen auf Kosten des Patienten zu demonstrie-
Ambivalenz der Ironie
ren und hervorzuheben. Im Gespräch mit Patien-
Ironie basiert auf der Nichtübereinstimmung zwi-
ten kann Ironie dazu führen, dass der Eindruck
schen Gesagtem und Gemeinten und setzt somit
entsteht, man wolle ein Patientenschicksal nicht
die Fähigkeit zur Distanzierung von dem ironisch
ernst nehmen oder den Patienten gar auslachen.
besprochenen Sachverhalt voraus. Psychologisch
betrachtet kann Ironie als Mittel eingesetzt wer- Ironie kann außerdem von der Entlastung zur Ver-
den um eine schwierige Situation zu entschärfen. drängungsstrategie werden. Wenn nur noch in
Sie kann ein sinnvoller Schutz- und Abwehrmecha- ironischer Brechung über ernste und belastende
nismus sein. Ironie birgt ebenfalls die Möglichkeit, Situationen gesprochen wird, kann das bedeuten,
Sachverhalte indirekt andeuten zu können, aber dass man diese Bedrängungen als solche gar nicht
dennoch so, dass der Gesprächspartner das ei- mehr wahrnimmt oder wahrnehmen will.
gentlich Gemeinte versteht. In diesen Fällen verwandelt sich Ironie in Sarkas-
So schafft Ironie im Gespräch mit Kolleginnen und mus und Zynismus.
Kollegen durch die gemeinsam verstandene Bre- Zusammenfassung
chung und Distanzierung klinischer Alltagssituatio- Ironie kann einerseits sowohl im Gespräch mit
nen Gemeinschaft und Entlastung. Ironie kann in Kollegen als auch mit Patienten ein Mittel zur Ent-
diesem Kontext ein Mittel zur Entspannung und spannung und Entlastung darstellen und Zusam-
Entlastung angesichts der täglichen Herausforde- menhalt herstellen. Andererseits kann Ironie den
rungen sein und den Zusammenhalt im Team be- Eindruck vermitteln, Situationen nicht ernst neh-
stärken. men zu wollen. Ironie kann schließlich auch zu ei-
Im Gespräch mit dem Patienten kann Ironie so ner Verdrängungsstrategie vor den Belastungen
auch dienlich sein, um dem Patienten (oder auch des klinischen Alltags werden und in Sarkasmus o-
Angehörigen) zu ermöglichen, für einen Augen- der Zynismus umschlagen.
blick aus einer bedrängenden und bedrückenden
Situation zu entkommen. Die Distanzierung zu
sich und anderen, die im ironischen Lachen über

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II. Grammatik anatomischer Ausdrücke


1. Allgemeines

1.1. Aussprache
 „c“ vor hellem Vokal (e, i): wie „z“ (Bsp.: cerebrum = „z“erebrum))
 „c“ vor dunklem Vokal (a, o, u): wie „k“ (Bsp.: corpus = „k“orpus)
 Betonung auf der vorletzten Silbe (Bsp.: arcus, ascendens)
 Wenn vorletzte Silbe kurz: Betonung auf der drittletzten Silbe (Bsp.: inclinatio)

1.2. Abkürzungen und Schreibweisen anatomischer Ausdrücke


Die anatomischen Ausdrücke stammen zum allergrößten Teil aus dem Lateinischen und werden mit Hilfe
einiger Regeln der lateinischen Grammatik zusammengesetzt. Um komplexe anatomische Ausdrücke zu
verstehen, ist es deshalb wichtig, über einen Basiswortschatz der nicht-zusammengesetzten Vokabeln zu
verfügen und die grammatischen Regeln, nach denen diese Vokabeln kombiniert werden, zu kennen.
Schreibung:
Erstes Wort groß, alle folgenden klein („Musculus transversus abdominis“).
International übliche Abkürzungen:
A. = Arteria V. = Vena Proc. = Processus
N. = Nervus R. = Ramus Gl. = Glandula
M. = Musculus Lig.= Ligamentum
Abkürzungen im Plural:
durch Verdopplung des letzten Buchstaben:
Aa. = Arteriae Ligg. = Ligamenta

1.3. Funktionen der Wortendung


Die Wortendung trägt im Lateinischen die grammatikalische Information, d.h. die Information über Kasus,
Numerus und Genus.
Genus (grammatisches Geschlecht):
maskulin, feminin, neutrum (Abk.: m., f., n.).
Numerus (Zahl):
Singular, Plural (Abk.: Sg., Pl.).
Kasus (Fall):
Nominativ, Genitiv (Abk.: Nom., Gen.).
Nominativ und Genitiv sind die einzigen Fälle, die in der Anatomie vorkommen. Darüber hinaus gibt es im
Lateinischen noch Dativ, Akkusativ, Vocativ, Ablativ, die aber in der anatomischen Nomenklatur keine Rolle
spielen.

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1.4. Angaben in Wörterbüchern zu Substantiven


In Wörterbüchern werden lateinische Substantive im Nominativ Singular angegeben. Darauf folgend er-
scheint die Endung im Genitiv Singular und das Genus.
arteria, ae, f. - Arterie (Genitiv Singular von arteria ist arteriae, Genus ist feminin)
digitus, i, m. - Finger
femur, oris, n. - Oberschenkelknochen
arcus, us, m. - Bogen
facies,ei, f. - Aussehen, Gesicht

1.5. Angaben in Wörterbüchern zu Adjektiven


Adjektive können im Lateinischen im Nominativ Singular für die drei Genusformen drei unterschiedliche
Endungen, zwei unterschiedliche Endungen oder eine einheitliche Endung haben. Je nach Zugehörigkeit
des Adjektivs fallen die Angaben in den Wörterbüchern unterschiedlich aus.
1. Adjektive mit drei Endungen im Nominativ Singular
Angegeben werden die Form im Nom. Sg. m. und die Endungen der beiden weiteren Genusformen für den
Nom. Sg (f. und n.):
Bsp.: magnus, a, um - groß
(das heißt: magnus, magna, magnum sind Nom. Sg. m./f./n.)
2. Adjektive mit zwei Endungen im Nominativ Singular
Angegeben wird das Adjektiv im Nom. Sg. m., dazu kommt die Endung für den Nom. Sg. n. Die Form im
Nom. Sg. f. entspricht bei diesen Adjektiven der Maskulin-Form und wird nicht angegeben.
Bsp.: brevis, e - kurz
(das heißt: brevis, brevis, breve sind Nom. Sg. m./f./n.)
Bsp.: posterior, -ius - der/die/das hintere/weiter hinten gelegene
(das heißt: posterior, posterior, posterius sind Nom. Sg. m./f./n.)
3. Adjektive mit einer Endung im Nominativ Singular
Bei diesen Adjektiven wird die Form im Nom. Sg. (alle Genusformen gleich) aufgeführt. Hinzu kommt die
Angabe der Endung im Gen. Sg., die auch für alle drei Geschlechter identisch ist.
Bsp.: ascendens, entis - aufsteigend
(das heißt: ascendens ist Nom. Sg. m./f./n., ascendentis ist Gen. Sg. m./f./n.)

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2. Verbindungstypen anatomischer Ausdrücke


In der Anatomie finden sich vier Verbindungstypen für die Verbindung einzelner anatomischer Wörter in
komplexen Ausdrücken:
1. Genitivverbindungen zweier Substantive
2. Substantiv + Adjektiv
3. Substantiv + Apposition
4. Komma-Beiordnung
und alle Kombinationen von 1-4.

2.1. Genitivverbindung zweier Substantive


Zugehöriges Deklinationsschema auf S. 24
Mit der Genitivverbindung wird ein zweites Substantiv einem ersten Substantiv zugeordnet, indem das
zweite Substantiv in den Genitiv gesetzt wird. Diese grammatische Verbindung drückt inhaltlich Zugehörig-
keit aus („Der Streckmuskel der Finger“).
Im Deutschen lassen sich solche Verbindungen häufig zu einem Wort zusammenziehen („Der Fingerstreck-
muskel“).
Wie ein Substantiv im Genitiv gebildet wird, folgt im Lateinischen festen Regeln. Als erstes muss man wis-
sen, zu welchem „Deklinationsschema“ das Substantiv gehört. Es gibt fünf verschiedene:
a-Deklination, o-Deklination, i/konsonantische Deklination, u-Deklination und e-Deklination (siehe das De-
klinationsschema auf S. 24).
Die Deklinationen sind nach dem sogenannten „Stammvokal“ der zugehörigen Substantive benannt. Der
Stammvokal ist der Vokal, auf den der Stamm eines Substantivs ursprünglich endete. Er ist häufig noch an
der Form Genitiv Plural sichtbar (z.B. ist der Genitiv Plural von „oculus“ „ocul-orum“ und „oculus“ gehört
zur o-Deklination).
Sicher ablesen kann man die Zugehörigkeit eines Substantivs zu der jeweiligen Gruppe an den Endungen
des Substantivs im Nominativ und Genitiv Singular. Die Kombination von „-us“ im Nominativ Singular und „-
i“ im Genitiv Singular zum Beispiel deutet eindeutig auf ein Substantiv der o-Deklination hin.
Aus dem jeweiligen Schema gehen dann diese und die Endungen für den Nominativ Plural und den Genitiv
Plural hervor. Die Angabe für die Endung im Genitiv Singular finden Sie außerdem in jedem lateinischen
und anatomischen Vokabelverzeichnis.

2.1.1. Beispielanalyse: Septum linguae


 Das erste Wort in einem anatomischen Ausdruck steht immer im Nominativ (Singular oder Plural).
Zu „septum“ finden Sie im Vokabelverzeichnis die Angabe: „septum, i, n. - Scheidewand“. Es könnte
sich also um den Nominativ Singular handeln.
 Über die Endung „-um“ im Nominativ Singular und die Angabe der Endung „-i“ für den Genitiv Sin-
gular können Sie außerdem erschließen, dass die Vokabel zur o-Deklination gehören muss und
Neutrum ist (vgl. die Deklinationsschemata für Substantive). Der Nominativ Plural müsste deshalb
„septa“ lauten. Damit ist „septum“ hier eindeutig Nominativ Singular.
 Wenn Sie im Umfeld von „lingua“ im Vokabelverzeichnis nachsehen, finden Sie die Angabe „lingua,
ae, f. - Zunge“. Damit sehen Sie, dass „lingua“ ein Substantiv ist und dass der Genitiv Singular von
„lingua“ „linguae“ lautet (vgl. Angaben in Wörterbüchern zu Substantiven).

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 Sie können mit Hilfe der Deklinationsschemata diese Vokabel außerdem der a-Deklination zuord-
nen und können dort ablesen, dass der Genitiv Plural „linguarum“ lauten müsste.
 Damit können Sie übersetzen: Septum linguae - die Scheidewand der Zunge
2.1.2. Übung
1. Bestimmen Sie, welchem Deklinationsschema die einzelnen Wörter des jeweiligen Gesamtaus-
drucks angehören:
Apex cordis Arcus aortae Dorsum manus
Deklinations-
schemata

2. In welchem Kasus, Numerus und Genus stehen die Wörter jeweils?


Apex cordis Arcus aortae Dorsum manus
Kasus, Nu-
merus, Ge-
nus

3. Übersetzen Sie die Gesamtausdrücke.


Apex cordis Arcus aortae Dorsum manus
Übersetzung

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2.2. Substantiv + Adjektiv


Zugehörige Deklinationsschemata auf S. 25, 26 und 27
Wie im Deutschen auch, so können im Lateinischen Substantive durch die Hinzustellung von Adjektiven in
ihren Eigenschaften genauer beschrieben werden. Die Zahl der Adjektive, die sich auf ein Substantiv zu-
rückbeziehen können, ist nicht begrenzt. In anatomischen Ausdrücken sind es typischerweise bis zu drei
Adjektive, die sich in einem zusammengesetzten Ausdruck auf ein und dasselbe Substantiv beziehen.
In anatomischen Ausdrücken gilt außerdem, anders als im Deutschen, dass in einem Ausdruck immer zu-
erst das Substantiv steht und danach die Adjektive. In einem komplexen Ausdruck mit mehreren Substanti-
ven müssen aber nicht alle Adjektive, die auf ein Substantiv zurückverweisen, direkt nach diesem Substan-
tiv folgen.
Die Zugehörigkeit eines Adjektivs zu einem Substantiv wird im Lateinischen dadurch kenntlich gemacht,
dass das Adjektiv in Kasus, Numerus und Genus mit dem Substantiv übereinstimmt (KNG-Kongruenz). Dies
bedeutet aber nicht, dass Adjektiv und Substantiv dieselben Endungen haben müssen, weil Adjektiv und
Substantiv zu unterschiedlichen Deklinationsschemata gehören können.
Nach folgender Systematik ordnen sich die Adjektive den bekannten Deklinationsschemata zu:
1. Adjektive mit drei unterschiedlichen Endungen im Nominativ Sg. für maskulin/feminin/neutrum
(vgl. das Deklinationsschema auf S. 25)
Diese Adjektive finden Sie in Vokabelverzeichnissen mit Angabe der drei Genusformen für den Nominativ
Singular. Bsp.: magnus, -a, -um.
Bei diesen Adjektiven gehören die Maskulin- und Neutrumformen zur o-Deklination; die Femininformen
zur a-Deklination.
Zu dieser Gruppe von Adjektiven gehören auch alle Adjektive im Superlativ. Der regelmäßige Superlativ wird
durch Anhängen von „-issimus“, „-issima“, „-issimum“ für die drei Genera im Nominativ Singular an den
Wortstamm des Adjektivs gebildet. Daneben gibt es unregelmäßige Superlativformen (z.B. maximus, a, um
- der/die/das größte).Vgl. das zweite Schema S. 27.

2. Adjektive mit zwei Endungen im Nom. Sg. (für maskulin/feminin versus neutrum)
(vgl. das erste Deklinationsschema auf S. 26)
Bei diesen Adjektiven wird in Vokabelverzeichnissen nur die Endung Nominativ Singular neutrum zusätzlich
zur Form Nominativ Singular maskulin angegeben. Bsp.: brevis, -e.
Diese Adjektive folgen der Deklination i/konsonantisch.
Zu dieser Gruppe von Adjektiven gehören auch alle Adjektive im Komparativ. Der regelmäßige Komparativ
wird durch Anhängen von „-ior“, „-ior“, „-ius“ für die drei Genera im Nominativ Singular an den Wortstamm
gebildet. Daneben gibt es unregelmäßige Komparativformen (z.B. maior, maior, maius - der/die/das grö-
ßere).Besonders wichtig in der Anatomie sind aus dieser Gruppe auch die adjektivierten und in den Kompa-
rativ gestellten Lagebezeichnungen (anterior, superior etc.). Vgl. das erste Schema S. 27.

3. Adjektive mit einer Endung im Nom. Sg. (für alle drei Genera)
(vgl. das zweite Deklinationsschema auf S. 26)
Bei dieser Gruppe von Adjektiven wird in Vokabelverzeichnissen neben der Form Nominativ Singular auch
die Endung im Genitiv Singular angegeben. Der Genitiv Singular ist wie der Nominativ Singular bei diesen
Adjektiven für alle drei Genusformen gleich. Bsp.: ascendens, entis.
Diese Adjektive folgen der Deklination i/konsonantisch.

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2.2.1. Beispielanalyse: Arteriae digitales dorsales


 Unter „arteria“ finden Sie im Vokabelverzeichnis den Eintrag „arteria, ae, f. - Arterie“. „Arteria“ ge-
hört also zur a-Deklination. Weil es sich am Beginn eines anatomischen Ausdrucks nicht um eine
Genitivform handeln kann, ist „arteriae“ damit zu identifizieren als die Form Nominativ Plural.
 Unter „digitalis“ finden Sie „digitalis, e - zum Finger gehörig“. „Digitalis“ gehört somit zur Gruppe
von Adjektiven mit zwei Endungen im Nominativ Singular und folgt ebenfalls der i/konsonantischen
Deklination. Die Form mit der Endung „-es“ kann deshalb nur Nominativ Plural maskulin oder femi-
nin sein.
 Da als Bezugswort hier nur „arteriae“ in Frage kommt und Adjektiv und Substantiv in Kasus, Nume-
rus und Genus identisch sein müssen, wissen Sie, dass „digitales“ hier im Nominativ Plural feminin
steht.
 Dasselbe gilt für „dorsales“, das aus „dorsalis, e - zum Rücken hin gelegen“ gebildet ist.
 Sie können übersetzen: Arteriae digitales dorsales - die zum Finger gehörigen, zum (Hand-) Rücken
gelegenen Arterien.

2.2.2. Übung
1. Bestimmen Sie die Wortart (Adjektiv/Substantiv) jedes Wortes in den folgenden Ausdrücken:
Proc. spinosus R. profundus nervi radialis N. interosseus antebrachii
posterior
Wortart

2. Bestimmen Sie, welchem Deklinationsschema die einzelnen Wörter des jeweiligen Gesamtaus-
drucks angehören:
Proc. spinosus R. profundus nervi radialis N. interosseus antebrachii
posterior
Deklinations-
schemata

3. In welchem Kasus, Numerus und Genus stehen die Wörter jeweils?


Proc. spinosus R. profundus nervi radialis N. interosseus antebrachii
posterior
Kasus, Nu-
merus, Ge-
nus

4. Übersetzen Sie den Gesamtausdruck.


Proc. spinosus R. profundus nervi radialis N. interosseus antebrachii
posterior
Übersetzung

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2.3. Substantiv + Apposition


Es gibt eine weitere Art, zwei Substantive miteinander zu verbinden. Dabei werden zwei Substantive im sel-
ben Kasus einander beigestellt. Diese beiden Substantive fungieren dann wie ein einzelnes Wort und wer-
den in anatomischen Vokabelverzeichnissen manchmal auch wie eine einzelne Vokabel behandelt. Im
Deutschen lässt sich diese Zusammensetzung grammatisch korrekt nicht nachbilden. „Musculus flexor“
müsste beispielsweise wörtlich übersetzt heißen: „der Muskel der Beuger“. Die im Deutschen grammatisch
richtige Übersetzung ist „der Beugemuskel“ oder einfach „der Beuger“.
Als Apposition werden ausschließlich Substantive auf „-or“ und selten „-er“ (Bsp.: sphincter, sphincteris, m.
- Schnürer) verwendet. Sie dienen in den meisten Fällen der genaueren Bezeichnung der Funktion eines
Muskels (Beuger, Strecker, Heber, Kauer etc.). Die Endung „-or“ zeigt Urheberschaft an einem Vorgang an.

2.3.1. Beispielanalyse: Musculus extensor


 Das erste Wort in einem anatomischen Ausdruck steht immer im Nominativ. Hier ist dies „muscu-
lus, i, m. - Muskel“, also „Muskel“ im Nominativ Singular.
 Zu „extensor“ finden Sie im Vokabelverzeichnis die Angabe „extensor, oris, m. - Strecker“. Sie wis-
sen damit, dass „extensor“ die Form im Nominativ Singular ist (und dass „extensor“ zur i/konso-
nantischen Deklination gehört). Wenn ein Substantiv in einem anatomischen Ausdruck auf ein an-
deres Substantiv folgt und nicht im Genitiv steht, muss es sich um eine Apposition handeln.
 Die Endung „-or“ von extensor ist ein zusätzlicher Hinweis, dass „extensor“ als Apposition verwen-
det wird.
 Sie können übersetzen: Musculus extensor - Streckmuskel.

2.3.2. Übung
1. Bestimmen Sie die Wortart (Adjektiv/Substantiv) jedes Wortes im folgenden Ausdruck:
M. extensor digitorum
Wortart

2. Bestimmen Sie, welchem Deklinationsschema die einzelnen Wörter des Gesamtausdrucks angehö-
ren:
M. extensor digitorum
Deklinations-
schemata

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3. In welchem Kasus, Numerus und Genus stehen die Wörter jeweils?


M. extensor digitorum
Kasus,
Numerus,
Genus

4. Übersetzen Sie den Gesamtausdruck.


M. extensor digitorum
Übersetzung

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2.4. Komma-Beiordnung
Um lange und schwer zu entschlüsselnde Genitivkonstruktionen zu vermeiden, verwendet man in der Ana-
tomie oft die Komma-Beiordnung. Dabei werden Bezeichnungen für anatomische Teile, die in sich bereits
aus den Verbindungstypen 1-3 bestehen können, mit Komma einander zugeordnet.
Der erste Teil (vor dem Komma) bezeichnet die anatomisch übergeordnete Struktur, der zweite Teil be-
schreibt das untergeordnete anatomische Detail, um das es geht.
Ein Beispiel: „Arteria renalis, Ramus posterior“ besteht jeweils aus einer Substantiv+Adjektiv-Verbindung
im Nominativ Singular. Der Ausdruck heißt direkt übersetzt: „Die zur Niere gehörige Arterie, der hintere
Ast“. Verwiesen wird also auf den hinteren Ast (anatomisches Detail) der zur Niere gehörigen Arterie (ana-
tomisch übergeordnete Struktur).
Wie die Übersetzung zeigt, können Sie jede Komma-Beiordnung in eine gleichbedeutende Genitivkonstruk-
tion überführen („Der hintere Ast der zur Niere gehörigen Arterie“). Diese Konstruktion würde lateinisch
lauten: „Ramus posterior arteriae renalis“.

2.4.1. Beispielanalyse: Vena portae hepatis, Ramus dexter, Ramus anterior


 Der Eintrag im Vokabelverzeichnis lautet: „vena, ae, f. - Vene“. „Vena“ ist also Nominativ Singular,
weil der Nominativ Plural „venae“ lauten müsste (a-Deklination) und an dieser Stelle nur Nominativ
vorkommen kann.
 Zu „portae“ findet man „porta, ae, f. - Pforte“. Da also auch dieses Substantiv zur a-Deklination ge-
hört, könnte „portae“ sowohl Genitiv Singular als auch Nominativ Plural sein. „Porta“ gehört nicht
zu den typischen Appositions-Substantiven (die auf „-or“ oder „-er“ enden und meist mit „muscu-
lus“ verbunden sind) und steht deshalb hier im Genitiv Singular.
 Zu „hepatis“ lautet der Eintrag im Vokabelverzeichnis „hepar, hepatis, n. - Leber“. „Hepar“ folgt
also der i/konsonantischen Deklination und „hepatis“ muss deshalb Genitiv Singular sein.
 „Hepatis“ kann sich grammatisch gesehen sowohl auf „vena“ als auch auf „portae“ beziehen. In-
haltlich ist aber nur der Bezug auf „portae“ sinnvoll, da „porta hepatis“ die Pforte der Leber be-
zeichnet und „Vena portae hepatis“ dann die zu dieser Leberpforte gehörige Vene.
 Dann folgt nach dem ersten Komma eine Angabe zu der anatomisch nächsten, untergeordneten
Struktur. „Ramus, i, m. - Ast“ muss also wieder Nominativ sein. Da „ramus“ der o-Deklination folgt,
kommt nur der Nominativ Singular in Frage.
 „Dexter“ ist ein Adjektiv und bedeutet „rechts“. Es kann sich nur auf „ramus“ zurückbeziehen,
muss also auch Nominativ Singular maskulin sein.
 Schließlich folgt nach dem zweiten Komma die Angabe zu der am tiefsten untergeordneten anato-
mischen Struktur, um die es hier geht. „Ramus“ ist wieder Nominativ Singular, „anterior“ bezieht
sich als Adjektiv der KNG-Kongruenz gehorchend auf „ramus“ zurück und ist deshalb auch Nomina-
tiv Singular maskulin.
 Damit ergibt sich folgende wörtliche Übersetzung: Vena portae hepatis, Ramus dexter, Ramus an-
terior - die Pfortvene der Leber, der rechte Ast, der vordere Ast.
 Gemeint ist damit: Der vordere Ast des rechten Astes der Leberpfortenvene.

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2.4.2. Übung
1. Bestimmen Sie, welchem Deklinationsschema die einzelnen Wörter des jeweiligen Gesamtaus-
drucks angehören:
Os palatinum, Proc. orbitalis Lobus hepatis dexter, Margo inferior
Deklinations-
schemata

2. In welchem Kasus, Numerus und Genus stehen die Wörter jeweils?


Os palatinum, Proc. orbitalis Lobus hepatis dexter, Margo inferior
Kasus, Nu-
merus, Ge-
nus

3. Übersetzen Sie den jeweiligenGesamtausdruck.


Os palatinum, Proc. orbitalis Lobus hepatis dexter, Margo inferior
Übersetzung

4. Formen Sie den jeweiligen Ausdruck in eine bedeutungsgleiche, lat. Genitivkonstruktion um (nicht
klausurrelevant!).
Os palatinum, Proc. orbitalis Lobus hepatis dexter, Margo inferior
Genitiv-kon-
struktion

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3. Deklinationsschemata
Die lateinischen Deklinationsschemata sind nach dem sogenannten „Stammvokal“ der zugehörigen Sub-
stantive benannt. Der Stammvokal ist der Vokal, auf den der Stamm eines Substantivs ursprünglich endete.
Er ist häufig noch an der Form Genitiv Plural sichtbar (z.B. ist der Genitiv Plural von „oculus“ „ocul-orum“
und „oculus“ gehört zur o-Deklination).
Sicher ablesen kann man die Zugehörigkeit eines Substantivs zu der jeweiligen Gruppe an den Endungen
des Substantivs im Nominativ und Genitiv Singular. Die Kombination von „-us“ im Nominativ Singular und „-
i“ im Genitiv Singular zum Beispiel deutet eindeutig auf ein Substantiv der o-Deklination hin.
Aus dem jeweiligen Schema gehen dann diese und die Endungen für den Nominativ Plural und den Genitiv
Plural hervor. Die Angabe für die Endung im Genitiv Singular finden Sie außerdem in jedem lateinischen
und anatomischen Vokabelverzeichnis.

3.1. Substantive
Stamm- a o i/konsonantisch u e
vokal
Genus f. m. n. m./f. n. m./f. n. f.

Nom. -a -us -um -is und an- verschie- -us -u -es


Sg. (/-on) dere dene

Gen. -ae -i -i -is -is -us -us -ei


Sg.

Nom. -ae -i -a -es -(i)a -us -ua -es


Pl.

Gen. Pl. -arum -orum -orum -(i)um -(i)um -uum -uum -erum

Bsp. tibia oculus dorsum pulmo corpus arcus genu facies


tibiae oculi dorsi pulmonis corporis arcus genus faciei
tibiae oculi dorsa pulmnes corpora arcus genua facies
tibiarum oculorum dorsorum pulmonum corporum arcuum genuum facierum


Für die Neugierigen unter Ihnen:
Bei Neutra tritt das „i“ im Nominativ Plural und Genitiv Plural bei Substantiven mit den Nominativ-Singular-
Endungen „-e“, „-al“ und „-ar“ auf. (z.B. rete, retis, n. - Netz). Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Neutra
„os, ossis, n. - Knochen“ und „cor, cordis, n. - Herz“ haben das „i“ im Genitiv Plural, nicht aber im Nominativ
Plural.
Das „i“ im Genitiv Plural maskulin und feminin tritt erstens dann auf, wenn das Substantiv im Nominativ
Singular und Genitiv Singular gleichlautend auf „-is“ endet (z.B. pelvis, pelvis, f. - Becken) oder wenn der
Wortstamm auf zwei Konsonanten endet (z.B. dens, dentis, m. - Zahn).
Die Terminologie-Päpste Michler/Benedum urteilen zu diesem Thema abschließend: „Grundsätzlich ist zu
sagen, dass die Genitivbildung des Plural auf -ium in der medizinischen Fachsprache bei zahlreichen Wör-
tern starken Schwankungen unterworfen ist.“ (Michler/Benedum: Einführung in die medizinische Fachspra-
che, S. 44).

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3.2. Adjektive der a- und o-Deklination (mit drei Endungen im Nom. Sg.)
Stammvokal o a o
Genus m. f. n.

Nom. Sg. -us -a -um

Gen. Sg. -i -ae -i

Nom. Pl. -i -ae -a

Gen. Pl. -orum -arum -orum

Bsp. longus longa longum


longi longae longi
longi longae longa
longorum longarum longorum

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3.3. Adjektive der i/konsonantischen Deklination (mit zwei Endungen im Nom. Sg.)
Stammvokal i/konsonantisch
Genus m. f. n.

Nom. Sg. -is -is -e

Gen. Sg. -is -is -is

Nom. Pl. -es -es -ia

Gen. Pl. -ium -ium -ium

Bsp. brevis brevis breve


brevis brevis brevis
breves breves brevia
brevium brevium brevium

3.4. Adjektive der i/konsonantischen Deklination (mit einer Endung im Nom. Sg.)
Stammvokal i/konsonantisch
Genus m. f. n.

Nom. Sg. -ns/-x/-s -ns/-x/-s -ns/-x/-s

Gen. Sg. -is -is -is

Nom. Pl. -es -es -ia

Gen. Pl. -ium -ium -ium

Bsp. ascendens ascendens ascendens


ascendentis ascendentis ascendentis
ascendentes ascendentes ascendentia
ascendentium ascendentium ascendentium

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3.5. Komparative
Stammvokal i/konsonantisch
Genus m. f. n.

Nom. Sg. -ior -ior -ius

Gen. Sg. -ior-is -ior-is -ior-is

Nom. Pl. -ior-es -ior-es -ior-a

Gen. Pl. -ior-um -ior-um -ior-um

Bsp. anterior anterior anterius


anterioris anterioris anterioris
anteriores anteriores anteriora
anteriorum anteriorum anteriorum

3.6. Superlative

3.6.1. Alle Adjektive außer Endung auf -er


Stamm- a und o
vokal
Genus m. f. n.

Nom. Sg. -issim-us -issim-a -issim-um

Gen. Sg. -issim-i -issim-ae -issim-i

Nom. Pl. -issim-i -issim-ae -issim-a

Gen. Pl. -issim-orum -issim-arum -issim-orum

Bsp. longissimus longissima longissimum


longissimi longissimae longissimi
longissimi longissimae longissima
longissimorum longissimarum longissimorum

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3.6.1. Adjektive auf Endung -er

Stamm- a und o
vokal
Genus m. f. n.

Nom. Sg. -rim-us -rim-a -rim-um

Gen. Sg. -rim-i -rim-ae -rim-i

Nom. Pl. -rim-i -rim-ae -rim-a

Gen. Pl. -rim-orum -rim-arum -rim-orum

Bsp. acerrimus acerrima acerrimum


acerrimi acerrimae acerrimi
acerrimi acerrimae acerrima
acerrimorum acerrimarum acerrimorum

3.7. Unregelmäßige Steigerungen


Genus m. f. n.

Grundform magnus - groß magna magnum


Nom. Sg. parvus - klein parva parvum
bonus - gut bona bonum
malus- schlecht, böse mala malum
Komparativ maior - größerer maior maius
Nom. Sg. minor - kleinerer minor minus
melior - besserer melior melius
peior - schlechterer peior peius
Superlativ maximus - größter maxima maximum
Nom. Sg. minimus - kleinster minima minimum
optimus - bester optima optimum
pessimus - schlechtester pessima pessimum

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III. Grundwortschatz
1. Klinische Grundbegriffe
Das Feld der klinischen Fachtermini wächst beständig und folgt keinen festen Regeln der Wortbildung und
Begriffsfindung. Quelle ist vor allem das Griechische, aber auch lateinischstämmige Begriffe sind zu finden.
Außerdem wächst die Bedeutung des Englischen als Quellsprache. Schließlich ist die moderne klinische
Fachsprache durch eine Vielzahl von Abkürzungen gekennzeichnet. Im Folgenden sollen Ihnen einige der
grundlegendsten dieser Termini vorgestellt werden, die auch Laien kennen oder schon einmal gehört ha-
ben. Die Herkunft und ursprüngliche Bedeutung dieser Termini ist häufig dennoch unbekannt.

Diagnosestellung und einfache Untersuchungsmethoden:


Anamnese Krankengeschichte
Diagnose Erkennen, Benennen und Unterscheiden von Erkrankungen
Inspektion das Betrachten und Beobachten
Auskultation das Abhören
Palpation das Abtasten
Perkussion das Abklopfen
Status praesens Gesamtheit der Befunde und Eindrücke
Epikrise Gesamtbeurteilung
Prognose Vorhersage über die weitere Krankheitsentwicklung
Krankheitszeichen und grundlegende Therapieverfahren:
Symptom Krankheitszeichen
Syndrom spezifischer Komplex von Symptomen
Therapie Behandlung, das Heilen
konservative Therapie Therapie ohne Verletzung der (Schleim-)Haut
operative / chirurgische Therapie Therapie mittels physischem Eingriff in den Körper
palliative Therapie Therapie am Lebensende, die leidenslindernde Begleitung
symptomatische Therapie Therapie, die auf Linderung der Krankheitszeichen abzielt
kausale Therapie Therapie, die die Ursachen einer Erkrankung bekämpft
oral durch den Mund
rektal durch den Darm
parenteral unter Umgehung des Verdauungsapparates
intravenös in die Vene
intraarteriell in die Arterie
intrakardial in das Herz
intramuskulär in den Muskel
intrakutan in die Haut
subkutan unter die Haut

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Fachgebiete der Medizin


Andrologie Lehre vom Mann
Angiologie Lehre vom Gefäßsystem
Chirurgie Handwerk, handwerkliche Kunst
Dermatologie Lehre von der Haut
Gastroenterologie Lehre vom Magen-Darmsystem
Geriatrie Heilkunde, die sich mit dem Alter befasst
Gynäkologie Lehre von der Frau
Hämatologie Lehre vom Blut
Hygiene Gesundheitsvorsorge (von gr. „Hygieia", Tochter des As-
klepios und Göttin der Gesundheit)
Immunologie Lehre vom Abwehrsystem des Körpers
Kardiologie Lehre vom Herz
Nephrologie Lehre von der Niere
Neurologie Lehre vom Nervensystem
Odontologie Lehre vom Zahn
Onkologie Lehre von Anschwellungen, Geschwulsten, Tumoren
Orthopädie Erziehung zum aufrechten Stehen
Pädiatrie Heilkunde, die sich mit Kindern befasst
Pathologie Lehre von den Krankheiten
Radiologie Lehre von den Strahlen
Rheumatologie Lehre des fließenden, ziehenden Schmerzens
Urologie Lehre vom Urin
Venerologie Lehre der Geschlechtskrankheiten (von lat. „Venus“, Göttin
der Liebe)

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2. Präpositionen
Präpositionen bezeichnen räumliche und zeitliche Lageverhältnisse. Sie sind häufig Grundlage für Präfixe in
der klinischen und anatomischen Fachsprache (siehe S. 32). Einige Präpositionen finden aber auch in fest-
stehenden Redewendungen der klinischen Fachsprache Verwendung.
ab von, weg ab initio von Anfang an
ad zu, an, bei, hinzu ad tempus zur rechten Zeit
ante vor, nach vorn
circum um herum
cum mit cum laude mit Lob
extra außen, außerhalb
in in, hinein, auf in vitro im Glas
infra unterhalb
inter zwischen, unter
intra innerhalb, hinein, während
per durch, durch und durch, völlig
post nach, hinter post mortem nach dem Tod
prae vor
pro für, vor pro vitae für das Leben
sub unter, unterhalb, unter der Norm sub cutem unter der Haut
super über, darüber, über der Norm

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3. Präfixe
Lateinisch- und griechischstämmige Präfixe dienen dazu, klinische Termini inhaltlich genauer zu bestim-
men. Sie kehren in Kombination mit den verschiedensten Wortstämmen wieder. Wenn man ihre Bedeu-
tung kennt, erleichtert dies deshalb das Erlernen und Verstehen der unterschiedlichsten klinischen Ausdrü-
cke.
Präfixe aus Präpositionen
pro- vor Prolapsus Heraustreten innerer Organe
prae- vor pränatal vor der Geburt
ante- vor, nach vorn Antebrachium Unterarm
re- zurück, wieder Reanimation Wiederbelebung
retro- rückwärts retrograd zeitl.: zurück liegend
räuml.: zurückschreitend, von
hinten her
post- nach, hinter postnatal nach der Geburt
met(a)- nach, hinter, zwischen Metastase sekundärer Krankheitsherd, Ab-
siedelung
inter- zwischen, unter interosseus zwischen den Knochen liegend
mes(o)- zwischen Mesoderm mittleres Keimblatt des Embryio-
blasten
juxta- neben juxtafoveal neben der Fovea (Sehgrube) lie-
gend
para- neben paravertebral neben der Wirbelsäule liegend
circum- um herum Zirkumzision Vorhautbeschneidung
peri- um herum perinephritisch das Bindegewebe um die Niere
herum betreffend
super- über, drüber, über der Norm Superinfektion zu einer bestehenden Infektion
hinzutretende, zweite Infektion
hyper- über, drüber, über der Norm hyperton mit erhöhter Spannung, mit er-
höhtem Druck
epi- auf, darüber, über Epikrise Zusammenfassung zu Anamnese,
Diagnose und Therapie eines Pa-
tienten
sub- unter, unterhalb, unter der subfebril leicht fieberhaft
Norm
hyp(o)- unter, unterhalb, unter der hypoton mit niedriger Spannung,
Norm mit niedrigem Druck
infra- unterhalb Infrarot Licht mit unmittelbar niedrigerer
Wellenfrequenz als Rot
ant(i)- gegen Antidot Gegenmittel
contra- gegen Kontraindikation Gegenanzeige
ob- gegen Obstruktion Verschluss, Verstopfung
ortho- gerade orthograd voranschreitend, in Strahlen-
/Flussrichtung liegend
ad- zu, an, bei, hinzu Adhäsion Anhaftung
ana- hinauf, wieder Anabolismus Aufbaustoffwechsel
in- in, hinein, auf Injektion Einspritzung
intus- innen Intussuszeption Einstülpung eines Darmab-
schnitts in einen anderen
intra- innerhalb, hinein, während intrazellulär innerhalb einer Zelle

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en- hinein, innerhalb Enanthem Ausschlag im Bereich der


Schleimhäute
endo/ento- innen, innerhalb endobronchial innerhalb des Bronchus
e(x)- aus, heraus Exanthem Ausschlag auf der äußeren Haut
ek- aus, heraus Ektomie totale op. Entfernung eines Or-
gans
ex(o)- aus, heraus exotherm Wärme freisetzend
extra- außen, außerhalb extrazellulär außerhalb einer Zelle
ab- / abs- von, weg Abrasio Abschabung
apo- von, weg, aus, von apokrin ausscheidend, absondernd
de- von, weg, herab Dehydratation Abnahme des Körperwassers
kata- von, herab Katabolismus Abbaustoffwechsel
se- auseinander, beiseite Sekretion Flüssigkeitsabsonderung
per- durch, durch und durch, völlig Perfusion Flüssigkeitsdurchströmung eines
Organs
trans- hinüber, hindurch Transferasen Enzyme, die die Übertragung von
z.B. Aminogruppen katalysieren
dia- durch, zwischen, auseinander, Dialyse Abtrennung gelöster Teilchen
völlig aus einer Flüssigkeit in eine an-
dere
di(s)- auseinander Dislokation Verschiebung der Bruchenden
bei Frakturen
dys- übel, abnorm, erschwert, feh- Dysplasie Fehlbildung
lerhaft, miss-
co(m)- zusammen, mit kodominant gemeinsame Ausprägung mehre-
rer Allelen eines Gens
co(n)- zusammen, mit konkordant gleiche Ausschlagrichtung im
EKG
syn- mit, zusammen Synechie Verwachsung
Negationspräfixe
in- nicht, non- Insuffizienz ungenügende Leistung eines Or-
gans
a(n)- nicht, non- Anionen negativ geladene Ionen
Sonstige Präfixe
homoio-, gemeinsam, gleichartig, ähn- Homöostase Aufrechterhalten eines konstan-
homo- lich ten inneren Gleichgewichts im
Organismus
iso- gleich isochrom gleichfarbig
hetero- andere/-r/-s heteromorph von andersartiger Gestalt
allo- andere/-r/-s Allotropie Fähigkeit mancher Elemente, in
verschiedenen, festen Zustands-
formen aufzutreten
auto- selbst Autoantigen Körpereigenes Antigen
eu- gut, regelgerecht, normal Eutrophie Guter Ernährungszustand des
Säuglings
olig/o- wenig, gering, arm an Oligopeptide Peptide aus 3-10 Aminosäure-
bausteinen

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poly- viel, zahlreich, häufig Polypeptide Peptide aus mehr als 10 Amino-
säurebausteinen
multi- viel, zahlreich, häufig Multimedikation dauerhafte Anwendung von
mehr als 5 Arzneimitteln gleich-
zeitig
pseud/o- falsch, scheinbar, vorgetäuscht Pseudokrupp Erkrankungen mit Einengung der
Atemwege bei Kleinkindern, die
symptomatisch dem Krupp
(Kehlkopfentzzündung bei Diph-
terie) ähneln
krypt/o- versteckt, verborgen Kryptogame Blütenlose Pflanze, die sich „ver-
steckt“ fortpflanzt (z.B. Moose,
Algen)
makr/o- groß Makrogamet Eizelle
mega/l/o- groß Megalozyten Besonders große Erythrocyten
mikr/o- klein Mikrogamet Samenzelle
brachy- kurz, klein Brachytherapie Strahlentherapie mit kurzer Dis-
tanz zwischen Strahlenquelle
und Behandlungsgebiet
brady- langsam Bradykardie Herzrhythmusstörung mit Abfall
der Herzfrequenz
tachy- schnell Tachykardie Herzrhythmusstörung mit An-
stieg der Herzfrequenz
glyk/o- süß, zuckerhaltig Glykolyse Abbauweg der Kohlenhydrate
holo- ganz, vollständig Holoside Verbindungen, die gänzlich aus
Zuckerresten bestehen, z. B.
Oligo- und Polysaccharide
pan- ganz, vollständig Pandemie Epidemie, die örtlich nicht be-
grenzt ist
lepto- dünn, schmal Leptospira Gattung sehr dünner, schrauben-
förmiger Bakterien
neo- jung, neu Neonatologie Neugeborenenmedizin
pachy- dick Pachydaktylie Angeborene Verdickung von Fin-
gern und Zehen
ple/i/o- mehr Pleiotropie Beeinflussung mehrerer Merk-
male durch ein Gen
skler/o- hart, trocken Sklerose Gewebeverhärtung
sten/o- eng, verengt Stenose Verengung von Gefäßen oder
Hohlorganen
strept/o- gedreht, kettenförmig Streptokokken Bakterienart, die bevorzugt ket-
tenförmig verbunden vorkommt

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4. Suffixe
Bei Suffixen gilt dasselbe wie bei Präfixen: Auch sie kehren in Kombination mit den verschiedensten Wort-
stämmen immer wieder. Ist man mit ihren Bedeutungen vertraut, kann man sich häufig schnell erschlie-
ßen, was unterschiedliche Ausdrücke der klinischen Fachsprache bezeichnen.

Suffixe mit konkreten Bedeutungen (alphabetisch)


-(h)ämie -blütigkeit, -bluterkrankung Leukämie Ekrankung des blutbildenden Systems mit
vermehrter Bildung weißer Blutkörperchen
-ästhesie -empfindung Dysästhesie Sensibilitätsstörung mit abnormen Sinnes-
wahrnehmungen
-agra -schmerzanfall, -gicht Podagra Fußgichtanfall
-algesie, -schmerz Dorsalgie Rückenschmerz
-algie
-ektasie -erweiterung Angiektasie Erweiterung von Blutgefäßen
-ektomie -ausschneidung Pneumektomie Operative Entfernung eines Lungenflügels
-ergie -wirkungsweise, -grad
-gen -herrührend, -bewirkend karzinogen Karzinom erzeugend
-genese -entstehung Pathogenese Entstehung und Entwicklung einer Krank-
heit
-graph -schreiber Computertomo- Computergestütztes Röntgengerät
graph
-graphie -aufzeichnungsart Elektroenzephalo- Methode zur Messung der elektrischen Ak-
graphie (EEG) tivität des Gehirns
-gramm -aufzeichnung, -bild Elektroenzephalo- Grafische Darstellung von mittels EEG ge-
gramm messenen Werten
-iasis -krankheit, -wurmkrankheit Taenisasis Infektion mit einem best. Darmparasiten
-iater -arzt Psychiater Arzt der Psychiatrie
-iatrie -heilkunde Psychiatrie Medizinisches Fachgebiet, das sich mit psy-
chischen Störungen befasst
-ie -krankheit Proteinurie Ausscheidung von Proteinen im Urin
-in -stoff Kreatin Zwischenprodukt des Aminosäurestoff-
wechsels
-itis -entzündung Nephritis Nierenentzündung
-kinesie -bewegung Dyskinesie Bewegungsstörung
-manie -wahn, -trieb Hypomanie Abgeschwächte Form der Manie (inadäquat
gehobene Stimmung)
-megalie -vergrößerung Kardiomegalie Vergrößerung des Herzens
-metrie -messung Ergometrie Messung von körperlicher Leistungsfähig-
keit
-logie -lehre, -wissenschaft Neurologie Lehre von den Erkrankungen des Nerven-
systems
-odynie -schmerz Antrodynie Schmerz im Antrum

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-oid -ähnlich hypnoid Bewusstseinszustand, der


dem beim Einschlafen ähnelt
-om -geschwulst Leukom Weiße Hornhautnarbe
(Auge)
-ose -erkrankung Arthrose Gelenkdegeneration
-pathie -leiden, -krankheit Neuropathie Erkrankung des peripheren
Nervensystems
-penie -armut Lymphopenie Verminderung der Lympho-
zyten im Blut
-phagie -fraß Amylophagie Zwanghafter Verzehr von
Stärke
-philie -freundlichkeit, -liebe Hämophilie Bluterkrankheit
-phobie -furcht Akrophobie Höhenangst
-physe -gewachsenes Epiphyse Endstück der langen Röhren-
knochen
-phor -träger Chromatophor Pigmenthaltige Zelle
-phorie -tragung, -stimmung Heterophorie Latentes Schielen
-plasie -bildung Dysplasie Fehlbildung
-plegie -lähmung Tetraplegie Lähmung aller vier Extremitä-
ten
-plexie -schlag Kataplexie Durch plötzlichen, starken
Affekt auftretender Verlust
des Muskeltonus
- -spucken Hämoptoe, Hämoptyse Blutspucken
ptoe, -ptyse
-ptose -senkung Nephroptose Wanderniere
-(r)rhagie -zerreißung Menorrhagie Zu lang andauernde Monats-
blutung
-(r)rhexis -zerreißung Capsulorhexis Operative Entfernung der
Linsenkapsel (Auge)
-(r)rhoe -fluß Diarrhö Durchfall
-skop -betrachter (Gerät) Endoskop Gerät zur Inspektion von
Hohlorganen und Hohlräu-
men im Körperinneren
-skopie -betrachtung Endoskopie Untersuchung von Hohlorga-
nen und Hohlräumen im Kör-
perinneren
-stenose -verengung Karotisstenose Verengung der A. carotis in-
terna
-tomie -schnitt Anatomie „Aufschnitt“ des Körpers,
Lehre vom Aufbau des Kör-
pers
-trophie -ernährung Atrophie Rückbildung eines Organs o-
der Gewebes
-urie -inhalt, -menge (Harn) Hämaturie Vermehrtes Vorkommen von
Erythrozyten im Urin

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Suffixe mit abstrakten Bedeutungen (in Gruppen nach Bedeutung)


-aceus membranaceus, a, um häutig, hautartig
-atus ähnlich wie (Form, Gestalt, capitatus, a, um kopfförmig
-eus Aussehen) sanguineus, a, um blutig, blutrot
-ideus deltoideus, a, um dreiecksförmig
-alis, -aris facialis, e zum Gesicht gehörig
-acus iliacus, a, um zum Darmbein gehörig
-eus gehörig zu anconeus, a, um zum Ellenbogen gehörig
-icus hepaticus, a, um zur Leber gehörig
-inus palatinus, a, um zum Gaumen gehörig
-ulus, -olus Lobulus kleiner Lappen, Läppchen
-ellus -chen, -lein (Diminutiv) Patella „flache Schale“, Kniescheibe
-illus Pupilla „Püppchen“, Pupille
-culus Retinaculum „Haltewerkzeug“, Haltegewebe
Mittel/Werkzeug zu
-bulum Mandibula „Kauwerkzeug“, Unterkiefer
-bilis permeabilis, e durchlässig
-ilis contractilis, e zusammenziehungsfähig
-ivus auditivus, a, um hörend
in der Lage zu (Fähigkeit)
-orius risorius, a, um zum Lachen dienend,
-or extensor , oris, m. Strecker
-ter masseter, eris, m. Kauer
-osus vesiculosus, a, um mit Blasen angefüllt
angefüllt mit, voll von
-lentus somnolentus, a, um voller Schlaf, schlaftrunken
-io, -ionis Kontraktion Zusammenziehung
-ismus Antagonismus das Entgegenstehen / -wirken
-mentum Ligamentum das Bindende, Band
-ung, -heit, -keit (Ab-
-ntia Protuberantia „Vorschwellung“, Knochenvor-
straktionsbildung)
sprung
-tas, -itas Vitalitas Lebendigkeit
-ura Incisura Einschnitt, Einkerbung

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5. Zahlen
Lateinische und griechische Zahlwörter kommen vor allem als Präfixe klinischer und auch pharmazeutischer
und chemischer Fachbegriffe vor. (Zur Notation der lateinischstämmigen Zahlwörter vgl. S. 15)

Kardinalzahl Ordnungszahl Zahladverbien Multiplikativa


(eins, zwei,…) (erste/r, zweite/r,…) (einmal, zweimal,…) (einfach, zweifach,…)
Lateinische Zahlwörter
1 unus, -a, -um primus, a, um semel simplex
2 duo, duae, duo secundus, a, um bis (bi-) duplex
3 tres, tres, tria tertius, a, um ter triplex
4 quattuor quartus, a, um quater quadruplex
5 quinque quintus, a, um
6 sex sextus, a, um
7 septem septimus, a, um
8 octo octavus, a, um
9 novem nonus, a, um
10 decem decimus, a, um
11 undecim undecimus, a, um
12 duodecim duodecimus, a, um
Griechische Zahlwörter
1 heis, mia, hen protos mono- haplus (haplo-)
2 dyo deuteros dis (di-) diplus (diplo-)
3 treis, tria tritos tris (tri-) triplus (triplo-)
4 tettares, tettara tetrakis (tetra-)
5 pente pentakis (penta-)
6 hex
7 hepta
8 okto
9 ennea
10 deka
11 hendeka
12 dodeka

Sonstige Zahl- und Mengenangaben oligakis- selten


Lateinisch mono- allein, ein einziger
geminus, a, um gepaart, Zwillings- proto- erst-, ur-
gemini- Zwillinge pan- ganz, gesamt, alles, all-
trigeminus, a, um Drillings- hemi- halb
solus, a, um der/die/das einzige, allein holo- ein ganzer, gesamt
totus, a, um ganz, gesamt
alter, altera, alterum der/die/das andere
semi- halb
Griechisch
poly- viel
olig(o)- wenig
pollakis- häufig

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Skript zur Medizinischen Terminologie
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Freiburg

6. Farben
Farbbezeichnungen können Bestandteil klinischer, auch biologischer und chemischer Fachbegriffe sein.
(Zur Notation der lateinischen Farbadjektive vgl. S.15)
Lateinisch Griechisch Bedeutung Beispiele
albus, a,u m leukos weiß Albumin, Leukozyten,
Leukämie
candidus, a, um weiß schimmernd Candida albicans
argos, argi- weiß glänzend Arginin
nos
albicans weißlich Candida albicans
albugineus, a, um weißlich Tunica albuginea
argenteus, a, um silbern
lucidus, a, um weiß, hell Stratum lucidum
ater, atra, atrum dunkel leuchtend, schim- Bilis atra (schwarze Galle)
mernd
niger, nigra, melas schwarz Substantia nigra, Melanin
nigrum
cinereus, a, um amauros schwarz, dunkel, aschgrau Stratum cinereum, Amaurosis
fugax
pallidus, a, um polios grau, blaß globus pallidus, Pallor (Blässe)
griseus, a,um grau Substantia grisea
caeruleus, a, um kyaneos blau Locus caeruleus, Zyanose
lividus, a, um bläulich
glaukos grünlich-blau Glaukom („Grüner Star“)
violaceus, a, um jodes veilchenblau Jod, Violaceen (Veilchengewächse)
viridis, is, e grün Streptococcus- viridans- Sepsis
chloros blaß (blaßgrün) Chlor, Chlorophyll
flavus, a, um xanthos gelb, blond Flavinikterus (Gelbsucht), Xanthom
luteus, a, um kirrhos gelb Corpus luteum, Zirrhose
eburneus, a, um elfenbeinern Substantia eburnea
ochros blaßgelb Ochronose
aureus, a, um chryseos goldgelb, golden Staphylococcus aureus, Chrysiasis
ruber, rubra, erythros rot Rubor (Hautrötung), Erythrodermie
rubrum
purpureus, a, um porphyreos purpurrot Purpura (Hautblutungen)
flammeus, a, um pyrrhos feuerrot Naevus flammeus
roseus, a, um rhodeos rosafarben, rosig Roseola
eos die Morgenröte Eosin–Färbung
phaios dunkelbraun,schwärzlich Phäochromozytom

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7. Lagen, Richtungen, Ebenen


Lage- und Richtungsbezeichnungen werden sowohl in der Anatomie als auch im klinischen Wortschatz
verwendet. In der anatomischen Nomenklatur begegnen häufig die paarweise geordneten
Lagebezeichnungen, wie anterior/posterior etc., die eine genaue Beschreibung der Lage von anatomischen
Strukturen in Relation zueinander ermöglichen. In der Klinik werden häufig auch die auf Körperteile
bezogenen Lagebezeichnungen verwendet, die dann nicht dekliniert werden (zur Notation der
Lageadjektive in der Tabelle unten vgl. S. 15).

anterior, ius weiter vorne gelegen ventralis, e zum Bauch hin gelegen
posterior, ius weiter hinten gelegen dorsalis, e zum Rücken hin gelegen
superior, ius weiter oben gelegen visceralis, e zu den Eingeweiden hin ge-
inferior, ius weiter unten gelegen legen
internus, a, um nach innen gelegen parietalis, e zur Seite / Wand hin gele-
externus, a, um nach außen gelegen gen
proximalis, e zum Rumpf hin gelegen frontalis, e stirnwärts gelegen
distalis, e vom Rumpf weg gelegen occipitalis, e zum Hinterkopf hin gelegen
lateralis, e seitlich gelegen dexter, dextra, dext- rechts
rum
medialis, e in der Mitte liegend
sinister, sinistra, sini- links
transversalis, e quer verlaufend
strum
longitudinalis, e längs verlaufend
cranialis, e kopfwärts gelegen
caudalis, e fußwärts (steißwärts) gele-
gen

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Skript zur Medizinischen Terminologie
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Freiburg

Ebenenbezeichnungen spielen vor allem in der Diagnostik eine Rolle, zum Beispiel bei der Anwen-
dung von bildgebenden Verfahren. In der Anatomie werden mit ihrer Hilfe die Schnittebenen graphi-
scher Darstellungen benannt.

1. Sagittalebene
2. Mediasagitalebene
3. Frontalebene
4. Transversalebene
5. Sagitalachse
6. Transversalachse
7. Longitudinalachse

Aus: Patz/Pabst (Hg.):


Sobotta Anatomie des
Menschen. Elsevier,
München 200722.

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Skript zur Medizinischen Terminologie
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Freiburg

8. Ausgewählte Begriffe der anatomischen Nomenklatur


Dieser Basiswortschatz zur Anatomie soll Ihnen einen ersten Überblick über die anatomische Nomen-
klatur bieten und es Ihnen ermöglichen, Beispiele und Übungen zur Grammatik der Nomenklatur zu
verstehen und zu analysieren. (Zur Notation der Einträge vgl. S. 15)

Bei der Angabe zu Substantiven gilt: Bei regelmäßiger Endung im Nominativ Singular und unveränder-
tem Stamm wird für den Genitiv Singular die Endung so angegeben wie in den Deklinationsschemata.
Bei unregelmäßiger Endung im Nominativ Singular und/oder verändertem Stamm wird der Ausdruck
im Genitiv Singular entweder komplett angegeben oder die Genitiv-Singular-Endung wird in erweiter-
ter Form so angegeben, dass die Änderung des Stamms und die Endung im Genitiv Singular sichtbar
werden.

A caput, itis, n. Kopf, Haupt


abdomen, inis, n. Bauch, Unterleib carotis, idis, f. Kopfschlagader
abductor, oris, m. Abzieher, Wegführer carpus, i, m. Handgelenk, Handwurzel
acer, acris, acre rauh, scharf, stechend cavernosus, a, um höhlenreich
acies, ei, f. scharfer Rand, Schneide cavum, i, n. Hohlraum, Loch
adductor, oris, m. Heranziehender centralis, e in der Mitte gelegen
anconaeus, a, um zum Ellenbogen gehörig cerebrum, i, n. Gehirn
angulus, i, m. Winkel, Ecke cervix, icis, f. Hals, Nacken
antebrachium, ante- Vorderarm, Unterarm circulus, i, m. Kreis
brachii, n. circumflexus, a, um umgebogen
aorta, ae, f. Hauptschlagader clavicula, ae, f. Schlüsselbein
apex, apicis, m. äußerste Spitze cochlea, ae, f. Schnecke, Wendeltreppe
arbor, oris, f. Baum collis, is, m. Hügel
arcus, us, m. Bogen, Kreisbogen collum, i, n. Hals
arteria, ae, f. die Arterie colon, coli, n. Hauptteil des Dickdarms
articulatio, onis, f. Gelenk communis, e gemeinsam
ascendens, dentis aufsteigend conicus, a, um kegelförmig
auditivus, a, um das Hören betreffend conjugatio, onis, f. Verbindung
auricularis, e zu den Ohren gehörig, constrictor, oris, m. Zusammenzieher
ohrförmig cor, cordis, n. Herz
auris, is, f. das Ohr cornu, us, n. das Horn
B corona, ae, f. Kranz, Krone, Haken
basalis, e zur Basis gehörend corpus, oris, n. Körper, Leib
biceps, bicipitis zweiköpfig cortex, icis, m. Rinde, Schale
bifurcatio, onis, f. Gabelung costa, ae, f. Rippe
bonus, a, um gut cranialis, e kopfwärts, zum Schädel
brachium, brachii, n. Arm, anat.: Oberarm gehörig
brevis, e kurz, klein, schmal cranium, ii, n. Schädel
bronchus, i, m. Hauptast der Luftröhre crassus, a, um dick, stark
bursa, ae, f. Beutel, Tasche crinis, is, m. Haar
C cuneus, i, m. Keil
calcar, aris, n. Sporn cutis, is, f. Haut, Hülle
canalis, e röhrenförmig cutaneus, a, um zur Haut gehörig
canalis, is, m. Röhre, Kanal, Rinne
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Skript zur Medizinischen Terminologie
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Freiburg

D
deltoideus, a, um dreiecksförmig H
dens, dentis, m. Zahn hallux, ucis, m. Großzehe
dentalis, e zu den Zähnen gehörig hepar, hepatis, n. Leber
dentinum, i, n. Zahnbein hepaticus, a, um zur Leber gehörig
depressor, oris, m. Herabdrücker horizontalis, e waagerecht
descendens, entis absteigend humerus, i m. Oberarm
dexter, dextra, dext- rechts hyoideus, a, um ypsilonförmig, zum Zun-
rum genbein gehörig
digitalis, e zu Finger/Zehe gehörig hypopharynx, yngis, f. der hinter dem Kehlkopf
digitus, i, m. Finger, Zehe gelegene Schlundanteil
discus, i, m. Scheibe I
dorsum, i, n. Rücken inclinatio, onis, f. Neigung, Biegung
duodenum, i, n. Zwölffingerdarm index, icis, m. Angeber, Anzeiger
durities, ei, f. Härte internus, a, um innere/er/es, innen lie-
durus, a, um hart, derb gend
E interosseus, a, um zwischen den Knochen
efferens, entis herausführend liegend
encephalon, i, n. Gehirn intestinum, i, n. Darmkanal, Eingeweide
entericus, a, um zu Eingeweiden gehörig intimus, a, um am Innersten gelegen
epidermis, idis, f. Oberhaut iris, idis, f. Regenbogenhaut (Auge)
epiglottis, idis, f. Kehldeckel L
extensor, oris, m. Strecker labium, ii, n. Lippe
externus, a, um äußere/er/es, äußerlich lacuna, ae, f. Lücke, mit Wasser ge-
F füllte Vertiefung
facies, ei, f. Außenfläche, Gestalt, lamina, ae, f. Platte, Schicht, Scheibe
Gesicht latus, a, um breit
fascia, ae, f. Binde, Band larynx, ingis, f. Kehlkopf
femur, oris, n. Oberschenkel lens, entis, f. Linse
fetus, us, m. Frucht, Brut levator, oris, m. Heber
fibra, ae, f. Faser ligamentum, i, n. Band
fibrosus, a, um faserig, fibrös limitans, antis begrenzend
fissura, ae, f. Spalte, Ritze linea, ae, f. Linie, Knochenleiste
flexor, oris m. Beuger lingua, ae, f. die Zunge
foramen, inis, n. Loch, gebohrte Öffnung lobaris, e zum Lappen gehörig
fornix, icis, m. Bogen, Wölbung lobus, i, m. Lappen
fovea, ae, f. Grube locus, i, m. Ort, Stelle
frenulum, i, n. Bändchen, kleiner Zügel longitudinalis, e längsgerichtet
frequens, entis häufig, beschleunigt longus, a, um lang
frons, frontis, f. Stirn lumbalis, e zur Lende gehörig
frontalis, e zur Stirn gehörig lympha, ae, f. Lymphe, klares Wasser
G lymphaticus, a, um zur Lymphe gehörig
ganglion, ii, n. Nervenknoten M
gaster, gastris, f. Magen macula, ae, f. Fleck, Makel
genu, us, n. Knie magnus, a, um groß
glandula, ae f. Drüse maior, maius größere/er/es
glossus, a, um zur Zunge gehörig malum, i, n. das Übel
gluteus, a, um zum Gesäß gehörig malus, a, um schlecht, böse
granulum, i, n. Körnchen mamma, ae, f. weibliche Brust, Mutter
gravis, e schwer mandibula, ae, f. Unterkiefer
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Skript zur Medizinischen Terminologie
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Freiburg

manus, us, f. Hand pectus, oris, n. Brust


margo, -inis, m. Rand, Einfassung peior, peius schlechtere/er/es
masseter, eris, m. Kaumuskel pelvis, is, f. Becken
mater, matris, f. nährende, schützende perforans, antis durchbohrend
Umhüllung, Mutter pes, pedis, m. Fuß
maxilla, ae, f. Oberkiefer pessimus, a, um schlechteste/er/es
maximus, a, um größte/er/es phalanx, angis, f. Finger-/Zehenglied,
melior, melius bessere/er/es Stamm
meninx, ingis, f. Hirnhaut pharynx, yngis, m.+ f. Rachen, Schlund
mentalis, e zum Kinn gehörig planus, a, um flach, eben
mentum, i, n. Kinn pleura, ae, f. Seite, anat.: Rippenfell
mesenterium, ii, n. Dünndarmgekröse plexus, us, m. Geflecht
minimus, a, um kleinste/er/es pons, pontis, m. Brücke, Steg
minor, minus kleinere/er/es porta, ae, f. Pforte, Tür
mollis, e weich, sanft princeps, ipis, m. der Erste/Wichtigste
mons, montis, m. Berg, Fels principalis, e ursprünglich, zuerst
musculus, i, m. Muskel kommend
myocardium, ii, n. Herzmuskulatur processus, us, m. Fortsatz
N profundus, a, um tief, bodenlos
nasalis, e zur Nase gehörig pronator, oris, m. Neiger
nasus, i, m. Nase pulmo, onis, m. Lunge
nervus, i, m. Nerv Q
nidus, i, m. Nest quadriceps, quadrici- vierköpfig
nodus, i, m. Knoten, Gelenk pitis
nucleus, i, m. Nuss, kleiner Kern R
O radialis, e zur Speiche gehörig
obliquus, a, um schräg, tief radicularis, e zur Wurzel gehörig
occipitalis, e zum Hinterhaupt gehörig radius, ii, m. Speiche
occiput, itis, n. Hinterhaupt radix, icis, f. Wurzel
oculus, i, m. Auge ramus, i, m. Ast, Zweig
oesophagus, i, m. Speiseröhre recessus, us, m. Einbiegung, Vertiefung
opponens, opponentis gegenüberstehend rectus, a, um gerade
optimus, a, um beste/er/es ren, renis, m. Niere
orbita, ae, f. Augenhöhle renalis, e zur Niere gehörig
orbitalis, e zur Augenhöhle gehörig rete, retis, n. Netz
os, oris, n. Mund retinaculum, i, n. Bindegewebe
os, ossis, n. Knochen rotator, oris, m. (Herum-)Dreher
oticus, a, um zum Ohr gehörig rotundus, a, um rund
ovum, i, n. Ei S
P sacralis, e zum Kreuzbein gehörig
palatinus, a, um zum Gaumen gehörig scalenus, a, um schief, ungleichseitig
palatum, i, n. Gaumen scapula, ae, f. Schulterblatt, Schulter
palma, ae, f. Handfläche segmentum, i, n. Abschnitt, Teilbereich
palmaris, e zur Handfläche gehörig septum, i, n. Scheidewand
papilla, ae, f. warzenförmige Erhebung simplex, simplicis einfach
paries, etis, m. Wand sinister, sinistra, sinist- links
pars, partis, f. Teil, Stück rum
parvus, a, um klein sinus, us, m. Ausbuchtung, Biegung
patella, ae, f. Kniescheibe spatium, ii, n. Zwischenraum, Raum
pectoralis, e zur Brust gehörig spina, ae, f. Dorn, Rückgrat

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Skript zur Medizinischen Terminologie
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Freiburg

spinosus, a, um dornenförmig
spongiosus, a, um schwammig, porös
sternum, i, n. Brustbein
stratum, i, n. Zone, Decke
sulcus, i, m. Furche, Rinne
superior, ius obere/er/es, weiter
oben gelegen
supremus, a, um am höchsten gelegen
sutura, ae, f. Naht
T
tectum, i, n. Dach
tegmentum, i, n. Decke, Haube, Dach
tempus, oris, n. Schläfe
tendo, inis, m. Sehne
tensor, oris, m. Spanner, Strecker
teres, etis rund, gedreht
thorax, acis, m. Brustkorb
thyroideus, a, um schildförmig
tibia, ae, f. Schienbein
trachea, ae, f. Luftröhre
tractus, us, m. Verlauf, Strang
transversus, a, um querverlaufend
triceps, tricipitis dreiköpfig
tuber, eris, n. Höcker, Beule
tuberculum, i, n. Höckerchen
tympanum, i, n. Trommel, Trommelfell
U
uncus, i, m. Haken, Klammer
unguis, is, m. Nagel, Kralle
ureter, eris, m. Harnleiter
uterus, i, m. Gebärmutter
uvula, ae, f. Zäpfchen
V
vas, vasis, n. Gefäß, Gerät
vascularis, e zum Gefäß gehörig
vena, ae, f. Vene
venter, tris, m. Bauch, Magen, Leib
vertebra, ae, f. Wirbel
vesica, ae, f. Blase
vestibulum, i, n. Vorhof, Vorraum
vinculum, i, n. Band, Fessel
visceralis, e zu den Eingeweiden ge-
hörig
vitreus, a, um glasartig
Z
zonula, ae, f. kleiner Gürtel

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IV. Lösungen zu den Übungsaufgaben

Lösungen zu den Übungen im Skript, S. 15-23

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