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Hörverstehen, Teil 1

Sie hören die Meinungen von acht Personen. Sie hören die Meinungen nur einmal.
Entscheiden Sie beim Hören, welche Aussage (a-j) zu welcher Person (Spreche-
rin/Sprecher 1-8) passt. Zwei Aussagen passen nicht. Markieren Sie Ihre Lösungen
für die Aufgaben 47-54 auf dem Antwortbogen.
Lesen Sie jetzt die Aussagen a-j. Sie haben dazu eine Minute Zeit.

Genug Zeit?

a Wir sollten uns überlegen, was wir wirklich wollen.

b Es kann befreiend wirken, die Ansprüche herunterzuschrauben.

c Wir wären viel glücklicher, wenn wir uns auf uns selbst konzentrieren würden.

d Die Deutschen sind doch Freizeitweltmeister.

e Ich habe den Umgang mit Zeit gelernt.

f Schnelligkeit wird mit Effizienz verwechselt.

g Es gibt ein breites Angebot, um das Leben zu verlangsamen.

h Alles wird immer schneller und wir gewöhnen uns daran.

i Wie wir mit Zeit umgehen, ist erlernt.

j Man sollte einige Regeln im Arbeitsbereich ändern.

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Hörverstehen

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Hörverstehen, Teil 1 Sprecher 3
Thema „Genug Zeit?“ Ist unser Zeitmangel tatsächlich immer
selbst verschuldet? Doch wohl nicht ganz!
Sprecher 1 Im Zuge der Industrialisierung wurde die
Der Wecker klingelt, die Uhr tickt, aufste- Zeit nämlich ökonomisch verwaltet. Zeit ist
hen, arbeiten, Haushalt, Familie, Hygiene Geld. Die gesellschaftliche und vor allen
… tick, tack, tick, tack, täglich 1.440 Minu- Dingen die wirtschaftliche Entwicklung
ten, 24 Stunden am Tag und doch für viele haben eine Eigendynamik entwickelt, die
Menschen zu kurz. Viele klagen über Hast und Hektik in alle Lebensbereiche
Zeitmangel. Immer mehr Arbeit und immer hineinträgt. Immer schneller, höher, weiter
weniger Freizeit. Unbegrenzt flexibel, – ja wohin wollen wir eigentlich? Mit dem
ständig verfügbar, dies ist das Mantra der Handel, besonders dem Export, hat sich
Globalisierung, aus der wir nicht so ein- die Idee durchgesetzt, mithilfe von Schnel-
fach aussteigen können. Doch das Gefühl, ligkeit größere Gewinne zu machen. Da
immer schneller leben zu müssen, macht hat sich gezeigt, dass Schnelligkeit Vortei-
uns krank. Wir werden von unseren Ver- le bringt. So hat sich das „Tempo-Virus“
pflichtungen erdrückt, während das Leben auch in anderen Lebensbereichen ausge-
an uns vorbeizieht und das Wesentliche breitet. Und wir Menschen gewöhnen uns
zu kurz kommt. Beschleunigung ist zum offenbar an ein immer schnelleres Lebens-
Synonym für effizientes Wirtschaften ge- tempo. So bewegen sich Menschen in
worden. Auch im privaten Leben. Wenn Städten schneller als Menschen auf dem
mit wachsender Beschleunigung allerdings Land. Sie sprechen schneller und schauen
die Ziele verloren gehen, dann unterliegen auch öfter auf die Uhr.
wir einer dramatischen Fehleinschätzung,
die auch ökonomisch nicht zu vernachläs- Sprecher 4
sigen ist. Dann wird nämlich Hektik und Vielleicht sind unsere Ansprüche ja auch
Hast mit Effizienz gleichgesetzt. Ein naives zu hoch. Möglichst viele Sportarten mal
„Zurück-zur-Natur“ ist kein Ausweg aus gemacht zu haben, möglichst viel und weit
dieser „Geschwindigkeitsfalle“. Die Lösung verreist zu sein, möglichst viele Dinge zu
liegt vielmehr darin, dass wir alle erken- besitzen und das alles natürlich bei mög-
nen, dass Qualität Zeit braucht. lichst gutem Einkommen, einer Wohnung
in bester Lage und so weiter und so fort.
Sprecher 2 Vielleicht sollten wir uns lieber mal wieder
Nun, da sollten wir uns auch mal fragen, auf die guten alten Werte besinnen und
was eigentlich das Wesentliche ist. Wenn nicht so sehr dem Geld, den materiellen
natürlich ein eigenes Haus, ein Zweitwa- Dingen hinterherrasen. Das wäre dann
gen für die Ehefrau und jedes Jahr eine kein Verlust, sondern eine Art Befreiung!
Fernreise mit dem Flugzeug wichtig sind, Weil man dann auch wieder mehr Zeit
dann müssen wir dafür auch arbeiten und hätte. Und plötzlich stellt man fest, dass
Zeit opfern. Da müssen wir uns dann man viel glücklicher ist, viel zufriedener.
schon mal fragen, ob dieser Wohlstand so Ja, ich denke, das ist es, was uns fehlt.
haltbar ist oder ob wir nicht einen anderen
Wohlstand brauchen: einen immateriellen Sprecher 5
Wohlstand, einen „Zeitwohlstand“. Man In agrarischen Gesellschaften hatten und
kann eben nicht beides haben. Und da haben die Menschen genügend Zeit, aber
kommt unsere persönliche Lebenseinstel- wenig materielle Dinge. In den Industrie-
lung ins Spiel. Da können wir Prioritäten staaten ist es genau umgekehrt. Die Men-
setzen. Wer also wirklich aus dem Hams- schen haben viele materielle Dinge, aber
terrad aussteigen möchte, sollte sich fra- keine Zeit. Wir haben die natürliche Zeit
gen: Sind mir die Dinge, für die ich mich so durch die mechanische Zeit ersetzt – zu-
anstrenge, für die ich so viel Zeit investie- nächst in Form der mechanischen Uhr und
re, wirklich wichtig? Könnte ich auf man- später durch immer mehr Maschinen, die
che Dinge nicht einfach verzichten? die Zeiteinteilung und den Lebensrhyth-
mus der Menschen bestimmen.

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Der Zeit teilt man eine kulturell vereinbarte Freunden besser synchronisieren können.
Bedeutung zu. Die muss man erlernen. Man braucht mehr zeitliche Möglichkeiten,
Zum Beispiel haben die Missionare zu um an gesellschaftlichen Entscheidungs-
Beginn der Missionierung der indianischen prozessen mitzuwirken, und ebenso natür-
Bevölkerung Nordamerikas erst einmal die lich ausreichend lange Freizeit, um die
erwünschte Zeit-Bedeutung beigebracht, Arbeitskraft zu regenerieren, um zu kon-
weil sonst das Unterrichten nach einem sumieren und um Muße zu haben.
Stundenplan völlig unmöglich gewesen
wäre. Das Zeitempfinden oder Zeitgefühl Sprecher 8
ist also etwas kulturell Erlerntes. Und wir Im internationalen betriebswirtschaftlichen
sollen wohl lernen, uns an eine schnelle Vergleich sind die Deutschen doch ganz
Zeit anzupassen. Doch nicht alle Men- schön freizeitverwöhnt. Sie haben meis-
schen möchten das. tens eine unbefristete Anstellung, sowohl
mit festen Arbeitszeiten, freien Wochen-
Sprecher 6 enden und sechs Wochen Jahresurlaub.
Zeit vergeuden, sie zu vertrödeln oder zu Außerdem haben sie jede Menge Feierta-
verschwenden, rumzugammeln, das alles ge, die, falls sie auf einen Donnerstag o-
beinhaltet doch schlechte Bewertungen. der Dienstag fallen, mit Freitag oder Mon-
Wertneutral würde es einfach heißen: tag als Brückentag gleich als verlängertes
Nichts zu tun, also im Augenblick einfach Wochenende oder Kurzurlaub genutzt
keine Ziele zu verfolgen, einfach keine werden. Stress kann man das nicht nen-
Listen abzuarbeiten. In der Antike wurde nen. Außerdem gibt es verschiedene Mög-
dies als Muße bezeichnet und positiv be- lichkeiten, seine Arbeitszeit zu reduzieren:
wertet. Muße zu haben, war die Voraus- eine Dreiviertelstelle, einen Halbtagsjob
setzung für ein glückliches Leben. Heute oder ein ganzes Jahr unbezahlten Urlaub.
spricht man davon, die Seele baumeln zu Das alles ist möglich. Ich habe eher das
lassen, einfach mal nichts zu tun. Jeder Gefühl, dass man einen Deutschen selten
hat doch für sich persönlich die Chance, in seinem Büro antrifft.
sein Leben zu entschleunigen, das heißt
wieder langsamer zu werden, auf die Hörverstehen, Teil 2
Bremse zu treten. Es gibt sogar schon Interview zum Thema Multitasking
richtige Slow-Bewegungen, z.B. Slowfood:
langsames Kochen und genussvolles Es- Rainer Holsten: Herzlich willkommen bei
sen, oder Cittaslow: Steigerung der Le- „Arbeitswelt aktuell“, unserer wöchentli-
bensqualität in Städten. Es steigt die Zahl chen Sendung mit Informationen und Dis-
der bekennenden „Slobbies“, der „slower kussionen rund um die Arbeit. Heute zum
but better working people“. Zeit ist das Thema: „Multitasking - geht das wirklich?“
wichtigste aller Luxusgüter. Mein Name ist Rainer Holsten, und zu
Gast bei uns im Studio ist heute die Ar-
Sprecher 7 beitspsychologin Sarah Bode. Schön,
Die Ladenöffnungszeiten werden gelo- dass Sie da sind!
ckert, der Ruhesonntag wird nicht immer
eingehalten, Feiertage werden geopfert, Sarah Bode: Danke für die Einladung. Ja,
Arbeitszeiten werden verlängert: Wir be- ich freue mich auch, heute hier zu sein.
wegen uns hin zu einer Rund-um-die-Uhr-
Gesellschaft. Es braucht also auch eine Rainer Holsten: Frau Bode, darf ich Sie
grundlegende Diskussion im Arbeitsbe- gleich ganz direkt was fragen?
reich, die gesellschaftlichen Rahmenbe- Sarah Bode: Aber natürlich, dazu bin ich
dingungen müssen sich ändern. Man soll- ja da.
te einfach wieder mehr über die eigene
Zeit verfügen können. Dazu gehört auch, Rainer Holsten: Haben Sie während Ihrer
dass die biologischen Lebensrhythmen Autofahrt hierher ins Studio denn telefo-
besser eingehalten werden. Man müsste niert?
die Freizeit von Familienmitgliedern und

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