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Identitätsbasierte Luxusmarkenführung

Christoph Burmann · Verena König


Jörg Meurer (Hrsg.)

Identitätsbasierte
Luxusmarkenführung
Grundlagen – Strategien – Controlling
Herausgeber
Univ.-Prof. Dr. Christoph Burmann Dr. Jörg Meurer
Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement KEYLENS Management Consultants
und Marketing (LiM®), Universität Bremen Lehrbeauftragter, Universität Bremen
Bremen, Deutschland Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: burmann@uni-bremen.de E-Mail: joerg.meurer@keylens.com
Prof. Dr. Verena König
Professorin an der DHBW,
Inhaberin der Luxusmarken-Beratung
MARKEN-KÖNIGIN, Deutschland
E-Mail: verena.koenig@dhbw-mannheim.de

ISBN 978-3-8349-4059-9 ISBN 978-3-8349-4060-5 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;


detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer Gabler
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
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berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
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benutzt werden dürften.

Lektorat: Barbara Roscher, Jutta Hinrichsen

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer Gabler ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer
Science+Business Media.
www.springer-gabler.de
Vorwort

Mit dem Herausgeberband „Identitätsbasierte Luxusmarkenführung“ werden die aktuellen


Herausforderungen und innovative Lösungskonzepte der Luxusmarkenführung umfas-
send behandelt. Die Führung von Luxusmarken ist aus unserer Sicht ein sehr wichtiges
Thema mit zahlreichen noch nicht ausgeschöpften Erfolgspotenzialen. Einerseits ist der
Luxusmarkt trotz Finanzkrise und zurückgehender allgemeiner Konsumausgaben weiter-
hin auf Wachstumskurs, vor allem wegen der Entwicklungen in China, Indien, Russland
und Brasilien. Andererseits haben einige Luxusmarken mit erheblichen Problemen zu
kämpfen, weil ihre Authentizität in Frage gestellt wird und sie unter verfehlten Mar-
kenführungsentscheidungen leiden. Das wissenschaftlich und praktisch bewährte Konzept
der identitätsbasierten Markenführung bietet hier die Chance, die Erfolgspotenziale von
Luxusmarken effizient und umfassend auszuschöpfen.
Unser Dank gilt an dieser Stelle allen Autoren für ihre wertvollen Beiträge. Ohne sie
wäre dieses Werk nicht möglich gewesen. Darüber hinaus möchten wir uns beim Gabler
Verlag/Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH – insbesondere Frau Barbara Roscher und
Frau Jutta Hinrichsen – bedanken, die uns bei der Anfertigung bei dieses Werkes stets eine
große Hilfe waren.
Allen Lesern wünschen wir nun interessante und anregende Einblicke in die spannende
Welt der Luxusmarken. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen für zukünftige
Auflagen.

Bremen, Juni 2012 Univ.-Prof. Dr. Christoph Burmann


Mannheim, Juni 2012, Prof. Dr. Verena König
Düsseldorf, Juni 2012, Dr. Jörg Meurer

V
Inhaltsverzeichnis

Teil I Einführung

1 Einführung zur identitätsbasierten Luxusmarkenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3


Verena König und Christoph Burmann

2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung – Status, Trends und


Top-Themen für die CMO-Agenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Jörg Meurer und Kilian Manninger

Teil II Grundlagen der identitätsbasierten Luxusmarkenführung

3 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer Luxusmodemarke


auf die Markenidentität am Beispiel von Louis Vuitton und
Dorothee Schumacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Verena König

4 Identitätsbasierte Führung von Luxusmarken unter besonderer


Berücksichtigung der Marken-Authentizität am Beispiel von Bugatti
und Maybach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Mike Schallehn

5 Der symbolische Nutzen von Luxusmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69


Andreas Müller und Michael Schade

Teil III Strategien der Luxusmarkenführung

6 The Luxury Universe – Angebots- und Kundensegmentierung globaler


Luxusmärkte als Basis für erfolgreiche Positionierungsstrategien . . . . . . . . . . . 85
Carsten Ascheberg, Jörg Meurer und Axel Oesterling

VII
VIII Inhaltsverzeichnis

7 Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken – Am Beispiel


von Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH) und Armani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Christopher Kanitz und Michael Schade

8 Do Luxury Pricing Decisions Create Price Continuity? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121


Martin Fassnacht, Philipp Nikolaus Kluge and Henning Mohr

9 Vertrieb von Luxusmarken – von Absatzmittlern zu Markenbotschaftern . . . . 139


Philip Maloney

10 Green Luxury – Chancen und Herausforderungen für eine


nachhaltige Führung von Luxusmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Tilo Halaszovich und Jörg Meurer

11 Luxusmarkenführung in Emerging Markets am Beispiel Indien . . . . . . . . . . . . . 167


Christian Becker

Teil IV Operative Luxusmarkenführung

12 Die Gestalt des Luxus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183


Axel Kolaschnik

13 The Art of Luxury Experience – Customer Experience Management zur


erfolgreichen Umsetzung von Luxusmarkenerlebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
Jörg Meurer und Stephan Hirschsteiner

14 The Role of Social Media for Luxury Brands – Motives for


Consumer Engagement and Opportunities for Business . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Benedikt Jahn, Werner Kunz und Anton Meyer

15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ – Luxusvermarktung im


Spannungsfeld traditioneller Kanäle und digitaler Revolution . . . . . . . . . . . . . . 237
Kilian Manninger

16 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter am Telefon und


in Sozialen Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259
Verena König

Teil V Controlling von Luxusmarken

17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279


Markus Köhler
Inhaltsverzeichnis IX

18 Markencontrolling bei der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305


Tobias Recke und Martin Einhorn

Teil VI Ausblick

19 Ebony or Ivory – wie glänzend ist die Zukunft des Luxus in Deutschland?
Kritische Reflexionen zum Luxusmarkenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
Jörg Meurer
Autorenverzeichnis

Carsten Ascheberg ist Geschäftsführer der SIGMA Gesellschaft für internationale Markt-
forschung und Beratung mbH, Mannheim.

Dr. Christian Becker ist Referent für strategisches Marketing im Generali Konzern bei der
Central Krankenversicherung AG und Dozent an der Steinbeis Universität Berlin.

Univ.-Prof. Dr. habil. Christoph Burmann ist Inhaber des Lehrstuhls für innovatives
Markenmanagement und Marketing (LiM®) an der Universität Bremen.

Dr. Martin Einhorn ist Leiter Marktforschung der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG.

Univ.-Prof. Dr. Martin Fassnacht ist Inhaber des Lehrstuhls für BWL, insbesondere Mar-
keting und Handel (Otto Beisheim-Stiftungslehrstuhl) an der WHU – Otto Beisheim School
of Management in Vallendar/Koblenz und Assoziiertes Mitglied des MEISTERKREIS –
Deutsches Forum für Luxus e. V.

Dr. Tilo Halaszovich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für innovatives


Markenmanagement an der Universität Bremen.

Dipl.-Kfm. Stephan Hirschsteiner ist Senior Consultant bei KEYLENS Management


Consultants.

Dipl.-Kfm. Benedikt Jahn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut


für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Dipl.-Kfm. Christopher Kanitz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für


innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen.

Philipp Nikolaus Kluge M. Sc. ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr-
stuhl für BWL, insbesondere Marketing und Handel (Otto Beisheim-Stiftungslehrstuhl) an
der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar/Koblenz.

XI
XII Autorenverzeichnis

Prof. Dr. Markus Köhler ist Partner von OPPENLÄNDER Rechtsanwälte und lei-
tet dort die Praxis Group Intellectual Property. Er ist Honorarprofessor für Marken-
und Wettbewerbsrecht an der Universität Mannheim. Darüber hinaus ist er Mitglied
des Fachausschusses für Wettbewerbs- und Markenrecht der Deutschen Gesellschaft für
Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR).

Prof. Dr. Verena König ist Professorin für Marketing an der Dualen Hochschule
Baden-Württemberg in Mannheim und zudem Gründerin der Luxusmarken-Beratung
MARKEN-KÖNIGIN, Deutschland.

Prof. Axel Kolaschnik lehrt CI/Brand Identity und CD/Brand Design an der Fakultät für
Gestaltung der Hochschule Mannheim und leitet das IMD Institut für Marke und Design,
Steinbeis Transferzentrum an der Hochschule Mannheim.

Prof. Dr. Werner Kunz ist Assistant Professor für Marketing am College of Management
an der University of Massachusetts Boston.

Dr. Philip Maloney ist Projektleiter bei KEYLENS Management Consultants und Lehr-
beauftragter für Internationales Marketing und Markenführung an der Jacobs University
Bremen.

Dipl.-Kfm. Kilian Manninger ist Principal bei KEYLENS Management Consultants.


Zuvor war er mehrere Jahre als Brand Manager bei dem Konsumgüterhersteller
Procter & Gamble tätig und verantwortlich für führende Kostmetik- und Parfümmarken.

Dr. Jörg Meurer, Vorstand und Managing Partner bei KEYLENS Management Consul-
tants und zudem Lehrbeauftragter für Markenführung und Marketing an der Universität
Bremen. Er ist zudem Gründungsmitglied der „Arbeitsgruppe Luxus und Lifestyle” im
Markenverband.

Univ.-Prof. Dr. Anton Meyer ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre und Vorstand
des Instituts für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Dr. Henning Mohr ist Alumnus des Lehrstuhls für BWL, insbesondere Marketing und
Handel (Otto Beisheim-Stiftungslehrstuhl) an der WHU – Otto Beisheim School of Ma-
nagement in Vallendar/Koblenz und Oral Care Brand Manager, Germany, bei der Henkel
AG & Co. KGaA – Kosmetik.

Dr. Andreas Müller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für innovatives


Markenmanagement an der Universität Bremen sowie Habilitand am Institut für Geo-
graphie der Universität Bremen.
Autorenverzeichnis XIII

Axel Oesterling ist Principal bei KEYLENS Management Consultants. Zuvor war er bei der
BMW Group zu verschiedenen Marketingfunktionen tätig, zuletzt als Leiter Rolls-Royce
Motor Cars.

Dr. Tobias Recke ist Spezialist internationale Kundenmarktforschung bei der


Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG.

Dr. Michael Schade ist Habilitand am Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement an


der Universität Bremen.

Dr. Mike Schallehn ist Inhaber der Professur für Marketing und Entrepreneurship an der
Cologne Business School.
Teil I
Einführung
Einführung zur identitätsbasierten
Luxusmarkenführung 1
Verena König und Christoph Burmann

Zusammenfassung

In diesem Artikel wird ein kurzer Überblick über das Konzept der identitätsbasierten
Luxusmarkenführung gegeben. In einem ersten Teil wird die Zielsetzung des Her-
ausgeberwerks präsentiert. Im Anschluss daran erfolgt eine kurze Erläuterung des
symbolischen Markennutzens nach der identitätsbasierten Luxusmarkenführung, der
für das Buch von besonderer Relevanz ist. Schließlich endet der Artikel mit einigen
aktuellen Entwicklungen der Luxusmarkenführung in Deutschland, die die Relevanz
dieses Herausgeberwerks unterstreichen.

1.1 Zielsetzung des Werks

Studien belegen, dass der Luxusmarkt trotz Finanzkrise und zurückgehender allgemeiner
Konsumausgaben weiterhin auf immensem Wachstumskurs ist und für die kommenden
fünf Jahre sogar ein weltweites Wachstum von über sechs Prozent pro Jahr; in Asien sogar
mehr als zehn Prozent, prognostiziert wird [2, S. 15]. So erfreulich diese Entwicklung und
die damit einhergehende Nachfrage nach Luxusgütern sind, so sehr bergen sie auch einige

Prof. Dr. Verena König ()


Professorin an der DHBW,
Inhaberin der Luxusmarken-Beratung MARKEN-KÖNIGIN, Deutschland
E-Mail: verena.koenig@dhbw-mannheim.de
Univ.-Prof. Dr. Christoph Burmann
Lst. f. innov. Markenmanagement
Professur, Universität Bremen, WiWi Gebäude, Raum 226,
Hochschulring 4, 28359 Bremen, Deutschland
E-Mail: burmann@uni-bremen.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 3


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
4 V. König und C. Burmann

Wissen-
schaftlicher
Anspruch Dissertationen
über Luxus- Burmann/König/Meurer
markenführung „Identitätsbasierte
Luxusmarken-
führung“

Fachzeitschriften- Ratgeber-
artikel Bücher zu
Luxusmarken

Praxis-
orientierung

Abb. 1.1 Positionierung des Buchs

Herausforderungen für die Führung von Luxusmarken. Als eine der Hauptherausforderun-
gen kann die so genannte „Demokratisierung des Luxus“ bezeichnet werden [19, S. 328].
Darunter ist zu verstehen, dass heutzutage Luxus praktisch überall zu finden ist und dass es
dadurch immer schwieriger wird, die Begehrlichkeit von Luxusmarken zu bewahren. Aber
gerade von dieser Begehrlichkeit leben erfolgreiche Luxusmarken. Daneben existieren wei-
tere Herausforderungen wie beispielsweise der Umgang mit Social Media, Nachhaltigkeit,
das Spannungsverhältnis zwischen internationalem Wachstum und Exklusivität, aber auch
das sensible Thema Preismanagement in einer immer globaler werdenden Welt.
Auf Basis dieser besonderen Herausforderungen ist es das Ziel des vorliegenden Her-
ausgeberwerks, sowohl aus der Perspektive der Wissenschaft als auch aus der Praxis in
zugänglicher Weise ansprechende Einblicke in die erfolgreiche Luxusmarkenführung zu
gewähren. Mit insgesamt 19 Einzelbeiträgen sollen dabei die zentralen Herausforderungen
aus der Perspektive der identitätsbasierten Luxusmarkenführung betrachtet und analysiert
werden.
Als Autoren dieses Werks konnten wir namhafte Experten aus Wissenschaft und Wirt-
schaft gewinnen. Damit wollen wir sicher stellen, dass die Ausführungen sowohl auf
Studienergebnissen aus der Wissenschaft, als auch auf praktischen Erfahrungen aus der
Führung von Luxusmarken basieren. Mit dieser Kombination aus Wissenschaft und Pra-
xis können wir auf dem deutschen Buchmarkt eine Nische schließen, da dieser bislang
entweder rein wissenschaftliche Werke (z. B. Dissertationen) oder rein praxisorien-
tierte Ratgeberbücher umfasst. Abbildung 1.1 zeigt die Nischenpositionierung unseres
Herausgeberwerks.
1 Einführung zur identitätsbasierten Luxusmarkenführung 5

Zielgruppe unseres Werks sind vor allem Praktiker, die ein aktuelles Nachschlagewerk
zu den Themenfeldern der Luxusmarkenführung suchen, aber auch Studierende, die sich
dieses Werk für ihre Bachelor- oder Masterarbeit zulegen möchten.
Das Buch ist in verschiedene Kapitel eingeteilt. Nach der Einführung werden die
Grundlagen der identitätsbasierten Luxusmarkenführung dargestellt. Hier stehen vor
allem Markenauthentizität und symbolischer Markennutzen von Luxusmarken im Vorder-
grund, die die Basis einer jeden erfolgreichen Luxusmarkenstrategie bilden. Daneben wird
auch beschrieben, wie sehr erfolgreiche Luxusmarkenidentitäten von ihren ursprünglichen
Gründern bzw. Schöpfern geprägt werden.
Im Anschluss daran werden verschiedene Strategien der identitätsbasierten Luxus-
markenführung vorgestellt. Im Zentrum stehen dabei Themen wie Markenarchitektur,
Preissetzung und absatzmittlerorientierte Strategien bei der Luxusmarkenführung. Bei der
operativen Luxusmarkenführung werden bei den Kommunikationsaspekten vor allem in-
novative Themen wie Social Media und visuelle Gestaltungsmöglichkeiten vorgestellt und
diskutiert.
Im darauffolgenden Kapitel geht es um das Controlling von Luxusmarken, das sowohl
juristische Aspekte zum Markenschutz, wie beispielsweise bei Markenpiraterie, als auch
Ansätze des Mediacontrollings und des internen Markencontrollings umfasst. Das Buch
endet schließlich mit einem Ausblick.

1.2 Besonderheiten der identitätsbasierten Luxusmarkenführung

Nach heutiger Auffassung folgt die Führung von Luxusmarken anderen Gesetzen als im
Premium- oder im Basismarkensegment, denn bei Luxusmarken rühren Faszination und
Begehrlichkeit aus ihren mythisch aufgeladenen Markenidentitäten. Diese Markenidentitä-
ten zu kreieren und die Marke auf der Basis dieser wesensprägenden Eigenschaften exklusiv
und nachhaltig zu steuern, um sie vor der „Demokratisierung des Luxus“ zu schützen, stellt
eine zentrale Aufgabe im Luxussegment dar.
Obwohl das Mysterium Luxus offenkundig sehr alt ist und bis in die Antike zurückreicht
[15, S. 472], fasziniert es nach wie vor die Menschen und bereitet Pläsier. Umso erstaunlicher
ist es, dass nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Wissenschaft Unklarheit zum Begriff
„Luxus“ herrscht (z. B. [3, S. 3]).
In der Literatur findet man eine Vielfalt von Erklärungen, die sich auf unterschiedliche
Perspektiven und Bezugsobjekte beziehen. Eine Vielzahl an Autoren geht dabei auf die
Herkunft des Begriffs eins. Zur Erklärung wird hierbei auf die Abstammung des Begriffs
eingegangen und diese interpretiert, wie z. B. von „lux“ = Licht, Helligkeit oder „luxuria“ =
Verschwendung [6, S. 8]. Diese herkunftsorientierte Perspektive macht deutlich, dass dem
Wort „Luxus“ schon immer eine sowohl positive Bedeutung im Sinne von Besonderheit,
Außergewöhnlichkeit als auch etwas Negatives und Unchristliches im Sinne von Prunksucht
und Verschwendung zu Grunde lag (u. a. [24, S. 49]).
6 V. König und C. Burmann

Trotz der Vielfalt an Erklärungen herrscht doch größtenteils Einigkeit darüber, dass Lu-
xus sich auf das Nicht-Notwendige bezieht. Beispielsweise definiert Mühlmann Luxus wie
folgt [20, S. 1969] ,,(. . . ) Aufwand (. . . ), der über das notwendige, d. h. das als allgemein
notwendig anerkannte Maß der Anspruchsbefriedigung bzw. über den durchschnittlichen Le-
bensstandard hinausgeht.“ Man könnte dies aber auch mit dem Porsche-Bonmot ausdrücken
,,Kein Mensch braucht einen Porsche‘‘ [1].
In Bezug auf Luxusprodukte wird in der Marketing-Literatur die besondere Bedeutung
von Marken betont (z. B. [13, S. 116]). Dabei stößt man zur Abgrenzung einer Luxusmarke
von generischen Marken häufig auf Kriterienkataloge, die den Begriff eingrenzen sollen.
Beispielsweise definieren Dubois et al. (2001) eine Luxusmarke wie folgt [10].

• Hoher wahrgenommener Preis


• Exzellente Qualität
• Einzigartigkeit
• Ästhetik
• Markenhistorie
• Nicht-Notwendigkeit

Die Perspektive der identitätsbasierten Luxusmarkenforschung ist vor allem eine wirkungs-
orientierte Perspektive. So definiert Lasslop (2005) zur Abgrenzung einer Luxusmarke von
generischen Marken vor allgemeinen hohen Preis und den Grad des symbolischen Nutzens
[15, S. 474]. Je höher der Preis eines Produkts und seines symbolischen Nutzens, desto eher
handelt es sich um eine Luxusmarke. Dies macht deutlich, dass nach dem identitätsbasier-
ten Luxusmarkenansatz das Differenzierungselement der symbolische Nutzen und nicht
der konkrete funktionale Produktnutzen ist. Luxusmarken ermöglicht dies eine Übertra-
gung der Markenidentität auf ein breites Produktspektrum, ohne dass Widersprüche aus
konkreten Produktassoziationen das Kompetenzfeld der Markenidentität einschränken [15,
S. 473 ff.].
Die besondere Bedeutung des symbolischen Nutzens findet man auch bereits bei anderen
Autoren wie z. B. Dubois/Paternault 1995 ,,More than other products, luxury goods are bought
for what they mean, not what they are‘‘ [8]. Konkreter schreiben sie: ,,Whatever their nature
and price, all products under the same brand name share a symbolic identity and a core of
values expressing the quintessence of the brand. Whether they are automobiles, wristwatches,
writing instruments or sunglasses, all Porsche items express the Porsche Legend and clearly
identified as such.‘‘[8, S. 71].
In Abb. 1.2 ist die Abgrenzung einer Luxusmarke von generischen Marken nach der
identitätsbasierten Luxusmarkenführung dargestellt.
Da nach dem identitätsbasierten Luxusmarkenansatz die Emotionalität und Faszination
von Luxusmarken mit Hilfe des symbolischen Markennutzens erklärt werden kann (u.
a.[4, S. 3 ff.]), wird auch in einigen Grundlagen-Beiträgen dieses Buchs verstärkt darauf
eingegangen (z. B. bei Müller/Schade und Schallehn).
1 Einführung zur identitätsbasierten Luxusmarkenführung 7

Preis

Luxus-
Hersteller-
marke
Premium
Hersteller-
marke
Hersteller-
marke
Premium-
Handels-
marke
Handels-
marke

funktionaler Nutzen Dominierender symbolischer Nutzen


Markennutzen

Abb. 1.2 Abgrenzung einer Luxusmarke. (Quelle: In Anlehnung an Lasslop 2005 [15, S. 474])

Ein wichtiger Grund für die zentrale Bedeutung des symbolischen Nutzens ist, dass er
zur Profilierung von Luxusmarken besonders geeignet ist. Der symbolische Nutzen einer
Luxusmarke hilft Konsumenten, sich selbst auszudrücken. Hierbei wird zwischen zwei
menschlichen Motiven unterschieden – das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung und das
Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Zur Erklärung dieser beiden Motive leistet z. B. die
Selbstkongruenz-Theorie von Sirgy (1982) [22, S. 287 ff.] einen Beitrag. Das erste Motiv
der sozialen Anerkennung kann dabei mit der sozialen Identität und das zweite Motiv der
Selbstverwirklichung mit der Ich-Identität erklärt werden. Die Ich-Identität beschreibt das
Bild, das ein Mensch von sich selbst hat. Die soziale Identität ist das Bild, das andere, also
die soziale Umwelt, von dem Menschen haben.
Nach der Selbstkongruenz-Theorie kann die Wahl einer bestimmten Luxusmarke mit
dem Wunsch nach Bestätigung und/oder Verstärkung der eigenen sozialen Identität und
Ich-Identität interpretiert werden. Der Wunsch nach sozialer Anerkennung über eine Be-
stätigung der sozialen Identität kann auch als ein extrinsisches Motiv bezeichnet werden.
Das bedeutet, dass Menschen mit Hilfe von Luxusmarken etwas über sich ausdrücken
möchten. Dies kann sich entweder darauf beziehen, dass sie sich bestimmten Menschen-
gruppen zugehörig fühlen oder dass sie sich dadurch von der Masse abgrenzen möchten.
In der Literatur wurden diese Motive vielfach untersucht und können beispielsweise mit
dem Veblen-Effekt [23, S. 68 ff.] und Snob-Effekt [16, S. 183 ff.] erklärt werden. Um
diese Bedürfnisse zu erfüllen, müssen Luxusmarken über klare Persönlichkeitsmerkmale
mit Bezug zu der menschlichen Persönlichkeit verfügen. Möchte eine Frau beispielsweise
von ihrer sozialen Umwelt eher als besonders extrovertiert-sexy wahrgenommen werden,
würde sie hierbei wohl eher die italienische Marke Roberto Cavalli unterstützen, die in der
8 V. König und C. Burmann

Luxusmarkenpersönlichkeiten

z.B. aufregend, sexy z.B. zurückhaltend, unschuldig

Abb. 1.3 Unterschiedliche Luxusmarkenpersönlichkeiten. (Quelle: Roberto Cavalli und Jil Sander)

Presse bereits wegen ihrer teilweise vulgären Kollektionen kritisiert wurde, als die schlichte
Linie der Marke Jil Sander. Besonders interessant ist hierbei auch der Einfluss der Gründer
bzw. der Schöpfer auf die Wahrnehmung der Persönlichkeit von Luxusmarken. Beispiels-
weise ist Roberto Cavalli selbst auch eher für seinen exzentrischen Lebensstil bekannt und
die eher zurückhaltende Jil Sander galt schon immer mit ihrer eigenen schlichten Eleganz
als die „Queen of Less“. Abbildung 1.3 zeigt diese beiden unterschiedlichen Luxusmar-
kenpersönlichkeiten an Hand aktueller Parfum-Kampagnen von Roberto Cavalli und Jil
Sander.
Neben dem extrinsischen Motiv zur sozialen Anerkennung verfügen aber erfolgreiche
Luxusmarken auch über einen symbolischen Nutzen zur Bestätigung der Ich-Identität und
zur Selbstverwirklichung. Das bedeutet, dass Luxusmarken den Menschen ganz persönlich
Freude bereiten und einen gewissen Hedonismus darstellen. Hierbei kann man zwischen
sinnlich-ästhetisch und hedonistisch-intrinsisch unterscheiden. Ersterer Nutzen ergibt sich
aus den ästhetischen Eigenschaften von Luxusmode wie z. B. die Schönheit des Designs,
die Haptik der Materialien, die Gestaltung der Verkaufsräume mit entsprechender Musik
und Düften, gutaussehendes Verkaufspersonal etc. Der hedonistisch-intrinsische Nutzen
beschreibt einen subjektiv-persönlichkeitsbezogenen emotionalen Verarbeitungsprozess,
der sich z. B. darauf bezieht, sich besonders exklusive Traditionsmarken zu gönnen und
sich damit selbst zu belohnen, oder einfach Luxusmarken als Erlebnis und Genuss zu
empfinden. Im Gegensatz zum extrinsischen Nutzen, der abhängig von anderen Menschen
ist, bezieht sich der intrinsische Nutzen auf die Selbstverwirklichung, Selbstachtung oder
die Selbstfindung durch Ästhetik und Genuss von Luxusmarken.
1 Einführung zur identitätsbasierten Luxusmarkenführung 9

Diese aufgezeigten Wirkungsmechanismen stellen das Zentrum der identitätsbasierten


Luxusmarkenführung dar. Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist, dass eine Luxusmarke über
zwei Perspektiven verfügt, ihr Selbstbild (Identität) und ihr Fremdbild (Image), die in einem
permanenten Austauschprozess stehen, der im Zeitverlauf zu Veränderungen bei Identität
und Image führen kann [18]. Eine starke Identität kann als wichtigste Voraussetzung für
die Gewinnung von Vertrauen angesehen werden. Aber wie bei Menschen kann Vertrauen
nur auf Basis von Authentizität und Verlässlichkeit entstehen, denn die subjektiv wahrge-
nommene Sicherheit, sich auf jemanden hinsichtlich der Einhaltung bestimmter Zusagen
verlassen zu können, lässt Vertrauen entstehen. Ein im Zeitablauf kontinuierliches, wider-
spruchsfreies, konsistentes und damit verlässliches Verhalten ist nur dann möglich, wenn
eine Person ein klares Bild von sich selbst hat. Mit anderen Worten, muss ein Mensch eine
Identität haben, um von anderen als verlässlich, vertrauenswürdig und authentisch aner-
kannt zu werden. Einem Menschen ohne Identität kann man also nicht vertrauen. Diese
Überlegungen sind auch auf Luxusmarken übertragbar. Ebenso wie die Identität einer Per-
son, entsteht die Identität einer Luxusmarke nur über einen längeren Zeitraum und setzt
sich aus einer Vielzahl an Komponenten zusammen. Dabei kann beobachtet werden, dass
Luxusmarken häufig über eine sehr lange Tradition verfügen und ihre Identitäten sich über
einen längeren Zeitraum formiert haben. [5, S. 42 ff.]. Starke Gründerpersönlichkeiten,
die häufig auch die Namensgeber der Marken sind, aber auch das Herkunftsland (Country
of Origin) prägen Luxusmarken in vielen Fällen nachhaltig. Daneben vermitteln häufig
Symbole den spezifischen Mythos der Marke und dienen nicht wie bei generischen Marken
nur zur reinen Orientierung [15, S. 476 ff.]. Die Stärke einer Luxusmarke ist dabei vor
allem auch von dem Grad der Übereinstimmung zwischen dem Selbstbild (Identität) und
dem von anderen zugeschriebenen Fremdbild (Image) abhängig. Dies ist die Quelle für Au-
thentizität, die für eine langfristige Beziehung zu einer Marke auf Basis einer empfundenen
Kongruenz mit der eigenen Ich-Identität und sozialen Identität unabdingbar ist.
Abbildung 1.4 zeigt schematisch den Grundgedanken unseres Ansatzes. Zwischen Mar-
kenidentität und Markenimage einer Luxusmarke ist der Mensch als Nachfrager der
Luxusmarke mit seiner eigenen Ich-Identität und sozialen Identität abgebildet. Als Sym-
bol für den Menschen haben wir das eigens abstrahierte Schlüsselbild der berühmten
Hollywood-Komödie „Frühstück bei Tiffany“ aus dem Jahr 1961gewählt. Das Bild, das
die Hauptfigur des Films, die junge New Yorkerin Holly Golightly zeigt, gespielt von Au-
drey Hepburn, kann sowohl als Sinnbild des Ausdrucks der sozialen Identität als auch der
Ich-Identität interpretiert werden. Holly Golightly möchte einerseits durch den Konsum
von Luxus zu der New Yorker Upper Class gehören, von ihr akzeptiert werden und damit
ihre soziale Identität bestätigen bzw. auch etwas erhöhen, andererseits ist sie am Anfang
des Films auch davon überzeugt, dass sie zu dieser Schicht auch wirklich gehört und der
Luxus somit ihre Ich-Identität bestätigen kann. Durch intensive Dialoge mit ihrem Freund,
einem jungen ambitionierten Schriftsteller, kommt es im Laufe des Films zu einer Art
„Identitätskrise“ und damit auch zu einer Anpassung ihrer Ich-Identität.
10 V. König und C. Burmann

Identitätsbasierte Luxusmarkenführung

Kongruenz zur
sozialen Identität und/oder
Ich-Identität der Konsumenten

Markenidentität Markenimage
(Selbstbild) (Fremdbild)

Beziehung zur Luxusmarke

Markenauthentizität

Abb. 1.4 Identitätsbasierte Markenführung

1.3 Luxusmarkenführung in Deutschland

„Luxury is the income tax of vanity. But it is so pleasant.“ Dieses Zitat des bekannten
deutschen Chanel-Chef-Designers, Karl Lagerfeld, macht deutlich, wie sehr der Wunsch
nach Luxus und die menschliche Eitelkeit zusammenhängen. In Deutschland war Luxus
schon immer ein zentraler Motivator des Erfolgsstrebens vieler Menschen [11] und das
Potential des deutschen Luxusmarktes gilt als noch lange nicht ausgeschöpft [21]. In einer
Studie der Unternehmensberatung KMPG, die in Kooperation mit dem Markenverband
Deutschland im Jahr 2009 durchgeführt wurde [14, S. 4 ff.], konnte Folgendes über den
Luxusmarkt in Deutschland festgestellt werden. Luxus ist eine höchst individuelle Sache
und die Beurteilung liegt im Auge des Betrachters. D. h., dass Luxus für jeden auch etwas
anderes bedeuten kann, je nachdem, welche Präferenzen verfolgt und durch welche Werte
Individuen geprägt werden. 25% der deutschen Gesamtbevölkerung ab 14 würden sich als
luxusaffin bezeichnen. Dabei sind Luxuskäufe aber keine Spontankäufe, sondern Kunden
planen und sparen bevor sie handeln. Bei den Motiven ist unter den jungen Käufern
vor allem ein sozial-extrinsisches Motiv der sozialen Anerkennung (soziale Identität) zu
beobachten. Sie möchten vor allem die Marke nach außen zeigen und achten auch bei
anderen darauf, ob sie Luxusmarken besitzen. 56 % von ihnen sind dabei auch Imitationen
gegenüber sehr aufgeschlossen.
1 Einführung zur identitätsbasierten Luxusmarkenführung 11

Trotz dieses Potenzials ist in Deutschland die allgemeine Haltung gegenüber Luxus sehr
ambivalent – denn zum einen steht er für Begehrlichkeit und wird bewundert, zum anderen
wird mit ihm Überfluss und Verschwendungssucht assoziiert. Besonders im europäischen
Vergleich mit Ländern wie Frankreich und Italien, in denen Luxus eine eher positive Bedeu-
tung hat, wie z. B. seinen eigenen Erfolg belohnen, wird dies deutlich. Auf Grund dieser in
Deutschland fehlenden positiven Luxus-Kultur wurden vor einigen Monaten verschiedene
Foren wie z.B. der MEISTERKREIS oder der Arbeitskreis „Luxus & Lifestyle“ des deut-
schen Markenverbands gegründet, um die spezifischen Besonderheiten und Bedürfnisse
der deutschen Luxusmarken genauer zu analysieren und zu vertreten. Der 1903 gegründete
Markenverband vertritt die Interessen der markenorientierten Wirtschaft in Deutschland.
Ihm gehören knapp 400 Mitglieder an, die für einen Markenumsatz im Konsumgüterbe-
reich von über 300 Mrd. € und im Dienstleistungsbereich von ca. 200 Mrd. € in Deutschland
stehen. Damit ist der Markenverband der größte Verband dieser Art in Europa (u. a. [17]).
An dieser Stelle möchten wir dem Markenverband und seiner Arbeitsgruppe „Luxus &
Lifestyle“ für ihre interessanten Anregungen danken.
Das soeben beschriebene Potenzial des deutschen Luxusmarkts und auch die hierzu-
lande sehr ambivalente Einstellung gegenüber Luxus unterstreichen die Relevanz unseres
Herausgeberwerks, das mit seiner ersten Auflage und mit den weiteren geplanten Auflagen
aktuelle Entwicklungen von Luxusmarkenbranchen weiter beobachten und im Sinne der
identitätsbasierten Luxusmarkenführung analysieren wird.

Literatur

1. Auto Motor Sport (2002). Perfekter Allrounder im Luxussegment. http://www.auto-motor-


und-sport.de/fahrberichte/perfekter-allrounder-im-luxussegment-775799.html. Zugegriffen:
12. März 2012.
2. Bain & Company (2011). Luxury Goods Worldwide Market Study. http://www.bain.de/home/
publikationen/studien/konsumgüterindustrie,_handel.htm. Zugegriffen: 7. März 2012.
3. Berry, C. J. (1994). The Idea of Luxury – A Conceptual Framework and Historical Investigation.
Cambridge: Cambridge University Press.
4. Burmann, C., Blinda, L., & Nitschke, A. (2003). Konzeptionelle Grundlagen des identitätsbasier-
ten Markenmanagements. 1. Arbeitspapier des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement der
Universität Bremen.
5. Burmann, C., & Meffert, M. (2005). Theoretische Grundlagen der identitätsbasierten Marken-
führung. In H. Meffert, C. Burmann, & M. Koers (2005): Markenmanagement – Grundfragen der
identitätsbasierten Markenführung (S. 37–67). Wiesbaden: Gabler.
6. Büttner, M., Huber, F., Regier, S., & Vollhardt, K. (2008). Phänomen Luxusmarke. Gabler:
Wiesbaden.
7. Conzen, P. (1990). E.H. Erikson und die Psychoanalyse, Heidelberg.
8. Dubois, B., & Paternault, C. (1995). Observations: Understanding the World of International
Luxury Brands: The „Dream Formula“. Journal of Advertising Research 35. S. 69–76.
9. Dubois, B. & Laurent, G. (1995). Luxury Prossessions and Practices: An Empirical Scale. European
Advances in Consumer Research 2, S. 69–77.
12 V. König und C. Burmann

10. Dubois, B., Laurent, G., & Czellar, S. (2001). Consumer Rapport to Luxury: Analyzing Com-
plex and Ambivalent Attitudes. Les Cahiers de Recherche 33, S. 1–56. http://www.hec.fr/var/
fre/storage/original/application/5ecca063454eb4ef8227d08506a8673b.pdf. Zugegriffen: 3. März
2012.
11. Horn, K. (2011). Wie wir reich wurden. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen/
wie-wir-reich-wurden/wie-wir-reich-wurden-der-luxus-treibt-die-wirtschaft-an-
11534037.html. Zugegriffen: 12. Dezember 2011.
12. Kapferer, J.-N. (2008). The new strategic brand management. London, Philadelphia, New Delhi:
Kogan Page.
13. Kapferer, J.-N., & Bastien, V. (2009). The Luxury Strategy. Breaking the rules of marketing to build
luxury brands. London, Philadelphia, New Delhi: Kogan Page.
14. KPMG (2009). Herausforderungen im deutschen Luxusmarkt. Studie in Kooperation
mit dem Markenverband. http://www.markenverband.de/publikationen/studien/Luxusmarkt%
202009.pdf. Zugegriffen: 8.2.2012.
15. Lasslop, I. (2005). Identitätsorientierte Führung von Luxusmarken. In H. Meffert, C. Burmann,
& M. Koers (2005): Markenmanagement – Grundfragen der identitätsbasierten Markenführung
(S. 469–491). Wiesbaden: Gabler.
16. Leibenstein, H. (1950). Bandwagon, Snob, and Veblen Effects in the Theory of Consumers’
Demand. Quarterly Journal of Economics 64, 183–207.
17. Markenverband (2012). Verband. http://www.markenverband.de/verband. Zugegriffen: 8. März
2012.
18. Meffert, H., & Burmann, C. (1996). Identitätsbasierte Markenführung – Grundlagen für das
Management von Markenportfolios. Arbeitspapier Nr. 100 der Wissenschaftlichen Gesellschaft
für Marketing und Unternehmensführung e. V. Münster.
19. Meffert, H., Burmann, C., & Koers, M. (2002). Markenmanagement – Grundfragen der
identitätsbasierten Markenführung. Wiesbaden: Gabler.
20. Mühlmann, H. (1975). Luxus und Komfort – Wortgeschichte und Wortvergleich, Bonn.
21. Roland Berger (2009). Ein Gewinner in der Krise. Der Luxusmarkt Deutschland 2009.
http://www.rolandberger.com/media/pdf/Roland_Berger_Luxusmarkt_Deutschland_20100115.
pdf. Zugegriffen: 12 März 2012.
22. Sirgy, M. (1982). Self-Concept in Consumer Behaviour, in: Journal of Consumer Research, Jg. 9
S. 287–300.
23. Veblen, T. (1899). The Theory of the Leisure Class. London.
24. Wyrwa, U. (2003). Luxus und Konsum. Begriffsgeschichtliche Aspekte, in R. Reinhold, & T.
Meyer (2003). Luxus und Konsum. Eine historische Annäherung (S. 47–60). Münster: Waxmann.
Quo vadis globale Luxusmarkenführung – Status,
Trends und Top-Themen für die CMO-Agenda 2
Jörg Meurer und Kilian Manninger

Zusammenfassung
Themen der Luxusmarkenfühung werden in einer Reihe von Studien und wissen-
schaftlichen Beiträgen behandelt. Insgesamt zeigt die Gesamtschau der Studien eine
noch eher unzureichende vor allem wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Luxus-
gütern. Bei den ausgewerteten Veröffentlichungen handelt es sich um drei Kategorien:
übergreifende Markt-, Trend- und Managementstudien, Studien zu Luxuseinstellungen
und -kaufverhalten sowie solche Studien, die besonders relevante Einzelthemen, z. B.
Nachhaltigkeit betreffen.
Aus der Gesamtschau dieser Studien lassen sich insgesamt acht Mega-Trends ableiten,
die die heutige Diskussion rund um das Thema Luxusmarkenführung beherrschen: z. B.
Digitalisierung und Web 2.0, Neues Luxusverständnis (Luxus 2.0), Authentizität und
Regionalität sowie Green Luxury.
Aus der Managementperspektive – sprich der Sicht von CMOs der Luxusmarken-
industrie – lassen sich diese acht Mega-Trends wiederum zu fünf Top-Themen für
die CMO-Agenda verdichten wie z. B. the expansion of the competitive arena oder the
multichannel, multicontent-challenge. Diese sollte heute jeder Marketing- und Vertriebs-
verantwortliche in Luxusunternehmen ganz oben auf seinem Aufgabenzettel stehen
haben.

Dr. Jörg Meurer ()


KEYLENS Management Consultants,
Kaistr. 13, 40221 Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: joerg.meurer@keylens.com
Kilian Manninger
KEYLENS Management Consultants,
Ludwigstr. 8, 80539 München, Deutschland,
E-Mail: kilian.manninger@keylens.com

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 13


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
14 J. Meurer und K. Manninger

2.1 Positionsbestimmung als Ausgangspunkt

2.1.1 Grundlogik und Aufbau der Untersuchung

„China – the Route for Prestige“, so titelte das 13. Annual Prestige Brands Meeting im Mai
2011 in Barcelona. Der Titel dieser von der höchst renommierten IESE-Business School
unter Leitung von Prof. Pedro Nueno, Head of the Bertrand Foundation Chair of Entre-
preneurship, ausgerichteten Top-Veranstaltung für die Luxus-Community ist in zweifacher
Hinsicht bemerkenswert: 1. Die aktuelle Luxus-Diskussion in Europa wird ganz maßgeb-
lich über eine förmliche Eruption der Luxus-Nachfrage in China, Russland und Indien
getrieben und 2. fehlt das Wort „Luxus“ im Titel der Veranstaltung, obwohl es im Kern um
Luxusmarken geht [14].
Schon 2008, im Rahmen des 10. damals noch „Annual Luxury Brand Forum“ in – wo
sonst als in einer der neuen fernöstlichen Luxus-Metropolen – Shanghai, wurde daher die
Frage gestellt, „whether the word „Luxury“ was appropriate or should we talk about prestige
or simply high-end brands“.
Die IESE-Verantwortlichen beantworteten die Frage mit einem Re-Branding: Aus Lu-
xury wurde Prestige! Wo also steht die Luxusmarkenführung gut eine Dekade nach Beginn
eines neuen Jahrtausends? Einem Zeitpunkt, an dem die fortschreitende Globalisierung
der (Luxus-)Märkte vornehmlich in Richtung östlicher Hemisphäre ebenso selbstver-
ständliches Phänomen ist wie eine unentschiedene gesellschaftliche Entwicklung zwischen
Luxus-/Konsum-Kritik einerseits und heranwachsenden Generationen – zumindest im
westlichen Europa – andererseits, für die das Phänomen Krieg in die Geschichtsbücher
gehört und die damit eine ganz andere Grundeinstellung zu Eigentum, wirtschaftlicher
Sicherheit und womöglich auch Luxus haben als die Generationen davor?
Wo also stehen deutsche Luxusunternehmen, wo steht das Phänomen „Luxusmarken-
führung “ im Jahr 2012 – und vor allem: Was sind die wichtigsten Trends und Top-Themen
auf der Agenda von Chief Marketing Officers in Luxusunternehmen? Dazu haben KEYLENS
Management Consultants eine dreistufige Analyse angestellt, deren Aufbau in Abb. 2.1
schematisch dargestellt ist.1
In Schritt 1 wurden über 20 aktuelle Quellen zur Luxusmarkenführung gesichtet und
ausgewertet: Dabei handelte es sich grob um Studien mit Marktforschungshintergrund
und solche, die eher wissenschaftlichen Hintergrund haben. Ferner wurden diejenigen
europäischen Lehrstühle identifiziert, die im Rahmen ihrer Forschung und Lehre einen
Schwerpunkt im Bereich der Luxusmarkenführung vertreten. Zu guter Letzt wurde eine
Synopse der KEYLENS-Beratungsprojekte im Bereich Luxusmarkenführung vorgenom-
men. Aus dieser Gesamtsicht sollten Trends für die Luxusmarkenführung in vier Bereichen
identifiziert werden: Märkte, Kunden, Marken und Produkt/Produktdesign.

1
Die Analyse fand Eingang in die konstituierenden Sitzungen des „Arbeitskreises Luxus- und
Lifestyle-Marken“ im deutschen Markenverband und war Basis für das Agenda-Setting der
Mitgliedsunternehmen.
2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung 15

Top-Themen
Quellen Trends
für CMOs

Marktforschung Märkte
Strategie

Studien Kunden
Markenmanagement

Wissenschaft Marken
Marketing/Vertrieb

Projekte Produktdesign Kundenmanagement

Abb. 2.1 Vorgehen der Untersuchung. (Quelle: KEYLENS Management Consultants)

Aus der Kenntnis dieser zentralen Trends sollten dann wiederum die „key issues“, die
Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Führung von Luxusmarken herausdestilliert werden;
gleichsam als Agenda-Setting für die CMOs von Luxusunternehmen.
Das Vorgehen verstand sich von vornherein und im besten Sinne des Wortes als heu-
ristisch, und zwar insofern, dass keine primäranalytisch-empirische Herangehensweise
(beispielsweise über einen Fragebogen an Top-Manager) gewählt wurde, sondern ein Vor-
gehen, bei dem aus der Analyse vorliegender Studien, ergänzt um Erfahrungswissen aus
Projekten Ergebnisse generiert und dann empirisch in Form von Thesen mit einem Kreis
ausgewählter Top-Führungskräfte aus Luxusunternehmen überprüft wurden.
Abbildung 2.2 zeigt die Gesamtstruktur der Untersuchung im Überblick. Auf Basis
der rund ca. 20 ausgewerteten Studien wurden folgende acht Mega-Trends identifiziert:
Demokratisierung, Digitalisierung im Zeichen des Web 2.0, ein neues Luxus-Verständnis
unter dem Header „Luxus 2.0“, das Segregation-Phänomen, Authentizität, Regionalität,
Green Luxury/Nachhaltigkeit und schließlich Techno-Lux.
Aus diesen acht Trends wurden wiederum die fünf Schlüssel-Faktoren extrahiert, die
heute auf die Agenda jedes Marken- und Marketingverantwortlichen in Luxusunternehmen
gehören und die – im Zeichen globaler Luxus-Märkte – englisch bezeichnet wurden als:

1. The expansion of the competitive arena


2. The globalisation balancing act
3. The multi channel, multi-content-challenge
4. The inno-lux-dilemma
5. The „beauty of shortness“-imperative
16 J. Meurer und K. Manninger

Top-Themen für die CMO-Agenda


Quellen Trends aus KEYLENS-Sicht
Marktforschungsstudien
1
Lovers of Luxury The expansion of the
Typologie des Erfolgs Demokrati- Digitalisierung competitive arena
Deeper Luxury Report sierung Web 2.0
World Wealth Report
Top Level Studien (diverse) 2
Luxury Goods Worldwide The glocalisation
Market Study Neues Luxus- balancing act
Luxumarkt Deutschland verständnis Segregation
Der Markt der Luxusgüter
(Luxus 2.0) 3
Das Wissen um den Wert des
Besonderen The multi channel,
Herausforderungen Luxusmarkt multi content-challenge
Leading Luxury Brands
Wissenschaftliche Studien Authentizität Regionalität
4
Warum Luxus glücklich macht
Wahrnehmung von Luxus The inno-lux-dilemma
Measuring Luxury Value
Perception
Luxus hat eine Persönlichkeit Green Luxury Techno-Lux 5
Luxury brand and country of The “beauty
origin effect of smallness”-imperative
Wich luxury perceptions affect
customer behavior?

Abb. 2.2 Zusammenfassung – Status, Trends und Schlüssel-Faktoren. (Quelle: KEYLENS Manage-
ment Consultants)

2.1.2 Markt-, Trend- und Managementstudien

Metastudien zu Status und Entwicklung der Luxusindustrie werden von global ope-
rierenden Beratungs- und Finanzhäusern, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder auch
politischen Institutionen oder Interessenvertretungen mit Bezug zur Luxusindustrie
herausgegeben. Stellvertretend seien vier Studien genannt und kurz vorgestellt:

• der regelmäßig von Merrill Lynch und Capgemini herausgegebene Word Wealth Report
[5],
• mit Bezug zum deutschen Markt die Studie Herausforderungen im deutschen Luxusmarkt
von KPMG und Markenverband,
• die Luxury goods worldwide market study von Bain & Company aus dem Jahr 2009/2010,
• sowie die Studie Luxury Pearls 2012 von Biesalski & Company.

Der World Wealth Report deckt 71 Länder und damit 98 % des weltweiten BIPs und 99 %
der Marktkapitalisierung der weltweiten Aktienmärkte ab. Ziel ist die Analyse der weltwei-
ten Entwicklung der Vermögenssituation und insbesondere des Investitionsverhaltens der
(Super-)Reichen, der sog. „High Net Worth Individuals (HNWIs)“. 2010, gut ein Jahr nach
der Lehmann-Pleite, zeigte sich als weltweiter Trend, dass HNWIs den Kauf bestimmter Lu-
xusgüter (Autos, Yachten, Kunst, Schmuck) als sog. „Passion Investment“ betrachten. Der
Fokus liegt hier auf Passion Investments mit langfristig stabilem oder steigendem Wert (sog.
2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung 17

„Investor-Collectors“). Hierbei werden regelrechte Luxus-Sammlungen aufgebaut (30 %


der Budgets für Passion Investments in 2009).
So versteigerte im März 2012 das US-Auktionshaus Gooding & Company 17 Porsche-
Rennfahrzeuge der legendären Sammlung des 2010 verstorbenen Matthew Clayton
Drendel, Rennfahrer und erfolgreicher Telekom-Unternehmer. Das teuerste Fahrzeug war
mit 3,25 bis 4 Mio. Dollar taxiert, fünf weitere jenseits der Millionen-Grenze. 2011 hatte
Gooding & Company einen Ferrari 250 Testa Rossa zum Rekordpreis von 16 Mio. Dollar
versteigern können – Rekordtaxierungen, die nicht zuletzt deshalb möglich werden, weil
immer mehr Interessenten für derartige Unikate in Russland, dem arabischen Raum, China
und mittlerweile auch Indien zu finden sind.
Einen wesentlich begrenzteren regionalen Fokus hat demgegenüber die
KPMG/Markenverbands-Studie Herausforderungen im deutschen Luxusmarkt aus
dem Jahr 2008 [10]. Methodisch als umfassende quantitative und qualitative Befragung
aufgelegt, hat die Studie die Identifikation von Trends in der Luxusgüterindustrie sowie
die Untersuchung der aktuellen Wahrnehmung und Einstellung der Konsumenten
gegenüber Luxusmarken zum Ziel. Dazu wurden 3.000 Personen repräsentativ befragt
(inkl. Fokusgruppengesprächen sowie Tiefeninterviews mit Top-Entscheidern aus Luxus-
güterunternehmen), eine für den Bereich Luxusmarkenführung ganz ungewöhnlich große
Stichprobe!
Die Studie fördert verschiedene interessante Trends und Entwicklungen zu Tage: Zum
einen arbeitet die Studie die besondere Erlebnisdimension des Kaufs von Luxusgütern
heraus. Zum anderen werden mehrere neue Herausforderungen identifiziert:

• Die Bewahrung von Exklusivität trotz Demokratisierung von Luxus


• Glaubwürdige Kommunikation von Nachhaltigkeit
• Potenzial bei der Erschließung von Bekanntheits- und Sympathiewerten

Zudem werden mit Blick auf das Verhalten von Luxuskunden zwei Luxus-Kundentypen
abgegrenzt: Luxuseinsteiger und Luxusetablierte. Diese machen – so empirisches Studiener-
gebnis – immerhin 25% der bundesdeutschen Bevölkerung aus. Dies korrespondiert mit
der ersten oben genannten Herausforderung, die im Kern die Öffnung der Luxusmärkte
zur Mitte (downgrading) bzw. das Streben der oberen Mitte in Richtung Premium/Luxus
(upgrading) beinhaltet.
Ebenfalls auf die Identifikation langfristiger, übergreifender Entwicklungen und Trends
der Luxusgüterindustrie zielt die Luxury goods worldwide market study von Bain & Com-
pany. Die Beratungsgesellschaft gelangt dabei mit Nachhaltigkeit, Digitalisierung, einem
sich verändernden Luxus-Kauferlebnis sowie der nach wie vor hohen Bedeutung des Preis-
Leistungs-Verhältnisses zu vier langfristigen Kerntrends, die länder- und produktkategorie
übergreifend gelten.
Einen ganz anderen Untersuchungsansatz wählen demgegenüber Biesalski & Company
[4]. Unter dem Titel Luxury Pearls 2012 untersuchen sie für den deutschen Markt Unter-
nehmen, die „aufgrund ihrer hohen Preisstellung im Luxusbereich eingeordnet werden,
18 J. Meurer und K. Manninger

in der breiten Bevölkerung jedoch weitgehend unbekannt sind. Ergebnis sind 20 deutsche
„Luxury Pearl-Unternehmen“ – vergleichbar in etwa der „Hidden-Champion-Idee“.
Dabei „distanzieren sich die deutschen ,Luxury Pearls‘ vom klassischen Luxus-Begriff,
der in erster Linie durch ,Nicht-Notwendigkeit‘ und ,Opulenz‘ geprägt ist. Stattdessen sind
sie davon überzeugt, „einen erlebbaren Mehrwert zu liefern, der die Lebensqualität spürbar
verbessert“, so ein Kernergebnis der Studie, die im Weiteren vor allem die Markenidentität
bzw. Substanz hinter den betreffenden Unternehmen analysiert. Hier gelangen die Auto-
ren zu dem Ergebnis, dass gestaltende Unternehmerpersönlichkeiten, Bodenständigkeit,
Authentizität und ein absolutes Commitment zu höchster Qualität zentrale Treiber der
identifizierten Luxury Pearl-Unternehmen sind.

2.1.3 Studien zu Luxuseinstellungen und -kaufverhalten

Die weitaus meisten Studien zum Thema Luxusmarkenführung sind in die Kategorie
„Kaufverhaltensstudien“ einzuordnen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, ist Luxus doch
vor allem ein Konsum-Phänomen und der Luxus-Käufer ein schillerndes, faszinierendes,
beneidetes und bisweilen auch sozial geächtetes Phänomen.
Kennzeichnend für Herausforderung, Ansatz und Problematik dieser Studien ist die Ty-
pologie des Erfolgs des etablierten Sinus Sociovision-Instituts in Heidelberg [18]. Im Auftrag
der HypoVereinsbank entsteht auf Basis einer mit 58 (!) Interviews überaus kleinen Stich-
probe und im Rahmen von Gruppenworkshops und Einzelinterviews eine bemerkenswerte
Typologie mit sechs unterschiedlichen Luxus-Lebensstilen: Demnach besteht die deutsche
(Vermögens-)Oberschicht2 aus den folgenden sechs Milieus:

• Konservative Vermögende
• Statusorientierte Vermögende
• Etablierte Vermögende
• Liberal-intellektuelle Vermögende
• Konventionelle Vermögende
• Neuer vermögender Nachwuchs

Zentral ist dabei ferner das Ergebnis, wonach sich die Differenzierung der Milieus vor allem
durch unterschiedliche Wertvorstellungen und Lebensstile ergibt. Eine bemerkenswerte Er-
kenntnis, besagt sie doch, dass es nicht den Luxuskunden gibt, sondern eine Typologie der
Luxuskäufer kaum weniger differenziert ist als die für die sog. breite Masse von Konsumen-
ten. Dabei deutet sich inhaltlich an, was an anderer Stelle noch zu vertiefen sein wird: Neben
die klassischen Reichen tritt ein neuer Typus (hier der neue vermögende Nachwuchs). Old
Luxury wird durch ein New Luxury-Segment erweitert! (Abb. 2.3)

2
Befragt wurden Personen mit einem Vermögen von mehr als 1 Mio. €.
2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung 19

Typologie des Erfolges

Logo!

Status-
orientierte Der
Reiche neue reiche
Nachwuchs

Konservative Etablierte Reiche


Reiche

Reicher
Mainstream Liberal intellektuelle
Reiche

No Logo!

A B C
Traditionelle Werte Modernisierung Neuorientierung
Pflichterfüllung, Individualisierung, Multi-Optionalität,
Ordnung Selbstverwirklichung, Experimentierfreude,
Genuss Leben in Paradoxien

Abb. 2.3 Typologie des Erfolgs nach Sinus Sociostyles. (Quelle: http://www.manager-
magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,581969,00.html; Sinus Sociavision)

Ein weiteres Merkmal der Studie ist bemerkenswert: Die Typologie entstand auf
Basis von nur 58 Interviews und zeigt damit eindrucksvoll die Problematik von Luxus-
Marktforschungsstudien auf: Die Notwendigkeit, aus faktischen oder finanziellen Gegeben-
heiten oft mit sehr kleinen, z. T. unterkritischen Stichprobengrößen arbeiten zu müssen.
Sehr ähnlich vom Untersuchungsdesign, allerdings mit anderem Studienansatz, ver-
fährt Trommsdorff in seiner Studie Luxus hat Persönlichkeit von 2010 [12]. Auch hier
wird wiederum mit einer sehr kleinen Stichprobe gearbeitet: 31 Vermögens-Millionäre in
Berlin und Köln.3 Ziel der Studie ist nicht eine Käufersegmentierung sondern eine Klassi-
fizierung von Luxusmarken anhand von archetypischen Persönlichkeitsmerkmalen – dies
mit der Hypothese, dass diese Marken-Persönlichkeitsmerkmale letztlich auch für deren
Käufer gelten, suchen und kaufen jene doch letztlich identitäts-affine Luxusmarken, quasi
„Gleichgesinnte“ (vgl. Abb. 2.4).
Im Ergebnis gelangt die Untersuchung zu fünf Persönlichkeitsmerkmalen, hinter denen
jeweils eine polare Merkmalsausprägung steht: Modernity (Beispiel: Ausprägung von
„traditional“ bis „modern“), Eccentricity, Opulence, Elitism, Strength. Luxusmarken
können grundsätzlich mehrere Persönlichkeitsmerkmale auf sich vereinigen, oft sind

3
Ergänzt wird diese Primärerhebung durch 20 Interviews mit Young Professionals sowie 60
Konsumenten-Interviews zur vertiefenden Analyse von Werbeanzeigen.
20 J. Meurer und K. Manninger

The five Dimensions of the Luxury Brand Personality

Luxury Brand Personality

Modernity Eccentricity Opulence Elitism Strength

The temporal The level of The level of The level of The level of
perspective of discrepancy conspicuousness status and social toughness and
a brand from social of the symbols differentiation masculinity
norms and of wealth
expectations

Traditional Decent Discreet Democratic Soft


VS. VS. VS. VS. VS.
Modern Eccentric Opulent Elitist Strong

Abb. 2.4 Persönlichkeitsmerkmale von Luxusmarken nach Trommsdorff. (Quelle: [12].


Auch Luxus hat eine Persönlichkeit. URL http://www.uni-protokolle.de/ nachrichten/id/192390/
Überprüfungsdatum: 02.04.2012)

sie jedoch stark auf ein Merkmal hin positioniert. Beispielhaft seien hier die Marken
HUGO BOSS und Jean-Paul Gaultier genannt. Erstere steht – schon semantisch – für
Stärke, letztere für „weich, soft“, drückt sie doch gerade das Gegenteil von traditioneller
Maskulinität und „toughness“ aus.
Einen deutlich breiteren Untersuchungsansatz wählt das IfD Allensbacher mit der be-
reits aus 2006 stammenden Studie Top Level Konsumfreude 2006 [13]. Dabei wird nicht
eine engere Zielgruppe von „Reichen“, sondern die Top 25-Prozent der bundesdeut-
schen Bevölkerung befragt (Stichprobe: 4.195 Personen zwischen 18 und 64 Jahren, die
einkommensmäßig zu den obersten 25% gehören; dies entspricht 12,7 Mio. Personen).
Analysiert wird das allgemeine Konsumverhalten dieser Zielgruppe – mit interessanten
Ergebnissen und Schlussfolgerungen für die Luxusmarkenführung. So stellt sich heraus,
dass die Relevanz von Leistungsbelohnung und Selbstverwirklichung als Hauptkaufmo-
tive zunehmen. Insgesamt, so die Allensbach-Studie, werden die Konsummotivationen
facettenreicher, was einhergeht mit der oben festgestellten Ausdifferenzierung von Luxus-
zielgruppen. Das Phänomen Luxuskäufer ist wesentlich vielschichtiger als möglicherweise
erwartet, Segmentierung und fundierte Customer Insights sind unverzichtbar!
Auch betont die Studie die Wichtigkeit von „value for money“ für Luxusprodukte –
Luxus bedeutet eben nicht sinnlose Verschwendung, sondern das Bewusstsein, viel Geld für
besondere Qualität auszugeben. Ein deutliches Preispremium erfordert insofern eben auch
2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung 21

ein deutliches Qualitäts-Premium. Dies gilt im Übrigen auch z. B. für typische Rolly Royce-
Käufer. Trotz durchschnittlicher verfügbarer liquider Mittel von 50 Mio. € (!) sind beim
Kauf eines Autos im Wert von 40.000 € nicht die Gesetzmäßigkeiten von „value for money“
außer Kraft gesetzt, sondern funktionieren ähnlich wie bei einem Mittelklassefahrzeug.
Es lassen sich einige weitere Studien anführen, die allesamt das Kaufverhalten von
Luxuskäufern im Fokus haben. Sie unterscheiden sich vor allem darin, wie eng sie die
Luxuszielgruppe definieren und ob sie im Kern auf eine Segmentierung/Typologisierung
ausgerichtet sind oder vielmehr Einstellungen zu und Kaufverhalten bei Luxusgütern
untersuchen.
Daher sei an dieser Stelle mit Luxury Lovers von Microsoft Advertising eine letzte Stu-
die angeführt, die bereits die Brücke zu den folgenden, spezialisierten Studienansätzen
schlägt, thematisiert diese doch ein zentrales aktuelles Element des Luxuskaufverhaltens:
die Nutzung der digitalen Medien durch die Sign Luxury Lovers [6].
Die Autoren der Studie unterstellen durchaus die Möglichkeit einer „Collision of
Passions“ zwischen Luxusgütern und digitalen Medien, lösen diese aber in Richtung ei-
ner ausgesprochenen positiven Korrelation auf. „Luxury lives online“ heißt die simple
Erkenntnis gestützt durch klare quantitative Belege: Von den 1.929 befragten Luxury Lovers

• haben 50% online nach Luxus-Produkten/Marken gesucht oder diese sogar bestellt,
• erhalten 23% regelmäßig Informationen von Luxusmarken oder Händlern,
• kommunizieren immerhin 51% der Befragten regelmäßig mit Freunden und Bekannten
über Luxusprodukte und -marken.

Die Autoren schließen mit vier zentralen Erfolgsfaktoren, die den „digital approach“ von
Luxusmarken ermöglichen:

• Indulgence, exclusivity, status & quality


• An integrated physical and digital brand experience
• Reinforce and build from the offline campaign
• Fully explore the boundaries of digital marketing solutions

2.1.4 Studien zu ,,hot issues‘‘ und Einzelthemen

Die dritte und letzte Kategorie von Studien befasst sich mit Einzelthemen, die in der
aktuellen Diskussion um die Führung von Luxusmarken besondere Bedeutung einnehmen.
Dabei wohl wichtigste Themen in den letzten 2 bis 3 Jahren sind – wie zuletzt schon mit
Luxury Lovers angedeutet – Digital Luxury und Nachhaltigkeit in der Luxusmarkenführung.
Digital Luxury steht im Mittelpunkt der Studie Das Wissen um den Wert des Beson-
deren von Axel Springer und Carat [2]. Ziele der Untersuchung sind die Analyse der
Motive von Nutzern von Luxus-Websites und Markenportalen sowie eine Typologisierung
der Zielgruppe. Die Studie gelangt zunächst zu dem Ergebnis, dass Nutzer zunehmend
22 J. Meurer und K. Manninger

Inspiration und Unterhaltung auf den Luxus-Websites und Markenportalen erwarten. Al-
lerdings diagnostizieren die Autoren auch, dass Marketing-Entscheider die Notwendigkeit
des Kauferlebnisses beim Online-Kauf noch unterschätzen.
Ferner gelingt es, fünf unterschiedliche digitale Luxuszielgruppen zu identifizieren:

• Hochwertige Shopper setzen auf Qualität und Wert


• Luxus-Fans sind statusorientiert
• Zeitvertreiber mögen es stilvoll und elegant
• Ideensammler suchen das Einzigartige zum Ausdruck ihrer Individualität sowie
• Zaungäste lieben den Glamour und fürchten den Preis

Der Deeper Luxury Support des WWF aus dem Jahr 2007 beschäftigt sich dagegen kritisch
mit dem Status quo und den Potentialen des Nachhaltigkeits-Phänomens in der Luxusin-
dustrie [3]. Dabei wird ein Ranking der zehn größten weltweiten Luxuskonzerne (Bulgari,
Coach, Hermès, L’Oréal, LVMH, PPR, Compagnie Fincancière Richemont, The Swatch
Group, Tiffany&Co, Tods) gemäß ihrer ESG (Environmental, social and governance per-
formance) erarbeitet. Das Ranking basiert auf unternehmenseigenen Veröffentlichungen
sowie Berichten aus den Medien und staatlich-unabhängigen Organisationen zu Themen
der Nachhaltigkeit und Ethik.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit global zu-
nimmt – und offensichtlich mehr ist als eine temporäre Modeerscheinung. Allerdings,
so weiteres Kernergebnis der Studie, integrieren Hersteller von Luxusgütern/-marken
Nachhaltigkeit heute noch unzureichend in ihre Strategien und Geschäftsmodelle. So er-
zielten die untersuchten Luxusunternehmen höchstens durchschnittliche Bewertungen in
ESG-Performance.
Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kommt schließlich die Green Luxury-Studie von
KEYLENS Management Consultants aus 2010 (vgl. dazu den entsprechenden Beitrag von
Halaszovich/Meurer in Kapitel 3 dieses Buches). Versucht man eine Gesamtwürdigung der
verfügbaren Forschungsarbeiten und Studien zur Luxusmarkenführung vorzunehmen, so
erscheint deren Anzahl und Differenziertheit angesichts weniger der faktischen, sondern
vielmehr der subjektiven Bedeutung der Kategorie eher gering. Dies ist der Fall, da zumal
Luxusmarken eine ganze Reihe spezifischer Merkmale und Herausforderungen inne wohnt,
die sehr wohl eine dezidierte wissenschaftliche Auseinandersetzung lohnenswert erscheinen
lassen.

2.2 Quo vadis Luxusmarkenmanagement – Trends und Top-Themen


für die CMO-Agenda

Die Gesamtschau der wichtigsten Veröffentlichungen zur Luxusmarkenführung vermittelt


ein präzises Bild über die wichtigsten Entwicklungen und Trends, denen sich die Branche
aktuell gegenübergestellt sieht. Flankiert durch Expertengespräche und Erfahrungen aus
2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung 23

abgeschlossenen und laufenden Beratungsprojekten für Luxusmarken wurden in einem


anschließenden Verdichtungs-Prozess acht Luxus-Trends und fünf Top-Themen für die
Agenda von Chief Marketing Officers der Luxusindustrie abgeleitet.

2.2.1 Mega-Trends für die Luxusmarkenführung

Bei den acht Mega-Trends für die Luxusmarkenführung handelt es sich um:

1. Demokratisierung
2. Digitalisierung und Web 2.0
3. Neues Luxusverständnis (Luxus 2.0)
4. Segregation
5. Authentizität
6. Regionalität
7. Green Luxury
8. Techno-Lux

Demokratisierung ist ein Mega-Trend, der maßgeblich durch die Öffnung von Luxus-
marken gegenüber mittleren, für Normalbürger erschwinglichen Preislagen getrieben ist.
So wendet sich Haute Couture-Modeschöpfer Karl Lagerfeld mit seiner neuen Marke KARL
mit elitärer und gleichzeitig erschwinglicher Mode für die Massen – vertrieben zunächst
rein über den Online-Kanal NET-A-PORTER (vgl. Abb. 2.4) [11]. Louis Vuitton musste
2010 [1] bereits vor dem Weihnachtsgeschäft Ware rationieren und die Öffnungszeiten von
Filialen verkürzen wegen eines nicht vorhergesehenen Nachfragebooms (was möglicher-
weise auch ein geschickter PR-Schachzug war). Und Hugo Boss schließlich vertreibt unter
seiner Marke längst mehr als Mode, sondern diversifiziert beispielsweise in die Kategorie
Schmuck.
Luxusmarken produzieren längst mehr als „nur Luxus“, sie nutzen Image und Aura,
um „Menge zu machen“ und Wachstum über das Angebot von günstigeren oder auch ver-
wandten Produkten unter ihrer Marke zu forcieren. Die Ursachen für diesen Trend mögen
nachfrage-indiziert sein (gerade in Asien boomen teure Accessoires von Luxus-Marken wie
Louis Vuitton, für die China z. B. heute schon wichtigster weltweiter Absatzmarkt ist! [19]),
mit einiger Sicherheit ist der Demokratisierungstrend aber auch angebotsinduziert. Die
Luxus-Küchenmarke Poggenpohl z. B. öffnet sich unter neuer Geschäftsführung ganz be-
wusst strategisch zur oberen Mitte, um neue Käuferschichten zu erreichen und damit das
Wachstum zu forcieren. Der Grund dafür: Ein shareholder-value getriebener schwedischer
Nobia-Konzern, der als Eigentümer die Marke aus ihrer Premium- und Luxusposition in
Richtung mittlerer Preislagen positionieren möchte – mit entsprechend negativen Folgen
für die Marke [8].
24 J. Meurer und K. Manninger

Demokratisierung einer Luxusmarke in Sachen eines gezielten „down grading“ ist inso-
fern ein reizvoller, aber auch gefährlicher strategischer Schritt. Wichtige, in diesem Kontext
relevante Fragen sind:

• Wo fängt Luxus eigentlich an – wo liegt die Abgrenzung zu Premium und oberer Mitte?
• Wie weit kann sich eine Luxusmarke im Massensegment bewegen?
• Wie viel Produktdiversifikation verträgt eine Luxusmarke?
• Wie identifiziert man die konsumtreibenden Markenwerte und Produkteigenschaften?

Zweiter Megatrend ist die Digitalisierung der Luxusmarkenführung in Zeiten des Web 2.0.
Die Luxus-Wäschefirma Victorias Secret hatte 2010 bereits unglaubliche 3,7 Mio. Fans auf
Facebook. Ende März 2010, ca. zwei Jahre später, sind es 18,1 Mio.! [9] Luxusmarken haben
erkannt, dass die digitalen Medien eine große Chance bedeuten – die freilich mit Bedacht
anzugehen ist, denn 18,1 Mio. Fans können nicht vorbehaltlos als positiv angesehen werden,
ohne zu wissen, welches Zielgruppenprofil hinter der Fan-Community steckt.
Luxus-Ikonen wie Louis Vuitton machen jedoch längst vor, wie man Stil, Anspruch und
Exklusivität auch ins Internet übersetzen kann. The Journey zeigt digital inszenierte Reisen
an magische Orte, z. B. Angelina Jolie in Kambodscha – oder als digitale Journey in die
Geheimnisse des digitalen Zeitalters: und dies aus Sicht einer Luxusmarke (vgl. Abb. 2.5,
2.6) [15].
Wichtiger Teil des digitalen Trends ist auch das immer stärkere Vordringen von Online-
Vertriebskanälen. Das Luxus-Portal Vente Privée, das sich als mehr oder weniger exklusive
Luxus-Community versteht und täglich zeitlich begrenzte Marken-Angebote an seine Mit-
glieder kommuniziert, oder Net A Porter für Luxusmode sind nur zwei Beispiele für intensive
E-Commerce-Aktivitäten rund um eine Branche, in der ein exklusiver und oft diskreter Ver-
trieb prägend war. Hier ändern sich also gerade massiv Branchengesetzmäßigkeiten und
revolutionieren die Luxusmärkte.
Wichtige Fragen im Zusammenhang mit dem digitalen Trend aus der Sicht von
Luxusmarkenverantwortlichen lauten:

• Zu welchem Grad sollte eine Luxusmarke im Internet aktiv sein?


• Wie lässt sich die Darstellung der Marke im Internet kontrollieren?
• Wie schafft man kontinuierlichen und echten Mehrwert für den Kunden im Internet?
• Wie ist der Exklusivitätsgedanke mit dem öffentlichen Verkauf im Internet vereinbar?
• Wie kann man das Spannungsfeld zwischen Direkt-Verkauf im Internet und stationären
Vertrieb auflösen?

Der digitale Trend ist eng verbunden mit dem dritten Mega-Trend: Luxus 2.0, einem neuen,
erweiterten Luxusverständnis. Im Kern bedeutet dieser Trend, dass neben das klassische,
etablierte Luxus-Verständnis eine zweite, sich dynamisch entwickelnde Auffassung von
Luxus tritt. Ist das klassische Luxusverständnis status- und besitzorientiert, so ist das neue
Luxusverständnis vom Erlebnis her kommend. Entstammt das klassische Luxusverständnis
2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung 25

Abb. 2.5 Moodboard Carl Lagerfeld. (Quelle: www.pariscomlight.com)

eher einem bewahrenden, konservativen Weltbild, so hat New Luxury seine Wurzel in der
Postmoderne und einem stärker subjektivistischen Weltbild, in dem der (Luxus-)Kunde
Befriedigung eher im Sein als im Haben findet.
Ursache für diese evolutorische Entwicklung des Luxus-Verständnisses ist eine gesell-
schaftliche Verschiebung von Milieus – mit der Konsequenz, dass es nicht mehr „den
typischen Luxuskäufer“ gibt (vgl. dazu ausführlich den Beitrag The Luxury Universe in
Kap. 3 dieses Buches).
Ein weiterer zentraler Trend bezieht sich auf gesellschaftliche Veränderungen, die ih-
rerseits wiederum Luxusmärkte beeinflussen: das Phänomen der Segregation, d. h. der
zunehmenden Abgrenzung von Menschen sozialer Milieus von Menschen anderer Milieus.
In den USA als „neighborhoods“ längst bekannte Erscheinung, schreitet diese auch in Eu-
ropa voran. Für Luxusmarken bedeutet dies – quasi als Gegentrend zur Demokratisierung
– Ab- und Ausgrenzung und Exklusivität. Der „China Club Adlon“ in Berlin oder der „Bil-
lionaire Club“ von Flavio Briatore auf Sardinien [17] ebenso wie der Boom sog. Luxus-
oder Millionärsmessen sind Indikatoren dafür, dass Luxus längst nicht nur unter Demo-
kratisierung „leidet“, sondern die Kunst des „unter sich seins und bleibens“ durchaus und
möglicherweise besser denn je beherrscht.
26 J. Meurer und K. Manninger

Abb. 2.6 Angelina Jolie-Kampagne von Louis Vuitton. (www.louisvuitton.com)

Authentizität und Regionalität, die Trends Nr. 5 und 6, stehen in Verbindung zu dem,
was den Ursprung vieler Luxusmarken ausmacht: nicht die Aura einer schillernden Luxus-
welt, sondern Echtheit, die vortreffliche Qualität, Sorgfalt und Liebe zum Detail, die dem
alten Manufakturs-Gedanken innewohnt. Es scheint sich hier durchaus um nachvollzieh-
bare Gegenentwicklungen zur Globalisierung vieler Luxusmarken zu handeln. Je globaler
die Präsenz einer Luxusmarke wird, desto wichtiger die Frage nach ihren Wurzeln, ihrer
Herkunft, ihrer Identität per se. Insofern ist Authentizität oft aufs Engste verbunden mit
Regionalität, einem Verwurzeltsein in der handwerklichen Tradition eines Landstrichs bzw.
der Auswahl von Zutaten und Materialien mit genau spezifizierter, weil wichtiger Her-
kunft: Luxusküchen aus Ostwestfalen, feinstes Porzellan aus Meissen oder Luxusuhren aus
Glashütte.
Nomos gibt ein anschauliches Beispiel für Authentizität und Regionalität – für das
Verbundensein mit der Stadt Glashütte als Unternehmensstandort, aber auch der hand-
verlesenen, regionalen Auswahl von Rohmaterialien. So heißt es auf der Website des
Unternehmens:
Glashütte als Herkunftsbezeichnung für Uhren ist geschützt, [. . . ]. Dafür zu sorgen,
dass dies so bleibt, dass Glashütte ein Qualitätsversprechen bleibt in der Welt der feinen
Uhren, ist NOMOS wichtig.
Die Regeln sind streng: Nicht jeder darf, nur weil er etwa vor Ort eine Firma hat oder
weil vielleicht er selbst Glashütter ist, seine Uhren mit dem Namen „Glashütte“ versehen.
Bedingung dafür, eine Uhr als eine „Glashütter Uhr“ verkaufen zu dürfen, ist, dass min-
destens 50% der Wertschöpfung am Kaliber in Glashütte geschehen: Kauft ein Hersteller
2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung 27

Teile für 100 € außerhalb ein, so muss er Arbeiten im Wert von mindestens 100 € in Glas-
hütte verrichten. Allerdings ist es hier ansässigen Herstellern durchaus erlaubt, einzelne
Teile (etwa Armbänder, Schließen oder Werkteile) von Zulieferern außerhalb Glashüttes zu
beziehen. Denn durch die Bank alle Materialien selbst herzustellen, ist gar nicht möglich.
Und über das Rohmaterial für die Armbänder:
Glänzende Budapester, Gürtel, Bänder mechanischer Armbanduhren: Das feinste Leder
für all das kommt aus Chicago – aus der Horween Leather Company. Dort fertigt man die
wohl exklusivsten Pferdehäute der Welt, das Shell Cordovan.
Dieses Shell wird nicht einfach aus der Haut von Pferden gewonnen, sondern nur aus
einem kleinen Teil davon. Auf den Hinterbacken aller Equiden gibt es eine nierenförmige
Fläche, an der die Haut verdickt ist. Zum Schutz, weil die Tiere dort weder mit den Zähnen
noch mit dem Schwanz hinkommen, um etwa Fliegen abzuwehren.
Nur aus diesem Stückchen also, nur knapp einem Achtel der Haut, wird Shell Cordovan.
Aus dem überwiegenden Rest näht man Taschen oder Jacken, die heiß ersehnte Qualität
aber hat eben nur das Shell. Das Leder, von dessen Innenseite genommen, ist besonders
feinporig, glatt und dicht wie kein anderes, es glänzt und ist schier unverwüstlich.
Quelle: http://www.nomos-glashuette.com
Für Luxusmarken steckt in diesen beiden Trends Chance und Verpflichtung zugleich.
Folgende Kernfragen sind aus Markensicht relevant:

• Wie kann man für Tradition und Handwerkskunst stehen, ohne dabei altmodisch und
verstaubt zu wirken?
• Wie vereinbart man traditionelle Werte mit modernem, global ausgerichtetem Luxus?
• Wie stark muss eine globale Marke auf regionale Gesichtspunkte achten und was bleibt
dann der kleinste gemeinsame Nenner?
• Was ist das richtige Verhältnis von regionaler und nationaler/globaler Markenkommu-
nikation?

Siebter Mega-Trend, dies wurde oben bereits bei der Gesamtschau verfügbarer Studien
deutlich, ist das Thema Green Luxury oder Nachhaltigkeit. Ob Eco-Fashion, hochwertige
Designermode auf Basis natürlicher Materialien, aktives soziales Engagement von Luxus-
marken wie Tiffany, Rolex oder Estée Lauder oder das Entstehen von Öko-Zertifikaten wie
die Luxury Eco Stamp [16]: Green Luxury ist Mega-Trend und dürfte definitiv mehr sein
als nur Lippenbekenntnis der Industrie und soziale Erwünschtheit im Antwortverhalten
von Luxuskäufern (vgl. Beitrag Green Luxury von Halaszovich/Meurer in diesem Buch).
Achter und letzter identifizierter Luxus-Trend ist Techno-Lux. Technische Innovationen
und Gadgets erhalten den Status von luxus-ähnlichen Statusprodukten und -symbolen, al-
len voran sicher die i-Mania durch den beispiellosen Erfolg von Apple in den letzten Jahren.
„Is Apple the ultimate Luxury Brand“, fragt das Online-Portal VicBrand [7]; oder Top-
Mode-Label Prada, das eine Markenlizenz an LG für die Fertigung exklusiver Prada-Handys
vergibt. Technologisierung und Luxus sind längst zwei hoch-konvergente Entwicklungen
28 J. Meurer und K. Manninger

geworden, aus denen ganz eigene Chancen aber auch Risiken für die Luxusmarkenführung
entstehen.

2.2.2 Die Top 5-Themen für die CMO-Agenda – Schlüsselfaktoren der


Luxusmarkenführung

Welche Implikationen haben diese acht Mega-Trends für Luxusmarken und diejeni-
gen, die ihre Vermarktung verantworten, die Chief Marketing Officers (CMOs)? Aus
KEYLENS-Sicht ergeben sich fünf Top-Themen, die als Schlüsselfaktoren für die erfolg-
reiche Vermarktung von Luxus-Marken in den kommenden Jahren angesehen werden
können.

Top-Thema 1: The Expansion of the competitive arena Dieser Schlüsselfaktor umfasst meh-
rere Entwicklungen, die für eine Ausweitung der relevanten Märkte für Luxusmarken-
Hersteller verantwortlich zeichnen: Globalisierung der Luxusmärkte, vor allem das rasante
Wachstum auf der arabischen Halbinsel und in Asien, die Entstehung des New Luxury Seg-
ments sowie die Demokratisierung von Luxus zwischen Luxusmärkten und Pemium/oberer
Mitte.
Kernfragen für CMOs angesichts dieser hochspannenden und gleichzeitig komplexen
Entwicklung:

• Wie gehen Luxusunternehmen mit der vertikalen Ausdifferenzierung von Luxusmärkten


in Einstiegsluxus, gehobenen Luxus und „unendlichen“ Luxus um?
• Wie erreichen Marktführer die nächste S-Kurve, wenn Unternehmen aus der oberen
Mitte in den Premium-/Luxusmarkt drängen?
• Wie sieht eine sinnvolle Abgrenzung von Luxus- und Premiummarkt aus? Welche
Relevanz hat diese für Markenführung und Vermarktung?
• Welche Antwort haben Luxusunternehmen auf die horizontale Ausdifferenzierung von
Luxusmärkten, insbesondere die Dualität von „old“ und „new luxury“?
• Wie manage ich Luxusmarken bei z. T. heterogenen Zielgruppenstrukturen und Markt-
lebenszyklen in verschiedenen internationalen Märkten? Wie viel Standardisierung, wie
viel Differenzierung bedeutet das für Markenführung und Marketing?
• Welche Ertragspotenziale liegen in einer Optimierung des Pricings?

Top-Thema 2: The globalisation balancing act Auch dieser Schlüsselfaktor umfasst mehrere
der o. g. Trends und adressiert im Kern die Gratwanderung zwischen globaler Marken-
führung und lokaler Identität – letztere oft auch durch regional und lokal verwurzelte
Mitarbeiter und eine durchaus „enge“ Unternehmenskultur geprägt, die wiederum Pro-
dukte hervor bringt, deren Vermarktung an globale Zielgruppen eine weltweite Präsenz
erfordert. Welche Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang an CMOs?
2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung 29

• Wie managen Luxusunternehmen den Spagat zwischen oft provinzieller Heritage und
„global Player-tum“?
• Welche Chance für Inszenierung und Authentizität liegen in diesem Spannungsfeld?
• Was bedeutet dieser Spagat für das Internal Branding, was für Personalauswahl und
-management?

Top-Thema 3: The multi channel, multi content-challenge Top-Thema 3 adressiert eine


der derzeit vielleicht größten Herausforderungen für Luxusunternehmen überhaupt. Über
Jahrzehnte extrem kontrolliert und exklusiv vermarktet bedeutet das digitale Zeitalter ei-
ne rasante Erweiterung der Kundenzugänge, und zwar für Kommunikation und Vertrieb
gleichermaßen. Der großen Chance, neue Zielgruppen erstmals oder Bestandskunden ef-
fizienter zu erreichen steht der Kontrollverlust der Online- und Mobile-Kanäle gegenüber.
Kernfragen für CMOs:

• Welche Chance liegt darin, sich vom klassischen One-Way-Kommunikationsansatz zu


echter Dialogorientierung zu entwickeln?
• Wie übersetze ich die Attract-Engage-Evangelize-Logik in Luxus-Web 2.0-Aktivitäten?
Wie schaffe ich authentischen Dialog, wie laterale Kommunikation? Brauchen Luxus-
marken das überhaupt?
• Wie nutze ich die Marken-Aura von Luxusmarken und deren Content-/Storytelling-
Potenzial in den Social Media?
• Wie schaffe ich einen erstklassigen Multi-Channel-Dialog zwischen eigenen Outlets,
Händlern, Premium-Call-Centern und Website/sozialen Medien?
• Wie inszeniere ich Luxus im Web, auf iPad etc.? Wie transportiere ich die Aura einer
Luxusmarke wirksam virtuell?

Top-Thema 4: The inno-lux-dilemma Das inno-lux-dilemma umschreibt den Umstand,


dass die über lange Zeit über eine geringe bis allesfalls mittlere Innovationsdynamik
gekennzeichnete Luxusgüterindustrie nunmehr mit deutlich mehr Innovationstreibern
konfrontiert wird. Kernfragen dazu sind:

• Wie gehen Luxusunternehmen damit um, dass die Zahl der Innovationstreiber
deutlich zugenommen hat: vertikale und horizontale Marktdifferenzierung, Techno-
Lux-Innovationen und z. T. konträre Nachfrageentwicklungen wie Green Luxury?
• Ist Green Luxury eine wirklich substanzielle und nachhaltige Entwicklung – oder nur ein
weiterer Beleg für sozial erwünschtes Antwortverhalten?
• Welche Konsequenzen hat das veränderte, deutlich qualitativere, „sinn-haftere“ Luxus-
verständnis für das Innovationsverhalten von Luxus-Unternehmen?

Top-Thema 5: The ,,beauty of smallness‘‘-imperative Das fünfte und letzte Top-Thema


hat seinen Ursprung in der industriellen Struktur von Luxusmarken. Mit Ausnahme der
großen Luxusmarken-Konzerne sind viele Player in diesem Markt mittelständisch geprägt
30 J. Meurer und K. Manninger

und liegen im Bereich zweistelliger oder niedriger dreistelliger Millionen-Umsätze. Dies


wiederum impliziert zwingend ein Missverhältnis zwischen globaler Marktbearbeitung
und verfügbaren Ressourcen, sei es für den Aufbau von eigenen Outlets, E-Commerce-
Aktivitäten, Marketingkommunikation oder Marktforschung. Wie also geht man um mit
diesem vermeintlichen Wettbewerbsnachteil – Wie macht man aus der Not des Kleinseins
möglicherweise eine smarte Tugend?

• Wie schaffen Luxus-Unternehmen den Spagat zwischen weltweiter Markenpräsenz und


Marktdurchdringung einerseits und oft mittelständischen Strukturen mit entsprechen-
den Ressourcen andererseits?
• Welche innovativen Formen von Kooperationen und strategischen Allianzen gibt es, um
ein intelligentes „burdensharing“ im Bereich Marketing und Vertrieb zu erreichen?
• Inwieweit können Luxusunternehmen das neue Kampagnen-Paradigma aus einer we-
sentlich stärker PR-, Dialog- und Web 2.0-gestützten Kampagnen-Logik für sich nutzen,
um damit teure AtL-Kampagnen abzulösen?

2.3 Fazit und Ausblick

Luxus hat Konjunktur und damit rückt auch die Auseinandersetzung mit Themen der
Luxusmarkenführung stärker in den Fokus. Eine Gesamtschau von aktuellen wissen-
schaftlichen und nicht-wissenschftlichen Beiträgen offenbart dennoch eine noch eher
unzureichende vor allem wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Luxusgütern. Bei
den ausgewerteten Veröffentlichungen handelt es sich um drei Kategorien: übergreifende
Markt-, Trend und Managementstudien, Studien zu Luxuseinstellungen und -kaufverhalten
sowie solche Studien, die besonders relevante Einzelthemen, z. B. Nachhaltigkeit betreffen.
Aus der Gesamtschau dieser Studien lassen sich insgesamt acht Mega-Trends ablei-
ten, die die heutige Diskussion rund um das Thema Luxusmarkenführung beherrschen:
z. B. Digitalisierung und Web 2.0, Neues Luxusverständnis (Luxus 2.0), Authentizität und
Regionalität sowie Green Luxury.
Aus der Managementperspektive – sprich der Sicht von CMOs der Luxusmarkenin-
dustrie – lassen sich diese acht Mega-Trends wiederum zu fünf Top-Themen für die
CMO-Agenda verdichten wie z. B. the expansion of the competitive arena oder the multi
channel, multi content-challenge.
Es besteht kein Zweifel, dass die dargestellten Mega-Trends Luxusunternehmen vor
große Herausforderungen stellen. Dies gilt vor allem deswegen, weil das Geschäftsmodell
der Luxusindustrie über Jahrzehnte ein sehr stark kontrollorientiertes war: höchstwer-
tige Produkte über ein stark selektives, exklusives Vertriebsmodell an eine ausgewählte,
sehr homogene Kundschaft zu vermarkten. Dieses Geschäftsmodell wird indes durch
die dargestellten Entwicklungen komplett in Frage gestellt. Luxus wird demokratischer,
die Zielgruppen heterogener, das Go-to-Market-Modell weniger exklusiv – die Kontroll-
2 Quo vadis globale Luxusmarkenführung 31

dominanz des alten Geschäftsmodells muss einer neuen Steuerungslogik weichen. Die
Luxusmarke als Kristallisationspunkt von Identität, Differenzierung, Exklusivität und Ziel-
gruppenbindung und vor allem eine höchst professionelle Luxusmarkenführung werden
damit noch wichtiger, als sie dies in dieser markendominierten Industrie bis dato ohnehin
schon waren.

Literatur

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16. Luxury Eco (ohne Jahresangabe). Luxury eco stamp of approval. http://www.
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17. o. V. (2011). Billionaire Club. http://www.billionairelife.com/eng/il_club. Zugegriffen:
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18. Rickens, Ch. (2009). Expedition ins Reich der Reichen. http://www.manager-magazin.de/
unternehmen/artikel/0,2828,581969,00.html. Zugegriffen: 30.03.2012.
19. The Economist (2011). The Middle Blingdom. http://www.economist.com/node/18184466.
Zugegriffen: 30.03.2012.
Teil II
Grundlagen der identitätsbasierten
Luxusmarkenführung
Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer
Luxusmodemarke auf die Markenidentität am 3
Beispiel von Louis Vuitton und Dorothee
Schumacher

Verena König

Gabrielle Chasnell died in 1971, but Coco Chanel is still living.


Jean-Noël Kapferer

Zusammenfassung
In diesem Artikel geht es um die Prägung der Identität einer Luxusmodemarke durch
ihre ursprünglichen Schöpfer. Betrachtet man den Luxusmode-Markt so fällt auf, dass
viele erfolgreiche Marken den Namen ihrer ursprünglichen Schöpfer als Markennamen
tragen und sich in ihrem Auftritt stark auf diese berufen. Wie die Markenidentität genau
durch ihre Schöpfer beeinflusst wird, soll im folgenden Beitrag an Hand von zwei Fall-
beispielen aus der Luxusmode-Branche beschrieben werden - LOUIS VUITTON und
SCHUMACHER. LOUIS VUITTON steht als stärkste Luxusmarke der Welt für eine
Marke mit einer sehr langen Tradition, deren ursprünglicher Schöpfer das Unterneh-
men nicht mehr führt. SCHUMACHER hingegen ist eine vergleichsweise junge Marke,
deren ursprüngliche Schöpferin das Unternehmen nach wie vorführt. Sie ist eine der
wenigen deutschen Luxusmodemarken, die sich international behaupten kann, was sie z.
B. in dem Hollywood-Kultfilm über die Mode-Branche „Der Teufel trägt Prada“ als ein-
ziges deutsches Mode-Label unter Beweis stellen konnte. Der Beitrag beschreibt sowohl
Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede des Schöpfereinflusses und endet schließlich
mit einigen Gedanken zur Führung von Luxusmodemarken.

Prof. Dr. Verena König ()


Professorin an der DHBW,
Inhaberin der Luxusmarken-Beratung MARKEN-KÖNIGIN, Deutschland
E-Mail: verena.koenig@dhbw-mannheim.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 35


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
36 V. König

3.1 Aktuelle Herausforderung der Führung von Luxusmodemarken

Die Luxusmode-Branche kämpft bereits seit einigen Jahren damit, sich vor der so genannten
„Demokratisierung des Luxus“ zu schützen [16, S. 326]. Insbesondere der Exklusivitätsver-
lust durch mangelnde Knappheit von Luxus kann zu einer Schwächung etablierter Marken
führen [7, S. 359]. Daneben machen auch Kopien teurer Modemarken, wie z. B. von
Louis Vuitton oder Gucci [27, S. 247 ff.] und die zunehmend Top-Designer einsetzen-
den Mainstream-Modehäuser (z. B. Versace für H&M) den großen Luxusmodemarken das
Leben schwer. Hinzu kommt, dass sich in jüngerer Zeit renommierte Designer auch mit
eigenen billigen Kollektionen auf den Märkten platzieren (z. B. die Marke KARL von Karl
Lagerfeld vgl. [19]).
Trotz dieser Gefahren und obwohl angesichts der Staatsschuldenkrise in Europa ein all-
gemeiner Rückgang der Konsumausgaben zu spüren ist, sind die großen internationalen
Modemarken nach wie vor auf Erfolgskurs [17]. Dies liegt zum einen am Wirtschafts-
wachstum in Lateinamerika und insbesondere Asien (u. a. [28]) und zum anderen an den
häufig mythisch aufgeladenen Marken, die als Original vermarktet, sie vor der Gefahr des
Exklusivitätsverlustes schützen (u. a. [4, S. 71]). Diese Marken haben meist eine lange
Tradition, kommen ursprünglich aus dem Handwerk, sind häufig Familienbetriebe und
basieren auf einer kontinuierlichen Markenpolitik, die über Jahre hinweg den Markenmy-
thos gepflegt hat. So werben manche Marken gezielt mit ihrer Historie wie z. B. jüngst die
Marke Gucci, die im Jahr 2011 mit einer Anzeige zu der langen Tradition des Hauses und
einem Schwarz-Weiß-Motiv aus dem historischen Archiv des Hauses warb, das Aldo Gucci
zeigt – den Sohn des ursprünglichen Schöpfers Guccio Gucci – 1955 vor dem ersten Gucci
Store in der Via Condotti in Rom [5, 18]).
Im Gegensatz zu herkömmlichen Modemarken sind Luxusmodemarken durch einen
sehr hohen Preis, gute Qualität und vor allem durch eine hohe Emotionalität des symbo-
lischen Markennutzens geprägt, da sie ihren Schwerpunkt nicht in der Befriedigung von
Grundbedürfnissen, sondern in der Erfüllung nicht-rationaler Sehnsüchte haben. Man
kann es auch mit den Worten Dr. Bruno Sälzers (Vorstandsvorsitzender von ESCADA)
wiedergeben: „Luxus-Produkte leben in der Welt der Wünsche und diese werden in der
Welt der Gefühle erfüllt“ [26, V].

3.2 Die Prägung von Luxusmodemarkenidentitäten durch ihre


ursprünglichen Schöpfer

Bei der Betrachtung erfolgreicher Luxusmodemarken kann beobachtet werden, dass es


häufig ihre authentischen, einzigartigen und mythischen Gründungsgeschichten sind, die
sie stark machen. Der renommierte französische Luxusmarkenforscher Kapferer schreibt in
diesem Zusammenhang: „More than anything else, the luxury brand is an epic tale carried
by its stories“ [6, S. 122].
3 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer Luxusmodemarke auf . . . 37

Insbesondere bei den großen internationalen Modemarken fällt auf, dass sie oft die Na-
men ihrer Schöpfer (z. B. Christian Dior, Jil Sander, Louis Vuitton) als Markennamen tragen
und ihre Markenidentitäten auch entscheidend durch sie geprägt sind. Das neu gegründete
Mode-Label von Karl Lagerfeld („KARL“) zeigt sogar als Logo die unverwechselbare Sil-
houette Lagerfelds – ein Kopf mit dunkler Brille und Haarzopf [19]. Trotz dieses Bezugs
auf den ursprünglichen Schöpfer wurde bislang noch nicht untersucht, wie sich genau
der Einfluss auf die Markenidentität auswirkt und soll deshalb im Folgenden dargestellt
werden.
Die Markenidentität einer Luxusmodemarke beschreibt ihr Selbstbild. Auf der Grund-
lage sozialwissenschaftlicher und psychologischer Identitätsforschung definieren Burmann
et al. (2003) die Markenidentität mit folgenden sechs Aspekten [1, S. 12 ff.]:

• Markenherkunft (Woher kommen wir?),


• Markenvision (Wohin wollen wir?),
• Markenwerte (Woran glauben wir?),
• Markenkompetenzen (Was können wir?),
• Markenpersönlichkeit (Wie treten wir auf?) und
• Markenleistungen (Was tun wir?).

Sämtliche Aspekte der Identität dürfen sich nach dem identitätsbasierten Markenansatz
nicht widersprechen und sollen ein konsistentes Gesamtbild der Luxusmodemarke erge-
ben, wobei sich insbesondere in den Leistungen (z. B. Taschen, Kleidung) alle übrigen
Identitätskomponenten widerspiegeln müssen. Erfolgreiche Luxusmodemarken sind dabei
durch eine hohe Konsistenz und Kontinuität geprägt, die dazu führen, dass man z. B. auf
einer Modenschau die Marke auch dann erkennt, wenn man ihr Logo noch nicht gesehen
hat.
Im Folgenden soll an Hand von zwei Fallbeispielen der Einfluss des ursprünglichen
Schöpfers auf die Markenidentität einer Luxusmodemarke untersucht und verglichen wer-
den – LOUIS VUITTON und SCHUMACHER. Das Fallbeispiel LOUIS VUITTON steht
für eine Marke mit einer sehr langen Tradition, deren ursprünglicher Schöpfer das Un-
ternehmen nicht mehr führt. Hingegen steht das Fallbeispiel SCHUMACHER für eine
vergleichsweise junge Marke, deren Schöpferin das Unternehmen noch immer führt. Da
sich die Markenidentität auf das Selbstbild einer Luxusmodemarke bezieht, werden im
Folgenden ausschließlich Informationen ausgewertet, die die Luxusmodemarke selbst und
aktiv von sich preisgibt.
Der Untersuchungsgegenstand kann schematisch in Abb. 3.1 dargestellt werden. Der
Einfluss des Schöpfers legt sich dabei wie eine äußere Schale um die Markenidentität.
38 V. König

Ursprünglicher Schöpfer

Luxus-
MarkenidenƟtät

Vision

Persönlichkeit

Leistungen?
Werte

Kompetenzen

Herkun

Abb. 3.1 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers auf die Markenidentität

3.2.1 Fallbeispiel ,,LOUIS VUITTON‘‘: Der ursprüngliche Schöpfer führt


das Unternehmen nicht mehr

LOUIS VUITTON ist die Hauptmarke des weltgrößten Luxuskonzerns LVMH (Moët
Hennessy Louis Vuitton S. A.), der trotz Finanzkrise noch immer auf Erfolgskurs ist. Ver-
schiedenen Berichten zur Folge ist die Geschäftsfeldmarke LOUIS VUITTON die stärkste
Luxusmarke der Welt [23]. Das Unternehmen blickt auf eine sehr lange, mehrfach do-
kumentierte Historie zurück, da es bereits 1854 von Louis Vuitton in Paris gegründet
wurde.
Obwohl der Einfluss des ursprünglichen Gründers deutlich spürbar ist, spielen bei Mar-
ken mit einer derart langen Geschichte auch die aktuellen Schöpfer bzw. die aktuellen
Chef-Designer eine wichtige Rolle für die Markenidentität. Wie bewusst diese Rolle von
den dahinter stehenden Konzernen gesteuert wird, belegen verschiedene Beispiele. Der
Skandal um den ehemaligen Chef-Designer von Dior wegen antisemitischer Aussagen und
die darauffolgende sofortige Kündigung ist nur ein Beispiel dafür, wie schnell zum Schutze
3 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer Luxusmodemarke auf . . . 39

der Marke gehandelt wird [20]. Das Geheimnis und die medienwirksame Suche nach einem
neuen Chef-Designer von Dior unterstreichen dies [22].
Bei der folgenden Analyse der Marke LOUIS VUITTON, die auf Grund ihres Erfolgs
zweifelsohne als ein Vorbild für professionelle Luxusmarken-Führung angesehen werden
kann, soll einerseits der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers auf die Markenidentität dar-
gestellt werden, aber auch andererseits darauf eingegangen werden, inwieweit der aktuelle
Chef-Designer, Marc Jacobs, eine Rolle spielt. Hierzu werden verschiedene aktuelle Kom-
munikationsbotschaften analysiert, bei denen das Unternehmen Aussagen zur Marken-
identität macht. Es werden sowohl Kampagnen aber auch Modenschauen und Angaben
des Markenunternehmens auf der Hersteller-Webseite ausgewertet, als auch Informatio-
nen, die LOUIS VUITTON über sich in sozialen Medien wie z. B. Facebook und Youtube
platziert.

Markenherkunft Die Herkunft einer Luxusmodemarke ist als langfristig gestaltbare Iden-
titätskomponente eine Komposition einzelner Facetten der Markenhistorie von LOUIS
VUITTON. Hierbei fällt auf, dass die Marke in Bezug auf ihre Vergangenheit hauptsächlich
auf den Werdegang ihres ursprünglichen Schöpfers, Louis Vuitton, eingeht, obwohl erst
sein Sohn Georges das weltberühmte Logo der Marke entwarf.
Louis Vuitton begab sich in jungen Jahren auf eine Reise, die sein Leben entscheidend
prägte – zu Fuß von Lons-le-Saunier nach Paris (u. a. [11, S. 1]). Er absolvierte auf dieser
Reise eine Ausbildung bei einem Gepäckhersteller, wurde später Kofferpacker am Hofe
Napoléon III und gründete 1854 in Paris die Louis Vuitton Company, die Koffer herstellte
[25]. Auf diese Gründungsgeschichte weist die erfolgreiche Marke LOUIS VUITTON noch
heute immer wieder hin und das markenhistorische Thema „Reise“ zieht sich wie ein
roter Faden durch all ihr Tun und bildet damit den Markenkern. Dies führt zu einer
exzellenten Konsistenz und Authentizität der Marke. Sowohl offline (wie z. B. in einer
Image-Broschüre des Hauses) als auch online, wenn man z. B. über LOUIS VUITTON im
Internet recherchiert (z. B. Facebook, Youtube, etc.), findet man immer wieder Hinweise
auf die Gründungsgeschichte in Frankreich. Auf der Facebook-Seite von LOUIS VUITTON
heißt es z. B. „Behind the legendary name is the journey of a visionary man who profoundly
changed the art of luggage making, and in doing so, changed the notion of travel itself“ [12].
Ähnliches findet man auf der Homepage des dahinter stehenden Luxuskonzerns: „Louis
Vuitton, a trunk-maker in Paris since 1854, became a legend in the art of travel by creating
luggage, bags and accessories as innovative as they were elegant and practical. A century
and a half later, the legend lives on . . . “ [15].

Markenvision Bei der Marke LOUIS VUITTON ist der Einfluss des ursprünglichen Schöp-
fers auf die Markenvision eher indirekt spürbar. Einerseits taucht wieder das zentrale Thema
der Gründungsgeschichte „Reise“ im Kontext der Vision auf, wird aber hierbei eher als ei-
ne Art Metapher für eine Reise in die Zukunft beschrieben und steht sowohl für „neue
Erfahrungen“ als auch für eine Weiterentwicklung der Marke. Andererseits wird bei der
40 V. König

Markenvision auch der Einfluss des Chef-Designers, Marc Jacobs, spürbar. In einer Image-
broschüre von LOUIS VUITTON „Invitation au voyage“ (Übersetzung deutsch: Einladung
zu einer Reise) wird die Vision wie folgt beschrieben: „Wenn das Prestige eines großen
Hauses auf das Genie eines jungen Modeschöpfers trifft. Das Jahr 1997. Louis Vuitton
und Marc Jacobs verfolgen ihre besondere Vision von Ästhetik und Avantgardismus. Eine
Offenbarung. Der Luxus entdeckt neue Horizonte. Ein Ausbruch“ [11, S. 10]. Auch auf der
Facebook-Seite von LOUIS VUITTON wird auf den Einfluss des Chef-Designers auf die
Vision verwiesen: „Sharing this passion for innovation, Creative Director Marc Jacobs has
brought his unique vision of femininity and creative spirit to the House. . . “ [12].

Markenwerte Die Markenwerte von LOUIS VUITTON sind einerseits stark durch die
Gründungsgeschichte geprägt, reflektieren aber andererseits auch allgemeine „Trend“-
Werte. In Bezug auf die Gründungsgeschichte finden sich wieder vermehrt Hinweise auf das
zentrale Gründungsthema „Reise“. Ähnlich wie bei der Markenvision wird die Reise aber
wieder als Metapher benutzt. So wird in verschiedenen Videos der Marke LOUIS VUIT-
TON, die man z. B. über den Youtube-Kanal oder die Webseite abrufen kann, fast schon
„philosophisch“ darauf hingewiesen, dass das gesamte Leben als eine Art Reise zu verstehen
sei und dass die Menschen diese Reise entscheidend beeinflussen könnten. Eine einzige Reise
könne dabei auch ein ganzes Leben verändern [14]. Hinsichtlich der allgemeinen „Trend“-
Werte findet man bei der Recherche zu Werten auf der LOUIS VUITTON-Homepage
Informationen zu Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung.

Markenkompetenzen Bei den Markenkompetenzen sind die Prägung durch den ur-
sprünglichen Schöpfer, Louis Vuitton, und seine Gründungsgeschichte mit dem Symbol
der „Reise“ deutlich spürbar. Zu diesen Kernkompetenzen der Marke gehört vor allem
die Fähigkeit zur Herstellung von Koffern und Taschen aus robustem, langanhalten-
dem, regen-abweisendem Leder, was das Thema „Reise“ abbildet. Daneben spielt aber
auch der Ideenreichtum der Marke eine besondere Rolle, der sicherlich dem aktuellen
Chef-Designer, Marc Jacobs, zuzuschreiben ist. Um sich z. B. vor Kopien zu schützen, ließ
sich LOUIS VUITTON die raffinierte Idee der Personalisierung durch individuelle Ge-
staltung von Produkten mit Initialen einfallen [21]. Daneben gibt es auch immer wieder
limitierte Auflagen von Produkten, die Künstler entworfen haben.
Betrachtet man den Erfolg der Marke im Allgemeinen gehört zu den Kompetenzen aber
auch die Fähigkeit, eine Luxusmodemarke zu führen. Diese Kompetenz kann vor allem
dem dahinter stehenden Konzern zugeschrieben werden, denn auf der Suche nach den
Gründen für diesen beispielhaften Erfolg der Marke LOUIS VUITTON fällt neben der
Konsistenz und Kontinuität auch eine gewisse Kompromisslosigkeit der Markenführung
auf, die in einer sehr geradlinigen Preispolitik (ohne saisonelle Preisaktionen) und einem
sehr streng kontrollierten Vertriebsnetz mit ausschließlich eigen geführten Verkaufsräumen
und Flagship-Stores zum Ausdruck kommt. Diese Geradlinigkeit, die strenge Kontrolle der
Marke durch eine global einheitliche Markenpolitik und eine bewusste Verknappung des
Angebots halten Exklusivität, Faszination und weltweite Anziehungskraft aufrecht [3, S. 5
3 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer Luxusmodemarke auf . . . 41

Abb. 3.2 Kommunikation der Marke LOUIS VUITTON

ff.]. Dazu gehört auch, dass das Wachstum der Marke behutsam verläuft, um die Knappheit
und Exklusivität, die ein wichtiger Treiber der Begehrlichkeit von Luxusmodemarken sind,
nicht zu zerstören [9, S. 290 ff.].

Markenpersönlichkeit Bei der Markenpersönlichkeit bzw. den menschlichen Persönlich-


keitseigenschaften, die mit der Marke assoziiert werden und sich in ihrem Markenkommu-
nikationsstil widerspiegeln, fällt auf, dass sowohl Impulse des ursprünglichen Schöpfers als
auch neue Impulse zu spüren sind. Dabei gibt die Gründungsgeschichte der Kommunika-
tion wie eine Art Rahmen eine Orientierung. So wirbt LOUIS VUITTON z. B. häufig in
seinen Kampagnen mit sehr berühmten Werbegesichtern, die auf einer Reise mit Taschen
von LOUIS VUITTON dargestellt werden. Beispielsweise wurde Catherine Deneuve auf
Koffer sitzend in einem alten Bahnhof von Starphotographin Annie Leibovitz abgelichtet,
Michail Gorbatschow in einem Taxi an der Berliner Mauer entlang fahrend, der Schauspie-
ler Sean Connery an einem Südseestrand sitzend und die Schauspielerin Angelina Jolie auf
einer Reise in Kambodscha dargestellt. Abbildung 3.2 zeigt ein Beispiel zur Kommunikation
von LOUIS VUITTON.
Wie sehr die Markenpersönlichkeit durch das Thema „Reise“ geprägt wird, kommt neben
den eindrucksvollen Print-Anzeigen auch bei den anderen Kommunikationsmaßnahmen
zum Ausdruck. Bei den Modenschauen gibt es z. B. immer wieder einen starken Bezug zu
Reisen. So wurde z. B. bei einer Modenschau im Jahr 2011 ein historischer Hotel-Aufzug
dargestellt. Vor den Aufzugstüren standen Hotelpagen und auch die Models trugen die
typischen Kappen von Hotelpagen. Aber auch die Informationen, die LOUIS VUITTON
auf seiner Homepage oder in den Sozialen Medien platziert, gehen auf das Thema „Reise“
42 V. König

ein. So heißt z. B. der Youtube-Kanal „The Art of Travel“. Das erste Bild, das man im Januar
2012 beim Besuch der LOUIS VUITTON-Homepage sieht, ist ein historischer Koffer.
Würde man nun die Markenpersönlichkeit mit sämtlichen Assoziationen zu menschli-
chen Eigenschaften genauer analysieren, so könnten wohl viele Facetten des ursprünglichen
Schöpfers auftauchen (z. B. französischer Visionär, kaiserlicher Kofferpacker am französi-
schen Hof). Es würden sich aber auch durch die Werbekampagnen mit berühmten Stars
einige für Luxusmodemarken typische „divenhafte Züge“ herauskristallisieren (z. B. gla-
mourös, opulent, verführerisch) und da sich die Marke auch weiterentwickelt, würde auch
die Handschrift des derzeitigen kreativen Kopfs der Marke – Marc Jacobs – unverkennbar
sein (z. B. künstlerisch, extravagant).

Markenleistungen Nach dem identitätsbasierten Ansatz müssen bei erfolgreicher Mar-


kenführung die Markenleistungen die anderen Identitätskomponenten reflektieren und
ein in sich stimmiges, konsistentes Bild ergeben. Bei LOUIS VUITTON gehören zu den
Markenleistungen vor allem Koffer und Taschen von einer hohen Qualität, die ausschließ-
lich in Frankreich produziert werden. Diese stellen immer noch das Kernprodukt der Marke
dar und hierbei wird wieder der Bezug zum markenhistorischen Leitmotiv „Reise“ deut-
lich. Daneben bietet LOUIS VUITTON aber auch noch andere Produkte an, die Menschen
auf einer Reise begleiten können. Auf der Facebook-Seite kann man dazu lesen: „. . . Louis
Vuitton offers its expertise to bring elegance and distinctiveness to its creations: shoes,
watches, leather goods, ready-to-wear, jewellery and accessories“ [12].
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich das Gründungsthema „Reise“ wie
ein roter Faden durch sämtliche Facetten der Markenidentität dieser erfolgreichen franzö-
sischen Traditions-Marke zieht und damit den Markenkern bildet. Dabei sind es vor allem
die Komponenten Markenherkunft und Markenkompetenzen, die immer noch maßgeblich
durch den ursprünglichen Schöpfer geprägt werden. Markenvision, Markenwerte, Mar-
kenpersönlichkeit und Markenleistungen beziehen sich zwar auch auf den ursprünglichen
Schöpfer, werden aber an die jetzigen Marktanforderungen angepasst und weiterentwickelt.
Zum einen wird noch immer an das alte Motiv „Reise“ angeknüpft, zum anderen wird aber
auch der neue Chef-Designer mit seiner gesamten Ausstrahlung und seinem kreativem
Wirken inszeniert. LOUIS VUITTON meistert damit eine der größten Schwierigkeiten bei
der Führung einer Luxusmodemarke – die Marke mit Bezug zu ihrer Historie entsprechend
des „Schöpfermythos“ zu führen, sie aber trotzdem dem Zeitgeschehen anzupassen, damit
sie nicht „verstaubt“ und mumifiziert wird. Dabei versteht der Chef-Designer, Marc Jacobs,
seine Rolle als eine der Luxusmarke untergeordnete. In einem Video des LOUIS VUITTON-
Youtube-Kanals betont er, wie wichtig die Konsistenz der Marke und das Markenerbe seien.
Er verstünde dabei seine Aufgabe nicht als „Revolution“ der Marke, sondern eher als „Evo-
lution“ der Marke LOUIS VUITTON [13]. Dieses Rollenbewusstsein ist sicherlich ein
wichtiges Erfolgsgeheimnis der Marke LOUIS VUITTON.
3 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer Luxusmodemarke auf . . . 43

3.2.2 Fallbeispiel ,,SCHUMACHER‘‘: Die ursprüngliche Schöpferin führt


nach wie vor das Unternehmen

Im zweiten Fallbeispiel wird im Folgenden der Einfluss der Schöpferin, Dorothee Schu-
macher, auf die Markenidentität von SCHUMACHER analysiert. Für die Auswahl des
im Vergleich zu LOUIS VUITTON noch jungen Modelabels SCHUMACHER gibt es
einen entscheidenden Grund. Es handelt sich um eines der wenigen weltweit anerkannten
Gründer-geführten deutschen Modehäuser. Da die Marke international agiert, bezieht sich
ihre Konkurrenz nicht nur auf die deutsche Szene (z. B. lala Berlin), sondern auch auf
die großen internationalen Marken (z. B. Lanvin). Ein Erfolgsindikator der Marke ist bei-
spielsweise, dass SCHUMACHER im Jahr 2006 als einziges deutsches Modelabel mit einem
Product Placement an der Ausstattung des Hollywood-Kultfilms über die Modebranche
„Der Teufel trägt Prada“ beteiligt war. Hier tauchte der Name SCHUMACHER in einem
Atemzug neben bedeutenden Modemarken der Welt, wie Prada, Chanel und Hermès, auf.

Die Analyse der Prägung der Markenidentität durch ihre Schöpferin steht vor den folgenden
Herausforderungen:

1. Im Vergleich zu Louis Vuitton handelt es sich um eine noch junge Marke. Dadurch,
dass die Markengeschichte noch am Anfang ist und noch nicht bekannt ist, wie sich die
Marke weiterentwickelt, handelt es sich wissenschaftlich um unvollständige und rechts
zensierte Informationen zu einem bestimmten Untersuchungszeitpunkt.
2. Eine weitere Schwierigkeit der Analyse ist, dass die Schöpferin selbst die Trägerin der
Marke ist und ihr implizites Wissen erst noch in ein explizites Wissen überführt werden
muss.
3. Schließlich liegt die größte Herausforderung darin, auf Basis dieser unvollständi-
gen Informationen trotzdem eine strukturierende Dimension für die Prägung der
Markenidentität durch ihre Schöpferin abzuleiten. Dies ist vergleichbar mit einer Fak-
torenanalyse, bei der in einer Fülle von Informationen zu Herkunft, Vision, Werten,
Kompetenzen, Persönlichkeit und Leistungen nach einer Hauptkomponente gesucht
wird, die die gesamte Datenstruktur zur Markenidentität inklusive ihrer semantischen
Konstanten erklärt und trotzdem weiteren Interpretationsspielraum zulässt.

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, wurde in einem ersten Schritt am


14.12.2011 ein knapp dreistündiges Tiefeninterview mit Dorothee Schumacher geführt. Au-
ßerdem wurden in einem zweiten Schritt Informationen zur Kommunikation gesammelt.
Dazu gehörte allgemeines Kommunikationsmaterial der Marke, eine SCHUMACHER-
Modenschau auf der Berliner-Modewoche am 19.1.2012 vor dem Brandenburger Tor
sowie eine anschließende Schmuck-Präsentation im China Club des Hotels Adlon vor
ausgewählten Pressevertretern und Stammkunden. Im dritten und letzten Schritt wurden
die gesammelten Informationen sorgfältig ausgewertet, um eine strukturierende Haupt-
komponente abzuleiten, die die Prägung der Markenidentität durch ihre Schöpferin
erklärt.
44 V. König

Als Ergebnis kann die Autorin festhalten, dass die Prägung der Markenidentität mit
Hilfe eines immer wiederkehrenden Sehnsuchtsmotivs der Schöpferin aus ihrer Kindheit
erklärt werden kann, das stark an die Sehnsuchtsmotive der deutschen Romantiker des 19.
Jahrhunderts erinnert. Damit lässt sich Dorothee Schumacher als eine „moderne deutsche
Romantikerin“ bezeichnen Im Detail gestaltet sich die Prägung durch die Schöpferin wie
folgt:

Markenherkunft Dorothee Schumacher, die im dörflichen Deutschland in einer Familie


mit zwei älteren Schwestern und einem jüngeren Bruder aufwuchs, verspürte schon in ihrer
Kindheit einen Herzenswunsch nach der Suche von Glück in einer großen weiten Welt.
Wenn sie als Kind oft stundenlang auf ihrem Pferd ausritt, empfand sie immer eine große
Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit und Unendlichkeit. Da sich ihre Eltern nach den beiden
älteren Schwestern eigentlich einen Jungen gewünscht hatten und dies die junge Dorothee
oft spürte, wollte sie als Kind kein Mädchen sein, trug ihr Haar sehr kurz und dachte, dass
man nur so Grenzen überwinden könnte. Als junge Frau merkte sie aber irgendwann, dass es
gerade ihre Weiblichkeit, ihr Lächeln und ihre positive Art, auf Menschen zu zugehen sind,
die verzaubern und mit denen man Grenzen überwinden kann. Weiblichkeit definierte sie
ab diesem Zeitpunkt als etwas, das Gegensätze überwinden und sowohl zart als auch stark
sein kann. Das Zarte steht dabei für das sehnsuchtsvolle, sinnliche und märchenhafte Wesen
des Weiblichen. Das Starke steht dabei für die selbstbestimmte, spürbare und überzeugende
Komponente einer Frau. Schon bei ihrer ersten Kollektion war es Dorothee Schumachers
Wunsch, diesem Bild der Weiblichkeit gerecht zu werden. Mit ihrer Detailverliebtheit setzte
sie dabei bewusst auf einen Gegensatz zur nüchternen Mode der achtziger Jahre, die stark
durch den sehr klaren und reduzierten Stil von Jil Sander geprägt war.
In dieser soeben beschriebenen Sehnsucht aus ihrer Kindheit steckt die strukturierende
Komponente, die die Prägung der Marke durch ihre Schöpferin erklärt. Sie zieht sich durch
sämtliche Identitätskomponenten der Marke. Die sehr stark an die Deutsche Romantik des
19. Jahrhunderts erinnernden Sehnsuchtsmotive der Schöpferin aus ihrer Kindheit prägen
die Markenidentität wie kein anderes Motiv. Dazu gehören vor allem das romantische
Sehnsuchtsmotiv des Strebens nach Unendlichkeit sowie die Bereitschaft zur Überwindung
von Grenzen. Ein Auszug aus dem Gedicht „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff aus
dem Jahr 1835 beschreibt die Sehnsucht der Deutschen Romantiker beispielhaft in Bildern:
„Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst, dass sie im Blütenschimmer von ihm
nun träumen müsst“ [6, S. 1 ff.]. Abbildung 3.3 zeigt Dorothee Schumacher in jungen
Jahren.
Ihrer Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit folgend, gründete Dorothee Schumacher nach
einer Ausbildung in Italien 1989 gemeinsam mit ihrem damaligen Mann das Modeunter-
nehmen „Schumacher“, das heute 100 Mitarbeiter hat und Mode in 46 Nationen liefert. Das
Gründungsjahr 1989 war ein Jahr der Bewegung. Ganz Deutschland stand durch den Fall
der Berliner Mauer vor einem gewaltigen Umbruch und auch für Dorothee Schumacher
stellte dieses Jahr einen entscheidenden Meilenstein ihres Lebens dar. Neben der Gründung
3 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer Luxusmodemarke auf . . . 45

Abb. 3.3 Dorothee Schumacher in jungen Jahren. (Quelle: SCHUMACHER)

des Unternehmens, heiratete sie und wurde Mutter ihres ersten Kinds von insgesamt vier
Kindern.
Als Standort wählte Dorothee Schumacher eine ehemalige Papierfabrik im Mannheimer
Hafenviertel. Die sehr großen Fenster des Gebäudes gewähren ihr dabei einen weitläufigen
Blick über Rhein und Hafen, der sie in ihrer täglichen Arbeit und ihrer Sehnsucht nach
Unendlichkeit inspiriert. Das Interieur ist detailverliebt-dekoriert und die Anordnung der
Arbeitsplätze des Design-Teams ist in Form eines schützenden Nests.
Auf Grund ihrer großen Naturverbundenheit wohnt Dorothee Schumacher privat mit
ihrer Familie in einem sehr romantisch dekorierten alten Bauernhaus in Bensheim an der
Bergstraße, nicht weit von Mannheim entfernt. Abbildung 3.4 zeigt Dorothee Schumacher
heute in ihrem Atelier.

Markenvision Damals wie heute prägt die ursprüngliche Sehnsucht der Romantikerin,
Dorothee Schumacher, auch die Markenvision. Ihrer Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit und
Unendlichkeit folgend, möchte sie mit detailverliebten „Lieblingsteilen“ mit sinnlichem
46 V. König

Abb. 3.4 Dorothee Schuma-


cher heute in ihrem Atelier.
(Quelle: SCHUMACHER)

aber auch spürbarem Ausdruck Frauen auf der gesamten Welt über alle Ländergrenzen
hinweg glücklich machen. Sie ist fest davon überzeugt, dass sich dabei die Frauen auf der
ganzen Welt durch ihre Natur emotional ähnlich sind und deshalb auf eine ähnliche Art
und Weise mit SCHUMACHER glücklich gemacht werden können. Der Beweis, dass dies
auch gelingt, sind die liebevollen Briefe von glücklichen Kundinnen, die sie ab und zu
erhält.
Obwohl die Marke SCHUMACHER durch ihr besonderes Bild von Weiblichkeit und
ihre auserlesene Distribution nur eine bestimmte Zielgruppe ansprechen will und sich
dadurch ihre Exklusivität bewahrt, ist es doch der Wunsch von Dorothee Schumacher, die
Marke behutsam wachsen zu lassen. Zu ihrer Vision gehört es dabei, ihre Sehnsüchte von
Mode, die gleichzeitig emotional-zart und spürbar-stark sind, weiterhin konsequent und
identitätstreu umzusetzen. Sie möchte aber auch mit neuen Impulsen die Marke im Sinne
einer unendlichen Evolution weiterführen.

Markenwerte Die Markenwerte, also woran die Marke glaubt, reflektieren auch die Werte
von Dorothee Schumacher. Die romantische Sehnsucht nach Unendlichkeit kann dabei als
ein zentraler Wert der Marke angesehen werden. Auch das für die deutsche Romantik so
wichtige Motiv der Überwindung von Gegensätzlichem und dadurch „mit sich im Reinen
zu sein“, um Glück zu verspüren, ist ein maßgeblicher Wert der Schöpferin, der sich auch
in der Marke widerspiegelt. Die Sehnsucht nach der großen weiten Welt, um Erfahrungen
zu sammeln, aber auch in die Vergangenheit zu blicken, ist ebenfalls ein romantischer Wert
von Dorothee Schumacher und ihrer Marke. Dabei unterscheidet die Designerin nicht
zwischen einer beruflichen und einer privaten Welt mit vier Kindern – diese gehören für
sie zusammen.
3 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer Luxusmodemarke auf . . . 47

Markenkompetenzen Die Markenkompetenzen bilden auch die Kompetenzen der Ro-


mantikerin Dorothee Schumacher ab. Ihr Wunsch, Frauen strahlend-schön und glücklich
zu machen, indem sowohl das emotional-sinnliche Wesen einer Frau als auch ihre starke Sei-
te betont werden, zeigt sich in ihrer Schneiderkunst. Dazu gehört wieder die harmonische
Zusammenführung von Gegensätzlichem, beispielsweise einerseits der sensible Umgang
mit zarten Materialien und andererseits aber auch die Fähigkeit, spürbar-starke Akzente zu
setzen.

Markenpersönlichkeit Der romantische Kommunikationsstil der Marke ist stark durch


Dorothee Schumacher geprägt. So wie die Designerin selbst auftritt, so tritt auch die
Marke SCHUMACHER auf. Dorothee Schumacher lernte schon in ihrer frühen Jugend,
dass man mit einem Lächeln und Weiblichkeit die Menschen verzaubern und trotzdem
stark sein kann. Diese Erfahrungen der Modeschöpferin prägen noch heute die Marke
SCHUMACHER.
Würde man die Marke SCHUMACHER nun als Menschen beschreiben, so würde man
die Schöpferin selbst beschreiben. Hierbei zeigt sich auch wieder die romantische Sehn-
sucht aus der Kindheit nach Unendlichkeit und die Zusammenführung beider Motive
– einerseits zart, lieblich, sinnlich und andererseits stark, selbstbestimmt und entschlossen.
Dies spiegelt sich im gesamten Kommunikationsstil der Marke wider. Viele Artikel aus
dem Hause SCHUMACHER tragen lieblich-romantische Zusätze wie „Schumacher – with
love“. Besonders deutlich wird es aber auch in den Verkaufsläden, die durch die detail-
verliebte Dekoration die ganze Markenpersönlichkeit abbilden. Hierbei kommuniziert die
Marke aber nicht mit „lauten“ Signalen zur sozialen Anerkennung, sondern will vielmehr
subtil-feinsinnig mit der Schönheit und Ästhetik überzeugen. Das Farbkonzept (einerseits
zarte Töne wie z. B. Nude, das die Seele widerspiegeln soll, und andererseits kraftvolle
Akzente (mit z. B. Rubin), die Typographie (häufig die Handschrift der Schöpferin) und
die Bildsprache (von der Schöpferin handgezeichnete Motive z. B. das Schlafzimmer einer
modernen Märchenprinzessin) unterstreichen die romantische Ausrichtung.
Die Schleife ist das zentrale Symbol der Marke SCHUMACHER und reflektiert das
Wesen der Markenschöpferin wie kein anderes. Es zieht sich wie einer roter Faden durch
ihr gesamtes Tun. Bereits in ihren ersten Entwürfen tauchte die Schleife als Stilelement
auf. Dabei empfand die Modeschöpferin die Schleife von je her als ein Symbol für ihre
Sehnsucht nach Grenzenlosigkeit und Unendlichkeit. Dorothee Schumacher wollte von
Anfang an mit der Schleife ihrem eigenen Selbstverständnis von Weiblichkeit ein Bild geben,
denn einerseits steht die Schleife für das lieblich-zarte Wesen und andererseits kann sie auch
als ein Symbol für einen kraftvollen Zusammenhalt verstanden werden. Die Schleife bringt
diese beiden Pole – zart und stark – zusammen und in eine Balance. Sie schafft Harmonie,
welche durch das dazu gehörende warme und dezente Farbkonzept unterstrichen wird.
Die Schleife ist kein „lautes“ Symbol, sondern eher ein zartes-sinnliches Symbol, aber
gleichzeitig so kraftvoll und selbstverständlich, dass es trotzdem Aufmerksamkeit erregt
und überzeugt. In Abb. 3.5 sind Beispiele der Kommunikation der Marke SCHUMACHER
dargestellt.
48 V. König

Abb. 3.5 Kommunikation der Marke SCHUMACHER. (Quelle: SCHUMACHER)

Markenleistungen Die Produkte der Marke SCHUMACHER spiegeln auch die Mode-
schöpferin wider. Dazu gehören Kleidung, Schuhe, Schmuck und Dekorationsartikel für
Frauen. Mit ihrer beispiellosen Liebe zu emotional-zarten Details z. B. aus Seide, aber auch
mit spürbar-starken Akzenten z. B. aus Leder zeichnet sie in ihren Kollektionen ihr gesamtes
Selbstverständnis von Weiblichkeit. Dabei setzte sie von Anfang an konsequent nur auf das
Empfinden von Glück, Harmonie und nicht auf Provokation. Manchmal nennt Dorothee
Schumacher ihre Kundinnen liebevoll-romantisch und mit einem „zwinkernden Auge“
Prinzessinnen, denn sie möchte, dass sich Frauen mit SCHUMACHER wie Prinzessinnen
fühlen.
Bei ihren Kreationen kommt wieder das Symbol der Schleife zum Ausdruck. Einer-
seits wird die Schleife als romantisches Stilelement gezeigt und andererseits spürt man
sie indirekt als Symbol für sowohl zart als auch stark. Zart steht dabei für Stoffe und
Designs, die etwas Sehnsuchtsvolles und Liebliches besitzen, wie z. B. Seide oder Spit-
ze. Stark steht dagegen für den selbstbewussten, spürbaren und überzeugenden Ausdruck
ihrer Kreationen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Prägung der Marke mit Hilfe eines Sehn-
suchtsmotivs der Schöpferin aus ihrer Kindheit, das an die Deutsche Romantik des 19.
3 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer Luxusmodemarke auf . . . 49

Jahrhunderts erinnert, erklärt werden kann. Diese Sehnsucht zieht sich durch sämtliche
Komponenten der Markenidentität.
Für die zukünftige erfolgreiche Führung der Marke wird es wichtig sein, dass auch
nachfolgende Generationen die Marke im Sinne von Dorothee Schumacher weiterführen.

An der Deutschen Romantik im Sinne eines Markenkerns weiter festzuhalten, würde sich
aus den folgenden für erfolgreiche Luxusmarken essentiellen Eigenschaften anbieten:

Authentizität:

• Authentisch, weil es die Sehnsüchte der Designerin aus ihrer Kindheit nach Unendlich-
keit und ihre Naturverbundenheit abbildet.
• Authentisch, weil schon immer typisch deutsche Romantik-Motive verwendet werden
(z. B. Prinzessin, Froschkönig, Liebe).
• Authentisch, weil das Prinzessinnen-Motiv allein nicht reicht. Es fehlt das für eine deut-
sche Romantikerin so typische tiefgründige und ehrliche Gefühl, das auch in Interviews
mit der Designerin oft zum Ausdruck kommt.

Einzigartigkeit:

• Einzigartig, weil sich die kleine nationale Konkurrenz in Deutschland bislang kaum auf
Deutschland als „country of origin“ bezieht und sich eher von Kunst des 20. und 21.
Jahrhunderts inspirieren lässt als vom 19. Jahrhundert.
• Einzigartig, weil sich die große internationale Konkurrenz auf ihre eigenen Länder
bezieht (z. B. Chanel auf Frankreich, Dolce & Gabbana auf Italien).

Langlebigkeit des symbolischen Markennutzens:

• Langlebig, weil die deutsche Romantik eine breite Palette an Themen für Kollektionen
bietet und damit den Interpretationsspielraum der Marke für zukünftige Kollektionen
nicht einschränkt, z. B. Liebe, Sehnsucht, Märchen, Prinzessin, Natur, Tag & Nacht,
klassische Musik, Burgen, Schlösser, Malerei, Dichtung, Geschichte, Politik.
• Langlebig, weil die deutsche Romantik als historisches Thema von besonderem Inter-
esse auch für neue internationale Zielgruppen in Amerika oder Asien sein könnte, die
besonders an deutscher Geschichte mit Burgen, Schlössern etc. interessiert sind.

3.3 Zusammenfassung und Fazit

Abschließend kann festgehalten werden, dass beide Fallbeispiele, LOUIS VUITTON und
SCHUMACHER, gezeigt haben, dass sich der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers
spürbar durch sämtliche Facetten der Markenidentität dieser Luxusmodemarken zieht
und dass ein bestimmtes Schwerpunktthema das prägende Element ihrer einzigartigen
50 V. König

Gründungsgeschichten ist. Dieses ist bei Louis Vuitton das Thema „Reise“ und bei Schuma-
cher ermittelte die Autorin ein immer wiederkehrendes romantisches Sehnsuchtsmotiv der
Schöpferin aus ihrer Kindheit. Diese fokussierte Prägung schützt sie nicht nur vor Nachah-
mungen, sondern fördert auch den Mythos der Marke und gibt der Marke Glaubwürdigkeit,
Tiefe und Zeitlosigkeit.
Trotz dieser gemeinsamen Erkenntnisse zum Schöpfereinfluss, zeigen die Fallbeispie-
le auch Unterschiede. Das Fallbeispiel LOUIS VUITTON steht im Gegensatz zur jungen
Marke SCHUMACHER für eine Marke mit einer sehr langen Tradition. Das Unternehmen
wurde bereits 1854 in Paris gegründet und kann deshalb nicht mehr vom ursprünglichen
Schöpfer geführt werden. Hier spielen auch neue Schöpfer eine Rolle. Bei der Analyse
wurde offensichtlich, dass mit einer beeindruckenden Professionalität das Markenerbe be-
rücksichtigt wird und sich der Markenkern stark auf das Gründungsthema „Reise“ bezieht.
In Bezug auf die einzelnen Facetten der Markenidentität sind es bei LOUIS VUITTON
vor allem die Komponenten Markenherkunft und Markenkompetenzen, die maßgeblich
durch den ursprünglichen Schöpfer geprägt sind. Markenvision, Markenwerte, Markenper-
sönlichkeit und Markenleistungen berücksichtigen den ursprünglichen „Schöpfermythos“
eher als eine Art Metapher und werden durch neue Schöpfer weiterentwickelt und an die
aktuellen Marktanforderungen angepasst.
Insgesamt kann von dem Beispiel LOUIS VUITTON gelernt werden, wie eine erfolgrei-
che Traditionsmarke eine zentrale Herausforderung der Luxusmarkenführung beispiellos
meistert. Die neuen Schöpfer haben die Marke im Sinne des ursprünglichen Marken-
Schöpfers Louis Vuitton weitergeführt und dabei die Zeitlosigkeit bzw. Unsterblichkeit der
Marke gesichert, sie aber trotzdem auch weiterentwickelt, damit sie nicht in ihrer eigenen
Vergangenheit gefangen bleibt und es zu einer Mumifizierung der Marke kommt [6, S. 89].
LOUIS VUITTON stellt nicht ohne Grund das erfolgreichste Beispiel für eine Luxusmar-
ke dar und kann als Vorbild für nachhaltige Luxusmarkenführung angesehen werden, da
sich auch der derzeitige kreative Kopf der Marke, der Chef-Designer Marc Jacobs, seiner
Rolle und Verantwortung bewusst ist und sich als jemanden versteht, dessen Aufgabe darin
liegt, die Marke LOUIS VUITTON im Sinne einer „Evolution“ und nicht im Sinne einer
„Revolution“ weiterzuentwickeln.
Die Analyse der Markenidentität der Marke SCHUMACHER stand vor der Herausforde-
rung, den Schöpfereinfluss auf die Marke auf Grund ihrer jungen Historie sehr behutsam
und sanft zu beschreiben. Wissenschaftlich handelte es sich hierbei um unvollständige
und rechts zensierte Informationen. Da keine Beschreibung der Marke existierte, war es
zudem schwierig, das implizite Wissen der Schöpferin, Dorothee Schumacher, in ein expli-
zites Wissen zu übersetzen und eine strukturerklärende Hauptkomponente der Prägung zu
ermitteln, ohne dabei der Marke einen Interpretationsspielraum zu nehmen.
Von dem Beispiel SCHUMACHER kann gelernt werden, dass bei einer im Vergleich zu
LOUIS VUITTON noch jungen Marke, bei der die ursprüngliche Schöpferin das Unter-
nehmen noch selbst führt, die Schöpferin selbst die Benchmark der Marke ist. Ihr Einfluss
zieht sich durch sämtliche Aspekte der Markenidentität. In diesem Zusammenhang er-
mittelte die Autorin durch Auswertung eines identitätsbezogenen Tiefeninterviews mit der
3 Der Einfluss des ursprünglichen Schöpfers einer Luxusmodemarke auf . . . 51

Schöpferin und der Analyse von Kommunikationsmaßnahmen (z. B. im Rahmen einer


SCHUMACHER-Modenschau), dass bei SCHUMACHER die Prägung der Markeniden-
tität mit Hilfe eines immer wiederkehrenden Sehnsuchtsmotivs der Schöpferin aus ihrer
Kindheit erklärt werden kann, das stark an die Sehnsucht der deutschen Romantiker des 19.
Jahrhunderts erinnert. Dieses Motiv zieht sich mit gleicher Intensität durch sämtliche Kom-
ponenten der Markenidentität. Die besondere Herausforderung der weiteren erfolgreichen
Führung einer noch jungen Luxusmodemarke wie SCHUMACHER liegt nun darin, die
Marke weiterhin im Sinne ihrer Schöpferin zu führen. Im Falle von SCHUMACHER wür-
de sich ein Festhalten an der Deutschen Romantik im Sinne eines Markenkerns anbieten,
da dies aus Sicht der Autorin nicht nur authentisch, sondern auch einzigartig und nach-
haltig wäre. Ziel muss sein, dass auch in Zukunft bei jeder Modenschau die romantische
Sehnsucht der Schöpferin erkennbar bleibt, ohne dass erst das Logo gezeigt werden muss.
Abschließend konnte mit diesem Artikel gezeigt werden, dass mit Hilfe des Ansatzes der
identitätsbasierten Markenführung, Luxusmodemarken analysiert und optimiert werden
können.

Literatur

1. Burmann, C., Blinda, L., & Nitschke, A. (2003). Konzeptionelle Grundlagen des identitätsbasier-
ten Markenmanagements. 1. Arbeitspapier des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement der
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Identitätsbasierte Führung von Luxusmarken
unter besonderer Berücksichtigung der 4
Marken-Authentizität am Beispiel von Bugatti und
Maybach

Mike Schallehn

Zusammenfassung
Angezogen von dem stetigen Wachstum des Luxussegments versuchen zunehmend Un-
ternehmen des Niedrig- und Mittelpreissegments in den Luxusmarkt einzudringen. Um
sich gegen diesen Druck von unten zu wehren, müssen Luxusmarken vermehrte Anstren-
gungen erbringen, um ihren exklusiven Status zu verteidigen. Vor diesem Hintergrund
beschäftigt sich der folgende Beitrag mit der Relevanz des identitätsbasierten Marken-
führungsansatzes für den Erfolg von Luxusmarken. Ein besonderer Fokus liegt auf dem
Konzept der Marken-Authentizität, welches konzeptionell auf dem identitätsbasierten
Markenführungsansatz aufbaut. Dieses wird inhaltlich erläutert und die zentralen stra-
tegischen Implikationen für die Führung von Luxusmarken anhand einer Fallstudie aus
dem Luxusautomobilmarkt aufgezeigt.

4.1 Herausforderungen für die Führung von Luxusmarken

Der Luxusmarkt boomt. Allein im Jahr 2011 wuchs der Gesamtumsatz der Branche um
zehn Prozent und übersteigt mit 191 Mrd. € sogar das historische Hoch von 170 Mrd. €
aus dem Vorkrisenjahr 2007 [2]. Auch die Zukunftsaussichten sind optimistisch. Für die
nächsten drei Jahre wird mit einem jährlichen Umsatzanstieg von sechs bis sieben Prozent
auf ca. 230 Mrd. € gerechnet. Zurückzuführen ist diese positive Entwicklung u. a. auf den
gestiegenen Wohlstand in der Gesellschaft, wobei insbesondere ein anhaltendes Wachstum
in China und anderen schnell wachsenden Luxusgütermärkten wie Russland, Brasilien und
dem Nahen Osten die Nachfrage beflügelt.
Die Führung einer Luxusmarke ist jedoch mit wachsenden Herausforderungen verbun-
den. Durch qualitativ oft gleichwertige generische Marken, die zu einem niedrigeren Preis

Dr. Mike Schallehn ()


Cologne Business School Hardefuststr. 1 50677 Köln, Deutschland
E-Mail: m.schallehn@cbs-edu.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 53


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
54 M. Schallehn

angeboten werden, steigt die Wettbewerbsintensität [13, S. 471]. Zudem streben vermehrt
Marken des Niedrig- und Mittelpreissegments eine Positionierung als Premiummarke an,
um ihre Marke mit einem symbolischen Zusatznuten auszustatten [24, S.6]. So bietet
bspw. die Modekette H&M Kollektionen namhafter Designer wie Versace oder Lagerfeld an
und bedroht damit direkt die Exklusivitätswahrnehmung preislich höher angesiedelter Lu-
xusmarken. Um sich gegen diesen Druck von unten zu behaupten, müssen Luxushersteller
vermehrte Anstrengungen zur systematischen Profilierung ihrer Marken unternehmen [13,
S. 471]. Dies erfordert eine Markenführung, die den eigentlichen differenzierenden Nutzen
einer Luxusmarke herausstellt und pflegt [5, S. 43]. Dem vorliegenden Beitrag liegt die The-
se zu Grunde, dass sich hierzu insbesondere der identitätsbasierte Markenführungsansatz
nutzen lässt, da dieser die Grundvoraussetzungen für den Aufbau und Erhalt von Marken-
Authentizität schafft. Zur Stützung dieser These lassen sich die Untersuchungsergebnisse
einer von Schallehn durchgeführten empirischen Studie zur Authentizität von Marken her-
anziehen [21]. Deren zentrale Untersuchungsergebnisse werden im Rahmen dieses Artikels
dargestellt und anhand von zwei Fallbeispielen aus dem Automobilbereich auf die Füh-
rung von Luxusmarken angewendet. Um den vielschichtigen Begriff Luxus im Kontext
der Markenführung zu konkretisieren, erfolgt zunächst eine einleitende Darstellung des
charakterisierenden Nutzenversprechens einer Luxusmarke.

4.2 Besonderheit des Nutzenversprechens von Luxusmarken

Luxusmarken zeichnen sich durch eine hohe wahrgenommene Qualität, einen hohen wahr-
genommenen Preis sowie Exklusivität aus [7, S. 8 ff., 11, S. 22]. Diese drei Aspekte bilden
die Grundlage für das zentrale Merkmal von Luxusmarken: ihren hohen symbolischen
Nutzen [20, S. 37, 24, S. 28]. Symbolischer Nutzen kann als ,,die nachfragerseitig empfun-
dene Eignung einer Marke zur Repräsentation seiner Ich-Identität und/oder seiner sozialen
Identität verstanden werden‘‘ [17, S. 125]. Eine Luxusmarke dient vor diesem Hintergrund
dem Nachfrager als Instrument, mit dem er prestigeorientierten Persönlichkeitseigenschaf-
ten konkreten Ausdruck verleihen und diese gegenüber sich selbst bzw. gegenüber seinem
sozialen Umfeld effektiv demonstrieren kann. Hierdurch ist es dem Nachfrager möglich
die menschlichen Grundbedürfnisse nach persönlicher Selbstverwirklichung und sozialer
Anerkennung zu befriedigen [11, S. 23, 13, S. 475].
Während das hohe Preisniveau von Luxusmarken grundsätzlich als ein Symbol des sozia-
len Status und des Qualitätsbewusstseins verstanden werden kann, spielen die besonderen,
mit der jeweiligen Luxusmarke verknüpften Identitätsmerkmale eine entscheidende Rolle
als Beleg der Persönlichkeit des Nachfragers. Steht für den Nachfrager bspw. die Demon-
stration von Eigenschaften wie „Sportlichkeit“ und „Dynamik“ im Vordergrund, könnte
die Marke „Ferrari“ ein geeignetes Vehikel zur Vermittlung dieser Eigenschaften darstellen,
da die Marke nicht zuletzt durch eine erfolgreiche Rennsporthistorie mit jenen Aspek-
ten assoziativ verknüpft wird. Persönlichkeitsmerkmale wie „Kultiviertheit“ und „Eleganz“
4 Identitätsbasierte Führung von Luxusmarken . . . 55

könnten dagegen eher durch aristokratische Luxusmarken wie „Aston Martin“ oder „Rolls
Royce“ kommuniziert werden.
Voraussetzung dafür, dass der hier beschriebene symbolische Nutzen mittels einer Lu-
xusmarke realisiert werden kann, ist, dass der Nachfrager, bzw. ebenfalls das entsprechende
soziale Umfeld, Kenntnis von der symbolischen Bedeutung der verwendeten Marke besitzt
und diese Symbolik nicht lediglich als Werbeversprechen, sondern als authentischen und
daher glaubwürdigen Ausdruck des Wesens und Charakters der Marke anerkennt [17, S.
122 ff.]. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass Luxusmarken sowohl bei ihren Kunden als
auch bei deren sozialen Umfeld über ein klares und authentisch erachtetes Markenimage
verfügen müssen, damit der angestrebte symbolische Nutzen verwirklicht werden kann.
Inwiefern eine identitätsbasierte Markenführung solch ein Markenimage entstehen lässt
soll im Folgenden erläutert werden.

4.3 Grundmodell der identitätsbasierten Markenführung

Der Ansatz des identitätsbasierten Markenmanagements definiert eine Marke als ,,Nutzen-
bündel mit spezifischen Merkmalen, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber
anderen Nutzenbündeln, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht relevanter Ziel-
gruppen nachhaltig differenziert‘‘ [4, S. 53]. Dieses Markenverständnis leitet sich aus der
sozialwissenschaftlichen Identitätsforschung ab. Kennzeichnendes Element ist dass zwi-
schen einer Inside-Out- und einer Outside-In-Perspektive der Marke unterschieden wird.
Die Innenperspektive (Inside-Out) analysiert die wesensprägenden Merkmale einer Marke
als Kernbestandteile der Markenidentität. Aus Sicht der identitätsbasierten Markenführung
handelt es sich bei der Markenidentität um eine Sonderform der Gruppenidentität, welche
das Selbstbild der internen Zielgruppen (Markenmitarbeiter, Markenführende) von der
Marke umfasst. Der identitätsbasierte Markenführungsansatz liefert folgende Definition:
,,Markenidentität ist die Ganzheit derjenigen raum-zeitlich gleichartigen Merkmale der Mar-
ke, die aus Sicht der internen Zielgruppen in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke
prägen‘‘ [4, S. 53].
Gegenüber der Markenidentität verkörpert das Markenimage die Sicht der externen
Zielgruppen (Nachfrager, weitere Stakeholder) auf die Marke. Es basiert auf der Wahr-
nehmung, Dekodierung und Beurteilung aller von der Marke ausgesendeten Signale. Der
identitätsbasierte Markenführungsansatz definiert das Markenimage dementsprechend als
mehrdimensionales Einstellungskonstrukt, ,,welches das in der Psyche relevanter, externer
Zielgruppen fest verankerte, verdichtete, wertende Vorstellungsbild von einer Marke wieder-
gibt‘‘ [16, S. 364]. In diesem Zusammenhang wird auch vom sogenannten „Fremdbild“ der
Marke gesprochen. Gemäß der integrierten Perspektive des Ansatzes steht die Steuerung der
wechselseitigen Beziehung zwischen Markenidentität und Markenimage im Mittelpunkt
der identitätsbasierten Markenführung.
Auf Seiten der Markenführenden orientiert sich die Ausgestaltung dieser Beziehung an
den strategischen Vorgaben, die im Rahmen der Markenpositionierung entwickelt wurden.
56 M. Schallehn

Die Positionierung einer Marke stellt einen unternehmensseitigen Managementprozess dar,


durch den eine vorteilhafte Position in der Psyche der relevanten Nachfrager besetzt und
eine Differenzierung zu Wettbewerbern erzielt werden soll [8, S. 29]. Hierzu wird zunächst
die angestrebte Position unter Berücksichtigung der vorhandenen Markenidentität sowie
der kaufverhaltensrelevanten Erwartungen der externen Zielgruppen festgelegt. Letzteres
ist notwendig, um eine nachhaltige Kaufverhaltensrelevanz und Differenzierung der Marke
sicherzustellen. Die dergestalt entwickelte Positionierung wird anschließend in ein kurzes
und verständliches Markennutzenversprechen übersetzt, nach innen und später nach außen
kommuniziert und über das Markenverhalten operativ umgesetzt. Dieser Schritt beinhal-
tet außengerichtet die Ausgestaltung der Marketing-Mixinstrumente (Markenleistungs-,
Markenpreis-, Markenkommunikations-, Markendistributionspolitik) sowie innengerich-
tet den Auf- und Ausbau eines hohen mitarbeiterseitigen Brand Commitments, um ein
positionierungskonformes Mitarbeiterverhalten zu gewährleisten [27, S. 85]. Erfahrbar
wird das Markenverhalten für die Nachfrager durch konkrete Markenerlebnisse an allen
Berührungspunkten mit der Marke, den sogenannten Brand-Touch-Points. Das Ergebnis
aller Markenführungsaktivitäten und Marke-Nachfrager-Interaktionen spiegelt sich in der
Marke-Nachfrager-Beziehung wider, deren Stabilität die Basis für eine langfristige Kun-
denbindung und damit den ökonomischen Erfolg einer Marke bildet [26, S. 89]. Das
Grundmodell der identitätsbasierten Markenführung ist in Abb. 4.1 dargestellt:

4.3.1 Marken-Authentizität als Erfolgsfaktor

Für den Aufbau einer stabilen Marke-Nachfrager-Beziehung ist es wichtig, dass Nachfrager
das abgegebene Markennutzenversprechen auch als authentischen und daher glaubwür-
digen Ausdruck der Marke anerkennen [4, S. 67]. D. h., die Marke darf sich mit ihrem
Markennutzenversprechen nicht anders nach außen darstellen, als sie von ihrer inneren
Identität her ist. Aufgrund dieser zentralen Bedeutung von Marken-Authentizität inner-
halb des identitätsbasierten Markenführungsansatzes soll im Folgenden etwas detaillierter
auf das Konzept eingegangen werden.
Die wissenschaftlichen Disziplinen der Psychologie und Soziologie setzen sich u.
a. mit dem Begriff der Authentizität auseinander. Aufgrund der sozialpsychologischen
Fundierung des identitätsbasierten Markenführungsansatzes lassen sich diese Begriffs-
verständnisse für eine Erläuterung des Marken-Authentizitätskonzepts nutzen. Aus einer
psychologischen Sichtweise, welche das Individuum in den Mittelpunkt der Betrachtung
rückt, wird unter Authentizität ein individuumzentriertes Motiv der Selbstverwirklichung
verstanden [14, S. 133]. Selbstbilder und emotionale Zustände werden subjektiv stimmig
zum Ausdruck gebracht, selbst dann, wenn damit bei anderen Personen kein positiver Ein-
druck hinterlassen wird. In der Soziologie, welche sich stärker mit dem Miteinander von
Personen beschäftigt, wird unter Authentizität das Gegenteil einer täuschenden Selbstdar-
stellung verstanden. Eine Person ist diesem Verständnis nach authentisch, wenn sie sich
4 Identitätsbasierte Führung von Luxusmarken . . . 57

Markenidentität Markenimage

Markennutzen- Marken-
versprechen erwartungen

Selbstbild der Marke-Nachfrager-Beziehung Fremdbild der


internen Zielgruppen externen Zielgruppen

Markenerlebnis
Marken-
an allen Brand
verhalten
Touch Points

Abb. 4.1 Grundmodell der identitätsbasierten Markenführung [16, S. 360]

nach außen so darstellt, wie sie von ihrer Identität her ist, d. h., ihr soziales Umfeld nicht
über ihr „wahres Ich“ täuscht [9, S. 155].
Beide Konzeptualisierungsansätze verdeutlichen, dass „Authentizität“ und „Identität“
in einem engen Zusammenhang stehen. Während es sich bei der Identität jedoch um ein
merkmalsbezogenes Konzept handelt, welches die Identifikation von Eigenschaften thema-
tisiert, welche als besonders zentral für die eigene Selbstdefinition erlebt werden, handelt
es sich bei der Authentizität um ein darstellungsbezogenes Konzept [21, S. 36 ff.]. Dabei
ist Authentizität als Ergebnis eines Evaluationsprozesses aufzufassen, bei dem untersucht
wird, ob die selbstdarstellungsbezogenen Äußerungen und Handlungen einer Person in
Einklang mit ihrer inneren Identität stehen. Die Feststellung dieser Übereinstimmung er-
möglicht dann die weiterführende Attribution, dass eine Person ihr Verhalten primär nach
ihrer Identität und lediglich sekundär nach umweltbezogenen Faktoren (bspw. monetä-
re Belohnung, Entsprechen von Regeln und Normen, Vermeidung von Bestrafung etc.)
ausrichtet. Authentizität bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch nicht zwingend, dass
die Identitätsmerkmale vollständig deckungsgleich mit dem selbstdarstellungsbezogenen
Verhalten sein müssen. Wichtiger für die Beurteilung von Authentizität ist, dass sich die
Verursachung gegenwärtiger Handlungen („warum“ verhalte ich mich so, wie ich mich
verhalte?) über die Identitätseigenschaften (bspw. Herkunft, Werte, Visionen, Persönlich-
keitseigenschaften, Kompetenzen etc.) erklären lässt. D. h., es muss der Eindruck entstehen,
dass eine Person selbstbestimmt und selbstverwirklichend handelt und eben nicht ein Ver-
halten an den Tag legt, das hauptsächlich durch umweltbezogene, identitätsfremde Faktoren
verursacht wird. Dementsprechend lässt sich Authentizität als ,,Ausmaß identitätsbezogener
Handlungsverursachung‘‘ definieren [21, S. 38].
Das Konzept der Authentizität lässt sich über den Prozess der Markenpositionierung in
den identitätsbasierten Markenführungsansatz einordnen. Wie bereits dargestellt wurde,
58 M. Schallehn

betont dieser, dass zur Entwicklung der Markenpositionierung zwei Perspektiven ein-
genommen werden müssen. Zum einen ist eine ressourcen- bzw. kompetenzorientierte
Sichtweise notwendig. Hierbei werden Identitätsmerkmale identifiziert, welche für die
Markenpositionierung grundsätzlich zur Verfügung stehen. Zum anderen ist eine markt-
orientierte Perspektive erforderlich, welche die Idealvorstellungen der Nachfrager und die
Angebote der Wettbewerber analysiert. Dies stellt die nötige Kaufverhaltensrelevanz und
Differenzierung sicher. Die marktorientierte Perspektive beinhaltet jedoch die Gefahr, dass
eventuell auch Komponenten in die Markenpositionierung einfließen, die zwar von der
externen Zielgruppe erwünscht sind und zur Abgrenzung von Konkurrenten beitragen
würden, diese aber nur unzureichend die Identität der Marke widerspiegeln [6, S. 51]. An
diesem Punkt ist das Konzept der Marken-Authentizität zu verorten.
Gemäß der Definition von Authentizität liegt mangelnde Marken-Authentizität dann
vor, wenn sich die Markenpositionierung zu stark von der vorhandenen Ist-Identität ent-
fernt und in Folge dessen die Markenidentität nicht mehr als primär verursachende Größe
für die Abgabe des Markennutzenversprechens attribuiert werden kann. Dies lässt die Mar-
ke unglaubwürdig erscheinen, da sich das kommunizierte Versprechen nicht mehr über
die Markenidentität verifizieren lässt. Folgendes Beispiel lässt sich anführen: Denkbar ist,
dass sich eine Sportwagenmarke, deren Identität durch das Merkmal „besonders leistungs-
starke Automobile“ gekennzeichnet ist, auf Grund eines gestiegenen Umweltbewusstseins
in der Gesellschaft dazu entscheidet, zukünftig ebenfalls Modelle mit einer schwachen
Motorisierung und einem geringen CO2 Ausstoß anzubieten. Unternehmensintern wird
dementsprechend eine „umweltfreundliche“ Positionierung entwickelt und ein entspre-
chendes Markennutzenversprechen nach außen kommuniziert. Lässt sich dieses jedoch
nicht mehr über die vorhandene Ist-Identität der Marke erklären, wovon in dem gewählten
Beispiel auszugehen ist, sinkt die Authentizität der Marke.
Um Missverständnisse zu vermeiden, ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass sich eine
Marke durchaus durch eine Veränderung ihrer Markenpositionierung weiterentwickeln
kann. Dies ist sogar zwingend erforderlich, um ihre Aktualität sicherzustellen. Jedoch
betont der identitätsbasierte Markenführungsansatz, dass eine Veränderung der Marken-
positionierung nur in geringem Maße die essentiellen Markenmerkmale betreffen sollte
[19, S. 82 f.]. Essentielle Merkmale sind solche, die über einen längeren Zeitverlauf stetig
beibehalten wurden und dadurch den Kern der Markenidentität beschreiben. Ihnen gegen-
über stehen die akzidentiellen Merkmale, die im Gegensatz zu den essentiellen Merkmalen
nicht den Markenidentitätskern definieren, sondern diesen lediglich durch stilistische Mit-
tel zeitgemäß interpretieren. Übertragen auf das genannte Beispiel könnte das gestiegene
Umweltbewusstsein der Nachfrager bei gleichzeitiger Bewahrung der Marken-Authentizität
bspw. dergestalt berücksichtigt werden, dass zwar die hohe Motorenleistung der Automo-
bile beibehalten wird (essentielles Markenmerkmal), jedoch ein stärkerer Fokus auf die
Energieeffizienz der Motoren gerichtet wird (akzidentielles Markenmerkmal).
4 Identitätsbasierte Führung von Luxusmarken . . . 59

4.3.2 Determinanten von Marken-Authentizität

Konzeptionell handelt es sich bei der Markenidentität als Referenzgrundlage für die Beur-
teilung von Authentizität um eine unternehmensinterne Größe. Somit stellt sich die Frage,
wie die Authentizität einer Marke von externen Zielgruppen beurteilt werden kann. Hierauf
soll im Folgenden näher eingegangen werden.
Lerntheoretisch lässt sich argumentieren, dass die Identität einer Marke von den Merk-
malen geprägt wird, die diese kontinuierlich, konsistent und individuell umsetzt. Die
Bedeutung kontinuierlicher und konsistenter Handlungen für das Entstehen von Iden-
tität lässt sich über das Kontiguitätsprinzip des Lernens begründen [12, S. 377 f.]: Die
zeitverlaufsbezogene Kontinuität bzw. zeitpunktbezogene Konsistenz bestimmter Merk-
male sorgt im Sinne einer Reizwiederholung für eine besonders starke Verankerung dieser
Merkmale im Gedächtnis der Wahrnehmenden. Zudem lässt sich dissonanztheoretisch ar-
gumentieren, dass zeitverlaufs- bzw. zeitpunktbezogene Widersprüche im Verhalten einer
Marke ständige kognitive Anpassungen erfordern würden. Dies steht der Entstehung eines
klaren Selbstbilds entgegen. Die Bedeutung individueller Handlungen für das Entstehen
von Identität basiert auf dem Sachverhalt, dass Interferenzen während des Lernprozes-
ses vermieden werden. Interferenz bezeichnet das Phänomen, dass Lernen durch mehrere
ähnliche Botschaften, die sich jedoch auf unterschiedliche Sender beziehen, behindert wird
[18, S. 189]. Durch die Überschneidungen fällt es der Person schwer, die kommunizier-
ten Informationen einem bestimmten Sender zuzuordnen. Zeichnet sich hingegen ein
Verhalten durch Individualität aus, so erleichtert dies die Ausbildung eines klaren Selbst-
bilds, da die Informationen eindeutig der jeweiligen Marke zugeordnet werden können.
Vor diesem lerntheoretischen Hintergrund lässt sich schlussfolgern, dass die Identität einer
Marke als merkmalsbezogenes Selbstbild von den Merkmalen konstituiert wird, die sich
aus kontinuierlichem, konsistentem und individuellem Verhalten ergeben.
Die Relevanz kontinuierlicher, konsistenter und individueller Handlungen für das Ent-
stehen von Identität lässt sich auf die Außenperspektive übertragen. Da kontinuierliches,
konsistentes und individuelles Verhalten auch für Außenstehende wahrnehmbar ist, kann
davon ausgegangen werden, dass ein entsprechendes Vorstellungsbild über die Identität
einer Marke ebenfalls von den Merkmalen geprägt wird, die eine Marke kontinuierlich,
konsistent und individuell an den Tag legt. Marken-Authentizität als darstellungsbezogene
Größe konzentriert sich dann auf den Aspekt, dass auch das Markennutzenversprechen von
diesen Identitätsvorstellungen geprägt wird. D. h., verspricht bspw. eine Marke „Sportlich-
keit“, so wird sie besonders authentisch wahrgenommen, wenn das „sportliche“ Versprechen
durch kontinuierliches, konsistentes und individuelles Markenverhalten bestätigt wird. Die
Größen Kontinuität, Konsistenz und Individualität einer Marke als Determinanten der
wahrgenommenen Marken-Authentizität lassen sich wie folgt definieren:

– Die Kontinuität einer Marke kennzeichnet die Übereinstimmung des Markennutzenver-


sprechens mit denjenigen Merkmalen, die eine Marke über einen längeren Zeitverlauf
beibehalten hat. Die Wahrnehmung von Kontinuität setzt somit ein über längere Zeit
60 M. Schallehn

Kontinuität
0,37***
einer Marke
R2= 66% R2= 51%

Konsistenz 0,36*** Wahrgenommene 0,71***


Markenvertrauen
einer Marke Marken-Authentizität

Individualität
einer Marke 0,16***
***Signifikant auf 1% Niveau

Abb. 4.2 Messergebnisse zu Determinanten und Wirkungen von Marken-Authentizität [21, S. 168]

im Kern gleichbleibendes Markenverhalten voraus, da erst dann essentielle Marken-


merkmale entstehen, auf Basis dessen diese vergangenheitsbezogene Stimmigkeit des
Markennutzenversprechens beurteilt werden kann.
– Die Konsistenz einer Marke beschreibt die Übereinstimmung des Markennutzen-
versprechens mit denjenigen Merkmalen, die eine Marke über ihr gegenwärtiges
Markenverhalten zum Ausdruck bringt. Die Wahrnehmung von Konsistenz setzt fol-
gerichtig ein in sich widerspruchsfreies Markenverhalten an allen Brand-Touch-Points
voraus, da erst dann eine merkmalsbezogene Bezugsgröße für die Beurteilung dieser
gegenwartsbezogenen Stimmigkeit des Markennutzenversprechens vorliegt.
– Die Individualität einer Marke kennzeichnet die Übereinstimmung des Marken-
nutzenversprechens mit denjenigen Merkmalen, die eine Marke im Vergleich zu
Wettbewerbern einzigartig und unverwechselbar machen. Die Wahrnehmung von In-
dividualität setzt demnach ein individuelles Markenverhalten voraus, um Merkmale
entstehen zu lassen, anhand derer diese abgrenzungsorientierte Stimmigkeit beurteilt
werden kann.

Die Relevanz der Größen Kontinuität, Konsistenz und Individualität einer Marke für die
Wahrnehmung von Marken-Authentizität lassen sich durch jüngste empirische Untersu-
chungsergebnisse belegen. In einer von Schallehn durchgeführten Studie aus dem Jahr 2010,
bei der insgesamt 671 Konsumenten zur Authentizität von zehn Konsumgütermarken be-
fragt wurden, zeigte sich, dass diese Variablen 66 % der Varianz der wahrgenommenen
Marken-Authentizität erklären [21, S. 168]. Darüber hinaus wurde ein hoch signifikanter,
starker Zusammenhang von Marken-Authentizität und Markenvertrauen nachgewiesen,
was die Erfolgsrelevanz des Konstrukts aufzeigt. Auch wenn die Studie nicht spezifisch für
Luxusmarken durchgeführt wurde, belegt sie für Marken im Allgemeinen die hohe Bedeu-
tung kontinuierlicher, konsistenter und individueller Handlungen. Abbildung 4.2 zeigt die
Ergebnisse der Untersuchung aggregiert für alle zehn untersuchten Marken im Überblick.
4 Identitätsbasierte Führung von Luxusmarken . . . 61

4.4 Relevanz der Marken-Authentizität für Luxusmarken

In Abschn. 4.2 wurde dargestellt, dass sich eine Luxusmarke durch ihren hohen sym-
bolischen Nutzen der Selbstbestätigung bzw. der Erlangung von sozialer Anerkennung
auszeichnet. Zur Realisation dieses Nutzens ist es wichtig, dass die Marke von allen
relevanten Zielgruppen mit den angestrebten Identitätsmerkmalen assoziiert wird. Aus
lerntheoretischer Perspektive wurde argumentiert, dass dies insbesondere dann der Fall ist,
wenn sich eine Marke kontinuierlich, konsistent und individuell am Markt verhält. Auf
Basis der Ausführungen zum Konzept der Marken-Authentizität lässt sich darüber hinaus
festhalten, dass auch das Nutzenversprechen einer Marke primär von diesen, sich aus dem
Markenverhalten ergebenden Identitätsmerkmalen geprägt sein muss, damit ein hohes Maß
an Authentizität attribuiert werden kann. Eines der Grundprinzipien des Marketings, die
angebotenen Leistungen schnell und umfassend an veränderte Anforderungen des Marktes
anzupassen, ist demnach aus einer Authentizitätsperspektive nur bedingt empfehlenswert.
Kapferer/Bastien schreiben hier zu: ,,Luxury is the expression of a taste, of a creative identity,
of the intrinsic passion of a creator.[. . . ] [A luxury brand] prefers to be faithful to an iden-
tity rather than be always worrying about where it stands in relation to a competitor‘‘ [11,
S. 62]. Sie betonen damit, dass eine zu starke Ausrichtung der Markenpositionierung an
umweltbezogenen Anforderungen, d. h. Merkmalen, die sich nicht in der Markenidentität
reflektieren, die Authentizität und damit Glaubwürdigkeit einer Luxusmarke gefährdet.
Eine unglaubwürdige Marke eignet sich jedoch nicht mehr zur effektiven Demonstration
von Identitätsmerkmalen und kann somit nicht mehr das Bedürfnis nach sozialer Aner-
kennung und Selbstbestätigung erfüllen. Der zentrale Beweggrund für den Erwerb einer
Luxusmarke ist dann nicht mehr gegeben.
Im folgenden Abschn. 4.5 soll die Erfolgsrelevanz der Authentizitätsdeterminanten
Kontinuität, Konsistenz und Individualität einer Marke anhand einer Fallstudie aus dem
Automobilbereich verdeutlicht werden. Konkret werden hierzu Markenführungsentschei-
dungen der Luxusmarken Bugatti und Maybach gegenübergestellt. Einleitend erfolgt ein
kurzer Einblick in die Unternehmenshistorien, da diese eine wichtige Rolle für die jeweiligen
Identitäten der Marken spielen.

4.5 Fallstudie Bugatti – Maybach

Bugatti Das Unternehmen Bugatti wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Ettore Bu-
gatti gegründet. Der gelernte Fahrradbauer mietete die leerstehenden Immobilien einer
Färberei in Molsheim bei Straßburg an. Hier begann er im Jahre 1910 mit der Produktion
eines Leichtwagens namens Typ 13 erstmals unter eigenem Namen. Das Nutzenversprechen
seiner Marke Bugatti basierte auf technischer Finesse und einzigartigem Design, das sich
insbesondere durch seine Eleganz und Exklusivität auszeichnete. Vor allem die Siege bei
zahlreichen Autorennen brachten der Marke über die Jahre Ruhm und internationale Be-
62 M. Schallehn

kanntheit ein. Während des 2. Weltkrieges wurde Ettore Bugatti jedoch von den deutschen
Besatzern dazu gezwungen, seine Fabrik zu verkaufen.
In den darauf folgenden Jahren scheiterten mehrere Versuche die Marke wieder aufleben
zu lassen. Im Jahre 1998 erwarb die Volkswagen AG die Markenrechte an der Marke Bugatti
und gründete die Bugatti Automobiles S.A.S. als Tochtergesellschaft von VW France. Der
Firmensitz wurde am Standort Molsheim im Schloss Château Saint Jean errichtet, welches
der Gründer Ettore Bugatti in den 20er Jahren erworben hatte und als Repräsentanz für
seine Bugatti-Modelle nutzte. 2001 beschloss der Konzern die Serienproduktion des Bugatti
Veyron 16.4, dem schnellsten für den Straßenverkehr zugelassenen Seriensportwagen [3].

Maybach 1909 gründete Wilhelm Maybach mit seinem Sohn Karl Maybach die
Luftfahrzeug-Motorenbau GmbH in Bissingen an der Enz. Im Jahre 1912 wurde der Fir-
mensitz nach Friedrichshafen verlegt. Die Firma wurde später in Maybach Motorenbau
umbenannt. Die Umsetzung ihrer Unternehmensphilosophie ,,to create only the best from
the best, a vehicle that is the ultimate in wishfulfilment, with a distinctive character of the
finest elegance and power‘‘ [15] gelang ihnen mit dem Bau der opulenten Luxuslimousine
„Zeppelin“ in den 30er Jahren.
Heute gehört die Marke Maybach zur Daimler AG, die ihren Firmensitz in Stuttgart
hat. Die Verknüpfung zum Daimler Konzern ist historisch bedingt. Wilhelm Maybach,
Weggefährte von Gottlieb Daimler und ehemals technischer Direktor bei der Daimler-
Motoren-Gesellschaft (DMG), entwickelte 1901 im Auftrag des österreichischen Konsuls
Emil Jellinek den ersten Mercedes [15].
Beide Marken – Bugatti und Maybach – verdanken ihre Identitäten bekannten Grün-
derpersönlichkeiten, die die Anfänge der Automobilindustrie richtungsweisend prägten
und die zu ihrer Zeit große Erfolge mit ihren Marken erzielten. Bei Bugatti scheint die
Übersetzung der Markenidentität in das 21. Jahrhundert gelungen. Der Erfolg des Veyron
16.4 spiegelt sich in langen Wartelisten und zahlreichen Medienberichten wider [25]. Bei
Maybach hingegen spricht die Branche von „mikroskopischen Verkaufszahlen“ [9] und
prophezeite den Flop der Marke bereits drei Jahre nach der Wiedereinführung [22]. Im
Jahr 2010 ist das von Maybach ausgegebene Ziel, jährlich mindestens 1000 Exemplare
zu verkaufen, immer noch nicht erreicht. Zuletzt kündigte die Daimler AG die Einstel-
lung der Maybach-Fahrzeugproduktion zu Gunsten einer Ausweitung der Modellpalette
der Mercedes S-Klasse für das Jahr 2013 an [1]. Dies führt zur Frage nach den Grün-
den für die erfolgreiche Renaissance der Marke Bugatti einerseits und die misslungene
Wiedereinführung der Marke Maybach andererseits.
Aus Sicht der identitätsbasierten Markenführung lassen sich hierzu folgende Hypothe-
sen formulieren, die im weiteren Verlauf durch eine nähere Betrachtung der jeweiligen
Markenauftritte inhaltlich belegt werden sollen:

Hypothese 1: Die erfolgreiche Wiedereinführung der Marke Bugatti basiert auf einer auf
den Aufbau von Marken-Authentizität ausgerichteten identitätsbasierten Markenführung.
4 Identitätsbasierte Führung von Luxusmarken . . . 63

Abb. 4.3 Historie und Gegenwart der Marke Bugatti [3]

Hypothese 2: Der Grund für die missglückte Wiedereinführung der Marke Maybach liegt
in einer mangelhaften identitätsbasierten Markenführung und einer daraus resultierenden
schwachen Marken-Authentizität.
Da die wahrgenommene Authentizität durch die Größen Kontinuität, Konsistenz und
Individualität einer Marke determiniert wird, erfolgt eine Gegenüberstellung der Marken
Bugatti und Maybach entlang dieser drei Determinanten.

Kontinuität Eine kontinuierliche Vermittlung des Identitätsmerkmals „Exklusivität“ wird


im Hause Bugatti insbesondere über die Vergegenwärtigung der Firmenhistorie erzielt. Da-
mals wie heute wird das exklusive Nutzenversprechen eindrucksvoll über die Wahl eines
Schlosses als Firmenzentrale kommuniziert und bewiesen. Die Entscheidung, den Fir-
menstandort im Château Saint Jean in Molsheim zu erhalten und dort Verwaltung und
Produktion trotz damit verbundener hoher Kosten anzusiedeln, verdeutlicht, dass den
Handlungen der Marke eine starke Markenidentität zu Grunde liegt. Die Kontinuitäts-
und damit auch Authentizitätswahrnehmung wird auch über die Art und Weise des De-
signs der Fahrzeuge gestärkt. So zitiert das aktuelle Modell Veyron den charakteristischen
Hufeisenkühlergrill antiker Originale (Abb. 4.3). Auch die Farbgebung der aktuellen Mo-
delle ist von der Vergangenheit inspiriert. Damals wie heute sind die Modelle in einer
exklusiven Bicolor-Lackierung erhältlich. Zum 100-jährigen Firmenjubiläum wird zudem
die Lackierung „Bleue Centenaire“ angeboten, welche sich an das klassische „Sprintblau“
der historischen Bugatti-Wettbewerbsfahrzeuge anlehnt.
Die Produktion der Maybach Automobile erfolgt hingegen heute nicht mehr in Fried-
richshafen, sondern am Standort Sindelfingen, wo auch die Mercedes-Benz Fahrzeuge
hergestellt werden. Durch die Wahl Sindelfingens als Produktionsstandort, rückt die Be-
deutung der Herkunft der Marke Maybach in den Hintergrund und der historische Kern
der Marke verliert sein Fundament. Das essentielle Identitätsmerkmal der historischen Her-
kunft von Maybach wird somit anders als bei Bugatti nicht mehr fortgelebt, was dazu führt,
dass die Markenidentität verblasst und mit derer von Mercedes-Benz verschwimmt. Auch
ein Aufgreifen historischer Stilelemente im Design der aktuellen Modelle ist nicht zu er-
kennen (Abb. 4.4). Demzufolge werden die Anforderungen an das Kriterium „Kontinuität“
in der Markenführung von Maybach nicht erfüllt.
64 M. Schallehn

Abb. 4.4 Historie und Gegenwart der Marke Maybach [15]

Konsistenz Die Marke Bugatti verspricht ihren Kunden ausgefallene Ästhetik in Kombi-
nation mit technischer Höchstleistung. Die gegenwärtige Umsetzung dieses Versprechens
erfolgt mit Blick auf die technischen Merkmale des Veyrons widerspruchsfrei. Mit einer
Höchstgeschwindigkeit von 407 Km/h und einer Leistung von 1001 PS ist er das schnellste
und stärkste Serienauto der Welt. Auch das ausgefallene Design der Fahrzeuge setzt den
proklamierten Anspruch von ästhetischer Besonderheit stimmig um. Die gewagten Pro-
portionen, harmonischen Flächen und strukturierenden Linien vermitteln den Eindruck
geschmeidiger Eleganz.
Auch bei Maybach gelingt eine konsistente Umsetzung des Leistungsversprechens der
ultimativen Wunscherfüllung über ein weitreichendes Angebot an Individualisierungs-
möglichkeiten der Fahrzeuge durch die Maybach-Manufaktur. Vor allem im Bereich
der Innenraumgestaltung scheint nichts unmöglich zu sein: Von vergoldeten oder mit
Swarowski Kristallen besetzten Armaturen bis über einen eingebauten Humidor oder duft-
versprühende Parfümflakons sind der Verwirklichung der individuellen Kundenwünsche
keine Grenzen gesetzt. Inwieweit hier jedoch Synergien zwischen Mercedes-Benz und May-
bach in Bezug auf den Einsatz von Techniken und Materialien genutzt werden bleibt offen
und stellt die Exklusivität der Mark in Frage.

Individualität Die Individualität des Bugatti Veyron 16.4 wird zum einen durch das aus-
gefallene Design und zum anderen durch die bereits erwähnte einzigartige Motorleistung
definiert. In Handarbeit setzen die Bugatti Ingenieure den technisch ausgefeilten Motor,
welcher in der Mitte des Automobils verbaut wird, im Atelier in Molsheim zusammen. Die
Tatsache, dass die Kunden ihre Fahrzeuge vor Ort abholen können, trägt zur Inszenierung
des individuellen und exklusiven Charakters der Marke bei.
Aufgrund starker Ähnlichkeiten im Design der Maybach Modelle und der Mercedes
S-Klasse ist die Individualität der Marke Maybach hingegen in Frage zu stellen (Abb. 4.5).
Dieser Eindruck bestätigt sich auch, wenn man einen genaueren Blick auf die technischen
Komponenten wirft. So basierte der erste Maybach des Jahres 2002 auf der Plattform
der intern bezeichneten W140 Baureihe der Mercedes S-Klasse. Dieses S-Klasse Modell
wurde bereits im Jahre 1998 eingestellt, so dass neben einem Mangel an Individualität auch
die konsistente, exklusive Umsetzung des Nutzenversprechens kritisch hinterfragt werden
4 Identitätsbasierte Führung von Luxusmarken . . . 65

Abb.4.5 Ähnlichkeiten im Design des Maybachs 57 und der Mercedes S-Klasse, Daimler AG. (Quelle:
Daimler AG)

kann. Die Elektronik übernahm die Luxuskarosse zwar von der Nachfolger-Baureihe W220,
doch auch diese war bei der Maybach Premiere bereits vier Jahre alt [23].
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das exklusive Nutzenversprechen der Marke
Maybach im Gegensatz zur Marke Bugatti weder individuell noch kontinuierlich und in
nicht gänzlich konsistenter Art und Weise umgesetzt wird. Dies hat aller Voraussicht nach
eine mangelnde wahrgenommene Marken-Authentizität zur Folge, was als entscheidender
Grund für den Misserfolg der Marke Maybach angesehen werden kann.

4.6 Zusammenfassung

Dem vorliegenden Artikel lag die These zu Grunde, dass der Schlüssel zum Erfolg einer
Luxusmarke in einer auf den Auf- und Ausbau von Marken-Authentizität ausgerichteten
identitätsbasierten Markenführung liegt. Es wurde herausgestellt, dass die grundlegen-
de Voraussetzung für die Wahrnehmung von Authentizität darin besteht, dass über ein
kontinuierliches, konsistentes und individuelles Markenverhalten ein klares Bild über
die Identität der Marke vermittelt wird und dieses im weiteren Zeitverlauf authentisch
umgesetzt und damit bestätigt wird. Jedoch zeigt nicht zuletzt das Markenbeispiel Bu-
gatti/Maybach auf, dass diesen Anforderungen in der Praxis nicht immer nachgekommen
wird. Umweltbezogene, identitätsfremde Einflüsse, welche im Rahmen des Maybach Bei-
spiels vor allem Kostenaspekte betreffen, können zu einer inkonsequenten Umsetzung
der über das Markennutzenversprechen kommunizierten Markenidentität führen. Das
Maybach Beispiel belegt zudem eindrucksvoll, dass Inkonsequenzen in der identitätsba-
sierten Markenführung zwar gegebenenfalls kurzfristige Vorteile für das markenführende
Unternehmen beinhalten können, bspw. durch die Nutzung von Synergieeffekten in der
Fertigung und den damit verbundenen Kostenvorteilen, dies langfristig aber immer mit
der Gefahr einhergeht, dass die authentizitätsstiftende Ressource „Markenidentität“ negativ
beeinträchtigt wird.
Abschließend lässt sich somit festhalten, dass der Erfolg einer Luxusmarke in bedeuten-
dem Maße davon abhängt, dass sich die Markenführung nicht nur auf die Kommunikation
66 M. Schallehn

eines differenzierenden und verhaltensrelevanten Markennutzenversprechens fokussiert,


sondern vor allem sicherstellt, dass die angestrebte Positionierung durch kontinuierliches,
konsistentes und individuelles Markenverhalten authentisch gelebt und bewiesen wird. Nur
wenn Nachfrager den Eindruck haben, dass eine Luxusmarke auch tatsächlich die Identität
besitzt, die sie über ihre Positionierung für sich proklamiert, werden sie diese als wert-
geschätztes Symbol im Rahmen ihrer persönlichen Identitätskonstruktion nutzen. Eine
starke und authentisch umgesetzte Markenidentität schafft somit die Grundvoraussetzung
für die nachfragerseitig empfundene Begehrlichkeit einer Luxusmarke und sichert damit
ihren langfristigen ökonomischen Erfolg.

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Der symbolische Nutzen von Luxusmarken
5
Andreas Müller und Michael Schade

Zusammenfassung
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Bedeutung des symbolischen Nutzens für die
Profilierung von Luxusmarken. Der symbolische Nutzen ist zur Profilierung von bei
Luxusmarken besonders geeignet, da Menschen durch die Verwendung von Luxus-
marken ihren sozialen Status ausdrücken können. Um dies zu ermöglichen, müssen
Marken klare Persönlichkeitsmerkmale entwickeln und kommunizieren. Neben dem
Nutzen für die Profilierung des Konsumenten ermöglicht die Markenpersönlich-
keit eine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb. Aus diesem Grund wird im
weiteren Verlauf des Artikels die Entwicklung und anschließende Kommunikation ei-
ner Soll-Markenpersönlichkeit (sog. Brand Personality Statement) mit dem Ziel der
Markenprofilierung diskutiert.

5.1 Relevanz des symbolischen Nutzens zur Profilierung von


Luxusmarken

Die Führung einer Luxusmarke ist mit zunehmenden Herausforderungen verbunden:


Durch qualitativ oft gleichwertige generische Marken, die zu einem niedrigeren Preis ange-

Dr. Andreas Müller ()


LS f. innovatives Markenmanagement, Universität Bremen,
Hochschulring 4, 28359 Bremen, Deutschland
E-Mail: anmuelim@uni-bremen.de
Dr. Michael Schade
LS f. innovatives Markenmanagement, Universität Bremen,
Hochschulring 4, 28359 Bremen, Deutschland
E-Mail: mschade@uni-bremen.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 69


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
70 A. Müller und M. Schade

boten werden, steigt der Wettbewerbsdruck bei Luxusmarken in besonderer Weise [14, S.
471]. Um auch bei steigendem Wettbewerbsdruck erfolgreich zu sein, müssen Luxusherstel-
ler vermehrte Anstrengungen zur systematischen Profilierung ihrer Marken unternehmen.
Unter Markenprofilierung ist der Aufbau eines verhaltensrelevanten und differenzierenden
Markenimage bei den externen Zielgruppen zu verstehen [4, S. 11]. Nach der Image-
konzeptualisierung von Burmann/Stolle (2007) besteht das Markenimage aus den drei
Dimensionen Markenattribute, Markenpersönlichkeit und Markennutzen [6, S. 24]. Den
Markennutzen wird auf Grund ihrer Nähe zu Motiven und Bedürfnissen die höchste Ver-
haltensrelevanz zugesprochen. Daher steht die Beeinflussung des Markennutzens bei der
Markenprofilierung im Mittelpunkt. Es lassen sich funktionale und symbolische Nutzen
unterschieden: Der funktionale Nutzen beschreibt den Grad der Bedürfnisbefriedigung
durch die stofflich-technischen bzw. physisch-funktionalen Eigenschaften eines Produktes
[16, S. 360 f.]. Für Luxusmarkenhersteller ist eine Differenzierung über den funktionalen
Nutzen kaum zu erreichen, denn auf funktionaler Ebene erfüllen fast alle Luxusmarken die
höchsten Qualitätsansprüche. Um eine Luxusmarke gegenüber den Wettbewerbern zu dif-
ferenzieren, ist daher der symbolische Nutzen von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus
kann dem symbolischen Nutzen im Kontext von Luxusmarken eine besondere Verhaltens-
relevanz zugesprochen werden [19, S. 37]. Daher fokussiert sich dieser Aufsatz auf die
Markenprofilierung von Luxusmarken mittels des symbolischen Nutzens. Hieraus ergeben
sich folgende Fragestellungen, die im weiteren Verlauf der Arbeit beantwortet werden:

1. Wie lässt sich die hohe Verhaltensrelevanz des symbolischen Nutzen bei Luxusmarken
erklären?
2. Wie können sich Luxusmarken über den symbolischen Nutzen profilieren?

Im folgenden Kapitel wird der symbolische Nutzen zunächst in den Ansatz der identitätsba-
sierten Markenführung eingeordnet. Anschließend wird die besondere Verhaltensrelevanz
des symbolischen Nutzens im Kontext von Luxusmarken erläutert (Forschungsfrage 1). In
Kap. 4 wird an Hand der identitätsbasierten Markenführung erläutert, wie sich Luxusmar-
ken über den symbolischen Nutzen profilieren können (Forschungsfrage 2). Die zentralen
Erkenntnisse des Beitrags werden in einem abschließenden Kapitel zusammenfassend
dargestellt.

5.2 Einordnung des symbolischen Nutzens in die identitätsbasierten


Markenführung

Der Ansatz des identitätsbasierten Markenmanagements unterscheidet zwischen der Selbst-


reflexion der Marke durch die internen Zielgruppen und der Markenwahrnehmung bei
externen Zielgruppen [16, S. 360]. Die Markenidentität bringt diejenigen Merkmale einer
Marke zum Ausdruck, für welche die Marke zunächst nach innen und später nach außen
5 Der symbolische Nutzen von Luxusmarken 71

Abb. 5.1 Identitätsbasierte Markenführung [16, S. 360]

steht bzw. zukünftig stehen soll. Demnach handelt es sich bei der Markenidentität um ein
Aussagenkonzept. Das Markenimage ist als ein Marktwirkungskonzept zu verstehen und als
„ein in der Psyche relevanter externer Zielgruppen fest verankertes, verdichtetes, wertendes
Vorstellungsbild von einer Marke“ definiert [3, S. 6].
Der Schlüssel zum Aufbau einer starken Marke liegt in der Formulierung eines Marken-
nutzenversprechens, dies wird als Positionierung bezeichnet [4, S. 11]. Die Positionierung
entsteht durch eine Verdichtung der Markenidentität zu einem symbolisch-funktionalen
Nutzenbündel und erfordert eine klare Fokussierung auf wenige für die Konsumenten
verhaltensrelevante Dimensionen. Ziel der Positionierung ist es, eine dominierende Stel-
lung der eigenen Marke in der Psyche der Nachfrager und eine Differenzierung gegenüber
den Marken der Wettbewerber zu erreichen. Durch die Positionierung werden bei den
Konsumenten Erwartungen aufgebaut. Damit diese beim Markenerlebnis an allen Brand
Touch Points (bspw. beim Kundenservice) nicht enttäuscht werden, muss das Marken-
verhalten der internen Zielgruppen der Markenpositionierung entsprechen. Bleibt den
internen Zielgruppen unklar, wofür die Marke steht, kann ein konsistentes Verhalten der
unterschiedlichen internen Akteure nicht erreicht werden. Widerspricht das Verhalten der
Mitarbeiter dem kommunizierten Nutzenversprechen, sind ein konfuses Markenimage und
fehlende Differenzierung die Folge. In Abb. 5.1 ist das Grundkonzept der identitätsbasierten
Markenführung grafisch dargestellt.
Im Rahmen dieses Aufsatzes steht der symbolische Markennutzen im Mittelpunkt, der
zunächst in das Markenimages eingeordnet werden soll. Nach der Konzeptualisierung
von Burmann und Stolle (2007) besteht das Markenimage aus den drei Dimensionen
Markenattribute, Markenpersönlichkeit und Markennutzen [6, S. 24]. Keller definiert
72 A. Müller und M. Schade

Markenimage

Markenattribute

Markennutzen Verhalten

Marken-
persönlichkeit

Abb. 5.2 Dimensionen des Markenimages. (Quelle: Stolle, 2012, S. 109)

die Markenattribute als „descriptive features features that characterize a product or ser-
vice“ [13, S. 4]. Zu den Markenattributen gehören u. a. physische Komponenten der
Produktmerkmale, Nutzerassoziationen, Herkunftslandassoziationen oder Assoziationen
zur Markenhistorie. Die Markenattribute determinieren die Markenpersönlichkeit. Aaker
(1997) definiert die Markenpersönlichkeit als „set of human charactersistics associated
with a brand“ [1, S. 347]. Die Markenpersönlichkeit besteht somit aus der Gesamtheit
menschlicher Eigenschaften, die mit einer Marke verbunden werden. Neben Persönlich-
keitsmerkmalen, wie z. B. „ehrlich“, „naturverbunden“ oder „bodenständig“, beinhaltet die
Markenpersönlichkeit auch demographische Merkmale, wie Geschlecht und Alter. Sowohl
die Markenattribute als auch die Markenpersönlichkeit wirken auf den vom Nachfrager
wahrgenommenen Markennutzen [13, S. 6]. Dieser Wirkungszusammenhang basiert auf
der Means-End-Theorie. Sie besagt, dass der Nachfrager die Marke als ein Bündel von At-
tributen (means) wahrnimmt und diese dahingehend bewertet, in wie weit sie ihm helfen,
wünschenswerte Zustände (ends) zu erreichen [11, S. 116 ff.]. Der Nutzenbegriff lässt sich
somit als „Wahrnehmung von Motivbefriedigung [. . . ] durch ein Objekt bzw. ein objekt-
bezogenes Verhalten wie Kauf oder Konsum“ definieren [23, S. 485]. Der Markennutzen
weist auf Grund seiner Nähe zu Motiven und Bedürfnissen die höchste Verhaltensrele-
vanz der drei Imagekomponenten auf. Daher steht die Beeinflussung des Markennutzens
bei der Markenprofilierung im Mittelpunkt. In Abb. 5.2 sind die drei Dimensionen des
Markenimages und ihre Wirkungszusammenhänge zusammenfassend dargestellt.
5 Der symbolische Nutzen von Luxusmarken 73

Auf Grund ihrer besonderen Verhaltensrelevanz stehen die Markennutzen im Mittel-


punkt dieses Aufsatzes. Nach Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2012) kann zwischen dem
funktionalen Nutzen und dem symbolischen Nutzen von Marken unterschieden werden.
Der funktionale Nutzen beschreibt den Grad der Bedürfnisbefriedigung durch die stofflich-
technischen bzw. physisch-funktionalen Eigenschaften eines Produktes [16, S. 360 f.]. So
besteht beispielsweise ein wichtiger funktionaler Nutzen eines Autos in der Fähigkeit, seinen
Besitzer von A nach B befördern zu können. Die Ausrüstung des Wagens mit entsprechender
Sicherheitstechnik, wie zum Beispiel mehreren Airbags und einem Antiblockiersystem, ist
ebenso als funktionaler Nutzen zu verstehen. Neben dem funktionalen Nutzen weisen seit
den 1950er Jahren zahlreiche Autoren auf den zusätzlichen Symbolgehalt von Marken hin.
Marken werden demnach nicht nur wegen ihrer funktionalen Problemlösungsfähigkeit,
sondern häufig wegen ihres „Symbolgehaltes“ oder ihres „symbolischen Nutzens“ gekauft
und konsumiert [15, S. 118].
Für Luxusmarkenhersteller ist eine Differenzierung über den funktionalen Nutzen kaum
zu erreichen. Denn auf funktionaler Ebene erfüllen fast alle Luxusmarken die höchsten
Qualitätsansprüche. In vielen Fällen weisen sogar Konkurrenzmarken, die zu einem nied-
rigeren Preis angeboten werden, ein ähnliches Qualitätsniveau auf. Um eine Luxusmarke
gegenüber den Wettbewerbern zu differenzieren ist daher der symbolische Nutzen von be-
sonderer Bedeutung. Im folgenden Unterkapitel wird die besondere Verhaltensrelevanz des
symbolischen Nutzens im Kontext von Luxusmarken analysiert (Forschungsfrage 1).

5.3 Analyse der besonderen Verhaltensrelevanz des symbolischen


Nutzens bei Luxusmarken

Im Gegensatz zum funktionalen Nutzen ist der symbolische Nutzen keine einer Marke
inhärente stoffliche oder technische Produkteigenschaft sondern das Ergebnis einer Bedeu-
tungszuschreibung durch ein Individuum oder durch eine Gruppe [7, S. 175]. Über den
symbolischen Nutzen einer Marke ist es dem Nachfrager möglich, seiner eigenen Identi-
tät durch die Verwendung der Marke Ausdruck zu verleihen. Thomson (1995) bezeichnet
diesen Vorgang als „symbolic project“, bei dem das Individuum seine Identität durch die
aktive Nutzung von Marken(symbolen) konstruiert, um dadurch ein konsistentes Bild von
sich selbst zu schaffen [22, S. 210]. Mit der öffentlichen Verwendung von Luxusmarken,
wie zum Beispiel das Fahren eines Bentleys oder das Tragen einer Gucci-Tasche, sind die
Nutzer der Marke in der Lage, ihrem luxusorientierten Lebensstil gegenüber sich selbst
aber vor allem gegenüber der Gesellschaft konkret Ausdruck zu verleihen. Die Luxusmarke
leistet in diesem Sinne einen Nutzen für den Konsumenten, der über die rein funktionalen
Merkmale des Produktes hinausreicht.
Einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des symbolischen Nutzens leistet die
Selbstkongruenz-Theorie von Sirgy (1982) [21, S. 287 ff.]. Der symbolische Nutzen ei-
ner Marke kann dabei einerseits zur Symbolisierung der Ich-Identität und andererseits zur
74 A. Müller und M. Schade

Symbolisierung der sozialen Identität des Individuums verwendet werden. Die Ich-Identität
bezeichnet dabei das Vorhandensein einer Vorstellung des Individuums von sich selbst [8,
S. 72 f.]. Unter sozialer Identität ist das Merkmalsbündel, dass einem Individuum durch
eine soziale Gruppe von außen zugewiesen wird, zu verstehen [9, S. 285 ff.] Es handelt
sich um das Fremdbild oder Image, welches andere von einem Individuum besitzen. Durch
den Kauf und die Verwendung von Marken können Menschen ihre Ich- und ihre soziale
Identität bestätigen, anreichern oder ausdrücken.
Die Symbolisierung der Ich-Identität durch eine Marke kann als Akt verstanden werden,
der dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung dient. Unter Selbstverwirklichung fallen alle
individuellen und persönlichkeitsbezogenen Prozesse, die auf kognitive und emotionale
Stimulation, den Wunsch nach Abwechslung und Vielfalt, Lust- und Genussgefühle so-
wie ethische und spirituelle Bedürfnisbefriedigung abzielen. Dies wird als hedonistischer
Konsum bezeichnet [13, S. 4]. Neben dem hedonistischen Konsum wird der ästhetische
Konsum als zentrale Dimension der Selbstverwirklichung verstanden, da er in Anlehnung
an Hanna das persönliche Wachstumsmotiv des Nachfragers bedient [12, S. 97]. So kann
die Bestätigung der eigenen Identität zum Beispiel durch den Konsum einer als ästhetisch
empfundenen Marke (z. B. Musik-, Kunst- oder Modemarken) erreicht werden. Der Besitz
einer Küche einer Marke, die von einem Individuum A als „luxuriös“, „exklusiv“, „modern“
oder als optisch-ästhetisch besonders ansprechend bewertet wird, kann dieser Person als
konkretes Symbol zur Bestätigung für als wichtig erachteter Identitätsmerkmale und damit
zur Selbstverwirklichung dienen. Dass andere Personen Kenntnis davon haben, dass A eine
solche Küche besitzt ist dabei unerheblich. Von zentraler Wichtigkeit ist nur, dass die ent-
sprechende Marke von Individuum A mit den Identitätsmerkmalen „luxuriös“, „exklusiv“
und „modern“ verknüpft wird oder von ihm als besonders ästhetisch wahrgenommen wird,
da sie erst dann überhaupt als Mittel zur Symbolisierung seiner Ich-Identität und damit
zur Selbstverwirklichung in Betracht gezogen werden kann. Der Nachfrager der Marke
kommuniziert in diesem Fall über den Symbolgehalt der Marke mit sich selbst – ohne Ein-
beziehung seiner sozialen Umwelt mit dem Ziel der Bestätigung oder Entwicklung seiner
Ich-Identität.
Symbolischer Konsum dient jedoch nicht nur der Entwicklung und Festigung der Ich-
Identität, sondern auch dazu, sich als Mitglied von Gemeinschaften zu verorten [24, S. 179].
Nach Conrady (1990) gewinnt diese soziale Funktion von Marken gerade in zunehmend
von Anonymität geprägten Industriegesellschaften, in denen soziale Einordnung einzelner
Individuen erheblich erschwert ist, eine zentrale Funktion [7, S. 174]. Der symbolische
Konsum erfährt auch deshalb zunehmend an Aufmerksamkeit, weil traditionelle Bedeu-
tungssysteme wie Familie, Religion und Politik in der gegenwärtigen Gesellschaft immer
mehr an Relevanz verlieren.
Im Gegensatz zur Symbolisierung der Ich-Identität, welche rein individuumsintern ab-
läuft, erfordert eine Symbolisierung von Identitätsmerkmalen mittels Marken gegenüber
anderen Personen oder Personengruppen, dass diese Personen ebenfalls Kenntnis von der
symbolischen Bedeutung der Marke besitzen. Andernfalls ist es dem Individuum nicht
möglich durch die Verwendung einer Marke die erwünschten Bedürfnisse wie zum Beispiel
5 Der symbolische Nutzen von Luxusmarken 75

Prestige oder soziale Anerkennung durch die Nutzung der Marke zu befriedigen. „[. . . ] bu-
ying a Mercedes Benz will not signify the owner’s social status unless others in the relevant
social groups share the owner’s belief that it does“ [24, S. 182]. Die symbolische Bedeu-
tung von Marken erfordert demnach Konventionalisierung in der relevanten Gruppe. Der
Begriff „Gruppe“ ist dabei nicht auf solche Gruppen beschränkt, in denen man tatsächlich
aktiv mitwirkt (z. B. Vereine, Clubs, Interessensgemeinschaften), sondern bezieht sich auch
auf imaginäre Gruppen, zu denen man aufgrund gemeinsamen symbolischen Konsums
und/oder eines gemeinsamen Lebensstils ein Gefühl der Zugehörigkeit aufbauen möchte
(z. B. die Gruppe der Ferrarifahrer). Der symbolische Konsum von Marken ist vor dem
oben genannten Hintergrund als eine Möglichkeit zur Partizipation am gesellschaftlichen
Leben und zum Aufbau und Festigung sozialer Beziehungen anzusehen. Marken sind dann
in Anlehnung an Elliott (1997) „[. . . ] more than just objects of economic change, they
are goods to think with, goods to speak with“ [9, S. 287]. Die soziale Nutzenkategorie ist
insbesondere für solche Güter von Bedeutung, die öffentlich genutzt werden, da durch die
allgemein sichtbare Verwendung der Marke die sozialen Einflüsse an Bedeutung gewinnen.
Die Konventionalisierung der symbolischen Bedeutung von Marken ist ein wichtiges
Merkmal der heutigen Mediengesellschaft, in welcher Marken weniger direkt physisch,
sondern primär medienvermittelt über Bilder und Texte erfahren werden. So ist selbst im
Kontext von nur bedingt exklusiven Marken, wie z. B. Apple, bekannt, dass man Aspekte
wie „Modernität“ und „Designbewusstsein“ durch den Besitz eines iPads oder iphones aus-
drücken kann. Dazu ist es nicht erforderlich, ein solches Gerät selbst ausprobiert oder auch
nur in der Hand gehalten zu haben. Aufgrund der Konventionalisierung dieses symboli-
schen Wissens durch die werbliche Kommunikation des Unternehmens „Apple“ und die
gesellschaftliche Diskussion und Verwendung dieser Geräte bedeutet ihr Kauf die Chan-
ce auf die Erfüllung medial erzeugter sozialer Erwartungen, „[. . . ] die Chance auf ein
Lebensgefühl, das Instrument einer Selbstinszenierung“ [20, S. 341]. Im Kontext von Luxus-
marken sei dies am Beispiel von Ferrari und Rolls Royce erläutert. Steht für den Nachfrager
zum Beispiel die Demonstration von Identitätsmerkmalen wie „Sportlichkeit“ und „Dy-
namik“ im Vordergrund, könnte die Nutzung der Marke „Ferrari“ ein geeignetes Vehikel
zur Vermittlung dieser Merkmale darstellen, da sie nicht zuletzt durch eine erfolgreiche
Rennsporthistorie mit jenen Aspekten verknüpft wird. Persönlichkeitsmerkmale wie „Kul-
tiviertheit“ und „Eleganz“ könnten dagegen eher durch das Fahren einer aristokratischen
Luxusmarke wie Rolls Royce vermittelt werden.
Luxusmarken zeichnen sich durch eine hohe wahrgenommene Qualität, einen hohen
wahrgenommenen Preis sowie Exklusivität aus und ermöglichen daher in besonderer Wei-
se die Vermittlung der Ich- und sozialen Identität [19, S. 37]. Symbolischer Nutzen kann
in diesem Kontext als die nachfragerseitig empfundene Eignung einer Marke zur Re-
präsentation seiner Ich-Identität und/oder seiner sozialen Identität verstanden werden.
Realisiert wird symbolischer Nutzen dabei stets durch Symbole einer Marke [17, S.124].
Die Luxusmarke dient vor diesem Hintergrund dem Nachfrager als Instrument, mit
dem er luxusbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen konkreten Ausdruck verleihen und die-
se gegenüber anderen Personen demonstrieren kann. Hierdurch ist es dem Nachfrager
76 A. Müller und M. Schade

möglich, das menschliche Grundbedürfnis nach Selbstverwirklichung, Prestige und sozialer


Anerkennung zu befriedigen.
In den vorangegangenen Abschnitten wurde die Bedeutung des symbolischen Nutzens
von Marken für ihre Nachfrager beschrieben. Im Mittelpunkt der Ausführungen stand
dabei die Erkenntnis, dass Nachfrager Marken nutzen, um ihrer Identität Ausdruck zu
verleihen. Im Vordergrund der nachfolgenden Untersuchung steht jedoch nicht die Frage,
wie Nachfrager mit Markensymbolen gegenüber sich selbst oder anderen Personen kom-
munizieren. Stattdessen soll aus der Perspektive markenführender Unternehmen die Frage
beantwortet werden, wie sich Luxusmarken über den symbolischen Nutzen profilieren
können (Forschungsfrage 2).

5.4 Profilierung von Luxusmarken über den symbolischen Nutzen

Wie bereits in Abschn. 1 dargestellt ist unter Markenprofilierung der Aufbau eines verhal-
tensrelevanten und differenzierenden Markenimages bei externen Zielgruppe zu verstehen.
Die obigen Ausführungen haben die besondere Verhaltensrelevanz des symbolischen Nut-
zens verdeutlicht. Es ist somit die 2. Fragestellung der Arbeit zu beantworten, wie sich
Luxusmarken über den symbolischen Nutzen profilieren können. Da die Differenzierung
eine zentrale Voraussetzung zur Markenprofilierung ist, stellt sich zunächst die Frage, in
wie weit sich Luxusmarken über den symbolischen Nutzen differenzieren können.
Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Bestehen einer Luxusmarke sind eine hohe
wahrgenommene Qualität, einen hoher wahrgenommener Preis sowie Exklusivität [19, S.
37]. Auf Grund dieser Merkmale können die Nachfrager durch den Kauf und die Verwen-
dung von Luxusmarken ihren sozialen Status demonstrieren. Bspw. kann ein Individuum
A durch das Fahren eines Luxusautos wie z. B. einem Ferrari sich selbst (Ich-Identität)
und seiner sozialen Umwelt (soziale Identität) seinen sozialen Status demonstrieren. Diese
Demonstration des sozialen Status ist jedoch mit allen Luxusautomarken möglich. Zur
Demonstration des sozialen Status ist es weitgehend unerheblich, ob ein Individuum einen
Ferrari, einen Rolls Royce, einen Bentley oder einen Lamborghini fährt. Alle diese Marken
verfügen über eine hohe wahrgenommene Qualität, einen hohen wahrgenommenen Preis
und Exklusivität. Somit kann durch jede der vier Marken ein hoher sozialer Status demon-
striert werden. Dies lasst sich auch auf andere Luxusmarkenkategorien wie bspw. Mode
übertragen: Ein hoher sozialer Status lässt sich sowohl durch das Tragen von Armani, Gucci
oder Louis Vitton demonstrieren. Der symbolische Nutzen „sozialer Status“ ermöglicht
Luxusmarken somit keine Differenzierung untereinander. Eine Differenzierung über den
symbolischen Nutzen „sozialer Status“ ist nur gegenüber Marken möglich, deren wahrge-
nommenes Preisniveau und Exklusivität sich auf einem geringeren Niveau befindet (bspw.
Ferrrari vs. BMW oder Mercedes). Luxusmarkenhersteller, die sich dagegen hinsichtlich
des wahrgenommenen Preisniveaus, der wahrgenommenen Qualität und der Exklusivität
5 Der symbolische Nutzen von Luxusmarken 77

auf einem ähnlichen Niveau bewegen, können sich über den symbolischen Nutzen „sozialer
Status“ untereinander nicht differenzieren.
In der Markenliteratur wird der Markenpersönlichkeit eine große Bedeutung zur Dif-
ferenzierung zugesprochen [2, S. 72 f.]. Dies sei am Beispiel der Luxusautomarken Ferrari
und Rolls Royce erläutert. Ferrari steht auf Grund seiner italienischen Herkunft und seiner
Rennsporthistorie für Persönlichkeitsmerkmale wie „sportlich“, „dynamisch“ und „leiden-
schaftlich“. Die englische Marke Rolls Royce wird dagegen mit Merkmalen wie „kultiviert“,
„elegant“ und „aristokratisch“ verbunden [5, S. 43]. Das Beispiel zeigt, dass sich Luxusmar-
ken durch die Markenpersönlichkeit differenzieren können. Es stellt sich nun die Frage, wie
Luxusmarken eine verhaltensrelevante und differenzierende Markenpersönlichkeit in den
Köpfen der Konsumenten aufbauen können.
Wie bereits in der Einleitung dargestellt, ist die Markenpersönlichkeit eine Determinante
der Markennutzen. Vor allem der symbolische Nutzen wird stark durch die Markenpersön-
lichkeit determiniert. Bezugnehmend auf die Ausführungen in Abschn. 2 determiniert
die Markenpersönlichkeit den symbolischen Nutzen, wenn die wahrgenommene Mar-
kenpersönlichkeit der Ich- und/oder sozialen Identität der Zielgruppe entspricht. Denn
in solchen Fällen kann die Zielgruppe durch den Kauf oder Konsum der Marke die ei-
gene Identität bestätigen, anreichern oder gegenüber anderen ausdrücken (symbolischer
Nutzen). Zum Aufbau einer verhaltensrelevanten Markenpersönlichkeit ist es daher not-
wendig, sowohl die Ich- als auch die soziale Identität der Zielgruppe zu erfassen. Die
soziale Identität ist vor allem bei Produktkategorien von Bedeutung, die in der Öffent-
lichkeit konsumiert und verwendet werden (bspw. Kleidung, Autos, Mobiltelefone). Auf
Basis dieser Analyse lassen sich die wichtigsten Identitätsmerkmale der Zielgruppe ermit-
teln [21, S. 284 f.]. Die ermittelten relevanten Identitätsmerkmale bilden die Grundlage
für die Markenpositionierung. Unter Markenpositionierung wird die „Planung, Umset-
zung, Kontrolle und Weiterentwicklung einer an den Idealvorstellungen der Nachfrager
ausgerichteten, vom Wettbewerb differenzierten und von der eigenen Ressourcen- und
Kompetenzausstattung darstellbaren, markenidentitätskonformen Position im Wahrneh-
mungsraum relevanter Zielgruppen“ verstanden [10, S. 29]. Im Rahmen der Positionierung
sollte eine Soll-Markenpersönlichkeit ein so genanntes „Brand Personality Statement“ for-
muliert werden [18, S. 80]. In diesem „Brand Personality Statement“ wird die angestrebte
Markenpersönlichkeit festgehalten. Die Formulierung eines geeigneten „Brand Personality
Statement“ gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben der Markenführung. Bei der Fest-
legung einer erfolgsversprechenden Soll-Markenpersönlichkeit müssen folgende Kriterien
erfüllt sein:

• Die Soll-Markenpersönlichkeit muss für die Zielgruppen kaufverhaltensrelevant sein


(Verhaltensrelevanz).
• Die Soll-Markenpersönlichkeit muss eine Differenzierung gegenüber den Wettbewer-
bern ermöglichen (Differenzierungspotential).
• Die Soll-Markenpersönlichkeit muss nachhaltig und glaubwürdig einzulösen sein
(Einlösbarkeit).
78 A. Müller und M. Schade

• Die Soll-Markenpersönlichkeit muss sich auf eine oder wenige Merkmale fokussieren
(Fokussierung).

Zur Sicherstellung der Verhaltensrelevanz sollten im „Brand Personality Statement“ nur


Merkmale enthalten sein, die sich im Rahmen der Analyse der Ich- und der sozialen Iden-
tität der Zielgruppe als relevant herausgestellt haben. Ansonsten kann die Marke für die
Zielgruppe keinen symbolischen Nutzen erfüllen. Um eine Differenzierung gegenüber dem
Wettbewerber sicherzustellen, ist es notwendig, die wahrgenommene Markenpersönlichkeit
der wichtigsten Wettbewerber zu erfassen. Die Kommunikation von Persönlichkeitsmerk-
malen, die bereits vom Wettbewerb besetzt sind, kann nicht zur Markenprofilierung
beitragen.
Der dritte Erfolgsfaktor der Markenpositionierung ist die Einlösbarkeit: Voraussetzung
für die Demonstration der sozialen Identität ist, dass auch das entsprechende soziale Um-
feld Kenntnis von der Bedeutung der verwendeten Marke besitzt. Nur wenn das soziale
Umfeld weiß, für welche Persönlichkeitsmerkmale bspw. die Marke „Ferrari“ steht, ist es
dem Konsument möglich, durch das Fahren mit, das Sprechen über oder das Zeigen von
Bildern der eigenen Person mit einem Ferrari der eigenen Identität Ausdruck zu verleihen.
Dies ist nur möglich, wenn sich die Persönlichkeitsmerkmale nicht nur in der werblichen
Kommunikation, sondern auch im Verhalten der Mitarbeiter beim Kundenkontakt und
der Leistungserstellung widerspiegeln. Ist diese Authentizität jedoch nicht gegeben, so wird
die Marke als unglaubwürdig angesehen und von den externen Zielgruppen auch nicht
mit den angestrebten Merkmalen assoziiert. In der Folge können durch den Konsum der
entsprechenden Luxusmarke keine spezifischen Merkmale gegenüber dem sozialen Umfeld
demonstriert und somit auch das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung nicht befriedigt
werden. Der zentrale Beweggrund für den Erwerb der Luxusmarke ist dann nicht mehr
gegeben. Werden im Rahmen der Positionierung Merkmale festgelegt, die nicht dem Selbst-
verständnis der internen Zielgruppen entsprechen, kann die „Soll-Markenpersönlichkeit“
nicht glaubwürdig nach außen vermittelt werden. Das „Brand Personality Statement“ sollte
daher nur Persönlichkeitsmerkmale enthalten, die dem Selbstbild der internen Zielgruppen
– der Markenidentität – entsprechen.
Darüber hinaus sollte das „Brand Personality Statement“ nur wenige Merkmale enthal-
ten (Fokussierung). Werden dagegen eine Vielzahl von Merkmalen vermittelt, führt dies
schnell zu einem unklaren und verwässerten Markenimage. Es ist zudem darauf zu achten,
dass die ausgewählten Merkmale untereinander konsistent sind.
Nach der Formulierung des „Brand Personality Statement“ muss dieses an die relevanten
externen Zielgruppen kommuniziert werden (operative Markenführung). Luxusmarken
müssen dabei beachten, dass nicht nur die aktuellen und potentiellen Kunden die externe
Zielgruppe darstellen. Um den eigenen Kunden den symbolischen Nutzen „Darstellung der
sozialen Identität“ zu ermöglichen, muss die Soll-Markenpersönlichkeit auch dem sozialen
Umfeld der Kunden vermittelt werden.
Zur Kommunikation des „Brand Personality Statement“ können sämtliche Instrumente
des Marketing-Mix (Produkt-, Dsitributions-, Preis- und Kommunikationspolitik) verwen-
5 Der symbolische Nutzen von Luxusmarken 79

Abb. 5.3 Ausdruck der Markenpersönlichkeit durch das Produktdesign am Beispiel Lamborghini.
(Quelle: www.underground-racing.de)

det werden. Preis- und Distributionspolitik sind wichtige Instrumente, um die Exklusivität
der Luxusmarke zu bewahren. Zur Vermittlung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale sind
vor allem die Produkt- und Kommunikationspolitik von großer Bedeutung.
Im Rahmen der Produktpolitik müssen Luxusmarken zwei Aspekte berücksichtigen:

1. Die Produkte müssen dem höchsten Qualitätsstandard genügen.


2. Das Produktdesign ist ein wichtiger Ausdruck der Markenpersönlichkeit. Denn über
das Produktdesign der Luxusmarke kann der Verwender seine Identität in idealer Weise
bestätigen, anreichern oder ausdrücken. Als Beispiel sei die Marke Lamborghini an-
geführt, welche die Markenpersönlichkeit ( „männlich“, „kraftvoll“, „dynamisch“) in
perfekter Art und Weise durch das Produktdesign verkörpert (s. Abb. 5.3).

Die Kommunikationspolitik bietet verschiedene Möglichkeiten zur Vermittlung der Soll-


Markenpersönlichkeit. Dabei ist die Verwendung von Personen besonders geeignet. Dies
geschieht u. a über den Firmengründer (bspw. Giorgio Armani) oder über Sponsoring pro-
minenter Persönlichkeiten (bspw. Roger Federer und Rolex). Die Verwendung der Grün-
derpersönlichkeit in der Kommunikation ermöglicht in besonderer Weise die glaubwürdige
Vermittlung der Unternehmensidentität. Beim Sponsoring berühmter Persönlichkeiten ist
darauf zu achten, dass die Persönlichkeit des Gesponserten zur angestrebten Markenper-
sönlichkeit der Luxusmarke passt und der Gesponserte darüber hinaus der Zielgruppe
bekannt und sympathisch ist. Das Thema Luxusmarkenkommunikation ist so facetten-
reich, dass es im Rahmen dieses Aufsatzes nur kurz angerissen werden kann. Im weiteren
Verlauf des Sammelbandes folgen verschiedene Aufsätze, die sich mit spezifischen Themen
der Luxusmarkenkommunikation beschäftigen (bspw. „Opportunities and Challenges of
80 A. Müller und M. Schade

Social Media – Implications for luxurybranding“ oder „Techniken zur visuellen Gestaltung
der Luxusmarkenkommunikation“).
Nach der Vermittlung der Soll-Markenpersönlichkeit über die verschiedenen Marketing-
Mix-Instrumente sollte der Erfolg der Maßnahmen überprüft werden (Markencontrolling).
Durch eine erneute Messung der wahrgenommenen Markenpersönlichkeit bei der re-
levanten externen Zielgruppe lässt sich feststellen, ob die ergriffenen Maßnahmen zum
gewünschten Ergebnis geführt haben. Hat sich das Markenimage nicht in die gewünsch-
te Richtung entwickelt, sind die Maßnahmen hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit zu
überprüfen. Zudem ist zu analysieren, ob das aufgebaute Markenimage genügend Ver-
haltensrelevanz, Differenzierungskraft, Glaubwürdigkeit und Klarheit aufweist. Auf Basis
der Ergebnisse sollte das formulierte „Brand Personality Statement“ ggf. angepasst werden
und der hier beschriebene Markenführungsprozesss beginnt erneut.

5.5 Zusammenfassung

Ausgangspunkt dieses Beitrags war die Feststellung, dass der symbolische Nutzen von
besonderer Bedeutung zur Profilierung von (Luxus)Marken ist. Daraus wurden folgende
Forschungsfragen abgeleitet:

1. Wie lässt sich die hohe Verhaltensrelevanz des symbolischen Nutzen bei Luxusmarken
erklären?
2. Wie können sich Luxusmarken über den symbolischen Nutzen profilieren?

Die Verhaltensrelevanz des symbolischen Nutzens entsteht dadurch, dass Menschen durch
den Kauf oder den Konsum von Marken ihre Identität bestätigen, anreichern oder
ausdrücken können. Luxusmarken dienen als Instrument, mit dem ein Individuum luxus-
bezogenen Persönlichkeitsmerkmalen konkreten Ausdruck verleihen und diese gegenüber
anderen Personen demonstrieren kann. Hierdurch ist es dem Nachfrager möglich, das
menschliche Grundbedürfnis nach Selbstverwirklichung, Prestige und sozialer Anerken-
nung zu befriedigen. Auf Grund der hohen Verhaltensrelevanz ist der symbolische Nutzen
zur Profilierung von Luxusmarken besonders geeignet.
Die Markenpersönlichkeit ist eine wichtige Determinante des symbolischen Nutzens
und weist im Kontext von Luxusmarken ein hohes Differenzierungspotential auf. Luxus-
markenhersteller sollten daher eine Soll-Markenpersönlichkeit (sog. „Brand Personality
Statement“) definieren. Zur Sicherstellung der Verhaltensrelevanz sollten im „Brand Per-
sonality Statement“ nur Merkmale enthalten sein, die sich im Rahmen der Analyse der
Identität der Zielgruppe als wichtig herausgestellt haben. Die Soll-Markenpersönlichkeit
muss zudem der Markenidentität (Selbstbild der Marke) entsprechen. Ansonsten kann das
Markenversprechen von den internen Zielgruppen nicht glaubwürdig gelebt werden. Ein
5 Der symbolische Nutzen von Luxusmarken 81

unauthentischer Markenauftritt ist die Folge. Darüber hinaus muss das „Brand Persona-
lity Statement“ eine Differenzierung zum Wettbewerb ermöglichen und sich auf wenige
Merkmale fokussieren.
Nach der Formulierung des „Brand Personality Statement“ muss dieses an die relevan-
ten externen Zielgruppen kommuniziert werden. Zur Vermittlung des „Brand Personality
Statement“ können sämtliche Instrumente des Marketing-Mix (Produkt-, Distributions-,
Preis- und Kommunikationspolitik) verwendet werden. Vor allem die Produkt- und Kom-
munikationspolitik sind dabei von großer Relevanz. Abschließend sollte der Erfolg der
durchgeführten Maßnahmen überprüft werden. Auf Basis der Ergebnisse müssen das
„Brand Personality Statement“ und/oder die gewählten Maßnahmen ggf. angepasst werden.
Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass die Markenpersönlichkeit als Determi-
nante des symbolischen Nutzens eine zentrale Rolle bei der Profilierung von Luxusmarken
einnimmt.

Literatur

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Teil III
Strategien der Luxusmarkenführung
The Luxury Universe – Angebots- und
Kundensegmentierung globaler Luxusmärkte als 6
Basis für erfolgreiche Positionierungsstrategien

Carsten Ascheberg, Jörg Meurer und Axel Oesterling

Zusammenfassung
Im Bereich der Luxusmarkenführung existieren heute kaum geeignete Segmentie-
rungsansätze. Wesentliche Ursache dafür ist das Small Numbers-Phänomen: Weil
die Zielgruppe marktforscherisch schwierig zu greifen ist, sind viele Stichproben
sehr klein und Segmentierungsansätze eher explorativ. Zudem sind aufgrund kleiner
Marktforschungsbudgets der oft mittelständischen Luxusmarkenhersteller die Mittel
für international bzw. global ausgerichtete Segmentierungsansätze nicht vorhanden.
Aufgrund der Ausdifferenzierung der Luxusmärkte ist zunächst eine Angebotssegmen-
tierung erforderlich: Mit der KEYLENS-Luxusmarkt-Matrix existiert eine Systematik
mit der Märkte vertikal nach ihrer Luxus-Preislage und horizontal nach dem Reife-
bzw. Entwicklungsgrad des Luxusangebots strukturiert werden. Ferner existiert mit
der exklusiven Luxuskunden-Segmentierung des SIGMA-Instituts erstmals eine global
belastbare Nachfragesegmentierung mit fünf Kundensegmenten: Upper Conservatives,
Social Climber, Upper Liberals, Progressive Modern Mainstream und Postmoderne.

Carsten Ascheberg ()


SIGMA GmbH O 6,9
Mannheim, Deutschland
E-Mail: carsten.ascheberg@sigmaonline.com
Dr. Jörg Meurer
KEYLENS Management Consultants, Kaistr. 13,
40221 Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: joerg.meurer@keylens.com
Axel Oesterling
KEYLENS Management Consultants, Kaistr. 13,
40221 Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: axel.oesterling@keylens.com

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 85


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_6, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
86 C. Ascheberg et al.

6.1 Small Numbers – big impact: das Segmentierungs-Dilemma in


der Luxusmarkenführung

„If you are not thinking segments, you are not thinking!“, so klar formulierte es einst
Theodore Levitt [5]. Segmentierung ist für das Marketing wie Karte und Kompass für
den Flieger, denn ohne fehlt die Orientierung. Denn wie kann Marketing funktionieren
ohne tragfähige Segmentierungskonzepte? Ohne diejenige zentrale Arbeitsgrundlage, die
die amorphe Masse Markt in erkennbare, ansprechbare Untergesamtheiten gliedert und
damit Grundlage ist für jede differenzierte Marktbearbeitung?
Nur wie verhält es sich im Luxusmarketing? Bedeutet das Phänomen Luxus schon eine
Vorselektion, ist der Luxuskäufer eine Spezies von Menschen, die sich bereits mehr als
deutlich vom „Otto Normalverbraucher“ abgrenzt, in sich aber eine mehr als homogene
Gruppe der „oberen 10.000“ bildet?
Der Bericht eines Rolls-Royce-Insiders über den typischen Phantom-Käufer legt dies
zunächst nahe:
„Ein potentieller Rolls-Royce Phantom Käufer kreist um den Vorführwagen und er-
wägt, den Gegenwert einer schmucken Eigentumswohnung für eine Erweiterung seines
Fuhrparks auf den Tisch des Händlers seines Vertrauens zu legen. Doch noch zögert er. Die
technischen Superlative, die das Fahrzeug für sich in Anspruch nehmen, kann beeindrucken
ihn nur bedingt, die setzt er voraus – bei diesem Preis. Die Verarbeitungsqualität des Inte-
rieurs, nun, die ist er gewohnt. Nein, was ein breites Lächeln auf sein Gesicht zaubert ist
der beheizte Regenschirmhalter in der Fahrertür. Was ihn begeistert, ist die programmier-
bare Spirit of Ecstasy auf dem Kühlergrill. Und als er schließlich entdeckt, dass die beiden
verschlungenen Rolls-Royce ,RR‘ auf der Radnabe in aufrechter Position verharren, auch
wenn sich das Fahrzeug bewegt, ist er schließlich völlig hin und weg. Das ist mal clever.
Gekauft.
Im Großen und Ganzen können sich viele Luxus-Konsumenten alles kaufen was sie sich
wünschen – und was man für Geld bekommen kann. Wer aus dieser Perspektive auf die
Welt schaut beginnt, die Kleinigkeiten wertzuschätzen und auf Zwischentöne zu achten.
Da ist es schon fast selbstverständlich, dass bei einer postalisch ausgesprochenen Einladung
zu einer Soiree nicht nur sehr genau darauf geachtet wird, wer sie unterschrieben hat,
sondern auch wie. Es scheint ein Reflex zu sein, der sich ab einer bestimmten sozialen (bzw.
wirtschaftlichen) Position unausweichlich einstellt – ein schnell mit der Zunge benetzter
Daumen gibt unzweifelhaften Aufschluss darüber, ob diese Unterschrift tatsächlich vom
vermeintlichen Absender persönlich geleistet wurde oder ob ein Drucker eingesprungen
ist. Letzteres führt mit Bestimmtheit zu einem vernichtenden Urteil – hier macht sich auch
ein Millionär gerne den Daumen schmutzig. . . “1 [2] (Abb. 6.1).
Doch der Luxus-Käufer ist nicht annähernd so archetypisch, damit einfach zu verstehen
und vor allem so eineindeutig definiert, wie es dieses anschauliche Beispiel nahelegt. Denn

1
Die Passage ist dem unveröffentlichten Bericht eines ehemaligen Marketingleiters von Rolls-Royce
entnommen.
6 The Luxury Universe – Angebots- und Kundensegmentierung . . . 87

Abb. 6.1 Rolls-Royce-Showroom

da ist zunächst die Frage zu beantworten, was überhaupt unter Luxus zu verstehen ist, wo
er beginnt (und endet)? – schon bei Audi oder erst bei Porsche oder gar ,Rolls-Royce‘ oder
ist ,freie Zeit‘ echter Luxus?
Ein 3er BMW z. B. ist in Deutschland (als Premiumprodukt) das meistverkaufte Fahr-
zeug seiner Klasse, in Hong Kong gilt er als absoluter Luxus. Luxus ist also relativ, daher
kann es auch keine allgemeingültige Definition geben (anders z. B. als für das entgegenge-
setzte Phänomen „Armut“, für das es einkommensabhängige Definitionen von nationalen
oder supranationalen Organisationen wie der OECD gibt).
Neben der richtigen Abgrenzung von Luxus als Güter-Kategorie ist auch die Frage,
wer eigentlich ein Luxuskunde ist, alles andere als einfach zu beantworten. Ist derjenige
Luxuskunde, der bei einem Einkommen von 500.000 € im Jahr zu günstiger Kleidung
greift, oder derjenige, der sich verschuldet, um endlich das ersehnte Luxus-Cabriolet zu
kaufen?
Mit Blick auf die Segmentierungsfrage kommt ein weiteres Phänomen hinzu: Luxus-
markenführung ist – zumindest in der deutschsprachigen wissenschaftlichen Auseinan-
dersetzung – ein relativ vernachlässigtes Thema. So sind in Deutschland seit 2000 ganze
vier (!) Dissertationen zum Thema Luxusmarkenführung entstanden [3]. Wissenschaftli-
che Beiträge zum Thema Luxussegmentierung existieren nur ganz vereinzelt (vgl. hierzu
ausführlich die Studiensynopse im Beitrag Quo vadis globale Luxusmarkenführung in Kap.
1 dieses Buches). Die wenigen verfügbaren Segmentierungsansätze wiederum beruhen auf
88 C. Ascheberg et al.

zum Teil sehr kleinen Stichproben und haben insofern explorativen Charakter. So greift
Trommsdorff in seiner Studie Luxus hat Persönlichkeit von 2010 [4] auf ein Sample mit
41 Millionären zurück (insb. in und um Berlin, insofern also zusätzlich räumlich stark
begrenzt).
Hier manifestiert sich das vielleicht wichtigste Problem bei der Segmentierung von Lu-
xusmärkten: Das Phänomen der kleinen Zahl – und ihrer Erreichbarkeit. Marktforschung
für eine Marke wie Rolls-Royce zu machen, ist schon deshalb sehr schwierig, weil potenzi-
elle Käufer erstens schwer zu identifizieren und zweitens schwer für z. B. ein Interview zu
gewinnen sind.
Eine zweite Ausprägung des Phänomens der kleinen Zahl kommt hinzu: Die oft ver-
gleichsweise geringe Größe von Luxusunternehmen. Unter den Top 30 der deutschen
Luxusunternehmen gehören die meisten Unternehmen dem Mittelstand an – es sei denn,
sie sind wie Lange & Söhne oder Glashütte mittlerweile von einem der internationalen
Luxuskonzerne wie Richemont oder LVMH aufgekauft. Für die mittelständischen Unter-
nehmen gilt aber bei Umsatzgrößen von oft kaum mehr 100 Mio. €, dass ihre Marketingetats
fast immer im einstelligen Millionenbereich liegen, oft sogar deutlich unter 5 Mio. € pro
Jahr. Da mit diesen Etats aber zumeist eine globale Marktpräsenz gesichert bzw. oft sogar
ausgebaut werden muss, bleiben die Mittel für Marktforschung oft verschwindend gering.
Große, international angelegte Studien – wie sie etwa die Automobilindustrie darstellbar
kann – sind für Luxusunternehmen in der Regel nicht darstellbar.
Im Ergebnis fehlen heute leistungsfähige, international ausgerichtete Segmentierungs-
ansätze, die z. B. auch die für Luxusunternehmen hoch relevanten neuen Luxusmärkte in
Osteuropa, Indien, China und Südost-Asien abbilden. Damit aber fehlt dem Management
von Luxusmarken die Basis

• für die erfolgreiche Entwicklung von Strategien,


• für die aktive Steuerung der Marken und
• für die Definition der Eckpunkte der Marktbearbeitung.

Die Definition des relevanten Marktes und die Erarbeitung entsprechender Marktbear-
beitungsstrategien auf Basis einer tragfähiger Angebots- und Kundensegmentierung sind
daher gerade für global agierende Luxusmarken eine ganz besondere Herausforderung. Da-
für sollen nachfolgend geeignete Ansätze vorgestellt werden, die vor allem in der Beratungs-
und Management-Praxis, nicht aber im wissenschaftlichen Kontext entstanden sind.

6.2 Angebots- und nachfragebezogene Segmentierungsansätze

Für die Segmentierung von Luxusmärkten kommen grundsätzlich zwei Ansätze in Fra-
ge: eine nachfrage- bzw. kundenbezogene Segmentierung ist naheliegend – wenn auch
auf Grund der zuvor herausgearbeiteten Problematik der kleinen Zahl schwierig. Zudem
6 The Luxury Universe – Angebots- und Kundensegmentierung . . . 89

erscheint mit Blick auf die Führung von Luxusmarken eine vorgeschaltete Angebotsseg-
mentierung geeignet, um zunächst einmal ein klares Verständnis davon zu erlangen, wann
Produkte oder Dienstleistungen der Kategorie Luxus zugerechnet werden sollen – und
wann nicht.

6.2.1 Die KEYLENS-Luxusmarkt-Matrix

In der Beratungspraxis für Luxusunternehmen haben sich zwei zentrale Dimensionen


der Strukturierung des Angebotes an Luxusprodukten herauskristallisiert, die in ihrer
Kombination eine geeignete Basis für die Steuerung des Angebotsportfolios darstellen:

I. Vertikal = Preis Diese Dimension lässt sich grundsätzlich pragmatisch in drei Ebenen
abbilden. Gängig ist z. B. eine Unterscheidung zwischen Einstiegsluxus, gehobenem Luxus
und absolutem Luxus; möglich ist auch die Logik Premium Luxus und Ultimate Luxus. Eine
allgemeingültige Systematik gibt es nicht, insofern sind Luxusunternehmen gut beraten,
ihre für die eigenen Zwecke geeignete vertikale Segmentierung zu erarbeiten.
Für die konkrete Quantifizierung braucht also jeder Luxusmarkt (z. B. Luxusfahrzeuge,
Luxusküchen, Luxusreisen) seine eigene Operationalisierung, um vertikal die eigenen
Positionen bestimmen und zukünftige strategische Stoßrichtungen definieren zu kön-
nen. Im Luxusreisemarkt z. B. hat sich eine Logik auf Basis des durchschnittlichen
Vollkosten-Reisepreises/Tag als sinnvoll heraus gestellt. Im Küchenmarkt ist ebenfalls eine
„Vollkostenbetrachtung“ (Küchenmöbel inkl. Arbeitsplatte + Geräte + Montage) sinn-
voll. Eine empirisch gestützte Klassifizierung führte hier zu Preisschwellen von 20.000 €,
50.000 € und 100.000 € – Premium, Luxus und „Ultimate“-Luxus. Diese Logik ist auch
imstande, die im Luxusküchenmarkt sich entwickelnde Zweiklassengesellschaft – hochdie-
nende Qualitätsmarken neben echten, glaubwürdigen Luxusmarken – abzubilden. Erstere
streben von unten ins Premium- bzw. Einstiegsluxus-Segment; die Champions-League jen-
seits von 50.000 € sind jedoch tatsächlich nur die echten Luxusmarken wie Poggenpohl,
Bulthaup oder die „Top-Italiener“ (z. B. Boffi, Varenna) abzubilden in der Lage.

II. Horizontal = Luxusreifegrad Es hat sich jedoch gezeigt, dass eine rein vertikale Be-
trachtung des Luxusmarktes als Segmentierungsgrundlage nicht ausreicht, es bedarf der
Ergänzung um die zweite zentrale Dimension: den Luxusreifegrad. Dieser beschreibt den
Entwicklungs- oder Modernitätsgrad eines Luxusangebotes. Im Luxusreisemarkt ist hier
z. B. zu unterscheiden zwischen „Standard-Produkten“ – klassische Top-Hotel-Aufenthalte
inkl. Flug mit Linien-Carriern, hochwertige Kreuzfahrtangebote, Golf und Spa-Retreats
oder Top-Events wie ein Formel 1-Wochenende in Monaco, – und innovativen Luxusrei-
sen, sei es ein Gorilla- oder Orang Utan-Trekking in Ostafrika oder Südost-Asien oder –
mit bereits über 100 Buchungen im März 2012 – eine (fast) Weltraumreise mit Richard
Bransons Virgin Galactic.
90 C. Ascheberg et al.

Ultra
Fractional Jet Ownership
Luxury
Mega Yacht Charter Around the world in a privat jet Virging Galactic

Private jet excursion Kreuzflüge

1 million dollar package

Soneva Gili Mandola Ross Suites and Villas


Utah Ski and Nature
African Golf Safari Piemonte Walking
Grand Hotel City Trip Bentley ice driving
Tsunami Aid Working Vacation
Frégate Island Vancouver Winter Olympics Luxury Bike Tours
Boutique Hotel City Trip Heli-Foto-Safari New Zealand
Silversea Wine Cruises Artist‘s Walk through time
Fomula 1 Monaco

Al Maha Desert Resort Okamango Delta Package


Wiener Opernball Package
Gorilla Tracking Safari Uganda
Made to Order Spa Packages
Seacloud Cruises Orangutan conservation holiday in Borneo
Beyond Africa Lodges Arche Noah Galapagos
Golf and Spa Retreats Trans-Sibiria Express
Morocco Adventure Mashuta Game Reserve
Glyndebourne Opera Package Bali on Harleys Mountain Bike Safari
Entrance Almdorf Seinerzeit Balloon Safari Eco-Iodge Packages in Amazon Rainforest
Level Glacier Express Ayurveda im Himalaya
Orient Express Luxury Outing
Luxury Walking safari

Haben/Zeigen Sein/Erleben
Social Up-grade Selbst-Aktualisierung
Genuss Bereicherung
Luxus 1.0 Luxus 2.0

Abb. 6.2 Marktmodell Touristik I: Angebotssegmentierung. (Quelle: KEYLENS Management


Consultants)

Denn auch, wenn die vertikale Einordnung eines Angebotes in die Luxushierarchie be-
reits wertvolle erste Anhaltspunkte für die Positionierung der eigenen Produkte bzw. die
Gestaltung des Produktportfolios gibt, so lässt sich erst in der Kombination mit der qua-
litativen Einordnung bzgl. des Reifegrades eines Angebotes ein vollständiges Marktmodell
beschreiben (Abb. 6.2).
So vollzieht sich beispielsweise im Luxusreisemarkt eine zweifache Entwicklung: 1.
Wachstum nach oben hin zu immer teureren Angeboten, 2. Wachstum nach rechts, von
den klassischen, etablierten Luxusangeboten hin zu Luxus 2.0 mit neuen, innovativen
Luxusangeboten.
Auf Basis eines solchen Marktverständnisses lässt sich nun eine aussagekräftige Ange-
botssegmentierung vornehmen, wie zum Beispiel in 6 Star Luxury, Connaisseurship oder
Eco & Nature als beispielhafte Luxusreisekategorien. In einem solchen Marktmodell las-
sen sich nunmehr die eigene Marke und ihr Produktangebot verorten, White Spots im
Angebot können identifiziert und strategische Optionen für zukünftige Stoßrichtungen
(Umpositionierung, Markendehnung, . . . ) erarbeitet werden.
Dabei lassen sich auch die auf diese zwei Dimensionen hin untersuchten Entwicklungen
im Wettbewerbsumfeld berücksichtigen, daraus entsteht ein dynamisches Marktmodell, das
die Entwicklung von Wettbewerbern und deren Angebotsportfolios im Luxusreisemarkt
anschaulich darstellt (Abb. 6.3).
6 The Luxury Universe – Angebots- und Kundensegmentierung . . . 91

Luxury
market uplift

Absolute
Luxury

Luxury 2.0
-Module

Entry
Level
Luxury
(Premium)

Standard Innovative
Portfolio Portfolio
(Specialist)

Abb. 6.3 Marktmodell Touristik II: Wettbewerbsdynamik. (Quelle: KEYLENS Management


Consultants)

6.2.2 Einstellungsbasierte Luxuskunden-Segmentierung nach SIGMA

Neben der Strukturierung des Angebotes ist natürlich der Blick auf Strukturierung der
Nachfrage, sprich die Segmentierung der potentiellen Zielgruppen unablässig für mar-
kenstrategische Entscheidungen. Hier ist in verschiedenen Beratungsprojekten in enger
Zusammenarbeit mit dem Institut für internationale Zielgruppen und Trendforschung
SIGMA eine in dieser Weise wohl einzigartige Luxussegmentierung entstanden, die im
Übrigen sogar weltweite Bedeutung hat und damit für die globale Luxusmarkenführung
eingesetzt werden kann.
Um diese Segmentierung zu verstehen, ist es zunächst wichtig, das SIGMA-Modell mit
seinen elf Basis-Milieus zu verstehen.2 [1]

2
Eine ausführliche Beschreibung des SIGMA-Ansatzes in Ascheberg „Diktat der Markenführung“.
Der folgende Text ist im Wesentlichen entnommen aus Ascheberg „Die SIGMA Milieus – das globale
Zielgruppen- und Trend System“.
92 C. Ascheberg et al.

6.2.2.1 SIGMA-Ansatz im Überblick


Auch wenn sich in den meisten Marketing- und Mediaplänen nach wie vor rein demo-
grafisch definierte Zielgruppen finden, ist es eine Binsenweisheit, dass die Demografie von
Konsumenten deren Einstellungen und Trendverhalten nicht ausreichend erklärt. Seine
Zielgruppe kennen, bedeutet heute zu verstehen,

• welche Gewohnheiten,
• welche Umgebungsbedingungen,
• vor allem aber welche grundsätzlichen Einstellungen, Motivationen und Bedürfnisse das
individuelle Verhalten prägen.

Wird darauf verzichtet, kann man in den meisten Fällen auch nicht befriedigend beant-
worten, warum das eigene Produkt, die eigene Marke bevorzugt oder abgelehnt wird, zu
welchem Lebensleitbild die Markenpositionierung passt, wo Chancen für Wachstum wären
oder aus welcher Richtung Risiken drohen. Auch die Intensität der Produktnutzung, die
zusätzlich zur Demografie gerne eingesetzt wird, um Zielgruppen zu beschreiben, kann
solche Wachstums- oder Erosionschancen nur bedingt wiedergeben.
Denn Kaufakte reflektieren mehr denn je die Lebenseinstellung des Kaufenden, seine
Einstellung gegenüber sozial- und gesellschaftspolitischen Werten (z. B. Umwelt- oder Ge-
sundheitsbewusstsein), seine Lust, sich von anderen zu differenzieren oder sich anzupassen.
Sie demonstrieren die Identifikation mit vorgegebenen oder eigenen Ansprüchen, das Be-
kenntnis zum Genuss oder die Lust an der Verweigerung etc. Selbst unter Billigstangeboten
kann man schließlich heute wählen.

Hinter dem Kaufakt steht ein Netzwerk unterschiedlicher Einflüsse Der 1980 von Jörg
Ueltzhöffer, einem der beiden Gründer von SIGMA, maßgeblich mit geschaffene For-
schungsansatz der „Sozialen Milieus“ systematisiert diese lebensweltliche Vielfalt. Milieus
beschreiben Menschen in ihren charakteristischen Einstellungen und Lebensorientierungen
und fassen soziale Gruppen zusammen, deren Wertorientierung, Lebensziele, Lebensweisen
– und damit auch zentrale Konsummuster – ausreichend ähnlich sind. Die Milieuanalyse
will den Menschen ganzheitlich erfassen, als Netzwerk vieler unterschiedlicher Einflussfak-
toren, die, isoliert analysiert, Verhalten nie ausreichend erklären könnten. Ausgangspunkt
aller Überlegungen dabei war, dem Konsumenten möglichst frei und unbeeinflusst die
Möglichkeit zu geben, seine subjektive Realität darzustellen. Er erzählt selbst, was in
seinem Leben von Bedeutung ist, was ihm nur am Rande interessiert oder überhaupt
nicht. Er beschreibt die Alltagswelt aus seiner Perspektive, öffnet die Tür zu seiner Woh-
nung, um zu zeigen, wie sich seine subjektive Realität konkret abbildet und gibt damit die
Grundlage für die Entwicklung von Statement-Batterien mit deren Hilfe man im folgenden
Forschungsschritt Segmente ( „SIGMA Milieus“) bilden kann.
Als optimale Darstellung der Milieus erwies sich das Auftragen des sozialen Status ge-
gen die grundsätzliche Werteorientierung. Der soziale Status beschreibt dabei die formale
6 The Luxury Universe – Angebots- und Kundensegmentierung . . . 93

Klassifikation als Zusammenfassung der objektiven (weitgehend demografischen) Merk-


male wie z. B. Schulbildung, Beruf, Einkommen etc. Die Werteorientierung, aufgetragen auf
der horizontalen X-Achse, repräsentiert die inhaltliche Klassifikation der sozialen Grup-
pen, wie unterschiedliche Lebensstile, Wunsch- und Leitbilder, Sinngebungen/Religiosität,
Einstellung gegenüber Arbeit und Leistung und vieles mehr.

Ein Modell, auf das man sich verlassen kann Daraus lassen sich in Deutschland elf
Milieus ableiten, die sich über die Zeit als trennscharf und stabil erwiesen. Eine im Kun-
denauftrag durchgeführte Studie bewies dies für die SIGMA Lebenswelten mit besonderer
Nachhaltigkeit: Dabei wurden 2000 Personen, die 1999/2000 befragt und nach Milieus
klassifiziert worden waren, fünf Jahre später noch einmal angeschrieben, neu nach Mi-
lieuzugehörigkeit klassifiziert und gleichzeitig ausführlich nach den Veränderungen ihrer
Lebensumstände befragt. Erfreulicherweise machten mehr als vier Fünftel der angeschrie-
benen Personen dabei mit. Wie zu erwarten, hatten sich in vielen Fällen die Lebensumstände
zum Teil dramatisch verändert: Menschen ließen sich scheiden, kämpften mittlerweile
ungeplant mit wirtschaftlichen Problemen oder hatten schneller Karriere gemacht als er-
wartet, waren mittlerweile allein oder hatten in der Zwischenzeit Haus, Garten und Familie
erworben.
Und dennoch: Bei rund drei Viertel der Personen war die Werteorientierung und damit
die Einordnung in das jeweilige SIGMA Milieu® völlig stabil geblieben, die anderen wech-
selten überwiegend in unmittelbare Nachbarmilieus. Interessant war allerdings, dass sich
dabei die meisten der Milieuwechsel in Richtung moderner Milieus vollzogen, also die-
se individuellen Milieuwechsel den allgemeinen Modernisierungsprozess der Gesellschaft
widerspiegelten (Abb. 6.4).
Die Kontinuität der Zugehörigkeit von Personen zu bestimmten Milieus über die Zeit
wie die Stabilität der Milieus beweisen nicht nur die Praxisrelevanz des Modells (Menschen
ändern ihre grundlegenden Wertorientierungen nicht im Jahresrhythmus), sondern sind
auch die methodische wie theoretische Voraussetzung, um dem Marketing als Basis für
längerfristige Produktentwicklungen dienen zu können: Auf virtuell simulierte Zielgrup-
pen, die sich permanent in Umfang und Interpretation ändern würden, könnte niemand
bauen. Die Kontinuität von Modell und Methode ist andererseits auch die Voraussetzung
dafür, Abweichungen und Veränderungen in Einstellung und/oder Verhalten schnell und
mit größerer Sicherheit erkennen zu können.

Andere zu beobachten, hat schon immer dabei geholfen, sich selbst zu erkennen Schon
seit den frühen 1990er Jahren zeigte sich, dass die rein deutsche Sicht auf die Gesellschaft
eine Statusbestimmung ermöglicht, nicht aber in der Lage ist, ausreichend verlässliche
Prognosen zu liefern. Trends so rechtzeitig zu erkennen, dass ein Unternehmen mit ad-
äquaten Angeboten darauf reagieren kann, heißt, sie so früh wie möglich zu erkennen. Das
wiederum bedeutet, kleine bis kleinste Abweichungen vom Verhalten als zukünftige Norm
festzustellen – ein Unterfangen mit ungeheurem Fehler-Risiko. Dieses Risiko lässt sich re-
94 C. Ascheberg et al.

Social Status
Upper
Upper Conservative Segment Upper Liberal Segment
7,4% (∼4,80 Mio.) 8,3% (∼5,38 Mio.)
Postmodern
Upper Social Socio- Segment
Middle Critical
Climber Segment 7,0%
Traditional Segment (∼4,54 Mio.)
18,3% (∼11,8 Mio.)
Mainstream Progressive
Middle 11,8% Modern Mainstream
(∼7,65 Mio.) Conventional
Middle Modern 10,0% (∼6,48 Mio.)
Mainstream
11,2% (∼7,26 Mio.)
Traditional Blue ure
Lower ult o.)
Collar Segment t e r C 2Mi
Middle
5,7% (∼3,7 Mio.) un 6,2
Pragmatic Co % (~
Strivers 9,6
10,7% (∼6,94 Mio.)
Lower

Value Orien-
Traditional Modern World Postmodern World

tations
©SIGMA Status, Property, Self-indulgence Subjectivism
“To preserve“ “To have, to consume and to indulge“ “I – am – me“
Postmaterialism: "To be and to share"

Abb. 6.4 SIGMA Milieus in Deutschland 2009. (Quelle: SIGMA Gesellschaft für internationale
Marktforschung und Beratung)

duzieren, wenn diese (noch) kleinen Abweichungen auch aus anderen Ländern berichtet
werden bzw. sich dort bereits weiter entwickelt haben.
Das Modell der sozialen Milieus wurde daher zunächst von SIGMA auf Europa ausge-
weitet, in der Folge auf die Vereinigten Staaten von Amerika, Asien (Japan, SEA, Mainland
China, Taiwan), Russland, Australien und Südafrika.

6.2.2.2 Luxuskunden-Segmentierung
Mit dem Vorliegen des Milieu-Modells stellt sich die Frage, ob und wie in diesem Modell
Luxuskunden zu verorten sind. Da die SIGMA-Milieus repräsentativ die gesamte bundes-
deutsche Bevölkerung abdecken, sind folgerichtig auch Luxuskunden abgebildet. Allerdings
ist der naheliegende Schluss, wonach die Zielgruppen im oberen Bereich des Modells, al-
so mit hohem sozialen Status, identisch mit den relevanten Luxuszielgruppen sind, nicht
zulässig: Hoher sozialer Status bedeutet nicht zwangsläufig auch hohes Vermögen bzw.
Einkommen und hohe Affinität zu Luxusprodukten.
Hierzu wurde, auf Basis der bestehenden SIGMA-Daten, eine Sonderauswertung vor-
genommen. Diese beinhaltete – im Fall des Luxusreiseveranstalters – Einkommensdaten
sowie Informationen zur Reisetätigkeit und Luxusaffinität.
Im Ergebnis zeigt sich, dass Luxuskunden praktisch ausschließlich in den fünf sog.
Premium-Milieus zu finden sind:
6 The Luxury Universe – Angebots- und Kundensegmentierung . . . 95

Abb. 6.5 Moodboard Upper Conservatives Milieu (Quelle: SIGMA Gesellschaft für internationale
Marktforschung und Beratung)

1. Upper Conservatives
2. Social Climber
3. Upper Liberals
4. Progressive Modern Mainstream
5. Postmoderne

Auf Basis der definierten Selektionskriterien ergibt sich für den deutschen Luxusreisemarkt
eine Gesamtgröße von 1,8 Mio. Personen oder 2,8 % der Gesamtbevölkerung – verteilt auf
die fünf o. g. Segmente.
Diese fünf empirisch abgeleiteten Luxuskundensegmente unterscheiden sich dramatisch
in ihrem Lebensstil. Die Abb. 6.5, 6.6 und 6.7 zeigen exemplarisch anhand sog. Moodboards
die typischen Lebenswelten von Upper Conservatives, Social Climbern und Postmodernen.
Es wird deutlich, dass die Upper Conservatives dem klassischen Bild des Luxuskunden
– ähnlich dem eingangs geschilderten Rolls-Royce-Käufer – entsprechen. Es handelt sich
um ein konservatives Elitemilieu mit traditioneller Lebensführung, dem Selbstverständnis
als Führungsschicht und einem ausgeprägten Leistungsträger-Bewusstsein. Wichtig für
dieses Segment sind ein distinguierter Lebensstil, gute Umgangsformen sowie ein gewisses
Understatement und Diskretion.
96 C. Ascheberg et al.

Abb. 6.6 Moodboard Social Climber Milieu (Quelle: SIGMA Gesellschaft für internationale
Marktforschung und Beratung)

Ein für Luxusmarkenhersteller ungemein wichtiges, weil großes, weiter wachsendes und
eminent konsumfreundliches Segment sind die Social Climber. Dabei handelt es sich um
das „New Money“-Segment. Das Erreichen des Lebensstandards „gehobener Schichten“ ist
Maßstab für den eigenen Erfolg. Das Erreichte stellt man gerne zur Schau (nicht selten über
den Limits des eigenen Geldbeutels). Wichtig für Social Climber: Prestige, Zugehörigkeit
zu den „Reichen und Schönen“, Luxuskonsum.
Ganz anders die urbane Zielgruppe der sog. Postmodernen: ein junges, formal zumeist
hochgebildetes Avantgarde-Milieu mit Schwerpunkt in den Metropolen. Lebensstil-
Trendsetter mit radikal subjektivistischer Lebensphilosophie: Der Einzelne als „Ingenieur“
seines persönlichen Universums. Wichtig für dieses Luxus-Segment: Identität von Ich und
Außenwelt (z. B. Marken, Produkte), Toleranz von Widersprüchen, multiple Identitäten.
Es liegt auf der Hand, dass eine solche Luxuslandkarte mit differenzierten Zielgruppen-
Profilen für die Vermarktungsaktivitäten von Luxusherstellern von ungeheurer Bedeutung
ist. Liegt doch mit den fünf Luxuskundensegmenten erstmals ein quantifizierter und in-
ternational gültiger Segmentierungsansatz vor, mit dessen Hilfe Strategieentscheidungen
quantifiziert und bis auf die Ebene der Business-Planung konkretisiert werden können
(z. B. über valide Marktanteilsprognosen differenziert nach Segmenten).
6 The Luxury Universe – Angebots- und Kundensegmentierung . . . 97

Abb. 6.7 Moodboard Postmodernes Milieu (Quelle: SIGMA Gesellschaft für internationale
Marktforschung und Beratung)

6.3 Alter Luxus/neuer Luxus – das neue Paradigma von Luxuskonsum


und -vermarktung

Besonderen Mehrwert liefert die Milieuforschung ebenfalls durch die Beschreibung von
übergeordneten Trends auch und gerade im Luxuskonsum. Anhand dieser Luxuslandkarte
auf Basis der wertorientierten Strukturierung der Zielgruppen lassen sich gerade für den
Luxusmarkt entscheidende Dynamiken erkennen und für den eigenen Erfolg nutzen.
Die für Luxushersteller wichtigste Dynamik in der Meta-Entwicklung der weltweiten Lu-
xusmärkte liegt in der Entstehung eines großen, global existierenden New Luxury-Clusters
neben dem etablierten Old Luxury-Cluster. In diesem Zusammenhang wird auch von Luxus
2.0 im Gegensatz zum etablierten Luxus 1.0 gesprochen.
Entscheidend für die Abgrenzung von Old und New Luxury ist der gesellschaftliche und
individuelle Begründungszusammenhang für Luxuskonsum. Dieser hat sich im Laufe des
letzten Jahrzehnts von einer reinen Haben- hin zu einer (auch) Seins-Orientierung ent-
wickelt. Luxus bedeutet nicht mehr nur Status und Kaufbefriedigung, entsteht nicht mehr
durch das Eigentum an einem Luxusgut, also Haben, sondern durch dessen Verwendung,
im Sein sowie im Erleben des Produktes. Zudem wird Luxuskonsum heute mehr indi-
98 C. Ascheberg et al.

Abb. 6.8 Global Luxury 2.0: Upper Liberal-Moodboards Russland und China. (Quelle: SIGMA
Gesellschaft für internationale Marktforschung und Beratung)

viduell erlebt und nicht mehr als soziales Signalling. Moderne 2.0-Luxuskunden erleben
Luxuskonsum als persönliche Bereicherung für sich selbst, nicht aber als Mittel zur Ver-
deutlichung von Status nach außen. Damit ergibt sich ein zweifacher Paradigmenwechsel
im Luxuskonsum: vom Haben zum Sein und von außen nach innen!
Im Luxusreisemarkt entsteht daraus eine komplette Zweiteilung des Marktes: Die Nach-
frage lässt sich in zwei fast identisch große Metasegmente (old/new) mit jeweils mehreren
als potentielle Zielgruppen interessanten Milieus unterteilen. Während Old Luxury die bei-
den Milieus Upper Conservatives und Social Climber umfasst, bilden die drei Milieus der
Upper Liberals, des Progressive Modern Mainstreams sowie die Postmodernen das New
Luxury-Cluster.
Diese Dualität der Luxuszielgruppen wird aber ihrerseits eine Dynamik erfahren. Die
langfristige Entwicklung führt unweigerlich zu einer immer stärkeren Betonung der (post-)
modernen Werte auch im Luxusmarkt (der alte Luxus stirbt aus . . .).
Da Luxusunternehmen wg. begrenzter nationaler Nachfrage fast immer international,
oft sogar global operieren, stellt sich weiterhin die Frage, ob es sich bei dem Phänomen des
New Luxury primär um ein (west-)europäisches bzw. eines der westlichen Hemisphäre han-
delt. Diese Frage muss vor dem Hintergrund der internationalen SIGMA-Milieuforschung
verneint werden. Praktisch alle drei New Luxury-Zielgruppen lassen sich mittlerweile auch
in Osteuropa sowie in Kernmärkten Asiens nachweisen. Abbildung 6.8 zeigt abschließend
mit zwei Moodboards die Upper Liberals in Russland und China – zwei Märkten, in denen
man aufgeklärte Luxuskunden nicht unbedingt erwarten würde.

Internationale Betrachtung der Luxuswelten – Beispiel ,internationaler Küchenmarkt‘ Und


auch – oder insbesondere – wenn eine globale tragfähige Positionierung erarbeitet und
umgesetzt werden soll ist die milieubasierte Segmentierung als Ausgangsbasis geeignet, da
die Charakteristika der einzelnen Milieus international sehr homogen sind
(Milieulandkarten Europa – USA – China; Beispiel Vergleich z. B. traditionelle
Luxuswelt)!
6 The Luxury Universe – Angebots- und Kundensegmentierung . . . 99

6.4 Fazit und Ausblick: moderne Positionierungsstrategien auf Basis


veränderter Luxus-Paradigmen

Mit der KEYLENS-Luxusmarkt-Matrix und dem SIGMA Milieu-Modell existieren zwei


leistungsfähige Instrumente, um strategische Markenentscheidungen in der Führung von
Luxusunternehmen wesentlich besser zu fundieren, als dies heute oftmals der Fall ist.
Konkret stehen Top Manager in Luxusunternehmen oftmals vor schwierigen Positionie-
rungsfragen:

1. Auf welche Zielgruppe(n) soll ich meine Luxus-Marke ausrichten? Welche Zielgruppe
hat genügend Potenzial?
2. Inwieweit kann ich eine global einheitliche Positionierung aufrecht erhalten? Oder muss
ich die Marke differenziert nach Ländermärkten positionieren?
3. Was bedeutet die Positionierung konkret für die Vermarktung, welche Konsequenzen
bestehen für Marketingkommunikation, Produktgestaltung und Pricing und schließlich
für den Vertrieb?

Für alle drei Fragen liefern die vorgestellten Ansätze konkrete Antworten. Mit der Kenntnis
der fünf Luxuszielgruppen dürfte für viele CMOs von Luxusunternehmen eine Erweiterung
des wahrgenommenen Positionierungsspielraums einhergehen. Entgegen der Eingangsbe-
obachtung zum typischen Rolls-Royce-Käufer gibt es eben nicht den Luxuskunden, sondern
sehr wohl klar voneinander abgrenzbare Luxuskundensegmente.
Damit bestehen klare Positionierungsalternativen! In der Beratungspraxis für Luxus-
marken ist eine zentrale Positionierungsfrage zunächst: Old oder New Luxury. Mit den
beiden Marktclustern gehen durchaus zwei grundverschiedene Positionierungsalternativen
einher – wobei deren Relevanz maßgeblich von der strategischen Ausgangssituation von
Unternehmen und Marke abhängt.
Eine weitere zentrale Frage lautet: enge Positionierung auf eine Zielgruppe hin oder
breitere Positionierung. Hier ist der Unterschied zwischen der Positionierungszielgruppe
und der sog. Source of Sale von zentraler Bedeutung. So ist es durchaus möglich, eine
Luxusmarke sehr spitz auf eine Zielgruppe hin zu positionieren, dies aber so umzusetzen,
dass die Marke dennoch für eine breitere Zielgruppenbasis attraktiv bleibt.
Da die Zielgruppe, wenn auch in unterschiedlichen Anteilen und mit verschiedenen
Lebensstil-Nuancen weltweit in den wichtigsten Luxus-Märkten existiert, können sämtliche
Positionierungsentscheidungen konsequent international ausgerichtet werden.

Beispiel Luxusküchen-Positionierung
Im Gegensatz zum Luxusgütermarkt allgemein besitzen Premium-/Luxusküchen Posi-
tionierungen, die eher Zielgruppen im modernen Teil der Gesellschaft (New Luxury)
ansprechen – auch wenn sie evtl. von traditionellen Kunden gekauft werden.
Erfolgreiche Ansätze für eine konsequente Positionierung von Premium-/Luxus-küchen
(wie auch -möbeln allgemein) sind immer spitze Positionierungen, also auf eine Luxusziel-
gruppe ausgerichtet. Diese können aber durchaus eine breite Source of Sale ansprechen.
100 C. Ascheberg et al.

Abb. 6.9 Signs of Perfection. (Quelle: SIGMA Gesellschaft für internationale Marktforschung und
Beratung)

Davon ausgehend erweist sich international ausschließlich der moderne Luxusmarkt als
tragfähig für die Positionierung einer Luxusküchenmarke.
Für die dritte Frage existiert mit den vom SIGMA Institut entwickelten sog. Modes of
Distinction ein weiteres mächtiges, empirisch fundiertes Konzept. Die Modes of Distincti-
on betreffen verdichtete Inszenierungsqualitäten, d. h. Anforderungen an die Inszenierung
einer Luxusmarke. Für jede der fünf Luxuszielgruppen existieren zwei bis drei Inszenie-
rungsqualitäten. Sie ermöglichen eine extrem pointierte, zielgruppengenaue Ausrichtung
aller Vermarktungsparameter auf die Positionierungszielgruppe hin.
Eine beispielhafte Inszenierungsqualität findet sich in Abb. 6.9 mit den sog. Signs of
Perfection. Signs of Perfection sind als einzige relevant für alle Zielgruppen. Im Sinne des
eingangs geschilderten Rolls-Royce-Käufers verdeutlichen sie die extreme Attention to De-
tail der Luxuszielgruppen, die sich in z. B. technischer Perfektion, intelligenter Technik und
absolut perfekter Verarbeitung niederschlagen muss. Es handelt sich damit gleichsam um
die Eintrittskarte für eine Luxusmarke. Andere Inszenierungsqualitäten – wie z. B. Signs
of Superiority (Social Climber) oder Noble Etiquette (Upper Conservative) gelten nur für
einzelne Luxussegmente.
Für Luxusmarkenhersteller ist damit ein Instrumentarium verfügbar, dass die Pro-
blematik der „Small Numbers“ heilen kann. Strategieentscheidungen in der globalen
Luxusmarkenführung können damit ähnlich fundiert vorbereitet und getroffen werden
wie in anderen Industrien mit deutlich besserer Ressourcenverfügbarkeit.
6 The Luxury Universe – Angebots- und Kundensegmentierung . . . 101

Literatur

1. Ascheberg, C. (ohne Jahresangabe), Die SIGMA Milieus – das globale Zielgruppen- und Trend
System. Unveröffentlichtes Textmanuskript. Mannheim.
2. Businesstick.com (2011). Rolls-Royce eröffnet neuen Standort in München. http://www.
businesstick.com/hightech/auto/17589-rolls-royce-eroffnet-neuen-standort-in-munchen.html.
Zugegriffen: 02.04.2012
3. GVK-Katalog (Gemeinsamer Verbundkatalog). http://gso.gbv.de/DB=2.1/. Zugegriffen:
02.04.2012.
4. Heine, K. (2010). Auch Luxus hat eine Persönlichkeit. http://www.uni-protokolle.de/
nachrichten/id/192390/. Zugegriffen: 02.04.2012.
5. Levitt, T. (1983): The Marketing Imagination. Free Press.
6. Rickens, Chr. (2009). Expedition ins Reich der Reichen. http://www.manager-magazin.de/
unternehmen/artikel/0,2828,581969,00.html. Zugegriffen: 30.03.2012.
Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken –
Am Beispiel von Louis Vuitton Moët Hennessy 7
(LVMH) und Armani

Christopher Kanitz und Michael Schade

Zusammenfassung
In diesem Artikel geht es um die Markenarchitekturgestaltung in der Luxusmarken-
führung. In den letzten Jahren haben sich auch in der Luxusgüterindustrie vermehrt
große Industriekonglomerate herausgebildet. Im Rahmen der Markenführung stehen
diese Unternehmen vor allem vor der Herausforderung, ein immer größeres und um-
fassenderes Markenportfolio zu führen. Dies bedarf der zentralen Koordination aller
Markenführungsaktivitäten der einzelnen Produkt- und Geschäftsbereichsmarken im
Zusammenhang mit der Unternehmensmarke. Inwiefern eine inhaltliche Verknüpfung
dieser Marken untereinander speziell im Segment von Luxusmarken sinnvoll ist, wird im
folgenden Beitrag diskutiert. Die Grundlage für die Analyse bildet der identitätsbasierte
Prozess der Markenarchitekturgestaltung von Burmann/Kanitz. Anhand dessen werden
verschiedene Fallbeispiele von Luxusmarken diskutiert und bewertet. Das Fallbeispiel
LVMH steht hierbei für eine klare Fokussierung auf individuelle Produktmarken. Das
Fallbeispiel Armani ist hingegen ein Vertreter für die starke Verlinkung des gesamten
Markenportfolios mit der Dachmarke. Der Artikel schließt mit einigen Gedanken zur
weiteren Entwicklung von Luxusmarkenportfolios.

Christopher Kanitz () · Dr. Michael Schade


LS f. innovatives Markenmanagement,
Universität Bremen, Hochschulring 4, 28359 Bremen, Deutschland
E-Mail: christopher.kanitz@uni-bremen.de
Dr. Michael Schade
E-Mail: mschade@uni-bremen.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 103


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_7, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
104 C. Kanitz und M. Schade

7.1 Relevanz der Markenarchitektur in der Luxusmarkenführung

Produkte werden austauschbarer, die Produktlebenszyklen kürzer und der Handel gewinnt
mehr und mehr an Einfluss [13, S. 1]. Aufgrund dessen forcieren Unternehmen Marken-
ausdehnungen und Zukäufe von Marken [1, S. 18]. Dies führt dazu, dass der Umfang
vieler Markenportfolios Ausmaße angenommen hat, welche sich nur noch schwer steuern
lassen [5, S. 1]. Bei Unternehmenszukäufen werden oftmals nicht nur deren Produktmar-
ken sondern auch die Unternehmensmarke in das Markenportfolio übernommen. Auch die
Markenportfolios von Luxusgüterkonzernen wachsen stetig an, so z. B. das Portfolio des Lu-
xusgüterherstellers LVMH mit inzwischen mehr als 60 Marken [10]. Die Komplexität in der
Führung der Markenportfolios nimmt hierdurch erheblich zu [13, S. 2 f.]. Dieser erhöhte
Koordinationsbedarf führt ebenfalls zu steigenden Komplexitätskosten der Markenführung
[6, S. 164]. Bei den Nachfragern hat dies vor allem eine steigende Informationsüberlastung
zur Folge.
In diesem Zusammenhang werden zwei wesentliche Problemfelder identifiziert. Zu-
nächst stellt sich die Frage nach der optimalen Zusammensetzung des Markenportfolios
[5, S. 1]. Immer häufiger erscheint jedoch die Frage nach der optimalen Markenarchitektur
innerhalb des Markenportfolios relevant [13, S. 2f, 5, S. 2]. Als Markenarchitektur wird in
diesem Zusammenhang die Gestaltung der formalen und inhaltlichen Struktur des Marken-
portfolios bezeichnet [5, S. 4, 9, S. 317]. Häufig handelt es sich bei der Markenarchitektur
der Unternehmen um ein historisch gewachsenes Zufallsprodukt. Die Kernherausforde-
rung besteht darin, die Beziehungen zwischen Marken zu analysieren und deren Einfluss
auf die Kaufentscheidung der Nachfrager zu prüfen. Dabei muss die Frage beantwortet
werden, wie viele und welche Marken in welcher Anordnung erforderlich sind, um den
Kundennutzen zu steigern und die Markenführungskosten zu senken [5, S. 3].
Mit ähnlichen Problemen hat auch die Luxusgüterindustrie seit einigen Jahren zu kämp-
fen. Die Luxusmarkenportolios werden immer größer und komplexer und die Märkte
immer fragmentierter. Zudem ist die Industrie mit globalen Problemen wie der anhalten-
den Rezession und der boomenden Produktpiraterie und Produktfälschungen konfrontiert.
Dennoch ist speziell die Luxusgüterindustrie immer noch einer der zentralen globalen
Wachstumstreiber. Dies gilt speziell für den chinesischen Markt. Während weltweit bis
2014 ein jährliches Wachstum des Marktes von 5–6 % erwartet wird, liegt dieses für den
chinesischen Markt bei ca. 25 % p. a. [4]. Allein deshalb gilt es, sich dem Luxusgüter-
markt etwas genauer zu widmen. Doch zunächst werden in Kap. 1.2 die wesentlichen
theoretischen Grundlagen zur Markenarchitekturgestaltung dargestellt. Kapitel 7.3 wid-
met sich dann der Markenarchitekturgestaltung von Luxusmarken am Beispiel von LVMH
und Armani. Kapitel 7.4 fasst den Artikel abschließend zusammen.
7 Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken 105

7.2 Der identitätsbasierte Prozess der Markenarchitekturgestaltung


von Burmann/Kanitz im Überblick

Die Festlegung der Markenarchitektur gilt als eine der Kernaufgaben im Rahmen des
strategischen Markenmanagements [7, S. 12]. Hierfür unterscheidet der Prozess der Mar-
kenarchitekturbildung nach Burmann/Kanitz (2010) vier Stufen [5, S. 38 ff.]. Im ersten
Schritt wird unter dem Markenportfolio die „Gesamtheit aller Marken des Unternehmens“
[1, S. 16] verstanden, zu deren Einsatz das Unternehmen als Markeninhaber oder durch
vertragliche Vereinbarung mit dem Markeninhaber berechtigt ist [2, S. 134]. Bei der Mar-
kenhierarchie handelt es sich um die Systematisierung der unterschiedlichen Marken eines
Unternehmens in einem hierarchischen Ordnungsrahmen [6, S. 167]. Die Hierarchisierung
des Markenportfolios ermöglicht eine systematisch geordnete Darstellung aller Marken zur
Analyse des Portfolios.
Die vom markenführenden Unternehmen vorgenommene Verknüpfung des Marken-
portfolios mit Produkten bzw. Dienstleistungen, Marktsegmenten und geographischen
Märkten und die hierdurch geplanten Beziehungen zwischen den Marken innerhalb des
Portfolios werden als strategische Gestaltung der Markenarchitektur bezeichnet [13, S.
13]. Die Ziele liegen darin, innerbetriebliche Synergien und marktliche Hebelwirkung im
Markenportfolio zu erzeugen. Die strategische Gestaltung der Markenarchitektur muss
konsistent mit der Markenidentität der Corporate Brand und den Markenidentitäten der
übrigen Marken sein [7, S. 12]. Sie befasst sich zunächst mit der Identifikation möglicher
Handlungsoptionen, welche zur Ausrichtung des Markenportfolios zur Verfügung stehen
[2, S. 141]. Im Anschluss daran werden die Handlungsoptionen anhand eines abgeleiteten
Kriterienkataloges bewertet und entschieden.
Während die Gestaltung der Markenarchitektur die Gesamtheit aller Marke-Angebots-
Verknüpfungen des Unternehmens beinhaltet, bezeichnet die Markenstrategie die Verknüp-
fung eines konkreten Angebotes mit einer bzw. mehreren Marken des Unternehmens [13,
S. 14]. Diese individuellen Markenstrategien festzusetzen und im Sinne einer konsistenten
Markenführung zu implementieren ist Teil des dritten Prozessschrittes zur Übersetzung
der Markenarchitektur in Markenstrategien.
Die marktseitig wahrgenommene Markenarchitektur umfasst die tatsächlich ausgelösten
psychischen Transferwirkungen beim Nachfrager durch die wahrgenommene Verknüpfung
im Markenportfolio eines Unternehmens [13, S. 15]. Sie ist im Hinblick auf die erfolgrei-
che Marktbearbeitung von hoher Bedeutung, da die Wahrnehmung seitens des Nachfragers
nicht zwangsweise der strategischen Ausrichtung des Markenportfolios entsprechen muss.
Aus diesem Grund ist eine regelmäßige Erfolgskontrolle auf Basis empirischer Zielerrei-
chungsgrade unabdingbar [5, S. 38]. In Abb. 7.1 ist der Prozess der identitätsbasierten
Markenarchitekturgestaltung zusammenfassend dargestellt.
Die Hierarchisierung des Markenportfolios setzt sich aus den vier Hierarchieebenen
Unternehmensmarke, Geschäftsfeldmarke, Produktgruppenmarke und Produktmarke zu-
sammen (vgl. Abb. 7.2) [5, S. 40]. Auf eine fünfte Detailebene wird, im Gegensatz
106 C. Kanitz und M. Schade

2. Strategische Gestaltung der


Markenarchitektur 3. Übersetzun
1.Hierarchi- 4. Interne und
Handlungs- der Marken-
sierung des Handlungs- externe Erfolgs-
opƟonen architektur in
Markenporƞolios opƟonen kontrolle
bewerten und Markenstrategien
idenƟfizieren
entscheiden

Abb. 7.1 Identitätsbasierter Prozess der Markenarchitekturgestaltung von Burmann/Kanitz


[5, S. 39]

Unternehmensmarke

GeschäŌsfeldmarke

Produktgruppenmarke

Produktmarke

Abb. 7.2 Markenhierarchie-Ansatz von Burmann/Kanitz [5, S. 40]

zum ursprünglichen Modell von Burmann/Kanitz, im weiteren Verlauf aufgrund der


Übersichtlichkeit der Portfoliodarstellung verzichtet.
Mit Blick auf die strategische Perspektive werden die Handlungsoptionen zur Gestal-
tung der Markenarchitektur hinsichtlich des vertikalen Integrationsgrades aufgespannt.
Die vertikale Dimension bezieht sich auf die Intensität der Verknüpfung der Marken
unterschiedlicher organisationaler Hierarchieebenen des Unternehmens [6, S. 169 f.].
Hierbei sind Beziehungen zwischen jeglichen Ebenen der Markenhierarchie zu berücksich-
tigen. Neben der Unternehmensmarke-Produktmarken-Beziehung sind ebenfalls Marken
strategischer Geschäftseinheiten von Bedeutung.
Die vertikale Dimension wird entlang des vertikalen Integrationsgrades des hierar-
chisch strukturierten Markenportfolios aufgespannt. Entlang des Intergrationskontinuums
zwischen einer reinen Produktmarkendominanz und einer reinen Dachmarkendominanz
werden sieben Handlungsoptionen unterschieden [2, S. 106]. Dies sind die Branded House-,
Subbrands- (unterteilt in Master Brand as Driver und Strong Subbrand), Co-Drivers-, En-
dorsed Brands- (unterteilt in Strong Endorsement und Token Endorsement) und House of
Brands Architektur (vgl. Abb. 7.3) [5, S. 14 ff. und 40 f.].
An einem Ende befindet sich die Branded House Architektur. Sie stellt die Hand-
lungsoption dar, in welcher eine hierarchisch übergeordnete Dachmarke den Marktauftritt
dominiert und den Einfluss der hierarchisch untergeordneten Marken auf ein Minimum re-
duziert. D. h. übertragen auf die Beziehung zwischen Unternehmens- und Produktmarken
werden im Rahmen des Branded House alle Angebote und Leistungen eines Unterneh-
7 Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken 107

Markenarchitekturstrategien

Branded House Subbrands Co-Drivers Endorsed Brands House of Brands

Master Brand Strong Strong Token


as Driver subbrand Endorsement Endorsement

Abb. 7.3 Vertikale Dimension des Markenarchitektur-Ansatzes von Burmann/Kanitz [5, S. 43]

mens unter einer Dachmarke vermarktet. Es liegt der maximale Integrationsgrad vor. Die
House of Brands Architektur liegt am anderen Ende des Integrationskontinuums. Sie stellt
die Handlungsoption dar, in welcher jede Produktmarke für sich allein den Marktauftritt
gestaltet. Das Produkt bzw. das Angebot wird nach außen hin mit einer, von allen an-
deren Marken innerhalb des Portfolios, isoliert geführten Marke gekennzeichnet. Es liegt
der minimale Integrationsgrad vor [5, 40 ff. und 1, S. 48 ff.]. Während demnach bei der
Branded House Architektur die wesentliche Gefahr in der Überdehnung der Dachmarke
liegt, besteht bei der House of Brands Architektur die Gefahr der Kannibalisierung der
Portfoliomarken untereinander.

7.3 Analyse der Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken

Die Analyse der Markenarchitekturgestaltung in der Luxusmarkenführung wird sich am


identitätsbasierten Prozess der Markenarchitekturgestaltung von Burmann/Kanitz 2010
orientieren. Aus diesem Grund wird der folgende Abschnitt analog zum Prozess in vier Un-
terkapitel unterteilt: Kapitel 7.3.1 befasst sich mit der Struktur von Luxusmarkenportfolios,
Kap. 7.3.2 widmet sich der strategischen Gestaltung von Luxusmarkenportfolios, Kap. 7.3.3
befasst sich mit der Implementierung der Markenarchitektur bei Luxusmarken und Kap.
7.3.4 beschäftigt sich abschließend mit der Erfolgskontrolle und in diesem Zusammenhang
vor allem mit der Wahrnehmung von Luxusmarkenportfolios. Der identitätsbasierten Pro-
zess der Markenarchitekturgestaltung von Burmann/Kanitz 2010 wird sich mit den beiden
Luxusgüterkonzernen LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton und Giorgio Armani be-
fassen. Dies liegt zum einen daran, dass es sich sowohl bei Louis Vuitton als auch bei
Armani um zwei der stärksten Luxusgütermarken weltweit handelt [8]. Zum anderen stellt
LVMH ein gutes Beispiel einer House of Brands Architektur dar. Demgegenüber verkörpert
Armani eine Branded House bis Subbrands Architektur.

7.3.1 Struktur von Luxusmarkenportfolios

Zunächst gilt es, die Struktur der Markenportfolios von LVMH und Armani zu analysieren.
Hierbei wird sowohl die Ausrichtung der Organisationsstruktur als auch die Marken-
108 C. Kanitz und M. Schade

hierarchie betrachtet. Die Hierarchisierung des Markenportfolios setzt sich aus den vier
Hierarchieebenen Unternehmensmarke, Geschäftsfeldmarke, Produktgruppenmarke und
Produktmarke zusammen (vgl. Abb. 7.2) [5, S. 40].

LVMH LVMH besitzt hierbei sowohl das größere Markenportfolio als auch die deut-
lich höheren Umsätze als Armani. Das Portfolio von LVMH besteht in Summe aus
mehr als 60 Luxusmarken. Die Unternehmensgruppe lässt sich in fünf verschiedene
Unternehmensbereiche untergliedern:

• Wines & Spirits


• Fashion & Leather Goods
• Perfumes & Cosmetics
• Watches & Jewelry
• Selective retailing

Die Unternehmensgruppe besitzt weltweit mehr als 2.500 Einzelhandelsniederlassungen


der verschiedenen Marken. Auch wenn die Unternehmensherkunft und auch der Un-
ternehmenssitz französisch sind, arbeiten 77 % der über 80.000 Mitarbeiter außerhalb
Frankreichs [10]. Der Umsatz in 2010 betrug gut 20 Mrd. €. Der größte Unternehmensbe-
reich ist mit einem Umsatz von gut 7,5 Mrd. € die Division Fashion & Leather Goods; mit
einer operativen Marge von fast 34 % auch einer der profitabelsten Bereiche innerhalb des
Unternehmens [11, S. 1 f.].
Entlang der Markenhierarchie lassen sich die wichtigsten Marken des LVMH-Portfolios
auf vier Ebenen darstellen [5, S. 40]. Auf der Ebene der Unternehmensmarke ist LVMH
Moët Hennessy – Louis Vuitton angesiedelt. Hierarchisch unterhalb von LVMH befinden
sich verschiedene Geschäftsfeldmarken innerhalb des Konzerns. Hierzu zählen u. a. die
Modemarken Marc Jacobs, Fendi, Kenzo, DKNY und Louis Vuitton. Zudem sind die
Handelsmarken Sephora, Bon Marché und das ehemalige Luxuskaufhaus Samaritaine in
Paris sowie die Zeitschriftengruppe Groupe Les Echos als Geschäftsfeldmarken zu führen.
Auf der Ebene der Produktgruppenmarken lassen sich u. a. die Uhrenmarken Zenith
und TAGHeuer, die Parfummarken Christian Dior Parfums, Fendi Perfumes, Kenzo Parf-
ums, Acqua die Parma und Guerlain identifizieren. Zudem zählt die Werft Royal van Lent,
welche Luxusyachten herstellt, zu den Produktgruppenmarken. Auf Produktmarkenebene
sind vor allem die Getränkemarken zu finden. Hierzu zählen z. B. die Champagnermarken
MOËT & CHANDON, Dom Pérignon, Veuve Clicquot, Mercier und Krug und die Spiri-
tuosenmarken Hennessy Cognac, 10 Cane Rum und Belvedere Vodka. Abbildung 7.4 gibt
einen Überblick über die Markenhierarchie von LVMH.

Giorgio Armani Armani besitzt im Vergleich zu LVMH das kleinere Markenportfolio


und ebenfalls deutlich geringere Umsätze. Das Portfolio von Armani besteht in Sum-
me aus fast 20 Luxusmarken. Die Unternehmensgruppe lässt sich in fünf verschiedene
Unternehmensbereiche untergliedern:
7 Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken 109

Unternehmensmarke

GeschäŌsfeldmarke

Produktgruppenmarke

Produktmarke

Abb. 7.4 Markenhierarchie von LVMH [5, S. 40/LVMH]

• Clothing
• Perfumes & Cosmetics
• Eyewear
• Watches & Jewellery
• Other

Die Unternehmensgruppe besitzt weltweit mehr als 600 Einzelhandelsniederlassungen der


Marke. Unternehmensherkunft und Unternehmenssitz sind italienisch. Das Unternehmen
hat über 5.000 Mitarbeiter [3, S. 5]. Der Umsatz in 2009 betrug gut 2,2 Mrd. €. Der größte
Unternehmensbereich ist mit einem Umsatz von gut 1,3 Mrd. € die Division Clothing [3,
S. 73].
Entlang der Markenhierarchie lassen sich die wichtigsten Marken des Armani-Portfolios
auf vier Ebenen darstellen [5, S. 40]. Auf der Ebene der Unternehmensmarke ist Giorgio Ar-
mani angesiedelt. Hierarchisch unterhalb von Giorgio Armani befinden sich verschiedene
Geschäftsfeldmarken innerhalb des Konzerns. Hierzu zählen u. a. wiederum Giorgio Ar-
mani, sowie die Modemarken Giorgio Armani Privé, Emporio Armani, Armani Collezioni,
Armani Exchange und die Möbel- und Einrichtungsmarke Armani Casa.
Auf der Ebene der Produktgruppenmarken lassen sich u. a. die Modemarken Armani
Junior, Armani Baby, Armani Jeans und EA7 von Emporio Armani unterscheiden. Zudem
sind auf dieser Ebene die Hotelmarke Armani Hotels & Resorts und die Brillenmarke
Frames of your Life von Giorgio Armani angesiedelt. Auf Produktmarkenebene finden sich
110 C. Kanitz und M. Schade

Unternehmensmarke

GeschäŌsfeldmarke

Produktgruppenmarke

Produktmarke

Abb. 7.5 Markenhierarchie von Armani [5, S. 40/Armani]

u. a. die beiden Parfummarken Acqua die Gio von Giorgio Armani und Idole d’Armani.
Abbildung 7.5 gibt einen Überblick über die Markenhierarchie von Armani.

7.3.2 Strategische Gestaltung von Luxusmarkenportfolios

Die strategische Gestaltung von Luxusmarkenportfolios stützt sich auf die vertikale Di-
mension des Markenarchitekturansatzes von Burmann/Kanitz [5, S. 40 f.]. Diese wird
entlang des vertikalen Integrationsgrades des hierarchisch strukturierten Markenportfolios
aufgespannt. Entlang des Integrationskontinuums zwischen einer reinen Produktmarken-
dominanz und einer reinen Dachmarkendominanz werden sieben Handlungsoptionen
unterschieden [2, S. 106]. Dies sind die Branded House-, Subbrands- (unterteilt in Mas-
ter Brand as Driver und Strong Subbrand), Co-Drivers-, Endorsed Brands- (unterteilt in
Strong Endorsement und Token Endorsement) und House of Brands Architektur (vgl.
Abb. 7.3) [5, S. 14 ff. und 40 f.].
Diversifizierte Luxusgüterunternehmen fokussieren sich zumeist auf ihre starken Pro-
duktmarken bzw. Geschäftsfeldmarken, ein Bezug zum Unternehmensdach ist nicht oder
nur sehr schwer erkennbar. Oftmals ist es jedoch schwer, direkt von einer bewussten Ent-
scheidung im Sinne der Markenarchitekturgestaltung zu sprechen. Viele Marken haben
lediglich aus vergangenen Unternehmensakquisitionen den Zugang in das Markenportfolio
gefunden. Die Zielsetzung besteht hierbei stärker im schnellen Aufbau von Marktmacht,
7 Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken 111

statt einer konsistenten Markenführung. Das Management von Luxusmarken wird sehr
stark aus dem symbolischen Nutzen heraus gesteuert. Die Markenführungskosten sind bei
einer House of Brands Architektur sehr hoch, da jede einzelne Produktmarke individuell
bei den Adressaten aufgebaut und geführt werden muss [1, S. 48 ff.]. Im Gegensatz dazu
können bei einer Branded House Strategie neu eingeführte Produkte von der bestehen-
den starken Dachmarke profitieren. Dies reduziert die Kosten für die Produkteinführung
und senkt das Floprisiko. Allerdings stößt diese Strategie bei diversifizierten Luxusgüter-
unternehmen an ihre Grenzen, denn es besteht die Gefahr, die Dachmarke zu überdehnen
und damit zu verwässern. Bei diversifizierten Luxusgüterunternehmen erscheint daher eine
House of Brands Architektur als besonders geeignet.
Nachfolgend werden zwei Beispiele diskutiert. Bei LVMH handelt es sich überwiegend
um ein Beispiel solch einer House of Brands Architektur. Das Unternehmen Giorgio Armani
hingegen baut die gesamte Markenarchitektur um die Dachmarke Armani herum auf und
verlinkt die einzelnen Portfoliomarken stark mit dem Unternehmensdach. Somit stellt das
Unternehmensbeispiel von Giorgio Armani einen Vertreter einer Subbranding bis Branded
House Architektur dar.

LVMH Das Markenportfolio von LVMH ist sehr breit aufgestellt. Die Marken teilen sich in
fünf grundlegend verschiedene Geschäftsbereiche auf. Auch wenn all diese Geschäftsberei-
che im Premium- bis Luxussegment angesiedelt sind, so lassen sie sich trotzdem nur schwer
unter einem Dach vereinen. Aus diesem Grund verwendet LVMH eine House of Brands
Architektur. Mit Ausnahme der für die Unternehmensmarke lediglich namensgebenden
Marken Louis Vuitton, MOËT und Hennessy existiert keine Verlinkung der Produktmarken
mit der Dachmarke LVMH.
Die Geschäftsfeld-, Produktgruppen- und Produktmarken verwenden sowohl eigene
Markennamen, als auch eigene Markenlogos. Auch in der Kommunikation treten die Mar-
ken individuell auf, z. B. in Printanzeigen und Fernsehspots. In der Regel ist ebenfalls der
Vertrieb getrennt. Labels wie Kenzo und Louis Vuitton besitzen eigenständige Einzelhan-
delsketten. Auch die Verfügbarkeit ist unterschiedlich. Große globale Marken wie Louis
Vuitton besitzen bereits eine nahezu ubiquitäre Verfügbarkeit. In jeder großen Stadt finden
sich eigene Läden der Marke oder zumindestens kooperierende Einzelhandelsgeschäfte.
Marken wie die Schiffswerft Royal van Lent werden allein aus der Natur heraus deutlich se-
lektiver distribuiert. Auch preislich sind die einzelnen Marken unterschiedlich positioniert.
Von Premium, über Upper-Premium bis hin zu Luxus existieren verschiedene Preispositio-
nierungen innerhalb des Markenportfolios von LVMH. Letztlich unterscheidet sich auch
die Produktpalette fundamental. Von Wein und Champagner, über Mode und Accessoires
bis hin zu Luxusyachten und Einzelhandelsketten bietet das Markenportfolio von LVMH
eine hohe Bandbreite an Produkten und Dienstleistungen an.
Diese Vielfalt, welche demnach den kompletten Marketing-Mix auszeichnet, als auch
die zudem unterschiedliche strategische Positionierung der einzelnen Marken lassen keine
Möglichkeit für eine gesamtheitliche Vermarktung im Sinne einer Verlinkung der Port-
foliomarken mit der Unternehmensmarke LVMH. Denn die einzige Gemeinsamkeit aller
112 C. Kanitz und M. Schade

Marken ist die Zugehörigkeit zum Luxussegment. Selbst diese Tatsache lässt sich bei einigen
Marken kritisch hinterfragen, da diese eher dem Premiumsegment zuzuordnen sind (z. B.
DKNY und Sephora). Eine erste Bewertung der strategischen Markenarchitekturgestaltung
von LVMH offenbart demnach, dass die Ausrichtung auf eine House of Brands Architektur
in Anbetracht des vorliegenden Markenportfolios die richtige Entscheidung ist.

Armani Eine analoge Analyse kann für das Unternehmen Armani vorgenommen werden.
Zunächst lässt sich feststellen, dass das Markenportfolio von Armani als auch das Unterneh-
men im Vergleich zu LVMH deutlich kleiner ist. Auch die Bandbreite angebotener Produkte
und Dienstleistungen ist kleiner und beschränkt sich im Kern auf das Thema Mode und
Accessoires. Der Bereich Möbel und Hotels komplettiert die Palette.
Eine Verlinkung der Markennamen mit Armani ist bei allen Portfoliomarken vorhan-
den, manchmal stärker (z. B. Armani Baby) manchmal schwächer (z. B. Acqua die Gio
von Giorgio Armani). Zudem sind die Logos alle in schwarz/weiß gehalten und verwenden
überwiegend die gleiche Schriftart. Der optische Wiedererkennungswert ist demnach präg-
nant. Sowohl die Kommunikation in Print und TV als auch die Distribution sind hingegen
markenspezifisch und sprechen unterschiedliche Zielgruppen an (vgl. Abb. 7.6). So exis-
tieren eigene Einzelhandelsgeschäfte für Giorgio Armani, Emporio Armani und Armani
Collezioni. Auch preislich sind die Marken unterschiedlich positioniert. Neben den Luxus-
marken innerhalb des Konzerns wurde mit Armani Exchange eine deutlich preiswertere
Marke, ebenfalls mit eigenem Distributionsnetz, geschaffen. Demnach existieren signifi-
kante Preisunterschiede zwischen den Angeboten der einzelnen Portfoliomarken. Auch die
Produktpalette ist relativ heterogen, wenn auch nicht so breit aufgestellt wie bei LVMH.
Dennoch hat speziell die Einführung von Armani Hotels & Resorts und Armani Casa dazu
geführt, dass die Produktpalette neben dem Fokus auf Mode und Accessoires deutlich ver-
größert wurde. Inwiefern eine Verlinkung all dieser Angebote mit der Dachmarke Armani
strategisch sinnvoll ist, gilt es zu diskutieren.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Positionierung der einzelnen Portfoliomarken
grundverschieden ist. Zwischen Lower Premium und Luxus sind verschiedene Portfo-
liomarken vertreten. Dies dehnt die Dachmarke Armani, welche sich selbst als eine der
führenden Marken im Luxussegment versteht, relativ stark. Eine Loslösung speziell der
preiswerteren Angebote, z. B. im Rahmen von Armani Exchange als auch der nicht direkt
im Zusammenhang mit Mode stehenden Angebote, z. B. im Rahmen von Armani Casa und
Armani Hotels & Resorts ist in diesem Fall zu empfehlen. Andernfalls wird die Dachmarke
Armani über kurz oder lang verwässert und überdehnt. Hierbei läuft sie Gefahr, in einem
Segment wie dem Luxussegment, in dem starke Marken eine hohe Kaufverhaltensrelevanz
besitzen, gegenüber dem klarer positionierten Wettbewerb abzufallen.
Ein Kernproblem ist in diesem Zusammenhang sicherlich die, prinzipiell positiv zu be-
wertende, immer noch aktive Beteiligung des Unternehmensgründers Giorgio Armani in
Kombination mit den ambitionierten Wachstumszielen des Unternehmens. Rein aus den
traditionellen Geschäftsbereichen heraus nicht realisierbar, erweitert das Unternehmen das
Produktportfolio zur Erreichung der Wachstumsziele. Dies ist prinzipiell auch strategisch
7 Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken 113

Abb. 7.6 Kommunikation von Marken im Armani-Portfolio [5, S. 39]

zu unterstützen, denn die neu eingeführten Marken profitieren von der starken Dachmar-
ke Armani. Allerdings besteht die Gefahr der Überdehnung und damit Verwässerung der
Dachmarke. Eine erste Bewertung der Markenarchitekturgestaltung von Armani offen-
bart demnach, dass die Ausrichtung auf eine Subbrands bis Branded House Architektur
in Anbetracht des vorliegenden Markenportfolios kritisch zu sehen ist. Während dies für
Marken wie Giorgio Armani, Emporio Armani und Armani Collezioni strategisch sinnvoll
und nachvollziehbar erscheint, ist die Umsetzung des Markenauftritts in den Wachstums-
feldern der Mode für das moderne Aufsteigermilieu (Armani Exchange) sowie in Hotels
(Armani Hotels & Resorts) und bei Möbeln und Einrichtungsgegenständen (Armani Casa)
kritisch zu überdenken.
114 C. Kanitz und M. Schade

7.3.3 Implementierung der Markenarchitektur bei Luxusmarken

Während die Gestaltung der Markenarchitektur die Gesamtheit aller Marke-Angebots-


Verknüpfungen des Unternehmens beinhaltet, bezeichnet die Markenstrategie die Verknüp-
fung eines konkreten Angebotes mit einer bzw. mehreren Marken des Unternehmens [13,
S. 14]. Diese individuellen Markenstrategien festzusetzen und im Sinne einer konsistenten
Markenführung zu implementieren, wird im Folgenden diskutiert.

LVMH Die Empfehlungen für LVMH hinsichtlich der Übersetzung der Markenarchitek-
turentscheidung in individuelle Markenstrategien sind begrenzt. Die House of Brands
Architektur ist die richtige Entscheidung und in der Implementierung sind lediglich zum
Teil die Marktabgrenzungen zwischen den Portfoliomarken zu kritisieren.
Dies betrifft vornehmlich die Produktmarken innerhalb des Unternehmensbereiches
Wein, Champagner und Spirituosen. Auch wenn eine klare Marktabgrenzung nur schwer
möglich ist, ist eine Abgrenzung von MOËT & CHANDON, Dom Pérignon, Veuve Clic-
quot, Mercier und Krug lediglich in Ansätzen zu erahnen. Der Grad der Kannibalisierung
zwischen diesen Marken erscheint jedoch relativ hoch. Hierbei ist speziell in der Kommu-
nikation im Rahmen der Bildsprache noch klarer die jeweilige Zielgruppe zu adressieren
(vgl. Abb. 7.7).
Kritisch sind zudem die erworbenen Lizenzen und Kreuzbeteiligungen zu sehen. Ein
Beispiel hierfür ist Dior. Auch wenn die Marke Christian Dior ein Teil des Markenportfoli-
os von LVMH ist, bedeutet dies nicht, dass diese auch vollständig zum Unternehmen gehört.
Es handelt sich hierbei lediglich um den Bereich Parfums. Dementsprechend hat LVMH
auch keine Handhabe, was die Umsetzung der individuellen Markenstrategie von Christian
Dior angeht. Diese obliegt weiterhin dem Modelabel Christian Dior mit der Dachmarke
und den dazugehörigen Submarken. Bei ähnlicher Positionierung sind demnach Kanni-
balisierungseffekte mit weiteren Parfummarken innerhalb des LVMH-Portfolios, wie z. B.
Guerlain, DKNY, Kenzo Parfums und Fendi Perfumes nur schwer zu vermeiden. Hierin
besteht eine zentrale Gefahr für das Markenportfolio von LVMH.
Generell ist anzumerken, dass die wesentlichen Entscheidungen von LVMH auf ver-
tikaler Ebene zu unterstützen sind. Das Problem liegt eher auf der horizontalen Ebene.
Hier wird durchgängig eine Mehrmarkenstrategie verwendet. Speziell wenig trennschar-
fe Positionierungen der einzelnen Marken erhöhen das Risiko der Kannibalisierung der
Markenumsätze innerhalb des Portfolios erheblich.

Armani Bei Armani lässt sich konstatieren, dass das Unternehmen eine kritische Größe
erreicht hat, in der sowohl das Geschäftsmodell als auch das Markenportfolio und die zu
adressierenden Kundengruppen heterogener werden. Hierbei ist in der Übersetzung auf die
individuellen Markenstrategien zu empfehlen, das bisherige Kerngeschäft weiterhin stark
mit der Dachmarke zu verlinken. Geschäftsbereiche, die außerhalb dieses Kerngeschäftes
liegen, sollten mit eigenständigen Marken bearbeitet werden. Dies bedeutet eine Loslösung
dieser Bereiche von der Dachmarke Armani hin zu einem individuellen Markenauftritt
7 Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken 115

Abb. 7.7 Kommunikation von Marken im LVMH-Portfolio. (Quelle: LVMH)

mit einer neuen Marke. Eine anfängliche dezente Verlinkung dieser mit einem schwachen
Endorsement, um von der Herkunft Giorgio Armani zu profitieren, ist eventuell sinnvoll.
Dieses Endorsement sollte jedoch nach ein bis zwei Jahren nach Etablierung der Marke
eliminiert werden.
116 C. Kanitz und M. Schade

Weiterhin gilt es, die „one brand one store policy“ der Modemarken zu überdenken.
Da bereits eine starke Verlinkung der einzelnen Portfoliomarken mit der Dachmarke vor-
genommen wurde, ist es vor allem aus Kostengesichtspunkten nur konsequent, diese in
einem übergreifenden Armani Store zu vertreiben. Hierbei kann trotzdem auf das Shop
in Shop-Konzept zurückgegriffen werden. Dies ermöglicht weiterhin separate Bereiche der
einzelnen Marken innerhalb des Stores zur Abgrenzung der Zielgruppen. Da die Zielgrup-
penüberschneidung für die Kernmarken (außer für Armani Exchange) jedoch generell als
relativ hoch anzusehen ist, behindert die separate Distribution Cross-Selling-Effekte.
Auch in der Kommunikation, gilt es, die neueren Marken, speziell Armani Exchange und
Armani Casa, stärker von den restlichen Marken des Portfolios abzugrenzen. Dies beginnt
mit einem neuen Markennamen, Markenlogos und einer angepassten Bildsprache. Diese
sollte sich grundlegend von der Armani-typischen Bildsprache unterscheiden. Nur dann
werden die Marken letztlich auch differenziert vom Kunden wahrgenommen.
Geschieht dies nicht, läuft Armani Gefahr, Käuferschichten der teureren Portfoliomar-
ken u. a. an Armani Exchange zu verlieren. Dies würde die eigenen Portfolioumsätze
kannibalisieren. Da im Rahmen des symbolischen Nutzens speziell Status eine entschei-
dende Rolle spielt, geht es bei Luxusmarken relativ häufig lediglich um den Besitz von
Produkten einer speziellen Marke. Das Tragen von Armani ist demnach bereits ein Status-
symbol. Können dies Konsumenten nun kostengünstiger erreichen, in dem sie Produkte
von Armani Exchange erwerben, warum sollten diese dann noch Interesse an den deut-
lich teureren Kollektionen der anderen Portfoliomarken von Armani haben, vorausgesetzt
sie werden modisch ebenfalls bei Armani Exchange fündig? Diesem Dilemma sollte sich
Armani nicht zwangsweise aussetzen.

7.3.4 Erfolgskontrolle in der Markenarchitekturgestaltung von


Luxusmarken

Die einfachste Form, den Erfolg von Markenführung zu messen ist über den Markenwert.
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es eine Vielzahl von professionellen Anbietern gibt,
welche Markenwertberechnungen durchführen. Die Prämissen dieser Berechnungen un-
terscheiden sich zum Teil sehr stark. Es ist zu empfehlen, sich auf gängige Rankings, wie
z. B. das Interbrand-Ranking zu stützen.
In diesem sind unter den Top100 Marken weltweit auch sieben Luxusmarken vertreten.
Unter ihnen ist Louis Vuitton als Geschäftsfeldmarke innerhalb des LVMH-Konzerns mit
gut 23 Mrd. $ die wertvollste Marke. Sie liegt weltweit auf Platz 18. Führend ist Coca Cola
mit knapp 72 Mrd. $. Auch Armani ist als Dachmarke im Ranking vertreten. Mit einem
Markenwert von knapp 3,8 Mrd. $ liegt die Marke auf Platz 93 (vgl. Abb. 7.8). Neben der
absoluten Größenordnung spielen in Markenwert-Rankings vor allem der Vergleich zum
Wettbewerb und die Entwicklung pro Jahr eine entscheidende Rolle.
Neben der umfassenden Markenbewertung spielt auch das Markenimage, die Bewer-
tung der Marke aus der Sicht der Konsumenten, eine entscheidende Rolle. Denn das
7 Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken 117

Ranking Ranking Markenwert Entwicklung im Ver-


Marken Land
Luxusmarken Gesamt in Mrd. $ gleich zum Vorjahr

1 18 Louis Vui on Frankreich 23,172 6%


2 39 Gucci Italien 8,763 5%
3 66 Hermes Frankreich 5,356 12%
4 70 Car er Frankreich 4,781 18%
5 73 Tiffany & Co. US 4,498 9%
6 93 Armani Italien 3,794 10%
7 95 Burberry UK 3,732 20%

Abb. 7.8 Interbrand-Ranking für Luxusmarken. (Quelle: Interbrand)

Markenimage besitzt Verhaltensrelevanz. Hat ein Konsument ein positives Image von
einer Marke, führt dies in der Regel zu einer gesteigerten Intention, Produkte dieser
Marke zu erwerben. Im Zusammenhang mit der Markenarchitekturbewertung ist hierbei
entscheidend, welche der Marken innerhalb des Portfolios tatsächlich kaufentscheidend
ist. Hat LVMH oder eher Louis Vuitton die höhere Kaufverhaltensrelevanz? Um die-
se Frage zu beantworten, gilt es über Kundenbefragungen sowohl die Markenimages
der hierarchisch übergeordneten Dachmarken als auch der hierarchisch untergeordne-
ten Produkt- und Produktgruppenmarken zu erfassen und welchen Einfluss diese auf
die letztliche Kaufverhaltensintention des Konsumenten ausüben. Hierdurch lässt sich die
vom Kunden wahrgenommene Markenarchitektur erfassen. Diese ist der strategischen
Markenarchitekturgestaltung gegenüberzustellen. Abweichungen zwischen wahrgenom-
mener und strategisch forcierter Markenarchitektur müssen entweder zur Anpassung der
Markenarchitekturentscheidung oder zur Anpassung der Implementierung der Marken-
architekturentscheidung führen. Konsistenz innerhalb des Markenportfolios hat hierbei
oberste Zielpriorität.
Wäre z. B. LVMH im Markenwertranking als eine der stärksten Marken vertreten und
Louis Vuitton wäre deutlich schwächer positioniert, hätte dies die Vermutung nahe gelegt,
dass die Kaufverhaltensrelevanz von LVMH deutlich größer ist. Dies jedoch würde der
strategischen Ausrichtung des Markenportfolios auf eine House of Brands Architektur
widersprechen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bei Armani ist die Dachmarke als einzige
Marke des Portfolios im Ranking vertreten. Auch dies ist weitestgehend konsistent mit der
stark auf die Dachmarke Armani ausgerichteten Markenarchitekturentscheidung.

7.4 Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die meisten Luxusmarken-Konzerne den Fo-
kus des Markenportfolios auf die individuellen Produktmarken, Produktgruppenmarken
und Geschäftsmarken legen. Die Unternehmensmarke hat meist eine geringe Relevanz in-
118 C. Kanitz und M. Schade

nerhalb der Markenarchitektur. Doch es existieren Ausnahmen, wie z. B. der italienische


Konzern Armani, welcher das komplette Markenportfolio um die Unternehmensmarke
herum aufgebaut und ausgerichtet hat.
Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile. Während eine reine Produktmarken-
fokussierung zu einer stärkeren Fragmentierung der Märkte und damit der Gefahr der
Kannibalisierung führt, kann eine starke Dachmarkenorientierung schnell zu einer Über-
dehnung der Dachmarke führen. Beide Probleme sind in den diskutierten Fallbeispielen
von LVMH und Armani im Ansatz ersichtlich.
LVMH hat ein stark fragmentiertes Portfolio. Ein Großteil der Marken ist relativ
klar voneinander abgegrenzt. Jedoch in den beiden diskutierten Bereichen Parfums und
Champagner erscheint die Abgrenzung der vielen parallel angebotenen Marken schwierig.
Hier besteht für LVMH die Gefahr der Kannibalisierung der Markenumsätze innerhalb
des eigenen Markenportfolios. Die Empfehlung richtet sich demnach vor allem an die
Implementierung der Markenarchitektur in der Übersetzung auf die individuellen Marken-
strategien. Hierbei gilt es, die einzelnen Portfoliomarken hinsichtlich ihrer Positionierung
noch deutlich stärker auszudifferenzieren und trennschärfer zu positionieren.
Bei Armani besteht das Problem in einer zu breit aufgestellten Unternehmensmarke.
Da Armani eine starke Verlinkung des gesamten Markenportfolios mit der Unternehmens-
marke forciert, zahlen alle Marken auf die Unternehmensmarke ein. Das Engagement
im Hotelgewerbe und in der Wohnungseinrichtung, jedoch vor allem die Etablierung
von Armani Exchange als eine deutlich preiswertere und modernere Marke innerhalb des
Konzerns konterkarrieren das zeitlose Luxusmarkenimage, welches Armani eigentlich aus-
zeichnet. Die Gefahr liegt in einer Überdehnung der Dachmarke Armani begründet. Die
Empfehlung richtet sich demnach primär an die Markenarchitekturgestaltung selbst. Eine
Loslösung dieser Geschäfte von den Kernaktivitäten der Marke erscheint sinnvoll. In der
Implementierung bedeutet dies die Realisierung eines komplett losgelösten Markenauftritts
dieser Geschäftsbereiche.
Letztlich bleibt festzuhalten, dass auch bei Luxusmarken keine ideale Markenarchitektur
existiert. Diese ist immer stark geprägt von der Breite und Tiefe der jeweiligen Markenport-
folios und sollte anhand dessen ausgerichtet werden. Je größer Markenportfolios werden,
desto heterogener werden sie jedoch in der Regel. In diesem Fall ist kritisch zu hinter-
fragen, ob der Dachmarke eine Verknüpfung zuzumuten ist oder nicht und ob eine neue
Produktmarke eventuell die Gefahr der Kannibalisierung hegt. Diese beiden Faktoren gilt
es letztlich in der Markenarchitekturentscheidung abzuwägen.

Literatur

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7 Markenarchitekturgestaltung bei Luxusmarken 119

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13. Strebinger, A. (2008). Markenarchitektur – Strategien zwischen Einzel- und Dachmarke sowie
lokaler und globaler Marke, Wiesbaden.
Do Luxury Pricing Decisions Create Price
Continuity? 8
Martin Fassnacht, Philipp Nikolaus Kluge and Henning Mohr

Abstract
Previous research on luxury has been mainly directed towards understanding the nature
of luxury, the luxury consumer behaviour, and branding luxury goods. While a high price
is commonly referred to as one defining characteristic of a luxury brand, little research
may be found in the field of pricing luxury brands. Even less research on luxury pricing
is based on empirical evidence. In this article the authors present findings on luxury
pricing decisions from a large-scale survey of managers of 114 luxury brands. They
introduce luxury-specific pricing decisions including long-term vision of price, rigid
price discrimination policy, price-volume stability, and rigid price promotion policy.
The positive effect of these components on luxury price continuity is hypothesized and
empirically tested. Results indicate that luxury pricing decisions impact luxury price
continuity while not yet being applied by a considerable number of luxury brands
examined.

Zusammenfassung
Bestehende Forschungsbeiträge zum Luxusgütermarketing konzentrieren sich überwie-
gend auf die Definition von Luxus, das Konsumverhalten von Luxusgütern und die
Markenführung von Luxusmarken. Während ein hoher Preis im Allgemeinen als ei-
nes der definierenden Merkmale von Luxusmarken verstanden wird, lassen sich wenige

Univ.-Prof. Dr. Martin Fassnacht () · Philipp Nikolaus Kluge


Professur, LS f. BWL, insbes. Marketing und Handel, WHU, Burgplatz 2,
56179 Vallendar, Deutschland
E-Mail: martin.fassnacht@whu.edu
Philipp Nikolaus Kluge
E-Mail: philipp.kluge@whu.edu
Dr. Henning Mohr
Schirmerstr. 39, 40211 Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: henning.mohr@whu.edu

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 121


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_8, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
122 M. Fassnacht et al.

Beiträge finden, die das Preismanagement von Luxusmarken näher untersuchen. Noch
seltener handelt es sich dabei um Erkenntnisse aus empirischen Erhebungen. In dem
vorliegenden Artikel stellen die Autoren Ergebnisse aus einer umfangreichen Studie un-
ter Managern von 114 Luxusmarken zum Thema Preismanagement vor. Dabei gehen die
Autoren zunächst auf die spezifischen Vorgaben zur Preisentscheidung für Luxusmar-
ken ein. Diese beinhalten die langfristige Ausrichtung des Preises, strenge Vorgaben zur
Preisdifferenzierung, eine stabile Kombination aus Preis und Absatzmenge, sowie stren-
ge Vorgaben zu Preisnachlässen. Ein positiver Effekt dieser vier Komponenten auf die
Stabilität des Luxuspreisbildes wird abgeleitet und empirisch überprüft. Die Ergebnisse
zeigen, dass spezifische Vorgaben zur Preisentscheidung von Luxusmarken eine hohe
Preisstabilität schaffen, zugleich aber in vielen Luxushäusern noch nicht konsequent
umgesetzt werden.

8.1 Introduction

Price continuity is a fundamental pricing objective of luxury brand managers. Keeping


prices constantly high not only ensures margin, but also a luxury brand’s image [16, p. 180,
20, p. 201]. A luxury brand is typically associated with superior quality, exclusiveness and
aesthetic appeal enduring over time [4, p. 49]. These timeless values are strongly signaled
by the price tag and thus incompatible with highly volatile prices [21, p. 64].
However, while the luxury goods industry is considered as a benchmark industry for
building superior brands in terms of quality, exclusiveness and aesthetic appeal, this does
not hold true in terms of managing prices [[25], p. 2]. Academic research is also particularly
scarce in the field of pricing luxury brands. Previous research has been mainly directed to-
wards understanding the nature of luxury brands, luxury consumer behavior, and branding
luxury goods. While a high price has often been referred to as one defining characteristic
of a luxury brand, little research may be found in the field of pricing luxury brands. Even
less research on luxury pricing is based on empirical evidence.
We have surveyed managers of 114 different luxury brands regarding their luxury pricing
decision policies and their pricing performance. To our knowledge, this is the first large-
scale management survey in the field of luxury brand management. While a holistic pricing
approach entails strategic direction and information analysis before actually deciding and
implementing prices [21, p. 17], we concentrate on luxury pricing decisions as academics
and practitioners mostly refer the pricing discipline to the question of how prices should
be set.
In the following we elaborate on the four components of luxury pricing decisions, the
objective of luxury price continuity and the hypothesized effect of luxury pricing decisions
on luxury price continuity. Next, we explain the method, the results on the hypothesized
effect, and the descriptive statistics of our empirical study. We end up with a discussion on
our findings.
8 Do Luxury Pricing Decisions Create Price Continuity? 123

8.2 Conceptual Framework and Hypothesis Development

8.2.1 Luxury Pricing Decisions

Generally, pricing decisions are associated with price optimization based on price-response
functions, cost-plus and other heuristic approaches as well as more complex pricing deci-
sions such as bundling and price discrimination by offering, region, distribution channel,
and customer segment [21]. Pricing luxury brands requires specific decision-making as to
ensure price continuity rather than short-term optimization. To understand these specifi-
cities to luxury pricing decisions, we have reviewed existing literature and conducted expert
interviews resulting in four luxury-specific components of pricing decisions:

• long-term vision of price,


• rigid price discrimination policy,
• price-volume stability, and
• rigid price promotion policy.

While the first two components are general in nature and apply to multiple sales periods, the
latter two refer to a particular sales period. In the following, we describe these components
in more detail.

8.2.1.1 Long-Term Vision of Price


Luxury is a long-term business. Unlike mass-market brands, luxury brands do not hunt
for short-term gains or volume share at any price. They are driven by a long-term vision
of its creators [16, p. 65]. To quote Norbert Platt, former CEO of CF Richemont: “There
is no place for a short-term mindset within Richemont”. This long-term orientation does
also apply to luxury pricing decisions. We define long-term vision of price as the extent to
which luxury brand managers (a) apply a long-term planning horizon when setting prices,
(b) plan successive price increases over time, and (c) take into account anticipated future
market and cost dynamics.

Long-Term Planning Horizon When launching a new product under an existing brand-
luxury brand managers should determine prices for multiple sales periods rather than just
for one. This is in strong contrast to mass-market consumer goods and services that mostly
apply a one-year marketing planning horizon [22, p. 25]. A long-term vision may seem a
simple task at first glance, but carries several implications for the way a brand is managed.
As price is the monetary equivalent of a luxury brand’s value, its functional, hedonistic, and
symbolic value components [4, p. 49] must be equally defined and created for multiple sales
periods. This, in turn, requires personnel being with that brand for a significant period of
time.
124 M. Fassnacht et al.

Fig. 8.1 Cost of Living Extremely Well Index 1976–2011. (Forbes 2011)

Successive Price Increases The long-term vision should include successive price increases
over time in order to ensure a luxury price image. As the essence of luxury is social re-
stratification, luxury brands need to ensure they keep the distance to occasional “day
trippers” and non-users by successively increasing prices [16, p. 104]. When comparing
the Cost of Living Extremely Well Index (CLEWI) with the Consumer Price Index (CPI)
issued by Forbes in 2011, we can observe that the gap between luxury goods prices (indicated
by the CLEWI) and mass-market prices (indicated by the CPI) has continued to increase
in the course of the last 35 years (see Fig. 8.1)

Anticipated Market and Cost Dynamics Finally, when planning prices for multiple peri-
ods, luxury brand managers should take into account anticipated market and cost dynamics
[21, p. 143]. Cost dynamics may occur as commodity prices in supply markets increase.
Market dynamics may be caused by strategic changes in pricing of competitive brands as
well as by new market entries like the innovative Swiss watch brand Richard Mille that
introduced its first model Tourbillon RM 001 in 2001, positioned in the six-digit price
range (www.richardmille.com).

8.2.1.2 Rigid Price Discrimination Policy


Another policy decision which is not necessarily linked to a specific period but rather
fundamental in nature refers to the careful use of price discrimination. In general, the term
price discrimination refers to offering the same product at different prices [9, p. 25]. As
we argued in the beginning, the price of a luxury brand should not be perceived as highly
volatile. Consequently, we define a rigid price discrimination policy as the extent to which
luxury brand managers precisely define both the types and the range of price discrimination.
8 Do Luxury Pricing Decisions Create Price Continuity? 125

In particular, a rigid price discrimination policy entails guidelines on charging different


prices based on (a) special editions, (b) quantity, (c) customer status, and (d) country.

Price Discrimination for Special Editions Luxury brand managers may set different pri-
ces for slightly differentiated product variants. For luxury brands we often find those
product variants in form of special editions that are priced higher than the classic variant.
In early 2012, Rolls-Royce designated a limited special edition of its extended wheelbase
Phantom to its Chinese clientele called “Year of the Dragon” [7]. The finest interior and
exterior design is embellished with hand-painted and hand-stitched golden dragons. This
limited special edition is said to be priced at € 900,000 – a price premium of around 100 %
as compared to the classic extended wheelbase version.
Another good example is Moët & Chandon which has launched a special edition for
Saint Valentine’s Day 2012 called ‘Tag your love, tag your Moët’. The 0.75 l bottle of classic
Moët & Chandon Rosé Impérial champagne comes in a pink gift packaging including a
golden pen in order to tag the bottle with your personal love message. This creative idea
is worth a retail price of € 99.90 – a price premium of around 160 % as compared to the
classic variant.

Price Discrimination by Quantity But Moët & Chandon does not only charge different
prices for differentiated product variants but also for different quantities of an identical
classic variant (see Fig. 8.2). While the price per litre of the 0.75 l standard size bottle of
Moët & Chandon Brut Impérial is € 42.90, the price per litre goes up for smaller bottles like
0.2 l (> 60 %) as well as for larger bottles like the 15 l Nebukadnezar (> 200 %). Admittedly,
this form of price discrimination is mainly applicable to consumptive luxury goods and
services like beverages and hospitality rather than for investive luxury like watches and
yachts.

Price Discrimination by Customer Status In individual cases luxury brand managers


differentiate prices by customers [16, p. 189]. These individual cases should be precisely
defined, e.g. a certain percentage discount for extremely loyal customers (who have spent
a certain amount over a period of ten years) who did not purchase recently. During the
Saint Valentine’s season 2012 Swarovski granted its email subscribers a discount of 10 %
on the Valentine’s Collection for orders above € 120 [18]. While the basic idea of rewarding
its loyal brand advocates is right, experts criticized its execution by saying “don’t discount
love” [18]. An indirect price discount by offering something on top like special Valentine’s
gift packaging and free shipment would have had a similar incentivizing effect, however,
without potentially harming the brand image.

Price Discrimination by Country Finally, based on our expert interviews we find that
price discrimination by country carries the highest profit potential. For example, luxury
brand managers may define a brand-specific price index relative to the market average
126 M. Fassnacht et al.

Price per litre by bottle size

0.2l 80.65 €

0.375l 66.64 €

0.75l 49.20 €

1.5l 49.27 €

3l 114.76 €

15l 148.21 €

Fig. 8.2 Price discrimination by quantity: Moët & Chandon Brut Impérial. (www.amazon.com, pri-
ces as of January 26, 2012)

price. As this market average price usually differs across countries, the country prices of a
luxury brand should be adjusted accordingly.
Figure 8.3 demonstrates how the leather handbag specialists Louis Vuitton, Gucci, and
Prada differentiate prices for exemplary bag types across countries. In their respective
countries of origin (France for Louis Vuitton, Italy for Gucci and Prada) the bags examined
are priced lowest. Within Europe prices differ only slightly up to an average price premium
of 4 % in UK. Outside Europe bags are priced significantly higher, starting from an average
price premium of 15 % in the US up to around 33 % in Japan and even 39 % in South
Korea.
For all these types of price discrimination luxury brand managers should precisely define
a narrow price range. On the one hand defining a narrow price range limits consumer
perceptions of volatile prices which eventually harm brand image. On the other hand it
limits the risks of arbitrage. In the case of Louis Vuitton, the notion of price differences
8 Do Luxury Pricing Decisions Create Price Continuity? 127

Louis Vuitton: Monogram Canvas Speedy 30 bag


online retail prices by country

France 500.00 €
Germany 510.00 €
Italy 515.00 €
UK 535.00 €
USA 590.00 €
South Korea 687.00 €
Japan 720.00 €
a

Gucci: Gucci Craft medium tote with GG fabric


online retail prices by country

France 580.00 €
Germany 580.00 €
Italy 580.00 €
UK 590.00 €
USA 660.00 €
South Korea 820.00 €
Japan 697.00 €
b

Prada: Galleria tote bag papaya coloured


online retail prices by country

France 1,330.00 €
Germany 1,330.00 €
Italy 1,290.00 €
UK 1,372.00 €
USA 1,455.00 €

South Korea n/a


Japan 1,724.00 €
c
Fig. 8.3 Price discrimination by country: Louis Vuitton, Gucci, and Prada handbags. (www.
louisvuitton.com, www.gucci.com, www.prada.com, prices and currency exchange rates as of
February 29, 2012)
128 M. Fassnacht et al.

has once led to the point when travelling luxury customers from Asia and other parts
of the world lined up in front of the Louis Vuitton store on the Champs-Elysées, Paris, to
purchase bags at perceived outlet-level prices [26] – something favorable for volume-driven
mass-market goods, but potentially harming an luxury brand’s image and margins.

8.2.1.3 Price-Volume Stability


Once a luxury brand manager has determined particular prices for multiple sales periods
and precisely defined a rigid price discrimination policy, he/she should ensure price-volume
stability in the course of a particular sales period. The term price-volume stability refers to
the extent to which the luxury brand manager determines and retains a fixed combination
of price and volume for a particular sales period. This implies that (a) a combination of
price and volume should be fixed first and (b) then be retained by avoiding immediate
reactions to any changes in demand.

Fixing a Combination of Price and Volume Fixing prices and volume is fundamentally
different from mass-market marketing [21, p. 65]. Rather than being regulated by the
interplay of demand and supply both prices and volumes should be determined by the
luxury manufacturer [16, pp. 70–71, 5, pp. 11–16]. This practice, however, requires precise
information on the price-response function of a given luxury good since miscalculations
are at the expense of profit and may hardly be accustomed for in the course of a sales period
[21, p. 65].

Reacting to Changes in Demand In case demand differs from the volume fixed for the
given sales period, luxury brand managers should avoid immediate reactions. In particular,
when demand exceeds the volume determined luxury brand managers should neither
increase prices nor add production capacity immediately. Looking back to the example
of travelling luxury customers lining up in front the Parisian Louis Vuitton store Louis
Vuitton reacted in a seemingly unconventional manner by limiting the purchase amount
to one bag per customer [26]. They kept volume relatively stable to avoid arbitrage and
protect Louis Vuitton’s brand image. Similarly, when demand was unexpectedly high in
October 2010 Louis Vuitton decided to close their doors one hour earlier than usual to
ensure constant sales volume and sufficient stock for Christmas [2].
In contrast, when demand is below expectations, luxury brands should not be offered
on sale. To prevent prices from going down in times of low demand during the crisis, the
Geneva-based watch manufacturer Rolex bought back its prestigious chronographs from
licensed dealers rather than making the sale at any price [1].

8.2.1.4 Rigid Price Promotion Policy


In case price discounts are inevitable, their implementation should be done carefully follo-
wing a rigid price promotion policy. While mass-market companies and retailers typically
rely on price promotions both in direct forms such as percentage price discounts and indi-
rect forms such as buy-one-get-one-free promotions, luxury brand managers should only
8 Do Luxury Pricing Decisions Create Price Continuity? 129

carefully apply price promotions [19, p. 486]. Consequently, we define a rigid price pro-
motion policy as the extent to which luxury brands restrict themselves to (a) a rare use of
price promotions, (b) offering only seasonal fashion items on sale, (c) low percentage price
promotions, and (d) few separate channels to distribute the items on sale.

Rare Use of Price Promotions In general, luxury brand managers should avoid price
promotions. This postulated practice is based on the following thoughts we gained in our
expert interviews: firstly, potential customers admire luxury brands since they are loaded
with meaning and associated with timelessness and exclusiveness. Once potential customers
perceive a luxury brand as a poorly selling item this admiration is potentially harmed.
Secondly, for existing customers the symbolic value component of luxury brands is of
highest importance. A luxury brand serves as strong signal to peers and others [14, p. 17].
The luxury clientele likes to demonstrate their special achievement in live, their belonging to
an elite group of few outstanding achievers. Allowing new customers entering this exquisite
circle by lowered prices the existing members of that circle would devalue the brand and at
worst not consider the brand for future purchases.

Limiting Price Promotions to Fashion Items Whether to grant price promotions or not
luxury brand managers should first to take into account the nature of the product and
its meaning to the brand. Is it a classic or fashion item? As classic items like the iconic
Mont Blanc Meisterstück Pen strongly represent the luxury brand’s identity, luxury brand
managers should generally avoid price promotions. In contrast, to sell small remaining
stock of seasonal fashion items luxury brand managers selectively use price promotions.

Low Percentage Price Promotions If done at all, the percentage degree of price reduction
should be carefully considered. From a customer perspective the reduced sales price should
not significantly differ from the perceived original price. A 70 %-off price tag would put
the luxury brand’s credibility at risk and counteract all previous price management efforts.

Separate Channels for Items on Sale Finally, when making use of price promotions, those
items should neither be sold in prime location stores nor in online shops but rather via
separate sales channels. You will hardly find anything on sale in the online stores of luxury
brands like Burberry, Hermès, and Prada.
However, the on-going emergence of shopping clubs like VentePrivee and Best Secret
(see Fig. 8.4) enables many luxury brands, especially in fashion and accessories, selling shelf
warmers to a limited group of consumers with a price reduction. These shopping clubs
offer their members time-limited sale events, e.g. Missoni scarves 50 % off for the next
three days.
Having more than thirteen million registered European members VentePrivee may
launch a large number of time-limited events of around 1,200 different brands while still
ensuring the items are being sold (www.vente-privee.com).
130 M. Fassnacht et al.

Fig.8.4 Selling luxury items on sale via shopping-clubs like VentePrivee and Best Secret. (www.
vente-privee.com, www.bestsecret.com)
8 Do Luxury Pricing Decisions Create Price Continuity? 131

In contrast, Best Secret is far more exclusive and discreet. Access to the member-
ship circle is strictly limited to those who have been invited by an existing member
(www.bestsecret.com). Especially attractive to luxury brands is the no-brand policy prac-
ticed by Best Secret. While brands on sale are publicly displayed on VentePrivee and other
shopping clubs, Best Practice does neither show brand logos nor mention brand names
when describing time-limited sale events.

8.2.2 Luxury Price Continuity

Luxury price continuity is a key performance measure of luxury pricing. It may be assumed
that keeping prices constantly far above market average positively affects both profitability
and the luxury brand’s image [16, p. 180, 20, p. 201].
From a company perspective, given the profit equation price directly affects profit. The
importance of price to the financial performance of luxury brands is even more emphasized
when considering Veblen’s [23] notion that price and volume of conspicuous goods are
positively linked. Consequently, by lowering prices demand is expected to decrease in the
course of time. This calls for the objective of luxury price continuity.
From a customer perspective, other than fast moving consumer goods luxury goods
are usually not purchased on a frequent basis. When making a purchase decision the price
tag serves as a strong signal of luxury brand’s superior quality, exclusiveness and aesthetic
appeal. As these values endure over time [4, p. 51, 24, p. 469] a luxury brand’s price should
equally endure, i.e. being kept constant.
In detail, we define the construct of luxury price continuity by two major characteristics:
(a) high price level and (b) continuous price level.

High Price Level Firstly, a luxury brand’s price should be significantly above the market
average price [15, pp. 67–68, 21, p. 69, 24, p. 463]. In 2011, the average price of new cars
sold in Germany was around € 26,000 (www.uni-due.de/car). In contrast, a Rolls Royce
Phantom starts from € 390,000 [13] – a price premium of 1,400 %.

Continuous Price Level Secondly, a luxury brand’s price should be characterized by con-
tinuity, i.e. being kept stable in the short-term and slightly increasing in the long-term
[16, p. 189, 19, p. 485, 21, S. 666]. While commonly applied to mass-market brands,
temporary changes in price should be avoided for luxury brands. Keller [17, p. 292] notes
that “excessive price movement or volatility could sent the wrong signal as to the worth of
the brand”. Luxury brands fascinate by superior quality and exclusiveness [4, p. 49]. The
excellent performance of luxury brands is largely signaled by the price tag both to oneself
and to others [14, p. 17]. Temporary changes in price put at risk the customer perception
of excellence.
132 M. Fassnacht et al.

Luxury pricing decisions

Long-term vision of price

Rigid price discrimination policy + Luxury price continuity

Price-volume stability

Rigid price promotion policy

Fig. 8.5 A conceptual model on the impact of luxury pricing decisions on luxury price continuity

8.2.3 Hypothesis Development

Having described luxury pricing decisions and the objective of luxury price continuity we
argue in the following that the former have a significant impact on the latter. When pursuing
a long-term vision of price luxury brand managers define target prices that slightly increase
in the course of multiple sales periods. A rigid price discrimination policy drives luxury
price continuity as it prevents prices from largely differing by special editions, quantity,
customer status, and country. Price-volume stability creates continuity by determining and
retaining a fixed combination of price and volume. Finally, a rigid price promotion policy
reduces any short-term inconsistencies in pricing by limiting price promotions (if done at
all) to seasonal fashion items sold in non-prime location stores with a minimum percentage
degree of price reduction only.
It is important to mention that all four components of luxury pricing decisions should
be pursued simultaneously to drive luxury price continuity. This integrated approach is
necessary to ensure consistency across the four components. Once prices are planned and
a price discrimination policy has been defined for multiple sales periods, those guidelines
should be pursued for any particular sales period by not reacting to unexpected short-
term changes in demand and limiting price promotions to few rare cases. Based on these
thoughts we hypothesize:

H1: Luxury Pricing Decisions Positively Affect Luxury Price Continuity The conceptual
model displayed in Fig. 8.5 illustrates our hypothesized effect. All four components of
8 Do Luxury Pricing Decisions Create Price Continuity? 133

luxury pricing decisions combined positively affect luxury price continuity. In the context of
this contribution control variables are omitted deliberately. We note, however, that creating
luxury pricing continuity requires further management practices such as the consistent
implementation of luxury prices as shown by Fassnacht, Mohr, and Kluge [10, pp. 48–51].

8.3 Empirical study

8.3.1 Method

To empirically measure the hypothesized effect we have surveyed key informants of 114
different luxury brands throughout Europe. Having contacted 650 luxury brands this leaves
us with an effective response rate of 17.5 %. To our knowledge this is the first large-scale
management survey in the field of luxury brand management by now. We expect our sample
to be representative for the luxury goods industry as it covers a broad range of countries
renown for luxury brands (such as France, Italy, Switzerland, United Kingdom, Germany),
luxury industries segments (such as jewellery & watches, fashion & accessories, cosmetics &
perfumes, automotive, leather goods, wine & spirits), and different company sizes in terms
of revenue. Positions of key informants include board members, sales directors, and brand
managers.
The key construct luxury pricing decisions is operationalized as a second-order formative
construct. It is modelled by the four first-order constructs long-term vision of price, rigid
price discrimination policy, price-volume stability, and rigid price promotion policy that act
as formative indicators of luxury pricing decisions. The first-order constructs themselves
are as well formative in nature. Their indicators are statements about the components of
luxury pricing decisions as described above. The key informants were asked to state their
level of agreement on a scale from 1 = ‘strongly disagree’ to 5 = ‘strongly agree’.
The dependent variable luxury price continuity is modelled by the four formative indica-
tors ‘sales price significantly above market average’, ‘stability of price’, ‘positive development
of the average price across all products under the luxury brand’, and ‘consumer perceived
price consistency’. The key informants were asked to indicate their level of agreement whe-
ther their luxury brand has achieved these four performance indicators on a scale from 1 =
‘strongly disagree’ to 5 = ‘strongly agree’. All scales were developed both in German and
English and have been pre-tested in-order to ensure cross-national consistency. The final
standardized questionnaire has been sent out via paper mail.
Following the validation procedure for formative measurement models by Diamanto-
poulos & Winklhofer [8, p. 271–274] we find no indication of severe validity violations.
Firstly, we have defined the scope of a formative construct based on our literature review
and expert interviews. In order to assess content validity we have asked experts to conduct a
pretest item-sorting task [10, pp. 41–42, 3, p. 733]. This content specification is of particular
importance to formative constructs since adding or eliminating an indicator significantly
changes the domain the construct.
134 M. Fassnacht et al.

Next, we have explored whether each indicator contributes to constructing the formative
construct by investigating the magnitudes and significance of all indicator coefficients using
PLS [6, p. 307]. Additionally, we found no indication of multicollinearity among indicators
since all variance inflation factors were well below the cut-off threshold of ten [8, p. 272].
Finally, to prove external validity we have calculated correlations of constructs with a
global item, i.e. a statement that intends to summarize the content of the construct [8,
p. 272]. The majority of indicators correlate significantly with the global item. Those
indicators not correlating significantly with the global item have been retained since their
elimination would have caused severe changes in the content of the construct [8, p. 272].
In total, we may assume reliability and validity of all constructs considered.

8.3.2 Hypothesis Testing

Having tested the validity of our measurement model we are now interested in whether
our hypothesized effect of luxury pricing decisions on luxury price continuity is supported
by the data or not. To do so, we used PLS to estimate the hypothesized model effects as it
allows modelling formative constructs. We applied the bootstrapping procedure in order
to obtain t-values allowing us to prove significance of the measured effect.
We find that luxury pricing decisions have a significant, positive effect on luxury price
continuity (b = 0.572, t ≥ 1.96). Also, we report an R2 of 0.328 indicating that around 33 %
of the variation in luxury price continuity may be explained by luxury pricing decisions.
Thus, our hypothesis H1 is supported by the data. This implies that luxury brand managers
yield higher degrees of price continuity when pursuing a long-term vision of price, a rigid
price discrimination policy, price-volume stability, and a rigid price promotion policy in
an integrated manner.

8.3.3 Descriptive Statistics

Looking at the descriptive statistics of our management survey as displayed in Fig. 8.6, we
find: 41.9 % of luxury brand managers surveyed are pursuing a long-term vision of price
(41.9 % strongly agree/agree). The relatively low percentage is mainly explained by the low
extent to which market dynamics are anticipated. Other than in mass-markets, categories
of competing luxury brands are not easy to define making it even more difficult to take
information of competitors into account when setting prices.
Around half of luxury brand managers pursue a rigid price discrimination policy
(52.4 %). While they follow precise rules when differentiating prices for special editi-
ons (63.2 %) and across countries (64 %), they do so to a much lesser extent when offering
different prices for different quantities (42.1 %) and based on customer status (40.4 %).
This difference is not surprising since the former two forms of price discrimination are
more common to luxury goods.
8 Do Luxury Pricing Decisions Create Price Continuity? 135

strongly agree/agree neutral disagree/strongly disagree


Pursuit of...

Long-term vision of price 41.9% 20.8% 37.3%

Rigid price discrimination policy 52.4% 16.2% 31.4%

Price-volume stability 67.5% 8.8% 23.7%

Rigid price pomotion policy 46.1% 12.5% 41.4%

Fig. 8.6 Extent to which luxury brands pursue luxury pricing decisions (%-frequencies)

Luxury brand managers are more restrictive in terms determining and retaining a fixed
combination of price and volume. Two third pursue price-volume stability (67.5 %). When
demand is below or above expectations the majority of luxury brand managers keep prices
constant (81.6 and 86.0 % respectively). To a far lesser extent luxury brand managers keep
volume constant under conditions of increasing demand. 52.6 % of luxury brands do
produce additional volume to accommodate increasing demand.
Finally, we observe that 41.4 % of luxury brand managers surveyed do not rigorously
follow a rigid price promotion policy. In general, 68.4 % strongly agree or agree to make
rare use of price promotions. However, they are not as rigid when implementing price
promotions: 55.3 % make sure the discounted price does not extremely deviate from the
original price. Even less luxury brand managers limit the use of price promotions to fashion
items only (30.7 %) and specific distribution channels (29.8 %). The forms of distribution,
however, may largely differ by categories and the size of the luxury manufacturer. A relatively
small luxury car manufacturer, for example, might not have a factory outlet store in order
to discreetly sell items on sale. This heterogeneity may partially explain the low extent to
which luxury brand managers limit price promotions to separate distribution channels.

8.4 Conclusion

In this contribution, we have identified four luxury-specific pricing decisions: firstly, a


long-term vision of price implies a long-term price planning horizon, successive price
increases over time and the anticipation of future cost and market dynamics. Secondly,
136 M. Fassnacht et al.

in a rigid price discrimination policy both the percentage degree and the types of price
discrimination (based on special editions, quantity, customer status, or country) should
be clearly defined. Next, luxury brand managers should determine and retain a fixed
combination of price and volume even if demand is below or above expectations. Finally,
a rigid price promotion policy entails the rare use of price promotions in general and clear
guidelines in particular which products may be sold on sale (ideally no iconic, classic items),
using which distribution channels (ideally neither in prime location stores nor online) and
to which percentage degree of price reduction.
Based on our empirical results we find that these luxury pricing decisions have a signi-
ficant, positive impact on luxury price continuity which is considered a key performance
measure of luxury pricing. However, while we have found this evidence on the perfor-
mance impact of luxury pricing decisions, the descriptive statistics of our management
survey indicate that a considerable number of luxury brands is not yet pursuing all com-
ponents of luxury pricing decisions to a large extent. It seems to be too tempting to record
short-term gains by offering more products when needed or discounting prices. We would
like to recall, however, the reasoning of striving for luxury price continuity: constantly high
prices ensure constantly high margins as well as the brand’s image of timeless, superior
value. A rigorous pursuit of all components of luxury pricing decisions may slow down
sales growth in the short term. Creating price continuity, however, may help assuring an
admirable luxury brand image and, thus, the legitimization of charging highest prices in
the long run.

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2012.
Vertrieb von Luxusmarken – von Absatzmittlern zu
Markenbotschaftern 9
Philip Maloney

Zusammenfassung
Nur wenigen Marken gelingt es, ihre Markenidentität in konsistenter Weise an allen
Marke-Kunden-Kontaktpunkten umzusetzen. Insbesondere „im persönlichen Dialog
mit den Kunden“, am PoS, versagen viele Herstellermarken. Ein zur Markenidentität
konsistentes Auftreten der Herstellermarke kann hier nur in Kooperation mit Absatz-
mittlern erfolgen. Dafür ist es erforderlich, dass die Absatzmittler und ihre Mitarbeiter
ein hohes Brand Commitment gegenüber der Herstellermarke besitzen.
Für Luxusmarken gilt in besonderer Weise, dass die Authentizität der Marke und ihrer
Repräsentanten ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Wahrung ihrer „Luxus-Aura“
ist. Eine solche Aura stellt für viele Luxusmarken das Fundament ihres Markenwertes
dar, ist es doch in den meisten Fällen vor allem ein hoher symbolischen Nutzen, der eine
Luxusmarke begehrenswert macht. Verkörpern die Mitarbeiter eines Absatzmittlers im
persönlichen Dialog mit den „Luxus-Kunden“ nicht die notwendige „Luxus-Aura“, so
kann diese Inkonsistenz sehr leicht negativ auf die repräsentierte Marke abfärben.
Der nachfolgende Beitrag stellt einen Ansatz zur Steigerung des Brand Commitment
der Absatzmittler gegenüber einer Herstellermarke vor. Ein hohes Brand Commit-
ment wird dabei als notwendige Voraussetzung für ein Verhalten der Absatzmittler
im Sinne einer Herstellermarke (Brand Citizenship Behaviour) interpretiert. Der Bei-
trag setzt maßgeblich an der Forschung zum innengerichteten Markenmanagement
gegenüber den Mitarbeitern an und erweitert dessen Perspektive auf die Zielgruppe der
Absatzmittler.

Dr. Philip Maloney ()


KEYLENS Management Consultants,
Kaistr. 13, 40221 Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: philip.maloney@keylens.com

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 139


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_9, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
140 P. Maloney

9.1 Bedeutung der Absatzmittler für das Markenerlebnis am Point


of Sale

Für eine konsistente Umsetzung der Markenidentität genügt es nicht, diese am „grünen
Tisch“ zu entwerfen und dann in Form eines Briefings an eine Werbeagentur weiterzulei-
ten. Damit die Markenidentität widerspruchsfrei an allen Marke-Kunden-Kontaktpunkten
erlebbar wird ist es erforderlich, dass diese von den Mitarbeitern der markenführen-
den Institution verstanden, in Verhalten übersetzt und kommuniziert wird. Nur wenn
alle Mitarbeiter, die direkt oder indirekt eine Marke vertreten bzw. die Marke betreffen-
de Entscheidungen fällen, die Markenidentität zur Grundlage ihres Verhaltens gemacht
haben, kann diese als Basis eines konsistenten Markenauftritts fungieren. Dafür muss
zunächst sichergestellt sein, dass die Wahrnehmung der Markenidentität über alle Funk-
tionsbereiche und Hierarchieebenen bei den internen Zielgruppen einheitlich ist. Diesen
Herausforderungen widmet sich die zuletzt viel beachtete Forschung zum innengerichteten
Markenmanagement [3].
Eine besondere Bedeutung für die Vermittlung der Markenidentität und die Bildung
der Marke-Kunden-Beziehung wird dem persönlichen Kontakt zwischen Kunden und die
Marke repräsentierenden Personen beigemessen. So formulieren bspw. Hatch und Schultz:
„nothing is more powerful than stakeholders’ direct, personal encounters with the orga-
nization“ [7, S. 132]. Einen empirischen Nachweis für die Bedeutung des persönlichen
Kontakts in dienstleistungsintensiven Branchen konnten Nguyen und Leblanc erbringen
[13]. Sie untersuchten den Einfluss des Kundenkontaktpersonals auf die Markenwahrneh-
mung in der Versicherungs- und Hotelbranche. Dazu verwendeten sie die drei Dimensionen
äußeres Erscheinungsbild („appearance“), Kompetenz („Competence“) und Professiona-
lität („professionalism“) und verdichteten sie zu einem Faktor. Sie konnten belegen, dass
von der Interaktion mit Kundenkontaktpersonal in beiden Branchen signifikante Einflüsse
auf die Markenwahrnehmung ausgehen.
Häufig wird im Zusammenhang mit der Bedeutung von Kundeninteraktionen auch auf
den Einfluss der Absatzmittler verwiesen [16]. So stellt nicht selten der Kontakt zu den
Mitarbeitern eines Absatzmittlers die einzige persönliche Interaktion zwischen Nachfrager
und Marke dar. Der direkte Markenkontakt am Point of Sale (PoS), unter dem Eindruck
diverser Gestaltungsmerkmale wie etwa der Architektur, der Innenausstattung oder den
Lichtverhältnissen, beeinflusst die Erlebnisqualität einer Marke in hohem Maße. Dabei
kommt der fachlichen und sozialen Kompetenz der Mitarbeiter eines Absatzmittlers sowie
deren Überzeugung von der Marke eine entscheidende Bedeutung zu. Die Funktion der
Absatzmittler wird daher oft als die eines „Gatekeepers“ für den Auftritt der Herstellermarke
bezeichnet [9]. Thies führt diesbezüglich an, dass eine von vier Filterfunktionen des Handels
der so genannte „Imagefilter“ ist. Absatzmittler können demnach darüber entscheiden, ob
eine Marke „image-adäquat“ vertrieben wird [19]. In ähnlicher Weise bemerkt Porter: „the
retailer controls or is a proxy for some of the attributes which the consumer may desire in
the product. The retailer’s store reputation and image may reflect on the quality and image
9 Vertrieb von Luxusmarken – von Absatzmittlern zu Markenbotschaftern 141

Satisfaction
0.492 with
Product
Satisfaction 0.535 Satisfaction
with with
Salesperson Dealer 0.553
Satisfaction
with
Manufacturer

Abb. 9.1 Einfluss des Verkaufspersonals auf die Zufriedenheit mit Produkt und Hersteller. (Quelle:
In enger Anlehnung an Goff et al. [6, S. 172])

of the product“ [14, S. 420]. Die Absatzmittler bilden demzufolge eine zentrale Schnittstelle
zwischen der internen und externen Wahrnehmung einer Marke.
Eine Untersuchung von Goff et al. zeigt ebenfalls die Bedeutung von Absatzmittlern
für Herstellermarken auf. Diese konnten im Rahmen einer Befragung von 2.000 PKW-
Käufern belegen, dass die Zufriedenheit der Käufer sowohl mit einem Produkt als auch dem
Hersteller eines Produkts positiv mit der Händler- bzw. Verkäuferzufriedenheit korreliert
(vgl. Abb. 9.1). Angesichts ihrer Ergebnisse bemerken sie, dass „billions of dollars spent
on product development and promotion can be, at least partially, negated by the poor
performance of a salesperson at a retail location and by dissatisfying customer interaction
with the retailer“ [6, S. 178].
Die Absatzmittler bzw. ihre Mitarbeiter sind aus Sicht der Kunden häufig nicht von den
Mitarbeitern der markenführenden Institution zu unterscheiden. So bemerken auch Goff
et al. bezüglich der Bedeutung des Kundenkontakts am PoS für die Herstellermarke: „brand
equity may be influenced by the front-line customer contact people, such as salespeople,
that for many consumers are the firm“ [6, S. 179]. Die Einnahme der Kundenperspektive
bedeutet, dass die Absatzmittler in ähnlicher Weise geführt werden sollten, wie es die For-
schung zum innengerichteten Markenmanagement für die Mitarbeiter einer Organisation
vorsieht. Es muss sichergestellt werden, dass die Absatzmittler in ihrem Verhalten einen
hohen Fit zur Markenidentität aufweisen und diese in konsistenter Weise gegenüber den
Kunden vertreten.

9.2 Besondere Relevanz der Absatzmittler für Luxusmarken

Eine aus Sicht der identitätsbasierten Markenführung zentrale Annahme ist, dass eine ho-
he Interaktionsintensität zwischen Kunde und Marke im Regelfall zu einer Annäherung
und gegebenenfalls sogar zu einer Übereinstimmung von Markenidentität und Markeni-
mage führt. Auch das Vertrauen in eine Marke wird in der Regel positiv von einer hohen
Interaktionsintensität beeinflusst. Bezogen auf die Rolle der Absatzmittler kann entspre-
chend davon ausgegangen werden, dass deren Einfluss auf die Wahrnehmung einer Marke
142 P. Maloney

mit steigender Interaktionsintensität zunimmt. Ein zur Markenidentität konsistentes Ab-


satzmittlerverhalten ist demnach vor allem bei solchen Marken besonders wichtig, die
sich durch eine hohe Kundeninteraktionsintensität auszeichnen. Aufgrund dieser Erkennt-
nis wurde dem innengerichteten Markenmanagement bislang vor allem im Kontext der
Führung von Dienstleistungs- oder Industriegütermarken eine besondere Bedeutung bei-
gemessen. Es gibt jedoch auch im Bereich der Konsumgüter bestimmte Marken, die durch
eine hohe Interaktionsintensität geprägt sind. Zu den Marken, bei denen von erhöhter
Interaktionsintensität ausgegangen werden kann, zählen auch Luxusmarken.
Die hohe Kundeninteraktionsintensität von Luxusmarken muss absolut und relativ
zu anderen Marken und im Branchenkontext gesehen werden. So zeichnet sich die Au-
tomobilbranche durch eine sehr hohe absolute Kundeninteraktionsintensität aus. Diese
liegt beispielsweise über der Kundeninteraktionsintensität in der Lebensmittelbranche,
unabhängig vom Luxusgrad der betrachteten Marke. Stellt man jedoch die Kundenin-
teraktionsintensität beim Verkauf eines VW Polo der beim Verkauf eines Porsche Cayenne
gegenüber, so scheint die These zulässig, dass diese bei Letzterem höher ist. Dies ist damit
zu begründen, dass der höhere Aufwand in der Kundenbetreuung bei einem Porsche Ca-
yenne durch den höheren Verkaufspreis gerechtfertigt ist. Der höhere Verkaufspreis geht
dabei zumeist mit einem höheren Betreuungsbedürfnis des Nachfragers und in der Folge
verstärkter Interaktionsintensität mit dem Absatzmittler einher.
Darüber hinaus versuchen viele Luxusmarken durch besondere Serviceangebote in der
Kauf- oder Nachkaufphase oder ein spezielles Einkaufserlebnis einen Zusatznutzen gegen-
über Marken aus dem Mittelpreissegment zu erzeugen [2]. Gerade in reifen Märkten mit
hoher Imitationsgeschwindigkeit, einer schnellen Diffusion technologischen Know-hows
und einer technisch-funktionalen Austauschbarkeit der Angebote kommt dieser Service-
und Erlebnisdimension eine große Bedeutung zu. Luxusmarken bieten diesbezüglich einen
Gegenpol zu dem aktuell in vielen Branchen zu beobachtenden Trend einer Einsparung
von Verkaufs- und Servicepersonal zugunsten von Preissenkungsmaßnahmen. Beispiele für
ein minimales persönliches Interaktionsniveau sind unter anderem Telefon- oder Finanz-
dienstleister, die ihre Kundeninteraktion hochgradig automatisiert abwickeln, Supermärkte
die ausschließlich auf Selbstbedienung und zunehmend auch vom Kunden abgewickelte
Bezahlung (self check-out) setzen oder ganz allgemein die vermehrte Distribution über
vergleichsweise unpersönliche Medien wie Fernsehen, Telefon und Internet.
Demgegenüber folgen viele zum Luxussegment aufstrebende Marken der Empfehlung
von Ahlert und Köster, die ein Uptrading durch enge Koordination zwischen Hersteller
und Absatzmittler postulieren [1]. Diese diskutieren die Möglichkeit von wertorientierten
Preiserhöhungen auf der Basis von anspruchsvollen, personalisierten Problemlösungen für
anspruchsvolle Nachfrager. Durch eine Aufwertung des Angebotes kann aus ihrer Sicht her-
stellerseitig die Marke-Kunden-Beziehung gestärkt und die Marktposition gefestigt sowie
händlerseitig ein Schutz gegenüber preisfokussierten Vertriebsformen errichtet werden.
Allgemein hat ein herausragender Service eine große Bedeutung für Luxusmarken. So
formuliert bspw. Reitzle in anschaulicher Weise: „Service prägt sehr nachhaltig den Charak-
ter einer Luxusmarke. Oder können Sie sich vorstellen, dass ein gestresster Top-Manager,
9 Vertrieb von Luxusmarken – von Absatzmittlern zu Markenbotschaftern 143

ein vom Jetlag geplagter Sportchampion oder eine launige Diva des Showbusiness den Nerv
hätte, sich persönlich um das Wohlergehen ihrer wertvollen Wagen und Designer-Produkte
zu kümmern?“ [16, S. 15]. Ein Zusatznutzen im Bereich der Services oder des Einkaufser-
lebnisses kann dabei meist nur in Kooperation mit einem Absatzmittler geboten werden.
Dessen Service- und Kundeninteraktionsintensität sowie folglich auch der Einfluss auf die
Markenwahrnehmung nehmen damit zu. Dem Tatbestand eines aufwendigen Verkaufs
von Luxusmarken trägt bereits Wöhe in seinem Standardwerk zur „Einführung in die Be-
triebswirtschaft“ Rechnung, wenn er bezüglich der Wahl der Präsentationsform von Waren
im Rahmen der Distributionspolitik zwischen Massengütern und Prestigegütern unter-
scheidet. Er führt dabei an, dass eine aufwändige Präsentationsform mit einem erhöhten
Personaleinsatz einhergeht und am ehesten für Prestigegüter geeignet scheint [20].
Der besondere Wert von Luxusmarken basiert in vielen Fällen vor allem auf einer „Luxus-
Aura“, die manchmal sogar als etwas „magisches“ und „kunstvolles“ beschrieben wird [4].
Für die Wahrung einer solchen Aura ist das Markenerlebnis am PoS in besonderem Maße
relevant, allerdings verlangt sie ein Höchstmaß an Authentizität in Bezug auf die dort agie-
renden Personen. Die zentrale Herausforderung für Hersteller von Luxusmarken besteht
daher darin, das Markenmanagement gegenüber den Absatzmittlern derart auszugestalten,
dass diese die Marke mit hohem Engagement vertreten und ihre „Aura“ nicht gefährden.
Im Fokus stehen dabei insbesondere Faktoren wie eine hohe Beratungsqualität, eine an-
sprechende äußere Anmutung oder eine Kompatibilität zu den Werten und Bedürfnissen
der zumeist anspruchsvollen Kundschaft.
Nachfolgend wird ein Modell vorgestellt, das einen Bezugsrahmen für die Steuerung
von Absatzmittlern im Sinne der Stärkung einer Herstellermarke bietet.

9.3 Modell für das Absatzmittlergerichtete, identitätsbasierte


Markenmanagement

Um ein mit der Identität der Herstellermarke konsistentes Verhalten von Absatzmittlern
zu erzielen ist der Einsatz von spezifischen, absatzmittlergerichteten Markenführungsmaß-
nahmen erforderlich. Diese sind grundsätzlich mit den Maßnahmen der innengerichteten
Markenführung vergleichbar, müssen jedoch auf den Anwendungsfall der Absatzmittler
angepasst werden. Zu diesem Zweck wurde von Maloney ein erster Ansatz für ein absatz-
mittlergerichtetes, identitätsbasiertes Markenmanagement entwickelt, der nachfolgend in
Auszügen skizziert wird [12].
Den Ausgangspunkt dieses Ansatzes bildet die aus der Forschung zum innengerichteten
Markenmanagement abgeleitete Annahme, dass das Verhalten der Absatzmittler gegenüber
einer Herstellermarke durch ihre Einstellung gegenüber dieser determiniert wird [23]. Um
ein zur Markenidentität der Herstellermarke konsistentes Verhalten der Absatzmittler zu
bewirken (Brand Citizenship Behaviour, vgl. Abschn. 9.3.5), muss daher die psychologische
Bindung der Absatzmittler gegenüber der Herstellermarke, das Brand Commitment, erhöht
144 P. Maloney

werden. Dazu stehen drei Maßnahmenbereiche zur Verfügung, welche eng an die Forschung
zum innengerichteten Markenmanagement angelehnt sind:

• Sicherstellung eines hohen Absatzmittler-Markenidentitäts-Fit


• Erzeugung von Markenrelevanz und Markenverständnis bei den Absatzmittlern
• Markenorientierte Führung von Absatzmittlern.

9.3.1 Sicherstellung eines hohen Absatzmittler-Markenidentitäts-Fit

Es herrscht in der Literatur weitestgehend Einigkeit darüber, dass im Bereich interper-


soneller Beziehungen die Ähnlichkeit der Partner den Erfolg einer Beziehung positiv
beeinflusst [5]. Auch in Bezug auf Mitarbeiter und Organisationen wird der Personen-
Organisations-Fit häufig als zentraler Erfolgsfaktor herausgestellt. Eine Studie von Yaniv
und Farkas belegt sogar, dass der Personen-Organisations-Fit über die Beziehung der
Mitarbeiter zu ihrer Unternehmensmarke letztlich auch die Einstellung der Kunden zur
Unternehmensmarke positiv beeinflusst [21]. Auch in der Literatur zur Absatzkanalfor-
schung wird vielfach darauf hingewiesen, dass ein Fit zwischen den Austauschpartnern in
einer Hersteller-Absatzmittler-Beziehung eine positive Wirkung auf die Kooperation hat.
In einer kausalanalytischen Untersuchung zeigen bspw. Homburg et al., dass sich die Ähn-
lichkeit von Herstellern und Absatzmittlern positiv auf die Kooperation und letztlich die
Effektivität aus der Perspektive der Hersteller auswirkt [8].
Vor diesem Hintergrund sollte bereits bei der Selektion zukünftiger Absatzmittler darauf
geachtet werden, dass ein Fit zur Herstellermarke gegeben ist. Ein sehr allgemeines Schema
zur Bewertung des Fits zwischen Herstellern und Absatzmittlern stellen die von Homburg
et al. verwendeten Dimensionen des Konstrukts der interorganisationalen Ähnlichkeit dar.
Dabei handelt es sich um die Dimensionen Preispositionierung, Qualitätspositionierung,
generelle Orientierung von Marketing und Vertriebsaktivitäten und kulturelle Ähnlichkeit
[8]. Die Preispositionierung gilt allgemein als wichtiger potenzieller Konfliktpunkt in der
Beziehung zwischen Hersteller und Absatzmittler. Ein Fit in diesem Bereich erscheint da-
her besonders wichtig zu sein. Insbesondere für Luxusmarken ist es von großer Bedeutung,
dass die Preispositionierung von den Absatzmittlern konsequent unterstützt wird. Ähnli-
ches gilt auch für die Qualitätspositionierung. Auch hier ist gerade für Luxusmarken ein
gemeinsames Verständnis dessen, was hohe Qualität auszeichnet unabdingbar. Die Ori-
entierung von Marketing und Vertriebsaktivitäten bezieht sich vor allem auf den Einsatz
von Kommunikations- oder Verkaufsförderungsmaßnahmen. Für Luxusmarken ist bspw.
ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich der anzuwendenden Rabattpolitik ein wichtiger
Aspekt der Markenführung. Die vierte Dimension ist schließlich die kulturelle Ähnlichkeit
der Absatzmittler zu einer Herstellermarke. Von einer ausgeprägten Unternehmenskultur
können starke Einflüsse auf das Verhalten der Mitarbeiter ausgehen. Liegt etwa bei ei-
nem Absatzmittler eine ausschließliche „Verkaufskultur“ vor, dann muss die Frage des Fit
zu einer Luxusmarke gegebenenfalls negativ beantwortet werden. Eine Zusammenarbeit
9 Vertrieb von Luxusmarken – von Absatzmittlern zu Markenbotschaftern 145

zwischen Herstellern und Absatzmittlern könnte in solchen Fällen leicht zu Konflikten


führen.

9.3.2 Erzeugung von Markenrelevanz und Markenverständnis

Um die Markenidentität gegenüber den Nachfragern konsistent umzusetzen, ist es er-


forderlich, dass die Absatzmittler diese verstanden und verinnerlicht haben. Bei vielen
Absatzmittlern ist es dazu zunächst notwendig, ein Bewusstsein für die Relevanz einer Her-
stellermarke zu schaffen. Das Vorhandensein eines Verständnisses für die Relevanz einer
Herstellermarke kann in vielen Fällen nicht vorausgesetzt werden. Häufig führen Absatz-
mittler verschiedene Herstellermarken und schätzen die Relevanz einer einzelnen Marke
im Portfolio als gering ein. Ein Grund dafür kann etwa die Tatsache sein, dass der Um-
satz mit dieser Marke lediglich einen geringen Anteil am Gesamtumsatz ausmacht. Vielen
Absatzmittlern, vornehmlich denen die mit dem Thema Markenführung nicht vertraut
sind, muss daher zunächst die Verhaltensrelevanz und insbesondere die ökonomische Re-
levanz einer starken Marke vor Augen geführt werden [1, S. 200 ff.]. In der Literatur zum
Distributionsmanagement wird in diesem Zusammenhang u. a. die Durchführung von
Marktforschungsstudien empfohlen. Um den Absatzmittlern die Relevanz einer Herstel-
lermarke aufzuzeigen sind vor allem extern durchgeführte Studien gut geeignet, weil mit
diesen oft ein hohes Maß an Neutralität assoziiert wird [17].
In Bezug auf die Demonstration ihrer ökonomischen Relevanz haben Luxusmarken oft
Vorteile gegenüber Marken aus dem Einstiegs- oder Mittelpreissegment. So sind Nach-
frager häufig bereit, die funktionalen und symbolischen Nutzenvorteile von Luxusmarken
in stärkerem Maße monetär zu honorieren, wodurch sich der Einsatz eines Absatzmitt-
lers für eine solche Marke in einer höheren Marge niederschlägt. Dies bestätigen indirekt
auch die Ergebnisse einer Studie zum Thema „Luxus-Küchenmarken“ des Lehrstuhls für
innovatives Markenmanagement (LiM®) der Universität Bremen [11]. Im Rahmen dieser
Studie wurden die Probanden u. a. gefragt, ob sie den Preisaufschlag von Luxusmarken
für gerechtfertigt halten. Dabei gaben 83 % der befragten Küchenkunden an, dass sie
den Preisaufschlag für Luxusmarken als zumindest tendenziell gerechtfertigt erachten (vgl.
Abb. 9.2). Derartige Studienergebnisse könnten dazu geeignet sein, den Absatzmittlern die
ökonomische Relevanz einer Luxusmarke für ihr Handelsgeschäft zu veranschaulichen.
In einer ebenfalls vom Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement durchgeführ-
ten, repräsentativen telefon- und onlinebasierten Befragung von 967 Probanden konnte
darüber hinaus aufgezeigt werden, dass insbesondere Luxuskäufer von großen Qualitäts-
unterschieden zwischen Küchen aus dem Mittelpreissegment und Luxus-Küchen ausgehen
(vgl. Abb. 9.3). Auch dieses Ergebnis könnte dazu verwendet werden, Absatzmittlern die
Relevanz von Luxusmarken und die Bedeutung der Einhaltung eines damit verbunde-
nen Nutzenversprechens zu demonstrieren. So ist ein enger Zusammenhang zwischen
der Wahrnehmung von Qualitätsunterschieden und der Bereitschaft, für höherwertige
Küchenmarken einen höheren Preis zu entrichten sehr wahrscheinlich.
146 P. Maloney

Frage: Ist der Preisaufschlag von Luxusmarken gerechtfertigt? (geschlossene Frage)

83%

40%
36%

30% 27%

20%
20%

10% 7%
5% 5%

Absolut Gerechtfertigt Eher Eher nicht Nicht Absolut nicht


gerechtfertigt gerechtfertigt gerechtfertigt gerechtfertigt gerechtfertigt
N = 84

Abb. 9.2 Monetäre Bedeutung von Luxus-Küchenmarken [11]

Frage: Aus Ihrer persönlichen Sicht, wie sehr unterscheidet sich die Qualität einer Luxus-
Küche von der einer Küche aus dem Mittelpreissegment?
(Skala von 6 = Unterscheidet sich sehr stark, bis 1 = Unterscheidet sich gar nicht)
31%

28%

22%

20%
19%
16%

14% 14% 14%


12%

7%

4%

Unterscheidet sich Unterscheidet sich


gar nicht sehr stark
Premium-Käufer „normale Küchenkäufer“
N = 967

Abb. 9.3 Wahrgenommene qualitative Überlegenheit von Luxus-Küchenmarken [11]


9 Vertrieb von Luxusmarken – von Absatzmittlern zu Markenbotschaftern 147

Sobald ein Bewusstsein für die Relevanz der Herstellermarke sichergestellt ist, kann die
Vermittlung der Markenidentität gegenüber den Absatzmittlern erfolgen. In Franchise-
systemen obliegt es dem Franchisegeber, die identitätsstiftenden Merkmale des Systems
zu identifizieren und in konsistenter Weise an alle Franchisenehmer zu vermitteln, um
dadurch ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Ebenso obliegt es einer markenführenden
Organisationen, unabhängig von der gewählten Vertriebsstruktur, ihren Absatzmittlern
die Markenidentität der Herstellermarke näher zu bringen. Damit dies in konsistenter
Weise auf allen Ebenen geschehen kann ist es aber zunächst erforderlich, dass alle Mitar-
beiter der markenführenden Organisation ein klares Verständnis von der Markenidentität
besitzen. Das ist gewissermaßen eine Vorbedingung. Insofern ist das innengerichtete Mar-
kenmanagement gegenüber den Mitarbeitern gewissermaßen die notwendige Vorarbeit
eines erfolgreichen absatzmittlergerichteten Markenmanagements. Dies gilt umso mehr,
als dass im Zuge einer wachsenden Separierung der Schnittstellen zwischen Hersteller und
Handel, etwa durch funktionale Trennungen des Key Account Managements vom Marke-
ting und Markenmanagement, eine integrierte Kommunikation gegenüber dem Handel
zunehmend erschwert wird.
Geeignete Kanäle zur Vermittlung der Markenidentität sind z. B. Markenhandbücher,
das Intranet oder auch persönliche Kommunikation. Die inhaltliche Ausgestaltung der
Botschaft kann dabei entweder faktenbasiert sein oder Anekdoten und Geschichten in
den Vordergrund stellen, letzteres wird auch als „Organisational Storytelling“ bezeichnet.
In jedem Fall entscheidend ist, dass die Markenidentität für die handelnden Personen
operationalisiert wird. Allen Beteiligten muss klar sein, mit welchen Maßnahmen die Mar-
kenidentität gestärkt werden kann bzw. welche Maßnahmen markenschädlich sind. Ohne
dieses „Herunterbrechen“ der Markenidentität wird ein Markenhandbuch für die tägliche
Arbeit keine Relevanz erlangen und daher wenig Beachtung finden.

9.3.3 Markenorientierte Führung von Absatzmittlern

Ziel des Maßnahmenbereichs „markenorientierte Führung von Absatzmittlern“ ist es, die
„Relevanz und Vermittlung der Markenidentität“ durch das Führungsverhalten zu unter-
stützen und die Absatzmittler im Sinne der Marke zu motivieren sowie ihnen ein Gefühl
der Zugehörigkeit zur markenführenden Institution zu vermitteln. Wie u. a. empirische
Ergebnisse der Forschung zur wahrgenommenen Unternehmenszugehörigkeit zeigen, sind
die Konstrukte „Perceived Insider Status“ und „Perceived Organizational Membership“
wesentlich durch den „Perceived Organizational Support“ beeinflusst [18]. Dieser kann
definiert werden als „the global belief held by an employee concerning the extent to which the
organization values the employee’s contributions and cares about the employee’s well-being“
[18, S. 878]. Mitarbeiter fühlen sich also vor allem dann als „Insider“ eines Unternehmens,
wenn ihnen das Gefühl vermittelt wird, dass sie einen wichtigen Beitrag zu dessen Erfolg
leisten. Übertragen auf Absatzmittler kann angenommen werden, dass auch diese sich einer
Herstellermarke in stärkerem Maße verbunden fühlen, wenn ihnen das Gefühl vermittelt
148 P. Maloney

wird, einen wichtigen Beitrag zu ihrem Erfolg zu leisten. Die Vermittlung dieser Botschaft
sollte daher bei der Festlegung des anzuwendenden Führungsverhaltens Berücksichtigung
finden.
Empirische Studien haben gezeigt, dass im Hersteller-Absatzmittler-Kontext ein parti-
zipativer Führungsstil die am stärksten positive Wirkung auf das Verhalten von Absatz-
mittlern aufweist. Homburg et al. betonen in diesem Zusammenhang: „If distributors
are welcomed to participate in decision processes, it is likely that they will be involved in
the implementation of these decision.“ [8, S. 38]. Um die Absatzmittler im Sinne einer
Herstellermarke zu motivieren erscheint es daher sinnvoll zu sein, sie in markenbezogene
Entscheidungen zu involvieren und ihre Meinung zu würdigen. Ein partizipativer Füh-
rungsstil ist nicht zuletzt deshalb zu präferieren, weil die Absatzmittler zumeist wesentlich
„näher“ am Kunden sind als die markenführende Institution und daher Kundenfeedback
oder Kundenwünsche unmittelbarer erfahren. In diesem Zusammenhang wird auch von
der „Informationshoheit des Handels“ gesprochen. Der von den Absatzmittlern zu erwar-
tende Input für die Markenführung kann deshalb zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor
werden. Die Einbindung der Absatzmittler in die Markenführung hat damit neben der
Commitment induzierenden Wirkung auch unmittelbare Erkenntnisvorteile und gegebe-
nenfalls eine „neutralere Sicht“ auf die Stärken und Schwächen der eigenen Marke zufolge.
Dadurch kann z. B. die Gefahr der „Betriebsblindheit“ bei der Markenführung des Her-
stellers gemindert werden. Die Anwendung eines partizipativen Führungsverhaltens sollte
dabei gegenüber allen Absatzmittlern in gleicher Weise erfolgen und sich nicht lediglich
auf wenige, bedeutende Absatzmittler erstrecken. So zeigen empirische Ergebnisse, dass
ein fairer Umgang auch mit weniger mächtigen Absatzmittlern einen großen Beitrag zum
Aufbau von Commitment leisten kann [10].
Ein weiterer, in der Literatur zum innengerichteten Markenmanagement häufig hervor-
gehobener Aspekt der Mitarbeiterführung ist das Vorleben der Markenidentität durch die
Führungskräfte. Insbesondere die Rolle des CEO wird dabei als besonders wichtig erachtet.
Auch gegenüber den Absatzmittlern sollte die Markenidentität der Herstellermarke von
den Kontaktpersonen vorgelebt werden. Eine notwendige Vorbedingung ist dabei, dass die
Markenidentität von den entsprechenden Vertretern der markenführenden Institution ver-
standen und verinnerlicht wird. Für viele Luxusmarken stellt dieser Aspekt eine besondere
Herausforderung dar, weil die im Vertrieb handelnden Personen und auch andere mit den
Absatzmittlern in Kontakt stehende Personen dem „Luxusanspruch“ der Marke nicht im-
mer gerecht werden können. Hier sind Absatzmittler durch den direkten Kundenkontakt
und die damit verbundene Nähe zu den „Luxus-Kunden“ nicht selten im Vorteil. Sie sind
häufig mit den Ansprüchen ihrer „Luxusklientel“ besser vertraut als die Außendienstmitar-
beiter eines Hersteller. Ein solches Missverhältnis kann zu Akzeptanzproblemen auf Seiten
der Absatzmittler gegenüber der Luxusmarke bzw. den Kontaktpersonen führen. Die Lu-
xusmarke wird dann als nicht authentisch wahrgenommen, wodurch das Commitment ihr
gegenüber leidet.
9 Vertrieb von Luxusmarken – von Absatzmittlern zu Markenbotschaftern 149

9.3.4 Determinanten und Kontextfaktoren des Brand Commitment


von Absatzmittlern

Neben den Maßnahmenbereichen sind weitere Determinanten und Kontextfaktoren des


Brand Commitment der Absatzmittler zu berücksichtigen, die an dieser Stelle jedoch
lediglich eine kurze Erwähnung finden sollen. Sie gilt es bei der Steuerung der Hersteller-
Absatzmittler-Beziehung und der Gestaltung der genannten drei Maßnahmenbereiche zu
berücksichtigen.
Das Konstrukt des Brand Commitment wird im Rahmen des absatzmittlergerichte-
ten, identitätsbasierten Markenmanagements als ein zweidimensionales Konstrukt mit den
Dimensionen normatives und instrumentelles Brand Commitment interpretiert (vgl. im
Folgenden [12]). Während das normative Brand Commitment einer emotionalen Bezie-
hung entspringt und zu psychologischer Verbundenheit führt, ist das instrumentelle Brand
Commitment ein Ergebnis rational-ökonomischer Kosten-Nutzen Abwägungen. Es ent-
springt einer sachlichen Beziehung eines Absatzmittlers zu einem Hersteller und führt zu
psychologischer Gebundenheit aufgrund eines kognitiven Nutzenkalküls. Beide Dimen-
sionen des Brand Commitment verfügen über verschiedene strukturelle Determinanten,
die sich grob den Kategorien ökonomisch orientierte Determinanten (instrumentelles
Brand Commitment) und verhaltenswissenschaftlich orientierte Determinanten (nor-
matives Brand Commitment) zuordnen lassen. Zu ersterer Kategorie zählen bspw.
„transaktionsspezifische Investitionen“ oder die von einem Absatzmittler wahrgenommene
„Herstellerleistung“. Letztere Kategorie umfasst u. a. die Determinanten „Vertrauen“ und
„wahrgenommene Kommunikationsqualität“.
Die Beziehung zwischen dem Brand Commitment der Absatzmittler und dem daraus re-
sultierenden Verhalten gegenüber der Herstellermarke (Brand Citizenship Behaviour) wird
zusätzlich durch Kontextfaktoren moderiert, dabei handelt es sich um die einem Absatz-
mittler zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen. Um die Herstellermarke
optimal gegenüber den Nachfragern zu vertreten, müssen die Absatzmittler dieses nicht
nur wollen (Brand Commitment), sondern auch dazu in der Lage sein (Ressourcen und
Kompetenzen). Als wesentliche Implikation für die markenführende Institution ergibt sich
daraus die Notwendigkeit, die einem Absatzmittler zur Verfügung stehenden Ressourcen
und Kompetenzen vor der Aufnahme einer Zusammenarbeit genau zu analysieren. Dar-
über hinaus sollten die Absatzmittler bestmöglich bei der Entwicklung markenrelevanter
Ressourcen und Kompetenzen unterstützt werden.
In Bezug auf die Ressourcen eines Absatzmittlers sind grundsätzlich zwei Formen zu
unterscheiden. Erstens diejenigen (komplementären) Ressourcen, die ein Absatzmittler in
die Austauschbeziehung mit einem Hersteller einbringt. Zweitens solche Ressourcen, die
ein Hersteller den Absatzmittlern als Unterstützungsleistung zur Verfügung stellt. Während
erstere durch den Hersteller bereits in der Auswahlphase eines Absatzmittlers zu bewerten
sind, sollten letztere in kooperativer Weise festgelegt werden. Bei letzteren Ressourcen sind
fortwährende Anpassungen möglich. Die finanziellen Ressourcen lassen sich bspw. in die
Finanzmittelausstattung eines Absatzmittlers einerseits sowie die Werbekostenzuschüsse
150 P. Maloney

Frage: Wie wichtig sind für Sie persönlich folgende Merkmale, um einen Küchenhändler als
exklusiv zu beurteilen? (Skala: 1 = Sehr unwichtig, 6 = Sehr wichtig)

Sehr unwichtig Sehr wichtig


4,5
…er ein hohes Einfühlungsvermögen gegenüber seinen Kunden besitzt. 4,1 *
…die Mitarbeiter höchsten Ansprüchen gerecht werden. 4,2 n.s.
4,0
…er eine große Ausstellungsfläche hat. 3,5 n.s.
3,5
…sein Geschäft anspruchsvoll und repräsentativ eingerichtet ist. 3,2 n.s.
3,1
3,2
…er eine große Auswahl verschiedener Marken bietet. 3,7 *
2,9
…er jederzeit („rund um die Uhr“) für seine Kunden verfügbar ist. n.s.
3,0
2,2
…er absolut einzigartig ist. n.s.
2,2
2,2
…sein Geschäft eine zentrale Lage hat. 2,5 *

...er ein Geschäft in einem exklusiven Umfeld hat. 1,7


n.s.
1,7
1,5 n.s.
…er der einzige Händler in einer Stadt/Region ist, der eine best. Marke führt. 1,6
2,0
…er nur hochpreisige Marken anbietet. 1,6 *
1,5
…er nur eine Marke anbietet. 1,2 *

* = signifikant; α = 0,1
N = 967 Premium-Käufer „normale Küchenkäufer“ n.s. = nicht signifikant

Abb. 9.4 Merkmale eines exklusiven Küchenhändlers aus Kundensicht [11]

eines Herstellers andererseits unterschieden. Beide Formen finanzieller Ressourcen können


die Handlungen eines Absatzmittlers im Sinne einer Herstellermarke beeinflussen.
Die Bedeutung der Kompetenzen von Absatzmittlern und den handelnden Mitarbeitern
kann durch weitere Ergebnisse der bereits an anderer Stelle erwähnten Studie des Lehrstuhls
für innovatives Markenmanagement (LiM®) zum Thema Luxus-Küchenmarken verdeut-
licht werden. Demzufolge sind die für Endkunden wichtigsten Kriterien zur Beurteilung
der Luxusausrichtung eines Küchenhändlers vor allem das Einfühlungsvermögen und die
Beratungskompetenz der dort beschäftigten Mitarbeiter (vgl. Abb. 9.4).
Wie die Ergebnisse der Studie zeigen, muss zwischen zwei Arten von Kompetenzen
unterschieden werden. Einerseits den organisationalen Kompetenzen eines Absatzmitt-
lers und andererseits den individuellen Fähigkeiten der dort beschäftigten Mitarbeiter.
Organisationale Kompetenzen erstrecken sich auf alle Bereiche der Führung eines Han-
delsunternehmens. Als moderierende Faktoren der Beziehung zwischen dem Brand
Commitment und dem Verhalten der Absatzmittler sind jedoch insbesondere solche
Kompetenzen von Bedeutung, die das Verhalten eines Absatzmittlers in Bezug auf eine
Herstellermarke betreffen. In Bezug auf einzelne Mitarbeiter sind neben den spezifischen
Verkaufskompetenzen vor allem allgemeine kommunikative Kompetenzen und ein hohes
Fachwissen entscheidend. Besonders Luxusmarken sollten nur dort angeboten werden,
wo das Kompetenzprofil der Mitarbeiter eines Absatzmittlers mit den hohen Qualitäts-
anforderungen kompatibel ist. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die sozialen
Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter von großer Bedeutung. Die Mitarbeiter sollten
9 Vertrieb von Luxusmarken – von Absatzmittlern zu Markenbotschaftern 151

bzgl. ihres Auftretens und Verhaltens den Ansprüchen einer Luxusmarke gerecht wer-
den. Das umfasst bspw. ein gehobenes Bildungsniveau sowie die Abkehr von einer reinen
Verkaufsorientierung.

9.3.5 Brand Citizenship Behaviour als Zielgröße


des absatzmittlergerichteten, identitätsbasierten
Markenmanagement

Das Vorhandensein eines hohen Brand Commitment gegenüber einer Herstellermar-


ke (Einstellung) ist die Voraussetzung für ein positives, zur Markenidentität konformes
Verhalten seitens der Absatzmittler, dieses wird als „Brand Citizenship Behaviour“ be-
zeichnet. Dabei handelt es sich um ein globales Konzept, welches alle markenrelevanten
Verhaltensweisen eines Absatzmittler umfasst, die in Summe die Markenidentität (einer
Herstellermarke) stärken.
Das Brand Citizenship Behaviour der Absatzmittler setzt sich aus drei Dimensionen
zusammen:

• Markenakzeptanz (Fügsamkeit): beschreibt die Akzeptanz von Regeln und Verhaltens-


richtlinien, die den Umgang mit einer Herstellermarke auf Seiten eines Absatzmittlers
betreffen. Damit sind Verhaltensweisen gemeint, die den formalen Regeln und
Anforderungen einer Herstellermarke entsprechen.
• Markenmissionierung/Außenorientierung: beschreibt das bewusste Eintreten für die
Belange der Herstellermarke. Die Dimension Markenmissionierung umfasst insbe-
sondere sämtliche Verhaltensweisen, welche die Identität einer Herstellermarke in
bestmöglicher Weise gegenüber Außenstehenden repräsentieren.
• Markenentwicklung/Innenorientierung: beschreibt Verhaltensweisen, die darauf aus-
gerichtet sind, aktiven Einfluss auf die Führung einer Herstellermarke zu nehmen,
um diese dadurch zu stärken sowie sich selbst im Sinne der Herstellermarke fort-
zubilden. Absatzmittler versuchen die Herstellermarke im Sinne einer proaktiven
Zusammenarbeit in bestmöglicher Weise zu unterstützen und weiterzuentwickeln.

Die Markenakzeptanz stellt gewissermaßen eine Grundvoraussetzung der Zusammenar-


beit zwischen Hersteller und Absatzmittler dar. Markenmissionierung beschreibt vor allem
das nach außen gerichtete Verhalten (gegenüber externen Zielgruppen) und Markenent-
wicklung das nach innen gerichtete Verhalten von Absatzmittlern (gegenüber den internen
Zielgruppen/der markenführenden Institution). Es ist zu erwarten, dass insbesondere die
Markenentwicklung, also das nach innen gerichtete Verhalten ein besonders hohes Brand
Commitment der Absatzmittler voraussetzt. Mehr noch als die Markenmissionierung, ein
Verhalten welches auch aus ausschließlich eigenen Interessen zum Zwecke der kurzfri-
stigen Gewinnmaximierung betrieben werden könnte, setzt die Markenentwicklung ein
langfristiges, originäres Interesse an einer Herstellermarke voraus.
152 P. Maloney

Transaktionsspezifische Abhängigkeit
Investitionen
Direkte Macht Herstellerleistung

Absatzmittler-
Absatzmittler- Kompetenzen
Markenidentitäts-Fit Instrumentelles
Brand
Commitment
Brand Citizenship Marken-
Markenrelevanz und
Behavior der integrationsgrad
Markenverständnis
Absatzmittler am PoS
Normatives
Markenorientierte Brand
Absatzmittlerführung Commitment
Absatzmittler-
Ressourcen

Indirekte Macht Vertrauenswürdigkeit


Wahrgenommene
Kommunikationsqualität

Abb. 9.5 Modell für das absatzmittlegerichtete, identitätsbasierte Markenmanagement [12]

Ist das Verhalten der Absatzmittler optimal auf die Marke abgestimmt, dann kann von
einem hohen Markenintegrationsgrad am PoS, im Sinne einer Kongruenz zwischen der
Markenidentität und dem Markenauftritt am PoS ausgegangen werden. Die Absatzmitt-
ler und ihre Mitarbeiter stellen eine Luxusmarke in diesem Falle am PoS so dar, wie es
die markenführende Organisation und die Markenidentität vorsieht. Der Markenintegra-
tionsgrad stellt insofern im weiteren Sinne die Zielgröße der Markenführung gegenüber
Absatzmittlern dar.
Nachfolgende Abbildung zeigt das skizzierte Modell des absatzmittlergerichteten,
identitätsbasierten Markenmanagement in der Übersicht (vgl. Abb. 9.5).

9.4 Fazit

Ausgangspunkt dieses Beitrags war die Erkenntnis, dass die Wahrnehmung einer Marke
durch den persönlichen Kontakt mit den die Marke repräsentierenden Personen in be-
sonders starker Weise geprägt werden kann. Den Absatzmittlern als an „vorderster Front“
agierenden Markenrepräsentanten kommt daher eine große Bedeutung zu. Das gilt für
Luxusmarken in besonderer Weise, da an sie und die in ihrem Namen agierenden Personen
sehr hohe Ansprüche gestellt werden. Die für Luxusmarken daraus resultierende Frage ist,
wie Absatzmittler zu „Botschaftern einer Marke“ gemacht werden können. Der vorgestellte
Ansatz für ein absatzmittlergerichtetes, identitätsbasiertes Markenmanagement liefert dazu
erste Erkenntnisse.
9 Vertrieb von Luxusmarken – von Absatzmittlern zu Markenbotschaftern 153

Luxusmarken sollten zukünftig noch größere Aufmerksamkeit auf die Optimierung der
Kundenkontakte am Point of Sale legen. Viele Luxusmarken haben dies bereits erkannt und
versuchen die Kontrolle über diesen Kontaktpunkt durch Investitionen in Direktvertriebs-
aktivitäten zu erlangen. Allerdings sind damit hohe Kosten verbunden und darüber hinaus
fehlt es vielen Herstellern am notwendigen Verständnis für das Endkundengeschäft. Eine
gezielte Investition in die Beziehung mit Absatzmittlern und den Aufbau von Commitment
gegenüber der Luxusmarke ist dagegen mit geringerem Mitteleinsatz und damit meist auch
kurzfristiger möglich. Voraussetzung dafür ist allerdings ein klares Verständnis von der
Markenidentität innerhalb der markenführenden Organisation. Hier gilt, dass zunächst
von den Empfangsmitarbeitern über die Geschäftsführung bis zum Vertrieb ein gemeinsa-
mes Verständnis von der Markenidentität geschaffen werden muss. Bei vielen Luxusmarken
ist diese Grundvoraussetzung möglicherweise noch nicht gänzlich erfüllt, insofern kommt
die Optimierung des Verhaltens der Absatzmittler gegebenenfalls zu früh. Wenn jedoch
die Absatzmittler und ihre Mitarbeiter ihren „Luxus-Kunden“ im Denken und Handeln
deutlich näher sind als die Repräsentanten der Luxus-Herstellermarke, dann liegt bereits
ein Versäumnis vor.
Der vorliegende Beitrag ist als ein Appell für eine konsistente, authentische Führung
von Luxusmarken zu verstehen. Die Luxusmarke hat dabei die Funktion eines gemeinsa-
men Orientierungspunktes für sowohl interne wie externe Repräsentanten. Sie bildet den
Referenzpunkt für ein authentisches Verhalten. Dabei gilt, je klarer und damit stärker die
Identität einer Marke ist, desto besser kann diese das Verhalten der internen Mitarbeiter
und der Absatzmittler steuern. Es handelt sich gewissermaßen um einen Kreislauf: je stärker
eine Marke ist, desto mehr fördert sie ein hohes Commitment und ein ihr entsprechen-
des Verhalten, wodurch wiederum die Konsistenz des Markenauftritts erhöht und damit
letztendlich die Marke weiter gestärkt wird.

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Verl.
Green Luxury – Chancen und Herausforderungen
für eine nachhaltige Führung von Luxusmarken 10
Tilo Halaszovich und Jörg Meurer

Zusammenfassung
Dieser Beitrag beschäftigt sich unter dem Begriff des „Green Luxury“ mit der Be-
deutung der Nachhaltigkeit für die Profilierung von Luxusmarken. Diese besitzt für
Nachfrager von Luxusmarken eine durchgängig hohe Relevanz hinsichtlich der Marken-
wahl und Zahlungsbereitschaft. Hieraus ergeben sich für die Markenführung erhebliche
Differenzierungs- und Abschöpfungspotentiale. Um diese zu realisieren, ist eine Integra-
tion der Nachhaltigkeit in die Identität der Luxusmarke jedoch zwingend erforderlich.
Unabhängig vom Ausmaß mit dem Luxusmarken nachhaltig geführt werden, kann ein
positiver Beitrag nur dann realisiert werden, wenn das Handeln der Marke glaubwürdig
und authentisch bleibt.

10.1 Green Luxury – Nachhaltige Luxusmarken

Die Forderung nach Nachhaltigkeit im Verhalten von Unternehmen sowie bei der Erstellung
ihrer Waren und Dienstleistungen ist in der heutigen Zeit allgegenwärtig. War das Thema
bis vor wenigen Jahren noch ein Trend der sich auf die kleine Zielgruppe der „Ökos“
beschränkte, muss heute vielmehr von einem grundlegenden Wandel des Wertesystems
der Nachfrager gesprochen werden. Doch unterliegen auch die Hersteller von Luxusgütern
diesem Wandel? Sind auch sie oder sind vielleicht gerade sie in der Pflicht nachhaltig zu

Dr. Tilo Halaszovich ()


LS f. innovatives Markenmanagement, Universität Bremen,
Hochschulring 4, 28359 Bremen, Deutschland
E-Mail: t.halaszovich@uni-bremen.de
Dr. Jörg Meurer
KEYLENS Management Consultants,
Kaistr. 13, 40221 Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: joerg.meurer@keylens.com

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 155


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_10, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
156 T. Halaszovich und J. Meurer

wirtschaften? Unter dem Titel Green Luxury, also dem grünen Luxus, gehen die Autoren
dieser Frage nach. Anhand von wissenschaftlichen Ausarbeitungen und aktuellen Studien
belegen sie die hohe Relevanz des Themas für die Führung von Luxusmarken, weisen auf
Chancen und Risiken hin und formulieren schlussendlich strategische Ansatzpunkte zur
Integration nachhaltiger Aspekte für Luxusmarken.
Betrachtet man zunächst die Funktionen, die eine Luxusmarke für ihren Nachfrager
besitzt, so nimmt ihr Potential zur Selbstverwirklichung und dem Ausdruck des eigenen
Ichs einen zentralen Stellenwert ein (vgl. [12, S. 484]). Weitere wichtige Faktoren sind u.
a. die Einzigartigkeit der Produkte, ihre sehr hohe Qualität und Kreativität sowie der sehr
hohe Preis, den ein Nachfrager für sie entrichten muss (vgl. [12, S. 484]). Zusammen-
gefasst zeichnet sich ein Luxusprodukt gegenüber traditionellen Produkten somit durch
eine Überlegenheit in allen relevanten Aspekten aus. Die Aufrechterhaltung des Premium
Images der Marke ist dabei von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus müssen, so Keller, alle
Aspekte des Marketings darauf ausgerichtet sein, die überragende Qualität des Produktes
und das Konsumerlebnis zu stützen [7, S. 291].
Eine in diesem Sinne überlegene Luxusmarke kann die eigene Positionierung damit folg-
lich nicht statisch betrachten sondern muss einen zentralen Wertewandel in der Zielgruppe
dynamisch in die eigene Identität aufnehmen und authentisch vertreten. Nachhaltigkeit
wird in diesem Verständnis dann bedeutsam für die Führung von Luxusmarken, wenn
sie ebenfalls für die eigene Zielgruppe einen hohen Wert besitzt. Ist diese Bedingung er-
füllt, ist Green Luxury weniger ein Differenzierungsmerkmal als vielmehr eine zwingende
Voraussetzung für den anhaltenden Erfolg einer Luxusmarke.
Für ein besseres Verständnis der Inhalte und Bedeutung der Nachhaltigkeit soll nun
zunächst diese dargestellt werden. Das heutige Verständnis des Begriffs der Nachhaltigkeit
geht auf den sog. Brundtland-Report „Our Common Future“ der World Commission of
Environment and Development aus dem Jahr 1987 zurück. Dieser definiert eine nachhaltige
Entwicklung als „a development that meets the needs of the present without compromising
the ability of future generations to meet their own needs“ [13, S. 43].
In direkter Folge des Brundtland-Reports steht die Entwicklung des sog. Drei-
Säulen-Modells der Nachhaltigkeit. Diesem Verständnis nach erfordert Nachhaltigkeit
gleichermaßen die Einhaltung ökologischer, ökonomischer sowie sozialer Anforderungen.
Ökologische Nachhaltigkeit hat dabei zum Ziel, die Umwelt zu schonen. Damit entspricht
sie am ehesten dem klassischen „grünen“ Denken. Wichtigster Aspekt der ökologischen
Nachhaltigkeit ist die Vermeidung von Raubbau an der Umwelt. Hierzu dürfen die na-
türlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht werden, in dem sie sich auch
regenerieren. Ökonomische Nachhaltigkeit fordert ein Wirtschaften, das nicht über die ge-
gebenen Verhältnisse hinausgeht, um den Wohlstand auch für nachfolgende Generationen
zu erhalten. Soziale Nachhaltigkeit schließlich zielt darauf ab, dass allen Beteiligten ein
friedliches und ziviles Zusammenleben möglich ist.
Den mit diesem Verständnis einhergehenden Wertewandel in der Zielgruppe von
Luxusmarken belegt auch eine gemeinsame Studie des Lehrstuhls für innovatives Marken-
management und KEYLENS Management Consultants (2010). In ihrem Rahmen wurden
10 Green Luxury – Chancen und Herausforderungen . . . 157

0 20 40 60 80 100 %
Zeit mit
65,5 %
Fam./Freunden
Freie Zeitgestaltung 64,9 %
Finanz. Absicherung 63,7 %
Zufriedenheit 61,9 %
Sorglosigkeit 57,7 %

Genuss 55,4 %
Glück 51,2 %
Lux. Prod./ DL 47,6 %
Persönliche Ziele erreichen 36,9 %
Natur erleben 34,5 %
Besondere
30,4 %
Produkterlebnisse
Sonstiges 7,1 %

Abb. 10.1 Inhaltliche Bedeutung von Luxus. (Quelle: KEYLENS Management Consultants 2010)

MiƩelwerte
6,0 0 2 4 6 8 10
5,38 Ernährung/
4,98 5,03 Genussmittel 6,75

4,5 Reise/ Touristik 6,55


Automobile/ Fahrz.bau 6,44
Wohnen/ Einrich-
3,0 tung/ Design 5,9
Mode 5,71
Kosmetik/ Parfum 5,63
1,5
Elektronik 5,57
Schmuck/ Uhren 5,03
0
Ökologische Soziale Gesundheitliche Kunst 4,36
Verantwortung Verantwortung Verantwortung

Abb. 10.2 Relevanz der Nachhaltigkeit für Luxusmarken. (Quelle: KEYLENS Management
Consultants 2010)

165 Nachfrager mit einem monatlichen Nettoeinkommen von mehr als 6.000 € befragt.
Die Ergebnisse spiegeln einen Wandel der Bedeutung von Luxus bei den Befragten wider.
Der Besitz von Luxusprodukten und die Erreichung persönlicher Ziele treten heutzutage
deutlich hinter den Spitzenreitern Zeit und freie Zeitgestaltung zurück. Das Erleben von
Luxus ist zudem für 55,2 % der Befragten wichtiger als der Besitz von Luxusprodukten
(Abb. 10.1).
Weitere Einblicke in die Bedeutung der Nachhaltigkeit für die befragte Zielgruppe zeigen,
dass eine ganzheitlich hohe Relevanz aller drei Säulen der Nachhaltigkeit (ökologische
Verantwortung, ökonomische Verantwortung und soziale Verantwortung) für nahezu alle
Luxusbranchen von den Befragten attestiert wird (vgl. Abb. 10.2).
Die hohe Bedeutung der Nachhaltigkeit wird Zusehens auch in der Praxis erkannt. So
wird bspw. BMW-Chef Norbert Reithofer mit der Aussage „Premium wird in Zukunft
immer stärker über Nachhaltigkeit definiert“ zitiert (vgl. [9]).
158 T. Halaszovich und J. Meurer

10.2 Chancen von Green Luxury

Der hohe Druck der Nachfrager zur Nachhaltigkeit in der Markenführung ist dabei aller-
dings nicht nur ein notwendiges Übel, dem sich das Management von Luxusmarken beugen
muss. Vielmehr eröffnen sich für die Führung von Luxusmarken durch eine konsequente
Umsetzung von Green Luxury Strategien zahlreiche Potentiale, die von der Differenzierung
des Angebots bis zur Abschöpfung eines erweiterten Preispremiums reichen.
Die Relevanz der Nachhaltigkeit als Kaufkriterium im Luxusmarkt belegt die Studie
des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement und KEYLENS eindrucksvoll: 50 %
der Befragten Luxuszielgruppe gaben an, dass Nachhaltigkeit für sie ein differenzierendes
Kaufkriterium darstellt. Gleichzeitig konnte ermittelt werden, dass in der Zielgruppe zu-
dem die Bereitschaft herrscht, für nachhaltige Luxusmarken bis zu 16 % mehr als für andere
Luxusmarken zu zahlen. Insbesondere das Differenzierungspotential, das sich Luxusmar-
ken durch einen Wandel hin zum Green Luxury bietet, ist in diesem Zusammenhang von
zentraler Bedeutung.
Anders als bei „normalen“ Marken sind Luxusmarken in einem sehr breiten
Wettbewerbs-umfeld positioniert. Dieser Umstand resultiert aus den Besonderheiten des
Luxusmarktes. So befinden sich diese Marken typischerweise nicht nur im Wettbewerb mit
anderen Marken derselben Produktkategorie, entsprechend einer herkömmlichen Markt-
definition, sondern konkurrieren zeitgleich auch mit Luxusmarken anderer Kategorien. Es
ist eine der zentralen Eigenschaften von Luxusmarken, dass sie deutlich über die klassische
Nutzenerfüllung in einer Kategorie hinausgehen. Dieser Umstand entkoppelt ihren Erwerb
zugleich aber auch von der reinen Bedürfnisbefriedigung der Nachfrager und führt dazu,
dass der Konsum von Luxusgütern wesentlich stärker im freien Ermessen der Konsumenten
liegt (vgl. [7, S. 292 f.]).
Besteht bspw. kein unmittelbarer Bedarf für eine Uhr bei einem Konsumenten, kann er
sein Budget ohne Zwang frei entweder für den Erwerb einer Rolex Uhr verwenden oder
für einen luxuriösen Urlaub in einem exotischen Land. Eine positive Differenzierung der
eigenen Luxusmarke über die Einbeziehung der Nachhaltigkeit bietet dem Markenmana-
gement demnach das Potential, die Markenwahl des Konsumenten positiv auch gegenüber
anderen (Luxus-)Kategorien abzugrenzen. In Anbetracht der hohen Entscheidungsfreiheit
der relevanten Nachfrager muss damit das Eroberungspotential „grüner“ Luxusmarken als
sehr hoch eingeschätzt werden.
Eine Vernachlässigung der Nachhaltigkeit führt der gleichen Logik nach entsprechend
nicht nur zu einem Verzicht auf die Vorteile grüner Strategien, vielmehr macht es Luxus-
marken auch anfällig für Kundenabwanderungen. Abbildung 10.3 zeigt die prozentualen
Häufigkeiten, mit denen Kunden die Marke aufgrund spezifischer Gründe wechseln
würden.
Mit durchschnittlich 65 % sind Kunden von Luxusmarken damit bereit die Marke zu
wechseln, wenn eine der Dimensionen der Nachhaltigkeit durch die Markenführung ver-
nachlässigt wird. Lediglich eine Verschlechterung der gebotenen Produktqualität wiegt mit
74 % noch schwerer.
10 Green Luxury – Chancen und Herausforderungen . . . 159

verschlechterte Qualität 74%

Vernachlässigung gesundheitlicher Aspekte 71%

Nachlassender Service 66%

Vernachlässigung sozialer Aspekte 62%

Vernachlässigung ökologischer Aspekte 61%

Verschlechterter Ruf der Marke 52%

Preissteigerungen 41%

Abb. 10.3 Wechselbereitschaft bei Vorliegen spezifischer Gründe. (Quelle: KEYLENS Management
Consultants 2010)

Das Differenzierungspotential gänzlich auf den Aspekt der Nachhaltigkeit ausgerich-


teter Luxusmarken wurde in den letzten Jahren insbesondere durch junge Unternehmen
genutzt, die hierdurch den Aufbau neuer Marken im Luxussegment unterschiedlicher Pro-
duktkategorien realisierten. Der Luxusmarkt, der klassischerweise durch wenige Anbieter
mit einer besonderen Betonung der eigenen Historie dominiert wurde (vgl. [1, S. 1003]),
sieht sich damit jetzt einer gänzlich neuen Form der Konkurrenz gegenüber. Best Practices
für den Markteintritt finden sich in unterschiedlichen Branchen.
Die Modeschöpferin Linda Loudermilk vertreibt unter ihrem Namen ein Modelabel,
das sich zur Gänze der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Ihre Produkte lassen sich dabei als
„ökologische Mode“ verstehen. Sie selbst sieht ihr Label als „emergencys urvival plan“ für
die Natur und unterstützt mit den Verkaufserlösen aktiv Organisationen zur Verbesserung
der Trinkwasserversorgung. Die Umsetzung der Nachhaltigkeit beschränkt sich jedoch
nicht nur auf die Unterstützung Dritter. Vielmehr zeichnet sich das Label insbesondere
durch die Verwendung innovativer Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen, wie bspw.
Sasawashi Algen, Bambus oder Soja, aus. Der Erfolg ihrer Strategie beruht dabei nicht nur
auf der Nachhaltigkeit. Vielmehr versteht es Loundermilk exzellente Mode zu kreieren und
gleichzeitig nachhaltig zu arbeiten. Ihr Erfolg zeigt sich dabei unter anderem darin, dass
sie vom „W“ Magazine als einer der Top 20 Innovatoren gekürt wurde. Das Elle Magazine
bezeichnete sie zudem als die „Vivienne Westwood of eco“ (vgl. [8]). Das nachhaltige Mode
dabei keineswegs „ökig“ aussehen muss, beweisen die Kollektionen des Labels eindrucksvoll
(vgl. Abb. 10.4).
Der auf dem Luxusmarkt ausgerichtete Schmuckhersteller John Hardy versteht sich und
seine Produkte ebenfalls als nachhaltig. Nachhaltigkeit ist bei John Hardy daher bspw. fest
in der Vision des Unternehmens verankert: „We will be the recognized leader in luxury
handmade designer jewellery and lifestyle accessories inspired by the essence of the earth.
We will be recognized as a green company, it’s an endless journey but we’re greener every
day.“ Das diese Vision kein einfaches Lippenbekenntnis ist, unterstreicht der Geschäftsfüh-
rer Damien Dernoncourt mit der Äußerung „John Hardy is a luxury brand of handmade
160 T. Halaszovich und J. Meurer

Abb. 10.4 Auszüge aus der Kollektion von Linda Loudermilk. (Quelle: Linda Loudermilk)

designer jewellery that reflects a synergy of designer and artisan to create objects of beau-
ty in an environment of respect for people and for the natural world.“ (vgl. [6]). In den
Produkten der Luxusmarke findet die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit auch in der
Schmuckgestaltung ihren Widerhall, da oftmals natürliche Formen das Vorbild für die
Kollektionen liefern (vgl. Abb. 10.5).
Mit Sitz in der Schweiz ist die Code-X AG ein junger und hoch innovativer Anbieter
von leistungsstarken Luxus Yachten. Neben den Ansprüchen an Design und Leistung der
Yachten setzt man bei Code-X über eine neuartige Antriebstechnik zudem auf Nachhal-
tigkeit (vgl. [3]). Wahlweise kann die Yacht über einen herkömmlichen oder einen sehr
umweltfreundlichen silikonbasierten Kraftstoff betrieben werden (vgl. Abb. 10.6).
Ein vollständig durch Nachhaltigkeit geprägtes Selbstverständnis hat auch die Firma In-
gel und Rhode, die ebenfalls Schmuck entwirft und produziert. Das Unternehmen bringt
dieses Verständnis durch den Zusatz „The Ethical Jeweller“ zum Ausdruck und fokussiert
sich in der Nachhaltigkeit insbesondere auf soziale Gerechtigkeit (vgl. Abb. 10.7). Hier-
zu werden ausschließlich sog. „ethical diamonds“ verwendet. Dabei handelt es sich um
10 Green Luxury – Chancen und Herausforderungen . . . 161

Abb. 10.5 Auszüge aus der Kollektion von John Hardy. (Quelle: www.johnhardy.com)

Abb. 10.6 Nachhaltige Luxusyacht der Code-X AG. (Quelle: www.code-x.ch)

Edelsteine, deren Herkunft eindeutig nachgewiesen werden kann und die garantiert unter
ethisch einwandfreien Bedingungen abgebaut und bearbeitet werden. Zusätzlich spendet
das Unternehmen 10 % des Gewinns für soziale Produkte (vgl. [5]).
Allen genannten Beispielen gemein ist die feste Verankerung der Nachhaltigkeit in der
Identität der Luxusmarken. Von Loudermilk bis hin zu Ingle und Rhode stellt Nachhaltig-
keit keinen zusätzlichen Aspekt des wirtschaftlichen Handelns dar, sondern ist vielmehr der
Kern des eigenen Selbstverständnisses. Die Verschmelzung von Nachhaltigkeit und höchs-
ten Ansprüchen an die eigenen Produkte auch über den „grünen“ Aspekt hinaus bildet die
Grundlage einer hohen Glaubwürdigkeit des Handelns und stellt das Fundament für einen
authentischen Markenauftritt dar.
162 T. Halaszovich und J. Meurer

Abb. 10.7 „The Ethical Jeweller“ Logo von Ingle & Rhode. (Quelle:www.ingleandrhode.co.uk)

Doch wo Newcomer und Nischenanbieter im Luxussegment eine von Grund auf nach-
haltige Identität entwickeln können, stellt sich für etablierte Anbieter die Frage, wie
Nachhaltigkeits-Strategien implementiert werden können, ohne den Kern der eigenen
Marke zu schwächen und damit sowohl an Glaubwürdigkeit als auch an Authentizität
zu verlieren.

10.3 Green Luxury Strategien

Die Verankerung „grüner Aspekte“ in der Unternehmensphilosophie kann anhand un-


terschiedlicher Intensitätsgrade unterschieden werden. Die im vorangegangenen Kapitel
genannten Unternehmensbeispiele stellen dabei ausnahmslos eine Verankerung hoher In-
tensität dar. Bei dieser Strategie erfolgt eine Ausrichtung sämtlicher Aktivitäten an der
Nachhaltigkeit. Dies betrifft neben der Vermarktung und Positionierung auch die Pro-
duktion und Ressourcenbeschaffung. Wie bereits gezeigt wurde, bietet eine Integration
mit hoher Intensität das größte Differenzierungs- und Authentizitätspotential. Gleichzeitig
10 Green Luxury – Chancen und Herausforderungen . . . 163

versperrt die geforderte hohe Intensität den meisten etablierten Luxusmarken aufgrund
ihrer eigenen Markenhistorie den Zugang zu dieser strategischen Option.
Die für das Image von Luxusmarken zentrale Unternehmens- bzw. Markenhistorie
erlaubt jedoch in den meisten Fällen eine Integration der Nachhaltigkeit auf niedrigerem In-
tensitätsniveau. Von einer mittleren Intensität kann in diesem Zusammenhang gesprochen
werden, wenn es einer Luxusmarke gelingt, Nachhaltigkeit ganzheitlich in die Unterneh-
mensstrategie zu integrieren, ohne diese völlig darauf auszurichten. Von Bedeutung ist
hierbei die tatsächliche Integration der Aspekte und nicht eine rein kommunikative oder
punktuelle Nutzung.
Ausgangspunkt dieser Strategie ist die gezielte Betonung nachhaltigen Wirtschaftens
(vgl. [11, S. 96]). Den vielversprechendsten Ansatzpunkt für eine Integration mittlerer
Intensität bieten zumeist die verwendeten Rohstoffe der eigenen Produkte. Der traditions-
reiche Schmuckhersteller Tiffany & Co. setzt hierzu gezielt auf die soziale Gerechtigkeit und
ökologische Verantwortung bei der Beschaffung der verwendeten Edelmetalle und Edelstei-
ne. Das Unternehmen ist u. a. Gründungsmitglied des Responsible Jewellery Councils und
rief zudem die Kampagne „no dirty gold“ ins Leben. Das grundlegende Verständnis für
das eigene Engagement fasst das Unternehmen auf dem eigenen Internetauftritt wie folgt
zusammen: „We believe we have a moral imperative to help sustain the natural beauty that
inspires our designers, customers and employees. Corporate Responsibility is fully integra-
ted into every aspect of Tiffany & Co. While we are proud of the results we have achieved,
we recognize that there is much more to be done.“ [11]
Die getroffenen Maßnahmen genießen auf Seiten der Nachfrager eine hohe Glaub-
würdigkeit und haben gleichzeitig einen starken Einfluss auf den Ressourcenumgang des
Unternehmens, ohne dieses vollständig der Nachhaltigkeit zu verschreiben. Im Gegensatz
zu Anbietern von Marken im Massensegment ist eine Umstellung der eigenen Produktion
im Sinne der Nachhaltigkeit zumeist nicht möglich. Dieser Umstand begründet sich darin,
dass Nachfrager einer Luxusmarke ohnehin höchste Ansprüche an die Produktion haben.
Im Falle von Tiffany & Co. bspw. erwarten Nachfrager, dass der Schmuck von hochqualifi-
zierten Goldschmieden hergestellt wird und nicht in einer Werkstatt z. B. in Indien gefertigt
wird, die potentiell menschenunwürdige Arbeitsbedingungen oder gar Kinderarbeit bietet.
Eine vergleichbare Strategie der nachhaltigen Ressourcenbeschaffung und Verarbeitung
verfolgt auch der deutsche Möbelfabrikant brühl & sippold GmbH. Das in der Produktion
der Möbel verwendete Holz wird aus zertifizierter, nachhaltiger Bewirtschaftung und mög-
lichst regional bezogen. Ledererzeugnisse werden nur von solchen Lieferanten beschafft,
die salzfreie Konservierungsmethoden verwenden, um damit möglichst wasserschonend zu
arbeiten. Den sozialen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit sind die Arbeitsbedingungen
in der Produktion von brühl & sippold unterworfen. Neben einer Anreicherung der Ar-
beitsprozesse jedes einzelnen Mitarbeiters findet die Produktion in hellen und angenehm
gestalteten Werkstätten statt (vgl. [2]).
Sowohl Tiffany & Co. als auch der brühl & sippold GmbH ist in der Integration der
Nachhaltigkeit eines gemeinsam: Sie wird nicht aktiv über die Produkte kommuniziert.
Vielmehr stellt sie die Grundüberzeugung in der Produktion der beiden Luxusmarken dar,
164 T. Halaszovich und J. Meurer

ohne das zentrale Vermarktungsargument auszumachen. Der von beiden Unternehmen


beschrittene mittlere Integrationsgrad erweitert damit die Identität der Marken, ohne ihren
Kern zu ändern. Ein solches Vorgehen ist aus Sicht der Nachfrager sowohl authentisch als
auch glaubwürdig.
Anders verhält es sich bei einer nur geringen Integration der Nachhaltigkeit. Hierbei
handelt es sich um ein rein punktuelles Engagement der Marken bspw. für nachhaltige
Initiativen Dritter. Die eigene Markenidentität bleibt von den Maßnahmen jedoch aus-
geschlossen. So unterstütze die luxuriöse Modemarke GUCCI bspw. von 2005 bis 2008
jährlich UNICEF Benefizkampagnen, unterstützt Waisen und HIV-infizierte Kinder in
Zentralafrika und finanziert Projekte im Bereich der Gesundheits- und Trinkwasserversor-
gung (vgl. [4]). Auch wenn die Marke mit diesen Aktivitäten zweifelsfrei einen wichtigen
Beitrag zu den unterstützten Projekten liefert, fehlt den Maßnahmen jeglicher Bezug zur
Marke. Das eigene Verhalten und Selbstverständnis bleibt zur Gänze unberührt.
Als sog. „greenwashing“ sind solche Maßnahmen heute sehr kritisch zu sehen. Abgese-
hen von der fehlenden Ernsthaftigkeit und damit fehlenden Nachhaltigkeit der Aktivitäten,
geraten Unternehmen in die öffentliche Kritik. Der Versuch das eigene Markenimage „grün
zu waschen“ verkehrt sich schnell in einen gegenteiligen, imageschadenden Effekt (vgl. 11,
S. 98).

10.4 Zusammenfassung

Ausgangspunkt dieses Beitrages war die Feststellung, dass eine Integration nachhaltiger
Aspekte in die Markenführung insbesondere für Luxusmarken von besonderer Relevanz
ist. Hierzu wurde anhand aktueller Studienergebnisse gezeigt, dass für Nachfrager von
Luxusmarken Nachhaltigkeit einen direkten Bezug zum Markenwechsel als auch zur
Preisbereitschaft aufweist. Die Abschöpfung eines selbst im Luxussegment überdurch-
schnittlichen Preispremiums, verbunden mit erheblichen Differenzierungspotentialen
machen „Green Luxury“ dabei auch für Hersteller attraktiv.
Unter der Prämisse, dass ein Engagement in Nachhaltigkeit nur dann einen positiven
Beitrag zur Markenprofilierung leisten kann, wenn es glaubwürdig und authentisch ist,
wurden drei mögliche Integrationsstrategien vorgestellt und bewertet. Eine intensive Inte-
gration liegt dann vor, wenn die Führung von Luxusmarken vollständig auf Nachhaltigkeit
ausgerichtet wird. Betroffen hiervon sind alle Bereiche der Marke, angefangen bei der Roh-
stoffgewinnung bis hin zur Produkterstellung, den Materialien und sonstigen begleitenden
Engagements bspw. für die Umwelt oder die Bevölkerung. Die radikale Konzentration auf
Nachhaltigkeit, die diese Strategie erfordert, steht dabei zumeist nur jungen Unterneh-
men zur Verfügung, die diese Aspekte von Beginn an in ihrer Identität verankern oder ihr
Selbstverständnis darum herum aufbauen.
Weniger absolut aber dennoch von einer hohen Glaubwürdigkeit und Authentizität
gekennzeichnet ist eine mittlere Integrationsintensität. Hierbei werden nur Teilbereiche
10 Green Luxury – Chancen und Herausforderungen . . . 165

der Marke auf die Nachhaltigkeit ausgerichtet. Bspw. können Rohstoffe nach nachhaltigen
Gesichtspunkten gewonnen werden oder die Arbeitsbedingungen entsprechend optimiert
werden. Der Nachhaltigkeitsgedanke wird auf diese Weise in die eigene Markenidentität
aufgenommen ohne einen zentralen Stellenwert zu erlangen.
Eine niedrige Integrationsintensität schließlich bezeichnet ein Vorgehen, bei dem oh-
ne Änderung des eigenen Markenverhaltens Initiativen Dritter gefördert werden und das
Engagement gleichzeitig in der eigenen Kommunikation genutzt wird. Unabhängig von
den positiven Beiträgen, die dieses Vorgehen für die unterstützen Initiativen haben kann,
fehlt diesem Ansatz die Glaubwürdigkeit und Authentizität. In der Öffentlichkeit erwächst
schnell der Eindruck des sog. „greenwashings“. Hierunter ist der Versuch zu verstehen, das
eigene Markenimage ohne wirkliche Überzeugung positiv zu beeinflussen; ein Vorgehen
das schnell entlarvt wird und sich in einen negativen Effekt in der Zielgruppe verkehrt.

Literatur

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Management Studies 42, S. 1003–1029.
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and_act. Zugriff: 10.01.2012.
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10.01.2012.
6. John Hardy (2012). Our Values. http://global.johnhardy.com/spirit/our-values. Zugriff:
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branding. Brand Management 16, S. 290–301.
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loudermilkinc.html. Zugriff: 10.01.2012.
9. Reischauer, C. (2011). Stresstest für die gute Sache. Absatzwirtschaft Sonderheft, S. 74–77.
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Zugriff: 10.01.2012.
11. Unruh, G. & Ettenson, R. (2010). Growing Green - Three smart paths to developing sustainable
products. Harvard Business Review, S. 94–100.
12. Vigneron, F. & Johnson, L. W. (2004). Measuring perceptions of brand luxury. Brand
Management 11, S. 484–506.
13. Wced, World Commission On Environment And Development (1987). Our Common Future.
Brundtland, G.H. et al. (1987) Our Common Future, World Commission on Environment and
Development, Oxford University Press, 1987.
Luxusmarkenführung in Emerging Markets am
Beispiel Indien 11
Christian Becker

Zusammenfassung
Keine Volkswirtschaft wird in den nächsten 40 Jahren so stark wachsen wie die Indiens.
Das nach China bevölkerungsstärkste Land der Welt entwickelt sich zunehmend zu
einem der wichtigsten Absatzmärkte, weshalb immer mehr internationale Unternehmen
in den indischen Markt eintreten. Bereits heute leben in Indien über 150.000 Millionäre,
womit das Land weltweit den 12. Platz belegt. Bis 2020 wird sich diese Zahl nach aktuellen
Prognosen verdreifachen.
Dieser hohen praktischen Relevanz stehen bis heute nur wenige Erkenntnisse über
das Kaufverhalten indischer Nachfrager gegenüber. Diese Forschungslücke soll mit der
vorliegenden empirischen Arbeit geschlossen werden. Dabei steht die Frage im Vor-
dergrund, wie sich die Kaufmotive der reichen Oberschicht von den Kaufmotiven
einkommensschwächerer Zielgruppen unterscheiden. Die Ergebnisse zeigen eindeutig,
dass hierbei insbesondere die Befriedigung hedonistischer Motive im Vordergrund steht,
während der funktionale und soziale Nutzen für eine Luxusmarke nicht mehr als ein
Hygienefaktor ist.

11.1 Attraktivität Indiens für Luxusmarkenhersteller

11.1.1 Aktuelle und zukünftige ökonomische Relevanz Indiens für


Luxusmarkenhersteller

Insbesondere Unternehmen aus exportstarken Industrienationen wie Deutschland ver-


fügen regelmäßig über einen hohen Internationalisierungsgrad. Nach dem Fokus auf
Kostensenkungen durch Produktionsverlagerungen in den 1990er Jahren steht aktuell die

Dr. Christian Becker ()


Titusstr. 22, 50678 Köln, Deutschland
E-Mail: christian.becker@central.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 167


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_11, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
168 C. Becker

Haushalte Haushaltsnettoeinkommen
(in Millionen) (pro Jahr, in Tausend Rupien)
300
mehr als 1.000

250 500 – 1.000

200
200 - 500

150

100 90 - 200

50

weniger als 90
0
2005 2015 2025

Abb. 11.1 Veränderung der indischen Einkommensklassen bis 2025. (Nach [[2], S. 12])

Erschließung neuer Absatzmärkte, insbesondere in den wachstumsstarken Entwicklungs-


und Schwellenländern, im Vordergrund (vgl. [30, S. 17 ff.]). Die Blicke deutscher Unterneh-
men richten sich dabei neben China insbesondere auf Indien. Aus guten Gründen: Sowohl
in Indien (1.189 Mio. Einwohner) als auch in China (1.336 Mio.) leben jeweils mehr Men-
schen – und somit potentielle Nachfrager – als in der Europäischen Union (492 Mio.), den
USA (313 Mio.), Russland (138 Mio.) und Brasilien (203 Mio.) zusammen (vgl. 12). Zudem
gehen Hawksworth/Cookson (2008) davon aus, dass das BIP Chinas bis 2050 jährlich um
6,8 % wächst – ein Spitzenwert, der nur von Indien (8,5 %) übertroffen wird. Die Indu-
strienationen Deutschland (1,4 %), Japan (1,2 %) und USA (2,4 %) liegen abgeschlagen
auf den hinteren Plätzen. Indien würde demnach im Jahr 2050 die gleiche Wirtschaftskraft
erreichen, wie die USA (vgl. [16, S. 8]).
Von dem Wachstum profitieren alle Klassen. Ablett et al. (2007) prognostizieren, dass
die obere Mittelklasse Indiens im Jahr 2025 ca. 583 Mio. Menschen umfassen wird. mit
einem jährlichen Haushaltsnettoeinkommen von 200.000 bis 1.000.000 indischen Rupien.
Das Haushaltseinkommen dieser Klasse entspricht umgerechnet 4.380–21.890 US$. Unter
Berücksichtigung der Kaufkraft im Sinne des Purchase Power Parity (PPP) entspricht das
Einkommen dieser Klasse 23.500 –117.650 US$. Zum Vergleich: 2005 zählten nur 50 Mio.
Inder zur Mittelklasse. Dafür schrumpft die arme Unterschicht, die 2005 noch 54 % der
Bevölkerung ausmachte und deren Anteil bis 2025 nach Prognose der Autoren auf 22 %
sinken wird (vgl. Abb. 11.1).
Von besonderem Interesse für Luxusmarken ist die reiche Oberschicht mit einem jähr-
lichen Haushaltseinkommen über 1.000.000 indischen Rupien (über 117.650 US$ nach
11 Luxusmarkenführung in Emerging Markets am Beispiel Indien 169

Anzahl Millionäre in 1.000


3,500
+8,3%
2010 2011
3,104
3,000
2,866

2,500

2,000 +5,4%
1,739
1,650

1,500

+7,2%

1,000 924
862
+12,0%
+1,4%
+3,4%
535 +12,3% +9,7%
500 477 448 454 +11,1%
383 396 -4,7% +5,9% +20,8%
251 282 222 243 174 193 179 170 147 155 127 153
0

Abb. 11.2 Anzahl an Millionären in 2010. (Nach [11, S. 7])

PPP). Zu dieser Einkommensklasse zählten 2005 1,2 Mio. Haushalte – bis 2025 wächst die
reiche Oberschicht Indiens schätzungsweise auf 9,5 Mio. Haushalte. Dies entspricht 2 %
der prognostizierten Gesamtbevölkerung von 1,4 Mrd. Menschen. Ihr kumuliertes Jahres-
einkommen beträgt dann ca. 25 % des Gesamteinkommens aller Inder, wodurch die hohe
Bedeutung Indiens für Luxusmarken deutlich wird (vgl. [2, S. 10 ff.]).
Ebenfalls sehr stark wächst nach dem World Wealth Report von Capgemini/Merill Lynch
(2011) [11] die Anzahl indischer Millionäre. Der seit über 20 Jahren veröffentlichte Report
gibt jährlich diejenige Personenzahl an, die ohne Berücksichtigung der primär genutzten
Immobilie, Sammlungen und Konsumgütern ein verfügbares Vermögen von 1 Mio. US$
besitzen. 2010 zählten hierzu 153.000 Inder, was gegenüber 2009 einem Wachstum von
20,8 % entspricht. Damit konnte Indien erstmals unter die Top zwölf Länder einziehen.
Bemerkenswert ist weiterhin, dass kein anderes Land unter den Top zwölf ein vergleichbar
starkes Wachstum verzeichnen konnte (vgl. Abb. 11.2).
Im Gegensatz zur Studie von Capgemini/Merill Lynch (2011) betrachtet eine aktuelle
Studie von Deloitte (2011) die Anzahl der Millionäre unter Berücksichtigung der primäre
genutzten Immobilie. Nach dieser Definition zählten 2011 bereits 286.000 indische Haus-
halte zu der Vermögensklasse der US-Dollar-Millionäre. Bis 2020 erwarten die Autoren
einen Anstieg dieser Zahl auf 694.000 Haushalte (vgl. [15, S. 12]). Diese Zahlen zeigen
170 C. Becker

ein hohes Potenzial für Luxusmarken in Indien, weshalb der rechtzeitige und erfolgreiche
Markteintritt in Indien für viele Unternehmen ein aktuell hochrelevantes Thema ist.

11.1.2 Vorstellung des Untersuchungslandes Indien

Bezogen auf die Fläche von 3,29 Mio. Quadratkilometern ist Indien der siebtgrößte und
einer der am dichtesten besiedelten Flächenstaaten der Welt (vgl. 12). Die ehemals britische
Kolonie Indien ist seit dem 15. August 1947 unabhängig und verfügt über ein demo-
kratisches politisches System mit der Hauptstadt Neu-Delhi (vgl. [7, S. 6]). Indien ist
nach Zahl der Bewohner die größte Demokratie der Welt. Das demokratische Verständnis
Indiens zeigt sich seit 1991 durch eine konsequente wirtschaftspolitische Liberalisierung
(vgl. [32, S. 3 und 36]).
Die indische Gesellschaft ist durch eine hohe ethnische und religiöse Vielfalt gekenn-
zeichnet (vgl. [7, S. 11]). 80,5 % der Inder sind Hindus, womit der Hinduismus die
bedeutsamste Religion im Land ist. Mit 13,4 % stellen Muslime die zweitgrößte religiöse
Gruppe, gefolgt von Christen (2,3 %) und Sikh (1,9 %). In Indien sind die religiösen Iden-
titäten nicht nur durch die Essgewohnheiten (Hindus verehren die Kuh und lehnen ihre
Tötung ab, Muslime essen kein Schweinefleisch) sichtbar, sondern spiegeln sich auch in der
Kleidung und den Verhaltensweisen wider (vgl. [35, S. 24]). Die Diversität Indiens zeigt sich
weiterhin in der Sprachenvielfalt. In Indien sind 22 Sprachen verfassungsmäßig anerkannt.
Englisch ist gemeinsam mit Hindi die einzige überregionale Amtssprache und insbesondere
in der nationalen, politischen und wirtschaftlichen Kommunikation weit verbreitet (vgl.
[42, S. 15]).
Kulturell wird Indien durch eine hierarchische Gesellschaftsstruktur geprägt. In ihrer
Analyse der indischen Gesellschaft stellen Kakar/Kakar (2006) fest, dass das „Selbstwert-
gefühl der Inder . . . fast exklusiv vom Rang bestimmt wird.“ ([21, S. 12]). Bei der
ersten Begegnung zweier Menschen in Indien ist die Bestimmung des relativen Rangs
eine der wichtigsten Fragen. Entsprechend bezeichnen Kakar/Kakar (2006) den gesell-
schaftlichen Rang als einzigen Ersatz für Geld. Die hierarchische Gesellschaftsstruktur
Indiens spiegelt sich auch in den Kulturstudien von Hofstede/Hofstede (2009) wider: Bei
der Kulturdimension der Machtdistanz weist Indien einen der höchsten Werte weltweit auf
(vgl.[18, S. 56]).
Die Ursache des hierarchischen Systems Indiens findet sich im Kastenwesen
(vgl. [4, S. 86]). Die Kaste beschreibt die horizontale Segmentierung der indischen Ge-
sellschaft und bezieht sich auf zwei Institutionen: varna und jati. Varna (Farbe) ist die
traditionelle Unterteilung der hinduistischen Gesellschaft in vier Kasten mit sozialem Rang:
die Priesterkaste (brahmin), die Kriegerkaste (kshatriya), die Händlerkaste (vaishya) und
die Kaste der Bediensteten (shudra). Die Aufteilung findet sich in den Texten der hinduisti-
schen Kultur und stellt eine nicht überschreitbare, per Geburt zugeordnete Untergliederung
der Gesellschaft dar (vgl. [35, S. 203]). In der sozialen Realität ist die varna-Einteilung kaum
relevant. Gewöhnlich bezieht sich die Kaste auf das jati-System. Das jati-System besteht aus
11 Luxusmarkenführung in Emerging Markets am Beispiel Indien 171

3.000 berufsspezifischen Kasten, die den unmittelbaren Status des Individuums in seinem
sozialen Umfeld markiert. Auch die Zuordnung zu einer jati-Kaste erfolgt per Geburt. Tra-
ditionell durfte ein Inder nur den ihm durch Geburt vorgegebenen Beruf ausüben und nur
innerhalb seiner Kaste heiraten (vgl. [21, S. 30 f.]).
Durch den ökonomischen Aufschwung ist insbesondere bei jungen, urbanen Indern
der Mittelschicht ein Trend zur stärkeren Individualisierung erkennbar. Matthes (2008)
bezeichnet diese Gruppe als Neo-Mittelklasse. Ihr angehörende verfügen häufig über eine
gute Ausbildung, partizipieren am ökonomischen Wachstum und legen Wert auf moderne
Mobiltelefone, Markenkleidung und Automobile (vgl. [28, S. 33 ff.]). Das Kastensystem ist
für sie von geringer Bedeutung. Durch verbesserte Bildungschancen ist der soziale Aufstieg
nicht mehr bloß Indern höherer Kasten möglich. Nach Tharoor (2005) verliert das Stigma
der Kaste in Indien derzeit schneller an Bedeutung als das Stigma der Rasse in den USA
(vgl. [40, S. 151]). Obwohl die Bedeutung des Kastenwesens abnimmt und ein sozialer
Aufstieg auch Indern einer niedrigen Kaste möglich ist, bleibt das mit der Kaste assoziierte
hierarchische Prinzip tief internalisiert (vgl. [21, S. 45]). Die soziale Stellung verliert also
nicht an Bedeutung, wird aber insbesondere bei Indern der Neo-Mittelklasse nicht mehr
so stark über die Kaste definiert.

11.2 Das Markenimage als zentrales Konstrukt im Kaufverhalten

Um auf einem Absatzmarkt erfolgreich zu sein, ist der Aufbau von Wettbewerbsvorteilen
elementar. Neben dem Zugang zu Distributionskanälen und Zulieferern kann insbesondere
der frühzeitige Aufbau einer starken Marke als „Isolationsmechanismus“ wirken und zu
einem schwer imitierbaren Wettbewerbsvorteil führen (vgl. [38, S. 381, 20, S. 2]). Die
notwendige Bedingung der Markenstärke ist ihre Bekanntheit, während die Einstellung der
Nachfrager gegenüber einer Marke als hinreichende Bedingung bezeichnet werden kann
(vgl. [8, S. 9]). Die Einstellung der Nachfrager gegenüber einer Marke wird als Markenimage
bezeichnet und gilt in der Markenführung als das zentrale, dem Kaufverhalten vorgelagerte
Konstrukt (vgl. [9, S. 2]).
Der identitätsbasierte Markenführungsansatz unterteilt das Markenimage in zwei
Partialimages: das subjektive Markenwissen sowie die hieraus individuell abgeleiteten Nut-
zen der Marke (vgl. [9, S. 80 ff.]). Das Markenwissen repräsentiert sämtliche vom Nutzer
wahrgenommenen Eigenschaften einer Marke, die sich aus den Komponenten der Markeni-
dentität ergeben und als Markenattribute abgespeichert werden. Sie werden vom Nachfra-
ger bewertet, verdichtet und dann in einen Markennutzen „übersetzt“. Der Markennutzen
beschreibt die Bedürfnisbefriedigung durch den Kauf einer Marke. Die Partialimages wer-
den vom Nachfrager zu einem kognitiven und affektiven Globalimage zusammengefasst,
was Keller (1993) als „consumers’ overall evaluations of a brand“ [23, S. 4] bezeichnet.
Aufgrund seiner hohen Kaufverhaltensrelevanz ist der Markennutzen von besonderer
Bedeutung und steht im Fokus dieser Arbeit. Der Markennutzen lässt sich grundsätzlich
172 C. Becker

aufteilen in einen funktionalen und einen symbolischen Markennutzen. Der funktionale


Nutzen wird in den utilitaristischen und den ökonomischen Nutzen unterteilt. Der uti-
litaristische Nutzen resultiert primär aus den physikalisch-technischen Attributen eines
Markenangebots und bildet in der Terminologie von Vershofen(1959) den Grundnutzen
(vgl. 41). Der ökonomische Nutzen einer Marke spiegelt sich in den aus ihrer Nutzung re-
sultierenden finanziellen Konsequenzen (z. B. Anschaffungs- und Unterhaltskosten) wider
und betrachtet somit „das wirtschaftliche Grundmotiv des homo oeconomicus.“ Becker
(2012) betont, dass der ökonomische Markennutzen den Abwägungsprozess zwischen
Preis und Nutzen darstellt und daher als Mediator zwischen dem Globalimage und der
Verhaltensintention zu konzeptionalisieren ist (vgl. [5, S. 72 ff. ]).
Neben den funktionalen Nutzenassoziationen verbinden Nachfrager mit der Marke sym-
bolische Nutzenassoziationen. Von einem symbolischen Nutzen wird gesprochen, wenn
eine Marke einen Nutzen bietet, der sich nicht direkt aus den Markenleistungen und deren
objektiv-technischer Beschaffenheit ableiten lässt. Er unterteilt sich in den extrinsischen
sozialen Nutzen (z. B. Gruppenzugehörigkeit, externe Wertschätzung) und die beiden in-
trinsischen Kategorien des sinnlich-ästhetischen (z. B. Optik, Geschmack, Haptik) und
hedonistischen Nutzens (z. B. Spaß, Selbstverwirklichung).
Stolle zeigt, dass die Relevanz der Nutzenkategorien für das Kaufverhalten je nach Land
sehr unterschiedlich ausfällt. In seiner empirischen Untersuchung zum Kaufverhalten von
Automobilmarken in Brasilien (n = 530), China (n = 511), Deutschland (n = 962),
Russland (n = 797) und den USA (n = 437) stellt der Autor deutliche Unterschiede
fest. Während z. B. russische Nachfrager beim Autokauf primär hedonistische Kaufmo-
tive befriedigen, ist chinesischen Nachfragern der soziale Markennutzen besonders wichtig
(vgl. [37]). Kaufmotive unterscheiden sich jedoch nicht nur zwischen Ländern, sondern
auch zwischen Nachfragersegmenten (vgl. [31, S. 186 ff.]). Um das Kaufverhalten präzise
beschreiben zu können, sind daher segmentspezifische Analysen notwendig. Für Indien
sind empirische Untersuchungen zu den Kaufmotiven der Nachfrager nicht vorhanden,
was aufgrund der hohen Relevanz Indiens für die Managementpraxis als großes Defizit
bezeichnet werden muss. Für Luxusmarken sind dabei insbesondere die Kaufmotive der
reichen Oberschicht im Vergleich zu den Kaufmotiven von Nachfragern mit geringerem
Einkommen von hohem Interesse.

11.3 Relevante Kaufmotive in Indien

11.3.1 Kausalmodell zum Einfluss des Markenimages auf die


Verhaltensintention

Um diese Forschungslücke zu schließen, wurde Ende 2010 eine Online-Befragung durch-


geführt. Dafür wurde auf das Onlinepanel Get Counted des indischen Marktforschungs-
unternehmens Juxt (New Delhi) zurückgegriffen. Nach Bereinigung des Datensatzes blieb
11 Luxusmarkenführung in Emerging Markets am Beispiel Indien 173

Utilitaristischer
Nutzen
Ökonomi-
0, scher Nutzen
28
1* (R2= 0,36)
** * 0,
8 ** 18
Sozialer 1*
0,17 59 **
Nutzen 2*** 0,
Marken- Verhaltens-
0,697***
globalimage intention
97**
* (R2= 0,67) (R2= 0,68)
0,2
Hedonistischer
Nutzen **
7 0*
0 ,1

Ästhetischer
Nutzen
*** Signifikant auf 0,1% Niveau

Abb. 11.3 Strukturmodell zum Einfluss des Markenimages auf die Verhaltensintention. (Nach [[5],
S. 189])

eine finale Stichprobengröße von n = 902 über. 7 % der Teilnehmer zählen zu der für
Luxusmarken besonders relevanten reichen Oberschicht, 77 % zur Mittelklasse und 17 %
zur einkommensschwachen Unterklasse.
Zur Messung der Verhaltensintention (vgl. 6), des Globalimages (vgl. [37]) sowie des
ökonomischen (vgl. [37]), utilitaristischen (vgl. 1), sozialen (vgl. [39]), hedonistischen (vgl.
13) und ästhetischen (vgl. [34]) Markennutzens wurde auf etablierte Konstrukte zurück-
gegriffen. In einer qualitativen Vorstudie in New Delhi wurden die Konstrukte hinsichtlich
ihrer Relevanz und Verständlichkeit überprüft. Die Auswertung der Daten erfolgte mit SPSS
und SmartPLS.
Das finale Strukturmodell ist in Abb. 11.3 dargestellt. Zunächst wird deutlich, dass nach
Chin (1998) sowohl die Zielgröße Verhaltensintention (R2 = 0,68) als auch das Marken-
globalimage (R2 = 0,67) „substantiell“ erklärt werden (vgl. [14]). Der starke Einfluss des
Markenglobalimages auf die Verhaltensintention wird durch einen Pfadkoeffizienten von
0,697 deutlich. Zur Messung des Mediationseffektes des ökonomischen Markennutzens
wurde der VAF-Wert berechnet. Dieser gibt an, wie viel Prozent des Einflusses einer un-
abhängigen auf eine abhängige Variable durch den Mediator beeinflusst wird. Gemessen
wurde ein moderater Wert von 13,4 %.
Bei der inhaltlichen Bewertung des Mediatoreffektes überrascht der moderate Wert von
13,4 %. Dies kann erstens auf das Untersuchungsdesign zurückgeführt werden, da die Teil-
nehmer bei einer Befragung nicht in einer realen Kaufsituation sind. Dadurch wird die
Relevanz des Preises von den Probanden oft zu niedrig eingeschätzt (vgl. [31, S. 526 ff.]).
Ein zweiter Erklärungsgrund ist die geringe Preiskenntnis der Nachfrager, da insbesonde-
re Inder der Unter- und Mittelschicht oft Erstnutzer sind und über wenig Kauferfahrung
verfügen (vgl. [3, S. 24]). Drittens lässt sich der moderate Wert auf eine geringe Preistranspa-
renz in Indien zurückführen, da ausgezeichnete Preise aufgrund von regelmäßig gewährten
174 C. Becker

Rabatten kaum Relevanz besitzen und Nachfrager somit kein eindeutiges Preisimage von
Marken besitzen (vgl. [36, S. 21]).
Die Analyse der Kaufmotive zeigt eine im Vergleich zu Industrieländern höhere Relevanz
des utilitaristischen Markennutzens, was bereits in anderen Schwellenländern nachgewiesen
wurde (vgl. [33, S. 166 ff., 26, S. 1 ff.]). Trotzdem ist der utilitaristische nicht der ein-
flussstärkste Markennutzen und erklärt im Gesamtmodell nur 30 % des Globalimages. Der
Großteil einer Kaufentscheidung ist somit auf symbolische Markennutzenkomponenten
zurückzuführen.
Dieses Ergebnis widerspricht der Annahme von Martinez/Haddock (2007), dass
Nachfrager in Entwicklungs- und Schwellenländern primär auf den utilitaristischen Mar-
kennutzen achten. Nach Meinung der Autoren durchlaufen Volkswirtschaften vier Phasen
des Konsums, die Parallelen zur Bedürfnispyramide von Maslow aufweisen. In der ersten
Phase kämpfen Nachfrager ums Überleben. Mit steigendem Wohlstand rücken zuerst die
Qualität der Produkte und anschließend die Bequemlichkeit der Bedürfnisbefriedigung in
den Vordergrund. Erst bei Nachfragern in ökonomisch weit entwickelten Volkswirtschaf-
ten ab einem BIP pro Kopf von ca. 10.000 US$ entsteht der Wunsch nach individuellen
Produkten (vgl. [26]).
Der zentrale Kritikpunkt an der Bedürfnispyramide von Maslow ist die hierarchische
Ordnung der Motive. Demnach versucht ein Mensch erst seine Grundbedürfnisse (Stufe 1),
dann Sicherheitsbedürfnisse (Stufe 2), dann soziale Bedürfnisse (Stufe 3) und schließlich die
Bedürfnisse nach Wertschätzung (Stufe 4) und Selbstverwirklichung (Stufe 5) zu erfüllen.
Maslow (1975) selbst schränkt später ein, dass es Menschen gibt, für die „Geltungsbedürf-
nisse wichtiger sind als Liebe“ (vgl. [27, S. 373]). Die Hierarchie ist somit idealtypisch und
entspricht nicht der Motivreihenfolge vieler Menschen (vgl. [24, S. 170]). Dasselbe gilt
für das Kaufverhalten, weshalb auch das Phasenmodell von Martinez/Haddock (2007) als
idealtypisch zu kritisieren ist und zu falschen Managemententscheidungen führt.
Dies wird durch die Ergebnisse dieser Arbeit bestätigt. Bei einem BIP pro Kopf von
2.900 US$ pro Jahr müssten nach dem Phasenmodell indische Nachfrager ausschließlich
auf funktionale Produkteigenschaften achten. Außerdem müsste die Bedeutung des utili-
taristischen Markennutzens mit steigendem Einkommen nachlassen – beides ist nicht der
Fall. Stattdessen zeigt sich durchweg eine hohe Relevanz symbolischer Nutzenkomponen-
ten. Den insgesamt stärksten Einfluss haben dabei hedonistische Nutzenbedürfnisse, was
das oft postulierte Streben nach Individualisierung von Nachfragern in Emerging Markets
verdeutlicht (vgl. [10, S. 46 ff.]). Hierzu passend bezeichnen Kumar/Sarkar (2008) die
einkommensstarke Mittelschicht Indiens als „Hedonic Consumption Class“ (vgl. [25, S.
222]). Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse eindeutig, dass es nicht ausreicht, Produkte
zu entwickeln, die den funktionalen Anforderungen der Nachfrager in Entwicklungs- und
Schwellenländern genügen. Vielmehr ist es notwendig, die emotionalen Bedürfnisse der
Nachfrager zu verstehen und Marken zu entwickeln, die diese befriedigen.
11 Luxusmarkenführung in Emerging Markets am Beispiel Indien 175

Tab. 11.1 Einkommensspezifische Analyse der Kaufmotive in Indien. (Nach [5] S. 244)
Utilitaristischer Sozialer Hedonistischer Ästhetischer
Markennutzen Markennutzen Markennutzen Markennutzen
Einkommen
Geringes Einkommen ++ +++ ++ –
Mittleres Einkommen ++ + ++ ++
Hohes Einkommen ++ ++ + + ++ –
Pfadkoeffizient < 0,100 oder nicht signifikant: -
Pfadkoeffizient 0,100–0,199: +
Pfadkoeffizient 0,200–0,299: + +
Pfadkoeffizient 0,300–0,399: + + +
Pfadkoeffizient > 0,399: + + + +

11.3.2 Gruppenspezifische Analyse des Kausalmodells nach


Einkommensklassen

Die Relevanz der Kaufmotive ist stark von der Einkommensklasse abhängig, was die in
Tab. 11.1 dargestellten Gruppenvergleiche verdeutlichen. Zur Berechnung wurde eine
PLS-based multigroup analysis (MGA) nach Henseler/Ringle/Sinkovics 2009 durchgeführt
(vgl. [17]).
Zur Analyse der Einkommensklassen wurde die Stichprobe in drei Gruppen entspre-
chend der Eingangs vorgestellten Klassifizierung von Ablett et al. (2007) unterteilt. In
der Gruppe „hohes Einkommen“ sind somit all diejenigen Probanden vertreten, deren
jährliches Haushaltseinkommen 1.000.000 indische Rupien bzw. 117.650 US$ nach PPP
übersteigt.
Der Vergleich der Einkommensklassen zeigt zunächst, dass hinsichtlich der Relevanz des
utilitaristischen Markennutzens keine Unterschiede zwischen den drei Einkommensklassen
bestehen. Der utilitaristische Markennutzen kann somit als Hygienefaktor beschrieben
werden. Eine besonders hohe Qualität wird somit auch von der reichen Oberklasse erwartet,
ist jedoch zur Differenzierung vom Wettbewerb nicht geeignet.
Stärker unterscheidet sich die Relevanz des sozialen Markennutzens. Bei der einkom-
mensschwachen Unterklasse ist der soziale Markennutzen die wichtigste Einflussgröße.
Ein wesentlicher Grund hierfür ist die hierarchische Gesellschaftsstruktur Indiens. Die
Probanden der einkommensschwachen Unterklasse haben in Indien einen nur sehr niedri-
gen sozialen Status und versuchen diesen offensichtlich durch den Kauf prestigeträchtiger
Marken aufzuwerten. In den Interviews der zuvor in Delhi durchgeführten qualitativen
Vorstudie wurde von mehreren Experten betont, dass es sich hierbei in der Regel nicht um
Originalware handelt, die von der einkommensschwachen Zielgruppe aufgrund ihres zu
hohen Preises nicht erworben werden kann. Gefälschte Markenprodukte sind in Indien weit
verbreitet. Den Käufern sei dabei bewusst, dass sie keine internationalen Markenprodukte
zu diesem Preis erwerben können.
176 C. Becker

Auch für die reiche Oberschicht ist der soziale Markennutzen ein relevanter Nutzen,
der jedoch ebenso wie der funktionale Markennutzen eher als Hygienefaktor beschrieben
werden kann. Dies kann erstens darauf zurückgeführt werden, dass in Emerging Markets
bereits Premiummarken einen hohen sozialen Status kommunizieren, den sich der Großteil
der Bevölkerung nicht leisten kann. Für Luxusmarken gilt dies im besonderen Maße. Da
sämtliche Luxusmarken einen hohen sozialen Markennutzen liefern ist eine Differenzie-
rung hierüber nur schwer möglich. Zweitens ist der soziale Markennutzen insbesondere
in kollektivistischen Kulturräumen wie China von hoher Relevanz. Demgegenüber domi-
nieren in stärker individualistischen Kulturen hedonistische Kaufmotive, was bereits im
Gesamtmodell deutlich geworden ist und durch die Analyse der Gruppenunterschiede be-
stätigt wird. Die von einigen Autoren postulierte Fokussierung auf Prestigeaspekte ist für
Luxusmarken in Indien somit kein Erfolgsfaktor.
Dies wird durch die Analyse des hedonistischen Markennutzens bestätigt. Der Grup-
penvergleich ergibt, dass die Relevanz des hedonistischen Markennutzens mit steigendem
Einkommen zunimmt. Für die Mittelklasse sind der hedonistische und ästhetische Marken-
nutzen, also die Befriedigung individueller Lustmotive, vorrangig. Das Ergebnis passt zu
der Aussage von Holtbrügge/Friedmann (2011), dass Inder der Mittelklasse Produkte meist
nur so lange besitzen, wie sie als „modern und chic gelten“ (vgl. [19, S. 153]). Ein extrem
hedonistisch ausgeprägtes Konsumverhalten ist bei der reichen Oberschicht erkennbar.
Der Einfluss des hedonistischen Markennutzens auf das Markenglobalimage (γ = 0,476)
ist der mit Abstand stärkste gemessene Effekt bei allen drei Gruppen. Der hedonistische
Markennutzen kann somit aus der Perspektive von Luxusmarken als entscheidender Er-
folgsfaktor beschrieben werden. Die übrigen Markennutzenkomponenten stellen hingegen
Hygienefaktoren dar.

11.4 Implikationen für die Luxusmarkenführung in Indien

Die empirische Analyse in Indien zeigt, dass die Zielgruppe von Luxusmarken beim Kauf vor
allem die Befriedigung hedonistischer Kaufmotive anstrebt. Im Vergleich zu den übrigen
Markennutzenkomponenten zeigt sich, dass der Kauf von Luxusmarken fast exklusiv von
dem Wunsch nach Selbstverwirklichung getrieben wird. Dieses Ergebnis bestätigt den im
folgenden diskutierten Standpunkt von Kapferer/Bastien (2009) und zeigt, dass die grund-
sätzlichen Prinzipien der Luxusmarkenführung in Emerging Markets ebenso Anwendung
finden wie in Industrienationen.
Kapferer/Bastien (2009) betonen, dass Luxusmarkenführung nicht verwechselt werden
darf mit der Führung von Premiummarken. Nach Meinung der Autoren befinden sich
Premiummarken am oberen Ende eines Preis-Leistungs-Kontinuums. Der Preis von Luxus-
marken steht hingegen in keiner linearen Relation zum Preis (vgl. [22, S. 312 f.]). Höchste
funktionale Qualität sehen Kapferer/Bastien (2009) daher als ein Merkmal von Premium-
marken, nicht aber von Luxusmarken. Zwar ist eine sehr gute Verarbeitungsqualität und
11 Luxusmarkenführung in Emerging Markets am Beispiel Indien 177

die Verwendung hochwertiger Materialien ein Hygienefaktor bei Luxusmarken – das Ziel
ein funktional perfektes Produkt herzustellen ist jedoch nicht der Fokus von Luxusmarken.
Im Gegenteil betonen die Autoren, dass die Authentizität einer Luxusmarke sich auch in
ihrer funktionalen Unvollkommenheit zeigt. So zeichnet sich eine Uhr von Patek Philippe
nicht durch die höchste Genauigkeit in der Zeitangabe aus, die bereits eine günstige Funk-
uhr bietet. Im Gegenteil kommuniziert die Luxusmarke Patek Philippe sogar, dass ihre
Uhren jedes Jahr um zwei Minute nachgehen. Diese fehlende technische Perfektion ist nach
Meinung der Autoren – im Gegensatz zu stärker funktional orientierten Premiummarken
wie z. B. von Seiko – sogar ein Teil der Identität von Luxusmarken und unterstreicht ihre
Einzigartigkeit (vgl. [22, S. 316 f.]). In der empirischen Untersuchung wird dies durch die
moderate Relevanz des utilitaristischen Markennutzens für das Kaufverhalten bestätigt.
Auch der soziale Markennutzen ist nicht der primäre Treiber beim Kauf von Luxusmar-
ken. Kapferer/Bastien (2009) betonen, dass Luxusmarken in keinem Vergleichswettbewerb
zueinander stehen. Um ihre These zu unterstützen argumentieren die Autoren, dass Luxus-
marken ebenso wenig miteinander verglichen werden wie die Werke von Andy Warhol und
Roy Lichtenstein. Der mit dem Kauf einer Luxusmarke induzierte soziale Nutzen wird auf-
grund des hohen Preises allen Luxusmarken zuteil und ist ebenso wie die Produktqualität
ein Hygienefaktor, nicht aber das ausschlaggebende Kaufmotiv (vgl. [22, S. 316]).
Wie in der empirischen Untersuchung deutlich herausgearbeitet wurde ist das zentrale
Differenzierungskriterium von Luxusmarken ihre einzigartige Identität, die Konsumenten
ein hohes Identifikationspotential bietet. Nachfrager wollen durch den Kauf von Luxusmar-
ken ihre aktuelle oder gewünschte Persönlichkeit zum Ausdruck bringen. Kapferer/Bastien
(2009) führen hierzu aus: „Luxury is the expression of a taste, of a creative identity, of the
intrinsic passion of a creator; luxury makes the bald statement „this is what I am‘, not, that
depends“ [22, S. 316]. Die kompromisslose Kommunikation einer authentischen Persön-
lichkeit ist demnach das zentrale Erfolgskriterium von Luxusmarken wie Coco Chanel oder
René Lacoste. In diesem Kontext zeigt Becker (2012), dass die Selbstkongruenz zur aktuel-
len oder gewünschten Markenpersönlichkeit für Nachfrager der indischen Oberklasse eine
besonders hohe Bedeutung hat und die Wahrnehmung einer Marke entscheidend prägt.
Für kein anderes Segment sind die Persönlichkeitsmerkmale einer Marke derart relevant
wie für die Kernzielgruppe von Luxusmarken (vgl. [5, S. 246]. Die Verwendung von Perso-
nen in der Werbung, welche die Persönlichkeit der Marke zum Ausdruck bringen, ist daher
bei Luxusmarken ebenso üblich wie richtig.
Die Anforderung der Kompromisslosigkeit in der Führung von Luxusmarken wi-
derspricht der grundsätzlich im internationalen Marketing geforderten Anpassung der
operativen Markenführung an die Bedingungen der bearbeiteten Ländermärkte (vgl. hier-
zu ausführlich [30]). Auch bei stark heterogenen Ländermärkten sind die Anpassungen für
Luxusmarken auf ein notwendiges Minimum, wie z. B. rechtliche Anpassungen, zu redu-
zieren. Sowohl beim Produkt und Preis, als auch bei der Kommunikation und Distribution
sollten Luxusmarken weitgehend standardisiert auftreten, wodurch sich die internationale
Führung von Luxusmarken deutlich von der stärker differenzierten Führung von Premi-
ummarken unterscheidet. Kapferer/Bastien (2009) argumentieren in diesem Kontext, dass
178 C. Becker

Luxusmarken ihre Konsumenten dominieren müssen. Dies bedeutet, dass Luxusmarken


sich nicht nach den Wünschen der Konsumenten richten sollten. Vielmehr erwarten Käu-
fer von Luxusmarken eine konsequente Orientierung an der Markenidentität. Bezogen auf
das Grundkonzept der identitätsbasierten Markenführung nach Meffert/Burmann (1996)
lässt sich hieraus ableiten, dass die Identität einer Luxusmarke fast ausschließlich Inside-
Out entsteht und Rückkopplungen von den Anforderungen der Zielgruppe, sprich der
Outside-In-Prozess, für Luxusmarken auf ein notwendiges Minimum reduziert werden
sollte (vgl. zum Ansatz der identitätsbasierten Markenführung: [29]). Im Zentrum jeder
Luxusmarke steht somit ihre einzigartige, unverwechselbare, weltweit konsistente und im
Zeitablauf kontinuierliche Identität – das gilt für Emerging Markets wie Indien ebenso wie
für Industrienationen wie die USA und Deutschland.

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34. Roth, M. S./Romeo, J. B. (1992). Matching Product Category and Country Image Perceptions: A
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35. Rothermund, D. (2008). Indien. Aufstieg einer asiatischen Weltmacht. München.
36. Sinha, P. K. (2003). Shopping Orientation in the Evolving Indian Market. Vikalpa: The Journal
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180 C. Becker

37. Stolle, W. (2012). Globale identitätsbasierte Markenführung. Eine empirische Analyse der
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39. Sweeney, J. C./Soutar, G. N. (2001). Consumer perceived value: The development of a multiple
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40. Tharoor, S. (2005). Eine kleine Geschichte Indiens. Frankfurt a. M.
41. Vershofen, W. (1959). Die Marktentnahme als Kernstück der Wirtschaftsforschung. Berlin, Köln.
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India_240510.pdf. Zugegriffen: 26.06.2010.
Teil IV
Operative Luxusmarkenführung
Die Gestalt des Luxus
12
Axel Kolaschnik

Zusammenfassung
Auf eine einfache Checkliste zur Gestaltung der Kommunikation von Luxusmarken
kann angesichts der Vielfalt der Luxusbranchen, ihrer Segmente und - erst recht - ihrer
Produkte und Dienstleistungen nicht gehofft werden. Und doch gibt es akzeptierte und
vom Kunden erwartete Gestaltungskriterien, die Luxus-Kommunikation zu erfüllen
hat. Darüber hinaus soll den Gestaltern der Kommunikation von Luxusmarken mit
dem erprobten Ansatz der „5 Handlungsebenen strategischer Markenkommunikation“
eine Vorgehensweise zur Entwicklung spezifischer Profilkriterien an die Hand gegeben
werden, mit dessen Hilfe sich eine Luxusmarke kommunikativ von ihren Wettbewerbern
differenzieren lässt.

12.1 Die Gestalt des Luxus

12.1.1 Luxus ist.

Auch Zahlen können emotional wirken – wenn nicht sogar erotisch. Die Boston Consulting
Group vermeldete im Dezember 2010 eine wahrhaft magische Zahl: „The Global Market
for Luxury is close to € 1 Trillion“ [2]. Übersetzt bedeutet dies, dass für Luxusprodukte
und –dienstleistungen weltweit rund 1 Billion €, also ca. 1.000 Mrd. € ausgegeben werden
– und das trotz einer weltweiten Rezession. Auch, wenn es inzwischen die ein- oder andere
Milliarde mehr oder weniger geworden sein sollte: Der Luxusmarkt ist ein ebenso relevanter
wie interessanter Markt:

Der Luxusmarkt wächst, ein jährliches Plus von fast 9 % sagt die Strategieberatung Roland
Berger bis zum Ende des Jahrzehnts vorher. Für das Jahr 2020 halten die Consultants einen

Prof. Axel Kolaschnik ()


Professur an der Fak. f. Gestaltung, Hochschule Mannheim,
Paul-Wittsack-Str. 10, 68163 Mannheim, Deutschland
E-Mail: a.kolaschnik@hs-mannheim.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 183


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_12, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
184 A. Kolaschnik

Branchenumsatz in Deutschland von 24 Milliarden Euro für realistisch, 2010 waren es elf
Milliarden Euro. [12]

Zu diesem Luxusmarkt zählen heute nicht nur die klassischen Luxussegmente Fashion,
Lederwaren, Accessoires, Uhren, Schmuck, Kosmetik und Düfte. Die „Tendenz zur Verfei-
nerung“ (Sombart) [16] hat mittlerweile alle Bereiche unseres Daseins erfasst: unsere Art,
zu essen und das Essen zuzubereiten, zu trinken – vom Champagner über Whisky bis hin
zum unlängst noch wenig luxuriösen Mineralwasser –, die Art wie wir wohnen, wie und
womit wir uns fortbewegen, unsere Art, wie wir uns fit und gesund halten, die Technik, mit
der wir uns umgeben . . .
Kurz: Luxus ist.

12.1.2 Luxus ist relativ

Definieren wir an dieser Stelle den Luxus zunächst, wie es 1913 Werner Sombart tat:
„Luxus ist jeder Aufwand, der über das Notwendige hinaus geht.“ [16, S. 71]

Ein pragmatischer Ansatz – doch bereits im nächsten Satz verwies Sombart auf die
Relativität dessen, was sich unter Luxus verstehen lässt:

Der Begriff (Luxus) ist offenbar ein Relationsbegriff, der erst einen greifbaren Inhalt bekommt,
wenn man weiß, was „das Notwendige“ sei. [16, S. 71]

Im Jahr 1996 konstatierte der Schriftsteller, Dichter und Essayist Hans Magnus Enzensber-
ger:

Der Begriff des Luxus ist ebenso relativ wie der der Armut. Es ist gar nicht so lange her, da
waren Güter wie Zucker und Glas, Samt und Licht, Pfeffer und Spiegel in Europa einer kleinen
Minderheit von Mächtigen und Vermögenden vorbehalten. [6]

Und auch rund 100 Jahre, viele Fachbeiträge und Diskussionen später beschreibt eine Studie
der Boston Consulting Group den Luxusbegriff immer noch als Relationsbegriff:

True Luxury means different things to different people, but for most consumers the term
connotes rarity, quality and refinement. [2]

Luxus unterscheidet anerkanntermaßen also zunächst das Notwendige von dem Nicht-
mehr-Notwendigen. Was das aber für den Einzelnen bedeutet, wo die Grenze zwischen
Notwendigem und Luxus im Einzelfall verläuft, ist relativ.

Ist aber erst einmal zu irgendeiner Zeit Luxus da,“ schreibt Sombart weiter, „so werden nun
auch zahlreiche andere Motive rege, die auf seine Steigerung hindrängen: Ehrgeiz, Prunksucht,
Protzerei, Machttrieb, mit einem Wort: der Trieb, es dem anderen zuvorzutun . . . [16, S. 74
ff.]

Luxus unterscheidet also nicht nur zwischen „notwendig“ und „über das Notwendige hin-
ausgehend“ – Luxus unterscheidet Menschen von Menschen. Im Extremfall zwischen
12 Die Gestalt des Luxus 185

armen und reichen Menschen. Bourdieu bediente sich in seiner Untersuchung der fran-
zösischen Gesellschaft des Jahres 1979 hierfür noch des Begriffes der Klassen, die sich
durch Luxuskonsum (und entsprechend ausgebildeten Luxusgeschmack) unterschieden –
und unterschieden wissen wollten. Im weniger extremen Fall differenziert Luxus zwischen
„Fraktionen“, also unterschiedlichen Gruppen von Menschen innerhalb einer Klasse:

Die Logik, nach der die Felder der Kulturproduktion funktionieren, und die Kontraststrategi-
en, die ihrer Dynamik zugrunde liegen, bestimmen die Produkte – ob Modeschöpfungen oder
Romane – dazu, differenzierend zu wirken, als Hilfsmittel, mit denen sich Kontraste kenntlich
machen lassen, und zwar zunächst zwischen den Fraktionen, sodann zwischen den Klassen.
[3, S. 368 ff.]

Luxus hat also eine Menschen-voneinander-differenzierende Funktion. Bourdieu nannte


diese Funktion die „Distinktion“, die Herausarbeitung der „feinen Unterschiede“ zwischen
den Menschen.

12.1.3 Luxus – feine und weniger feine Unterschiede

Wohl seit es Luxus gibt, wird – je nach Standpunkt und sicher auch Vermögen – über die
Rechtmäßigkeit beziehungsweise die Ungerechtigkeit der Güterverteilung, die der Luxus
wie kein anderes Phänomen sichtbar werden lässt, geschrieben, gestritten, gekämpft.
Vor dem Hintergrund betrachtet, dass weltweit rund 1,2 Mrd. Menschen weniger als 2
US-$ pro Tag für ihre Arbeit erhalten [7], „rund eine Milliarden Menschen auf der Welt hun-
gern“ [5] und annähernd eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser
haben, ist der Streit um Mittelverteilung und Zugang zu Luxus nicht verwunderlich.
Armut trotz Arbeit ist auch in Deutschland Realität. Zudem hat sich die Schere zwischen
Reich und Arm auch hierzulande geöffnet: der 3. Armutsbericht der Bundesregierung at-
testiert „eine leicht zunehmende ungleiche Verteilung“ [4]. Hart betroffen sind vor allem
Kinder. Gemäß einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung werden 12,5 % der Kin-
der unter 3 Jahren in München, 24 % in Frankfurt und 24,8 % in Hamburg als „arm“
kategorisiert.
In ärmeren Städten wie Brandenburg an der Havel sind es gar 39,5 %, in Gelsenkirchen
40,4 % in Schwerin 41 %. Und in der Hauptstadt Berlin lebt mit 37,6 % immer noch mehr
als ein Drittel der Kleinkinder in Armut. Armut ist, wie Luxus, a) sehr gegenwärtig, wenn
auch b) global betrachtet sicher relativ [1].
Diese Debatte zu vertiefen oder zu verlängern, ist nicht Gegenstand dieses Beitrags.
Beugen wir uns daher an dieser Stelle der Erkenntnis Hans Magnus Enzensbergers.

. . . . nämlich, daß es, aller Armut zum Trotz, eine menschliche Gesellschaft, die ohne Luxus
ausgekommen wäre, nie gegeben hat. [6]

Coco Chanel, die Erfinderin des „Kleinen Schwarzen“, Begründerin des gleichnamigen
Modeimperiums und Grande Dame der Haute Couture hat es ungleich charmanter
verstanden, dem Luxus die klassenkämpferische Note zu nehmen:
186 A. Kolaschnik

Le luxe, ce n’est pas le contraire de la pauvreté mais celui de la vulgarité


Luxus ist demnach nicht das Gegenteil von Armut, sondern von Vulgarität.

Das berühmt gewordene Zitat, das aus einem der „Pariser Gespräche“ von und mit Georg
Stefan Troller stammen soll, geht wie folgt weiter:

Luxus heißt ein Stoffmantel mit Seidenfutter oder mit Pelz, aber innen. Man wirft den Mantel
auf einen Stuhl, und das Futter kommt zum Vorschein. Sonst nicht. Die Dame allein weiß,
daß sie Seide oder Pelz trägt. Sie hat es nicht nötig, darauf hinzuweisen. Das ist Luxus.

Luxus ist demnach auch eine Frage des Stils und der Haltung.

12.1.4 Luxus und Haltung

Luxus ist protzig. Mitunter. Werner Sombart erkannte in seiner Untersuchung „Luxus und
Kapitalismus“ aus dem Jahre 1913:

Es ist eine Erscheinung, die in unserem Kulturkreise immer wiederkehrt, dass Leute aus dem
Volke, die schnell zu Reichtum kommen, diesen Reichtum vorwiegend zu Luxuszwecken
verwenden. [16, S. 96 ff.]

Und ganz sicher haben diese Nouveauxriches, diese Neureichen damals ihren Luxus eben-
so gern zur Schau gestellt, wie es heute in noch „jungen“ Luxus-Ländern wie Russland die
НОВЫЕ РУССКИЕ, die Neu-Russen tun. Dieser ostentative Konsum – der vor mehr als hun-
dert Jahren bereits unter dem Begriff „Geltungskonsum“ beleuchtet wurde und heute unter
dem Fachbegriff Conspicuous Consumption untersucht und diskutiert wird – dient der De-
monstration eines neu errungenen gesellschaftlichen Status sowie zur Selbstvergewisserung
desselben.
Eine neuere Studie kommt einem weiteren Effekt der Conspicuous Consumtion auf die
Spur: „. . . conspicuous purchasing enhanced men’s desirability as a short-term (but not as
a long-term) mate.“
Die Zurschaustellung status-unterstreichender Luxusgüter dient also nicht nur dem öf-
fentlichen Beweis der eigenen ökonomischen Ressourcen – sie dient auch innerhalb eines
sehr präzisen Signal-Systems zur Beschleunigung eines auf kurzfristigen Erfolg ausgeleg-
ten Kennenlern-Rituals. Vulgo: Demonstrativ zur Schau gestellter Luxus beschleunigt das
Anbaggern. Die Autoren der Studie merken aber explizit an: man(n) empfiehlt sich damit
aber nicht als längerfristiger Partner [11].
Eine andere Studie, die im Auftrag von „The Walpole“ – einer ebenso renommierten wie
erfolgreichen britischen Luxus-Vereinigung, die sich für die Interessen der britischen Lu-
xusindustrie einsetzt – vom Marktforschungsunternehmen Added Value und The Partners
erstellt wurde, differenziert nicht nur zwischen dem sich sehr bewusst dezent zurückhal-
tenden Luxus, wie ihn zuvor Coco Chanel beschrieb einerseits und dem demonstrativ und
nachdrücklich zur Schau gestellten Luxus andererseits. Sie trifft noch feinere Abstufungen
[18]. Demnach existieren vier Grundtypen von Luxus-Menschen:
12 Die Gestalt des Luxus 187

People Who „Show“ Hochgradig Status-getrieben, anspruchsvoll, extrovertiert, protzig.


Diese Menschen lieben es, ihren Erfolg durch Luxus zur Schau zu stellen – ohne
Publikum wären sie verloren.
Für diese Konsumenten kann eine Luxusmarke gar nicht laut genug sein.

People Who „Show They Know“ Ebenfalls Status-orientiert, versehen mit einem Grund-
wissen über die Dinge, die sie kaufen – um den Kauf zu rechtfertigen, zu begründen. Diese
Konsumenten wählen weniger laute, etablierte Marken.

People Who „Know“ Diese Menschen lieben Luxus um des Luxus willen.
Was andere von ihrer Wahl halten, ist für sie nicht wichtig.
Wenn sie sich für eine Marke entscheiden, ist diese eine Art Seelenverwandter.

People Who „Can’t Be Shown Up“ Die in ihren Entscheidungen wohl komplexesten
Luxus-Konsumenten.
Sie wollen die richtigen Entscheidungen treffen und suchen Marken, die nicht nach
Aufmerksamkeit schreien. Wenn sie die richtige Marke gefunden haben, fühlen sie sich
durch diese zuversichtlicher und vollständiger. Sie fühlen sich dann von anderen Menschen
mehr respektiert.
Im weiteren Verlauf der Studie werden diese vier Luxus-Grundhaltungen verschiedenen
internationalen Märkten gegenübergestellt: in Russland, und noch mehr in China, beides
recht junge Luxus-Märkte, dominieren eher „People who Show“, in England sind eher
„People who know“ anzutreffen. Japan ist ein „People who can’t be shown up“-Land.
Mag diese Differenzierung ganz oder teilweise zutreffen – das Ergebnis dieser Studie
verdeutlicht einmal mehr die eigentliche Grundfunktion des Luxus:
Luxus ist Kommunikation.

12.1.5 Luxusprodukt und Luxusmarke

Uche Okonkwo lässt keinen Zweifel am Bedeutung-Ranking von Luxusprodukt und


Luxusmarke:

The sequence is often to first develop products and than make branding decisions afterwards.
This is a wrong approach. . . . Branding decisions ought to be at the core of the corporate
decisions that a luxury brand makes, including product development. [13, S. 5]

Also zuerst die Marke. Sie ist der Grund, weshalb sich Konsumenten mit einem
Luxusartikel-Anbieter und der Welt seiner Produkte und Dienstleistungen identifiziert.
Sie markiert den Beginn einer Beziehung, die rationales Kaufverhalten hinter schon mal
sich zurücklassen kann:

The strong attachment that luxury consumers have to brands, which often defies logic, is the
result of branding. [13, S. 4]
188 A. Kolaschnik

Enzensberger meint hierzu:

Die Namen der Hersteller sind zu einem universellen Code geworden. Das Etikett vertritt
den Gegenstand. Das geht so weit, daß die Kundschaft ihren Körper den Lieferanten als
Werbefläche zur Verfügung stellt. [6]

Folge richtig rät die Boston Consulting Group Luxus-Unternehmen;

Elevate brand building as a core objective. [2]

Die Bedeutung des „Brand Building“ für die Luxusindustrie wird durch diese prägnante
Einschätzung Uche Okonkwos unterstrichen: „When a consumer wants a luxury brand
there is no substitute“ [13, S. 8]
Radikaler kann man es nicht ausdrücken: Hat der Kunde sich für eine Luxusmarke
entschieden, gibt es keine Alternative. Die Marke wird verabsolutiertes Objekt der Begierde.
Gegenargumente oder alternative Angebote würden jetzt nicht mehr greifen. Im Auge des
Betrachters ist die Marke als Ganzes und in jedem ihrer Details einfach stimmig, passend,
schön.
Bertolt Brecht drückte dies einst ungleich poetischer aus:

Zerpflücke eine Rose – und jedes Blatt ist schön.

12.2 Gestaltung der Kommunikation für Luxus

12.2.1 Allgemeine Gestaltungsparameter

„Zerpflücke eine Rose . . . “ – aber welche Rose hatte Bertolt Brecht dabei im Sinn?
Allein die Liste der Rosensorten auf Wikipedia zählt über fünfhundert Rosensorten.
Und übertragen auf den Luxus stellt sich die Frage: Kann es für die Gestaltung der
Kommunikation von Luxusmarken und Luxusprodukten allgemeingültige Gestaltungs-
parameter geben, wo es doch nicht einmal eine verbindliche Definition von Luxus
gibt?
Wir sahen:

• Luxus ist relativ


• Luxus ist weltweit
• Luxus ist zeitgebunden
• Luxus ist umfasst viele höchst unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen

Kann es also Gestaltungsparameter geben, die gleichermaßen für die Kommunikation


von Champagner in Detroit wie für ein Chronometer in Peking, für ein Eau de Parfum
in Mumbai, für ein 5-Sterne-Hotel in Berlin oder ein Resort & Spa am Kap der guten
Hoffnung?
12 Die Gestalt des Luxus 189

Gibt es einen generellen Luxusgestaltungscode? Gibt es Gestaltungsparameter, die für


Luxus reserviert sind?
Gemeinsamkeiten der Kommunikation innerhalb von Produktkategorien sind auf den
ersten Blick erkennbar:

Luxus-Uhren

• vorzugsweise Close-Up im Raum schwebend, bzw. möglichst kein oder nur wenig
Kontakt zu einer Auflagefläche
• abstrahierter Raum, Weltall-gleich dem Betrachter aus der Tiefe des Raumes entgegen-
schwebend
• Attribute, die das Ambiente symbolisieren, in dem die Uhr und ihr Träger sich zu Hause
fühlen
• sportliche Luxusautos, Kleinflugzeuge, Segelyachten – jeweils Klassiker oder moderne
Klassiker
• Details des Uhrwerks in Form der handgearbeiteten Einzelteile des Kalibers: Antrieb,
Räderwerk, Ankerrad, Anker.
• Farben zurückgenommen, um das Produkt . . . Schwarz, Grau, Weiß
• gern auch am Handgelenk einer möglichst international bekannten Celebrity der ersten
Reihe: George Clooney, Bratt Pitt, Leonardo DiCaprio, Cameron Diaz, Uma Thurman,
John Travolta, Daniel Craig, Lewis Hamilton, Maria Sharapova, Roger Federer.

Auffällige Merkmale sind:


die ausgezeichnete Produkt- bzw. Portrait-Fotografie – inklusive der meisterhaften Aus-
leuchtung des Produktes bzw. der die Uhr tragenden Celebrity, die ruhige Bildkomposition,
die zurückhaltende Farbigkeit – sowie eine ausgewogene Typografie sparsam eingesetzter
Texte.

Luxushotels Hotels der Kategorie 5-Sterne – und darüber – präsentieren sich

• mit festlich eingedeckten Speisesälen, Terrassen und Salons


• in über und unter Wasser perfekt ausgeleuchteten Spas liegen Handtücher, Bademäntel
auf immer freien Liegen bereit
• die Zimmer und Suiten sind einladend hell und rein hergerichtet, Obst steht bereit, an
frische Blumen ist gedacht, die Betten sind frisch bezogen und mit Extra-Kissen versehen,
auf den Schreibtischen warten Schreibutensilien und Laptops auf ihren Einsatz
• die Executive Lounges und Konferenzräume sind ebenso präzise wie komplett vorberei-
tet für das Treffen der Entscheider – frisches Wasser steht griffbereit.

Es fehlt nur an einem: an Menschen. Die Perfektion des Ambientes und des Services wird,
abgesehen von wenigen gezielten Ausnahmen, nicht durch die Anwesenheit von weniger
190 A. Kolaschnik

perfekt erscheinenden Menschen getrübt. Für die fehlende Abbildung von Servicemitar-
beitern trifft der Leitsatz der Hotel- und Gastronomiebranche zu, nach dem der perfekte
Service möglichst unsichtbar ist. Es sei denn, Menschen sind symbolischer Bestandteil ei-
ner ritualisierten Inszenierung der Gastlichkeit: der preisgekrönte Koch, der Aufmarsch der
Köche und Kellner, der um Mitternacht zur Höchstform auflaufende Barmann.
Augenfällige Merkmale sind die in sich ruhend komponierte Mise en scène, die aus-
balancierte, harmonische Ausleuchtung der Szenerie, das einladende Ambiente, das nur und
ausschließlich auf den Betrachter zu warten scheint. Selbstverständlich sind auch hier die
Fotografie meisterhaft, die Farben niemals grell, die Übergänge weich und die Typopgrafie
ausgewogen und sparsam.
Schon anhand dieser zwei höchst unterschiedlichen Luxussegmente lassen sich Kriterien
festmachen, die der Gestaltung der Kommunikation von Luxus zugeordnet werden können:

• die vollkommene Beherrschung der dargestellten Szene


• die Abwesenheit irritierenden Rauschens jeglicher Art
• die Kennerschaft in der Auswahl und Komposition der abzubildenden Objekte
• das Wissen um den Wert des Details
• der großzügige Umgang mit Raum
• die Perfektion in der gewählten Technik der Abbildung

Auf der Suche nach weiteren Kriterien, die der Gestaltung von Luxus-Kommunikation
dienlich sein können, liefern Aussagen erfolgreicher und anerkannter Unternehmen,
Organisationen und Akteure der Luxus-Branche weitere Anhaltspunkte:

Our products, and the cultural values they embody, blend tradition and innovation, and
kindle dream and fantasy. The mission of the LVMH group is to represent the most refined
qualities of Western „Art de Vivre“ around the world. LVMH must continue to be synonymous
with both elegance and creativity. Our products, and the cultural values they embody, blend
tradition and innovation, and kindle dream and fantasy.

LVMH definiert „five priorities“


• Be creative and innovate
• Aim for product excellence
• Bolster the image of our brands with passionate determination
• Act as entrepreneurs
• Strive to be the best in all we do. (Quelle: LVMH Group Mission „Louis Vuitton Moet
Hennessy“, Unternehmenswebsite)

The brands cater to broad, exclusive and full ranges of products thanks to their greatest
strengths: creativity, innovation and expertise. (Quelle: Alexis Babeau Deputy CEO of the
PPR Luxury Business, Unternehmenswebsite)

Build sustainable demand for our products


• Desirability
12 Die Gestalt des Luxus 191

• Integrity and Esteem


• Awareness
• Relevance/Vitality
This approach requires further support for creativity and communication. (Quelle: Riche-
mont, Unternehmenspräsentation Annual Report Fiscal Year 2011; March 2011)

Luxus bewahrt Identität. Denn Luxus setzt handwerkliche Perfektion und Kreativität voraus,
hält diese Manufakturherstellung lebendig und entwickelt sie weiter.
Luxus schafft Fortschritt. Mit ihren Innovationen und ihrem kompromisslos hohen Qualitäts-
anspruch legen Luxushersteller immer wieder den Grundstein für Entwicklungen, die letztlich
allen zugutekommen.
Meisterkreis. (Quelle: http://www.meisterkreis-deutschland.com)

The luxury industry is driven by creativity and innovation.


Comitè Colbert. (Quelle: http://www.comitecolbert.com)

The members of Altagamma operate at the highest end of the market, stand out for their
innovation, quality, service levels, designs and prestige . . .
Fondazione Altagamma. (http://www.altagamma.it)

The Walpole listet in der Studie The Luxury Code Research Study
von Added Value und The Partners

Heroic Myth,
Exquisite Product
Iconic Communication
Carefully Engineered Celebrity
Ultra-Selective Distribution
The Power of „Cool“. [18]

Die Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants ist der Ansicht:

Klassische Werte wie Tradition, zeitlose Eleganz und höchstes handwerkliches Können werden
wieder zu Kernanforderungen an Luxusmarken. [15]

KPMG ordnet einer Luxusmarke Waren oder Dienstleistungen zu, „die in der Wahrnehmung
der Qualität oder Wertigkeit über das normale Maß der jeweiligen Kategorie weit hinaus“
gehen. Exklusivität, Knappheit, ein hohes Preisniveau sowie authentische, tradierte Werte
runden die Definition einer Luxusmarke ab. [10].
Die Boston Consulting Group ordnet dem Luxus „rarity, quality and refinement.“ zu [2].
Uche Okonkwo konstatiert in „Luxury Fashion Branding“

The core characteristics of luxury brands are: brand strength, differentiation, exclusivity,
innovation, product craftsmanship and precision, premium-pricing and high quality. It is the
differenciated quality of the materials, design and performance of a wristwatch of chanel that
separates it from a basic functional watch sold in a supermarket. [13, S. 11]
192 A. Kolaschnik

Okonkwo stellte zudem zehn Attribute zusammen, die eine „wahre Luxusmarke“ kennzeich-
nen:
1. innovative, creative, unique and appealing products
2. consistent delivery of premium quality
3. exclusivity in goods production
4. tight controlled distribution
5. a heritage of craftsmanship
6. a distinct brand identity
7. a global reputation
8. emotional appeal
9. premium pricing
10. high visibility. [13, S. 105]

All die oben genannten Luxus-Kriterien geben eine ungefähre Vorstellung der „Flug-
höhe“, die die Kommunikation einer Luxusmarke erreichen und halten muss, um als
Kommunikation einer Luxusmarke akzeptiert zu werden.
Begriffe wie Premium Qualität, Exzellenz, Perfektion, setzen qualitative Maßstäbe für
die Kommunikation und deren Gestaltung. Sie bestimmen die Auswahl der Materialien,
Medien und Techniken, die für die Kommunikation der Luxusmarke eingesetzt werden
sollen.
Auf eine Konsistenz an allen Touch Points der Marke ist dabei zu achten. Print-Anzeige,
TV-Spot und Webauftritt müssen diese Flughöhe ebenso einhalten, wie der Messeauftritt
und das Banner beim Event.
Begriffe wie Exklusivität und Seltenheit sollten bei der Planung der Medienauswahl und
der Kommunikationsintensität berücksichtigt werden. Es gilt, den Zugang zur Luxusmarke
bewusst zu begrenzen.
Handwerkskunst, Expertise, Tradition geben einen Hinweis auf den Faktor Zeit und die
mit ihr gereifte und reifende Kenner- und Könnerschaft des ausführenden Gestalters – auch
das Zeitkontingent, dass dieser sich für die Entwicklung seiner Arbeit für die Luxusmarke
ausbedingen sollte.
Begriffe wie Innovation und Kreativität sind eine immer währende Herausforde-
rung an den verfeinernden Geist. Die strategische Bedeutung dieser beiden Begriffe für
die Entwicklung und Fortentwicklung von Luxusmarken muss sich unbedingt in deren
Kommunikation widerspiegeln.

Luxury fashion brands strive for innovation, differentiation and appeal.


This is because the fashion industry is forward-thinking. Fashion always incorporates the past
and the future and is hardly preoccupied with the presence. It draws inspirations from the
past in order to create desire for the future. The present is only a temporary phase because
if fashion is here today, it is already old-fashioned. Luxury brands set the fashion trends for
every season. [13, S. 10].

Kreativität und Innovation sind der lebenswichtige Input, der den Luxusmarkt vor der
maximalen Entropie, dem Wärmetod bewahrt. Eine Luxusmarke setzt Trends, sie läuft
nicht Trends hinterher. Gleiches gilt für deren Kommunikation.
12 Die Gestalt des Luxus 193

12.2.2 Spezifische Gestaltungsparameter

Wenn die allgemeinen Gestaltungsparameter dazu dienen, die Kommunikation der Lu-
xusmarke auf die „Flughöhe“ des Luxussegments zu bringen, um sie von Massenmarken
abzuheben, dann bedarf es weiterer kommunikativ-gestalterischer Anstrengungen, um
die Marken innerhalb des Luxussegments voneinander unterscheidbar zu machen. Der
wirkmächtigste Ansatz zur Differenzierung von Luxusmarken liegt in ihrer Identität.
Identität, gleich, ob man sich ihr mit dem Marketing-Ansatz der identitätsorientierten
(Meffert et al.) beziehungsweise identitätsbasierten (Burmann) Markenführung nähert,
oder den älteren Ansatz der Corporate Identity wählt, welcher den Designern und ihrer
Denkweise näher ist, ist der Schlüssel zur Steuerung einer Luxusmarke – und damit auch
für die differenzierende, profilierende Gestaltung ihrer Kommunikation.
Die Brand Identity zu destillieren, muss die erste Ebene der Anstrengungen sein, denen
sich Markenverantwortliche – verantwortliche Designer explizit mit einbezogen – stellen.
Erst auf der Basis einer entschlossenen, für alle Beteiligten eindeutig und klar definierten
Identität kann mit den Arbeiten auf den dann folgenden Handlungsebenen strategischer
Markenkommunikation begonnen werden.
Im folgenden wird als pragmatische Vorgehensweise zur Entwicklung einer Brand Iden-
tity und der Kommunikation einer Luxusmarke der Ansatz der „5 Handlungsebenen der
Markenkommunikation“ vorgestellt.
Dieser Ansatz definiert neben der Entwicklung des Brand Designs auf der Basis der
Brand Identity auch das Story Telling als a) gleichrangige Aufgabe und b) als Aufgabe der
Gestalter.

12.2.3 Die 5 Handlungsebenen der Markenkommunikation

12.2.3.1 Differenzierung und Positionierung


Auf der Basis der in einer vorangestellten Recherche- und Analysephase erhobenen Erkennt-
nisse werden zunächst substanzielle Potenziale zur Differenzierung einer Luxusmarke
gegenüber ihren Wettbewerbern herausgearbeitet (Abb. 12.1).
In einem weiteren Schritt geht es dann an die Entwicklung einer Positionierung, die
die Marke im Bewusstsein ihrer Kunden und Interessensgruppen einnehmen will – und
substanziell auch einnehmen kann. Diese Positionierung beschreibt zunächst die rationale
Relevanz der Marke und ihrer Angebote aus Sicht der Kunden. Erst nach der Festlegung der
rationalen Komponenten werden emotionale Mehrwerte identifiziert und definiert. Inter-
essant in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung in den letzten Jahren von „emotionalen
Mehrwerten“ einer Marke zu deren „spirituellen Mehrwerten“. Starke Marken vermitteln
heute nicht nur ein gutes Gefühl, sie stiften zudem Sinn und geben Orientierung in einer
orientierungsarmen Zeit. Sinnstiftung war zuvor eine Domäne der Religionen.
So wie Meffert einst die Funktionen der Marke (Orientierung, Entlastung, Qualitäts-
sicherung, Identifikation, Prestige, Vertrauen) isolierte, so haben auch die Religionssozio-
194 A. Kolaschnik

5. Ebene Medieneinsatz Social Media


INSZENIERUNG Mediengerechte Adaptionen für
medienspezifisch die ausgewählten Medien an
allen relevanten Touchpoints
durch Spezialisten

4. Ebene Kampagne
DRAMATISIERUNG
Die Brand Story bildet die narrative
transmedial Konstante für die Gespräche in
BRAND COMMUNICATIONS

Social Media

3. Ebene
GESTALTUNG

Brand Design Brand Story


Profilierender, transmedialer, Langfristig angelegtes narratives
alle Sinne ansprechender Leitmotiv
Markenauftritt auf der Basis der
Brand Identity

2. Ebene Emotionale Mehrwerte


POSITIONIERUNG

Rationale Relevanz
BRAND IDENTITY

1. Ebene
Substanz / Eigenschaften
DIFFERENZIERUNG
Identifikation und Formulierung von belastbaren Eigenschaften und
Leistungen zur Differenzierung gegenüber Wettbewerbern

Abb. 12.1 Handlungsebenen strategischer Markenkommunikation. (Quelle: Kolaschnik)


12 Die Gestalt des Luxus 195

logen die einzelnen Funktionen der Religion, die Faktoren einer „Sinnstiftungskompetenz“,
bereits identifiziert. Franz-Xaver Kaufmann beschreibt sechs Funktionen der Religion [9,
S. 84 ff.], aus denen sich Optionen für die Emotionalisierung und die entsprechende
Gestaltung der Kommunikation von Luxusmarken ableiten lassen (Abb. 12.2):
In diesem Religions-funktionalen Sinne werden die Points of Contact der Marke, die
Touchpoints zu Evidenzerlebnissen des Kunden: Flagship-Stores, Marken-Museen und
Brand Events werden kristallisierte und mitteilbare Beweise des Markenmythos.

12.2.3.2 Brand Design und Brand Story


Im Zuge der Entwicklung einer Brand Identity steht gleichwertig neben der Entwick-
lung eines konsistenten Erscheinungsbildes, des Brand Design, die Formulierung einer
identitätsstiftenden und die Identität kommunizierenden Brand Story.

More than anything else, the luxury brand is an epic tale, carried by its stories: storytelling is
its mode of expression. [8, S. 122]

Diese Brand Story fungiert als langfristig angelegtes narratives, identitätsstiftendes und die
Marken-Identität kommunizierendes Leitmotiv – als eine inhaltliche, erzählerische Klam-
mer über die einzelnen, kurz- oder mittelfristig angelegten Kommunikationskampagnen
sowie Mediangattungen hinweg.
Das Konzept der „5 Handlungsebenen strategischer Unternehmens-/Marken-
Kommunikation“ ergänzt das klassische CI-Konzept durch Einbeziehung der Brand Story
um eine narrative Konstante für die – von der Marke kaum steuerbaren – Gespräche in
Social Media/Web 2.0. Die Brand Story bildet damit, eingebettet in ein umfassendes CI-
Konzept, das Missing Link zwischen der klassischen Kommunikation und dem aktuellen
Paradigma des Web 2.0.

12.2.3.3 Dramatisierung und Inszenierung


In den anschließenden zwei Phasen erfolgen die aktuelle werbliche, konzeptionell medien-
übergreifend angelegte Dramatisierung (die Entwicklung einer Kommunikationskampa-
gne) sowie die für die einzelnen Medien adäquate Inszenierung (Print, Web, TV . . . ) der
Brand Story – im Rahmen des entwickelten Brand Designs.
Demnach beeinflussen drei Arten von Design den kommunikativen Auftritt einer
Luxusmarke:

1. Das langfristig ausgerichtete, die Wiedererkennbarkeit sichernde Brand Design.


2. Das medienübergreifend für die aktuelle Kampagne entwickelte Kampagnendesign,
welches das Brand Design entsprechend der konzeptionellen Leitidee interpretiert.
3. Die jeweils spezifisch für das einzelne Medium entwickelte gestalterische Adapti-
on/Variation des Kampagnendesigns.

Diese drei Arten des Designs – und die Kooperation der entsprechend eigenen Charaktere
der ausführenden Designer – gilt es, in eine der Marke eigene Balance zu bringen. Ziel
196 A. Kolaschnik

Funktionen von Religion* Optionen, die sich für die Führung


von Luxusmarken daraus ergeben

1. Identitätsstiftung Glaube ist Gewissheit, frei von rationalen und emoti-


»Das Problem der Affektbindung oder onalen Zweifeln und Ängsten. Gewissheit erweitert
Angstbewältigung« damit die einstige Orientierungs-Funktion der Marke.
Vorgelebte und kommunizierte Gewissheit
– hilft, Existenz-Ängste zu überwinden
– ersetzt Argumentation
– gibt der Emotion eine Richtung und ein Ziel
– bietet der Identität den Rahmen für ihre Entfaltung
und Entwicklung.
2. Handlungsführung im Außeralltäglichen Das Versprechen, Menschen über ihren Alltag mit sei-
»Problem der Handlungsführung im nen lähmenden Restriktionen hinauswachsen lassen
Außeralltäglichen« zu können, stellt – eingelöst durch entsprechende
Leistungen und Zusatzleistungen – einen echten
Mehrwert dar.

3. Kontingenzbewältigung Unser multi-optionales Dilemma: Alles ist möglich –


»Problem der Verarbeitung von Kontingenz- auch das Gegenteil.
erfahrungen« Die Lösung: Die Gründer der Marke, die geistigen,
kreativen Treiber der Marke als leibhaftiges Beispiel
mit starkem Commitment.
Weil sie wussten, was sie taten, konnten – und kön-
nen – sie überzeugen.
Erzählt als mythische Heldenreise.

4. Sozialintegration Die Marke legitimiert Gemeinschaft. Die Wahl der


richtigen Marke entscheidet über Zugehörigkeit zur
»Problem der Legitimation von Gemeinschafts- Brand Community – und damit zum Zugang zu Leis-
bildung und sozialer Integration« tungen, Zusatzleistungen und Netzwerk. Zugang zum
Netzwerk der Marke ist sozialer Mehrwert.

5. Kosmisierung Die Religionen kennen Schöpfer und Schöpfungsmy-


»Problem der Kosmisierung von Welt, der then. Die Marken kennen Gründer und Gründungsmy-
Begründung eines Deutungshorizonts aus then. Sie übernehmen für uns die Deutung der Welt.
einheitlichen Prinzipien, der die Möglichkeit In ihnen ruhen Sinn und Ordnung.
von Sinnlosigkeit und Chaos ausschließt«

6. Weltdistanzierung Eine Religion will nicht nur transzendenten Sinn


»Problem der Distanzierung von gegebenen stiften, sondern auch die reale Welt in ihrem Sinne
Sozialverhältnissen, der Ermöglichung von ordnen. Wenn notwendig, verbessern.
Widerstand und Protest gegen einen als unge- Über die Haltung und das Verhalten einer Marke im
recht oder unmoralisch erfahrenen Gesell- sozio-kulturellen Kontext – weit über den Charity-
schaftszustand« Gedanken hinaus – wird sich, markentechnisch
gesehen, zukünftig »die Spreu vom Weizen trennen«.
(Lukas; Kapitel 3, Vers 17).

© Prof. Axel Kolaschnik 2010_Institut für Marke und Design IMD _ STZ HS Mannheim
*nach F.-X. Kaufmann, Religion und Modernität, Tübingen 1989, 84 f

Abb. 12.2 Was Luxusmarken von Religion lernen können. (Quelle: Kolaschnik)
12 Die Gestalt des Luxus 197

dieser Balance ist es, einen Traum zu gestalten, und nicht, zu verkaufen. Kapferer bringt es
im neunten Gesetz seiner Anti-Laws of Luxury Marketing treffend auf den Punkt.

The role of advertising is not to sell. In traditional marketing the first step is to discover a sales
proposal, to have a unique selling proposition – the text is there to make the sales pitch. In
luxury, the dream comes first. [8]

12.2.3.4 Social Media und Redaktion


Luxusmarken gehen nach anfänglichem Zögern nun verstärkt daran, sich auf ihre je-
weils eigene Art das Internet zu erschließen. Sie arbeiten neben der Entwicklung von
Online-Shopping-Lösungen an spezifischen Angeboten und Services zur segmentierten
Kundenbindung. Information, Inspiration, Interaktion und Individualisierung sind Ansät-
ze, die laufend im Sombartschen Sinne verfeinert werden. Gehversuche werden auch in den
Social Media unternommen – auch wenn zunächst mehr Gefahren als Chancen gesehen
wurden. Auch Luxusmarken kommen nicht umhin, sich dem Phänomen Social Media zu
widmen, wenn sie von ihren zukünftigen Kunden als Gesprächspartner auf Augenhöhe
akzeptiert werden wollen.
Die Teilnahme an den Gesprächen im Netz bedeutet nicht weniger als die Präsenz auf
dem Markt, denn „Märkte sind Gespräche“.
Diese schnellen, direkten, unprätentiösen Gespräche können von Luxusmarken nicht so
vollumfänglich gesteuert werden, wie sie ihre Kampagnen und Kollektionen steuern. Ein
gewisser Kontrollverlust über Termine, Themen und Tenor ist nicht vermeidbar. Um an
den Gesprächen der Märkte teilnehmen zu können, ist Einrichtung einer permanenten,
transmedialen und interdisziplinären Redaktion sinnvoll, die zwei wesentliche Aufgaben
zu erfüllen hat:

1. Transformation der jeweils aktuellen Kampagne für die unterschiedlichen Gespräche


in unterschiedlichen Foren, Blogs, Communities . . .
Dabei werden Elemente des Brand Design weit weniger Anwendung finden, als Elemente
der Brand Story.
2. Aus Gesprächen lernen, was die Menschen in den Märkten bewegt – um dieses Wissen
in die Gestaltung der Kommunikation der Marke einfließen zu lassen.

Die Redaktion sollte mit Spezialisten unterschiedlicher kommunikativer Disziplinen be-


stückt sein, über sowohl strategische als auch operative Kompetenzen verfügen – und mit
einem großen Handlungsfreiraum ausgestattet sein. Die Redaktion bildet im kyberneti-
schen Sinne die Schnittstelle zwischen Brand Identity in Form von Brand Design und
Brand Story einerseits sowie zwischen der aktuellen Kampagne und den Social Media.
198 A. Kolaschnik

12.3 Noch ein Wort

12.3.1 Ein Wort zur Kunst

Kapferer empfiehlt, was Luxusunternehmen bereits erfolgreich pflegen: die Nähe zur Kunst.

Cultivate closeness to the arts


In this way they are making themselves patrons of emerging trends, where they are forming
symbiotic relationships that serve their purposes – making luxury-brand objects that are
themselves works of contemporary art. [8]

Kunst ist ganz sicher ein wichtiger Treiber, Inspirator und Verbündeter der Luxusmarken
und ihrer Kommunikation. Für Kommunikationsdesigner ist es wichtig, die Grenze zu
kennen, die der Kunst gesetzt ist:

Die Bourgeois erwartet von der Kunst (ganz zu schweigen von dem, was sie Literatur oder
Philosophie nennt) eine Bestätigung ihrer Selbstgewissheit und vermag – ebenso selbstgefällig
wie ignorant – die Kühnheiten der Avantgarde nicht . . . anzuerkennen. [3, S. 459]

Also bitte: niemals Cutting Edge.

12.3.2 Ein Wort zur Sinnlichkeit

Luxus ohne Sinnlichkeit geht gar nicht:

Aller persönlicher Luxus entspringt zunächst aus einer rein sinnlichen Freude am Genuß:
was Auge, Ohr, Nase, Gaumen und Tastsinn reizt, wird in immer vollkommenerer Weise in
Gebrauchsdingen irgendwelcher Art vergegenständlicht. [16, S. 73]

Und weiter:

Aller Wunsch nach Verfeinerung und Vermehrung der Sinnesreizmittel wird nun aber letzten
Endes in unserem Geschlechtsleben seinen Grund haben: Sinneslust und Erotik sind letzten
Endes ein und dasselbe. [16, S. 73]

Also bitte: immer an die Einbindung möglichst aller Sinne denken.

12.3.3 Ein letztes Wort zum Luxus

Bereits 1996 beschrieb Enzensberger in einem bemerkenswerten Essay für den Spiegel die
„merkwürdige Verkehrung einer Logik der Wünsche:

Der Luxus der Zukunft verabschiedet sich vom Überflüssigen und strebt nach dem Notwen-
digen, von dem zu befürchten ist, daß es nur noch den Wenigsten zu Gebote stehen wird. Das,
worauf es ankommt, hat kein Duty Free Shop zu bieten:
1. Die Zeit
2. Die Aufmerksamkeit
12 Die Gestalt des Luxus 199

3. Der Raum
4. Die Ruhe
5. Die Umwelt
6. Die Sicherheit. [6]

Diese Begriffe kann man heute, eineinhalb Jahrzehnte später, um Gesundheit, Energie und
auch Bildung ergänzen. Weitere werden folgen.
Also bitte: den Wandel im Auge behalten. Denn nur der Wandel ist beständig.

Literatur

1. Bertelsmann Stiftung (2012). Kinderarmut: Unter Dreijährige besonders stark betrof-


fen. http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-B2A89A6B-1390641E/bst/hs.xsl/
nachrichten_111284.htm. Zugegriffen: 16. März 2012.
2. Boston Consulting Group (2010). The New World of Luxury – Caught between Growing Mo-
mentum and Lasting Change. http://www.bcg.com/documents/file67444.pdf. Zugegriffen: 16.
März 2012.
3. Bourdieu, P. (1982). Die feinen Unterschiede – Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft.
Frankfurt am Main: Suhrkamp.
4. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2008). Lebenslagen in Deutschland; 3.
Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. http://www.bmas.de/SharedDocs/
Downloads/DE/PDF-Publikationen/forschungsprojekt-a333-dritter-armuts-und-
reichtumsbericht.pdf?__blob = publicationFile. Zugegriffen: 16. März 2012.
5. Deutsches Rotes Kreuz (2011). Weltkatastrophenbericht 2011: Eine Milliarde Men-
schen hungern. http://www.drk.de/news/meldung/6742-weltkatastrophenbericht-2011-eine-
milliarde-menschen-hungern.html. Zugegriffen: 16. März 2012.
6. Enzensberger, H. M. (1996). Reminiszenzen an den Überfluß. Der alte und der neue Luxus.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9134042.html. Zugegriffen: 16. März 2012.
7. International Labour Organization ILO (2011): Global Employment Trends 2011, in: Bundes-
zentrale für politische Bildung, 2011, www.bpb.de
8. Kapferer, J.-N., & Bastien, V. (2009). The Luxury Strategy. Breaking the rules of marketing to build
luxury brands. London, Philadelphia, New Delhi: Kogan Page.
9. Kaufmann, F. X. (1989). Religion und Modernität: Sozialwissenschaftliche Perspektiven. Tübingen:
Mohr Siebeck.
10. KPMG (2009). Herausforderungen im deutschen Luxusmarkt. Studie in Koope-
ration mit dem Markenverband. http://www.markenverband.de/publikationen/studien/
Luxusmarkt%202009.pdf. Zugegriffen: 8.2.2012.
11. Locke, C., Levine, R., Searls, D. (2001). The Cluetrain Manifesto: The End of Business as Usual.
New York: Perseus Books.
12. Manager Magazin (2012): Luxus 2012 – Wahre Welten. http://www.manager-
magazin.de/magazin/artikel/0,2828,806725,00.html. Zugegriffen: 9. Januar 2012.
13. Okonkwo, U. (2007). Fashion Branding. Hampshire: Palgrave Macmillan.
14. Peacocks, P. & Veblen, Th. (2011). Conspicuous Consumption as a Sexual Signaling System. Journal
of Personality and Social Psychology 100, S. 664–680.
15. Roland Berger (2009). Ein Gewinner in der Krise. Der Luxusmarkt Deutschland 2009.
http://www.rolandberger.com/media/pdf/Roland_Berger_Luxusmarkt_Deutschland_20100115.
pdf. Zugegriffen: 12 März 2012.
200 A. Kolaschnik

16. Sombart, W. (1999). Liebe, Luxus und Kapitalismus. Berlin: Wagenbach.


17. Sundie, J. M., Griskevicius, V., Joshua, Tybur, M., Kathleen D. V., Beal, D. J. (2011). Peacocks,
Porsches and Thorstein Veblen: Conspicious Consumpttion as a Sexual Signaling System. In
Journal of Personality and Social Psychology; 2011, Vol. 100, No. 4, 664–680.
18. Walpole (2011). Walpole and the Luxury Code Research Study. Cracking the luxury code.
www.walpole.co.uk
19. Watzlawik, P., Beavin, J. H., & Jackson, D. D. (2000). Menschliche Kommunikation. Bern: Hans
Huber.
The Art of Luxury Experience – Customer
Experience Management zur erfolgreichen 13
Umsetzung von Luxusmarkenerlebnissen

Jörg Meurer und Stephan Hirschsteiner

Zusammenfassung
Für Luxusmarken mit ihrer Preisstellung und ihrer Aura von Exklusivität und Be-
gehrlichkeit sind die Erlebnisdimensionen von ganz besonderer Bedeutung. Dennoch
steht – trotz frühzeitiger Begründung des Begriffs der Experience Economy – die
wissenschaftliche Diskussion um dieselbe noch eher am Anfang. Daher wird in die-
sem Beitrag ein Erlebnisbegriff definiert, der auf konsequenter Prozessorientierung,
Markenorientierung und einer ganzheitlichen, 360 Grad-Umsetzungsorientierung
aufsetzt.
Sodann werden mit der Ausstattungsqualität (Hard Facts), der Prozessqualität (Er-
lebnissequenzen) sowie der Definition des gewünschten Erlebnisses (Erinnerung) drei
zentrale Erlebnisdimensionen abgeleitet.
Auf dieser Basis wird der Begriff des Customer Experience Management abgeleitet, ein
systematischer CEM-Prozess beschrieben und über zwei Praxisbeispiele – Luxusreisen
sowie Luxusautos – erläutert.

Dr. Jörg Meurer ()


KEYLENS Management Consultants,
Kaistr. 13, 40221 Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: joerg.meurer@keylens.com
Stephan Hirschsteiner
KEYLENS Management Consultants,
Ludwigstr. 8, 80539 München, Deutschland
E-Mail: stephan.hirschsteiner@keylens.com

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 201


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_13, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
202 J. Meurer und S. Hirschsteiner

Abb. 13.1 First


Class-deboarding Lufthansa.
(Quelle: Lufthansa)

13.1 Vom Wesen des Luxusmarkenerlebnisses

13.1.1 Konkrete Luxusmarkenerlebnisse als Ausgangspunkt

Luxusmarkenerlebnis I: First Class-Deboarding Lufthansa „Die Boeing 747 der Luft-


hansa ist in New York JFK gelandet, das Flugzeug hat angedockt und die zahlreichen
Business Class Passagiere drängen sich hektisch in Richtung Ausgang. Es ist eine
unerklärliche Spannung im Raum.
Zur gleichen Zeit . . .
Dr. HON hat keine Eile. Im First Class Bereich der Boeing 747 scheint die Zeit noch
stehen geblieben zu sein. Claudia, die freundliche Stewardess aus der Nähe von Stuttgart
bringt Dr. HON unaufgefordert den Mantel, öffnet das Gepäckfach und reicht ihm die
kleine Aktentasche. Nach einem kleinen persönlichen Wortwechsel begleitet sie Dr. HON
zur Treppe und verabschiedet ihn freundlich. Sie gibt ihm die Hand.
In diesem Moment betritt Dr. HON die Treppe, die vom Upper Deck ins Main Deck
führt. Als er hinabschaut, fühlt er sich nahezu ,präsidentisch‘. Im selben Moment stellen
sich vier Flugbegleiterinnen in die Gänge von Business und Economy Class und unter-
brechen freundlich aber bestimmt das Aussteigen der Meute an beschäftigten Business
Class-Passagieren sowie der erschöpften Touristenklasse. Als Dr. HON die Treppe herab-
steigt fühlt er einen Moment lang ein mystisches Schweigen, dann ist er überwältigt von der
Kraft der vielen Augenpaare, die Ihn bewundernd auf dem Weg zum Ausgang begleiten.
Ein Gefühl von tiefer Anerkennung und Stolz aber auch frischem Selbstbewusstsein
überkommt ihn, als er das Flugzeug verlässt.“ (Abb. 13.1)

Luxusmarkenerlebnis II: Fahrzeugabholung BMW-Welt München Wer sich den


Wunsch nach einem neuen BMW erfüllt, möchte diesen Kauf vom ersten Augenblick an
als etwas ganz Besonderes erleben. Selbstverständlich ist die Abholung eines neuen BMW
13 The Art of Luxury Experience 203

Abb. 13.2 BMW Welt,


München. (Quelle: BMW)

der absolute Höhepunkt beim Aufenthalt in der BMW-Welt. Doch BMW möchte, dass er
nicht der einzige bleibt. Deshalb sind von der Anfahrt bis zum Abschied alle Bestandteile
der Abholung durchdacht, damit dieser Tag unvergesslich wird.
Direkt nach der Ankunft in der BMW-Welt wartet ein maßgeschneidertes Betreuungs-
programm auf Sie. Die einzelnen Erlebnisse können Sie beim Check-in in der Premium
Lounge im Rahmen Ihrer Tagesplanung buchen. Für den kostenlosen Zutritt zu den Berei-
chen erhalten Sie ein Ticket, welches auch je einen Gutschein für die Restaurants und die
Shops in der BMW-Welt enthält.
An einer Werkführung können Sie ganz nach Wunsch vor oder nach Ihrer Auto-
mobilabholung teilnehmen. Ein außergewöhnliches Erlebnis bietet auch der Besuch des
BMW-Museums, das sich seit 2008 mit neu konzipierten, deutlich erweiterten Ausstel-
lungsräumen präsentiert. Sie können Werkführung oder Museumsbesuch auch auf den
Tag vor oder nach Ihrer Automobilabholung legen. Die Teilnahme ist für Sie und Ihre
Begleitung selbstverständlich kostenlos (Abb. 13.2).
Die beiden Beispiele zeigen eindrucksvoll, warum Luxusmarken eine Aura von Ex-
klusivität und Begehrlichkeit umgibt. Sie schaffen Konsum-, Verwendungs- und Service-
Erlebnisse von einer so eigenen Art, dass diese ein z. T. mehrfaches an Preisstellung ermög-
lichen wie für Standardprodukte und -qualitäten der entsprechenden Dienstleistungs- oder
Produktkategorie [1].
Wenn es einerseits angesichts der genannten Beispiele keinen Zweifel an der be-
sonderen Erlebnisdimension von Luxusmarken geben kann, so verwundert es umso
mehr, dass die systematische Auseinandersetzung mit (Luxus-)Markenerlebnissen in der
Betriebswirtschafts- und Managementliteratur vergleichsweise am Anfang steht und in der
Praxis eher qua Intuition denn per systematischem Managementansatz betrieben wird.
Was also macht das Wesen solcher Luxusmarkenerlebnisse aus, welche Dimensionen haben
204 J. Meurer und S. Hirschsteiner

Abb. 13.3 TUI Programm


„Unverwechselbare
Reiseerlebnisse“. (Quelle: TUI
Deutschland)

Luxusmarkenerlebnisse? Antworten auf diese Fragen bilden dann wiederum die Basis für
die Begründung eines systematischen Managementansatzes.

13.1.2 Begriffsdefinition und Erlebnisdimensionen als Basis für einen


Managementansatz

1999 veröffentlichten B. Joseph Pine und James H. Gilmore das Buch The Experience Econo-
my. Sie gelten damit als Begründer einer Disziplin, die in der Folge von Agrar-, Industrie-
und Service-Ökonomie die Experience Economy als weitere gesellschafts-ökonomische
Evolutionsstufe ansieht. [2] Pine und Gilmore argumentieren, dass Unternehmen für ihre
Kunden erinnerbare Erlebnisse inszenieren müssen; am Ende werde die Erinnerung, das
Erlebnis mit der Marke zum eigentlich Produkt. Erinnerung und Erlebnis begründen wie-
derum den Mehrwert, den Added Value, den ein Unternehmen gegenüber undifferenzierten
Commodities realisieren kann.
Wenngleich als ökonomische Theorie mit vielfältigen Management-Implikationen be-
gründet, ist die betriebswirtschaftliche Auseinandersetzung mit der Experience Economy
bislang eher dürftig ausgefallen, die Anzahl von Autoren und Quellen ist überschau-
bar. Andererseits haben Unternehmen verschiedenster Branchen den Erlebnis-Gedanken
aufgegriffen und im Rahmen ihres Brand Management verwendet. TUI als größter euro-
päischer Reiseveranstalter begründete 2009 eine Erlebnis-Initiative und erklärte die Schaf-
fung außergewöhnlicher Reise- (und Marken-)erlebnisse zum Unternehmensprogramm
(Abb. 13.3).
War die allgemeine Auseinandersetzung mit dem Brand Experience-Phänomen eher
dürftig, so gilt dies ganz besonders für diejenige Kategorie von Services und Produkten,
die am stärksten erlebnisorientiert funktioniert: Luxusmarken. Aus einer Gesamtschau der
Luxusveröffentlichungen der letzten Jahre (vgl. Beitrag Quo Vadis globale Luxusmarkenfüh-
rung in Kap. 1 dieses Buches) wird deutlich, dass die Einflüsse der Experience Economy für
Luxushersteller mehr als überschaubar sind. Die Suche nach einer regen Diskussion zum
Thema Luxury Experience Management verläuft weitestgehend ergebnislos.
13 The Art of Luxury Experience 205

Diese Situation zum Thema Luxusmarkenerlebnisse vor Augen soll im Weiteren ein
Erlebnis-Begriff verwendet werden, der sog. „unverwechselbare Kundenerlebnisse“ ins
Zentrum der Betrachtung rückt. „Unverwechselbar“, weil Markendifferenzierung ange-
strebt wird, „Kundenerlebnisse“, weil das Erlebnis zwingend aus Kundensicht entsteht und
subjektiv wahrgenommen wird. Jedes Markenerlebnis entsteht beim Kunden und soll damit
definitorisch als Kundenerlebnis verstanden werden. Kundenerlebnisse sollen demnach mit
folgender Bedeutung – hier exemplarisch heruntergebrochen auf die Touristik – verwendet
werden:
„Unverwechselbare Kundenerlebnisse“ bedeutet, dass Kunden entlang der touristischen
Wertkette an den für sie wichtigen Kontaktpunkten das touristische Produkt, den Ser-
vice, die Ansprache durch das Unternehmen und seine Mitarbeiter konsistent und ggü.
relevanten Wettbewerbsmarken klar differenziert und besser erleben.
Dieses Verständnis setzt voraus, dass z. B. der Hoteleinkauf, die Ausgestaltung der online-
Portale, die Ansprache im stationären Vertrieb oder auch die Betreuung in Kundenservice
oder Beschwerdemanagement i. S. der definierten Markenwerte und des formulierten
Leistungsversprechens erfolgen – und zwar sofern es sich aus um Kundensicht wichtige
Teile der Wertschöpfungskette handelt.
In diesem Sinne liegt dann eine (wirtschaftlich sinnvolle) 360 Grad-Konsistenz der
Markenumsetzung aus Kundensicht vor.“
Etwas anders argumentiert Kilian, der in Anlehnung an Florack/Scarabis/Primosch [3]
Markenerlebnisse (nicht Kundenerlebnisse!) definiert als: „Erlebnisse, die mit einer oder
mehreren Marken unzertrennlich verbunden sind.“ Dabei lassen sich zwei Entstehungspfa-
de unterscheiden: „Entweder die Marke wird zum Erlebnis oder das Erlebnis zur Marke“.
Grundsätzlich nehmen Markenerlebnisse eine Zwischenstellung zwischen innen- und au-
ßenorientiertem Nutzen, zwischen Prestige und Erlebnis ein. Dabei kommt der Marke die
Rolle eines „Garanten“ zu, der so weit als möglich positiv empfundene Erlebnisse sicherstellt
und damit das negative Erlebnisrisiko minimiert. [4]
Dieser Definition fehlt unseres Erachtens eine für die Ableitung eines Markenmanage-
ment wichtige weitere Systematisierung und Strukturierung des Erlebnisbegriffs. Eine sol-
che Systematisierung und Strukturierung liefert aber der oben definierte und im folgenden
verwendete Erlebnisbegriff, denn dieser steht auf einem Fundament mit drei Säulen: Prozess-
orientierung, Markenorientierung und ganzheitliche, 360 Grad-Umsetzungsorientierung.
Prozessorientierung bedeutet, dass Erlebnisse sich zwingend entlang der spezifischen
Wertkette eines Unternehmens (bzw. seiner Produkte/Dienstleistungen) bzw. der damit
einhergehenden Kundenkontaktpunkte abspielen. Der After Sales-Bereich ist ein wichtiger,
gleichfalls oft vernachlässigter Teil der Wertkette eines Luxuswagenherstellers. Der Kunden-
kontaktpunkt „Fahrzeugabgabe“ ist wiederum ein wichtiger Kontaktpunkt innerhalb des
After Sales-Bereichs der Wertkette. Es braucht nicht viel Phantasie, um zu ermessen, dass
die Fahrzeugabgabe eines Fahrzeugs im Wert von 150.000 € für Service oder Reparatur viel
Potenzial enthält, einem Kunden ein exquisites Serviceerlebnis zu vermitteln – oder auch
das genaue Gegenteil.
206 J. Meurer und S. Hirschsteiner

Von oben herab

Alle anderen Ich bin ein


müssen warten VIP
Treppe ist für Stewardess
alle sichtbar ist Bodyguard

Ich will immer „Ein Gefühl Ich kann nicht


eine Extrawurst von Achtung und Stolz überkommt mich, ausrutschen
wenn ich vor anderen die Treppe der
First Class heruntersteige“
Dr. HON‘s persönlicher Moment
Moment des
Aussteigens

Abb. 13.4 Bestandteile eines Markenerlebnisses am Beispiel Lufthansa. (Quelle: KEYLENS


Management Consultants)

Markenorientierung bedeutet, dass Erlebnisse immer im Zusammenhang mit Marken-


werten und Leistungsversprechen einer Marke verstanden und definiert werden müssen.
„Gute“ unverwechselbare Kundenerlebnisse zahlen so verstanden immer auf das Marken-
konto ein, d. h. sie übersetzen Markenwerte und Leistungsversprechen in konkretes Erleben.
Die Perfektion einer Marke Lufthansa bis ins Detail findet ihre Entsprechung im synchro-
nen, diskreten Versperren der Kabinen-Ausgänge für das De-boarding der First Class. Und
die Freude am Fahren der Marke BMW findet ihre Übersetzung in der überwältigenden
Inszenierung der Fahrzeugübergabe als „der schönste Tag in ihrer Welt“:
360 Grad-Umsetzungsorientierung schließlich formuliert den Anspruch, dass unver-
wechselbare Markenerlebnisse ganzheitlich formuliert und umgesetzt sein sollten, d. h. alle
Kundenkontaktpunkte umfassen sollte. Da diese Zielformulierung in einem natürlichen
Konflikt zur Wirtschaftlichkeit steht – Markeninszenierung kostet Geld, ohne dass der Re-
turn z. B. in Form höherer Preisbereitschaft oder Loyalität direkt messbar wäre – bedarf es in
der Regel einer Priorisierung der aus Kunden- bzw. Markensicht wichtigsten Kundenkon-
taktpunkte. Diese werden dann vorrangig in Sachen unverwechselbarer Markenerlebnisse
inszeniert.
Um den Schritt vom Verständnis eines Markenerlebnisses hin zu einem systematischen
Erlebnismanagement zu tun, ist es weiterhin erforderlich, die Dimensionen von Erlebnissen
zu verstehen. Hierzu ist in Abb. 13.4 exemplarisch das zu Beginn dieses Beitrags dargestellte
Lufthansa-First Class Markenerlebnis in seine Bestandteile zerlegt. Unterzieht man diese
Bestandteile einer weiteren Analyse, so wird deutlich, dass sich diese in drei Gruppen
zusammenfassen lassen, die als sog. Erlebnisdimensionen bezeichnet werden.
13 The Art of Luxury Experience 207

1. Die Ausstattungsqualität/Hard Facts


2. Die Prozessqualität/Erlebnissequenzen
3. Die Definition des gewünschten Erlebnisses/Erinnerung

Letztlich setzen sich Erlebnisse aus allen drei Komponenten zusammen: der Hardware (=
Bühne), der Erlebnissequenz (= Handlung) und der daraus entstehenden Inszenierung als
Erinnerung im Kopf des Kunden.

13.2 Customer Experience Management als Ansatz zur


systematischen Planung, Steuerung und Kontrolle von
Luxusmarkenerlebnissen

13.2.1 Grundlagen des Customer Experience Management

Mit der Systematisierung von Markenerlebnissen anhand ihrer drei konstituierenden Di-
mensionen ist die Grundlage für ein systematisches Erlebnis-Management geschaffen. Ein
solches systematisches Management von Markenerlebnissen soll als Customer Experience
Management bezeichnet werden.

13.2.1.1 Definition CEM


Customer Experience Management umfasst als konstituierende Begriffselemente die Cu-
stomer Experience (mit der Marke) und den Management-Begriff. Dies vor Augen soll
Customer Experience Management (CEM) verstanden werden als: „Die systematische
Sicherstellung eines einzigartigen Kauf- und Besitzerlebnisses (-> Kundenbegeisterung)
durch eine konsistente Customer Journey mit markenadäquat ausgestalteten und aufein-
ander abgestimmten Kontaktpunkten. Systematische Sicherstellung erfordert die Planung,
Umsetzung, Steuerung und Kontrolle von Kundenerlebnissen als möglichst geschlossener
Managementprozess.“[6]

13.2.1.2 Prozess des CEM für Luxusmarken


Abbildung 13.5 führt die bisherigen Ergebnisse zusammen und zeigt Customer Experience
Management in den beiden Dimensionen Management-Prozess (linke Prozessdarstellung)
und Erlebnisdimensionen (rechter Kasten).
Dabei wird deutlich, dass der CEM-Prozess drei Phasen umfasst: eine erste analytisch-
empirische, eine zweite kreative und schließlich eine dritte „produktions-wirtschaftliche“,
die die Umsetzung in die Wertschöpfungskette (bzw. aus Kundensicht Customer Journey),
Steuerung und Kontrolle von Kundenerlebnissen umfasst.
Dieser CEM-Prozess sieht grundsätzlich für Luxusmarken nicht anders aus als für klas-
sische Markenartikel. Was die Luxusmarke besonders macht, ist der Anspruch an das
Erlebnis, nicht der CEM-Prozess an sich. Aus dem Luxus-/Premiumcharakter der Marke,
ihrer im Preis ausgedrückten Einzigartigkeit und Begehrlichkeit entstehen höchste Anfor-
derungen an die Ausgestaltung der Kundenkontaktpunkte während der Customer Journey:
208 J. Meurer und S. Hirschsteiner

Markenerlebnisse Erlebnis-Inszenierung
‚manageable‘ machen verstehen und nutzen

I. Definition relevanter
Analytisch

Marken-/Kundensegmemte
empirisch

I. Definition von
Ausstattungsqualität (= Hard Facts)
II. Auswahl entscheidender
Erlebnistreiber
II. Definition von Prozess-
III. Schaffung/Bestimmung qualität (= Erlebnissequenzen)
relevanter Kontaktpunkte
Prozesss
Kreativer

III. Definition des gewϋnschten


IV. Definition des

Black
Box
Erlebnisversprechens Ergebnisses (= Erinnerung)

Inszenierungsqualität
V. Schaffung unverwechselbarer
Erlebnisqualitäten
Prozess
Produk-

VI. Übersetzung in die


tions-

Wertschöpfungskette

Abb. 13.5 Prozess des Customer Experience Management. (Quelle: KEYLENS Management
Consultants)

Leistungsträger Leistungsintegratoren Leistungsvermittler

Abb. 13.6 Produktionslogik Touristik. (Quelle: KEYLENS Management Consultants)

Wer einen Jaguar kauft, möchte auch ein Jaguar After-Sales Marken- und Kundenerlebnis
erfahren! Dies ist der besondere Anspruch eines Customer Experience Management für
Luxusmarken!
Was dies konkret bedeutet, sei im Folgenden an zwei konkreten Beispiele erläutert.

13.2.2 Praxisbeispiele

13.2.2.1 Customer Experience Management im Bereich Luxusreisen


Besondere Herausforderungen an das Customer Experience Management eines
Luxusreiseveranstalters
Auch für das CEM in der Luxusreisebranche besteht zunächst die grundsätzliche Not-
wendigkeit, durch auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtete und perfekt aufeinander
abgestimmte Kontaktpunkte mit der Marke ein unverwechselbares und begeisterndes
Kundenerlebnis zu vermitteln (Abb. 13.6).
13 The Art of Luxury Experience 209

Darüber hinaus stellen sich einem Veranstalter von Luxusreisen als sog. ,Leistungs-
integrator‘ jedoch zwei weitere zentrale Herausforderungen, um die oben genannte
360 Grad-Konsistenz der Markenumsetzung aus Kundensicht zu realisieren:
Einerseits wird das eigentliche Endprodukt – die Reise – nicht durch den Veranstalter
selbst erbracht, sondern beruht auf dem Zusammenspiel verschiedenster sog. ,Leistungs-
träger‘ – Fluggesellschaften, Hoteliers etc. – die nicht im direkten Zugriff des Veranstalters
liegen, aus Kundensicht jedoch zu dessen relevanter Customer Journey gehören.
Andererseits sind die Leistungsvermittler – sprich die Reisebüros – nicht nur völlig
eigenständige Unternehmer und auch meistenteils nicht exklusiver PoS für eine Marke,
sondern Verkaufspunkt für die Angebote verschiedenster Anbieter. Damit werden auch die
Reisebüros zu einem Teil der Kundenkontaktkette, der vom Veranstalter auch nur bedingt
zu kontrollieren ist. Darüber hinaus müssen die Reisebüros gleichzeitig ebenfalls als Kunden
betrachtet werden, um deren Präferenz es zu kämpfen gilt wie um die der Endkunden auch.
Damit beinhaltet die Sicherstellung des Markenerlebnisses im Bereich der Luxusreisen
noch zusätzliche Komplexität, der ein Veranstalter nur mit einer entsprechend holistischen
Herangehensweise an das CEM gerecht werden kann.

a) Kundenerwartungen als Maßstab für erfolgreiches Customer Experience Manage-


ment

Trotz dieser zusätzlichen relevanten Dimensionen müssen selbstverständlich auch in der


Luxusreisebranche die Bedürfnisse und Erwartungen der (potenziellen) Kunden am An-
fang aller Überlegungen stehen und die Grundlage für die fokussierte Ausrichtung des
Markenerlebnisses an allen Kontaktpunkten darstellen.
Der Anbieter von Luxusreisen hatte auf Basis der SIGMA Milieus eine auf die sog. ,Social
Climber‘ ausgerichtete Positionierung entwickelt. Für dieses aufstiegsorientierte Milieu hat
SIGMA empirisch validierte Luxusreisebedürfnisse beschrieben1 [1], die sehr konkrete
Hinweise für die Ausgestaltung einzelner Kontaktpunkte über die gesamte touristische
Wertschöpfungskette lieferten (Abb. 13.7).

Symbols of Superiority: Das Streben nach ,Macht und Überlegenheit‘ schlug sich in einer
teilweise betonten Limitierung des Zugangs zu bestimmten Reisen durch stark beschränkte
Kapazitäten oder sogar durch Verteilungs-/Bewerbungsverfahren nieder. Sehr wichtig wa-
ren zudem die klar für Außenstehende erkennbaren Zeichen des (finanziellen) Levels, auf
dem hier konsumiert wird, sei es die Abholung zum Limousinen-Transfer direkt am Gate,
oder sei es auch nur der richtige, weil für jeden anderen zuordenbare Kofferanhänger.

1
Vgl. C. Ascheberg, These 3: Markenführung ist Vision, nicht Blick in den Rückspiegel, S. 97 ff.
in: Keuper, Kindervater, Dertinger, Heim, Das Diktat der Markenführung, 2009 sowie den Beitrag
„The luxuryuniverse – Angebots- und Kundensegmentierung globaler Luxusmärkte als Basis für
erfolgreiche Positionierungsstrategien“ von Ascheberg, Meurer, Oesterling in Kap. 3 dieses Buches.
210 J. Meurer und S. Hirschsteiner

Ausdruck von Macht und Überlegenheit


Überlegene
Leistung

Symbols of
Superiority
Bewundert werden

Bekannte Top-Marken

Abb. 13.7 Moodboard Symbols of Superiority. (Quelle: SIGMA von Macht und Überlegenheit)

6 Star Lifestyle: Um dem Anspruch an einen echten Luxus-Lifestyle gerecht werden


zu können wurde nicht nur ein Fokus des Produktportfolios des Veranstalters auf eher
überschwänglichen, demonstrativen Luxus gelegt (wie z. B. 25.000 € p. P. für Wein-
Kreuzfahrten an der französischen Riviera). Der First-Class-Anspruch prägte auch ein
völlig neues Katalogverständnis, in dem aus den weitverbreiteten ,Immobilienkatalogen‘
echte Coffeetable-Books wurden, die nicht nur zur Auswahl von Reisen, sondern durchaus
auch als das Selbstverständnis der Reisekunden ausdrückende Dekorationselemente für das
Wohnzimmer geeignet sind.

Signs of Perfection: Um aus Sicht dieser Kunden perfekt zu sein war die Durchgängigkeit
der Betreuung über alle relevante Phasen hinweg – vor, während und nach der Reise (so-
weit gewünscht bis hin zu ,One face to the customer‘) absolut entscheidend. Die Leistungen
mussten maximal individualisiert werden, z. B. durch flexible Buchungssysteme (mit „geht
nicht gibt’s nicht“-Anspruch). Aber auch die Flexibilisierung aller Abläufe, z. B. bei Ände-
rung der Reisepläne noch während der Reise oder bei einer Beschwerde sollte dem Kunden
stets das unaufgeregte Gefühl eines „24/7 Concierge-Service“ gegeben werden.

Visible Trend Competence: Um für die potenziellen Kunden sichtbar Up-to-Date zu sein,
bedurfte es nicht nur der Überarbeitung der Web-Präsenz, für die die Social Climber abso-
lute technische Fortschrittlichkeit wie selbstverständlich voraussetzen. Noch wichtiger war
das Anreichern des Produktprogramms um Reisen, die eher dem ,Neuen Luxus‘ zuzuord-
nen sind. Denn auch wenn ein Social Climber nie ,Orangutan-Watching in Borneo‘ für
13 The Art of Luxury Experience 211

sich in Betracht ziehen würde, so gibt ihm die Tatsache, dass ,sein Reiseveranstalter‘ diese
Möglichkeit anbietet das gute Gefühl, immer den Zugriff auf das absolut Neueste auf dem
Markt zu haben.
Mit solchen, präzise auf die Kundenerwartungen ausgerichteten Kontaktpunkten war
es dem Veranstalter bereits in einem ersten Schritt gelungen, die Voraussetzungen für
ein homogenes, perfekt auf die Markenpositionierung abgestimmtes Markenerlebnis zu
gewährleisten. Um jedoch über die gesamte Kontaktpunktekette hinweg die Potenziale zur
Kundenbegeisterung und damit letztendlich auch zur Differenzierung vom Wettbewerb
nutzen zu können, musste auch die Ausgestaltung der zwei angrenzenden Phasen des
Kundeprozesses betrachtet werden.

b) Die Ausgestaltung der Leistungserbringung

Motiviert von der Tatsache, dass die eigentliche Reiseleistung nicht unmittelbar verantwor-
tet, aber durchaus aus Kundensicht zu dessen Kundenkontaktkette gezählt wird, wurden
von dem Reiseveranstalter verschiedenste Ansätze entwickelt, auch diesen Teil der Wert-
schöpfungskette maximal auf die genannten Kundenerwartungen auszurichten und für
sein Markenerlebnis zu nutzen.

Auswahl der angebotenen Objekte: Um über die Zusammensetzung des Programms hin-
aus auf Ebene des einzelnen Hotels, oder sogar des einzelnen Zimmers, zielgerichtet die
Anforderungen der Zielgruppe berücksichtigen zu können, wurde ein Kriterienkatalog
entwickelt, anhand dessen ein Einkäufer Lage, Zimmer, Einrichtung oder auch den Service
eines Hotels präzise mit den Kundenpräferenzen abgleichen kann.

Exklusivität von Angeboten: Um das Gefühl der Kunden, ,etwas Besonderes‘ zu sein auch
auf der Reise aufrecht erhalten zu können, machte es sich der Veranstalter zum Ziel, den
Anteil an Angeboten zu maximieren, die exklusiv nur durch ihn zu buchen sind, wie z. B.
die beste Zimmerkategorie eines Hauses.

Mehrwerte vor Ort: Als weitere Möglichkeit, die Kontaktpunkte während der Reise aus
Sicht des Veranstalters zu optimieren, wurden Mehrwerte mit den Hoteliers vereinbart,
die ebenfalls exklusiv mit der Buchung durch diesen Veranstalter verbunden waren, wie
z. B. kostenlose Spa-Treatments. Durch diese kleinen Aufmerksamkeiten konnte der Ver-
anstalter seine eigene Leistung vor Ort erlebbar machen. Wenn es gelang, mit den Hoteliers
zu vereinbaren, dass diese Mehrwerte unmittelbar als Veranstalterleistung gekennzeichnet
wurden (z. B. mit einer entsprechend gebrandeten Einladungskarte) war der Durchgriff
auf das Kundenerlebnis während der Reise perfekt.

c) Die Ausgestaltung der Leistungsvermittlung

Um die Phase der Beratung und Buchung nicht nur zu optimieren, sondern auch maximal
im Interesse des Veranstalters zu steuern, wurden verschiedene CEM-relevante Aktivitäten
212 J. Meurer und S. Hirschsteiner

unternommen, die der Endkunde zwar zum Teil nicht direkt wahrnimmt, die für die
Gestaltung der Customer Journey aus Veranstaltersicht jedoch essentiell waren.

1. Konzentration des Reisebüronetzes: Passend zum Exklusivitätsanspruch der Marke


war es durchaus gangbar, die Anzahl an Reisebüros, in denen dieser Luxusreise-
veranstalter gebucht werden konnte, stark zu reduzieren. Abgesehen vom positiven
Nebeneffekt einer gesteigerten luxuriösen Wahrnehmung auf Kundenseite (,nicht für
jedermann‘), ergab sich dadurch erst die Möglichkeit einer deutlich intensiveren Be-
treuung, Qualifizierung und Loyalisierung der verbliebenen Reisebüros bzw. deren
Mitarbeiter.
2. Intensivierung der Betreuung: Da wie erwähnt auch Reisebüros als Kunden der Ver-
anstalter betrachtet werden müssen, ist es gerade im Luxussegment im Sinne eines
professionellen CEM unausweichlich, auch der Befriedigung der Bedürfnisse der ein-
zelnen Berater im Reisebüro besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu wurde für
die Betreuung der Reisebüros eine „Travel Advisor“-Organisation aufgebaut: Neben
einem hochqualifizierten Außendienst (Typ First-Class-Flugbegleiter) stand den Reise-
büros nun ein 24/7-Call-Center zur Verfügung, welches bei Beratung, Buchung oder
auch Troubleshooting zur Seite stand.

So wurden die Reisebüros nicht nur bei der Befriedigung der sehr hohen Ansprüche der
Luxusreisekunden im Sinne des Veranstalters unterstützt. Vielmehr wurde den Reise-
büros – ähnlich der Endkundenzielgruppe – das Gefühl vermittelt, zu einer besonderen
Gruppe zu gehören und dadurch auch in den Genuss einer ganz besonderen Betreuung
zu kommen.

13.2.2.2 Customer Experience Management für Premium-


und Luxusfahrzeuge
Als Dr. HON nach einem langen und harten Arbeitstag nach Hause kommt, findet er
einen Brief mit einem wertig anmutenden Umschlag von seinem Autohaus im Briefkasten.
Das Autohaus eines Premiumherstellers möchte Herrn Dr. HON als langjährigen treuen
Kunden zu einer Probefahrt des kürzlich erschienenen Cabrios einladen. Wohlwollend
bemerkt er die individuelle Anrede sowie die mit Füller persönliche Unterschrift seines
Verkäufers Herrn Peters. Da Dr. HONs Leasingvertrag in einem halben Jahr ausläuft, nimmt
er dieses Angebot freudig an und vereinbart telefonisch für das kommende Wochenende
einen Termin für die Probefahrt.
Am Autohaus angekommen betritt Herr Dr. HON die Räumlichkeiten und wird sofort
von seinem Verkäufer Herrn Peters per Handschlag begrüßt. Auf dem Weg zu seinem Büro
erkundigt sich Herr Peters nach dem Befinden von Frau und Kindern und bietet Herrn
Dr. HON einen frisch gebrühten Espresso an. Dank der perfekten Vorbereitung durch
Herrn Peters, sind die administrativen Arbeiten in kürzester Zeit erledigt und Herr Peters
begleitet den ungeduldigen Herrn Dr. HON zu dem neuen Cabrio, das an diesem sonnigen
und warmen Tag bereits mit offenem Verdeck bereit steht. Herr Peters öffnet die Fahrertür,
13 The Art of Luxury Experience 213

überreicht den Fahrzeugschlüssel, gibt dem technikverliebten Herrn Dr. HON noch ein
paar technische Details über PS, Zylinder und Beschleunigungswerte mit auf dem Weg und
wünscht ihm eine angenehme und sichere Probefahrt.
Herr Dr. HON ist überrascht darüber, dass Herr Peters sich scheinbar noch an seinen
Lieblingsradiosender erinnert und diesen bereits eingestellt hat. Viel mehr begeistert Herrn
Dr. HON jedoch die von Herrn Peters im Vorfeld erwähnte, im Navigationssystem einpro-
grammierte Testroute, die ihn sowohl über die Autobahn als auch auf der Landstraße um
den Starnberger See führt. Auf dieser Route hat Herr Dr. HON die Möglichkeit einerseits
verschiedenste Fahrsituationen des neuen Cabrios optimal auszutesten und andererseits
die malerische Landschaft zu genießen.
Nach einer erlebnisreichen Tour fährt Herr Dr. HON wieder bei dem Autohaus vor und
übergibt Herrn Peters den Fahrzeugschlüssel. Herr Dr. HON berichtet begeistert über die
verbesserten Fahreigenschaften des Autos und bedankt sich für die rundum perfekte Orga-
nisation. Abschließend verabreden sich beide Herren noch für einen weiteren Termin, um
sich über einen potenziellen neuen Leasingvertrag für dieses neue Cabrio zu unterhalten.
Eine derartig perfekt inszenierte Probefahrt ist kein Zufall, sondern das Ergebnis ei-
nes systematisch geplanten und umgesetzten Customer Experience Managements das auf
der einen Seite im Sinne der Kundenwünsche ein einzigartiges Kauf- und Besitzerleb-
nis an jedem einzelnen Kontaktpunkt sicherstellen soll, auf der anderen Seite aber auch
gewährleisten muss, dass die einzelnen Kontaktpunkte zu einer konsistenten Customer
Journey verwoben sind und in der richtigen Reihenfolge zur richtigen Zeit von den Kunden
erlebt werden. Um dies bei den rund 200 potenziellen Kontaktpunkten eines Premium-
Automobilherstellers umzusetzen, müssen eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen,
bzw. Prozessschritte durchlaufen werden. In dem vorliegenden praxisorientierten Artikel
wird der Umgang mit diesen Voraussetzungen bzw. Prozessschritten anhand verschiede-
ner Premium-Automobilhersteller betrachtet, wobei die beschriebenen Ansätze sehr gut
auch auf andere Industrien im Bereich der Konsumgüter oder teilweise sogar auch auf
Investitionsgüter übertragbar sind.

1. Identifikation Kontaktpunkte und Customer Journey


Die erste grundlegende Voraussetzung, um für seine Kunden an allen Kontaktpunkten
ein einzigartiges Kauf- und Besitzerlebnis schaffen zu können, ist zunächst das Wissen dar-
über, welche Kontaktpunkte der Kunde im Laufe seines Lebenszyklus zu welchem Zeitpunkt
durchläuft. Aus diesen beiden Informationsteilen, erstens welche Kontaktpunkte werden
erlebt und zweitens wann werden diese Kontaktpunkte erlebt, kann dann die aktuelle Cu-
stomer Journey identifiziert werden, welche die erlebten Kontaktpunkte in chronologischer
Reihenfolge im Laufe eines Kundenlebenszyklus widerspiegelt.
Um diese Grundlagen zu schaffen, führten die hier betrachteten Premium-
Automobilhersteller eine umfassende Status Quo-Analyse durch, in der mittels interner
Expertenbefragungen, Dokumentenanalysen und teilweise auch Mystery Shopping zu-
nächst alle Kontaktpunkte, welche die Kunden potenziell mit der Marke erleben können,
identifiziert wurden. Für die spätere Optimierung der Kontaktpunkte in Sinne eines
214 J. Meurer und S. Hirschsteiner

begeisternden Kauf- und Besitzerlebnisses wurden alle auf diesem Wege identifizierten
Kontaktpunkte darüber hinaus systematisch anhand einer Reihe von Kriterien wie z. B.
inhaltliche Beschreibung des Kontaktpunktes, Einordnung in die relevante(n) Phase(n)
des Kundenlebenszyklus, betroffene Kundensegmente, Kontaktkanal (z. B. Face-to-
Face und Nicht Face-to-Face Kontakte), Kontaktpunktverantwortlicher etc. erfasst und
dokumentiert.

2. Definition einzigartiges Kauf- und Besitzerlebnis


Das Schaffen eines einzigartigen Kauf- und Besitzerlebnisses setzt zunächst dessen grund-
legende Definition voraus. Da der Kunde und das von ihm wahrgenommene Erlebnis im
Mittelpunkt des Customer Experience Management Ansatzes stehen, sind es auch seine
Erwartungen, die auf Basis einer externen Befragung ermittelt werden und als zentrale
Zielgröße in dem umzusetzenden Konzept integriert werden müssen. Aufgrund der un-
terschiedlichsten Kundenerwartungen gibt es weder industrieübergreifend noch innerhalb
der Automobilindustrie eine allgemein gültige Definition des einzigartigen Kauf- und Be-
sitzerlebnisses. Vielmehr steht diese in direktem Zusammenhang mit der Zielgruppe und
den Markenwerten des einzelnen Herstellers. Die Erfahrung hat gezeigt, dass bestimm-
te Elemente wie „Persönlichkeit“, „Exklusivität“ oder „Fokus auf Details“ vor allem im
Premium- und Luxusbereich immer wieder auftauchen.
Wenig überraschend ist, dass die Dimension „Persönlichkeit“ von der Bedeutung her als
zentrales Element in der Definition eines einzigartigen Kauf- und Besitzerlebnisses bei allen
betrachteten Premium-Automobilherstellern verankert ist. Insbesondere bei Premiumpro-
dukten legen Kunden sehr viel Wert darauf, dass jeder Kontakt im Idealfall personalisiert
ist, mindestens jedoch eine persönliche Note aufweist. Premium und Luxus implizieren die
Individualität der Leistung per Definition und so tragen die Premium-Automobilhersteller
der Umsetzung der Dimension „Persönlichkeit“ beispielsweise dadurch Rechnung, dass ein
bestehender Kunde von seinem Verkäufer immer direkt mit Namen angesprochen wird,
wenn dieser das Autohaus betritt. Bei einem Briefkontakt erfolgt die Ansprache ausnahms-
los individuell mit Namen und gegebenenfalls Titel (z. B. „Sehr geehrter Herr Dr. HON“).
Massensendungen mit der pauschalen Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ sollen
nicht verwendet werden.
„Exklusivität“, der Anspruch nach etwas Einzigartigem oder Besonderem ist eine Dimen-
sion, auf die der Premium-Automobilhersteller B neben der Dimension „Persönlichkeit“
sehr großen Wert legt, um bei seinen Kunden das einzigartige Kauf- und Besitzerlebnis im
Sinne seiner Markenwerte zu erzeugen. Die „Exklusivität“ beginnt bereits bei dem verwen-
deten hochwertigen Papier mit Firmennamen in Reliefdruck in jeglicher Briefkommunika-
tion. Auch die Nutzung von Briefmarken im Gegensatz zu Frankiermaschinen, die immer
einen Beigeschmack von Massenware haben, unterstützt den exklusiven Anspruch. „Exklu-
sivität“ bedeutet aber auch ein stilvolles und dem Premiumanspruch der Marke angepasstes
Erscheinungsbild sowie Benehmen des Verkaufsmitarbeiters im Autohaus oder die bewuss-
te Limitierung des Personenkreises, die zu der Vorpremiere eines neuen Fahrzeugmodells
eingeladen werden.
13 The Art of Luxury Experience 215

Für den Premium-Automobilhersteller C wiederum steht die Dimension „Fokus auf


Details“ neben der Dimension „Persönlichkeit“ im Zentrum eines einzigartigen Kauf-
und Besitzerlebnis. „Fokus auf Details“ bedeutet für diesen Hersteller beispielsweise, dass
Fahrer- und Beifahrersitz sowie Rück- und Außenspiegel nach einer Reparatur oder einem
Service-Check wieder in die vom Besitzer eingestellte Position gebracht werden. Auch die
Wiedereinstellung des ursprünglichen gewählten Radiosenders und Temperatur oder eine
kleine Schachtel mit den Lieblingspralinen in der Ablage nach dem Werkstattbesuch fallen
in diese Kategorie.
Diese beispielhaft skizzierten Dimensionen „Persönlichkeit“, „Exklusivität“ oder „Fokus
auf Details“ wurden bei den betrachteten Premium-Automobilherstellern zunächst auf
einer übergeordneten Ebene ohne einen Bezug zum Kontaktpunkt definiert, um sie später
segment- und kontaktpunktspezifisch weiter zu detaillieren.

3. Definition Kundensegmente
Wie bereits dargestellt, ist ein einzigartiges Kauf- und Besitzerlebnis stark vom Kunden
und seinen Bedürfnissen abhängig, weshalb zwangsläufig eine Ausrichtung an Kun-
dengruppen in Betracht gezogen werden muss. Leider gibt es auch bei dem Thema
Kundensegmentierung, wie bei der Definition der Dimensionen eines einzigartigen Kauf-
und Besitzerlebnisses keine pauschal gültige Lösung. Eine naheliegende und von einigen
Premium-Automobilherstellern angewandte Segmentierung ist die Einteilung auf erster
Ebene zunächst in Neu- und Bestandskunden, um dann auf der zweiten Ebene nach
Baureihen/Modelle zu segmentieren.
Die Unterteilung zwischen Neu- und Bestandskunden ist zwar eine sehr einfache, im Be-
reich des Customer Experience Managements bei Premium-Automobilhersteller aber eine
sehr wichtige Segmentierungsdimension, die mit den deutlich unterschiedlichen Kunden-
bedürfnissen begründet werden kann. Neukunden eines Premium- oder Luxusfahrzeuges
wollen zunächst einmal in die für sie nun neue Marke eintauchen und diese in all ihren
Facetten erleben. So bekommt der Neukunde eines Premium-Automobilherstellers z. B.
mit der Auslieferung des Fahrzeugs zahlreiche zusätzliche Informationen zu Markenwer-
ten, Historie, Produktvielfalt etc., die ein Bestandskunde beim Kauf seines zweiten oder
dritten Fahrzeuges nicht mehr bekommt und die ihn auch nicht mehr interessieren. Be-
standskunden hingegen bekommen viel spezifischere und auf ihre Interessen ausgerichtete
Informationen.
Eine weitere zielführende Segmentierung kann darüber hinaus nach dem Modell
(z. B. SUV, Cabrio, Limousine etc.) erfolgen. Da unterschiedliche Fahrzeugmodelle ganz
unterschiedliche Kundentypen mit anders gelagerten Bedürfnissen ansprechen, muss auch
ein einzigartiges Kauf- und Besitzerlebnis entsprechend variabel ausgestaltet werden. So
werden Kunden eines SUV primär zu Off-Road-Veranstaltungen eingeladen, während
den Besitzern eines Cabrios eher eine gemeinschaftliche, landschaftlich ansprechende
Spazierfahrt angeboten wird.
216 J. Meurer und S. Hirschsteiner

4. Management Customer Journey


Neben der Definition der Dimensionen eines einzigartigen Kauf- und Besitzerlebnisses und
der Kundensegmente, ist das richtige Management der Customer Journey von entschei-
dender Bedeutung. Eine Facette dieses Prozesses beinhaltet die genaue Planung darüber,
welches Kundensegment zu welchem Zeitpunkt welchen Kontaktpunkt erleben soll. Hier-
zu werden alle seitens des Premium-Automobilherstellers planbaren Kontaktpunkte, d. h.
Kontakte die er selbst aktiv ansteuern kann, innerhalb des Kundenlebenszyklus so verortet,
dass es einerseits zu einer relativ gleichmäßigen Kommunikation mit dem Kunden kommt
und andererseits bestimmte Kontaktpunkte zum ergebnisoptimalen Zeitpunkt eingesetzt
werden.
Anhand eines Beispiels ausgewählter planbarer Kontaktpunkte eines Premium-
Automobilherstellers kann dieses Management der Customer Journey sehr anschaulich
beschrieben werden.
Herr Dr. HON kauft sich das erste Mal ein SUV der Marke A und freut sich über die
unmittelbare Zustellung eines umfänglichen Willkommenspaketes, das ihn als neuen Kun-
den begrüßt und zahlreiche allgemeine Informationen zur Marke und zu seinem gekauften
Fahrzeug beinhaltet. Mit der Auslieferung des Fahrzeugs zwei Monate später erhält Herr
Dr. HON nun auch die ausführliche Bedienungsanleitung in einem hochwertigen Paket.
Sechs Monate nach Fahrzeugauslieferung bekommt der überraschte Herr Dr. HON einen
Anruf von seinem Verkäufer Herrn Peters, der ihn zu einer Cocktailparty mit zahlreichen
anderen Kunden ins Autohaus einlädt, um ihn in die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten zu
integrieren. Nach weiteren 17 Monaten findet Herr Dr. HON einen Brief vor, in dem die
auslaufende 24-monatige Garantie angekündigt wird, verbunden jedoch mit der Option
diese gegen einen Aufpreis um weitere 12 Monate zu verlängern. Rechtzeitig, vier Monate
vor dem Auslaufen des Leasingvertrages, wird Herr Dr. HON von seinem Verkäufer Herrn
Peters wiederum persönlich angerufen, um ihm eine Probefahrt in einem neuen Modell
anzubieten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Customer Journey Managements ist das Steuern des
optimalen Verhältnisses zwischen Verkaufs- und Beziehungskontaktpunkten. Verkaufskon-
taktpunkte sind alle Kontakte, die primär das Ziel haben, dem Kunden etwas zu verkaufen
(z. B. Werbebriefe über Fahrzeugzubehör, Informationsschreiben zu einem neuen Modell,
Beratungsgespräch im Autohaus, Probefahrt etc.), während mit Beziehungskontaktpunk-
ten in erster Linie die emotionale Bindung zwischen dem Kunden und der Marke aufgebaut
und gefestigt werden soll (z. B. gemeinsame Ausfahrten mit dem Auto, Cocktailabend, Pro-
duktionsbesichtigung, Museumsbesuch etc.). Zu Beginn der Besitzphase ist das Ziel, den
Kunden für die Marke zu begeistern und ihn emotional zu binden, während gegen Ende
der Besitzphase (z. B. mit dem Ablauf des Leasingvertrages) die oberste Maxime ist, den
Kunden als Wiederkäufer zu gewinnen. Das Customer Journey Management sorgt nun
genau dafür, dass ein Kunde zu Beginn seiner Besitzphase ein eher ausgeglichenes Verhält-
nis zwischen Verkaufs- und Beziehungskontaktpunkten erhält, während sich das Verhältnis
zum Ende der Besitzphase immer mehr in Richtung Verkaufskontaktpunkten verschiebt (s.
Abb. 13.8).
13 The Art of Luxury Experience 217

Abb. 13.8 Verhältnis Verkaufs-


und Beziehungskontaktpunkte
Verkaufskontaktpunkte
während der Besitzphase.
(Quelle: KEYLENS
Management Consultants)

Beziehungskontaktpunkte

Kauf Ablauf
Leasingvertrag

Zu dem Management der Customer Journey zählt darüber hinaus auch das Definieren
von sogenannten „Vorfahrtsregeln“ für Kontaktpunkte. Diese „Vorfahrtsregeln“ definieren,
welcher Kontaktpunkt in bestimmten Situationen Vorrang hat, wenn der Kunde gleichzeitig
mit mehreren Erlebnissen konfrontiert werden soll. So hat beispielsweise die vollständige
Klärung einer Kundenbeschwerde immer Vorrang vor einem geplanten Werbebrief.

5. Operationalisierung eines einzigartigen Kauf- und Besitzerlebnisses


Nach der Definition der Dimensionen eines einzigartigen Kauf- und Besitzerlebnis-
ses und der Kundensegmente, muss für jeden einzelnen Kontaktpunkt ein sogenannter
„CEM-Check“ durchgeführt und gegebenenfalls entsprechende Optimierungsmaßnah-
men abgeleitet werden. Als Vorbereitung für diesen „CEM-Check“ wurden bei einem
Premium-Automobilhersteller die rund 200 Kontaktpunkte auf Basis des Kontaktkanals
zu ein paar wenigen Kontaktpunkt-Clustern (z. B. Face-to-Face Kontaktpunkte, Nicht
Face-to-Face Kontaktpunkte, Social Media Kontaktpunkte etc.) zusammengefasst. Für je-
des dieser Kontaktpunkt-Cluster wurden im Rahmen des „CEM-Checks“ drei Dokumente
vorbereitet, die es den jeweiligen Kontaktpunktverantwortlichen ermöglichte, seinen Kon-
taktpunkt in Bezug auf die neu entwickelten Vorgaben für ein einzigartiges Kauf- und
Besitzerlebnis hin zu überprüfen.

a. Beschreibung einzigartiges Kauf- und Besitzerlebnis


Für jedes einzelne Kontaktpunkt-Cluster muss klar definiert werden, wie die einzelnen
Dimensionen des begeisternden Kauf- und Besitzerlebnisses umzusetzen sind. Das bedeutet
konkret am Beispiel der Dimension „Persönlichkeit“, dass bei einem Face-to-Face Kontakt
der Kunde immer mit einem Handschlag und wenn möglich auch namentlich begrüßt wird,
während bei einem schriftlichen Kontakt die persönliche Note durch eine eigenhändige
218 J. Meurer und S. Hirschsteiner

Unterschrift des Absenders, beispielsweise des entsprechenden Verkäufers, zum Tragen


kommt.

b. Idealtypische Kundengeschichten
Zusätzlich zu den beschreibenden Elementen eines einzigartigen Kauf- und Besitzerlebnis-
ses sollen plakative Kundengeschichten über den idealtypischen Verlauf eines Erlebnisses
an einem ausgewählten Kontaktpunkt pro Cluster das Verständnis über das zu erreichende
Zielszenario bei den Kontaktpunktverantwortlichen schärfen.

c. Checklisten
Kontaktpunkt-Cluster spezifische Checklisten mit Fragen und entsprechenden Beispielen
unterstützen die Kontaktpunktverantwortlichen darin, für ihre Kontaktpunkte Optimie-
rungspotenziale aufzudecken.
Bei der im Anschluss an den „CEM-Check“ notwendigen Entwicklung und Imple-
mentierung von Optimierungsmaßnahmen werden die Kontaktpunktverantwortlichen mit
einem Mix an Maßnahmen von Online Trainings über Workshops bis hin zu begleitenden
Coaching durch die für CEM verantwortliche Abteilung unterstützt.

6. Organisatorische Verankerung CEM


Das Thema Customer Experience Management kann unabhängig davon, in welchem
Unternehmen es eingeführt wird, nur dann richtig funktionieren, wenn es die volle
Aufmerksamkeit und Unterstützung des Top Managements hat, im Rahmen einer eigen-
ständigen Abteilung fest im Unternehmen verankert ist sowie Umsetzung und Erfolg durch
entsprechende Kennzahlen kontinuierlich überprüft werden.
Wo die für Customer Experience Management verantwortliche Abteilung im Un-
ternehmen aufgehängt sein soll, ist stark von den jeweiligen internen Strukturen
abhängig und kann nicht pauschal beantwortet werden. Während es bei einem Premium-
Automobilhersteller innerhalb des Vertriebsressorts optimal verortet ist, ist die CEM-
Abteilung bei dem anderen Automobilhersteller besser als eine Art Stabsstelle am
Vorstandsressort anzusiedeln. Entscheidend ist in beiden Fällen, dass eine klare Defini-
tion der Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten erfolgt sowie die CEM-Abteilung
mit ausreichend Kompetenzen ausgestattet wird, um bereichs- und gegebenenfalls
länderübergreifend agieren zu können.
Durch die Ergänzung der klassischerweise vorherrschenden Zieldimensionen „Bau-
reihen“ und „Regionen“ um die zusätzliche Dimension „Kundensegment“ kommt der
CEM-Abteilung die Rolle als strategischer Mitgestalter zu, da sie in der Lage ist, den
einzelnen Bereichen Empfehlungen oder gar Vorgaben zu geben, mit welchen Maßnah-
men die gesetzten Ziele auf Segmentebene erreicht werden können. Koppelt man diese
segmentspezifischen Ziele (z. B. gewisser Anteil an Bestandskunden bei einer bestimm-
ten Baureihe) mit einem neu zu schaffenden Index für Customer Experience (analog zu
einem Kundenzufriedenheits-Index), kann man dem Customer Experience Management
eine strategische Erfolgskontrolle gegenüber stellen.
13 The Art of Luxury Experience 219

Da die bisher vorherrschenden Kundenzufriedenheits-Indizes in der Regel nicht das er-


weiterte Verständnis des Kundenerlebnisses abdecken, besteht die Notwendigkeit für einen
Index zur standardisierten und kontinuierlichen Messung des Kundenerlebnisses. Bei unge-
wollten Veränderungen des Index lässt sich dieser auf die Kontaktpunkt-Cluster und sogar
bis zu den einzelnen Kontaktpunkten zerlegen, um so die Ursachen auf Kontaktpunktebene
zu identifizieren.
Das alles zeigt, dass hinter der eingangs beschriebenen perfekt inszenierten Probefahrt
ein sehr aufwändiger Prozess steht, der sich jedoch vor dem Hintergrund der weiteren
Forcierung des Wettbewerbs im Segment der Premium-Automobilhersteller und der stei-
genden Kundenerwartungen aufgrund höherer Kundenzufriedenheit und somit höherer
Wiederkaufraten auf jeden Fall lohnt.

13.3 Ausblick

Customer Experience Management ist eine vergleichsweise junge Disziplin im Kontext


des Markenmanagements. Aus einer kritisch-distanzierten Sicht ist die Frage nahelie-
gend, ob es sich hierbei nicht um „alten Wein aus neuen Schläuchen“ handelt. Ist
nicht gutes Markenmanagement immer Customer Experience Management und ist nicht
Luxusmarkenmanagement schon per definitionem auch ein ganzheitlich ausgerichtetes
CEM?
Diese Frage kann und muss allerdings – zumindest angesichts praktischer Kunden- und
Markenerlebnisse – entschieden verneint werden, denn oft beginnt das Erlebnis kurz vor
und endet unmittelbar nach dem Kauf. Von einem ganzheitlichen Kauf- und Besitzerlebnis
kann dann nicht die Rede sein – auch bei Luxusmarken. So gesehen besteht der zentrale
Wert und Beitrag des CEM in der Sensibilisierung für die Ganzheitlichkeit des Kunden-
erlebnisses und für eine konsequente Prozesssicht in Sachen der Customer Journey: 200
Kundenkontaktpunkte für Luxusautomobile, die feine Inszenierung des De-Boardings in
der Lufthansa-First Class verdeutlichen, welch diffizile Aufgabe das CEM für Unternehmen
bedeutet – und welche nachhaltige Chance, denn exzellentes CEM differenziert die Marke
nachhaltig und ist nur sehr schwer für Wettbewerber kopierbar.

Literatur

1. Ascheberg, C. (2009), Markenführung ist Vision, nicht Blick in den Rückspiegel. Denn Menschen
entwickeln sich weiter, nicht zurück. In: Diktat der Markenführung. Keuper, F., Kindervater, J.
Dertinger, J., Heim, A. (Hrsg.). Gabler Verlag: Wiesbaden.
2. Bösel, F. (2009). Management von Luxusmarken im konjunkturellen Abschwung. Diplomarbeit.
3. Florack, A. (2007). Erlebnismarketing und Markenerlebnisse. In: Florack A./Scarabis
M./Primosch E. (Hrsg.), Psychologie der Markenführung (S. 357–391). München: Vahlen.
220 J. Meurer und S. Hirschsteiner

4. Kilian, C. (ohne Jahresangabe). Markenglossar - Markenerlebnisse (Brand Experience).


http://www.markenlexikon.com/glossar_m.html. Zugegriffen: 02.04.2012.
5. Pine, J., Gilmore, J. (1999). The Experience Economy. Harvard Business School Press: Boston.
6. Schmitt, B. (2003). Customer Experience Management: A Revolutionary Approach to Connecting
with Your Customers. John Wiley & Sons.
The Role of Social Media for Luxury Brands –
Motives for Consumer Engagement and 14
Opportunities for Business

Benedikt Jahn, Werner Kunz und Anton Meyer

Abstract
Social Media is omnipresent. Many luxury brands today operate brand pages (i.e., fan
pages, video channels) on Facebook, Twitter, or YouTube. However, empirical research
on brand pages is still in its infancy. Therefore, this study discuss the potential of
social media for luxury brands and shows the effect of brand pages on loyalty and what
motivates users to participate.
We start with a research overview referring luxury brands and discuss the central
concepts of social media. In the next step we analyze the adequacy of social media for
luxury brands. After this theoretical discussion we test a general framework based on
the use and gratification theory, customer engagement literature, and the involvement
theory. We can show a significant influence from usage intensity and engagement on
the brand page on customer loyalty. Furthermore, we identify different values such as
functional and hedonic content as drivers of usage and engagement. The results are
interesting for theory and practice. They confirm the positive effect of integration and
engagement in general and show that brand pages are more than just a tool to connect
brand fans. They are also an instrument for gaining new fans of luxury brands.

Zusammenfassung
Das Thema Social Media ist momentan allgegenwärtig. Viele Luxusmarken betreiben
Social Media Markenseiten (z. B. Marken Fanpages, Videokanäle) auf Facebook, Twitter

Benedikt Jahn () · Univ.-Prof. Dr. Anton Meyer


Inst. f. Marketing, Universität München, Ludwigstr. 28/RG IV, 80539 München, Deutschland
E-Mail: jahn@bwl.lmu.de
Prof. Dr. Werner Kunz
College of Management, UMass Boston, Morrissey Blvd., Boston, MA 0125, USA
E-Mail: werner.kunz@umb.edu
Univ.-Prof. Dr. Anton Meyer
E-Mail: marketing@bwl.lmu.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 221


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_14, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
222 B. Jahn et al.

oder YouTube. Trotzdem gibt es bisher kaum Erkenntnisse zur Bedeutung von Social
Media Markenseiten. Um diese Lücke für Luxusmarken zu schließen, diskutiert dieser
Artikel das Potential von Social Media für Luxusmarken und zeigt Nutzungsmotive auf
sowie einen Effekt von Nutzung und Engagement auf die Loyalität.
Wir beginnen mit einem Forschungsüberblick zu Luxusmarken. Im Anschluss disku-
tieren wir die zentralen Konzepte von Social Media. Danach analysieren wir die Eignung
von Social Media für Luxusmarken. Nach dieser theoretischen Diskussion testen wir
ein allgemeines Modell, basierend auf dem Uses und Gratifications-Ansatz, Literatur
zu Kunden-Engagement und der Involvement Theorie. Als Ergebnis können wir einen
signifikanten Effekt von der Nutzungsintensität und einem Engagement auf der Social
Media Markenseite auf die Loyalität zeigen. Weiter können wir unterschiedliche Motive
wie funktionale und unterhaltende Inhalte als Treiber von Nutzung und Engagement
nachweisen.
Die Ergebnisse sind sowohl für die Theorie als auch die Praxis interessant. Sie be-
stätigen einen positiven Effekt einer Integration und eines Engagements von Kunden
und zeigen, dass Social Media Markenseiten nicht nur eine Plattform für bestehende
Markenfans sind, sondern auch ein Instrument, um neue Fans von Luxusmarken zu
gewinnen.

14.1 Social Media in a World of Luxury Brands

Social Media today is omnipresent and Brand pages on online channels like Facebook,
Google+, Twitter, or YouTube are getting more and more popular around the world. The
customer engagement on these platforms has changed the idea of relationship marketing.
Traditionally, companies have tried to reach out and build up relationships with customers
through marketing activities like reward programs and direct marketing. In this old world,
customers were passive “receivers” of relationship activities as well as brand messages and
the company had control over the brand development process. Today, customers engage
and act as co-creators and multipliers of brand message [19, 25, 30].
Almost every successful brand-oriented company operates at least one brand page on
Facebook, Twitter, or YouTube. Luxury brands like Armani, Burberry or Dolce & Gabbana
have increasingly invested in social media [38]. Nevertheless many marketing managers are
still skeptical and questioning whether it is worthwhile putting so much effort into the social
media phenomenon, and if it pays off. Especially in the luxury product industry, marketers
doubt the value of the mass medium Internet for the unique relationship between exclusive
luxury brands and their customers [16, 34]. This shows the need to understand the effects
of social media on the customer-relationship in general and particularly for luxury brands.
Therefore, this article discusses the relevance of social media for luxury brands and
studies how social media brand pages affect the customer-brand relationship. We begin
with a brief overview of the literature regarding luxury brands and social media. We then
14 The Role of Social Media for Luxury Brands 223

discuss the value of social media for luxury brands. Subsequently we present a general
framework that describes how brand pages can contribute to brand loyalty of the customer
and how brand page participation is influenced by various consumer values. Further, we
describe a study that has tested this general framework and discuss managerial implications
for the management of luxury brands.
As a central result of our study we show that social media can be seen as a business
opportunity. Brand pages are an excellent tool for brand management, because they have
measurable effects on the customer brand relationship. Brand managers should embrace
this new channel and understand how to work with it in a contemporary fashion. Our study
contributes to the ongoing discussion about the value of social media and shows motives
and effects of social media customer engagement.

14.2 A Research Review for Luxury Branding and Social Media

14.2.1 Luxury Brands

In the past luxury brands were a privilege for a wealthy minority. But recently luxury
companies have launched new product lines and extensions to target a wider range of
consumers. As a result, luxury brands became affordable to many average consumers and
the luxury market has been growing over the last 20 years [44, 46, 50]. This democratization
of luxury [44, 50] shows the relevance of the phenomenon for mass marketing.
Despite the omnipresence of luxury brands in our everyday life, it is not easy to define
the term “luxury brand”, because luxury is very subjective and relative [5, 13, 39, 49]. For
example, a millionaire flying on business class will treat it as normality, but for a normal
employee it would be luxurious. While in some regions of the world taking a shower in the
morning is quite normal, in others it would be perceived as a luxury. While forty years ago,
having a refrigerator was something special, today almost every household has one [26].
Sekora [41] defines luxury as “anything unneeded”. Following the Oxford Latin Dictionary
[36], luxury stands for an extravagant lifestyle. What extravagant means, depends on a
common sense about what is normal at a specific date, in a specific region for an average
person. Marketers in general see the label “luxury” as chance to differentiate a brand in
a category and make it more appealing for customers [12, 20]. This usually goes hand in
hand with a price premium [50]. Accordingly Nueno and Quelch [33] they define luxury
brands as “those whose ratio of functionality to price is low, while the ratio of intangible
and situational utility to price is high”. Traditionally luxury goods are described as goods,
which bring prestige apart from any functional utility [17]. They are characterized by ad-
jectives as exclusive, extremely expensive, luxurious, exquisite, elitist, high quality, excellent,
hedonistic, rare, precious, crafted, glamorous, powerful and magic [14, 21, 49, 50]. Luxu-
ry brands satisfy not only functional but also psychological needs, and the psychological
benefits seem to be the main distinguishing factor [50].
224 B. Jahn et al.

Conspicuousness

Non-personal Uniqueness
percepƟons

Quality
Luxury

Henonic
Personal
percepƟons
Extended self

Fig. 14.1 Framework of luxury brands. (Quelle: Vigneron & Johnson 2004)

In general, the perception of luxury can be separated in non-personal and personal per-
ceptions. The non-personal perceptions can also be described as interpersonal or socially
oriented [43, 44, 50]. Socially oriented consumers’ are buying luxury brands to display
their status, success and distinction in peer groups. The brand works as a symbol of pro-
minence and tastefulness and signals membership in a certain social group [44]. Personal
perceptions are in contrast functioning to impress other people. They stand for personally
affective benefits as hedonic pleasure, personally symbolic benefits as the expression of the
consumer’s internal self, and personally utilitarian benefits, when the brand matches with
individual attitudes of the consumer and his tastes for quality [44]. Vigneron and Johnson
[49, 50] are proposing five main factors of luxury that differentiate between non-personal
and personal perceptions of luxury (see Fig. 14.1).
The conspicuousness dimension is based on the assumption that luxury brands are
representing prestige or social status, apart from any functional utility [50]. This fits to the
classic motive of luxury usage as “buying to impress others” [43, 44]. The premium price
is supposed to be only affordable for successful and elitist people [18]. This link is also
proposed by the Veblen effect [48], which state a higher demand of products with a rising
price. Veblen’s argues, that members of a higher class consume conspicuously to distinguish
themselves from the lower class, while members of the lower class buy conspicuous brands,
because they want to be associated with the higher class [18]. But price is not the only
reason, why consumer desire status brand. Brands and their meaning can be used as signal
for one’s identity [18, 51].
The uniqueness dimension is based on the assumption that perceived exclusivity and
rarity makes brands more interesting and desirable, and that this effect is even higher when
the brand is also perceived as expensive [50]. It is suggested that uniqueness enhance the
self-image and social image of the user by signaling one’s personal and special taste, or
breaking the rules, or avoiding similar consumption [50]. This dimension is underlined by
14 The Role of Social Media for Luxury Brands 225

the snob effect [28], which suggests a declining consumer demand with a rising number of
customers.
The quality dimension is based on the expectation that luxury brands offer superior
product qualities and performance in comparison to non-luxury brands. Consumers may
perceive a luxury brand as more valuable because they may assume greater quality and
reassurance [1, 50]. Superior quality is almost always taken for granted for luxury-brand
products. Consumers look for the prestige and premium price of luxury products, expecting
that they have a better quality than non-luxury brands [44].
The hedonism dimension is based on the assumption that hedonism is an important
factor of luxury. Hedonic consumers are looking more for emotional benefits and intrinsic
pleasure than for functionality [50]. Vigneron and Johnson [49] state that consumers with
a strong personal orientation focus on self-directed pleasure from luxury-brand products.
They don’t care so much about signaling effects on peers or social groups by consuming a
products or brand.
The extended self dimension is based on the assumption that consumers are integrating
the symbolic meaning into their own identity [50]. Levy [29] describes this dimension
perfectly by the quote: “People buy products not only for what they can do, but also
for what they mean”. Consumers use luxury brands to classify or distinguish themselves
in relation to relevant others. This dimension represents the desire to conform to affluent
lifestyles and/or to be distinguished from non-affluent lifestyles affects their luxury-seeking
behavior, but for personal reasons, not for social reasons [50].

14.2.2 Central Concepts of Social Media

Social media and engagement of customers is getting increasingly more attention in theory
and by managers of luxury brands and non luxury brands as well [11, 38].
Social media in general can be described as “a group of internet-based applications
that build on the ideological and technological foundations of web 2.0, and that allow
the creation and exchange of User Generated Content” [22]. Some of the most prominent
forms of social media are social networking sites like Facebook. Social networking sites are
defined as “web-based services that allow individuals to construct a public or semi-public
profile within a bounded system, articulate a list of other users with whom they share
a connection, and view and traverse their list of connections and those made by others
within the system” [8]. Users with profiles interlinked in this manner are called “friends.”
Theses profiles can include anything from favorite food and movies to relationship statuses
and especially preferences for particular brands, organizations, or celebrities. For example,
users can post information about themselves, post links of websites they like, comment on
postings of their friends, post pictures, and accept invitations for events; they also can receive
invitations to become fans of particular brands, organizations, or celebrities [40]. Today,
almost all major social media sites offer luxury brands as well as normal brands specialized
web pages (i.e., fan pages on Facebook; channels on YouTube; Google+ Pages on Google+)
226 B. Jahn et al.

for their communication. These pages are profiles of organizations, businesses, brands,
products, public figures, or causes, and can be used by companies to integrate and interact
with their customer base [9]. Hereby, Social Media platforms like Facebook offer companies
several options for contacting and communicating with their customers. For instance, fan
pages on Facebook are an interesting tool for companies to use. But what does it mean to
become a “fan” of a brand-related page? In general, a fan can be anything from a devotee
to an enthusiast of a particular object. Typical characteristics of fans are self-identification
as a fan, emotional engagement, cultural competence, auxiliary consumption, and co-
production [25]. The Internet has made it possible to overcome geographical restrictions
and to build fan communities worldwide. In practice, users become fans of a Facebook fan
page by pressing the “like-button,” which indicates to their social network that they like
this brand; this preference is then added to their profiles. The new content of this fan page
is automatically posted to their personal Facebook news feed, and they can post comments
on the fan page, get in contact with the company, forward offers from this page as well as
interact with other fans.
Since brand pages are organized around a single (luxury) brand, product, or company,
they can be seen as a special kind of brand community. Over the last decade, brand com-
munities became very interested in branding research. Muniz and O’Guinn [32] define
a brand community as a “specialized, non-geographically bound community, based on a
structured set of social relationships among admires of a brand. It is specialized because
at its center is a branded good or service. Like other communities, it is marked by shared
consciousness, rituals and traditions, and a sense of moral responsibility.” [32]. McAlex-
ander and Schouten [31] indicate four crucial relationships in a brand community: the
relationships between the customer and the brand, between the customer and the firm,
between the customer and the product in use, and among fellow customers. Algesheimer
and colleagues [4], using survey data from a European auto club, showed that community
identification leads to positive (i.e. community engagement and community loyalty) and
negative (i.e. normative community pressure and reactance) consequences. Further, they
showed an effect of membership continuance intentions to brand loyalty intentions. Woi-
setschläger et al. [52] support their results. Additionally, they found two further reasons for
consumer participation in brand communities: community satisfaction and degree of con-
sumer influence within the community. Moreover, they showed an effect from community
participation on word-of-mouth, brand image, and community loyalty. An effect on brand
loyalty was not shown. By means of data from an online community, Kim et al. [24] showed
that online community commitment is a driver on brand commitment. They also showed
that online community participants possess stronger brand commitment than consumers
who are not members of the community. Recently, Adjei [3] verified in a netnography and
experimental approach that online brand communities are successful tools for increasing
sales and showed that the sharing of information significantly moderates this effect.
Despite the similarities of brand pages with brand communities, they are still different.
Brand pages like fan pages on Facebook or Twitter differ from brand communities by
the way they are embedded in an organic grown and not brand related network of social
14 The Role of Social Media for Luxury Brands 227

ties. Thus, members of a brand page are also connected within the social network site
to so called “friends” who might not be “fans” of the brand and are mostly real offline
connections [8]. Given this brand page usage are based on motivations different from
participation in traditional brand communities. Therefore, we look into the literature
about social networking sites. A central topic in studies towards social networking sites is
the motivation of why people use these platforms. For instance, Raacke and Bonds-Raacke
[40] found two main reasons for this: social connections (i.e., keeping in touch with friends)
and information sharing (e.g., events or gossip). In a similar fashion, Foster and colleagues
[15] found one of the main motivations for participating in social networking sites is the
perceived information value from the community and the connection to friends. Many
studies also show that entertainment plays an important role as shared and consumed
content on social networking sites [27, 42]. Additionally, Tufekci [45] found that many
activities on social networking sites can also be conceptualized as forms of self-presentation.
Users present themselves by adjusting their profiles, linking to particular friends, displaying
their likes and dislikes, and joining groups. This motivation for social networking usage
is supported by several other studies [2, 6, 9]. In particular, Peluchette [37] shows that
Facebook users employ their postings consciously to portray images about themselves.
Considering the existing research on social networking sites, we believe there are three main
motivation areas for consumers’ using social networking sites. The first is a relationship
area, where the focus of the individual is to stay connected and interact with others and
participate in a social (online) life. The second area is content acquisition and distribution
based on the individuals’ interests. This content can be functional as well as hedonic. Finally,
the third area is self-presentation, which is related to the social context but also serves more
the purpose of self-assurance and personal identity.
But brand pages don’t just differ from brand communities because they are embedded
in an organic grown network. Another important difference is the fact, that brand pages
are mainly company driven and used as an explicit brand communication and interaction
channel. In a classical brand community the brand is the center of the community and the
community is “based on a structured set of social relationships among admires of a brand”
[32]. In contrast, a brand page is supposed to be first of all a connection between the user
and the brand.
Despite the popularity in the business practice, only very little empirical research studies
consider brand pages in a branding context. Borle and colleagues [7, 10] examined the
degree to which participating on a Facebook fan page affects customer behaviors. In a
longitudinal study, conducted in cooperation with two restaurants, they showed an effect
of membership on the fan page to behavioral loyalty, spending in the restaurants, and the
restaurant category over all. The findings support the idea that Facebook fan pages are useful
for deepening the relationship with customers. But it is still not clear what is happening
inside of the “black box” brand page and what the crucial constructs are for managing
brand pages. Empirical studies for brand pages of luxury brands do not exist so far.
228 B. Jahn et al.

Luxury percepƟon

+ Conspicuousness

- Uniqueness

Social media +
Quality
brand pages
+
Hedonism
+
Extended self

Fig. 14.2 Influential areas of social media brand pages on luxury brands

14.3 Luxury Brands and Social Media

The central question of this article is whether or not social media work for luxury brands.
Therefore, this article now derives various influence areas where social media can increase
the luxury brand perception (see Fig. 14.2).
As discussed, one important motive of social media usage is self presentation [45]. This
motive is connected with the conspicuousness dimension of luxury. All friends of the fan can
see the membership in the brand page community. So he can show, which brand he identifies
with or wants to be associated with. Because of this overlap of motives, there should be a
positive correlation between brand page usage and conspicuousness as luxury motive.
In contrast to this, we don’t see a positive correlation between social media usage of a
brand page and the need for uniqueness. Brand pages generally have a huge number of
fans, even more than the brand real customers, the perception of being a fan or user of a
unique, elitist brand, will suffer under the enormous number of members, especially when
members are behaving inadequately.
We also expect a correlation referring the quality perceptions of a luxury brand. Because
members of virtual brand channels can’t experience the real product on the platform, they
may take the quality of the content and the conversation and interaction on the brand page
as a proxy for the quality of the product. The brand can manage the perception of quality
by providing interesting and functional content and moderate the interaction between the
members of a brand page. If a company maintains its brand page as a communication
and interaction channel, it should have a positive effect on the perception of quality of the
brand itself.
This brings us to the hedonic dimension. Usually brand pages are not just functional,
but even hedonic. Brands can provide hedonic, entertaining content, which makes the page
more vivid and let the user experience the brand. This can happen through pictures, videos
or music. But even more interesting is the possibility to interact with the brand as a person.
14 The Role of Social Media for Luxury Brands 229

Usage Brand Page Brand


GraƟficaƟon ParƟcipaƟon RelaƟonship

Content-
Oriented
• FuncƟonal
Value
• Hedonic Value
Usage Intensity

RelaƟonship-
Oriented
• Social Brand Loyalty
InteracƟon
Value
• Brand • Commitment
InteracƟon • WOM
Value • RePurchase
Engagement
Self-
Oriented
• Self-
Concept
Value

Fig. 14.3 Framework of brand page participation

Members can ask questions and get answers. In other words: The brand is getting alive,
which isn’t possible in classic media channels as advertisement or even web pages.
Finally, we see a correlation with the extended self-perception of luxury. A membership
in a brand community related to a brand page is not just an option to signal the user’s
identity, but also a way to extend their own self by a relationship or “friendship” to a brand.
The use and even more the engagement, participation and interaction on a brand page
with the brand and other brand page members is a way to connect their own personality
with a brand’s personality, which represents the ideal self. Therefore we propose a positive
correlation.
Overall, we can conclude that with exception of the uniqueness dimension, social media
should have a positive influence on luxury perception. This fits to Tynan, McKechnie
and Chhuon [46], who accentuate the relevance of co-creating value for luxury brands.
That means, luxury brands become much more than just products, they become are vivid
partner for life.

14.4 A Framework for Brand Page Participation

Considering the relevance of social media brand pages for luxury brands we developed a
general framework (see Fig. 14.3), which should be valuable not only for luxury brands, but
even for celebrities, television shows, sport teams or music groups (see Fig. 14.1, Jahn and
230 B. Jahn et al.

Kunz 2012). The framework is based on classical concepts of uses and gratifications theory
[23], customer engagement [19, 47], and involvement theory [53]. By this, we follow
a basic approach, describing how brand page participation might influence consumers’
brand loyalty and what might influence the brand page behavior itself. For this, we divide
the process into three zones: gratification, participation, and customer-brand relationship.
The basic idea of this framework is that, if the brand brand page satisfies particular needs
of a user, this satisfaction should lead to a higher approach to the brand page, which should
in turn lead to a higher brand loyalty.
The uses and gratification (U&G) theory, proposed by Katz [23], has been found useful
for application to new media like the internet, online communities, social networking, and
blogs. U&G theory tries to explain why individuals have different media-usage patterns.
According to U&G theory, people use media to satisfy various needs and to achieve their
goals. The most prominent needs can be subsumed into three areas: A content-oriented
area based on the information delivered by the media, a relationship-oriented area based
on social interaction with others, and a self-oriented area based on particular needs of
individuals such as achieving status or need for diversion. We take these categories, which
perfectly fit with the luxury relevant dimensions, as central motives for brand page par-
ticipation. With the second concept, consumer engagement, we want to differentiate the
media consumption of a brand page. The customer relationship literature shows that cu-
stomer behavior goes “beyond transaction, and may be specifically defined as a customer’s
behavioral manifestation that has a brand or firm focus, beyond purchase, resulting from
motivational drivers” [47].
Transferring the engagement construct to the context of a brand page, we define brand
page engagement as an interactive and integrative participation in the brand page commu-
nity and would differentiate this from the solely usage intensity of a member. We do not
expect these constructs to be independent from each other and would assume that brand
page usage leads to brand page engagement. For instance, it is possible that a person is
using a brand page on a regular basis (e.g., receiving gratis coupons from the brand page)
without becoming highly engaged with the brand page (Fig. 14.3).
To explain the brand page usage behavior, we use the three gratification areas of U&G
theory introduced above, and we apply them according to the context of the brand pages. In
the content area, we differentiate between the functional and hedonic values that are deli-
vered. In the relationship area, we see two main kinds of relationships where an interaction
could be of value for a brand page user: The interaction with other users, and the interaction
with the brand or company behind the brand. Finally, consumers can decide to partici-
pate in a brand page because they expect an impact on their image or status. In this case,
consumers defer values for their own personal identities by being members of a brand page.
After considering the value and brand page behavior, we wanted to give some reasons
for the expected relationship to branding. The central concept for brand relationship in
our model is brand loyalty. Oliver defines loyalty as “a deeply held commitment to rebuy or
re-patronize a preferred product/service consistently in the future, thereby causing repeti-
tive same-brand or same brand-set purchase, despite situational influences and marketing
14 The Role of Social Media for Luxury Brands 231

efforts having the potential to cause switching behavior” [35]. This definition stresses
the importance of two important components: an attitudinal (i.e. commitment) and a
behavioral (i.e. purchase, patronage) component of loyalty.
On the one hand, brand page users that show high usage intensity, get in regular contact
with the brand, which in turn should have an effect on their brand relationship and should
increase their likelihood for repurchase, word-of-mouth, or their general commitment
to the brand. On the other side, brands with high brand page engagement already have
developed a strong relationship to the brand page community. This emotional bond is also
associated with the object of the brand page, the brand. Thus, we assume that an increase
in brand loyalty is based on brand page engagement. This relationship is also supported
by the involvement theory. Involvement can be defined as “a person’s perceived relevance
of the object based on inherent needs, values, and interests.” [53]. Brand page usage and
engagement are indicators for a high involvement with the brand.

14.5 Empirical Results of Consumer Participation on Brand Pages

To test our framework in a field environment, we executed a survey on Facebook. For


the data collection, we invited members of different luxury and non-luxury brand fan
pages (e.g. Audi, BMW, HTC, L’Oréal, Lufthansa) to participate in an online survey by
posting the survey link on the fan page. Through the survey, we obtained a sample of 523
fully completed questionnaires of brand page members. Gender is distributed evenly in
the sample (51.7 % female, 48.3 % male). Average age of the respondents was 28.6. All
participants were frequent brand page users (more than 80 % use their brand pages at least
once a week) and active Facebook members (76 % use Facebook longer than 20 min a day).
For the constructs of our framework, we generated multi-item scales on the basis of previous
measures, the qualitative pre-studies, and the theoretical foundation. The reliability results
of the constructs indicate acceptable psychometric properties for all constructs.
We tested the proposed hypotheses using a structural equation model. The fit statistics
indicate an adequate fit of the proposed model (i.e. χ2 /df = 2.99; CFI = 0.92; RMSEA =
0.062). The results of the model estimation are shown in Fig. 14.4.
The multiple squared correlations for brand loyalty are 0.28, which is reasonable consi-
dering that online brand pages are not the online influence factor for the consumer-brand
relationship. All coefficients of our proposed processing model (except two) were highly
significant (p < 0.001). We haven’t found a significant effect from the social interaction
value to brand page usage. This might be because social interaction mainly focuses on
elements related to membership exchange. By means of passive consumption of a media,
social interaction value can hardly be gained. The effect from brand interaction value on
brand page engagement is just significant on the 0.01 level.
232 B. Jahn et al.

Usage Brand Page Brand RelaƟonship


GraƟficaƟon ParƟcipaƟon

Content-Oriented
.47

FuncƟonal Brand
Value .38 *** .43 Commitment

Hedonic .24 ***


Value Usage Intensity

.69 ***
n.s.
RelaƟonship-Oriented .36 ***
.28 .66
Social .26 ***
InteracƟon .25 *** Brand .81 *** Brand
Value Loyalty WOM
Brand .26 ***
InteracƟon
Value .26 ***
.14 ** .80 ***

Engagement
Self-Oriented .17 *** .64
.37
Self-Concept Brand
Value Purchase

Fig. 14.4 Framework of brand page participation

14.6 Some Implications for Social Media of Luxury Brands

In summary, we can infer multiple implications for the management of social media brand
pages of usual and luxury brands. First of all, we can conclude that brand pages are an
excellent tool for brand management today: They have measurable effects on the customer
brand relationship. Brand managers should embrace this new channel and understand how
to work with it in a contemporary fashion. Setting up a brand page and generating pure
traffic data (e.g., visits) is not enough to improve customer relationships. The goal of a
brand page strategy is to completely engage, integrate, and immerse users in a vivid and
active community. Therefore, luxury brand companies need to give users realistic reasons to
engage in a brand page community. This can be done for example by customer integration
in the designing process of a new fashion collection, a model competition for a new media
campaign, exclusive and preview offers to the fan community, invitations to exclusive events
or consumer surveys about new trends.
A second value driver is based on interaction among brand page members and between
customers and the brand itself. Luxury brand companies should therefore create as much
interactivity as possible. The critical factor is not the amount of fans but the level of
interaction. The luxury fashion label Burberry for example has almost 11 million fans
as members of their brand page, but the dialogue between fans as well as the company
14 The Role of Social Media for Luxury Brands 233

seems not very intensive. But if the company is not (inter)active, their brand pages will
not be successful because brand pages are interactive channels. Also luxury brands are co-
creative and can provide more experience through an active integration of and interaction
with the consumers. Online events or exclusive videos for example can trigger discussions
about relevant topics. Beyond consumer interactivity, companies must scan brand pages
and be attentive to the happenings in their brand page communities. They must answer
questions immediately and communicate proactively, even more so when comments are
negative (Kunz et al. 2012). Beside the interaction between the brand and the consumer
it’s very important to moderate the ongoing fan interaction. When fans act inadequately
they can ruin the special image of a brand within seconds. This is especially important
for luxury brands, because user perceive to be elitist, exclusive and special. But in social
media everybody can become fan of a luxury brand like Aston Martin. This may cause
problems, because there will be a mixture of different social groups, interacting together
on one platform.
Finally, from our empirical results, we see that valuable content, both hedonic and
functional, on the brand page itself is one of the most important drivers for attracting
users to brand pages. Brand pages must deliver interesting, entertaining, and innovative
content to its fans. Luxury brands have to be aware that the content fits to the exclusive
character of the brand and doesn’t destroy the elitist image of the brand. It is especially
important to avoid the image of a mass-market brand. Therefore, the content should be
unique to underline the experience of a luxury brand as something special such as extensive
HD-videos, special presentations of the product or brand, interviews with testimonials,
statements of the CEO or exclusive pictures of brand related or sponsored events. It must
be noted that sweepstakes should not be included in the valuable content as you can find
sweepstakes on every brand page and sweepstakes do not fit to an exclusive and elitist image
of a brand.
The mixture of social and commercial aspects makes brand pages unique. Our study
has shown there is high potential of brand pages for the customer/brand relationship.
Ideally, fans would see brands as real “friends” in their social networks, which plays an
important part in their everyday lives. In this case, brand communication is no longer
automatically perceived as disturbing advertising but as interesting and reasonable. If luxury
brand companies understand the reasons for brand page usage and engagement, they can
use this to interact with, integrate, and engage their customers as well as transform them
from ordinary users to real “fans” of their brands. Social Media is a huge chance for
luxury branding, but companies have to realize that brand pages are not just a further
communication channel; they are a real interaction channel. This fact provides various
opportunities for brand communication, but is still a challenge for companies that are not
used to social media and the new power of their consumers.
234 B. Jahn et al.

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Herausforderung ,,Multi-Channel-
Management‘‘ – Luxusvermarktung im 15
Spannungsfeld traditioneller Kanäle
und digitaler Revolution

Kilian Manninger

Zusammenfassung
Die Digitalisierung der Gesellschaft hat das Thema des Multi-Channel-Managements
neu beflügelt. Neben dem E-Commerce als zusätzlichen Vertriebskanal gewinnt auch
die ‚Multi-oder Cross-Channel-Communication‘ zunehmend an Bedeutung. Zwar ha-
ben Luxushersteller verspätet und mit Ressentiments den Eintritt in das Internet gewagt,
so können sie sich aber dem aktuellen Wandel der Zeit nicht entziehen. Zunehmende
‚Kanal-Konvergenz‘ erfordert, dass Kundenkontaktpunkte Online und Offline syste-
matisch aufeinander abgestimmt werden und Customer Journeys kanalübergreifend
funktionieren.
Neben wirtschaftlichen Zielen treiben vor allem auch die erhöhten Markenanfor-
derungen die Ausgestaltung des Multi-Kanal-Managements in der Luxusbranche. Der
Artikel stellt dar, wie über den kontrollierten Einsatz multipler Retail-Formate, den
Ausbau von ,Directly Operated Stores‘ (DOS) und dem Aufbau von Fachhandels-
Partnerschaften stets ein international einheitlicher Qualitätsstandard an allen Ver-
kaufspunkten sichergestellt werden kann. Zudem wird diskutiert, welche Herausfor-
derungen der Online-Handel für Luxusunternehmen mit sich bringt. Noch mangelt
es an erfolgreichen Lösungen über die Online-Stores besondere Produkterlebnisse,
außergewöhnliche Kaufatmosphäre und eine adäquate persönliche Kaufbetreuung zu
vermitteln. Zusätzlich wird dargestellt, wie Sortimente, Serviceangebot, Umtausch- und
Kulanzregelungen sowie Kundenbindungsmaßnahmen kanalübergreifend abgestimmt
werden können.
Im Bereich der Multi-Kanal-Kommunikation ist eine genaue Rollendefinition der
zahlreichen Online- und Offline-Kommunikationskanäle über die einzelnen Vermark-
tungsphasen erforderlich. Es werden Ansatzpunkte aufgezeigt, wie Kommunikations-
maßnahmen zielführend vernetzt werden können und es wird dabei sowohl die Vorkauf-
als auch die Nachkaufphase betrachtet.

Kilian Manninger ()


KEYLENS Management Consultants, Ludwigstr. 8, 80539 München, Deutschland
E-Mail: kilian.manninger@keylens.com

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 237


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_15, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
238 K. Manninger

15.1 Definition Multi-Channel Management

Der Begriff des ,Multi-Channel-Managements‘ hat nicht zuletzt durch die wachsende
Bedeutung des Internets als Vertriebskanal stark an Bedeutung gewonnen. Dabei ist ,Multi-
Channel‘ keinesfalls mit dem Begriff des E-Commerce gleichzusetzen, auch wenn dies in
Presse und in Literatur oftmals geschieht. Übersetzt als ,Mehrkanalsteuerung‘ geht es bei
dem Multi-Channel-Management um das Prinzip, die Endkunden (sei es B2C oder B2B)
auf verschiedenen Wegen gleichzeitig zu erreichen [1]. In diesem Zusammenhang unter-
scheidet man insbesondere die beiden im Marketing-Mix zentralen Bereiche des Vertriebes
und der Kommunikation. Im Falle des Vertriebes finden die Begriffe ,Multi-Channel-
Distribution‘ ,Mehrkanalvertrieb‘ und manchmal auch ,Multi-Channel-Retailing‘ Verwen-
dung. Dabei geht es heutzutage im Kern um die Kombination klassischer, meist stationärer
Vertriebskanäle mit dem Vertrieb über das Internet. Herausforderung hierbei ist vor allem
die konfliktfreie Kombination und Abgrenzung der Vertriebskanäle voneinander. Trotz
aller Online-Offline-Diskussion sind die bestehenden Herausforderungen in der Kom-
bination alternativer Absatzkanäle im reinen ,Offline-Vertrieb‘ nicht zu vernachlässigen.
Insbesondere im Bereich des Luxus haben diese nach wie vor die größte Bedeutung.
Die ,Multi-Kanal-Kommunikation‘ befasst sich demgegenüber mit der Entwicklung und
Umsetzung integrierter Kommunikationsprogramme. Ziel dabei ist es, den Kunden umfas-
send anzusprechen und eine konsistente Botschaft über alle genutzten Medien zu senden,
d. h. die Kommunikationsmaßnahmen inhaltlich und formal aufeinander abzustimmen
[7]. Das Konzept der 360-Grad-Kommunikation galt jahrelang als ein Erfolgsansatz in der
Marketing-Kommunikation und wird nun seit kurzem immer mehr durch den Begriff der
,Multi-Channel-Kommunikation‘ ersetzt.
Um dem Begriff des Multi-Channel-Managements aus heutiger Sicht vollkommen
gerecht zu werden, sind zwei weitere Aspekte zu beleuchten. Zum einen geht es bei
,Multi-Channel‘ im Gegensatz zum ,Multiple-Channel‘ vor allem auch um eine wirksa-
me Kombination und Abstimmung verschiedener Vertriebs- und Kommunikationswege
miteinander. Von dem reinen Versuch möglichst viele Wege gleichzeitig abzudecken ist
dabei per se erst einmal abzusehen [9]. Es kann jedoch sinnvoll sein, dass eine Produk-
tauswahl per Katalog, eine Bestellung online und eine Abholung in einer Filiale vor Ort
ermöglicht werden muss, um den individuellen Bedürfnissen der Kunden im Kaufprozess
gerecht zu werden. Als Vorreiter in diesem Zusammenhang können die traditionellen Kata-
logversender genannt werden, die sich schon frühzeitig auf die wandelnden Anforderungen
des Marktes eingestellt haben. So finden bei dem Electronic-Fachhändler ,Conrad Electro-
nic‘ heute bereits sämtliche kanalübergreifende Kombinationsmöglichkeiten Anwendung.
Nicht weniger als 60 % der Neukunden werden dabei über das Internet generiert [9].
Des Weiteren muss der Begriff ,Multi-Channel‘ aus Kundensicht bedeutend weiter
gefasst werden, als nur bezogen auf die Bereiche des Vertriebs und der Kommunikati-
on. Eine Erweiterung der Definition auf alle im gesamten Kundenprozess vorhandenen
Kundenkontaktpunkte macht insbesondere Sinn, wenn Themen wie Kundenservice oder
dem Kauf nachgelagerte Maßnahmen zur Kundenbindung einen wichtigen Bestandteil der
15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ 239

Kundenprozess

Information Suche Anbahnung Kauf Nutzung

Vertrieb Kanal     

Kanal     

Kanal   
Kommuni- Kanal     
Kanäle

kation
K
Kanal
l     

Kanal   
Service Kanal   

Kanal   

Abb. 15.1 Konzept des Multi-Kanal-Managements

Hersteller-Kundenbeziehung darstellen (Abb. 15.1). Aus diesem Grund ist die Verwen-
dung von ,Multi-Channel-Management‘ als Oberbegriff absolut sinnvoll und wird auch
Grundlage der weiteren Ausführungen in diesem Artikel sein.

15.2 Gründe für die wachsende Bedeutung von


Multi-Channel-Management im Luxus

Zweifelsohne belebt das Internet derzeit am meisten die Diskussion um das Multi-
Channel-Management. Laut Handelsverband Deutschland erreichen heute bereits die
durch E-Commerce erzielten Umsätze in Deutschland mehr als 17 Mrd. € und betreffen
eine Kundschaft von über 40 Mio. Nutzern. Insbesondere die Eignung als Such- und Infor-
mationsmedium macht das Internet mittlerweile zu einem der wichtigsten Kanäle in der
Verkaufsanbahnung, auch wenn beispielsweise in der Luxusbranche der Großteil des Um-
satzes nach wie vor über die stationären Kanäle, allen voran dem Fachhandel, abgewickelt
wird.
Die Luxusbranche hat erst spät die Vorteile des Internet für die eigene Vermarktung
erkannt. Große Voreingenommenheit bezüglich der Gefahren und Risiken des Mediums
für den Markenauftritt hat dazu geführt, dass erst ab etwa dem Jahre 2008 die ersten Geh-
versuche großer Luxusgüterhersteller in Sachen E-Commerce gestartet wurden. Beinahe
„blind“ sind dann in den Folgeperioden aus einem allgemeinem Wettbewerbszwang her-
aus unzählige Luxusmodelabels mit der Einführung von Online-Shops gefolgt, ohne dass
240 K. Manninger

bis dato über diesen Kanal signifikante Umsatzerfolge, oftmals nicht mehr als 1–3 % des
Gesamtumsatzes, erzielt werden konnten [18]. Heute gehören Online-Shops in einigen
schnelldrehenden Luxusbranchen wie z. B. der Mode, Kosmetik und der Accessoires zum
Standard im Multi-Kanal-Mix.
Insbesondere die Angst vor Kontrollverlust über die eigene Marke hat anfangs viele
Unternehmen gänzlich vor einem Engagement im Internet zurückschrecken lassen, lebt
eine Luxusmarke doch von einheitlich hohen Qualitätsstandards und absoluter Kontrolle
im Markenauftritt. Zudem fand man keinen überzeugenden Umgang mit dem Thema der
„Exklusivität“, oftmals gleichgesetzt mit dem Verständnis von „Knappheit“ oder „begrenzter
Verfügbarkeit“. Das Internet als Massenmedium spricht alle Menschengruppen an und
schafft schnelle Verbreitung von Inhalten. „Demokratisierung“ passt auf den ersten Blick
nicht zu den im Luxus verbreitenden Konzepten bestehend aus eng definierten Zielgruppen,
Schaffung außergewöhnlicher Markenerlebnisse und personengebundenem Marketing [2].
Heute aber hat man aus zahlreichen erfolgreichen und nicht erfolgreichen Beispielen
gelernt. Die Eigenschaften des Internet als kombiniertes Push- und Pull-Medium und die
unbegrenzten Möglichkeiten und Formate im Bereich der Social Media werden auf die Ei-
genschaften der Luxusbranche zugeschnitten und entsprechend genutzt. Exklusivität wird
vermehrt interpretiert als „exklusive Präsentation“ der eigenen Marke. Die beispielsweise
über YouTube zur Verfügung gestellten Filme großer Modelabels übersteigen in Qualität
und Wirkung die bisher genutzten Medien um ein vielfaches. Mehrminütige Imagefilme in
HD-Qualität schaffen emotionale Feuerwerke beim Kunden, was weder in einer Printkam-
pagne noch im Store vor Ort in diesem Maße erfolgen kann. Das Thema „Markenerlebnis“
wird neu interpretiert und um weitere wertvolle Dimensionen ergänzt.
Zudem ist aus Kundensicht die Erwartungshaltung gegenüber einer Verfügbarkeit von
Luxusmarken im Netz mittlerweile so stark ausgeprägt, dass man sich als Hersteller diesen
Gegebenheiten schlichtweg stellen muss. Mehr als 50 % der Luxuskunden in Europa suchen
bereits heute ihre primäre Inspiration über den Online-Kanal, in Deutschland sind es bereits
90 % [6]. Laut einer Studie des Instituts für Markt- und Sozialforschung haben heute bereits
70 % der Deutschen ein Luxusprodukt online erworben [10].
In diesem Zusammenhang muss auch die sogenannte ,Kanal-Konvergenz‘ zunehmend
in Betracht gezogen werden. Darunter wird der rege Wechsel der Kunden zwischen Online-
und Offline-Kanälen verstanden, so dass diese immer mehr miteinander verschmelzen und
am Ende eine Unterscheidung zwischen Online und Offline im klassischen Sinne nicht
mehr möglich ist. Die Kunden verwenden die einzelnen Kanäle nicht alternativ, sondern
parallel. Das Zusammenwachsen der beiden Bereiche spiegelt sich insbesondere auch in
der wachsenden Nutzung mobiler Endgeräte und damit verbundenen Verbreitung von
Location Based Services im täglichen Leben wieder.
Somit wird die Rolle des Internet als Vermarktungskanal von den Luxusunternehmen
selbst immer eindeutiger definiert und ist als Kanal im Sinne des Multi-Kanal-Managements
in der erfolgreichen Luxusvermarktung nicht mehr wegzudenken.
Man darf an dieser Stelle die Entwicklungen und Trends im Multi-Kanal-Management
jedoch nicht nur eindimensional im Bereich des Online sehen. Als Gegenpol zur Digitalisie-
15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ 241

rung und damit einer zugegeben zunehmenden „Anonymisierung“ der Kundenbeziehung


dient der allgemeine Wertewandel in der Bevölkerung, welcher nicht nur Einfluss auf
die Kanalwahl sondern vor allem auch auf die inhaltliche Ausgestaltung der Kanäle ha-
ben kann. Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise haben den Wunsch nach Stabilität und
Sicherheit neu aufleben lassen. Kunden ziehen sich gerne auf traditionelle Werte und
gewohnte Verhaltensweisen zurück. Die persönliche Beratung, das ausgiebige Probieren
und Testen eines Luxusgutes sind klassische Qualitäten im Kaufprozess, welche trotz der
Convenience-Aspekte des Internet wieder zunehmende Wertschätzung erhalten. Das gute
alte Tante-Emma-Prinzip steht im Gegensatz zum effizienten Online-Geschäft und muss
im Konzert des Multi-Channel ebenso gut gespielt werden. Hierbei gilt es insbesondere im
stationären Vertrieb die richtigen Formate zu finden und bereits Jahrzehnte lang etablier-
te Verkaufstechniken wie z. B. die persönliche Ansprache im Store, die uneingeschränkte
Serviceorientierung oder auch die Zugabe von kleinen Geschenken neu aufleben zu lassen.
Nach all diesen Aspekten treibt nicht zuletzt der betriebswirtschaftliche Druck, dem auch
zunehmend die Luxusunternehmen ausgesetzt sind, die Bedeutung des Multi-Channel-
Managements weiter. Dabei wird das Multi-Channel-Management über Ansätze zur
Steigerung der Marketing- und Vertriebseffizienz oder Return-on-Marketing-Investment
als Möglichkeit zur Effizienzsteigerung in der Vermarktung gesehen. Dies bedeutet in
der Folge, dass Multi-Channel-Management stark einhergeht mit der möglichen Opti-
mierung von Vertriebskanälen, der Fokussierung von Budgets und der Reduzierung der
Vermarktungsaktivitäten auf die effizientesten Kommunikationskanäle.

15.3 Zielrahmen für ein erfolgreiches Multi-Channel-Management


von Luxusmarken

Zum Aufbau eines erfolgreichen Multi-Channel-Managements können für Hersteller


von Luxusmarken vielerlei Ziele maßgeblich sein. Wir unterscheiden im Folgenden drei
Zielebenen (Abb. 15.2):

• Wirtschaftliche Ziele
• Kunden- und markenbezogene Ziele
• Operative Ziele

Im Bereich der wirtschaftlichen Ziele steht meist das profitable Wachstum des Luxusun-
ternehmens an oberster Stelle. Damit muss dem Multi-Channel-Management im Kern
ein Spagat zwischen Maximierung von Reichweite zum einen und einer ausreichenden
Kosteneffizienz zum anderen gelingen. Das Führen von eigenen Flagship-Stores in der
Fashion-Industrie galt auf Basis hoher Einrichtungs- und Unterhaltskosten lange Zeit
als unprofitabler Kanal im Distributionsmix, wurde dann aber vielfach als langfristige
„Investition in die Marke“ verbucht [19]. Eine Erreichung von Wachstumszielen kann
242 K. Manninger

Zielebene Beispiele

 Wachstum
Wirtschaftliche
 Distributionsgrad/Reichweite
Ebene
 Vertriebskosten

Kunden- und d  Zielgruppen


markenbezogenen  Image
Ziele
 Authentizität

 Kontrolle
Operative Ziele  Multiplizierbarkeit (international)
 Standardisierung

Abb. 15.2 Mögliche Ziele für ein erfolgreiches Multi-Kanal-Management einer Luxusmarke

beispielsweise wesentlich über die Steigerung des Distributionsgrades erfolgen. Hierfür


müssen entsprechende Entscheidungen über die horizontale und vertikale Ausgestaltung
der Vertriebsstruktur getroffen werden [11]. Ziel ist ein aus Sicht von Kundenpotenzialen
optimiertes Zusammenspiel der verschiedenen Vertriebskanäle. Einer Distributionserwei-
terung sind andererseits die Vertriebskosten gegenüberzustellen. Eine detaillierte Kenntnis
der Profitabilität der einzelnen Vertriebskanäle sowie der entsprechenden Handelsspannen
führt gegebenenfalls zu Verschiebungen in der Wahl des geeigneten Vertriebskanal-Mixes.
Das Wegfallen der Handelsspanne im eigenen Retailvertrieb kann die höheren Fixkosten
amortisieren und das Führen eigener Stores und Outlets zu einer profitablen Strate-
gie machen. Zusätzliche Faktoren wie Kundenfrequenz oder Flächenproduktivität sind
in diesem Zusammenhang jedoch zusätzlich zu beachten. Im Bereich der Marketing-
Kommunikation spielen wirtschaftliche Gesichtspunkte schon seit geraumer Zeit eine Rolle.
Waren Reichweiten und Kontakthäufigkeiten ursprünglich die Zielgrößen für die Wahl des
Kommunikations-Mixes, finden heute Konzepte wie der Return-on-Marketing-Investment
Anwendung und stellen damit einen direkten Bezug zu den wirtschaftlichen Unterneh-
menszielen her. Im Zusammenhang mit dem Multi-Kanal-Management empfiehlt sich der
Einsatz von sogenannten Sales-Funnel-Konzepten, welche die Festlegung konkreter Ziele
über alle Phasen des Kundenprozesses erlauben und damit eine übergreifende Steuerung der
gesamten Multi-Kanal-Performance ermöglichen. Die Messung ist standardisiert möglich
und kann sehr genau auf die individuellen Anforderungen des Unternehmens ausgerichtet
werden.
Ebenso wichtig wie die wirtschaftliche Ebene sind im Luxus die kunden- und marken-
bezogenen Ziele in Bezug auf die Ausgestaltung einer Multi-Kanal-Strategie. Die Wahl der
eingesetzten Vertriebs- und Kommunikationskanäle muss die exklusive Positionierung der
15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ 243

Marke herausstellen und im Einklang stehen mit den hohen Ansprüchen der Kunden. Die
Errichtung eines exklusiven Partner-Vertriebssystems über hochqualifizierte Fachhändler,
wie beispielsweise im Bereich der Luxusuhrenindustrie üblich, unterstützt dann optimal
die wichtigen Imagedimensionen wie Exklusivität, Qualität und technische Kompetenz.
In der Regel entsteht hierbei ein Zielkonflikt zwischen den wirtschaftlich ambitionier-
ten Wachstumszielen und den Markenansprüchen. Denn eine breit angelegte Distribution
schafft Kundenreichweite, resultiert aber meist in sinkender Kontrolle über den eigenen
Markenauftritt. Auch hier hat die Fashionindustrie über die letzten Jahre vermehrt ex-
perimentiert und versucht, über neue Formate wie beispielweise Shop-in-Shop Systeme
dem exklusiven und hochwertigen Anspruch der Marken in einem breit angelegten Han-
delsumfeld gerecht zu werden. Als wesentlich in diesem Zusammenhang stellt sich dabei
die Kooperationsbereitschaft der jeweiligen Handelskette heraus. Je enger eine Zusammen-
arbeit und Abstimmung möglich ist, desto besser kann ein gewünschter Markenauftritt
erzielt werden. Promotion-Aktionen sind oftmals ein zentraler Konfliktpunkt zwischen
Luxushersteller und Handelsvertreter und bedürfen einer eindeutigen Regelung im Sinne
der Marke. Bezogen auf die Wahl von Vertriebs- und Kommunikationskanälen ist im Falle
von Luxusmarken außerdem eine hohe Authentizität sicherzustellen. Der Kanalmix muss
„intuitiv“ zur Marke passen. Die Einführung des Onlineshops des Handtaschen-Herstellers
Louis Vuitton hat in diesem Zusammenhang beispielsweise an den vorhandenen Mythen
der Marke gekratzt. Der öffentliche Verkauf der Produkte außerhalb der exklusiven Louis
Vuitton Stores sowie eine transparente Kommunikation der Preise passen nicht authentisch
zum Image einer „limited and hardly affordable handbag“. Insgesamt muss man feststellen,
dass aus Markensicht oftmals zu leichtsinnig in den Online-Verkauf von Luxusmarken-
artikeln eingestiegen wird, ohne dabei die Implikationen auf die Markenwahrnehmung
ausreichend zu untersuchen.
Die operativen Ziele des Multi-Kanal-Managements resultieren meist aus den wirt-
schaftlichen und markenbezogenen Zielen. Operativ besonders wichtig im Bereich des
Luxus gestaltet sich die Kontrollierbarkeit der Vertriebs- und Kommunikationskanäle. Ein
wesentlicher Grund für die Renaissance des Eigenvertriebs im Bereich von Mode und
Accessoires der letzten Jahre ist darin begründet, dass ein kontrollierter und perfekter Mar-
kenauftritt gerade am Point-of-Sale zu einem unverzichtbaren Schlüsselfaktor geworden ist
und eigene Shops zur bewussten Herausstellung und Differenzierung der Marke eingesetzt
werden. Komplexe und teure Vertriebsformate müssen darüber hinaus im internationalen
Kontext einfach zu multiplizieren sein. Damit kann gleichzeitig ein hohes Maß an Einheit-
lichkeit und damit Perfektion sichergestellt werden, ein Merkmal, welches wesentlich den
Auftritt professioneller Luxusmarken prägt. Konsistenz muss außerdem eines der führen-
den Kriterien bei der Einführung des Online-Vertriebes sein, denn unterschiedliche Preise
und Kollektionen könnten als „unprofessionell“ ausgelegt werden.
244 K. Manninger

Marken-
präsenz M
Mono-Label Multi-Label

Rechtliche Eigenvertrieb Franchise Duty Free Partner- Franchise Duty Free


Systemform Partner- schaften Partner-
schaften schaften

Ausge- Flagships Softshops


staltung
Concept Stores Shop-in-Shops

Pop-up Stores Corners

Outlets Concessions

Depots

Retail Wholesale

Abb. 15.3 Systematisierung stationärer Vertriebsformen in der Fashion-Industrie

15.4 Aktuelle Herausforderungen im erfolgreichen


Multi-Kanal-Management von Luxusmarken

Neben den klassischen Entscheidungstatbeständen in der Distributionspolitik [11], werden


an dieser Stelle die drei aus unserer Sicht derzeit relevantesten Themen im Zusammenhang
mit dem Multi-Kanal-Management von Luxusmarken näher beleuchtet. Sie prägen die ak-
tuelle Diskussion um das Multi-Kanal-Management weitestgehend und sind entscheidend
für eine erfolgreiche Umsetzung.

15.4.1 Kontrollierter Einsatz multipler Retail-Formate

Die Vielfalt an stationären Vertriebsformen im Bereich der markenorientierten, hoch-


wertigen Konsum- und Gebrauchsgüter hat über die Jahre inflationär zugenommen
(Abb. 15.3).
Man kann gerade in kürzerer Vergangenheit einen klaren Trend zu Mono-Label-Stores
feststellen. Nimmt man die Marke als einen zentralen Ankerpunkt in der Ausgestal-
tung der Vertriebsstruktur, weisen Mono-Label-Stores wesentliche Vorteile gegenüber dem
traditionellen Multi-Label Einzelhandel auf. Einheitliche und singuläre Markierung der
Einkaufstätte, perfekt inszenierte Warenpräsentation, kontrollierte Auswahl der Standorte
sind einige der vielen Argumente, welche diesem Konzept zu Gute kommen [13]. Die
wachsende Verbreitung von eigenem Retail (dem sogenannten DOS = Directly Operated
Stores) ist generell Ausdruck eines strukturellen Wandels, welcher sich beispielsweise in
15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ 245

% of Retail Sales
110%

100% R2=0,8591
Louis Vuitton

90%

80%
Gucci Division
70%
Hermés
60% Coach

Bulgari
50%
Escada
Tod's Group
40% Group Richemont Burberry
Polo RL LVMH
30%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%

EBIT Margin (%)

Abb. 15.4 Zusammenhang Eigenvertrieb und Ergebnis in der Luxusindustrie. (Quelle: KEYLENS
Research Center 2008)

weiten Bereichen der Mode- und Accessoires-Industrie vollzieht. Im Kern erkennt man
eine eindeutige Veränderung in der Rollenverteilung zwischen Hersteller und Händler. Un-
ternehmen wie Hugo Boss verfolgen die Strategie, sich von einem Modehersteller zu einem
Mode-Retailer zu entwickeln und forcieren dabei massiv den Handel über die eigenen
Retail-Stores sowie den Online-Kanal. Dabei kann das System auch von großen Chancen
im Bereich der Logistik profitieren. Eine direkte Steuerung des Warenflusses von der Pro-
duktion bis auf die Stange führt am Ende zu enormen Kosteneffizienzen. Zudem lassen
sich gerade in einem kollektionsgetriebenen oder saisonalen Geschäft die Waren nachfra-
gegerecht steuern sowie Abverkaufsdaten direkt zur Planung der nächsten Kollektionen
verwenden. Dadurch wird neben dem Abverkauf auch der Produktinnovationsprozess
kundenorientierter gesteuert.
Dass eine verstärkte Orientierung in Richtung Eigenvertrieb am Ende höchst ergeb-
nisrelevant ist, zeigt ein Vergleich führender Luxuskonzerne weltweit (Abb. 15.4). Ein
direkter Zusammenhang zwischen Eigenvertriebsquote und betriebswirtschaftlichem Er-
gebnis kann hieraus angenommen werden und unterstützt damit die in diesem Kapitel
aufgestellten Hypothesen.
Der direkte Kontakt des Herstellers mit seinen Kunden wirft auch ein neues Licht auf
den Vermarktungsansatz. Waren bislang die Groß- und Einzelhändler die primären Kun-
den, rücken nun die Konsumenten in das Zentrum der Bemühungen. Der Aufbau und
die Pflege von Verbraucherbeziehungen erfordert neue Kompetenzen und Systeme aus
dem CRM-Bereich (Customer Relationship Management). Je mehr Informationen über
246 K. Manninger

die Verbraucher gesammelt werden können, desto effektiver kann eine gezielte Marketing-
Bearbeitung ausgestaltet werden. Die Pflege von direkten Verbraucherbeziehungen spielt
bei investitionsartigen Luxusgütern wie z. B. Luxusuhren oder Luxusautomobilen schon
länger eine wichtige Rolle in der Vermarktung. Verbraucher werden hier als V.I.P.-Kunden
mit attraktiven Event-Angeboten oder Zusatzservices an die Marke gebunden. So unter-
hält der Uhrenhersteller Jaeger LeCoultre beispielsweise eine langjährige Partnerschaft mit
Aston Martin, bei der Kunden in den Genuss der legendären und exklusiven Race-Events
kommen können und die Uhrenmarke in diesem Kontext als besonders „emotional“ und
„präzise“ erleben. Der Aufbau von Kundenwissen sollte außerdem an den Verkaufspunk-
ten zu verstärkter Kundenorientierung eingesetzt werden. Eine persönliche Ansprache und
Betreuung der „guten Kunden“ war schon zu Zeiten von Tante Emma eine Erfolgsstrategie,
denn es erfordert bekanntlich nur ein Viertel des Aufwandes, einen treuen Kunden zu behal-
ten, als einen neuen Kunden zu gewinnen. Der persönliche Kontakt, gewohnte Rituale und
Vertrauen sind insbesondere Werte, welche sich das Verkaufspersonal in unsicheren wirt-
schaftlichen Zeiten besonders zu Nutze machen kann, um sich gegenüber dem Wettbewerb
positiv zu differenzieren. Eine stark persönliche Betreuung kann jedoch auch zum Risiko
werden, wenn sie nicht konsequent und professionell gestaltet wird, denn Kundenerwartun-
gen passen sich dem erlebten Niveau schnell an und schon kleine Inkonsistenzen können
zu Unzufriedenheit führen. Somit muss in Bereichen wie z. B. dem Personalwechsel die
Übergabe von Kundenbeziehungen gut organisiert sein. Auch gilt es die heutigen Möglich-
keiten der Direktkommunikation (z. B. Mailings) zu nutzen, um über Veränderungen und
Neuigkeiten in der Verkaufsstätte des Vertrauens aus erster Hand zu informieren. Während
dies im Luxus-Facheinzelhandel schon seit Jahren systematisch betrieben wird, schaffen
es die Luxushersteller selbst noch nicht konsequent über ihre eigenen Verkaufspunkte mit
den Kunden One-to-One-Kommunikation zu betreiben. Luxushersteller müssen in die-
sem Zusammenhang auch entscheiden, ob Direktkommunikation aus der Zentrale heraus
einheitlich gesteuert wird oder es den Verkaufsstellen selbst überlassen ist – auch Zwi-
schenlösungen wären hier denkbar. Dabei kommt hinzu, dass beispielsweise Juweliere,
Parfümerien und Autohäuser Direktkommunikation nutzen, um über Produktneuheiten
und zeitlich begrenzte Angebote in eigenen Kampagnen zu informieren.
Lediglich wenige Luxuslabels wie Louis Vuitton konnten bisher konsequent eine ei-
genvertriebsgestützte Mono-Label-Store-Strategie durchhalten. Gerade im Bereich der
schneller drehenden Konsum- und Gebrauchsgüter (u. a. Parfüm, Kosmetik, Mode oder
auch Bürobedarf) bestehen seit jeher sogenannte ,Wholesale‘-Vertriebsstrukturen. Die
Präsenz einer Luxusmarke in Multi-Label-Stores, allen voran hochwertigen Kaufhäusern,
Warenhäusern oder großflächigen Fachgeschäften, wird dabei meist über partnerschaftli-
che geführte Markenflächen gesteuert und muss gegenüber dem klassischen Eigenvertrieb
vor allem durch eine deutlich geringere Kontrollintensität unterschieden werden. Neben
der Gestaltung der Verkaufsfläche spielt insbesondere auch die Bewirtschaftung durch ge-
eignetes Personal eine besondere Rolle in der Effizienz und markenbezogenen Wirkung
dieser Verkaufsstellen. Die Konkurrenz mit direkten angrenzenden Markenwelten erschwert
zusätzlich die eigene Darstellung.
15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ 247

Aus reiner Markensicht ist ein Vertrieb in Multi-Label-Stores für eine Luxusmarke aus
unterschiedlichen Gesichtspunkten heraus kritisch zu bewerten:

• Multi-Label-Stores ziehen in der Regel ein breiteres Massenpublikum an. Die Präsenz
in einem breit angelegten kommerziellen Umfeld steht in Kontrast zur angestreb-
ten „Exklusivität“ einer Luxusmarke. Sie treibt die Wahrnehmung in Richtung einer
,Commoditisierung‘ und unterstützt eine schleichende Preiserosion [14].
• Die direkte Vergleichbarkeit mit (auch günstigeren) Konkurrenzmarken schwächt die
eigentliche „Argumentationskraft“ der Luxusmarke, sich eben nicht über vergleichbare
Leistungen oder Preise zu definieren, sondern über ein exklusives und einzigartiges
Markenimage.

Aus diesen Gesichtspunkten heraus haben sich in den letzten Jahren zahlreiche unter-
schiedliche Kooperationsformen und Flächenformate zwischen den Lieferanten und den
Händlern entwickelt, welche die Alleinstellung der einzelnen Marken auf den Flächen sowie
das inszenierte Markenerlebnis noch stärker forcieren sollen und im Sinne der Hersteller
zunehmende Kontrolle über die bewirtschaftete Fläche ausüben lassen. Als Extremform in
diesem Zusammenhang bestehen die sogenannten Concession Shops, bei welchen abge-
grenzte Teilflächen vom Händler an Lieferanten vollständig „vermietet“ werden und dieser
die Verantwortung für die Bestandsführung sowie den Abverkauf übernimmt. Damit kann
der Hersteller sowohl die Gestaltung der Fläche kontrollieren als auch das eigene Verkaufs-
personal einsetzen [13]. Concessions unterscheiden sich damit strukturell nicht mehr vom
eigentlichen DOS. Die standortbezogenen Nachteile hinsichtlich der Entfaltung einer vollen
Markenwirkung bleiben aber bestehen.
Eine derartig klare Übergabe einzelner Verantwortlichkeiten von Händler zu Hersteller
ist im Facheinzelhandel meist nicht möglich und auch nicht gewollt. Der Facheinzelhändler
nimmt durch seine fachliche Kompetenz und die sehr starke individuelle Serviceorientie-
rung eine besondere Stellung in der Handelslandschaft wahr und nutzt diese Eigenschaften
zur bewussten und existenziellen Differenzierung gegenüber den prominenten Waren- und
Kaufhäusern. Eine Aufteilung der Bewirtschaftung der meist räumlich stark begrenzten
Verkaufsflächen sowie die Einbindung von herstellerbezogenem Personal sind in diesem
Umfeld nicht möglich. Nur selten bestehen darüber hinaus Exklusivitätsvereinbarun-
gen, welche eine besondere Herausstellung und Vermarktung einer einzelnen Luxusmarke
rechtfertigen würden. Somit müssen Luxushersteller über besondere Formen der part-
nerschaftlichen Zusammenarbeit die optimale Vertriebsleistung der Fachhändler fördern.
Die Qualifizierung als „Lizenzpartner“ ermöglicht den Fachhändlern in der Uhren- und
Schmuckbranche beispielsweise den Zugang zu exklusiven Herstellerleistungen, wie z. B.
Schulungen und Werbepartnerschaften und schafft im Gegenzug eine bevorzugte Behand-
lung der Luxusmarke gegenüber den Verbrauchern. Diese „Win-Win“-Beziehung hat sich
in den letzten Jahren als eine erfolgreiche Methode zum Einsatz von Fachhändlern als hoch-
qualifizierte „Markenbotschafter“ entwickelt und wird deshalb in vielen Bereichen der
Luxusindustrie eingesetzt. Zwar zeichnet sich der traditionelle Luxusfachhandel generell
248 K. Manninger

durch eine sehr hohe Herstellerloyalität aus, doch gibt es in einigen neueren Luxusbran-
chen noch nicht derartig eingespielte Strukturen. Hier haben Luxusmarken wie LOEWE
mit der Situation zu kämpfen, dass es zwar einen etablierten Fachhandel für HiFi-Produkte
gibt, dieser aber generell nicht mit den Gepflogenheiten und Anforderungen einer expli-
ziten Luxusmarke vertraut ist und deshalb sowohl bei der Warenpräsentation als auch bei
der Kundenbetreuung nicht zu den Massenprodukten unterscheidet. Auf Grund der hohen
Abhängigkeit vom Fachhandel als primären Vertriebskanal ist LOEWE daher dazu über-
gegangen, das Lizenzpartner-Prinzip in ein mehrstufiges, pyramidales System auszubauen
und je nach vorhandener „Markenkonformität“ die einzelnen Fachhändler in unterschied-
liche Partner-Stufen einzuteilen (z. B. LOEWE-Galerien, PartnerPlus und Partner) [4].
Sowohl das Produktprogramm als auch die sonstigen Leistungen gegenüber dem Fach-
händler werden auf seine individuelle „Luxus-Kompetenz“ zugeschnitten und ermöglichen
LOEWE dadurch eine möglichst kontrollierte Markenpräsenz. Zusätzliche motivatorische
Anreize zur Erlangung der nächsthöheren Stufe können systematisch und schrittweise die
Distributionsqualität in der Breite verbessen.
Eine Strukturierung der eingesetzten Vertriebskanäle einer Luxusmarke nach Grad der
Kontrollierbarkeit sowie der Aufbau von pyramidalen Strukturen kann generell ein wirksa-
mes Strategiemodell sein (Abb. 15.5). Je nach Anzahl der unterschiedlichen Vertriebskanäle
ergibt sich dabei eine deutliche Unterscheidung in einerseits wichtige und hochstrategische
Vertriebspunkte, welche als „Leuchttürme“ der Marke eine hohe Aufmerksamkeitswirkung
und Strahlkraft entfalten sowie Vertriebskanäle, welche für die Erreichung des Distributi-
onsgrades erforderlich sind, aber durch ein abgespecktes Leistungsspektrum nur begrenzte
Markenwirkung einnehmen können.

15.4.2 Etablierung digitaler Flagships und E-Commerce

Das Internet als „demokratisiertes“ Medium stand bei Luxusherstellern lange Zeit im di-
rekten Konflikt zum Exklusivitätsanspruch. Während dieses Vorurteil über die letzten Jahre
immer mehr relativiert wurde, bestehen speziell für den Bereich des E-Commerce jedoch
zusätzlich Hindernisse, die bereits in der Beschaffenheit der Luxusprodukte begründet sind.
Insbesondere hohe Anschaffungskosten und der oftmals geringe Grad an Produktstandar-
disierung machen Onlinevertrieb generell schwierig. Aus Kundensicht ist das Risiko am
Ende zu hoch, um den Kauf per Mausklick zu vollziehen.
Die Unsicherheit im Hinblick auf die eigenen E-Commerce-Potenziale haben Lu-
xusunternehmen zu sehr unterschiedlichen Eintrittsstrategien bewegt. Während sich
Branchenführer wie Chanel noch komplett dem E-Commerce verschließen, verkaufen
Louis Vuitton oder Yves Saint Lauren ihre Accessoires über einen Online-Shop, der Rest
des Sortimentes ist nach wie vor ausschließlich im stationären Shop erhältlich. Marc Ja-
cobs unterhält keinen eigenen Online-Store, die Produkte sind aber bei Luxushändlern wie
Net-a-porter.com erhältlich. Ähnliches gilt für die LVMH-Marken Givenchy, Celine und
Kenzo.
15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ 249

Strategiekonzept Beispiele

LOEWE

 LOEWE-Galerien
hoch


 Partner Plus
Stufe
 
 P
Partner
enbildung

Stufe

V ERTU
Marke


Stufe  10-20 eigene Boutiquen
 
 Juweliere
  Ausgewählte Luxusboutiquen
Stufe
gering

viele wenig viele Ermenegildo Zegna



Anzahl  Flagships
Verkaufspunkte
  Ausgewählte Händler

Abb. 15.5 Beispiele für pyramidale Vertriebskanalstrategien im Luxus

Aus Kundensicht ergeben sich beim Onlinekauf durchaus Vorteile gegenüber stationären
Einkaufstätten. Neben Bequemlichkeit und Schnelligkeit in der Kaufabwicklung kann es
für einige Kunden auch Ziel sein, nicht beim Kauf beobachtet zu werden [4]. Der Online-
Store ist 24 Stunden an 7 Tagen verfügbar. Zudem bildet sich immer mehr eine Zielgruppe
„internetaffiner Luxuseinsteiger“ heraus [5], welche keinerlei Hemmnisse mit dem Um-
gang des Internet haben, Online-Shopping bevorzugen und sogar Online-Werbung für
Luxusmarken wünschen [6].
Bewertet man den Online-Kanal für Luxusunternehmen aus markenstrategischer Sicht,
so gilt es einige Kerneigenschaften des Internet besonders in Betracht zu ziehen:

• Das Internet hat den Ruf eines Shopping-Mediums für Schnäppchen und besonders
günstige Preise. Preisvergleiche, Aktionsplattformen und Discount-Händler prägen
das Umfeld und bieten somit erst einmal nicht den Rahmen, welches den finanziel-
len und emotionalen Wert einer Luxusmarke in das Zentrum einer Kaufentscheidung
rückt. Zudem ist das Internet auch Platz von Imitathändlern, welche oftmals Zweifel an
der Originalität der angebotenen Ware hervorrufen [8]. Eine deutschsprachige Imitat-
Plattform mit dem Namen www.abercrombieshopdeutschland.com.de beispielweise ist
in Aufmachung und Produktangebot vom Originalhersteller Abercrombie & Fitch nicht
zu unterscheiden. Lediglich im Kleingedruckten wird auf die fehlende Originalität der
Ware hingewiesen.
250 K. Manninger

• Das Internet ist ein Massenmedium und generell kann jeder jede angebotene Ware
erwerben. Damit erweitert sich der angesprochene Käuferkreis einer Luxusmarke auto-
matisch – das Luxusprodukt wird praktisch zum Allgemeingut. Für einen Online-Store
besteht nicht mehr die Hemmschwelle, die vor Betreten eines hochwertigen Flagship-
Stores in der Luxuseinkaufsmeile einer Großstadt hervorgerufen wird [3]. Dadurch
bleibt die Marke nicht mehr einer speziellen Käuferschicht vorbehalten. Das alte Lu-
xusprinzip, dass Produkte von vielen begehrt und von wenigen Glücklichen bezogen
werden können, tritt außer Kraft. Andererseits kann diese Ubiquität ganz bewusst zur
Distributionserweiterung eingesetzt werden. Getreu dem Motto: „wenn der Kunde nicht
zu mir kommt, dann komm ich eben zu ihm“, kann dem Online-Vertriebskanal einer
eigenen Rolle im Multi-Kanal-Mix einer Luxusmarke zugeteilt werden. Auch kann eine
zügige Internationalisierung über das Internet bewusst vorangetrieben werden.
• Das Internet ist zwar ein „multi-sensoriales“ Medium, eine ordentliche Produktpräsen-
tation und Beratung analog dem stationären Handel erfolgt allerdings nicht. Für den
Kunden besteht dadurch ein erhebliches Produktrisiko. Er kauft die Ware im Prinzip
„ungesehen“, gibt dafür aber durchaus sehr hohe Geldbeträge aus. In den Bereichen
der Kosmetik spielt darüber hinaus auch das Testen des Produktes eine wichtige Rolle.
Hier werden zwar immer wieder neue Ideen entwickelt, welche das Testen im digitalen
Raume ersetzen sollen. Über „Beautyberater“, bei welchen durch das Hochladen des
eigenen Photos verschiedene Farb- und Stylekombinationen am eigenen Gesicht aus-
probiert werden können, ist am Ende eine funktionale Produktentscheidung möglich,
das persönliche Markenerlebnis bei einem lebendigen Make-up-Artist kann es aber nicht
ersetzen.
• Der Verkauf über das Internet erfordert die transparente Kommunikation der Preise.
War in der Vergangenheit eine Tasche von Bottega Veneta einfach nur „sehr teuer“, kann
man heute mit einer einfachen Google-Suche den tatsächlichen Preis herausfinden. Da-
durch können Luxusmarken einen Teil ihres Mythos verlieren, zumal es oftmals die
günstigen Produkte sind, welche Online zu finden sind. Darüber hinaus sind Preise ins-
besondere in Multi-Brand-Online-Stores zusätzlich im Konkurrenzumfeld vergleichbar.
Merk- und Wunschzettel, Warenkörbe und andere Filterfunktionen lassen eine Voraus-
wahl treffen, um anschließend einen klassischen Preis-Leistungsvergleich anzustellen:
„Ganz im Gegensatz zum stationären Kaufhaus, in dem man in der Regel nicht durch
alle Abteilungen läuft, fünf verschiedene Handtaschen einsammelt, um dann an der
Kasse die endgültige Auswahl zu treffen“.

Bei der Gestaltung eines Online-Shops sind also für Luxusmarkenhersteller besonders
hohe Anforderungen zu erfüllen, die die oben genannten strukturellen Nachteile des Ver-
triebskanals so gut wie möglich umgehen. Nach wie vor bieten zahlreiche Online-Stores
bekannter Luxuslabels ihren Kunden nicht mehr oder weniger als die allseits verfügba-
ren Standard-Shopformate [18]. Neben einer einfachen Navigation und der „ästhetischen“
Produktdarstellung in hochauflösenden Bildern fehlt es an innovativen Ideen, das Produkt-
risiko für den Kunden zu reduzieren und eine „Flagship-Experience“ zu schaffen. Zu einer
15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ 251

echten „Flagship“-Experience gehören in der Regel das besondere Produkterlebnis, eine


außergewöhnliche Kaufatmosphäre sowie eine persönliche Kaufbetreuung.
Zwar ist das klassische „Touch & Feel“ der Produkte im Vorfeld zum Kauf im Online-
Bereich schwer möglich, jedoch kann durch geschickte Nutzung der technologischen
Möglichkeiten durchaus eine hochemotionale Produktpräsentation ermöglicht werden.
Luxusmarken verwenden nach wie vor viel Zeit und Energie für die Erstellung ästhetisch
ansprechender Product-Shots, welche Zusatzfunktionen wie Nah-Zoom und 360-Grad
Drehbewegungen erlauben [12]. Dabei hat sich herausgestellt, dass Online-Käufer selten
ein klassisches „Window-Shopping“ betreiben, sondern sehr zielgerichtet Produkte auf-
rufen und auswählen. Meist haben sie sich bereits vorher in anderen Medien informiert.
Zudem haben sie gleichzeitig viele verschiedene „Fenster“ offen, so dass sie über eines in der
Regel sehr schnell hinwegbrowsen [17]. Premium-Autohersteller sind dazu übergegangen
auf ihren Websites neben der funktionalen Beschreibung der Produkt-Features hochwertige
Produktvideos zu präsentieren, welche das Fahrerlebnis in den Mittelpunkt rücken. Zwar
sind diese Filme mit enormen Erstellungskosten verbunden, schaffen aber einen emotio-
nalen Mehrwert, welcher selbst im klassischen Autohaus so nicht zu vermitteln ist. Es lässt
sich die Hypothese wagen, dass „die Entführung in eine Serpentinenfahrt im Sonnenun-
tergang“ am Ende stärker Relevanz für ein Produkt aufbauen kann als der Blick durch ein
nüchternes Schaufenster vor Ort.
Das Fehlen an Test und Probiermöglichkeiten wird von den Kunden selbst meist da-
mit gelöst, dass beispielweise im Modebereich mehrere Größen vom gleichen Artikel auf
einmal bestellt werden, um dann zu Hause das Anprobieren nachzuholen und einen Teil
der Lieferung wieder an den Hersteller oder Händler zurückzusenden. Rücksendungs-
quoten von 30–40 % sind im Fashion-Bereich keine Seltenheit und tragen wesentlich zur
eingeschränkten Profitabilität des E-Commerce-Kanals bei [20].
Dass beim Aufbau der Online-Shopping-Experience generell noch nicht die gleichen
Maßstäbe angelegt werden wie im Offline-Bereich, zeigt auch der sparsame Umgang
mit weiteren, standardmäßig eingesetzten Erlebniselementen. Hintergrundmusik ist bei-
spielsweise in Luxus-Onlinestores genauso selten zu finden wie die Zugabe von kleinen
Aufmerksamkeiten und Geschenken oder die Geschenkverpackung auf Wunsch. Ledig-
lich einige wenige Luxuslabels bieten Online besondere Serviceleistungen an wie z. B.
Louis Vuitton mit einem Monogramm-Service oder Ralph Lauren mit der „Rugby-Shirt
Customization“ [16].
Am Ende sprechen insbesondere aus wirtschaftlicher Sicht die im Verhältnis gerin-
gen Kosten und die gleichzeitig hohe Reichweite für die Einrichtung eines Online-Shops.
Während der Aufbau eines professionellen Online-Shops mit etwa 200.000 € zu Buche
schlägt [20], schätzt Bernstein Research das Investment zur Einrichtung eines durchschnitt-
lichen Flagship-Stores im Fashion-Bereich auf etwa 3–4 Mio. € [19], bei einer geschätzten
Kundenfrequenz von etwa 220 Shopbesuchern pro Tag [18].
Operativ muss eine genaue Abstimmung zwischen Online-Store und stationärem Ver-
trieb im Sinne eines optimalen Multi-Kanal-Managements erfolgen. Ein Konflikt mit den
bestehenden Handelspartnern lässt sich dabei nur selten umgehen. Eine klare Strategie und
252 K. Manninger

Beispiel Unternehmen X

Offline Online

Gestaltungs-
Differenziert Harmonisiert Differenziert
elemente

 Kernzielgruppe weiblich  Junges Klientel


Zielgruppe  Wohlhabende „Mittvierziger“
25-49 Luxuseinstieg

 Maßanfertigung
(Customer Fit)  Trendsortimente
Sortiment  Schwerpunkt Business  Alle Warengruppen  Online-Specials
 Differenzierung nach  Keine Maßanfertigung
Storeformat

 Einheitliche Preisgestaltung
Preise  keine  keine
 Promotions Online + Offline

Services  Persönliche Beratung  Einheitliche Kulanz- und  Gravurservice


Treuegeschenke Umtauschregelung  Ubiquität 24/7

 Zentrale Kundendatenbank
Kunden-  keine  Kanalübergreifend  keine
bindung kombinierte Maßnahmen

Abb. 15.6 Modellrahmen zur Abstimmung Offline- versus Online-Vertrieb

die deutliche Differenzierung des Online-Kanals zu den anderen Vertriebskanälen können


hier maßgeblich für eine erfolgreiche Umsetzung sein. Insbesondere weil bei entsprechen-
der Ausgestaltung sich die Kanäle ergänzen und nicht kannibalisieren. Ganz im Gegenteil,
die Gesamtbeurteilung der Kunden gegenüber dem Unternehmen steigt mit der Anzahl der
angeboten Kanäle [21].
Zur Abstimmung zwischen Offline- und Online-Vertrieb möchten wir an dieser Stelle
vier wesentliche Gestaltungselemente näher beleuchten. Darüber hinaus sind natürlich
immer alle Bereiche des Marketing-Mix auf die Vertriebskanäle entsprechend abzustimmen
(Abb. 15.6).

• Auswahl von Sortiment und Produkten


• Serviceangebot
• Umtausch- und Kulanzregelungen
• Kundenbindung

Eine kanalübergreifende Synchronisation beginnt bereits bei der Auswahl der Sortimente
oder Produkte. Aus Kundensicht gibt es zunächst keinen Grund, warum im Online-Shop
nur ein begrenztes Sortiment verfügbar sein sollte. In einem abgestimmten Multi-Kanal-
Vertriebsmodell sollte der Kunde in der Lage sein, zwischen den Kanälen nach Belieben zu
wechseln, um sich über ein Produkt zu informieren, es zu probieren und zu erwerben [15].
Ausnahmen sind Luxusprodukte, bei welchen ein spezielles Fitting, eine Maßanfertigung
15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ 253

oder Beratungsleistung einen Teil der Leistungserbringung umfassen und diese Leistungen
Online nicht verfügbar gemacht werden können. Neben der aus Herstellersicht anzu-
strebenden „Harmonisierung“ kann auch eine bewusste „Differenzierung“ zur Stärkung
einzelner Kanäle oder auch zur Profilierung der Gesamtmarke eingesetzt werden. Spezielle
Aktionsprodukte für den Online-Shop können beispielsweise die Besuchsfrequenz signifi-
kant steigern und den Online-Kanal als trendorientierten Vertriebskanal für eine jüngere
Zielgruppe positionieren, ohne den traditionellen Fachhandel mit einem eher älteren Klien-
tel zu stark zu kannibalisieren. Eine ständige Optimierung des Online-Sortiments auf Basis
der konkreten Absatzzahlen ist darüber hinaus aus wirtschaftlicher Sicht ohnehin immer
sinnvoll und führt in der Regel automatisch zu veränderten Sortimentsschwerpunkten.
Hinsichtlich des Serviceangebots gilt es bei der Abstimmung zwischen Offline- und
Online-Vertrieb zunächst grundsätzlich nach den Kerneigenschaften der entsprechenden
Vertriebskanäle zu unterscheiden. Während an den stationären Verkaufsstellen eine per-
sönliche Beratung, Probe, Fitting usw. möglich sind, kann der besondere Service im
Online-Geschäft aus besonderer Schnelligkeit und der 24-Stunden Verfügbarkeit bestehen.
Sind bestimmte Artikel beispielsweise in einem Offline-Store bereits aktuell nicht auf Lager
kann der aktive Verweis des Verkaufspersonals auf die Produktverfügbarkeit im Online-
Store ein positives Signal in Richtung Multi-Kanal-Management sein. Eine tiefergehende
Style- oder Typberatung wird oftmals als ein weiterer Bestandteil einer Servicedifferen-
zierung im Onlinekanal eingesetzt. Eine derartige Leistung ist auf Grund der begrenzten
Ressourcen und hohen Personalbindungskosten im stationären Handel heute nicht mehr
möglich.
Auf Grund rechtlicher Rahmenbedingungen und der Beschaffenheit des Online-
Kaufprozesses kommt oftmals zu einer unterschiedlichen Ausgestaltung der Umtausch-
und Kulanzregelungen. Im Sinne der Kanalkonvergenz sollte ein Kunde generell in der La-
ge sein, einen online erworbenen Artikel auch im stationären Handel umzutauschen oder
zurückzugeben. Dies scheitert jedoch meist an internen Strukturen. Zu unterschiedlich
sind die Vertriebskanäle prozessual und organisatorisch verankert. Weiterhin wären Abläu-
fe, in denen Intermediäre, wie z. B. Franchisenehmer oder Fachhändler involviert werden,
zu komplex und nicht mit vertretbarem Ressourcen- und Kostenaufwand organisierbar.
Die Abstimmung der Kanäle sollte daher zumindest einheitliche Regelungen hinsichtlich
Umtausch und Kulanz beinhalten.
Die Nutzung von Programmen zur Kundenbindung lässt sich kanalübergreifend sehr
gut optimieren und sogar ausbauen. Das Sammeln von Punkten auf einer Kundenkar-
te sowie die Speicherung von Kundentransaktionsdaten ist Online wie Offline in ein
und demselben Kundenbindungsprogramm möglich. Die dabei kombiniert gewonne-
nen Daten ermöglichen eine noch gezieltere Ansprache und Bearbeitung der Kunden.
Ein vollständiges und einheitliches Bild des Kunden über alle Vertriebs- und Kom-
munikationskanäle kann zu einem wesentlichen Wettbewerbsvorteil führen, wenn der
Informationsfluss an alle Vertriebsstellen sichergestellt ist. Werden beispielweise im Online-
Store Produktempfehlungen auf Basis zuletzt getätigter Käufe im stationären Handel
ausgesprochen, verschmilzen die Grenzen zwischen Online und Offline im Sinne eines
optimalen Multi-Kanal-Managements.
254 K. Manninger

Zuletzt muss erwähnt werden, dass dem Luxusonlinehandel über Multi-Brand-Stores


in den nächsten Jahren teilweise größere Chancen zugerechnet werden, als den reinen
Monomarkenstores [20]. Der derzeit größte E-Commerce-Anbieter im Luxus-Segment
Net-a-Porter erreichte in 2009/2010 bereits einen Umsatz von 143 Mio. € und verzeich-
net jährlich zweistellige Wachstumsraten (Spieler). Viele spezialisierte Modehäuser wie
Eickhoff in Düsseldorf, Apropos in Köln und Maendler in München sind bereits mit Multi-
Marken-Shops online vertreten. In Sachen Sortimentsgestaltung trifft man dort jedoch
oftmals nur auf Einzelstücke oder Teilsortimente. Mit dem Sortiment steigen logistischer
Aufwand, Personal- und Vermarktungskosten, so dass viele kleine Händler vor den Kon-
sequenzen des Onlinegeschäftes schnell zurückschrecken. Für Luxusmarkenhersteller gilt
es daher genauestens zu prüfen, mit wem eine Partnerschaft von Vorteil sein kann. Mit
Net-a-porter, Styebop und mytheresa dominieren im Markt der Luxusmode beispielweise
drei Spieler, welche sich den Markt derzeit aufteilen und mit einzelnen Designer-Labels
durchaus signifikante Volumina erzielen.

15.4.3 Schaffung von Erfolgsmodellen in der


Multi-Kanal-Kommunikation

Mit der Entstehung unzähliger Online-Werbeformen sowie den sich nun bietenden Mög-
lichkeiten der Social Media werden heute gänzlich neue, besondere Anforderungen an eine
,integrierte Kommunikation‘ von Luxusmarken gestellt. Zum einen ist werbliche Kommu-
nikation nicht mehr einseitig, sondern wechselseitig orientiert, was die Komplexität bei der
Planung und Durchführung von Kommunikationskampagnen erhöht. Musste man früher
lediglich Werbung schalten, müssen heute zusätzliche Dialoge und ,User Generated Con-
tent‘ verarbeitet werden. Zudem verfließen die Grenzen der Nutzung zwischen Offline- und
Online-Kommunikation immer mehr, so dass integrierte Kommunikation nicht nur einen
qualitativ und inhaltlich einheitlichen Auftritt über alle Kontaktpunkte bedeutet, sondern
darüber hinaus auch die Planung von komplexen Customer Journeys beinhaltet.
Für viele Luxusunternehmen ist dies ein Paradigmen-Wechsel, folgten Werbestrategien
bis vor kurzem den traditionellen Mustern aus exklusiven TV-Spots, Printanzeigen oder
umfangreichen Sponsoring- und Pressevents. Insbesondere der Hype um Facebook als
mögliches Medium zur Kundenkommunikation hat viele Luxusunternehmen den Einstieg
in die Welt der Online-Kommunikation wagen lassen. Dior, Armani, Chanel und Co.
führen heute umfangreiche Facebook-Profile und erreichen damit mehrere Millionen Fans.
Verbindungen zu Twitter-Accounts, Youtube-Channels und Online-Stores schaffen eine
Vielzahl an weiteren möglichen Kontaktpunkten mit der Marke. Dabei spielt die Tatsache,
dass die Marke am Ende nur eine ganz begrenzte Zielgruppe anspricht mittlerweile keine
Rolle im Einsatz dieser Medien mehr. Vielmehr werden diese Kanäle genutzt, um verstärkt
Imagebildung zu betreiben. Hochwertige HD-Filme, Live-Events und Dialoge schaffen
einzigartige Markenerlebnisse, in einer Form, wie sie weder in den klassischen Medien
noch am Point of Sale möglich gewesen wären.
15 Herausforderung „Multi-Channel-Management“ 255

Im Kern einer Multi-Channel-Kommunikationsstrategie muss also die Frage ste-


hen, welchen Kanälen welche Rollen in der Kundenkommunikation zugewiesen werden.
Sämtliche Vermarktungsaktivitäten einer Marke sollten am Ende auf den individuel-
len Kaufprozess der Kunden abgestimmt sein und in ihrer Kombination die maximale
Abverkaufswirkung erzielen. Aktuelle Studien ergeben, dass Luxuskunden das Internet ins-
besondere dazu verwenden, sich inspirieren zu lassen und über Produkte zu informieren.
Eine Unterstützung dieses Informationsprozesses durch Social Media Aktivitäten kann also
besonders zielführend sein, wenn die eigene Zielgruppe diese Kanäle vermehrt nutzt.
Um die einzelnen Stufen in der Vorkaufphase systematisch abzubilden, sind Werbe-
agenturen dazu übergegangen, sogenannte ,vernetzte Kampagnen‘ zu kreieren, welche den
Kunden auf eine regelrechte „Reise“ durch verschiedene Online- und Offline-Kanäle neh-
men. So hat Jaguar zur aktuellen Einführung der neuen XF-Baureihe durch eine klassische
TV- und Printkampagne Aufmerksamkeit bei Interessenten generiert, diese dann für weite-
re Informationen in Online-Kanäle gelockt und dort am Ende direkt die Verbindung zum
nächsten Retailer hergestellt.
Dabei hat sich das Konzept des ,führenden Kanals‘ bewährt. Es wird festgelegt, an wel-
chen zentralen Punkt die Interessenten am Ende geleitet werden sollen, um einen Kauf-akt
abzuschließen. Sollte dies beispielsweise der Online-Shop sein, ist sicherzustellen, dass
sämtliche Vermarktungsaktivitäten eine Verbindung zum Shop herstellen. Idealerweise
werden zusätzliche Anreize geschaffen (beispielsweise durch Rabatte, Goodies etc.), um
die Wahrscheinlichkeit für einen Store-Visit zu erhöhen. Sollte der führende Kanal im
stationären Vertrieb liegen, liegt die zentrale Herausforderung in der Zusammenarbeit
mit dem Fachhandel. In wenigen Fällen erfolgt heutzutage eine systematische Übergabe
von Kaufinteressenten zwischen Hersteller und Händler. Dabei können gerade auf der
Hersteller-Website generierte Interessenten ohne großen Aufwand direkt an den nächst ge-
legenen Fachhändler übergeben werden. Die Bearbeitung dieser Interessenten durch den
Fachhandel bedeutet zwar zusätzlichen Aufwand, kann aber als besondere Serviceleistung
des Fachhändlers interpretiert werden und garantiert in der Regel eine aussichtsreiche
Erfolgsquote.
Auch der After-Sales-Service ist bei vielen Luxusmarken ein wesentliches Element in
der Kundenkommunikation. Zahlreiche Serviceleistungen sowie Kundenbindungsmaß-
nahmen lassen sich über den Online-Kanal effizient erweitern und verbessern. Ein gezieltes
Kanal-Management kann hier sogar zu einem Differenzierungsfaktor im Markenauftritt
werden. Beispielsweise bietet Mont Blanc auf seiner Website Services an, welche keinen
Weg in ein Fachgeschäft erfordern. Federtauschservice, Nachfülldienst und Gravurservice
lassen sich zum Teil online durchführen und erhöhen die wahrgenommene Serviceleis-
tung des Unternehmens. Je nach Serviceleistung ist für eine Luxusmarke zu entscheiden,
ob der persönliche Kontakt vor Ort oder der Convenience-Aspekt des Internet wichtiger
zur Erreichung des angestrebten Serviceniveaus und der Markenwahrnehmung sind.
In der Aussteuerung der zahlreichen Kontaktpunkte in den verschiedenen Phasen des
Kundenprozesses (vor und nach dem Kauf) spielt neben der Effektivität insbesondere auch
die Konsistenz des Markenauftrittes für Luxusunternehmen eine Rolle. Luxusmarken zeich-
256 K. Manninger

nen sich besonders dadurch aus, dass sie sich perfekt präsentieren und höhere Ansprüche
an ihre Qualität legen [2]. Ein perfektes Kundenerlebnis kann erst dann entstehen, wenn
die Summe aller wahrgenommen Kommunikationselemente ein stimmiges Bild ergibt. Der
Auftritt in Social Media muss damit beispielsweise nach den gleichen Prinzipien ausgestaltet
werden wie eine hochwertige TV-Kampagne. Ein nur sporadisch geführtes Facebook-Profil
mit weniger als einhundert Fans schadet unter Umständen dem Bild der hochwertigen
Luxusmarke und sollte daher vermieden werden.
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die Multi-Channel-
Kommunikation bei Luxusmarken mehrstufig aufgebaut werden muss. Neben der Wahl
der richtigen Online- und Offline-Kanäle gilt es im Kern die richtigen Customer Journeys
zu definieren. Eine konsistente inhaltliche Ausgestaltung sämtlicher Kontaktpunkte schafft
am Ende den erforderlichen Markenauftritt.

15.5 Fazit und Ausblick

Multi-Channel-Management ist für Luxusunternehmen hoch relevant. Im Kern geht es dar-


um, sich teilweise von traditionellen Modellen in Marketing und Vertrieb zu lösen und auf
die Herausforderungen der digitalen Kommunikation und des E-Commerce einzustellen.
Dabei muss jede Luxusmarke bewusst ihr eigenes Modell entwickeln. Denn so einzigartig
jede einzelne Markenpositionierung, so individuell gilt es die passenden, markenkonfor-
men Kontaktpunktpunkte beim Kunden auszuwählen und zu gestalten. Dabei muss den
Veränderungen in den Ansprüchen und Bedürfnissen der heutigen Kundschaft Rechnung
getragen werden. Denn zum einen bilden sich neue Einstiegs-Luxuszielgruppen heraus,
die gezielt eine ,Online-Shopping-Experience‘ suchen, zum anderen nutzen Kunden im-
mer mehr verschiedene Medien gleichzeitig. Das Multi-Channel-Management entwickelt
sich zu einem Cross-Channel-Management, in dessen Fokus die optimale Gestaltung ei-
ner kanalübergreifenden Customer Journey steht. Es wird in Zukunft wichtiger sein, die
effizientesten Kontaktwege zu definieren als lediglich die effizientesten Kanäle kombiniert
einzusetzen. Dabei darf bei aller Komplexität der Aufgabenstellung niemals der Mythos
und die Authentizität einer Luxusmarke verloren gehen. Somit kann sich eine Multi-
Channel-Strategie unter Umständen auch durch Einfachheit auszeichnen, ohne das gesamte
Instrumentarium verfügbarer Kommunikations- und Vertriebskanäle auszuschöpfen.

Literatur

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Externe Call Center Agents als
Luxusmarkenbotschafter am Telefon und in 16
Sozialen Netzwerken

Verena König

Zusammenfassung
In diesem Artikel geht es um Maßnahmen, mit denen Call Center-Agents zu Luxus-
markenbotschaftern am Telefon und in Sozialen Netzwerken aufgebaut werden können.
In den vergangenen Jahren ist bei Luxusmarkenherstellern das Bewusstsein für exzel-
lenten Kundenservice gestiegen und auf Grund steigender Kundenerwartungen wird
zunehmend auf die Unterstützung von externen Call Centern zurückgegriffen. Die-
se Unterstützung bezieht sich nicht nur auf die klassischen Aufgaben wie telefonische
Beratung und Bestellung, sondern auch zunehmend auf ein Engagement in Sozialen
Netzwerken. Doch bei einer Zusammenarbeit mit externen Call Centern stehen den
Chancen der Unterstützung auch Risiken gegenüber. Zu den Risiken gehört z. B. ein
mangelnder Aufbau von Markenverbundenheit auf Grund einer nicht direkten Ar-
beitsbeziehung und der spezifischen Arbeitsbedingungen in Call Centern. Daneben
müssen externe Call Center Agents häufig neben einer Luxusmarke auch noch an-
dere Marken vertreten. Vor diesem Hintergrund soll der folgende Beitrag auf Basis
einer von König (2010) [17] durchgeführten Studie zentrale Maßnahmen der in-
nengerichteten Luxusmarkenführung diskutieren, die externe Call Center Agents zu
Luxusmarkenbotschaftern machen können.

Prof. Dr. Verena König ()


Professorin an der DHBW,
Inhaberin der Luxusmarken-Beratung MARKEN-KÖNIGIN, Deutschland
E-Mail: verena.koenig@dhbw-mannheim.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 259


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_16, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
260 V. König

16.1 Identität und Image einer Luxusmarke

Um nachhaltig den Unternehmenserfolg zu sichern, versuchen Unternehmen seit eini-


gen Jahren zunehmend ihre Marke-Kunden-Beziehungen durch exzellenten Kundenservice
zu stärken [34, S. 97]. Gerade für Luxusmarkenunternehmen ist eine starke Marke-
Kunden-Beziehung von besonderer Bedeutung, weil sie dabei helfen kann, innerhalb eines
zunehmend stärker werdenden Wettbewerbs und den Gefahren durch eine „Demokra-
tisierung des Luxus“ die Kunden langfristig zu binden. Möglichkeiten im Rahmen des
Kundenservices sind dabei nicht nur Beratung und Bestellung per Telefon, persönlich
oder über das Internet, sondern auch das immer stärkere Engagement in den sozialen
Netzwerken [19].
Für die Erforschung von Luxusmarkenbeziehungen durch Kundenservice eignet sich das
Konzept der identitätsbasierten Markenführung in besonderem Maße, denn nach heutiger
Auffassung folgt die Führung von Luxusmarken anderen Gesetzen als im Premium- oder
im Basismarkensegment, da bei Luxusmarken Faszination und Begehrlichkeit aus ihren
mythisch aufgeladenen Markenidentitäten rühren. Dabei geht die identitätsbasierte Mar-
kenführung davon aus, dass sich eine Marke nur mit Hilfe einer starken Identität gegenüber
Wettbewerbermarken durchsetzen kann [24].
Ganz allgemein fällt jedoch für die Forschung zum Markenmanagement auf, dass lange
Zeit keine einheitliche Definition des Markenidentitätsbegriffs und dessen theoretischer
Fundierung vorlag, vielmehr die Markenidentität oft nur als Metapher verwendet wur-
de. Getrennt behandelt wurden viele Jahre auch die beiden zentralen Perspektiven zur
Markenidentität – zum einen die externe „Outside-in-Perspektive“ und zum anderen die
„Inside-out-Perspektive“, welche die Sichtweise der internen Anspruchsgruppen zur Marke
untersucht. Explizit verbunden wurden diese beiden Perspektiven erstmals im identitätsba-
sierten Markenführungsansatz von Meffert/Burmann (1996) [3, 24, 25]. Hierbei wurde die
Markenidentität definiert als „eine in sich widerspruchsfreie, geschlossene Ganzheit von
Merkmalen einer Marke [. . . ], die diese von anderen Marken dauerhaft unterscheidet“.
Konzeptionell knüpft die Forschung zum identitätsbasierten Markenführungsansatz an
Vorgängermodelle der Markenforschung an und entwickelt diese auf Basis psychologischer
und sozialwissenschaftlicher Forschungsimpulse weiter.
Zur Herausbildung einer starken Luxusmarkenidentität empfiehlt sich vor allem eine
authentische, kontinuierliche und konsistente Markenpolitik, die beim Nachfrager einer
Luxusmarke die erwarteten und gewünschten Assoziationen hervorruft, was wiederum zu
Bestätigung, Zufriedenheit und Vertrauensbildung führt. Vertrauen entsteht folglich durch
Erfahrungen mit der Luxusmarke, das wiederum die Marke-Kunden-Beziehung stärken
und damit zu einer langfristigen Kundenbindung beitragen kann [3].
Für die identitätsbasierte Luxusmarkenführung liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, den
so genannten Fit, also die Übereinstimmung zwischen Selbstbild (Identität) und Fremdbild
(Image) der Luxusmarke, sicherzustellen. Um diesen Fit zu gewährleisten und die Luxus-
markenidentität über ihr Nutzenversprechen in der Psyche der Nachfrager nachhaltig zu
positionieren, ist eine ganzheitliche Integration aller Maßnahmen der Luxusmarkenfüh-
16 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter am Telefon . . . 261

rung anzustreben. Während die Luxusmarkenidentität im Unternehmen gezielt gestaltet


werden kann, formt sich das Fremdbild der Luxusmarke (Image) bei den verschiedenen
externen Zielgruppen zeitverzögert und über einen längeren Zeitraum. Das Luxusmar-
kenimage ist somit als ein Markenwirkungskonzept zu interpretieren, wobei sich hierbei
Markennutzenversprechen und Markenerwartungen der Nachfrager gegenüber stehen [2].
In der unternehmerischen Praxis kann Luxusmarkenführung auch als eine Art Mana-
gementprozess verstanden werden, der das Ziel verfolgen soll, eine funktionsübergreifende
Vernetzung aller mit der Luxusmarke zusammenhängenden Maßnahmen zu gewährleis-
ten. Konzeptionell kann dieser Managementprozess einer Luxusmarke in drei Phasen ein-
geteilt werden. In der ersten Phase wird über das strategische Luxusmarkenmanagement
das Markenidentitätsziel beschrieben: Wofür steht die Luxusmarke in ihrem Kern? Was
ist ihr Nutzenversprechen? Was sind die Ziele der Markenführung? Nachdem das Marke-
nidentitätsziel definiert ist, versucht die operative Markenführung in der zweiten Phase,
eine inhaltlich und formal konsistente Gestaltung aller Markenbotschaften im Sinne der
Markenidentität bei allen Kommunikationskanälen sicherzustellen. Zur inhaltlichen Ab-
stimmung der Mittel gehört zum einen, dass durch Sprache eine einheitliche Aussage
(ob identisch oder nur semantisch gleich) kommuniziert wird. Bei der formalen Abstim-
mung ist zu berücksichtigen, dass Zeichen und Bilder den gleichen Inhalt (ob durch den
gleichen Bildinhalt oder durch das gleiche Schlüsselbild) wiedergeben [2]. Die operative
Markenführung unterscheidet zwischen der innengerichteten und der externen bzw. nach
außen gerichteten Markenführung zur Stärkung der Luxusmarke. Die dritte Phase wid-
met sich schließlich dem Controlling der Luxusmarke. Dieser Artikel bezieht sich auf die
innengerichtete Luxusmarkenführung in der zweiten Phase.

16.2 Mitarbeiter als Botschafter der Identität einer Luxusmarke

In der allgemeinen Literatur zur Markenführung konnte vielfach bestätigt werden, dass
die Umsetzung und Einhaltung des Markennutzenversprechens und des Fits zwischen
Selbstbild und Fremdbild über ein adäquates Markenverhalten von Mitarbeitern der Mar-
ke erfolgen kann, welches sich auf Seiten der Nachfrager in konkreten Markenerlebnissen
manifestiert. Dass Freundlichkeit insgesamt im Kundenservice nicht ausreicht, sondern
Mitarbeiterverhalten vor allem (marken) authentisch sein sollte, konstatieren in diesem
Zusammenhang bereits Henning-Thurau et al. (2006) [15]: ,,Simply hiring low-paid service
workers with limited qualifications and motivation and requiring them to smile at customers as
part of their job description may not deliver the desired results, whereas the display of authentic
feelings by service employees – facilitated by the use of deep acting is likely to be more effective
for positively influencing customer satisfaction and related service outcomes.‘‘
Ganz allgemein ist das Bewusstsein für den Beitrag von Mitarbeitern am Erfolg von Mar-
kenunternehmen in den vergangen Jahren in Literatur und Praxis deutlich gewachsen. Für
die erfolgreiche Umsetzung eines Markennutzenversprechens gelten motivierte Mitarbeiter
262 V. König

als entscheidende Voraussetzung, die als Botschafter einer Marke auftreten. Die Bedeutung
der Mitarbeiterbotschafterrolle für Marken dürfte in Zukunft eher zu- als abnehmen, wenn
der sich immer stärker abzeichnende Fachkräftemangel und die langfristigen Auswirkun-
gen des demographischen Wandels Fragen nach der Mitarbeiterführung noch stärker ins
Scheinwerferlicht rücken.
Für die Führung einer Luxusmarke ist das Mitarbeiterverhalten von besonderer Bedeu-
tung. Im Gegensatz zu herkömmlichen Marken sind Luxusmarken durch eine besondere
Ausprägung des symbolischen Nutzens gekennzeichnet, der im Kontakt mit Mitarbeitern
bestätigt werden muss [29, S. 37]. Der symbolische Nutzen kann definiert werden als ,,die
nachfragerseitig empfundene Eignung einer Marke zur Repräsentation seiner Ich-Identität
und/oder seiner sozialen Identität‘‘ [26, S. 125]. Dabei versteht man unter der Repräsen-
tation der Ich-Identität bzw. der sozialen Identität, dass die Luxusmarke dem Kunden mit
ihrem symbolischen Nutzenversprechen dabei helfen soll, sich selbst auszudrücken oder
zu bestätigen. Strahlt ein Mitarbeiter diesen erwarteten Nutzen nicht aus und ist kein ge-
eigneter Repräsentant der Luxusmarke, so kann es schnell zu einem verwässerten Bild der
Luxusmarke kommen und sich ihre Kraft mindern. Dabei ist besonders entscheidend, dass
die Authentizität der Luxusmarke durch das mit der Markenidentität konsistente Verhalten
der Mitarbeiter gesichert wird.
Das durch den Mitarbeiter zu übermittelnde Nutzenversprechen kann entweder ex-
trinsisch oder intrinsisch sein. Dabei bedeutet extrinsisch, dass Menschen mit Hilfe von
Luxusmarken etwas über sich ausdrücken möchten. Dies kann sich entweder darauf be-
ziehen, dass sie sich bestimmten Menschengruppen zugehörig fühlen oder dass sie sich
durch ihre Individualität von der Masse abgrenzen möchten. In der Literatur wurden
diese Motive vielfach untersucht und können beispielsweise mit dem Veblen-Effekt [30,
S. 68 ff.] und dem Snob-Effekt [21, S. 183 ff.] erklärt werden. Vor diesem Hintergrund
ist zu empfehlen, dass Mitarbeiter im Kundenservice einer Luxusmarke eher die Men-
schengruppe repräsentieren müssen, zu der sich die Kunden dazu gehörig fühlen und
nicht die Menschengruppe, von denen sich die Kunden abgrenzen wollen. Eine neutrale
Service-orientierte und Luxus-adäquate Position ist ebenso denkbar.
Viele Luxusmarken verfügen aber neben dem extrinsischen Nutzen auch über einen
einzigartigen intrinsischen Luxusmarkennutzen. Darunter versteht man, dass Luxusmar-
ken den Menschen ganz persönlich Freude bereiten und einen gewissen Hedonismus
darstellen. Hierbei kann man zwischen sinnlich-ästhetisch und hedonistisch-intrinsisch
unterscheiden. Ersterer Nutzen ergibt sich aus den ästhetischen Eigenschaften von Lu-
xusmarken, wie z. B. die Schönheit des Designs. In Bezug auf die Mitarbeiter wäre dies
z. B. ein der Markenidentität entsprechend gutaussehendes Verkaufspersonal, eine ange-
nehme und zur Luxusmarke passende Ausstrahlung mit entsprechender Kleidung etc.
Der hedonistisch-intrinsische Nutzen beschreibt einen subjektiv-persönlichkeitsbezogenen
emotionalen Verarbeitungsprozess, der sich z. B. darauf bezieht, sich Luxusmarken zu gön-
nen und sich damit selbst zu belohnen, oder einfach Luxusmarken als Erlebnis und Genuss
zu empfinden. In Bezug auf Mitarbeiter wäre hier beispielsweise die Sicherstellung einer
angenehmen und erlebnisorientierten Verkaufsatmosphäre entscheidend.
16 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter am Telefon . . . 263

Die besondere Verantwortung der Mitarbeiter kann auch damit begründet werden,
dass Luxusprodukte den so genannten High-Involvement-Produkten zugeordnet werden
können [12, S. 122 ff.]. High-Involvement-Produkte sind durch ein besonderes Maß an
empfundenen Risiken gekennzeichnet. Dazu gehören beispielsweise ein soziales Risiko
(z. B. die Luxusmarke wird vom sozialen Umfeld nicht akzeptiert) und ein finanzielles
Risiko (z. B. das Luxusprodukt ist sehr teuer). Die Aufgabe jedes Mitarbeiters im Kunden-
kontakt muss es sein, den interessierten Kunden in seiner Kaufentscheidung und seinen
Erwartungen an den sozialen Nutzen zu bestätigen.
Für die innengerichtete Luxusmarkenführung bedeuten diese Forderungen an die Mit-
arbeiter, eine inhaltlich und formal konsistente Gestaltung aller Botschaften der Mitarbeiter
zur Herausbildung der anvisierten Soll-Identität der Luxusmarke zu schaffen. Ein zentrales
psychologisches Konstrukt zur Steuerung ist dabei das so genannte Brand Commitment,
worunter eine psychologische Verbundenheit der Mitarbeiter mit einer Luxusmarke zu ver-
stehen ist. Dies ist die Voraussetzung von markenkonformen Verhalten, was auch als Brand
Citizenship Behavior bezeichnet werden kann [4].
Mit dem Ziel der Steigerung des Brand Commitments wird versucht, die Mitar-
beiter als „Botschafter der Luxusmarke“ auftreten zu lassen, um dadurch ein zum
Markennutzenversprechen konsistentes Markenverhalten zu realisieren.

16.3 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter

16.3.1 Chancen und Risiken

In den vergangenen Jahren haben viele Luxusmarkenhersteller erkannt, dass ein ausge-
zeichneter Kundenservice von besonderer Bedeutung für ihren langfristigen Erfolg ist.
Dazu zählen nicht nur die klassischen Funktionen wie Beratung und Bestellung per Tele-
fon, persönlich oder übers Internet, sondern auch das immer stärkere Engagement in den
sozialen Netzwerken. Dabei kann festgestellt werden, dass sich der Druck auf die an der
Schnittstelle zum Kunden eingesetzten Mitarbeiter durch immer anspruchsvoller werden-
de Kunden erhöht hat. Wie anspruchsvoll und kritisch die Luxuskunden sind, kann man
beispielsweise an den regelmäßig veröffentlichten Statistiken zur Kundenzufriedenheit des
ADAC oder der Zeitschrift Auto-Motor-Sport ablesen. Hier schneiden häufig die günstige-
ren Marken, wie z. B. Subaru, besser ab als Luxusmarken wie z. B. Porsche, obwohl diese
sehr viel mehr in ihren Service investieren.
Bei den großen Luxusmarkenanbietern kann beobachtet werden, dass sie ihren Kun-
denservice nicht mehr allein „inhouse“ über eigene Service-Abteilungen und Call Center
abwickeln, sondern auch mit externen Dienstleistern kooperieren [22]. Es gibt auch bereits
einige internationale Call Center, die gezielt mit speziellen Angeboten für Luxusmarkenan-
bieter werben (z. B. das Call Center „Global Response“, das u. a. für die Luxusmode-Marke
„Tory Burch“ arbeitet).
264 V. König

In einem einstündigen telefonischen Expertengespräch mit Manfred Stockmann, dem


Präsidenten des deutschen Call Center Verbands, am 17.2.2012, konnte die zunehmende
Bedeutung von Call Centern für die Luxusbranche bestätigt werden [19]. Intensive Koope-
rationen mit externen Call Centern würde es in Deutschland vor allem in der deutschen
Luxus-Automobilindustrie geben. Dies würde auch in Kooperation mit den Händlern ge-
schehen. Die eingesetzten Call Center wären dabei nicht nur in Deutschland sondern zur
Abdeckung der internationalen Nachfrage europaweit angesiedelt.
Bei einer Zusammenarbeit mit externen Call Centern stehen den Chancen auch Risiken
für den Aufbau von Brand Commitment gegenüber König (2010). Zu den Chancen der Zu-
sammenarbeit mit Call Centern gehört vor allem der Ausgleich der Ressourcen-Knappheit
der Luxusunternehmen, denn mit zunehmenden Anforderungen an das Datenmanagement
u. a. durch CRM und ein Engagement in den Sozialen Netzwerken sind die Anforderungen
gestiegen. Zu den Chancen gehört auch, dass bei Luxusmarken mehr Geld für den Aufbau
von Brand Commitment zur Verfügung steht. Außerdem berichten Branchenexperten, dass
bei Projekten für Luxusanbieter die Zufriedenheit bei den externen Call Centern oft stärker
ausgeprägt sei als bei den internen Call Center Agents. Externe Call Center Agents seien
einfach sehr stolz darauf, wenn sie einmal für einen Luxus-Kunden arbeiten dürfen und die
Internen hätten im Vergleich zu anderen internen Mitarbeitern einen eher schlechteren Job.
Eine Chance ist auch, dass man angesichts des Fachkräftemangels leichter an qualifizierte
Mitarbeiter kommen kann, da die Luxusmarken eine große Faszination ausüben [19].
Den Chancen müssen auch Risiken gegenüber gestellt werden. Dazu gehört vor allem
die Tatsache, dass keine direkte Arbeitsbeziehung zwischen den Call Center Agents und den
auftraggebenden Luxusmarkenanbietern besteht. Dabei muss darauf hingewiesen werden,
dass externe Call Center in vielen Fällen eigenständige Unternehmen darstellen, die wirt-
schaftlich und juristisch von ihren Auftraggebern unabhängig sind (vgl. [1, 31]). Erst
durch einen konkreten Auftrag entsteht eine Geschäftsbeziehung und damit Abhängigkeit,
die aber nicht mit der eines Absatzmittlers zu vergleichen ist, bei dem häufig sehr langfristi-
ge Verträge bestehen. Daneben müssen Call Center Agents häufig gleichzeitig für mehrere
Markenunternehmen arbeiten, diese sind aber nicht immer im Luxussegment positioniert.
Zu den Risiken gehören auch die Arbeitsbedingungen. Ganz allgemein findet man in
der Call Center Literatur mehrere Studien zu einer besonderen Belastung von Call Center-
Mitarbeitern durch die spezifischen Arbeitsbedingungen. Hier existieren mehrere Hinweise
für das Auftreten eines Burn-out-Syndroms [31, 33]. Dies hat mehrere Gründe. Anders als
Mitarbeiter in anderen Servicebereichen haben Call Center Agents nur einen indirekten
Kundenkontakt über das Telefon. Dieser Mangel an direkter menschlicher Interaktion
kann zu Frustration führen und verhindert ein positives Feedback, das durch die Mimik
des Gesprächspartners ausgedrückt wird [22]. Hinzu kommt, dass ein negatives Feedback
oftmals extremer ausfällt als im direkten Kundenkontakt. Die Kunden, die mit Call Center
Agents interagieren, haben häufig wegen der fehlenden visuellen Dimension eine geringere
Hemmschwelle gegenüber starker und lauter Kritik [6, 28].
Obwohl die Call Center-Branche insgesamt in den vergangenen Jahren einen erheblichen
Boom erlebt hat, existieren noch teilweise Image-Probleme auf Grund einer schlechten
16 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter am Telefon . . . 265

Servicequalität. Der Einfluss dieser Qualität auf die Marken inklusive eines möglichen
negativen Imagetransfers wird mittlerweile in vielen Firmen gesehen und stellt ein weiteres
Risiko der Zusammenarbeit mit externen Call Centern dar [16]. Ein weiterer negativer
Effekt dieses Image-Problems ist, dass in Zeiten eines Fachkräftemangels viele qualifizierte
Mitarbeiter generell von einer Arbeit in Call Centern abgeschreckt werden.
Für Luxusmarken stellen diese Umstände Herausforderungen für den Aufbau von Mar-
kenverbundenheit (Brand Commitment) gegenüber einer auftraggebenden Luxusmarke
dar. Mit dem Aufbau von Brand Commitment soll das Ziel verfolgt werden, die Call Center
Agents durch markenkonformes Verhalten (Brand Citizenship Behaviour) als „Botschafter
der Marke“ auftreten zu lassen und dadurch ein zum Markennutzenversprechen konsis-
tentes Markenverhalten zu realisieren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, mit
welchen Maßnahmen das Brand Commitment von Call Center Agents positiv beeinflusst
werden kann?

16.3.2 Brand Commitment im Call Center

Zielsetzung einer umfangreichen Studie von König (2010) war es, Maßnahmen zum
Aufbau von Brand Commitment von Call Center Agents, die für die Marke eines
Premium-Anbieters arbeiten, mit Hilfe eines Strukturgleichungsmodells zu prüfen. Die
Ergebnisse dieser Studie sollen im Folgenden für die besonderen Herausforderungen der
Luxusmarkenführung interpretiert werden.
Das Untersuchungsmodell von König (2010) basierte auf der theoretischen Perspektive
eines Grundmodells zur innengerichteten Markenführung von Burmann/Zeplin (2005),
welches eine kausale Wirkungskette von Maßnahmen zum Aufbau von Brand Commitment
über Brand Commitment zu Brand Citizenship Behaviour definiert. Da die nur mittelbare
Beziehung zwischen der Marke eines Auftraggebers und den Call Center Agents besonders
berücksichtigt werden sollte, wurde ein Modell konzipiert, das zwischen zwei Gruppen von
Maßnahmen unterscheidet, die entscheidend sind, um Brand Commitment aufzubauen.
Die erste Gruppe enthält Maßnahmen, die direkt vom auftraggebenden Unternehmen
kommen. In der Verantwortung der Auftraggeber steht auch ein Faktor, der „Strategi-
sche Markenführung“ genannt wird. Dieser bildet in dem Modell von König (2010) die
strategische Markenführung eines Auftraggebers ab. Relevant ist dieser Faktor, weil alle
Maßnahmen im Bereich der innengerichteten Markenführung wertlos sind, wenn Call
Center Agents die Vorgaben nicht verstehen oder sich die Markenidentität häufig ändert
und in sich nicht stimmig bzw. konsistent ist. Die zweite Gruppe enthält schließlich Maß-
nahmen, die durch das Call Center selbst eingeleitet werden. Abbildung 16.1 zeigt die
Problemstellung im Überblick mit dem Fall, dass der Auftraggeber der Anbieter einer
Luxusmarke sei.
Die Herleitung der Maßnahmen erfolgte auf Basis der Auswertung zweier Literatu-
ren und verschiedener Expertengespräche. Die beiden bei König (2010) Literaturen sind
die Call Center-Literatur und die Literatur zur innengerichteten Markenführung. In der
266 V. König

Problemstellung

Indirekte
Maßnahmen
Call Center

Auftraggeber
Brand
des Call Centers
Commitment

Direkte Maßnahmen
Call Center Agent Nachfrager

Luxusmarke MARKE 2
Luxusmarke
MARKE 1 MARKE ...

Abb. 16.1 Problemstellung

Call Center-Literatur sind viele Arbeiten noch recht jung und datieren nach 2000. Den-
noch findet sich in diesem Forschungsbereich eine sehr breit gestreute und bisweilen
interdisziplinäre Ausrichtung, die rechtliche, technische, organisatorische und servicequa-
litätsbezogene Themen behandelt [14]. In der Literatur, die sich speziell auf Call Center
Agents konzentriert, finden sich viele Publikationen aus dem Bereich der Organisations-
psychologie. Mittlerweile nimmt die Anzahl an Beiträgen mit theoretischen Modellen und
empirischer Überprüfung zu, in denen die Zufriedenheit und Leistung von Call Center
Agents beschrieben wird.
Die zweite Literatur ist die der innengerichteten Markenführung, für die eine Notwen-
digkeit weiterer Forschung festgestellt werden konnte. Der Forschungsbereich, der auf der
Erkenntnis basiert, dass das Brand Commitment von Mitarbeitern, also die Markenver-
bundenheit, im Rahmen des Markenmanagements eine wichtige Rolle spielt (z. B. [27]), ist
selbst noch recht jung. Zwar wird hier bisweilen das Fehlen von theoretischen und empiri-
schen Studien beklagt, doch finden sich bereits Hinweise, wie wichtig das innengerichtete
Markenmanagement für den Erfolg eines Unternehmens ist. Ein wegweisender Ansatz für
das innengerichtete Markenmanagement wurde von Burmann/Zeplin (2005) entwickelt,
die markenkonformes Mitarbeiterverhalten (Brand Citizenship Behaviour) als Folge von
Markenverbundenheit (Brand Commitment) definieren (Burmann/Zeplin 2005). Dieser
Ansatz stellt die Basis des Untersuchungsmodells von König (2010) dar. Zeplin 2006, die
diesen Ansatz empirisch überprüfte, schreibt als Fazit, dass es noch Bedarf an weiterer For-
schung zum innengerichteten Markenmanagement gibt, insbesondere in Bezug auf externe
Dienstleistungsanbieter wie z. B. Call Center.
16 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter am Telefon . . . 267

Bei der Operationalisierung der Konstrukte des Modells von König (2010) wurden einer-
seits Skalen auf Grundlage vorhandener Modelle, wie z. B. von Burmann/Zeplin (2005) und
Maloney (2007), verwendet und andererseits in den Fällen, in denen vorhergehende Skalen
nicht existieren, wurden Indikatoren in Anlehnung an Erkenntnisse der Forschung zum
Markenmanagement und zur Call Center-Literatur erzeugt. Das Modell wurde im Rahmen
einer Online-Befragung von über 600 extern und zum Vergleich auch intern beauftragten
Call Center-Agents überprüft, die im Auftrag eines großen deutschen Medienunternehmens
arbeiteten, das sich im Premium-Segment positionierte. Der Grund für dieses Sample war,
dass die Call Center über ganz Deutschland verteilt waren und mit genauerer Betrachtung
der Daten ein repräsentatives Bild der nationalen Call Center-Industrie ergaben.
Das Modell bestand in den meisten Fällen die empirische Überprüfung. Die Prüfung
der Güte fiel zufriedenstellend aus und die meisten Konstrukte konnten beibehalten wer-
den. Wegen der Resultate einer exploratorischen Faktoranalyse mussten vier Konstrukte zu
einem neuen Faktor aggregiert werden.
Im Folgenden werden die Ergebnisse der empirischen Studie von König (2010) für die
Luxusmarkenbranche interpretiert. Zur Abgrenzung der Ergebnisse von König (2010), die
sich auf eine Marke bezogen, die im Premium-Segment positioniert war, soll ein zentrales
Ziel der Luxusmarkenführung berücksichtigt werden: Call Center Agents sollen Botschafter
einer Luxusmarke sein und den spezifischen symbolischen Luxusmarkennutzen adäquat
übermitteln können. Dabei muss das Versprechen einer Luxusmarke bei jedem Kunden-
kontakt eingehalten werden, damit dies eine langfristige Luxusmarke-Kunde-Beziehung
stärken kann.

16.3.3 Direkte Maßnahmen

In dem Modell von König (2010) folgen in Anlehnung an Stamper/Masterson (2002) die
direkten Maßnahmen der Idee einer „perceived organizational membership“ (z. B. [30]).
So zeigt sich, dass sich Angestellte unter bestimmten Bedingungen als Mitglied einer Or-
ganisation zugehörig fühlen, obgleich sie formal nicht für diese Organisation arbeiten. Ein
solches Zugehörigkeitsgefühl wird zum einen durch den Eindruck geweckt, von dieser Or-
ganisation unterstützt zu werden, zum anderen trägt das Gefühl einen „Insider-Status“ zu
haben, dazu bei.
Nach den methodisch abgesicherten Ergebnissen der Studie von König (2010) gehören
zu den wirkungsvollsten Maßnahmen zum Aufbau von Brand Commitment im Call Center
die Maßnahmen „Direkte Markenkommunikation“, „Strategisches Markenmanagement“,
„Internes Event Management“ und „Markenkonformes Verhalten der Geschäftsführung“,
die mit ihrer Wirkung auf das Brand Commitment in Abb. 16.2 dargestellt sind. Im
Folgenden sollen sie für Luxusmarken diskutiert werden.
Bei der Betrachtung der Wirkungen der direkten Maßnahmen fällt auf, dass die „Direkte
„Markenkommunikation“ gefolgt vom „Strategischen Markenmanagement“ die größten
268 V. König

Effekte erzielen. Das „Interne Event Management“ und das „Markenkonforme Verhalten
der Geschäftsführung“ zeigen dagegen eher eine mittlere Wirkung.
Egal ob internes oder externes Call Center, die „Direkte Markenkommunikation“ eines
Auftraggebers spielt eine Schlüsselrolle. Dieser Aspekt gilt als besonders entscheidend für
den Aufbau von Wissen über eine Marke, das insbesondere für die Verbundenheit externer
Call Center Agents wichtig ist, die eine Vielzahl von Marken in einem monotonen täglichen
Arbeiten zu vertreten haben (z. B. [33]).
Für die Führung einer Luxusmarke konnte diese wichtige Rolle direkter Kommunikation
in einem 20-minütigen telefonischen Expertengespräch mit Thomas Zacharias, Geschäfts-
führender Gesellschafter der Tricontes GmbH, bestätigt werden [18]. Dazu können
Trainingsmaßnahmen zur Markenidentität der Luxusmarke und der Einsatz von Informa-
tionsmedien (Zugang zum Intranet, Informationsaushänge, E-Mails, Image-Broschüren
etc.) zur Vermittlung der Markenidentität gehören. Hier sollte möglichst kein externer
Trainer eingesetzt werden, sondern ein direkter Repräsentant der Luxusmarke.
Die Wissensvermittlung über die direkte Kommunikation eines Luxusmarkenanbieters
kann das Insider-Gefühl verstärken, was in der Literatur besonders für eine Erhöhung
der beruflichen Zufriedenheit und der organisatorischen Verbundenheit gelobt wird (z. B.
[31]). Bei Luxusmarken ist dabei besonders wichtig, dass Emotionalität vermittelt wird.
D. h. Auftraggeber dürfen hier nicht nur an Call-Länge und Kosten denken. Im Zentrum
steht die Vermittlung der Luxusmarkenidentität. Die Form des Story Telling dürfte sich
in Bezug auf Luxusmarken besonders anbieten, da viele Marken durch einen besonderen
Gründermythos geprägt sind. Dabei dürfte bei Luxusmarken die Identifikation vielen Call
Center Agents leichter fallen als bei generischen Marken.
Auch eine markenorientierte Dekoration der Call Center-Räume dürfte als Bestandteil
der direkten Markenkommunikation der Luxusmarke eine besondere Rolle spielen. Eine
Implikation für die Unternehmenspraxis ist hier offensichtlich. Die internen und externen
Call Center-Räume sind z. B. mit Postern zu Kampagnen der Luxusmarke zu dekorieren,
damit die Luxusmarke „greifbarer“ wird. Im optimalen Fall fühlt sich der Call Center Agent
wie ein Teil der Luxusmarkenwelt. Die positive Wirkung der Dekoration und Ausstattung
von Büros wurde in der allgemeinen Markenliteratur schon mehrfach thematisiert (z. B.
[8]).
Zur direkten Markenkommunikation gehört auch die externe Kommunikation. Für
Luxusmarken muss dieser Aspekt aber neu interpretiert werden. Call Center Agents wer-
den zwar genauso wie Kunden durch die Print- und TV-Werbung einer Luxusmarke in
ihrer Markenwahrnehmung beeinflusst, es kann aber bei der Konzeption von Werbung
einer Luxusmarke nicht unbedingt auf diese Wirkung Rücksicht genommen werden. Eine
Luxusmarke hat ihre Identität und sollte entsprechend kommunizieren. Mitarbeiter ha-
ben sich dieser Identität unterzuordnen. Für die Führung einer Luxusmarke empfiehlt es
sich dabei sicherzustellen, dass nur Call Center Agents mit einer entsprechenden Affinität
zur Marke eingesetzt werden. Ein persönliches „telefonisches“ Vorstellungsgespräch mit
der Marketingabteilung der auftraggebenden Luxusmarke zur Überprüfung von Wissen,
Affinität, Commitment und Eindruck der Stimme ist hier ratsam.
16 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter am Telefon . . . 269

Das „Strategische Markenmanagement“ zeigt ebenso in dem Modell von König (2010)
eine große Wirkung. Gerade für Luxusmarken scheint dieser Aspekt besonders wichtig
zu sein. Dabei lautet eine zentrale Forderung, dass die Markenidentität einer Luxusmar-
ke den internen und externen Call Center Agents bekannt sein sollte und als logisch,
konsistent, langfristig und leicht zu verstehen angesehen wird. Eine Luxusmarke kann
es sich dabei noch viel weniger als andere Marken erlauben, dass bei jedem internen
Führungswechsel (beispielsweise ein neuer CEO oder aber ein neuer Chef-Designer) ei-
ne „Marken-Revolution“ ausgelöst wird. Erfolgreiche Luxusmarken sind durch ein hohes
Maß an Authentizität geprägt, das auf einer kontinuierlichen, konsistenten und einen
Luxusmarkenmythos pflegenden Markenführung basiert. Deshalb sollte im Rahmen der
Luxusmarkenführung eine Führungskraft möglichst ihre individuellen Ziele der Luxus-
marke unterordnen. Auch Designer sollten neue Impulse nur im Rahmen der Luxusmarke
geben.
Das „Interne Event Management“ zeigt in dem Modell von König (2010) eine positive
Wirkung auf das Brand Commitment. Ganz allgemein wird in der Literatur diesem Faktor
viel Aufmerksamkeit geschenkt, da er für ein positives Bild der Marke sorgen kann. Bei
Luxusmarken könnten hierbei beispielsweise Mitarbeiterveranstaltungen oder die Besuche
von Vertretern der Zentrale der Luxusmarke in Call Centern eine besondere Rolle spie-
len. Dies dürfte das Gefühl der Call Center Agents fördern, Bestandteil des Unternehmens
und Teil der Luxusmarke zu sein. Daneben können Mitarbeiterveranstaltungen auch durch
ihre direkte und häufig Wissen und Emotionen vermittelnde Interaktion positiv auf das
Brand Commitment der Call Center Agents wirken. Zu diesen Veranstaltungen könnten
z. B. auch exklusive Produktpräsentationen in den Verkaufsräumen oder bei Luxusautomo-
bilherstellern ein exklusives Fahrertraining gehören. Studien zeigen, dass dem CEO häufig
eine besondere Rolle zukommt. Dabei ist anzumerken, dass bei Luxusmarken nicht nur
der CEO ein zentraler Markenträger ist, sondern auch der „Schöpfer“ bzw. der Designer
der Marke. Natürlich können diese Repräsentanten der Luxusmarken auf Grund zeitlicher
Restriktionen und der Wahrung ihrer eigenen Exklusivität nicht all zu oft in den Call Cen-
tern präsent sein, aber trotzdem könnte es sinnvoll sein, zumindest einmal im Jahr, die Call
Center zu besuchen. Auch sollte vor dem Hintergrund der hohen Relevanz der direkten
Kommunikation eine Interaktion schriftlich per E-Mail oder Broschüren, aber auch über
Video-Botschaften per Intranet erfolgen.
In der Studie von König (2010) konnte auch die bereits mehrfach in der Literatur betonte
Wirkung des „Markenkonformen Mitarbeiterverhaltens der Geschäftsführung“ bestätigt
werden. Auch bei Luxusmarken, bei denen über den Schöpfer häufig in der Presse gelesen
werden kann, dürfte sich dies auf die Wahrnehmung der Marke seitens der Kunden und
der Mitarbeiter auswirken. Die Empfehlung der allgemeinen Markenliteratur, dass alle
Tätigkeiten der Geschäftsführung einer Markenidentität unterzuordnen sind (z. B. [4]),
trifft für Luxusmarken in einem noch höheren Maße zu, da auch hier die Wirkung der
Marke beeinflusst wird.
Kaum Wirkung zeigten im Modell von König (2010) monetäre Anreize. Bei Luxusmar-
ken dürften sie bei falschem Einsatz der Markenführung sogar im Weg stehen, denn wenn
270 V. König

Die Wirkung direkter Maßnahmen eines Call Center-Auftraggebers

Direkte Brand
Maßnahmen Commitment

Geringe Wirkung Hohe Wirkung

0 0,5 1

Nur Extern
Direkte Markenkommunikation
Nur Intern
z.B. Informationsmedien, Trainingsmaßnahmen,
Dekoration der Call Center-Räume,
Externe Kommunikation
Nur Extern
Strategisches Markenmanagement Nur Intern
z.B. Markenwissen,
Markenkonsistenz, Markenkontinuität

Nur Extern
Internes Event Management
Nur Intern
z.B. Besuche der Repräsentanten
eines Auftraggebers im Call Center

Nur Extern
Markenkonformes Verhalten der Geschäfsführung
Nur Intern
z.B.ÖffentlicheAuftritte, interne Auftritte

Abb. 16.2 Die Wirkung direkter Maßnahmen eines Auftraggebers

ein Call Center Agent nur davon getrieben ist, schnell zum Verkaufsabschluss zu kommen,
kann dies die gesamte Exklusivität der Luxusmarke zerstören.
Insgesamt fällt bei den direkten Maßnahmen auf, dass sie bei internen und externen
Call Center Agents ähnlich wirken und bei den Externen nur bei dem „Markenkonformen
Verhalten der Geschäftsführung“ wesentlich stärker wirken. Dies unterstreicht den Aspekt,
wie sehr sich engagierte Call Center Agents mit der Luxusmarke und ihren Vertretern
auseinandersetzen und für Nachrichten sensibilisiert sind.

16.3.4 Indirekte Maßnahmen

Die Studie von König (2010) hat gezeigt, dass zu den wirkungsvollsten indirekten
Maßnahmen der Call Center zum Aufbau von Brand Commitment im Call Center
die Maßnahmen „Zeitautonomie und Flexibilität“, „Abwechslungsreiche Tätigkeiten“,
„Projektstart“, „Coaching zur Differenzierung von anderen Marken“, „Markenspiele“, „Kar-
riereentwicklungsmöglichkeiten“ und „Empowerment“ gehören, die mit ihrer Wirkung
auf das Brand Commitment in Abb. 16.3 dargestellt sind. Im Folgenden sollen sie für
Luxusmarken diskutiert werden.
16 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter am Telefon . . . 271

Auffällig an den Ergebnissen ist, dass bei den indirekten Maßnahmen diejenigen, die
die spezifischen Arbeitsbedingungen thematisieren, eine dominante Rolle spielen. Hierzu
gehören z. B. die Maßnahmen „Abwechslungsreiche Tätigkeiten“ und „Zeitautonomie und
Flexibilität“. Auch in der allgemeinen Call Center-Forschung werden diese Maßnahmen
verstärkt thematisiert, da mehr Abwechslung und flexible Arbeitszeiten das Gefühl von
„Fließbandarbeit“ verringern. Zwar finden sich hierzu Ansätze zur Job-Rotation, jedoch
scheinen die Möglichkeiten hierfür in Call Centern eher gering zu sein. Die Ergebnisse zei-
gen, dass hier Handlungsbedarf besteht und dass viele Mitarbeiter mit den Arbeitsabläufen,
die teilweise an Fließbandarbeit erinnern, nicht zufrieden sind. Vor diesem Hintergrund
ist es nachvollziehbar, dass Call Center Agents ein Bedürfnis nach Selbstbestimmtheit und
Autonomie haben.
Da man bei Luxusmarken von den Call Center Agents eher ein souveränes Auftreten
im Sinne der Marke verlangt, sollten diese Maßnahmen besonders berücksichtig werden.
Frust auf Grund von Monotonie und einer geringen Autonomie bei der Gestaltung der
Arbeitszeiten kann sich keine Luxusmarke leisten, denn dies dürfte sich unmittelbar auf die
Wahrnehmung der Luxusmarke auswirken. Hier ist es zu empfehlen, den Call Center Agents
unbedingt zum Wohle der Luxusmarke mehr Freiheiten und Gestaltungsspielraum ein-
zuräumen. Auch wenn es bei der Gestaltung relativ wenig Raum gibt, existieren auch heute
schon Möglichkeiten, in verschiedenen Teams zu arbeiten und damit an unterschiedlichen
Projekten, was die Wahrnehmung von Abwechslung erhöhen kann.
Auch bei den indirekten Maßnahmen zeigt die Studie von König (2010) einen beson-
deren Effekt der Kommunikationsmaßnahmen. Hier zeigt insbesondere die Maßnahme
„Projektstart“ eine vergleichsweise hohe Wirkung. Für die Führung einer Luxusmarke be-
deutet dies, dass Call Center Agents bei der Projektarbeit für eine Luxusmarke von Anfang
an eingebunden werden sollten, um sich mit der Marke zu identifizieren und das Gefühl zu
haben, ein „Marken-Insider“ zu sein. In diesem Zusammenhang zeigt auch die Maßnahme
„Coaching zur Differenzierung von anderen Marken“ eine besondere Wirkung. Dies bestä-
tigt Hinweise der Call Center-Literatur, dass ein intensives und regelmäßiges Coaching zu
mehr Verbundenheit führen kann (z. B. [33]). Für die Führung einer Luxusmarke bedeutet
dieser Faktor, dass sich viel Zeit für intensive Coachings genommen werden sollte. Ziel
muss es sein, dass Call Center Agents die Markenidentität verinnerlicht haben und auch
den Unterschied zu anderen Marken kennen. Eine Möglichkeit wäre z. B. auch, einmal die
Produkte des Wettbewerbs ausprobieren zu dürfen. Dieser Faktor dürfte bei denjenigen
Call Centern Agents eine besondere Rolle spielen, die häufig für mehr als nur eine Marke
arbeiten müssen.
Ein Faktor, der die Wissensvermittlung und das Erlernen der Markenidentität erleich-
tern kann, ist die Maßnahme „Markenspiele“. Neben Hinweisen aus der Markenliteratur,
die Markenspielen oder markenbezogenen Wettbewerben eine entsprechende Wirkung
zusprechen (z. B. [12]), ist aus der Forschung zu Didaktik und Lernen bekannt, dass
mit der Entwicklung von positiven Gefühlen Informationen besser verstanden und er-
lernt werden können (z. B. [6]). Für Luxusmarken bedeutet dies, dass sich beispielsweise
Wissenswettbewerbe zur Luxusmarke positiv auf das Brand Commitment von Call Center
272 V. König

Agents auswirken könnten. Ein Gewinn oder eine Belohnung könnte sich wiederum auf die
Luxusmarke beziehen, sie könnte z. B. aus einem typischen Luxusmarkenprodukt oder ei-
nem Merchandising-Artikel bestehen oder auch einfach eine Urkunde mit der Unterschrift
bestimmter Repräsentanten der Luxusmarke (z. B. Designer) sein.
Auffällig an der Studie von König (2010) war, dass für den „klassischen“ Human
Resource-Parameter Karriereentwicklungsmöglichkeiten, der in der Call Center-Forschung
oftmals erwähnt wird (z. B. [12]), trotz eines monotonen Arbeitsalltags keine besonders
hohe Wirkung ermittelt werden konnte. Dies lässt sich unterschiedlich interpretieren. Ent-
weder haben die befragten Call Center Agents wirklich ein sehr geringes Bedürfnis nach
Karriere, oder aber die geringe Wirkung hängt mit einer geringen Wahrnehmung der Maß-
nahme zusammen, die zuvor abgefragt wurde. Für die Führung einer Luxusmarke fällt es
deshalb schwer, eine Empfehlung auszusprechen, bis auf die Tatsache, dass das Bedürfnis
nach dieser Maßnahme noch einmal überprüft werden sollte.
Auch für die Maßnahme „Empowerment“ kann in der Studie eine eher geringe Wirkung
nachgewiesen werden, obwohl sie in der allgemeinen Call Center-Forschung wegen ihrer
positiven Wirkung auf Zufriedenheit gelobt wird (z. B. [10]). Hier könnte ebenfalls die
geringe Wirkung mit einer geringen Wahrnehmung der Maßnahme zusammen hängen,
die zuvor abgefragt wurde. Auch hier lautet die Empfehlung für Luxusmarken, dass das
Bedürfnis nach dieser Maßnahme überprüft werden sollte.
Insgesamt zeigen die indirekten Maßnahmen eine mittlere Wirkung. Im Vergleich zu den
direkten Maßnahmen konnte bei den Externen in den meisten Fällen eine höhere Wirkung
auf das Brand Commitment festgestellt werden. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich
für auftraggebende Luxusmarkenunternehmen, bei ihren externen Call Centern unbedingt
auf die Umsetzung dieser Maßnahmen zu achten.

16.4 Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Interpretation der Studienergebnisse von
König (2010) den Anbietern von Luxusmarken grundsätzlich eine Investition in ihre Maß-
nahmen zum innengerichteten, identitätsbasierten Luxusmarkenmanagement in externen
Call Centern empfiehlt. Diese – teilweise kostengünstigen – Maßnahmen wirken sich po-
sitiv über mehr Markenwissen und eine subjektiv empfundene Markennähe auf das Brand
Commitment gegenüber einer auftraggebenden Luxusmarke aus. Eine zentrale Forderung
lautet dabei, dass insbesondere externe Call Center Agents durch Maßnahmen noch viel
stärker in die „Welt der Luxusmarke“ involviert werden. Unter Brand Commitment eines
Call Center Agents versteht man im Rahmen der Luxusmarkenführung eine psychologische
Verbundenheit gegenüber einer auftraggebenden Luxusmarke, die wiederum positiv auf
das Brand Citizenship Behavior, also dem markenkonformen Verhalten, Einfluss nimmt.
Ein markenkonformes Mitarbeiterverhalten ist deshalb von besonderer Bedeutung, da jede
Aussage eines Mitarbeiters von Kunden auch als Aussage der Luxusmarke angesehen wird.
16 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter am Telefon . . . 273

Die Wirkung indirekter Maßnahmen eines Call Centers

Indirekte
Indirekte Brand
Maßnahmen Commitment

Geringe Wirkung Hohe Wirkung

0 0,5 1

Nur Extern
Abwechslungsreiche Tätigkeiten
Nur Intern
z.B. Job Rotation
Nur Extern
Zeitautonomie und Flexibilität Nur Intern
z.B. Arbeitszeiten flexibel selbst gestalten

Projektstart N
Nur E t
Extern
Nur Intern
z.B. Intensive Betreuung bei neuen Projekten

Coaching zur Differenzierung von anderen Marken Nur Extern


Nur IInt ern
z.B. Intensive Coaching-Gespräche zur Marke

Nur Extern
Markenspiele Nur Intern
z.B. Wissensspiele

Karriereentwicklungsmöglichkeiten Nur Extern


Nur Intern
z.B. bei Kundenzufriedenheit oder Loyalität

Nur Extern
Empowerment
Nur Intern
z.B. Projektentscheidungen selber treffen

Abb. 16.3 Die Wirkung indirekter Maßnahmen eines Call Centers

Das gesamte Auftreten und jedes Verhalten der externen Call Center Agents wird von Kun-
den auch als Verhalten der Luxusmarke interpretiert und beeinflusst im starken Maße, wie
die Luxusmarke wahrgenommen wird.
Hinsichtlich einzelner Maßnahmen ist zu empfehlen, dass Anbieter von Luxusmarken
größte Sorgfalt auf die richtige Kommunikation über Informationsmedien, Trainingsmaß-
nahmen, Dekoration der Teamräume legen sollten. Ziel muss es sein, dass auch die externen
Call Center Agents das Gefühl haben, ein Teil dieser Luxusmarke zu sein. Daneben ist sicher-
zustellen, dass sie die Luxusmarkenidentität und den symbolischen Markennutzen auch
wirklich verstehen und als logisch, konsistent und langfristig empfinden. Mit Coaching-
Gesprächen zur Differenzierung der Luxusmarke könnte dies unterstützt werden. Weitere
wichtige Maßnahmen umfassen einen intensiv betreuten Projektstart, eine flexible Gestal-
tung von Arbeitszeiten oder auch abwechslungsreiche Tätigkeiten. Sämtliche Maßnahmen
274 V. König

dürften das Wohlbefinden und Selbstvertrauen von Call Center Agents fördern, was zu
einem souveränen und für Luxusmarken adäquaten Verhalten führen kann.
Bei der Studie hat sich gezeigt, dass in vielen Fällen die Maßnahmen bei den externen
Call Center Agents im Vergleich zu den Internen stärker greifen. Für die Führung einer Lu-
xusmarke unterstreicht dies die besondere Relevanz der innengerichteten Markenführung
in externen Call Centern. Hier gibt es allerdings zusätzliche Hürden und ein auftragge-
bendes Luxusmarkenunternehmen sollte vor allem auch auf Kontrolle und Sicherstellung
der indirekten Maßnahmen des Call Centers achten. Dies kann für ein auftraggebendes
Luxusmarkenunternehmen schwierig sein, da es häufig keinen direkten Einblick in die
Personalpolitik von externen Call Centern hat, da diese juristisch und wirtschaftlich sind.
Wege, um dieses Problem zu umgehen, könnten die Festlegung bestimmter Personalstan-
dards in den Vertragsvereinbarungen sein, die sich auf die Arbeitsprozesse innerhalb der
Markenprojekte beziehen. So sollte z. B. bereits bei der Auswahl von Call Centern darauf
geachtet werden, dass die Arbeitsbedingungen „luxusmarkengerecht“ sind, die Call Center
Agents bereits über eine gewisse Affinität zur Luxusmarke verfügen und dass ihnen genug
Informationen zur Markendifferenzierung der Luxusmarke vermittelt werden, da sie häufig
weitere Marken vertreten müssen, die nicht unbedingt im Luxussegment positioniert sein
müssen. Dieser Effekt lässt sich auch damit erklären, dass die externen Call Center Agents
nicht direkt zum Luxusmarkenunternehmen gehören und somit eine stärkere Einführung
und Betreuung in Bezug auf die Luxusmarke benötigen.
Anbieter von Luxusmarken stehen in der Praxis vor der Entscheidung – internes oder
externes Call Center? Beide Optionen haben ihre Vor- und Nachteile. Die Vorteile der in-
ternen Call Center sind sicherlich eine bessere Kontrollmöglichkeit und eine unmittelbare
Einflussnahme. Andererseits haben aber externe Dienstleister besondere Vorteile. Insbe-
sondere bei steigenden Anforderungen an die technische Qualifikation des Kundenservice
(z. B. Datenmanagement mit CRM, Soziale Netzwerke) haben externe Dienstleister auf
Grund ihrer Marktnähe einen Knowhow-Vorsprung und die entsprechenden Ressourcen.
Egal, wie man sich entscheidet, Ziel muss sein, dass bei jedem Kontakt mit der Luxusmarke
das Markenversprechen eingehalten wird und die entsprechenden Assoziationen bestätigt
werden. Dazu gehört das gesamte Auftreten der Call Center Agents mit samt der dazu-
gehörenden Atmosphäre. Steht eine Luxusmarke bezüglich ihrer Identität für Ruhe und
Exklusivität, sollte auch am Telefon Hektik vermieden werden. Luxusmarken, die eine be-
sonders elegante und traditionsreiche Identität besitzen, sollten z. B. darauf achten, dass die
Call Center Agents dies transportieren und eine nicht allzu lässige und flippige Art haben.
Ein „telefonisches“ Vorstellungsgespräch bei dem Marketingleiter der Luxusmarke, um Af-
finität, Commitment und Transport des symbolischen Nutzens zu testen, könnte deshalb
sinnvoll sein.
Abschließend ist anzumerken, dass jede Maßnahme zum Aufbau von Call Center Agents
zu Luxusmarkenbotschaftern nur dann greifen kann, wenn sie in der Praxis auch erfolg-
reich umgesetzt wird. Deshalb ist es für Anbieter von Luxusmarken auch empfehlenswert
sicherzustellen, dass nicht nur die Call Center Agents sondern auch die entsprechenden
Teamleiter in den Call Centern die Luxusmarkenidentität verinnerlicht haben. Eine zu-
16 Externe Call Center Agents als Luxusmarkenbotschafter am Telefon . . . 275

sätzliche Überprüfung ihres Brand Commitments würde sich anbieten, denn wenn dieses
gering ausgeprägt ist, könnte es schwer fallen, positive Impulse an die Call Center Agents
weiterzugeben.
Mit diesem Artikel konnte gezeigt werden, dass eine Investition in die innengerichtete
Luxusmarkenführung zum Aufbau von externen Call Center Agents zu Luxusmarkenbot-
schaftern sehr vorteilhaft sein kann. Darüber hinaus ist es zum Schutze einer Luxusmarke
unbedingt notwendig, das Brand Commitment der eingesetzten Call Center Agents in
regelmäßigen Abständen zu messen.

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Teil V
Controlling von Luxusmarken
Der rechtliche Schutz der Luxusmarke
17
Markus Köhler

Zusammenfassung
Luxusmarken sind in besonderem Maße gefährdet, Raubkopierer und Nachahmer anzu-
ziehen. Das Unrechtsbewusstsein des Verbrauchers ist beim Erwerb kopierter Luxusware
wenig ausgeprägt. Umso wichtiger ist der effiziente rechtliche Schutz der Investitio-
nen von Herstellern in das Markenimage einer Luxusmarke. Der folgende Beitrag zeigt
auf, warum es kein eigenes Schutzsystem für den schillernden Begriff der Luxusmar-
ke geben kann. Er beschreibt weiter, wie das allgemeine Schutzsystem für Marken auf
Luxusmarken angewandt wird. Hierbei werden die Fragen vertieft, die für den Schutz
von Luxusmarken eine entscheidende Rolle spielen. Beleuchtet werden insbesonde-
re die rechtlich geschützten Funktionen der Luxusmarke, die Schutzerlangung sowie
die Formen der Verletzung von Interessen der Markeninhaber. Schließlich werden die
Ansprüche des Markeninhabers gegen den Verletzer bis hin zur Grenzbeschlagnahme
dargestellt.

17.1 Grundsätzliches zum Schutz einer Luxusmarke

17.1.1 Rechtliche Einordnung der Luxusmarke

Der Begriff der Luxusmarke ist kein Rechtsbegriff. Daher ist es nicht möglich, auf bestimmte
gesetzliche Normen zu verweisen, die für einen besonderen Schutz der Luxusmarke ein-
schlägig sind. Bei näherem Hinsehen ist dieses Ergebnis auch zwingend: Der Begriff der
Luxusmarke ist schillernd und kaum abgrenzbar. Hier spielen Herkunft der Ware, Qualität,
die Knappheit ihres Angebots, der Preis, das Prestige und der Aufwand für ihre Bewerbung
eine erhebliche Rolle und können je nach Marktumfeld und Branche zur untechnischen

Prof. Dr. Markus Köhler ()


Melonenstr. 9, 70619 Stuttgart, Deutschland
E-Mail: koehler@oppenlander.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 279


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_17, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
280 M. Köhler

Einordnung als „Luxusmarke“ führen. Dementsprechend gibt es keinen „Steckbrief“ für


die Luxusmarke. Luxusmarken können bekannt oder gar berühmt sein, vgl. Rolex, Por-
sche oder Armani. Oder sie sind nur Insidern bekannt (Dinkelacker (Schuhe), Luis Moinet
(Uhren)). Ihr Image kann auf Qualität basieren oder – häufig im Textilbereich – im We-
sentlichen auf der ihnen entgegengebrachten Wertschätzung. Es bleibt daher gar nichts
anderes, als in jedem Einzelfall das besondere Schutzbedürfnis und den Schutzgrund ei-
ner Luxusmarke detailliert zu beleuchten und die hergebrachten Tools des Gewerblichen
Rechtsschutzes hierauf anzuwenden. Damit ist auch ausgeschlossen, im Rahmen dieses
Beitrags einen Abriss über das rechtliche System zum Schutz von Luxusmarken vorzulegen.
Ein derartiges Schutzsystem kann es nicht geben. Es bleibt daher nichts anderes übrig,
als spotlightartig die markenrechtlichen Themen, die beim Schutz von Luxusmarken typi-
scherweise Fragen aufwerfen, näher zu beleuchten. Dass dies aus Verständnisgründen teils
den Rückgriff auf Grundsätze und Bestimmungen erforderlich macht, die für alle Marken
gelten, liegt in der Natur der Sache und dient dem besseren Verständnis.
Erkenntnisse der Markenpsychologie, der Markenführung und der Markentechnik spie-
len in der rechtlichen Betrachtung von Luxusmarken bisher keine Rolle. Die juristische
Diskussion, insbesondere die markenrechtliche Judikatur lässt keine interdisziplinären
Erkenntnisse in die Auslegung von Rechtsnormen einfließen. Zwei typische Beispiele
seien hierfür genannt: In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist aner-
kannt, dass der Sinn des Markenrechts darin liegt „sicherzustellen, dass die Marke ihre
Funktionen erfüllen kann“1 . Gleichwohl wird außerhalb der identischen Verletzung die
Qualitäts-, Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunkton der Marke nicht geschützt,
sondern ausschließlich ihre Herkunftsfunktion2 . Selbst die Berücksichtigung anderer Mar-
kenfunktonen als die Herkunftsfunktion im Fall identischer Verletzung ist erst seit der
grundlegenden L’Oréal-Entscheidung des EuGH3 anerkannt. Gründe, warum diese Mar-
kenfunktionen in bestimmten Situationen geschützt werden, andere aber nicht, nennt der
EuGH nicht – Erkenntnisse der Markenpsychologie werden entsprechend zur Begründung
nicht herangezogen. Ein zweites Beispiel ist die rechtserhaltende Benutzung nach §§ 25, 26
Abs. 1 MarkenG. Hiernach muss eine Marke innerhalb von fünf Jahren vor der Geltendma-
chung von Ansprüchen gegenüber Dritten im Inland ernsthaft benutzt worden sein. Gem.
§ 26 Abs. 3 S. 1 MarkenG gilt als Benutzung einer eingetragenen Marke auch die Benutzung
einer abweichenden Gestaltung, wenn nur der kennzeichnende Charakter der Marke nicht
verändert wird. So sieht die Rechtsprechung die Benutzung des Zeichens „Kelly“ nicht als
rechtserhaltend für die eingetragene Marke „Kelly’s“ für Knabberartikel4 . Die Gerichte fol-
gern, ohne auf Erkenntnisse anderer Disziplinen zurückzugreifen, aus eigener Anschauung

1
EuGH, GRUR 2003, 55, Tz. 51 – Arsenal Footballclub.
2
EuGH, GRUR 2009, 756, Tz. 58, 59 – L’Oréal.
3
EuGH, GRUR 2009, 756 – L’Oréal.
4
BGH, GRUR 2002, 1047, 1048, Tz. 28 – Kelloggs/Kelly’s; hierzuauch: BGH, GRUR 2001, 54, 56 –
Subway/Subwear.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 281

der beteiligten Richter, dass „der Verkehr keinen Anlass habe, das abgewandelte Zeichen als
dieselbe Marke anzusehen5 .
Zu guter Letzt sei noch darauf hingewiesen, dass der Schutz der Luxusmarke nicht
mit dem Schutz eines Luxusproduktes gleichgesetzt werden darf, ebenso wenig, wie Pro-
duktpiraterie und Markenpiraterie das Gleiche sind. Der Schutz eines Produktes gegen
Nachahmung kann nur dann markenrechtlich erfolgen, wenn das Produkt selbst als Marke
eingetragen ist. Dies setzt voraus, dass die Form oder die Gestaltung des Produktes vom Ver-
kehr als Herkunftshinweis verstanden werden6 . Ansonsten bedarf es der Schutzerlangung
eines Geschmacksmusterrechts für die eigenartige und vor allen Dingen neue Gestaltung,
bei Erreichen gestalterischer Höhe des Erwerbs eines Urheberrechts oder des wettbewerbs-
rechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 UWG. Bei dem Schutz der Luxusmarke
geht es ausschließlich um den Schutz des Zeichens und des Bekämpfens seiner illegalen
Verwendung. Das Prestige und das Vertrauen in die Marke werden gezielt ausgenutzt, um
minderwertige Produkte zu verkaufen.

17.1.2 Die Sichtweise des Markenrechts: Die angesprochenen


Verkehrskreise

Markenrechtliche Beurteilungen finden „aus der Sicht des Publikums“ statt7 . Auch das Ge-
setz verweist bei der Entstehung des Markenschutzes (§ 4 Nr. 2 MarkenG) auf die beteiligten
Verkehrskreise, in § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG auf „das Publikum“ und bei der Bestimmung
der Verwechslungsgefahr in § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ebenfalls auf „das Publikum“. Das
Publikum ist etwas anderes wie die Zielgruppe eines Anbieters. Das Publikum kann nicht
auf die Zielgruppe einer Marke oder eines Produktes reduziert werden. Zielgruppen wei-
sen auf Vermarktungsstrategien hin, die jederzeit geändert werden können8 . Ebenso wenig
kann das Publikum auf Personen reduziert werden, die das Produkt tatsächlich verwenden
oder als Verwender in Betracht kommen (Raucher bei einer Zigarettenmarke, Biertrin-
ker bei einer Biermarke, oder Inhaber eines Bootsführerscheines bei Yachtmarken). Mit
Blick auf die Herkunftsfunktion der Marke sind vielmehr alle Personen als „Publikum“
zu berücksichtigen, bei denen die Marke dazu beiträgt, ihr Marktverhalten zu bestimmen.
Dies sind in der Regel alle Verbraucher, die potentiell als Abnehmer für sich oder andere
in Betracht kommen, aber auch Zwischenhändler und sonstige Produktverwender. Dies
gilt selbst dann, wenn sich ein Produkt primär an eine spezielle Käufergruppe unter den
Endverbrauchern wendet.
Etwas anderes gilt nur, wenn sich ein Produktangebot und die Wahrnehmung der Marke
ausschließlich an Fachkreise wenden. Man denke an die Beurteilung der Verwechslungs-

5
BGH, GRUR 2003, 1047, 1048, Tz. 28 – Kelloggs/Kelly’s.
6
BGH, GRUR 2006, 679 ff. – Porsche Boxster.
7
EuGH, MarkenR 2008, 261 – Ferrero Deutschland; BGH, GRUR 2006, 763, Tz. 13 – Seifenspender.
8
BGH, GRUR 2003, 340, 341 – Fabergé.
282 M. Köhler

gefahr eines grün lackierten Traktors mit gelben Felgen (John Deere). Angesprochene
Verkehrskreise sind hier nur in der Landwirtschaft tätige Personen.
Aus dem Vorgenannten folgt eine wichtige Erkenntnis: Rechtlich gibt es kein Luxus-
markensegment. Für die markenrechtliche Betrachtung von Luxusmarken ist vielmehr
stets auf die allgemeinen Verkehrskreise, also auf die Gesamtheit der Verbraucher und
Zwischenhändler, abzustellen.

17.1.3 Rechtsquellen

Der Schutz von Marken ist in Deutschland im Markengesetz9 geregelt. Das Gesetz schützt
nicht nur Marken, sondern auch geschäftliche Bezeichnungen, nämlich Unternehmens-
kennzeichen und Werktitel. Das Gesetz regelt das gesamte „Markenleben“. Von der
Schutzerlangung durch Registrierung oder Verkehrsgeltung, das Eintragungsverfahren, die
Schutzdauer, die rechtserhaltende Benutzung aber auch den Verfall und die Löschung der
Marke. Darüber hinaus regelt das Gesetz die Ansprüche des Markeninhabers gegen Verlet-
zer. Bedeutend ist zu wissen, dass das Markengesetz der Markenrechtsrichtline der EU10
diente. Der Zweck der Markenrechtsrichtlinie war, einheitliche Maßstäbe für den Mar-
kenschutz in der EU zu schaffen. Art. 288 Abs. 3 AEUV erklärt daher eine Richtlinie für
jeden Mitgliedsstaat hinsichtlich des zu erreichenden Ziels für verbindlich, überlässt den
Mitgliedsstaaten aber deren Umsetzung, also die Wahl der Form und der Mittel der Rege-
lung. Das Markengesetz schafft damit einen nationalen Kennzeichenschutzstandard, der –
vorgegeben von der EU – für Inhaber der jeweiligen nationalen Marken innerhalb der EU
gleichmäßig gilt. Bei Zweifeln über die Gesetzeslage müssen die letztinstanzlichen nationa-
len Gerichte gem. Art. 267 Abs. 1 AEUV dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die
Rechtsfrage zur Entscheidung vorlegen. Dies ist der Grund, weshalb im Folgenden auch
bei der Auslegung des deutschen Markengesetzes häufig Entscheidungen des EuGH zitiert
werden.
Eine weitere wichtige Rechtsquelle des Markenrechts ist die Gemeinschaftsmarkenver-
ordnung11 . Die Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) sieht quasi identische Rechtsre-
geln wie die Markenrechtsrichtlinie für die Gemeinschaftsmarke vor12 . Über den Gleichlauf
von Gemeinschaftsmarkenverordnung einerseits und den detaillierten Vorgaben der Mar-
kenrechtsrichtlinie, die den Mitgliedstaaten wenig Spielraum bei deren Umsetzung ließ, ist
sichergestellt, dass der gesamte Markenschutz in Europa praktisch einheitlich geregelt ist.

9
Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen vom 25.10.1994, BGBl. I, S. 3082.
10
Erste Richtlinie 89104/EWG des Rats vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EU Nr. L299, S. 25 ff.).
11
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke vom 26.02.2009 (ABl. EU
Nr. L78, S. 1).
12
Einzelheiten zur Gemeinschaftsmarke werden im Abschn. internationaler Markenschutz behandelt.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 283

17.1.4 Die Funktionen der Marke

Das Markengesetz schützt Marken und andere Kennzeichen nicht umfassend. Die deut-
sche Rechtsprechung verlangt traditionell, dass in der beanstandeten Zeichennutzung
eine „kennzeichenmäßige“ Benutzung liegen müsse. Nur wenn der Verkehr in der Zei-
chenbenutzung einen Herkunftshinweis auf den Hersteller erkennen kann, liegt eine
kennzeichenmäßige Benutzung vor, die markenrechtliche Ansprüche auslösen kann. Zwei-
felhaft ist dies meist bei dekorativen Markennutzungen, z. B. dem Aufdruck „DIOR“ oder
„Cartier“ auf einem T-Shirt. Man denke aber auch an Markenverunglimpfungen wie
„MARS macht mobil bei Arbeit, Sex und Spiel“, den Aufdruck von Symbolen eines Fußball-
vereins auf Schals oder die Verwendung von Duftvergleichslisten (duftet wie . . . ). Das OLG
Frankfurt13 hatte beispielsweise über die Benutzung einer Versace-Medusa zu urteilen, die
zu Dekorationsgründen auf einem Marmor-Mosaik wiedergegeben war. Das OLG Frank-
furt entschied, dass der Verkehr die Versace-Medusa nicht nur als Dekoration wahrnehme.
Das Publikum könne darüber hinaus meinen, das Mosaik stamme aus dem Hause Versace
oder einem mit Versace wirtschaftlich verbundenen Unternehmen.
Das Problem der kennzeichenmäßigen Benutzung ist, dass sich ihr Erfordernis nicht
dem Gesetz entnehmen lässt. Hinzu kommt, dass sie häufig mit den gleichen Argumenten
festgestellt wird, wie später die Verwechslungsgefahr und sich damit die Argumentation
häufig nah am Zirkelschluss bewegt. Der Europäische Gerichtshof ist daher einen anderen
Weg gegangen: Markenrechtliche Bestimmungen seien immer dann anwendbar, wenn die
Funktion einer Marke tangiert würde.14 Der EuGH argumentiert, dass das Markenrecht
das Interesse des Markeninhabers schütze und die Interessen des Markeninhabers ergäben
sich aus den rechtlich geschützten Funktionen der Marke15 . Die Hauptfunktion der Marke
bestehe darin, dem Endabnehmer die „Ursprungsidentität der durch die Marke gekenn-
zeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware
oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer
Herkunft zu unterscheiden“.
Dieser Ansatz ist für Luxusmarken von herausragender Bedeutung wie folgender
Grundfall – außerhalb des Luxussegments – zeigt: Der Londoner Fußballverein Arsenal
Footballclub wandte sich gegen den Verkauf von Schals, auf denen in großen Buchsta-
ben das Wort „Arsenal“ stand. Arsenal war als Wortmarke für den Fußballverein – auch
für Schals – eingetragen. Der Beklagte argumentierte, der Aufdruck des Schals drücke die
emotionale Verbindung des Fans zum Verein aus. Auf einem großen Schild über dem Ver-
kaufsstand weise er darauf hin, dass die Aufschrift ausschließlich zu Dekorationszwecken
diene und keinerlei Lizenz oder sonstige Geschäftsbeziehung mit Arsenal Footballclub be-
stehe. Er verwende den Begriff „Arsenal“ daher nicht in der Art eines Kennzeichens. Der

13
BPatG, MarkenR 2009, 547 ff. – Versace.
14
Vgl. grundlegen EuGH, GRUR 2003, 55 ff., Tz. 56 – Arsenal Footballclub; GRUR 2009, 756, Tz. 59 –
L’Oréal.
15
EuGH, a. a. O., Tz. 54 – Arsenal Footballclub.
284 M. Köhler

EuGH entschied, dass der Aufdruck des Schals nicht nur rein beschreibenden Zwecken,
nämlich der Beschreibung der emotionalen Beziehung zum Fußballverein, diene. Es ent-
stünde der Eindruck einer Verbindung im geschäftlichen Verkehr zwischen den betroffenen
Waren und dem Markeninhaber. Hieran ändere auch das große Schild über dem Stand des
Beklagten nichts. Dieses sei nämlich nach dem Kauf, wenn Dritte den Schal wahrnehmen,
irrelevant16 . Diese erwarteten dann nämlich, dass der Schal unter der Kontrolle von Arse-
nal Footballclub hergestellt worden ist und der Verein für dessen Qualität verantwortlich
gemacht werden kann.
Für Luxusmarken sind aus dieser Entscheidung zwei wichtige Erkenntnisse ableitbar:
Die emotionale Beziehung zur Marke ist rechtlich nicht schutzfähig und die Herkunftsfunk-
tion der Marke ist nicht nur vor dem Kauf, sondern gerade auch nach dem Kauf relevant.
Hierbei wird die Wahrnehmung der Marke durch Dritte in die Betrachtung einbezogen.
In der Entscheidung L’Oréal17 hat der Europäische Gerichtshof die rechtlich geschütz-
ten Markenfunktionen erweitert und jede gedankliche Verknüpfung mit der geschützten
Marke als mögliche Rechtsverletzung der Benutzer in Betracht gezogen. Gerade im Falle
der identischen Verletzung sei die Qualitätsfunktion, die Kommunikationsfunktion, die
Investitionsfunktion oder die Werbefunktion ebenfalls zu schützen. Im entschiedenen Fall
hatte L’Oréal aus der Wortmarke und dem Duft „Trésor“ gegen einen Hersteller von Lu-
xusparfumimitationen geklagt. Dessen Duft „Coffret d’Or“ war eine Imitation des Parfums
„Trésor“, die nach Flakon und Verpackung Fachleuten und Verbrauchern ohne weiteres auf-
fiel. In sogenannten Vergleichslisten, die das Unternehmen an Einzelhändler übermittelt
hatte, wurde das Parfum unter der Verwendung des Wortes „Trésor“ dem imitierten Parfum
„Trésor“ zugeordnet. Über die unterschiedliche Herkunft von „Trésor“ und seiner Imitati-
on konnte es weder vor noch nach dem Kauf Zweifel geben, so dass die Herkunftsfunktion
der Marke nicht beeinträchtigt war. Die Benutzung der Marke auf einer Vergleichsliste be-
einträchtigte aber die Werbefunktion, Investitionsfunktion und Kommunikationsfunktion
der Marke18 , entschied der EuGH.

17.2 Entstehung des Markenschutzes

17.2.1 Die Registereintragung

Markenschutz entsteht primär durch die Eintragung eines Zeichens als Marke in das
vom Patentamt geführte Register. Voraussetzung ist eine Anmeldung des Zeichens und

16
EuGH, a. a. O., Tz. 54–57 – Arsenal Footballclub.
17
EuGH, GRUR 2009, 756 ff., Tz. 59 – L’Oréal.
18
EuGH, a. a. O., Tz. 63.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 285

der Waren- und Dienstleistungen, für die Markenschutz begehrt wird. Einzelheiten des
Anmeldeverfahrens regelt die Markenverordnung19 .

17.2.1.1 Voraussetzungen der Registereintragung


Markenschutz kann hierbei für alle Zeichen beansprucht werden, die sinnlich wahrnehm-
bar und geeignet sind, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen
anderer Unternehmen zu unterschieden. Die häufigsten Markenformen sind die Wortmar-
ken (z. B. „Mercedes“ für Automobile oder „Trésor“ für Kosmetika) und Bildmarken (z. B.
der Mercedes-Stern oder der Apfel von Apple). Gerade Luxusmarken versuchen, ihren emo-
tionalen Wert durch vielfache Markeneintragungen zu schützen. So ist für Louis Vuitton
Malletier S/A nicht nur die Wortmarke „Louis Vuitton“ sondern auch die Wort-/Bildmarke
„LV“ und diverse Taschenmuster unter Einbeziehung der Buchstabenkombination „LV“
in der Markenrolle eingetragen. Darüber hinaus kommt ein Schutz als dreidimensionale
Form in Betracht, beispielsweise für die Form eines Flakons, die Form einer Handtasche
oder für die Form eines Automobils. Selbst Geruchsmarken sind denkbar.
Das Problem ist aber stets, die Marke so wiederzugeben, dass sie in das Register aufge-
nommen und von Dritten geprüft werden kann. Dies setzt deren grafische Darstellbarkeit
voraus (Art. 7 Abs. 1 lit. a) GMV, §§ 7 ff. MarkenV).

17.2.1.2 Sonderproblem: Die Formmarke


Besonderes Augenmerk ist auf Formmarken zu legen. Luxusprodukte sind häufig durch
eine sehr individuelle Form gekennzeichnet, die von interessierten Kreisen (Zielgruppe)
sofort erkannt wird. Die Eintragung einer Formmarke ist prinzipiell ohne weiteres möglich
– wenn sie Unterscheidungskraft besitzt. Formmarken sind gem. § 3 Abs. 2 MarkenG nur
dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn die Form durch die Art der Ware selbst
bedingt ist, die zu Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder die der Ware
einen wesentlichen Wert verleiht. Dies ist jedoch in den seltensten Fällen zutreffend, wenn
es keine verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten für ein Produkt gibt. So hat der Bundes-
gerichtshof die typische Rado-Armbanduhr entschieden, dass die nahezu unübersehbare
Vielfalt von Gestaltungen auf dem Sektor der Armbanduhren und selbst die beliebige Kom-
bination üblicher Gestaltungselemente für den Verkehr nicht einmal einen Hinweis auf die
betriebliche Herkunft liefere.20 So hatte das EuG 2011 über die Anmeldung einer drei-
dimensionalen Formmarke für die Lautsprecherbox BeoLab 8002 von Bang & Olufsen zu
entscheiden. Diese besaß die „markante und leicht erinnerbare Gestaltungsform eines Bang
& Olufsen-Produkts“ und sei auffällig21 . Das Gericht entschied, dass dem Zeichen keine
Herkunftsfunktion zukomme, weil es ausschließlich aus einer Form bestehe, die den we-
sentlichen Wert der Ware ausmache und vom Verkehr als bedeutendes Verkaufsargument

19
Markenverordnung vom 11.05.2004, BGB I, S. 872.
20
BGH, Mitt. 2007, 37, zitiert nach juris, Tz. 8 – Rado-Uhr II.
21
EuG, Urteil vom 06.10.2011, T-508/08, Tz. 69 – Bang & Olufsen, zitiert nach juris.
286 M. Köhler

wahrgenommen werde. Die Entscheidung beschreibt eindrucksvoll das Dilemma einer de-
signgestützten Luxusmarke: Wegen ihrer unüblichen Form mag sie besonders geeignet sein,
herkunftshinweisend zu wirken, weil der Verkehr dem Design besondere Aufmerksamkeit
widmet. Wenn der Verkehr das Design aber als Besonderheit wahrnimmt und dies ein ge-
wichtiges Verkaufsargument ist, liegt der wesentliche Wert der Ware in ihrer Formgebung,
was sie gem. § 3 Abs. 2 MarkenG vom Schutz ausschließt.
Aber auch wenn die Form eines Produkts nicht unbedingt wertbildend wirkt, muss für
die Eintragung als Formmarke ein weiteres Hindernis überwunden werden: In der Form
muss mehr als der generische Hinweis auf die Produktkategorie liegen. Das DPMA hat
im Jahr 2001 der Damenhandtasche Kelly Bag von Hermes dem Schutz als Formmarke
verweigert, weil es bei Damenhandtaschen eine unübersehbare Gestaltungsvielfalt gäbe
und der Verkehr nicht daran gewöhnt sei, allein in der Form der Handtasche einen Hinweis
auf die betriebliche Herkunft zu sehen. Das Bundespatentgericht22 hat diese Einschätzung
bestätigt. Die Form einer Damenhandtasche sei modisch-ästhetisch begründet, weshalb die
Handtaschenform nicht als Hinweis auf die Herkunft des Produktes aus einem bestimmten
Unternehmen verstanden würde. Schutz gewährte das BPatG daher ausschließlich wegen
des ungewöhnlichen Vorhängeschlosses der Handtasche. Wegen des mit ihm verbundenen
Stilbruchs und der eingravierten Rillen, die ein stilisiertes „H“ entstehen ließen, sei es
geeignet, als Herkunftshinweis zu wirken.
Der Fall beschreibt ein weiteres Problem von Formmarken: Erschöpfen sie sich in der
Wiedergabe der Form der Ware, werden sie vom Verkehr nicht notwendig als Herkunftshin-
weis wahrgenommen, weshalb ihnen regelmäßig Schutz versagt wird23 . Nur wenn die Form
mehr verkörpert, als einen beschreibenden Begriffsinhalt „Damenhandtasche, Sportwagen
etc.“ und sich durch besondere Gestaltungsmerkmale auszeichnet, kommt Markenschutz
in Betracht. Die besondere Charakteristik des Porsche Boxster erschöpft sich beispielsweise
nicht in dem Begriffsinhalt „Sportwagen“, sondern weist eine eigenständige Charakteristik
auf, die als Herkunftshinweis dienen kann. Dies führt aber zu einem weiteren Problem:
Schützt man die Form eines Produktes, wird die Freiheit der Gestaltung von Produkten
eingeschränkt. Mit verhältnismäßig geringem Aufwand könnte ein Hersteller eine Vielzahl
ähnlicher Gestaltungen zum Gegenstand von Markenanmeldungen machen mit der Folge,
dass diese Formgestaltungen zumindest innerhalb der Benutzungsschonfrist von fünf Jah-
ren (§ 25 Abs. 1 MarkenG) für Wettbewerber verschlossen wäre. Dadurch würde sich eine
erhebliche Einschränkung der Gestaltungsfreiheit ergeben, weil sich Wettbewerber in der
Formgebung ihrer Produkte von denen vom Markeninhaber absetzen müssten24 . Deshalb
besteht nach der Rechtsprechung regelmäßig das Eintragungshindernis eines Freihaltebe-
dürfnisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Dieses könne nur durch Verkehrsdurchsetzung
(§ 8 Abs. 3 MarkenG) überwunden werden.

22
BGH, MarkenR 2004, 153 ff., Tz. 24 – Kelly Bag.
23
BGH, GRUR 2006, 679 ff., Tz. 16 – Porsche Boxster.
24
BGH, a. a. O., Tz. 21.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 287

17.2.2 Verkehrsgeltung und Verkehrsdurchsetzung

Die Bekanntheit eines Zeichens hat also große Bedeutung beim Schutz von Luxusmar-
ken. Wie die Porsche Boxster-Entscheidung zeigt, kann durch Bekanntheit im Sinne der
Verkehrsdurchsetzung gem. § 8 Abs. 3 MarkenG das Eintragungshindernis fehlender Un-
terscheidungskraft des Zeichens überwunden werden. Ähnliches regelt § 4 Nr. 2 MarkenG.
Gem. § 4 Nr. 2 genießt ein Zeichen, das so bekannt ist, dass es Verkehrsgeltung erworben
hat, auch ohne Registereintragung Schutz. Das Gesetz gewährt damit in den Fällen, in
denen überwiegende Teile des Verkehrs ein Zeichen als Herkunftshinweis aus einem be-
stimmten Unternehmen auffasst, außerhalb des Registers bzw. trotz Freihaltebedürfnisses
Schutz. Verkehrsgeltung und Verkehrsdurchsetzung unterscheiden sich nur in hier nicht
interessierenden Details.
Verkehrsgeltung und Verkehrsdurchsetzung müssen nach der Rechtsprechung „jeden-
falls bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise erreicht sein“25 .
Der erforderliche Grad der Verkehrsdurchsetzung lässt sich leider nicht mit Prozentsätzen
festlegen. Der Europäische Gerichtshof hat der früheren deutschen Rechtsprechung, die
die erforderliche Verkehrsgeltung in Prozenten maß, eine Absage erteilt26 . Vielmehr ist eine
Gesamtschau aller möglichen Kriterien vorzunehmen, neben der Bekanntheit des Zeichens,
der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und
die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke
sowie Erklärungen für Industrie- und Handelskammern oder von anderen Berufsverbän-
den. Die deutsche Rechtsprechung hat sich aber nicht davon abbringen lassen, jedenfalls
einen Mindestdurchsetzungsgrad von 50 % zu definieren, der nur im Ausnahmefall un-
terschritten werden darf 27 . Alle diese Kriterien sind abzuwägen gegen die Intensität des
Freihaltebedürfnisses bzw. des beschreibenden Charakters des Zeichens.
Die Dr.-Ing. h. c. Ferdinand Porsche AG hatte mit einer 1997 eingereichten Anmeldung
versucht, die Form des Porsche 911 als dreidimensionale Marke für „Kraftfahrzeuge und de-
ren Teile“ schützen zu lassen. Die Anmeldung wurde wegen fehlender Unterscheidungskraft
und Freihaltebedürfnis zurückgewiesen. Es bestünde ein erhebliches Freihaltebedürfnis an
der äußeren Gestaltungsform eines Kraftfahrzeugs, die nicht nur auf den ästhetischen
Eindruck, sondern auch auf technische Erfordernisse abziele, wie etwa Luftwiderstands-
reduzierung oder Unfallschutz. Die technische Fortentwicklung und die zukünftigen
gesetzlichen Rahmenbedingungen verlangten einen möglichst weiten Freiraum bei der
Gestaltung von Formelementen im PKW-Bereich. Die Porsche AG hat daraufhin ihre ge-
samten Werbeaufwendungen für den Porsche 911 der letzten Jahre aufgeschlüsselt und
Prospekte und Werbematerialien vorgelegt, aus denen sich ergab, dass durch die spezifische
Formgestaltung und die über Jahrzehnte andauernde Formkonstanz geradezu der Inbegriff

25
BGH, GRUR 2008, 917, Tz. 38 – EROS.
26
EuGH, GRUR 1999, 723, Tz. 52 – Windsurfing Chiemsee.
27
BGH, GRUR 2010, 138, Tz. 41 – Rocher-Kugeln.
288 M. Köhler

des Sportwagens geschaffen wurde, dessen Form der Verkehr – trotz Freihaltebedürfnisses
– auf die Porsche AG zurückführte28 .

17.3 Die Verletzung der geschützten Luxusmarke

Markenrechtliche Bestimmungen schützen die Luxusmarke nur insoweit, als ihre Funk-
tionen durch ein „Handeln im geschäftlichen Verkehr“ nicht beeinträchtigt wird. Wer
privat Markenpiraterieware aus dem Ausland einführt, wer eine gefälschte Louis Vuitton-
Handtasche auf eBay anbietet oder wer eine ihm gehörende Rolex-Uhr verändert, löst keine
markenrechtlichen Ansprüche aus.

17.3.1 Handeln im geschäftlichen Verkehr

Der Bundesgerichtshof hatte über die Weigerung von Rolex S/A zu entscheiden, eine zur
Reparatur eingeschickte Rolex-Armbanduhr zurückzugeben29 . Die Uhr befand sich nicht
mehr im Originalzustand, ihr Besitzer hatte ein Diamant-Ziffernblatt angebracht und auf
dem Saphir-Glas eine fünfzackige Krone und den Namen „Rolex“ aufgebracht. Die Uhr
entsprach damit dem Erscheinungsbild eines deutlich teureren Rolex-Modells. Rolex sah
in der Veränderung einen Eingriff in ihre Markenrechte, die sie nicht hinnehmen müs-
se. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Markeninhaber sich zwar auch nach dem
ersten Inverkehrbringen der Ware jeder Veränderung der Eigenart der Markenware wider-
setzen dürfe30 . Das Recht aus der Marke beschränke sich jedoch auf deren Verwendung im
geschäftlichen Verkehr und untersage es Dritten lediglich, ohne Zustimmung des Marken-
inhabers die dem Markeninhaber vorbehaltene Kennzeichnung im geschäftlichen Verkehr
zu benutzen. Änderungen einer Markenware, die der Abnehmer der Ware für den Eigen-
bedarf vornimmt, seien markenrechtlich irrelevant. Vorliegend sei die Veränderung der
Kennzeichnung im Privatbereich geschehen. Wer sich mit hochwertiger Markenware oder
mit Luxusgegenständen schmücke, wolle damit zwar eine Steigerung seines Ansehens in
der Öffentlichkeit, möglicherweise auch bei geschäftlichen Kontakten, erreichen. Die Art
seines Auftretens bleibe aber seine persönliche Note. Wer Markenware trage, werde damit
nicht selbst zu einem der Bestimmung des Markeninhabers unterworfenen Objekt.
Besondere Bedeutung bekommt das Merkmal „im geschäftlichen Verkehr“ bei dem An-
gebot von Luxusmarkenartikeln auf Auktionsplattformen wie eBay oder bei der Einfuhr
von Piraterieware an der Grenze. Der Bereich des privaten Handelns ist schnell verlassen.
Auch unterhalb der Reisefreigrenzen von 430,00 € (für Reisen im Flug- und Seeverkehr)

28
BPatG, GRUR 2005, 330 ff., Tz. 33 – Porsche 911.
29
GRUR 1998, 696, Tz. 9 – Rolex-Uhr mit Diamanten.
30
BGHZ 131, 308, 316 – Gefärbte Jeans.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 289

bzw. 300,00 € (sonstige Reisen) beschlagnahmt der Zoll gefälschte Markenware, wenn er
einen kommerziellen Charakter der Einfuhr erkennt. Relevant sind Art und Menge der
nachgeahmten oder gefälschten Ware und alle Umstände des Einzelfalls. So hat die Recht-
sprechung die Einfuhr von 94 diversen markenverletzenden Kleidungsstücken im Besitz
einer vierköpfigen PKW-Besatzung als geschäftlich klassifiziert. Einem LKW-Fahrer, der
mit zehn von ihm mitgeführten Chiemsee-Sweatshirts und sechs Kapuzenjacken angehal-
ten wurde, wurde ein Handeln zu privaten Zwecken zugebilligt, da die Kleidungsstücke in
unterschiedlichen Größen als Weihnachtsgeschenk für Familienmitglieder dienen sollten
und die Familienmitglieder entsprechende eidesstattliche Versicherungen abgaben31 .
Bei Internetangeboten ist die Rechtsprechung noch strenger. Immer dann, wenn ein
Anbieter wiederholt mit gleichartigen, insbesondere auch neuen Gegenständen handelt,
wenn er ein zum Kauf angebotenes Produkt erst kurz zuvor erworben hat, spricht dies für
ein Handeln im geschäftlichen Verkehr32 . Eine junge Frau, die bei eBay in einem Zeitraum
von vier Wochen 51 Waren und fünf Monate später in einem Zeitraum von zwei Wochen
weitere 40 Waren gefälschter Cartier-Schmuckstücke bei eBay anbot, attestierte der Bun-
desgerichtshof geschäftliches Handeln33 . Ebenso kann die Konzentration der Artikel auf
wenige Produktbereiche und selbst die Anzahl der Bewertungen auf eBay für kommerzielle
Tätigkeit sprechen (vgl. hierzu [3]). Selbst eine Mutter von vier Kindern, die gebrauchte
Kinderkleidung in einem von ihr eröffneten eBay-Shop anbot, wurde von der Rechtspre-
chung als Unternehmerin behandelt34 . Allerdings hatte die Anbieterin in einem Zeitraum
von etwas mehr als drei Monaten 76 Kleidungsstücke angekauft und diese nach kurzer Zeit
mit einem höheren Preis wieder über eBay zum Verkauf angeboten.
Die Beispiele zeigen, dass die Rechtsprechung privates Handeln nur in plausiblen
Ausnahmefällen anerkennt.

17.3.2 Die Markenverletzung

Dreh- und Angelpunkt aller markenrechtlichen Ansprüche des Luxusmarkeninhabers ist


§ 14 MarkenG. Die Norm gewährt dem Inhaber einer registrierten oder durch Ver-
kehrsgeltung geschützten Marke ein ausschließliches Recht an der Marke. Immer wenn
die Voraussetzungen von § 14 Abs. 2 MarkenG gegeben sind, kommen Ansprüche auf
Unterlassung, Schadenersatz, Auskunft, Vernichtung oder Grenzbeschlagnahme in Be-
tracht. Dies gilt gem. Art. 101 Abs. 2 GMV im Übrigen auch für die Verletzung
von Gemeinschaftsmarken. Die Gemeinschaftsmarkenverordnung verweist insoweit auf §
14 MarkenG.
§ 14 Abs. 2 MarkenG beschreibt drei verschiedene Verletzungstatbestände:

31
LG Düsseldorf, Mitt. 1996, 22 – Windsurfing Chiemsee.
32
BGHZ 158, 236, 249 – Internetversteigerung I.
33
BGH, MMR 2009, 538, Tz. 25 – Ohrclips.
34
LG Berlin, MMR 2007, 401.
290 M. Köhler

• Die Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens für Produkte, die identisch
denen sind, für die die Marke geschützt ist.
• Die Verwendung eines ähnlichen oder identischen Zeichens für Produkte, die mit denen,
für die die Marke geschützt ist, ähnlich oder identisch sind.
• Die Benutzung eines mit der Marke identischen oder ähnlichen Zeichens für Produkte,
die mit denen, für die die Marke geschützt ist, nicht ähnlich sind, wenn die Marke im
Inland bekannt ist und ihre Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer
Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird.

Für Luxusmarken spielt typischerweise der erstgenannte Tatbestand (§ 14 Abs. 2 Nr.


1 MarkenG) und der letztgenannte Tatbestand (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) eine Rolle.

17.3.3 Die ,,doppelidentische Verletzung‘‘

Im Fall von Identität der sich gegenüberstehenden Zeichen und der sich gegenüber-
stehenden Produkte („doppelidentische Verletzung“) gibt es für Luxusmarken keine
Besonderheiten. In diesem Fall liegt eine Markenverletzung vor, ohne dass es auf die (nur
für § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG relevante) Verwechslungsgefahr ankäme. Wichtig ist, dass
im Falle der doppelidentischen Verletzung nicht nur die Herkunftsfunktion der Marke,
sondern auch die anderen Markenfunktionen, insbesondere die Werbe- und Kommunika-
tionsfunktion der Marke, geschützt ist. Ein Parfum-Nachahmer, der einen Duft „Coffret
d’Or“ in einem sofort als Imitation erkennbaren Flakon der Marke „Trésor“ von L’Oréal
anbietet, verletzt die Marke „Trésor“, obwohl kein Zweifel über die unterschiedliche Her-
kunft von Trésor und Coffret d’Or bestehen kann und damit die Herkunftsfunktion der
Marke nicht verletzt ist35 . Gleichwohl nutzt er die Werbefunktion und die Kommunika-
tionsfunktion der Marke aus, wenn er das Produkt mit dem Hinweis „duftet wie Trésor“
bewirbt. Der Anspruch ergibt sich aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, da Zeichenidentität,
aber auch Identität der sich gegenüberstehenden Produkte vorliegt. Letztere wird übrigens
stets schon angenommen, wenn die Warengattung der sich gegenüberstehenden Produkte
identisch ist. Die Gattungsbegriffe des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses können
insoweit herangezogen werden.
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der Hinweis des markenverletzenden
Anbieters, dass es sich bei seinem Angebot nicht um Originalware handelt, für das Beste-
hen einer Markenverletzung keine Rolle spielt. Selbst wenn der Verkehr vor dem Kauf weiß
oder darauf hingewiesen wird, dass es sich bei der angebotenen Ware um gefälschte Ware
handelt, kommt eine Markenverletzung in Betracht, denn auch nach dem Erwerb der Wa-
re, nämlich bei ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch, wird die Ware und das gefälschte
Zeichen von Dritten wahrgenommen. So hat der EuGH36 das Angebot von Fußballschals
unter Verwendung des Zeichens „Arsenal“ als markenverletzend gewertet, obwohl am Point

35
s. o. Ziff. 1.5, Funktionen der Marke; EuGH, GRUR 2009, 756 ff., Tz. 59 – L’Oréal.
36
EuGH, GRUR 2003, 55, Tz. 56, 57 – Arsenal Footballclub.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 291

of Sale unübersehbar über den nicht offiziellen Charakter der Fanartikel aufgeklärt wurde.
Auch eine Post-sale-confusion führe zu einer Markenverletzung, weil der Verkehr die ge-
kennzeichnete Ware bei ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch mit dem Markeninhaber
in Verbindung brächte. Dies müsse dieser nicht hinnehmen.

17.4 Der besondere Schutz bekannter Luxusmarken

17.4.1 ,,Bekannt‘‘

Von besonderer Bedeutung für den Schutz von Luxusmarken ist § 14 Abs. 2 Nr. 3 Mar-
kenG. Der Tatbestand schützt die „bekannte Marke“. Man muss sich allerdings darüber
im Klaren sein, dass nicht jede bekannte Marke per se eine Luxusmarke ist. Ebenso wenig
ist eine Luxusmarke per se eine bekannte Marke. Die Bekanntheit orientiert sich nämlich
nicht an der Zielgruppe des Produktes, sondern muss den angesprochenen Verkehrskreisen
vorliegen, was typischerweise die Gesamtheit der Verbraucher ist37 . Dennoch gibt es eine
besondere Beziehung zwischen Luxusmarken und dem Rechtsbegriff der bekannten Mar-
ke. Denn der Grund, weshalb bekannten Marken ein erweiterter Schutz zugestanden wird,
ist das vom Markeninhaber mit erheblichem Werbeaufwand geschaffene Markenimage als
schutzwürdigem wirtschaftlichem Wert (so [2]). Der Europäische Gerichtshof betont die
wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung
des Images einer Marke38 , die ein Verletzer ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne
dafür eigene Anstrengungen unternehmen zu müssen, ausnutze. Diese Erwägungen treffen
typischerweise auf die Verletzung von Luxusmarken zu.
Erforderlich für den erweiterten Schutz ist, dass die Marke einem bedeutenden Teil
des Publikums bekannt ist39 . Dies sei, so der EuGH weiter, „ein gewisser Grad“ an Be-
kanntheit. Genaueres erfährt man vom EuGH nicht. Einmal mehr sind alle relevanten
Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Die Erwägungen zur Verkehrsgeltung und Verkehrs-
durchsetzung können herangezogen werden. So kann der Markeninhaber im Prozess neben
einem demoskopischen Gutachten zur Bekanntheit des Zeichens bei den angesprochenen
Verkehrskreisen Aufstellungen zu seinen Werbe- und Vertriebsinvestitionen vorlegen, die
Dauer der Markenbenutzung, die Marktverhältnisse und seinen Marktanteil sowie die Auf-
merksamkeit für die Marke in der Berichterstattung der Medien belegen. Die so festgestellte
„Bekanntheit“ muss in einem wesentlichen Teil Deutschlands bestehen.
Einheitliche und vor allem klare Kriterien der Rechtsprechung fehlen aber. So hat der
Bundesgerichtshof Bekanntheitsschutz der Luxusmarke „Fabergé“ für möglich gehalten,
obwohl nur 5 bis 12 % das Zeichen „Fabergé“ mit Luxusgütern in Verbindung brachte,

37
s. o. Ziff. 1.2.
38
EuGH, GRUR 2009, 756, Tz. 49 – L’Oréal.
39
EuGH, GRUR 2009, 1158, Tz. 24 – PAGO International.
292 M. Köhler

„sofern sich aus den übrigen genannten Aspekten ein Bekanntheitsschutz rechtfertigen
ließe“40 . Das OLG Hamburg41 ließ zum Schutz des Naturkosmetikzeichens „Yves Rocher“
als bekannte Marke gegen Spirituosen „Yves Roche“ den Rückgriff auf eine Spiegel-Outfit-
Umfrage und Hinweise auf den Umsatz mit der Marke genügen. Das OLG München42
hielt die Bekanntheit der Marke „Rolls Royce“ für gerichtsbekannt. In der Porsche Boxster-
Entscheidung43 hat der BGH das Verbraucherinteresse an einem neuen PKW-Modell eines
bekannten, auf Exklusivität bedachten Automobilherstellers und ein lebhaftes Echo in den
Medien ausreichen lassen, um von einer Bekanntheit der Formmarke „Porsche Boxster“ bei
der Prüfung von § 8 Abs. 3 MarkenG auszugehen – wohlgemerkt ohne ein demoskopisches
Gutachten eingeholt zu haben.

17.4.2 Schutztatbestände

Der Schutz der bekannten Marke geht deutlich weiter, als der Schutz der einfachen Marke.
Es wird Schutz gegen Verwässerung (Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft), Schutz
gegen Rufschädigung (Beeinträchtigung der Wertschätzung), Schutz gegen Rufausbeu-
tung (Ausnutzung der Wertschätzung) und Schutz gegen Aufmerksamkeitsausbeutung
(Ausnutzung der Unterscheidungskraft) gewährt.

17.4.2.1 Verwässerung
Beim Verwässerungsschutz geht es um eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Mar-
ke durch die Verwendung eines identischen oder ähnlichen Zeichens. Diese Schwächung
tritt ein, weil die Benutzung der jüngeren Marke zur Auflösung der Identität der älteren
Marke und ihrer Bekanntheit beim Publikum führt. Im Fall L’Oréal/Bellure44 entschied
der Europäische Gerichtshof, dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Marke eine
Verbindung mit den von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen schuf, die sie wegen der
Markenverletzung nicht mehr zu bewirken vermöge. Im konkreten Fall ging es, wie be-
reits beschrieben, um Duftvergleichslisten, die Parfumimitationen bestimmten Originalen
zuordnete.
Der besondere Schutz der bekannten Marke liegt also darin, dass ihre Benutzung gera-
de auch außerhalb des Ähnlichkeitsbereiches gewährt wird. Doch auch dieser Schutz hat
Grenzen: Der Herrenausstatter Hugo Boss wehrte sich dagegen, dass die deutsche Börse
ein System für die Übermittlung von Börseninformationen, das elektronische „Börsen-
Ordner-Service-System“ als „BOSS“ bezeichnete. Das OLG Frankfurt45 versagte der Hugo

40
BGH, GRUR 2002, 340, Tz. 29 – Fabergé.
41
OLG Hamburg, GRUR 1999, 339, 341 – Yves Roche.
42
OLG München, GRUR 2000, 519, 520 – RollsRoyce.de.
43
BGH, GRUR 2006, 679, Tz. 23 – Porsche Boxster.
44
EuGH, GRUR 2009, 756, Tz. 39 – L’Oréal.
45
OLG Frankfurt, GRUR 1995, 154, 156 – BOSS.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 293

Boss AG den Schutz aus der bekannten Marke. Der Verwässerungsschutz setze nämlich
neben der Bekanntheit der Marke einerseits auch andererseits voraus, dass die hervorra-
gende Alleinstellung der Marke auch auf den Bereich ausstrahlt, in dem die beanstandete
Zeichenbenutzung stattfindet. Hierbei sei zu beachten, dass eine Marke ihre überragen-
de Verkehrsgeltung auf dem Warengebiet erlange, auf dem sie tatsächlich benutzt werde.
Diese überragende Verkehrsgeltung strahle regelmäßig allenfalls auf eng benachbarte Wa-
rengebiete aus und nehme meist mit der Entfernung ab. Die Hugo Boss AG versuchte
zu argumentieren, dass die Marke „Hugo Boss“ im Kreis der Benutzer des Börsenor-
dersystems sehr wohl Kraft besäße, da viele Broker BOSS-Anzüge trügen. Das OLG
Frankfurt verwarf diese Argumentation, da es sich um völlig unterschiedliche Branchen
mit andersartigen Qualitätsanforderungen und -vorstellungen handele, die eine Gedan-
kenverbindung zwischen dem Warengebiet „Herrenoberbekleidung“ und dem technischen
Dienstleistungsbereich elektronischer Datenübermittlung ausschlösse. Es gibt damit eine
Wechselwirkung zwischen der Bekanntheit und Strahlkraft einer Marke einerseits und
der Entfernung zu der Branche der beanstandeten Zeichennutzung zur Bejahung der
Markenverwässerung.

17.4.2.2 Beeinträchtigung der Wertschätzung (Rufschädigung)


Die Rufschädigung einer Luxusmarke kommt in Betracht, wenn sie verunglimpft wird oder
wenn das Zeichen für qualitativ minderwertige Produkte verwendet wird.
Bei der Markenverunglimpfung geht es darum, dass die Marke in einer herabsetzenden
Darstellungsform oder in Verbindung mit herabsetzenden bzw. inkompatiblen oder obszö-
nen Zusätzen (Werbesprüche etc.) verwendet wird [3]. Typische Fälle sind die Aufschrift
„Deutsche Pest“ auf einem gelb lackierten Messebau-LKW46 oder der Slogan „MARS macht
mobil bei Sex, Sport und Spiel“ auf einer Süßware47 oder dem Werbespruch „Es tut Nivea
als beim ersten Mal“48 .
Für Luxusmarken besonders relevant ist die zweite Fallgruppe des inkompatiblen Zweit-
gebrauchs. Durch die Verwendung der Bezeichnung „McDog“ für Hunde- und Katzenfutter
wird z. B. die Wertschätzung der Marke McDonalds beeinträchtigt49 . Die Daimler AG wehr-
te sich 1986 aus ihrer Marke „SL“ für „hochklassige Sportwagen“ gegen die Bezeichnung
eines Kleinwagens der Marke FIAT mit „Uno 70 SL“. Der Bundesgerichtshof 50 entschied,
hierin könne eine Beeinträchtigung der Wertschätzung der Marke „SL“ liegen. Entspre-
chend hatte der Bundesgerichtshof schon 198551 entschieden. Die Benutzung des Zeichens
„Dimple“ für Wasch- und Putzmittel verschaffe dem Klagezeichen ein negatives Image. Die
Marke „Dimple“ war für hochpreisigen Whiskey mit herausragender Qualität bekannt.

46
LG Hamburg, GRUR 2000, 514 – Deutsche Pest.
47
BGH, GRUR 1994, 808 – Markenverunglimpfung I.
48
BGH, GRUR 1995, 57 – Markenverunglimpfung II.
49
BGH, GRUR 1999, 161, 164 – McDog.
50
BGH, GRUR 1991, 609 ff. – SL.
51
BGH, GRUR 1985, 550, 553 – Dimple.
294 M. Köhler

17.4.2.3 Ausnutzung der Unterscheidungskraft


(Aufmerksamkeitsausbeutung)
Eine typische Beeinträchtigung, mit der Luxusmarken zu kämpfen haben, ist die Auf-
merksamkeitsausbeutung. Man denke an den Verkauf einer lila Postkarte, der nur deshalb
scherzhafter Charakter zukommt, weil die Farbe Lila sofort mit der Schokoladenmarke
Milka in Verbindung gebracht wird52 . Hierdurch wird die Kommunikationsfunktion der
Marke ausgenutzt und damit die Interessen des Markeninhabers beeinträchtigt. Vor allen
Dingen sind hier aber die vielen Fälle der Rufausbeutung zu nennen. Ein typisches Beispiel
ist die Rolls Royce-Entscheidung des Bundesgerichtshofs53 . Eine Werbeagentur hatte in ei-
ner Illustrierten eine ganzseitige Werbeanzeige für amerikanischen Whiskey der Marke „Jim
Beam“ veröffentlicht. Darin war im Rahmen einer gestellten Szene auch die Vorderansicht
eines Rolls Royce-Automobils einschließlich der Kühlerpartie mit der Kühlerfigur „Flying
Lady“, dem Emblem „RR“ und dem charakteristischen Kühlergrill abgebildet. Auf dem
Kotflügel des Fahrzeugs saßen zwei im texanischen Stil gekleidete Männer beim Karten-
spiel. Im Vordergrund war hervorgehoben eine Flasche Whiskey mit zwei gefüllten Gläsern
dargestellt. Der Bundesgerichtshof entschied, dass das rechtswidrige Verhalten darin läge,
die Qualität seiner Ware oder Leistungen mit denen geschätzter Konkurrenzerzeugnisse in
Beziehung zu setzen, um den guten Ruf der Waren oder Leistungen eines Mitbewerbers als
Vorspann für die eigene Werbung auszunutzen. In der Verwendung der Abbildung der Rolls
Royce-Kennzeichen, die wegen der anerkannten Qualität und Exklusivität des Produktes
besondere Wertschätzung genössen, werde deren Ruf auf das eigene Produkt übertragen.
Zur Feststellung einer Rufausbeutung gelangte der Bundesgerichtshof auch bei der Beur-
teilung einer Armbanduhr, die bei Tchibo für 39,95 DM vertrieben wurde. Die Uhr war der
Rolex Oyster Perpetual Datejust nachgebildet und mit der charakteristisch stilisierten Lilie
gekennzeichnet. Der Bundesgerichtshof urteilte, dass Tchibo sich den Prestigewert und
guten Ruf von Rolex zu Nutze mache und an das Prestigedenken der Käufer appelliere, um
diese hierdurch zum Kauf anzulocken54 . Das OLG Stuttgart schließlich hatte über die Nut-
zung des Zeichens „Carrera“ durch einen Fahrradhersteller zu entscheiden55 . Es entschied,
dass die Marke „Carrera“ der Dr.-Ing. h. c. Ferdinand Porsche AG mit den Eigenschaf-
ten Hochwertigkeit, ausgereifte Technik und Ermöglichen eines sportiven Fahrverhaltens
aufgeladen sei und dieses Image nunmehr unzulässig auf Fahrräder übertragen würde.
Dieser Imagetransfer sei umso wahrscheinlicher, als eine Reihe von Fahrzeugherstellern
heutzutage auch Fahrräder anböten56 .
Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Imagetransfer zulässig stattfindet. In der Pro-
grammzeitschrift TV-Spielfilm war ein Gewinnspiel der Jägermeister AG ausgelobt. Bei dem
Gewinnspiel konnte man einen Ferrari gewinnen. In der entsprechenden Anzeige war der

52
BGH, GRUR 2005, 583, 584 – Lila Postkarte.
53
BGH, GRUR 1983, 247, 248 – Rolls Royce.
54
BGH, GRUR 1985, 876 – Tchibo/Rolex.
55
OLG Stuttgart, GRUR-RR 2007, 313 ff. – Carrera.
56
OLG Stuttgart, a. a. O., Tz. 45.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 295

Ferrari mit einem auf der Kühlerhaube angebrachten Jägermeister-Emblem abgebildet57 .


Einer unzulässigen Rufausbeutung stünde entgegen, dass die mit dem Versprechen einer
Luxusmarke als Gewinn einhergehende Werbewirkung der Großzügigkeit des auslobenden
Unternehmens eine der Natur der Sache nachgegebene Folge des konkreten Gewinnspiels
sei. Das Jägermeister-Emblem auf dem Ferrari werde vom Verkehr als Verdeutlichung der
Gewinneigenschaft des Ferrari bei dem Jägermeister-Gewinnspiel wahrgenommen. Dem
wohne keine unlautere Ausbeutung des guten Rufs der Marke „Ferrari“ inne58 .

17.5 Ansprüche wegen der Verletzung einer Luxusmarke

Die Ansprüche wegen der Verletzung einer Luxusmarke unterscheiden sich nicht von denen,
die bei normalen Markenverletzungen gegeben sind. Im Folgenden wird daher nur auf
Ansprüche weiter eingegangen, die gerade für die Inhaber von Luxusmarken von besonderer
Bedeutung sind.
Markeninhaber, deren Marken kopiert werden, sind in besonderem Maße an einem
effektiven Schutz gegen Markenpiraten angewiesen. Die europäische Kommission leg-
te daher im Oktober 1998 ein Schwarzbuch über die Bekämpfung von Nachahmungen
und Produkt- und Dienstleistungspiraterie im Binnenmarkt vor. Es folgte im November
2000 ein Aktionsplan, der schließlich 2004 in die sogenannte Enforcement-Richtlinie59
mündete. Die Enforcement-Richtlinie wurde 2008 durch eine Novelle des Markengesetzes
umgesetzt. Die Richtlinie zielte in erster Linie darauf ab, einen gleichwertigen Schutz des
geistigen Eigentums in allen EU-Mitgliedsstaaten zu erreichen. Neben der Harmonisie-
rungsfunktion brachte die Richtlinie aber eine deutliche Verschärfung, insbesondere der
Ansprüche des Markeninhabers zur Verfolgung der Markenpiraterie zu ihrem Ursprung.
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Enforcement-Richtlinie für
alle gewerblichen Schutzrechte, also nicht nur für das Markenrecht, gleiche Ansprüche der
Rechtsdurchsetzung vorsieht.

17.5.1 Überblick

Das Markengesetz sieht im Falle von Markenverletzungen folgende Ansprüche vor:

• Der in der Praxis wichtigste und stets geltend gemachte Anspruch ist der Unterlassungs-
anspruch gem. § 14 Abs. 5 MarkenG

57
Vgl. BGH, GRUR 2006, 329 ff. – Jägermeister-Ferrari.
58
BGH, a. a. O., Tz. 35.
59
Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 29.04.2004 zur Durchsetzung
der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. EU Nr. L95 S. 16).
296 M. Köhler

• § 14 Abs. 6 MarkenG gewährt einen Schadenersatzanspruch falls der Verletzer


vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.
• § 18 Abs. 1 MarkenG eröffnet die Möglichkeit, von dem Verletzer die Vernichtung aller in
seinem Besitz befindlichen, widerrechtlich gekennzeichneten Waren zu verlangen. Dies
umfasst auch Werkzeuge und Geräte zur Herstellung widerrechtlich gekennzeichneter
Waren.
• § 18 Abs. 2 MarkenG sieht die Rückrufpflicht widerrechtlich gekennzeichneter Waren
aus den Vertriebswegen vor. Der Rückruf richtet sich nur gegen gewerbliche Abnehmer
des Verletzers.
• § 19 MarkenG regelt einen umfassenden Auskunftsanspruch über die Herkunft und
den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Waren. In Plagiatsfällen können
sogar Dritte auf Auskunft in Anspruch genommen werden, gem. § 18 Abs. 7 MarkenG
sogar im Wege der einstweiligen Verfügung.
• § 19 a MarkenG regelt Vorlage- und Besichtigungsansprüche noch vor Feststellung der
Rechtsverletzung, um dem Markeninhaber Ermittlungen über die Herkunft der Ware
zu ermöglichen.

17.5.2 Unterlassung

Der Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 5 MarkenG ist stets gegeben, wenn Wiederho-
lungsgefahr besteht. Diese wird nach einem Rechtsverstoß vermutet. Er besteht aber auch
als vorbeugender Unterlassungsanspruch, wenn der Rechtsverstoß erstmalig droht und es
hierfür konkrete Anhaltspunkte gibt. Erwähnenswerte Besonderheiten für Luxusmarken-
inhaber gibt es allein in Transit-Fällen, also dann, wenn gefälschte Markenware aus einem
Drittland durch Deutschland transportiert und weiter in das Bestimmungsland ausgeführt
wird:
Estée Lauder wandte sich dagegen, dass gefälschte Parfumprodukte der Serie „Clinique“
aus Dubai kommend vom Flughafen Berlin-Tegel per LKW weiter nach Russland beför-
dert werden sollten. Das Hauptzollamt Potsdam setzte die Überlassung der Ware an den
Frachtführer auf Basis des Verfahrens der Grenzbeschlagnahme aus. Estée Lauder versuchte
nun, vor dem Berliner Kammergericht per einstweiliger Verfügung die Ausfuhr der Plagiate
zu verhindern. Das Kammergericht Berlin60 entschied, dass die unter Zollverschluss durch
Deutschland transitweise überführten Waren in Deutschland markenrechtlich nicht be-
anstandet werden können, weil es hierzu an einem „Inverkehrbringen im Inland“ fehle.
Etwas anderes könne nur gelten, wenn die Ware mit Sicherheit im Transitland Deutsch-
land heimlich in Verkehr gebracht werden würde. Die Entscheidung überrascht, weil sie im
Widerspruch zu den Enforcement-Bemühungen der Europäischen Union steht. Sie liegt

60
GRUR-RR 2011, 263 ff., Tz. 43 ff. – Clinique.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 297

aber auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs61 und des Europäischen
Gerichtshofs62 .
Besonders hingewiesen sei auch darauf, dass sich Unterlassungsansprüche nicht nur
gegen Täter und Helfer von Markenverletzungen richten. Als Haftende des Unterlassungs-
anspruchs kommen insbesondere auch Betreiber von Onlinemarktplätzen, z. B. eBay, in
Betracht. Insoweit greifen die Grundsätze der sog. Störerhaftung. Wer, ohne Täter oder
Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung
eines geschützten Guts beiträgt, kann hiernach als Störer auf Unterlassung in Anspruch
genommen werden. Voraussetzung ist lediglich, auch wenn er selbst die rechtswidrige Be-
einträchtigung nicht vorgenommen hat, dass ihm Prüfungspflichten obliegen, denen er
nicht nachgekommen ist63 .
In der Entscheidung Stiftparfum wehrte sich die Zino Davidoff SA gegen das An-
gebot von gefälschten Parfumartikeln der Marke „Davidoff Cool Water Deep“ auf der
Aktionsplattform eBay durch zwielichtige Anbieter. Davidoff SA warf eBay vor, die
Auktionsplattform nicht ausreichend auf Markenverletzungen zu kontrollieren, deshalb
Prüfungspflichten zu verletzen und folglich auf Unterlassung zu haften. eBay wandte ein,
man sei ob der Masse der Angebote nicht in der Lage, Piraterieware festzustellen. Durch das
VeRi-Programm könnten Rechteinhaber rechtsverletzende Angebote beanstanden, was zur
sofortigen Sperrung der Angebote führe. Darüber hinaus würde durch Suchsoftware nach
offensichtlichen Rechtsverletzungen recherchiert. Der Bundesgerichtshof entschied, dass
es eBay nicht zuzumuten sei, jedes Angebot vor Veröffentlichung auf eine mögliche Rechts-
verletzung hin zu untersuchen. Werde eBay aber auf eine eindeutige Rechtsverletzung
hingewiesen, müsse eBay das Angebot unverzüglich sperren und auch Vorsorge treffen,
dass es möglichst nicht zu weiteren Markenverletzungen kommt64 . Um diese Prüfungs-
und Verhinderungspflicht auszulösen, bedürfe es nur eines eindeutigen Hinweises des
Rechteinhabers auf die Rechtsverletzung.

17.5.3 Schadenersatz

Der Schadenersatzanspruch ist in § 14 Abs. 5 MarkenG geregelt. Er setzt – anders als


der Unterlassungsanspruch – schuldhaftes, zumindest fahrlässiges Verhalten voraus. Die
Sorgfaltsmaßstäbe sind nach der Rechtsprechung extrem hoch. Die Rechtsprechung stellt

61
BGH, GRUR 2007, 875 ff. – Durchfuhr von Originalware.
62
EuGH, GRUR 2007, 146 ff. – Montex Holdings/Diesel.
63
Ständige Rechtsprechung, seit BGH, GRUR 1997, 313, 315 – Architektenwettbewerb; BGH, GRUR
1999, 418, 419 – Möbelklassiker; BGH, CR 2004, 763, 767 – Internetversteigerung I; BGH, MMR 2007,
507, 509 – Internetversteigerung II, zuletzt BGH, GRUR 2011, 1038, 1042 – Stiftparfum.
64
BGH, GRUR 2011, 1038 ff., Tz. 21 – Stiftparfum mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtspre-
chung.
298 M. Köhler

strengste Anforderungen an die Prüfungspflichten vor der Nutzung eines Kennzeichens65 .


Gerade im Pirateriebereich sind Fälle fehlenden Verschuldens nach diesen Maßstäben kaum
denkbar.
Der Geschädigte hat die Möglichkeit, seinen Schaden alternativ nach drei Berechnungs-
methoden geltend zu machen (dreifache Schadensberechnung): Er kann zum einen seinen
entgangenen Gewinn einfordern. Hierzu muss er nachweisen, welchen zusätzlichen Absatz
er hypothetisch ohne die Kennzeichenverletzung hätte erzielen können. Dieser Nachweis
gelingt regelmäßig nicht. Es gibt keinen Grundsatz, dass der von einem Verletzer erzielte
Umsatz ohne die Verwendung des geschützten Kennzeichens vollständig von dem Verletz-
ten gemacht worden wäre. Gerade in Fällen der Markenpiraterie wird erfahrungsgemäß
Ware ohne die verletzende Kennzeichnung nicht gekauft, da andere Faktoren die Kaufent-
scheidung mit beeinflusst haben (z. B. niedriger Preis, besonderer Absatzweg). Wer eine
gefälschte Rolex für 10,00 € kauft, würde noch lange nicht das Original für 5.000,00 €
beim Juwelier erwerben. Hinzu kommt, dass der Verletzte zur Darlegung des entgange-
nen Gewinns seine Kalkulation offenlegen müsste, wovon er regelmäßig zum Schutz dieses
wichtigen Geschäftsgeheimnisses Abstand nimmt.
Des Weiteren ist anerkannt, dass der Geschädigte den Gewinn des Verletzers herausver-
langen kann. Dies ist durch die Enforcement-Richtlinie heute in § 14 Abs. 6 S. 2 MarkenG
festgelegt. Hierzu muss der Gewinnanteil des Verletzers berechnet werden, der gerade
auf der Rechtsverletzung beruht. Bei Markenpiraterie kann nach der Lebenserfahrung
aber davon ausgegangen werden, dass das Verletzerprodukt ohne die Kennzeichnung gar
nicht oder jedenfalls nicht mit Gewinn hätte abgesetzt werden können66 . Hierzu muss
der Verletzer seine Kalkulation offenlegen. Bei der Ermittlung des Verletzergewinns ist der
Gemeinkostenanteil in der Kalkulation des Verletzers nicht zu berücksichtigen67 .
Als dritte Möglichkeit der Schadensberechnung ist seit langem anerkannt und nunmehr
in § 14 Abs. 6 S. 3 MarkenG niedergelegt die Lizenzanalogie. Der Verletzte soll wenigstens
so stehen, als hätte er dem Verletzer die Benutzung des Kennzeichenrechts gegen Zahlung
einer marktüblichen Lizenz gestattet. Hierdurch soll gleichzeitig verhindert werden, dass
der Verletzte seinerseits durch rechtswidriges Verhalten besser gestellt ist, als im Falle der
Lizenzierung68 . Die Höhe der fiktiven Lizenz wird geschätzt. Wesentliche Faktoren für
die Schätzung sind der Bekanntheitsgrad und der Ruf des verletzten Kennzeichens, der
Grad der Verwechslungsgefahr bzw. die Intensität der Beeinträchtigung, der Eintritt einer
Marktverwirrung etc. Bei Luxusprodukten besteht meist auch das Risiko der Minderung des
Prestigewerts des verletzten Kennzeichens. In diesem Fall anerkennt die Rechtsprechung
eine angemessene Erhöhung der normalerweise üblichen Lizenz69 . Der typische Bereich

65
Einzelheiten vgl. BGH, GRUR 1996, 271, 275 – Gefärbte Jeans; BGH, GRUR 2004, 865, 868 –
Mustang; siehe auch Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, Vor-§§ 14–19 d, Rdnr. 220 ff.
66
BGH, GRUR 2006, 419, Tz. 18 – Nobles.
67
BGH, a. a. O.
68
Vgl. BGH, GRUR 1993, 55, 58 – Tchibo/Rolex II.
69
BGH, GRUR 2006, 143, 146 – Catwalk (zum Geschmacksmustergesetz).
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 299

der Lizenz liegt üblicherweise zwischen 1 und 5 %70 . In der Entscheidung Tchibo/Rolex
II71 hat der BGH den Absatz markenverletzender Billigerzeugnisse über Tchibo-Filialen gar
eine analoge Lizenz von 12,5 % gewährt.

17.5.4 Der Auskunftsanspruch

Der Markeninhaber kann von dem Verletzer folgende Auskünfte verlangen:

• Ursprung und Vertriebsweg von Waren, die rechtsverletzend sind


• Namen und Adressen von Herstellern, Erzeugern, Vertreibern und anderen Vorbesitzern,
gewerblichen Abnehmern und Verkaufsstellen
• Angaben über die Menge der hergestellten, erzeugten, ausgelieferten, erhaltenen oder
bestellten Waren sowie die Preise, die für die betreffenden Waren und Dienstleistungen
gezahlt wurden.

Der Anspruch folgt aus § 19 MarkenG. Darüber hinaus hat der Markeninhaber aus § 242
BGB einen inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannten Auskunftsanspruch über alle die
Daten und Informationen, die er zuvor zur Berechnung des ihm entstandenen Schadens
braucht. Der Auskunftsanspruch kann gem. § 19 Abs. 7 MarkenG in Pirateriefällen im
Wege der einstweiligen Verfügung innerhalb weniger Tage durchgesetzt werden. Macht der
zur Auskunft Verpflichtete falsche Angaben, haftet er auf Ersatz des daraus entstandenen
Schadens (§ 19 Abs. 5 MarkenG). Streitig ist, ob sich der Auskunftsanspruch auch gegen
Störer (s. o.) richtet72 . Gemäß § 19 Abs. 2 MarkenG richtet sich der Auskunftsanspruch nur
in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung auch gegen Dritte, wenn diese in gewerblichem
Ausmaß rechtsverletzende Ware in ihrem Besitz haben oder in den Herstellungs- oder
Vertriebsprozess der markenverletzenden Ware eingebunden waren.

17.5.5 Vorlage- und Besichtigungsansprüche

Durch die Enforcement-Richtlinie sind Ansprüche des Markeninhabers neu in das Ge-
setz aufgenommen worden, bei hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Verletzung – also
vor gerichtlicher Feststellung der Markenverletzung – die Vorlage von Unterlagen oder
die Möglichkeit der Besichtigung einer Sache zu verlangen. Bei im gewerblichen Ausmaß
begangenen Rechtsverletzungen erstreckt sich der Anspruch auf die Vorlage von Bank-,
Finanz- und Handelsunterlagen. Der in § 19 a MarkenG geregelte Anspruch ist zur Aus-
leuchtung der Vertriebswege von großer Bedeutung. In der Praxis stellen sich zwei Fragen:

70
BGH, GRUR 2010, 239, Tz. 25/26 – BTK.
71
BGH, GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II.
72
Dafür: OLG München, GRUR 2007, 419, 423 – Lateinlehrbuch; Dagegen: OLG Frankfurt, GRUR-RR
2005, 147, 148 – Auskunftsanspruch.
300 M. Köhler

Einerseits, wann die vom Gesetz geforderte, hinreichende Wahrscheinlichkeit vorliegt. Dies
ist der Fall, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, wie z. B. Informationen Dritter über
Plagiate des Verletzers, der Nachweis von Angeboten markenverletzender Ware etc. Der
Bundesgerichtshof hat zu der vor Umsetzung der Enforcement-Richtlinie anwendbaren
Vorschrift des § 809 BGB entschieden, es müsse der Verdacht einer Verletzung basie-
rend auf einem konkreten, typischen Sachverhalt vorliegen, der durch andere, zumutbare
Möglichkeiten nicht bewiesen werden könne73 . Mangels Judikatur zu dieser Frage liegen
Einzelheiten aber im Dunkeln.
Andererseits ist das Gericht verpflichtet, gem. § 19 a Abs. 1 S. 3 MarkenG Maßnahmen
zu treffen, um vertrauliche Informationen des betroffenen Unternehmens zu schützen.
Hier ist denkbar, dass das Gericht die Schwärzung nicht relevanter Teile von Urkunden,
die Prüfung von Unterlagen durch einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten
(Wirtschaftsprüfer) oder anordnet, dass lediglich anwaltliche Vertreter Einsicht in Unterla-
gen nehmen, aber zur Vertraulichkeit gegenüber dem Rechtsinhaber verpflichtet bleiben74 .
Da auch diese Ansprüche im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden kön-
nen, werden auch insoweit stets Fakten geschaffen, bevor eine endgültige Klärung des
Anspruchs, möglicherweise durch mehrere Instanzen, erfolgt ist.

17.6 Die Grenzbeschlagnahme von Luxusmarken

Zu den wichtigsten Interessen des Luxusmarkeninhabers gehört es, markenverletzende


Ware erst gar nicht ins Inland zu lassen. Per Container, Koffer oder Postpaket erreichen
schutzrechtsverletzende Produkte aus Drittländern die Europäische Union. Gefälschte Ware
stammt hierbei über 34 aus der Volksrepublik China, gefolgt von Italien, der Türkei und
Indien75 . Da markenverletzende Waren nach ihrer Einfuhr in die europäische Union im
gesamten Binnenmarkt frei handelbar sind, kommt es für Markeninhaber im besonderen
Maß darauf an, dass bereits an den EU-Außengrenzen die Einfuhr markenverletzender
Ware zu unterbinden ist.

17.6.1 Die Einreisefreimengenverordnung76

Häufig wird markenverletzende Ware, insbesondere aus den Urlaubsländern außerhalb der
EU im persönlichen Gepäck von Reisenden eingeführt. Hier greift zunächst die Einrei-
sefreimengenverordnung. Auch wenn diese Verordnung primär Einfuhrabgaben („Zoll“)

73
BGH, GRUR 2002, 1046 ff., Tz. 29 – Faxkarte.
74
GRUR 2010, 318, Tz. 19 – Lichtbogenschnürung.
75
Die prozentuale Aufteilung der Menge der im Jahr 2010 aufgegriffenen Waren nach Herkunftslän-
dern beträgt demnach: VR China 78,5 %, Italien 5,53 %, Hong Kong 4,37 %, Türkei 3,56 %, Indien
1,81 % vgl. Der Zoll – Produktpiraterie im Visier, 2011, 5, abrufbar unter www.zoll.de.
76
Verordnung über die Einfuhrabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden
(Einreise-Freimengen-Verordnung, EF-VO) vom 24.11.2008, BGBl. I, 2235.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 301

und vor allen Dingen die Freiheit von solchen Abgaben regelt, beschreibt sie auch die Un-
terschwelle für ein Eingreifen der Zollbehörden bei markenverletzender Ware. Befindet sich
Ware im persönlichen Gepäck von Reisenden, die aus einem Drittland in die EU einreisen,
so dürfen Waren bis zu einem Wert von 300,00 €, für Flug- und Seereisen bis zu einem
Warenwert von 430,00 € eingeführt werden, ohne dass Einfuhrabgaben fällig werden. Maß-
geblich ist jeweils der Einkaufspreis. Unterhalb dieser Wertgrenzen gehen die Zollbehörden
regelmäßig davon aus, dass kein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegt. Dies gilt, so-
lange durch die Art und Menge der eingeführten Waren kein Rückschluss möglich ist, dass
die Einfuhr aus gewerblichen Gründen erfolgt.

17.6.2 Die Piraterieverordnung und die Grenzbeschlagnahme nach


Markengesetz

Gelangt Ware per Schiffs- oder Flugzeugcontainer nach Deutschland, greifen zwei
Rechtsnormen. Zunächst die Piraterieverordnung der EU77 . Details zu Anträgen zur
Grenzbeschlagnahme und zu Formblättern enthält die Pirateriedurchführungsverord-
nung78 . Die Piraterieverordnung greift immer dann ein, wenn schutzrechtsverletzende
Ware aus Drittländern importiert wird. Darüber hinaus ist die Grenzbeschlagnahme in
allen Schutzrechtsgesetzen79 geregelt. § 146 ff. MarkenG regelt die Grenzbeschlagnahme
von markenverletzender Ware, die an den Binnengrenzen (wo allerdings im Regelfall keine
Kontrollen mehr stattfinden) oder durch mobile Kontrollgruppen im Hinterland entdeckt
werden. Darüber hinaus ist § 146 MarkenG anwendbar, wenn der Markeninhaber aus einer
nicht eingetragenen Marke vorgehen möchte80 und bei Parallelimporten.

17.6.3 Ablauf der Grenzbeschlagnahme

Die Grenzbeschlagnahme nach der Piraterieverordnung entspricht im Wesentlichen dem


Ablauf der Grenzbeschlagnahme nach § 146 ff. MarkenG. Da die Piraterieverordnung
in der Praxis in den überwiegenden Fällen zur Anwendung kommt, sei der Ablauf einer
Grenzbeschlagnahme anhand der Bestimmungen der Piraterieverordnung dargestellt.
Die Zollbehörden entdecken im Rahmen der zollamtlichen Prüfung von Waren oder
im Rahmen der zollrechtlichen Anmeldung von Waren markenverletzende Produkte.

77
Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22.07.2003 über das Vorgehen der Zollbehörden
gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen und die
Maßnahme gegenüber Waren, die anerkanntermaßen derartige Rechte verletzen; ABl. EG Nr. L196
vom 02.08.2003, 7 ff.
78
Verordnung (EG) Nr. 1891/2004 der Kommission vom 21.10.2004, ABl. EG Nr. L328, 16 ff. vom
30.10.2004.
79
§ 111 b UrheberG; § 55 ff. GeschmG; § 142 PatG; § 25 a Gebrauchsmustergesetz.
80
vgl. hierzu Rinnert/Witte, GRUR 2009, 29, 30.
302 M. Köhler

Entdecken die Zollbehörden Ware, die den Verdacht hinreichend begründet, dass sie Mar-
kenrechte Dritter verletzt, können sie den Markeninhaber nach Art. 4 Abs. 1 PiraterieVO
informieren. Sie halten die Ware dann für drei Arbeitstage zurück, um dem Markeninha-
ber die Möglichkeit zu geben, einen formellen Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden
nach Art. 5 PiraterieVO zu stellen. Mit der Benachrichtigung bitten die Zollbehörden den
Rechteinhaber, ihr Informationen zu vermitteln, die den Verdacht der Markenrechtsverlet-
zung bestätigen könnten. Der Besitzer, Spediteur oder Importeur der Ware wird bis dahin
nicht informiert. Der Antrag ist bei der in Deutschland zentral zuständigen Bundesfinanz-
direktion Süd-Ost in München zu stellen81 . Der Antrag kann auf einem Formblatt gemäß
PiraterieVO oder elektronisch über ZGR-Online82 bestellt werden. Der Antrag ist gemäß
Art. 5 Abs. 7 PiraterieVO gebührenfrei. Der Rechteinhaber fügt dem Antrag alle bei ihm
vorhandenen Informationen betreffend den möglichen Rechtsverstoß bei, insbesondere
fügt er eine Kopie der Markenurkunde bei, um seine Rechtsinhaberschaft zu belegen. Au-
ßerdem muss er gemäß Art. 6 PiraterieVO eine Haftungsfreistellungserklärung für den Fall
der Einstellung des Verfahrens oder der Feststellung, dass keine Rechtsverletzung vorliegt,
abgeben. Gibt die Bundesfinanzdirektion Süd-Ost dem Antrag auf Tätigwerden statt, setzt
sie den Zeitraum fest, in dem die Zollbehörden tätig werden müssen. Dieser Zeitraum be-
trägt maximal ein Jahr. Innerhalb dieses Jahres hält jede Zollstelle Ware zurück, die gemäß
der Entscheidung der Bundesfinanzdirektion markenverletzend sein könnte (Art. 9 Abs. 1
PiraterieVO). Die Bundesfinanzdirektion unterrichtet von dem Zurückhalten der Ware den
Rechteinhaber einerseits, sowie den Besitzer der vermeintlich markenverletzenden Ware an-
dererseits. Auf Antrag teilt sie dem Markeninhaber darüber hinaus Name und Anschrift des
Besitzers der Ware, deren Ursprung und Herkunft sowie sonstige relevanten Daten gem.
Art. 9 Abs. 3 PiraterieVO mit. Der Grund hierfür liegt darin, dass im bisherigen Verlauf
des Verfahrens nicht abschließend geprüft worden ist, ob eine Markenverletzung vorliegt.
Die einzige Voraussetzung für das Tätigwerden der Zollbehörden ist nach Art. 4 Abs. 1
PiraterieVO der „hinreichend begründete Verdacht“, dass Ware markenverletzend ist. Nach
der Definition in Art. 2 Abs. 1 i) ist dies der Fall, wenn das auf der Ware angebrachte Zei-
chen mit der Marke identisch oder in ihren wesentlichen Merkmalen nicht von der Marke
zu unterscheiden ist, auf die sich der Markeninhaber beruft. Dies schließt Verpackungen,
Prospekte, Bedienungsanweisungen, Garantiedokumente etc. ein. Das Verfahren ist also
ausgesprochen markeninhaberfreundlich ausgestaltet. Der „hinreichende Verdacht“, dass
die Zeichen in ihren wesentlichen Merkmalen identisch sind, wird nicht gerichtlich über-
prüft. Schutzschriften finden keine Berücksichtigung. Die Verwaltungspraxis ist ebenfalls
markeninhaberfreundlich. Gemäß § 4 Abs. 2 PiraterieVO wird die Ware in Zweifelsfällen
gar an den Rechteinhaber zur Klärung versandt. Zweifellos werden so Fakten geschaffen,
die aus rechtsstaatlichen Gründen nunmehr einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt
werden müssen.

81
Bundesfinanzdirektion Süd-Ost, Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz, Sophienstraße 6,
80333 München.
82
www.fms-zgr.zoll.de.
17 Der rechtliche Schutz der Luxusmarke 303

Der Rechteinhaber, der von der Bundesfinanzdirektion darüber informiert worden ist,
dass vermeintlich markenverletzende Ware zurückgehalten worden ist, muss innerhalb von
zehn Arbeitstagen der Zollbehörde schriftlich mitteilen, dass er ein gerichtliches Verfahren,
auch ein einstweiliges Verfügungsverfahren, eingeleitet hat, in dem die Markenverletzung
geprüft wird. Alternativ kann der Markeninhaber die schriftliche Zustimmung des Besit-
zers der Ware vorlegen, dass diese vernichtet wird. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn
der Besitzer der Ware die Vernichtung nicht innerhalb der zehn Arbeitstage ausdrücklich
abgelehnt hat (Art. 10, 13 PiraterieVO). Kann der Markeninhaber beide Anforderungen
nicht erfüllen, wird die Ware freigegeben. Die Kosten der Lagerung und Vernichtung der
Ware trägt der Markeninhaber, der Regress bei dem Verletzer nehmen kann.
Rechtsschutzmöglichkeiten für den Besitzer der Ware sieht die PiraterieVO nicht vor.
Nach § 150 Abs. 8 MarkenG ist auf das Verfahren nach der PiraterieVO § 148 Abs.
3 MarkenG analog anwendbar. Damit unterliegen die Beschlagnahme und die Einziehung
den Rechtsbehelfen des Bußgeldverfahrens. Weil der Rechtsschutz aber nachträglich erfolgt,
ist er wirkungslos. Zuvor wurden vollendete Tatsachen geschaffen. Dementsprechend exis-
tiert auch praktisch keine Rechtsprechung zu dem Verfahren nach der PiraterieVO, obwohl
sie eine praktisch bedeutende Waffe in der Hand des Markeninhabers ist83 .
Wird schutzrechtsverletzende Ware auf Messen ausgestellt, kann man sich an die jeden-
falls bei internationalen Messen häufig eingerichteten Messebüros des Zolls wenden, um
an Messerundgängen der Zollbehörde teilnehmen zu können. In diesem Fall kann direkt
das Verfahren nach § 146 MarkenG eingeleitet werden.

17.7 Schutz nach Vorschriften außerhalb des Markenrechts

Marken können nicht nur nach Vorschriften des Markengesetzes geschützt werden. Red-
undanten, weil nicht weiterreichenden Schutz, bietet der Anspruch gegen Irreführung über
die betriebliche Herkunft durch Verwendung verwechslungsfähiger Zeichen in § 5 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2 UWG. Gleiches gilt für § 4 Nr. 9 lit. b UWG, der die Ausnutzung oder Be-
einträchtigung der Wertschätzung einer Marke untersagt. Die Bedeutung der Vorschrift
liegt darin, dass Rechtsverletzungen gem. § 8 Abs. 3 UWG auch von Mitbewerbern des
Verletzers und von Verbänden geltend gemacht werden können, was in markenrechtlichen
Verfahren nicht möglich ist. In Betracht kommt weiter der Schutz gem. § 823 Abs. 1 BGB.
Kennzeichen sind sonstige Rechte im Sinne der Vorschrift. Ihre Anwendung kommt aber
nur dort in Betracht, wo das Markenrecht, das den abschließenden Schutz von Kennzeichen
regelt, nicht einschlägig ist, also zum Beispiel bei privatem Handel.

83
Einzelheiten zu dem Verfahren finden sich in dem Leitfaden der Industrie- und Handelskammer
Heilbronn-Franken, Die zollrechtliche Grenzbeschlagnahme (Stand: Januar 2011), zu laden über
www.heilbronn.ihk.de/ihkhnwettbewerbsrechtschutzrechte/infothek.aspx?idIT(1718.
304 M. Köhler

Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AG Aktiengesellschaft
Art. Artikel
Aufl. Auflage
BPatG Bundespatentgericht
BGB Bürgergesetzbuch
BGH Bundesgerichtshof
bzw. beziehungsweise
DM Deutsche Mark
DPMA Deutsches Patent- und Markenamt
EU Europäische Union
EuGH Europäischer Gerichtshof
ff. fortfolgende
gem. gemäß
GMV Gemeinschaftsmarkenverordnung
lit. liturgisch
MarkenG Markengesetz
MarkenV Markenverordnung
Nr. Nummer
OLG Oberlandesgericht
PiraterieVO Piraterieverordnung
Rdnr. Randnummer
s. o. siehe oben
Tz. Textziffer
UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
vgl. vergleiche
z. B. zum Beispiel
Ziff. Ziffer

Literatur

1. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, Einleitung Rdnr. 19


2. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rdnr. 1249
3. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rdnr. 1380
4. Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, 7. Aufl. 2011, Tz. 331
Markencontrolling bei der
Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG 18
Tobias Recke und Martin Einhorn

Zusammenfassung
Markenstärke und positive Markenwahrnehmung sind von hoher Bedeutung für den
automobilen Kaufentscheidungsprozess und die automobile Nachkaufphase. Automo-
bilhersteller stehen daher vor der Herausforderung, ihre Marken in einem wettbewerbs-
intensiven Markt positiv aufzuladen und langfristig ein unverwechselbares Image bei
den Nachfragern aufzubauen. Ein kontinuierliches und auf die Marke abgestimmtes
Markencontrolling unterstützt den Aufbau starker Marken maßgeblich, da es neben der
Messung der Marke die zielgruppengerechte Informationsversorgung und Beratung aller
mit der Markenführung befassten Stellen sicherstellt und eine zielgerichtete Entschei-
dungsvorbereitung gewährleistet. Das Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG
stellt ein äußerst leistungsfähiges ganzheitliches Konzept zum Markencontrolling dar. Es
wurde auf Basis umfangreicher interner und externer Vorstudien speziell für die Marke
Porsche entwickelt. Durch die konzeptionelle und inhaltliche Ausgestaltung liefert es ein
umfassendes Bild von der Markenwahrnehmung und fungiert als wertvolles Planungs-
und Steuerungsinstrument zur Optimierung von Marketingleistungen. Damit leistet
das Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG einen wichtigen Beitrag, die
Differenzierung und Attraktivität der Marke Porsche langfristig sicherzustellen.

18.1 Starke Marken und ihre messbaren Effekte

Der Aufbau starker und erfolgreicher Marken stellt eine der wichtigsten Aufgaben des
Marketings dar. Dies gilt in besonderem Maße für die Automobilindustrie, in der die
Marke einen der zentralen Kaufgründe darstellt und einen empirisch nachgewiesenen

Dr. Tobias Recke () · Dr. Martin Einhorn


Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG, Intern. Kundenmarktforschung,
Porscheplatz 1, 70435 Stuttgart, Deutschland
E-Mail: tobias.recke@porsche.de

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 305


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_18, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
306 T. Recke und M. Einhorn

Einfluss auf die automobile Kauf- und Nachkaufphase aufweist. Einhorn und Löffler
haben in einer empirischen Studie nachgewiesen, dass eine hohe Markenstärke die ent-
scheidende Voraussetzung für ein ausgeprägtes Preispremium darstellt [6, S. 38 ff.]. Im
Moment der automobilen Kaufentscheidung ist die Markenstärke ein wichtiger Bestim-
mungsfaktor für die Höhe der Preispremiumbereitschaft. Eine detaillierte Analyse der
Preispremiumbereitschaften zeigt zudem Unterschiede zwischen Ländern, Fahrzeugtypen
und Kundengruppen. Beispielsweise erwarten Kunden in den USA andere Preispremien als
in Deutschland und loyale Fahrer einer Marke weisen andere Preisbereitschaften als Wett-
bewerbsfahrer auf. Auch in der automobilen Nachkaufphase ist eine positiv aufgeladene,
starke Marke von hoher Bedeutung.
Bedingt durch die hohe Relevanz des Aufbaus einer starken und positiv wahrgenom-
menen Marke stehen Automobilhersteller vor der Herausforderung, ihre Marken in einem
wettbewerbsintensiven Markt mit positiven Assoziationen aufzuladen und langfristig ein
unverwechselbares Image aufzubauen. Speziell im Premium- und Luxusmarkenbereich
kann die Marke dabei als Ausdruck des gesellschaftlichen Status und der sozialen Differen-
zierung fungieren. Marken schaffen ferner Vertrauen und sind ein Garant für Verlässlichkeit
und Qualität [5, S. 552 ff.].
Es wird deutlich, dass ein regelmäßiges Markencontrolling eine herausragende Bedeu-
tung für die Sicherstellung des dauerhaften Unternehmenserfolges aufweist. Durch das
Markencontrolling wird die Entwicklung bzw. der Erhalt starker Marken maßgeblich un-
terstützt. Die wichtigste Aufgabe und prioritäre Funktion des Markencontrolling kommt
dabei der Messung der Marke zu. Eine weitere wichtige Funktion obliegt der Verwertung
der gewonnenen Informationen. Ein im Unternehmen fest verankertes Markencontrolling
übernimmt die Informationsversorgung und Beratung aller mit der Markenführung be-
fassten Stellen, um so die Rationalität, Effektivität, Effizienz und Ergebnisorientierung der
Markenführung sicherzustellen und eine zielgerichtete Entscheidungsvorbereitung zu ge-
währleisten [9, S. 66 ff., 11, S. 387]. Dies setzt zwingenderweise eine „gelebte“ institutionelle
Verankerung des Markencontrolling voraus.
Wissenschaft und Praxis beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit dem Thema
Markencontrolling. Es wurde eine Vielzahl an Instrumenten entwickelt, die dem Marken-
management bei der Planung, Steuerung und Kontrolle von Marken Hilfestellung leisten
sollen. Jedoch stellen die in der Praxis verwendeten Ansätze zur Messung und Bewer-
tung von Marken zumeist Einzellösungen dar, die keine ganzheitliche und umfassende
Bewertung der Markenperformance erlauben. Folge kann eine Fehlallokation von Mar-
ketingbudgets im Rahmen der Marketingplanung sein. Marketingbudgets werden danach
nicht notwendigerweise nach Rentabilitätsüberlegungen auf die einzelnen Marketing-Mix-
Elemente allokiert, sondern es erfolgt oftmals eine Zuteilung anhand von Faustformeln
oder auf Basis von Erfahrungswissen [8, S. 127]. Um größere Transparenz zu schaffen und
Marketinginvestitionen zu legitimieren, bedarf es eines systematischen, ganzheitlichen und
auf die individuellen Bedürfnisse der Marke abgestimmten Ansatzes zur kontinuierlichen
Messung der Markenperformance und zur Steuerung der Marketinginvestitionen.
18 Markencontrolling bei der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG 307

Im Rahmen des Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG wurde daher ein
leistungsfähiges und auf die Marke Porsche abgestimmtes ganzheitliches und kontinuierli-
ches Konzept zum Markencontrolling entwickelt. Diese trägt zu einem umfassenden Bild
von der Markenwahrnehmung bei und dient als Planungs- und Steuerungsinstrument zur
Optimierung von Marketingleistungen.
Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die konzeptionelle und inhaltliche Ausge-
staltung des Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG. Im ersten Schritt werden die
Zielsetzung und der Prozess der konzeptionellen Entwicklung des Porsche Markenmonito-
ring beschrieben. Darauf aufbauend wird im zweiten Schritt die inhaltliche Ausgestaltung,
d. h. der Methoden-Mix innerhalb des Porsche Markenmonitoring, skizziert. Auf eine
ausführliche methodische Diskussion sämtlicher eingesetzter Methoden wird dabei ver-
zichtet. Vielmehr wird der Schwerpunkt auf den Praxiseinsatz des sogenannten Brand
Purchase Funnels gelegt. Abschließend wird im dritten Schritt die prozessuale Verankerung
thematisiert.

18.2 Das Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG

18.2.1 Zielsetzung

Eine Vielzahl von Instituten und Fachzeitschriften führt Studien zum Image von Auto-
mobilmarken durch, deren Ergebnisse zum Teil frei verfügbar sind. Die Ergebnisse dieser
Studien erweisen sich jedoch als nicht ausreichend umfassend für das Controlling der Marke
Porsche.
Der wohl wichtigste Grund hierfür besteht in der mangelnden Repräsentativität der
Studien für aktuelle und prospektive Zielgruppen der Marke Porsche. Porsche als Sportwa-
genhersteller im Premiumsegment bedient mit seinem Leistungsangebot eine exklusive
Zielgruppe, die sich hinsichtlich ihrer Bedürfnisse und Wünsche von denen anderer
Automobilhersteller maßgeblich unterscheidet. Dementsprechend werden an das Marken-
controlling der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG besondere Anforderungen gestellt. Externe
Markenimagestudien erfüllen diese Anforderung nur bedingt, da sie entweder gesamtbe-
völkerungsrepräsentative Ergebnisse ausweisen oder aber spezielle Zielgruppen befragen,
die keine umfassende Relevanz für die Marke Porsche aufweisen.
Ein weiterer Grund für die geringe Eignung externer Studien besteht in der Stichpro-
bengröße und -zusammensetzung. In der Regel finden sich in externen Studien nur eine
geringe Anzahl Fahrer der Marke Porsche beziehungsweise relevanter Wettbewerbsfahrer.
Vor diesem Hintergrund ist es in der Regel nicht möglich, bestehende und prospektive
Zielgruppen der Marke Porsche in externen Image-Studien trennscharf zu isolieren und
auf Basis statistisch valider Stichprobengrößen Aussagen über die Marke zu treffen. Insbe-
sondere Analysen auf Modellebene oder Untersuchungen spezieller Subzielgruppen sind
nur bedingt möglich.
308 T. Recke und M. Einhorn

Fehlende inhaltliche und konzeptionelle Ganzheitlichkeit in Bezug auf die spezifischen


Anforderungen der Marke Porsche kann als ein weiterer wichtiger Grund für die Durchfüh-
rung eines eigenen Markencontrolling angesehen werden. Aus inhaltlicher Sicht beleuchten
externe Studien gemäß ihrer jeweiligen Zielsetzung zumeist nur einzelne Aspekte eines um-
fassenden Markencontrolling, vornehmlich Markenimagemessungen. Hier erweist es sich
in der Regel als interpretatorische Hürde, dass die in externen Studien erhobenen Mar-
kenimagedimensionen zwar oftmals Relevanz für den Gesamtmarkt aufweisen, aber nicht
in treffendem Maße den automobilen Premiummarkt für Sportwagen – insbesondere die
Marke Porsche – beschreiben. Damit ist eine spezifische Messung von Markenpersönlichkeit
und -werten einer Marke nicht möglich. Ferner sind weitere, in der Praxis von Automo-
bilherstellern gängige Analysen, durch externe Studien zumeist nur eingeschränkt oder
gar nicht möglich. Beispielhaft sind Brand Purchase Funnel Analysen und Markenstärke-
Analysen zu nennen. Da Rohdaten der Befragungen in der Regel nicht zugänglich sind,
können auch weiterführende Analysen, wie beispielsweise Treiberanalysen, nicht umgesetzt
werden. Aus konzeptioneller Sicht mangelt es externen Studien vor allem an internationa-
ler Vergleichbarkeit. Untersuchungsergebnisse liegen in der Regel nicht im internationalen
Kontext vor. Die Zusammenführung unterschiedlicher externer Studien ist daher sowohl
aus den bereits aufgeführten Gründen, als auch aufgrund der mangelnden internationalen
Vergleichbarkeit der Ergebnisse nicht zielführend.
Das Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG greift die beschriebenen Limi-
tationen bestehender Ansätze auf und verfolgt das Ziel, die Marke Porsche im relevanten
Wettbewerbsumfeld aus Sicht aktueller und prospektiver Zielgruppen im internationalen
Kontext kontinuierlich zu messen. Die beschriebene Zielsetzung verdeutlicht, dass der
konzeptionellen Ausgestaltung eine hohe Bedeutung zukommt. Diese wird im folgenden
Abschnitt beschrieben.

18.2.2 Konzeptionelle Ausgestaltung

Die konzeptionelle Ausgestaltung des Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche


AG erfolgte in zwei aufeinander aufbauenden Schritten – einer internen qualitativen
Vorstudie und einer externen Vorstudie, welche sowohl qualitative als auch quantitative
Interviews beinhaltete. Auf Basis der Ergebnisse der beiden Vorstudien wurden schließlich
die Erhebungsinhalte finalisiert und das Markenmonitoring implementiert (Abb. 18.1).
Im ersten Schritt wurde im Rahmen der internen Vorstudie das Management ressort-
übergreifend in die Konzeption eingebunden. Zu diesem Zweck wurden ausführliche
Interviews auf Management-Ebene geführt. Die Ergebnisse der internen Vorstudie wur-
den in Workshops diskutiert und schließlich in dem Fragebogen für die externe Vorstudie
zusammengeführt.
Mit der internen Vorstudie wurde sichergestellt, dass langfristig alle Informationsbedarfe
der internen Zielgruppen abgedeckt und durch die frühzeitige Einbindung des Manage-
18 Markencontrolling bei der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG 309

1.
Schritt 1 Innensicht: Porsche interne Interviews auf
Interne Vorstudie Managementebene zur konzeptionellen und inhaltlichen
Konzeptionsphase

- einmalig - Erarbeitung relevanter Imagedimensionen.

2.
Schritt 2 Außensicht: Porsche externe Interviews zur
Externe Vorstudie Bewertung und Priorisierung der Imagedimensionen
- einmalig - und zur Validierung der Erhebungsinstrumente.

3.
Durchführungs-

Schritt 3
phase

Regelmäßiges Tracking der Marke bei aktuellen


Hauptstudie
und prospektiven Porsche Kunden.
- kontinuierlich -

Abb. 18.1 Entwicklungsprozess des Porsche Markenmonitoring

ments Akzeptanz gegenüber dem Markenmonitoring geschaffen wurde. Ferner erfolgte


eine interne konzeptionelle und inhaltliche Diskussion der Erhebungsinhalte.
Aus konzeptioneller Sicht wurden wichtige Rahmenbedingungen für die Durchführung
des Porsche Markenmonitoring diskutiert, vornehmlich die Definition des relevanten Wett-
bewerbersets bzw. der Zielgruppe, der Stichprobengröße, der Marktabdeckung sowie der
Erhebungsmethodik.
Das relevante Wettbewerberset bzw. die Zielgruppe wurde konzeptsegmentspezifisch
auf Marken- und Modellebene definiert. In der Befragung selbst wurden dabei nur
Neufahrzeugkäufer berücksichtigt, die ein Fahrzeug in einer für den Premium- und Luxus-
automobilmarkt relevanten Preisklasse gekauft haben. Diese Abgrenzung wurde schließlich
auch als Kriterium für die repräsentative Rekrutierung bzw. Gewichtung der Ergebnis-
se ausgewählt. Das Porsche Markenmonitoring deckt damit die aktuelle und prospektive
Kundenstruktur ab. Durch externe Imageerhebungen wird hingegen lediglich ein Teil der
für Porsche relevanten Kundenstruktur abgebildet, was die Aussagekraft für die Marke
Porsche in hohem Maße einschränkt.
Ferner wurden auf Basis der Wettbewerbsdefinition die Stichprobengrößen auf Modell-
und Markenebene festgelegt. Bei der Festlegung der Stichprobengröße stehen sich in der
Regel zwei konfliktäre Ziele gegenüber. Auf der einen Seite ist eine möglichst große Stich-
probe für die Erhebung anzustreben, um statistisch aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten
und weiterführende Analysen, beispielsweise Subgruppenuntersuchungen, vornehmen zu
können. Auf der anderen Seite stehen dem Kosten- bzw. Rentabilitätsüberlegungen gegen-
über, d. h., dass die Zielgruppengröße auch aus forschungsökonomischer Sicht sinnvoll
bemessen sein muss. Ein limitierender Faktor bei der Festlegung der Stichprobengrößen
begründet sich in dem exklusiven Markt, in dem die Marke Porsche agiert. So steht im
Vergleich zum automobilen Volumenmarkt lediglich eine begrenzte Anzahl an potenziellen
310 T. Recke und M. Einhorn

Befragten zur Verfügung, was insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem
Porsche Markenmonitoring um eine kontinuierliche, in der Regel jährlich stattfindende
Befragung handelt, an Relevanz gewinnt. Die Anzahl an potenziellen Befragten beeinflusst
zugleich die Marktabdeckung des Porsche Markenmonitoring. Die Auswahl der Zielmärkte
wurde anhand von drei Kriterien getroffen. Erstens wurden diejenigen Märkte integriert,
die aktuell eine hohe absatzpolitische Bedeutung aufweisen. Zweitens wurden Märkte mit
einem hohen Wachstumspotenzial einbezogen. Drittens finden Märkte Berücksichtigung,
die sich hinsichtlich ihres kulturellen Hintergrundes von den zuvor genannten Märkten
unterscheiden und zugleich stellvertretend für andere Länder eben dieses Kulturkreises
stehen.
Im engen Zusammenhang mit der Auswahl der Befragten und der Zielmärkte steht
die Auswahl der geeigneten Erhebungsmethodik. Prinzipiell steht eine Reihe von Erhe-
bungsmethoden zur Verfügung, die je nach Anwendungsbereich und Forschungsinteresse
unterschiedlich gelagerte Vor- und Nachteile aufweisen (einen Überblick hierzu gibt bei-
spielsweise Berekoven et al. 2009 [2, S. 87 ff.]). Da sich die Zielgruppen der Marke Porsche
durch eine hohe Exklusivität und spezielle Bedürfnisse auszeichnen, stellt dies besondere
Anforderungen an die (länderspezifische) Auswahl der Befragungsmethodik. Individuelle
Ansprache, zeitliche und räumliche Flexibilität sowie kundenseitige Feedbackmöglichkei-
ten sind ungeachtet der spezifischen Methodik Grundanforderungen an die Befragung.
In diesem Zusammenhang kommt auch der Abfragemethodik eine für die Ergebnisinter-
pretation hohe Bedeutung zu. Abfragemethoden wie beispielsweise Markenzuordnungen
erfassen Top-of-Mind Zuordnungen und sind daher stark von der Stichprobenstruk-
tur geprägt. Rating-Skalen erfassen hingegen kognitiv abgewogene Urteile für sämtliche
Marken und erweisen sich für marktanteilsrepräsentative Untersuchungen als besonders
geeignet. Ferner ist ein Vergleich einer spitz positionierten Marke wie Porsche versus
eher breit positionierten Wettbewerbsmarken mit Rating Skalen deutlich valider als mit
Markenzuordnungs-Methoden.
Aus inhaltlicher Sicht wurde durch die interne Vorstudie das Selbstverständnis der
Marke Porsche erhoben. Einen zentralen Diskussionspunkt stellte die interne Wahrneh-
mung der Marke Porsche und damit die Gewinnung relevanter Imagedimensionen für die
Marken- und Modellimageerhebung bei externen Zielgruppen dar. Die Auswahl und prä-
zise Formulierung der Imagedimensionen waren somit entscheidende Erfolgsfaktoren für
die Imagemessung. Zum einen wurde gewährleistet, dass die gewählten Imagedimensionen
alle relevanten Wettbewerber im automobilen Luxus- und Premiumbereich gleichermaßen
abbilden. Zum anderen wurde sichergestellt, dass die gewählten Imagedimensionen speziell
von hoher Relevanz für die Marke Porsche sind und eine valide Messung der Markenwerte
ermöglichen. Insgesamt zeigte die Befragung, dass innerhalb des Unternehmens ein sehr
klares und einheitliches Markenverständnis bei den involvierten Mitarbeitern vorherrscht
und auch intern eine klare Differenzierung zu Wettbewerbsmarken vorgenommen wird.
In der externen Vorstudie wurde der im Rahmen der internen Vorstudie konzipierte Fra-
gebogen getestet, weiterentwickelt und für die Hauptstudie finalisiert. In jedem relevanten
Ländermarkt wurden quantitative Interviews mit Porsche Fahrern und qualitative Inter-
18 Markencontrolling bei der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG 311

views mit Wettbewerbsfahrern geführt. Vorrangiges Ziel der externen Vorstudie bestand
darin, die Relevanz der erhobenen Imagedimensionen aus Kundensicht zu überprüfen und
gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Dazu wurden unter anderem Korrelations-
analysen durchgeführt, um eigenständige und aussagekräftige Markenimagedimensionen
zu extrahieren. Ferner wurde der Fragebogen bzw. Gesprächsleitfaden hinsichtlich Inter-
viewdauer sowie der Verständlichkeit der Formulierungen und Fragestellungen getestet.
Anschließend erfolgte die Auswertung der Befragung. Die Ergebnisse wurden intern
diskutiert und auf ihre inhaltliche Konsistenz hin überprüft.
Basierend auf den Ergebnissen der beiden Vorstudien wurde schließlich die Hauptstudie
als jährliche Trackingstudie konzipiert und implementiert. Die inhaltliche Ausgestaltung
des Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG wird im folgenden Abschnitt
thematisiert.

18.2.3 Inhaltliche Ausgestaltung

Das Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG beinhaltet einen breiten Methoden-
Mix und gibt damit einen umfassenden Überblick über die Positionierung und Performance
der Marke Porsche in ihrem relevanten Wettbewerbsumfeld. Zentrale Bestandteile des
Porsche Markenmonitoring sind die Erhebung ungestützter Assoziationen zur Marke
Porsche, die Messung von Marken- und Modellimages, die Zusammenführung einstel-
lungsorientierter und verhaltenswirksamer Größen im Brand PurchaseFunnel sowie die
Analyse der Markenstärke (Abb. 18.2). Ferner werden in größeren zeitlichen Intervallen
weitere Erhebungen sowie kontinuierlich vertiefende Analysen durchgeführt.
Eine dedizierte Darstellung sämtlicher Methoden des Porsche Markenmonitoring ist im
Rahmen dieses Beitrages nicht möglich. Vielmehr muss an dieser Stelle auf weiterführende
Literatur verwiesen werden (zur Messung von Markenassoziationen und Marken-/bzw.
Modellimages siehe beispielsweise Löffler 2008 [10, S. 88 ff.], Recke 2011 [12, S. 225 ff.];
Beiträge zum Thema Markenstärkemessung finden sich beispielsweise bei Schimansky 2004
[15]). Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen wird exemplarisch auf den Brand
PurchaseFunnel gelegt.
Bezüglich der Steuerung und Entwicklung von Marken besteht eine Kernfrage dar-
in, inwiefern das Markenimage und die Einstellung der Nachfrager das Kaufverhalten
beeinflussen, also Verhaltensrelevanz besitzen. Ein adäquates Vorgehen, um einstellungs-
orientierte Kennzahlen zu verhaltenswirksamen Größen in Beziehung zu setzen, ist der
sogenannte Brand PurchaseFunnel. Dieser stellt in vereinfachter Form den Kaufprozess
einer Marke im Vergleich zu Wettbewerbsmarken dar. Kaufprozessorientierte Modelle glie-
dern den Entscheidungsprozess, den ein Nachfrager beim Kauf eines Produktes durchläuft,
in verschiedene, aufeinander aufbauende Stufen. Im deutschen Sprachgebrauch sind an-
statt Brand PurchaseFunnel auch die Begriffe Kaufverhaltenstrichter oder Markenfilter
gebräuchlich.
312 T. Recke und M. Einhorn

Markenassoziationen

Weitere Erhebungen
Markenimages
und Analysen

Methoden-Mix
Porsche
Markenmonitoring

Markenstärke Modellimages

Brand Purchase
Funnel

Abb. 18.2 Auszug aus dem Methodenmix des Porsche Markenmonitoring

Der von der Unternehmensberatung McKinsey entwickelte Brand PurchaseFunnel stellt


ein einfaches und übersichtliches Instrument zur Feststellung der Markenleistung von der
ersten Kundenansprache bis zur Bindung der Kunden dar [3, S. 19 ff.]. Er basiert auf
einem fünfstufigen Prozess, der die Elemente Bekanntheit, Interesse, Versuch, Präferenz
und Loyalität beinhaltet. Theoretische Grundlage dieser Struktur ist das bekannte, aus
der Verhaltenswissenschaft stammende AIDA Modell, in dem die vier Wirkungsstufen der
Kommunikation – Attention, Interest, Desire und Action – beschrieben werden [4, S. 185
f.].
Die Anzahl und konkrete Ausgestaltung der Stufen des in der Praxis verwendeten Brand
PurchaseFunnel variiert branchenabhängig. Beispielsweise bildet Riesenbeck einen Brand
PurchaseFunnel aus dem Automobilbereich ab, der die fünf Stufen gestützte Bekannt-
heit, Vertrautheit, Engere Auswahl, Kauf und Loyalität beinhaltet (siehe hierzu Riesenbeck
(2004, S. 510), Beispiele für Brand PurchaseFunnel verschiedener Branchen finden sich
beispielsweise bei Riesenbeck und Perrey 2009 [14, S. 119 ff.], Esch et al. 2008 [7, S. 148].
Unabhängig von Benennung und Anzahl der Stufen werden durch ihre Verkettung inner-
halb des Brand PurchaseFunnel die kritischen Stellen des Kauf- und Bindungsprozesses
auf Basis der zwischen den Stufen vorliegenden Abwanderungsquoten offengelegt. Ent-
scheidend ist, dass es einer Marke gelingt, ihre Zielgruppen von der Bekanntheit bis zum
Wiederholungskauf zu transferieren. Starke Marken zeichnen sich durch hohe Werte auf
den jeweiligen Stufen respektive geringe Abwanderungsquoten zwischen den Stufen aus.
Sie erreichen eine hohe Bekanntheit und Vertrautheit bei ihrer relevanten Zielgruppe, fin-
den Eingang in das relevant set, werden gekauft und schaffen es schließlich, ihre Kunden
18 Markencontrolling bei der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG 313

dauerhaft zu binden. Insbesondere Kauf und Wiederkauf stellen dabei aus Sicht der Mar-
ke wichtige Ziele dar, da Verhaltensabsichten in konkreten Kauf überführt und damit aus
ökonomischer Sicht erfolgswirksam werden [14, S. 118 ff.].
Das Konzept des Brand PurchaseFunnel hat inzwischen weite Verbreitung in der betrieb-
lichen Praxis gefunden, da es dem Management in übersichtlicher Weise Informationen
zum Status der Marke liefert, Wettbewerbsvergleiche ermöglicht und Entscheidungspro-
zesse hinsichtlich der Verwertung in der Regel knapper Marketingressourcen unterstützt
[13, S. 33]. Der Brand PurchaseFunnel setzt gezielt einstellungsorientierte Kennzahlen zu
verhaltenswirksamen Größen in Beziehung und liefert darüber hinaus wichtige KPIs für
die operative und strategische Markenführung. Er unterstützt Marketingziele differenziert
zu setzen, zu priorisieren und zu kontrollieren. Dies ist sicherlich einer der Gründe, warum
er sich wettbewerberübergreifend als zentrales Instrument für die Steuerung von Automo-
bilmarken etabliert hat. Zugleich erweist er sich als anspruchsvolles Instrument, da die
Ergebnisse stark von der Studienkonzeption abhängen und daher mit besonderer Sorgfalt
interpretiert und kommuniziert werden müssen.
Auch im Rahmen des Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG findet der
Brand PurchaseFunnel Anwendung, wobei dieser auf die speziellen Erfordernisse der Mar-
ke Porsche und des relevanten Wettbewerbsumfelds adaptiert wurde. Die konzeptionelle
Ausgestaltung des Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG aufgreifend, werden
im Brand PurchaseFunnel die Bewertungen der relevanten Kundengruppen repräsentativ
abgebildet. Dies ermöglicht ein exaktes Bild darüber, wie die Marke Porsche im relevan-
ten Markt wahrgenommen wird und in welchem Maße es gelingt, potenzielle Kunden zu
aktivieren.
Wie bereits im Rahmen der Markenimageanalyse werden bei der Analyse und
Interpretation der Brand PurchaseFunnel Daten drei Bezugsgrößen berücksichtigt.
Erstens werden durch den Abgleich mit aktuellen und strategischen Kernwettbewerbern
der Marke Porsche wettbewerbsbezogene Stärken und Verbesserungspotenziale aufgedeckt.
Bei der Betrachtung der einzelnen Stufen des Brand Purchase Funnels zeigen sich dabei
sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in den Ergebnissen. Gemein ist allen Mar-
ken des näheren Wettbewerbsumfeldes, dass sie über eine sehr hohe gestützte Bekanntheit
verfügen. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da es sich bei den Befragten um Neufahr-
zeugkäufer handelt, von denen sich ein Großteil vor dem Fahrzeugkauf umfassend über das
Angebot informiert hat. Zugleich spiegelt es die hohe Präsenz der Automobilmarken des
Premiumsegmentes in der gesellschaftlichen Wahrnehmung wider. So erreichen diese Mar-
ken beispielsweise auch hinsichtlich ihrer ungestützten Bekanntheit sehr hohe Werte, wobei
diese jedoch stark von dem jeweiligen Werbedruck beeinflusst werden. Unterschiede zwi-
schen den Marken bestehen zumeist auf den weiteren Funnel Stufen. Beispielsweise erreicht
die Marke Porsche länderübergreifend sehr hohe Sympathiewerte, die deutlich über denen
des Wettbewerbs liegen. Damit zeigt sich auch die äußerst positive Wahrnehmung der Mar-
ke Porsche in der Gesellschaft. Dies wird durch externe Studien bzw. Befragungen bestätigt.
Beispielsweise wurde der sich mittlerweile in der siebten Generation befindliche Porsche
911 von Lesern mit dem Goldenen Lenkrad ausgezeichnet (Autobild). Damit setzte er sich
314 T. Recke und M. Einhorn

Abb. 18.3 Gewinner des goldenen Lenkrads 2011: Der neue Porsche 911.
(Quelle: Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG)

gegenüber seinen Wettbewerbern durch – und das noch vor seinem offiziellen Markteintritt
in Deutschland (Abb. 18.3).
Bei der Marke Porsche handelt es sich um eine spitz positionierte Marke. Entsprechend
der Exklusivität der Zielgruppe erfolgt auch eine individuell auf die Kundenbedürfnisse
zugeschnittene Betreuung der Kunden. Dies spiegelt sich nicht nur in den hohen Sympa-
thiewerten gegenüber der Marke und der hohen Kundenzufriedenheit von Porsche Fahrern
wider, sondern zeigt sich auch in der hohen Kundenloyalität.
Als zweite Bezugsgröße dient die zeitliche Entwicklung der Marke Porsche. Durch den
zeitlichen Vergleich der Ergebnisse wird die Entwicklung der Marke Porsche aufgezeigt und
der Erfolg aktueller Marketingmaßnahmen gemessen.
Die dritte Bezugsgröße stellen die Ergebnisse im internationalen Kontext dar. Im Rah-
men eines internationalen Abgleichs werden – unter Berücksichtigung kulturbedingter
Niveauunterschiede in den Bewertungen – länderspezifische Stärken und Verbesserungs-
potenziale aufgedeckt.
Auf Basis der Analysen des Brand PurchaseFunnel im Speziellen und des Markenmoni-
toring im Allgemeinen werden schließlich gezielt Handlungsfelder identifiziert, priorisiert
und mit konkreten Marketing-Maßnahmen hinterlegt. Die zugrunde liegende prozessuale
Verankerung des Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG wird im folgenden
Abschnitt skizziert.

18.2.4 Prozessuale Verankerung

Das Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG lässt sich in drei aufeinander
aufbauende Schritte gliedern (Abb. 18.4).
18 Markencontrolling bei der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG 315

Entscheidung/
Datenerhebung Datenanalyse
Umsetzung

• Porsche und • Analyse, Validierung und • Vorstellung und Diskussion der


Wettbewerbskunden Interpretation der Ergebnisse Ergebnisse in relevanten Gremien
• Zielmarktrepräsentative • Diskussion der Ergebnisse • Abstimmung und Umsetzung
Quotenstichprobe des (unter Einbeziehung der konkreter Maßnahmenpläne
Marktes der definierten Ländermärkte) • Reporting relevanter KPIs
Preisklasse • Identifikation und
• Relevante Absatzmärkte Priorisierung von
Handlungsfeldern
• Entwicklung konkreter
Maßnahmenpläne

Abb. 18.4 Prozessuales Vorgehen im Rahmen des Porsche Markenmonitoring

Im ersten Schritt findet die Erhebung der Daten in den relevanten Absatzmärkten
sowie die Aufbereitung der Daten statt. Im zweiten Schritt werden die Ergebnisse ana-
lysiert, mit internen und externen Daten validiert und schließlich mit den Marken- bzw.
Marketingverantwortlichen und den Verantwortlichen in den einzelnen Ländermärkten
diskutiert. Dabei werden relevante Handlungsfelder identifiziert, priorisiert und mit kon-
kreten Maßnahmen hinterlegt bzw. mit aktuellen Maßnahmen abgeglichen. Im dritten
Schritt werden die Ergebnisse, Handlungsfelder und Maßnahmenpläne den relevanten
Entscheidungsgremien vorgestellt, diskutiert und abgestimmt und schließlich weiter im
Unternehmen kommuniziert. Des Weiteren erfolgt ein Reporting relevanter KPIs in den
internen Scorecards.
Das beschriebene Vorgehen stellt keinen einmaligen Vorgang dar, sondern versteht
sich als kontinuierlichen Prozess, der sich mit jeder neuen Erhebungswelle wiederholt.
Veränderungen der Markenwahrnehmung und deren Erfolgswirkungen werden damit
kontinuierlich gemessen und in das Unternehmen getragen. Insbesondere die Wirksam-
keit durchgeführter Marketing-Maßnahmen lässt sich hinsichtlich ihres Wirkungsgrades
überprüfen und gegebenenfalls einer Feinjustierung unterziehen.

18.3 Abschließende Betrachtung

Marke und Markenwahrnehmung sind von hoher Bedeutung für den automobilen Kauf-
entscheidungsprozess. Automobilhersteller stehen daher vor der Herausforderung, ihre
Marken in einem wettbewerbsintensiven Markt positiv aufzuladen und langfristig ein
unverwechselbares Image aufzubauen. Dies gilt insbesondere für Premiummarken.
Ein kontinuierliches und auf die Marke abgestimmtes Markencontrolling unterstützt
den Aufbau starker Marken, da es neben der Messung der Marke die zielgruppengerech-
te Informationsversorgung und Beratung aller mit der Markenführung befassten Stellen
sicherstellt und eine zielgerichtete Entscheidungsvorbereitung begleitet.
316 T. Recke und M. Einhorn

Das Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG stellt ein leistungsfähiges


ganzheitliches und kontinuierliches Konzept zum Markencontrolling dar. Es wurde auf
Basis umfangreiches interner und externer Vorstudien speziell für die Marke Porsche
entwickelt. Durch die konzeptionelle und inhaltliche Ausgestaltung liefert es ein umfas-
sendes Bild von der Markenwahrnehmung und fungiert als wertvolles Planungs- und
Steuerungsinstrument zur Optimierung von Marketingleistungen. Dabei greift es die Li-
mitationen bestehender Ansätze auf und misst die Marke Porsche in ihrem relevanten
Wettbewerbsumfeld aus Sicht aktueller und prospektiver Zielgruppen im internationalen
Kontext.
Das Markenmonitoring der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG beinhaltet dabei einen brei-
ten Methoden-Mix. Zentrale Bestandteile sind die Erhebung ungestützter Assoziationen
zur Marke Porsche, die Messung von Marken- und Modellimages, die Zusammenführung
einstellungsorientierter und verhaltenswirksamer Größen im Brand und Model Purcha-
seFunnel sowie die Analyse der Markenstärke. Auf Basis dessen wird ein umfassender
Überblick über die Positionierung und Performance der Marke Porsche in ihrem re-
levanten Wettbewerbsumfeld gegeben. Durch die prozessuale Einbindung des Porsche
Markenmonitoring werden die Ergebnisse internen Zielgruppen bereitgestellt und fin-
den damit Eingang in die relevanten Entscheidungsprozesse. Damit stellt das Porsche
Markenmonitoring eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Planung von Marken-
und Marketingaktivitäten dar und leistet einen wichtigen Beitrag, die Differenzierung und
Attraktivität der Marke Porsche langfristig sicherzustellen.

Literatur

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und Effizienz der Markenführung. In: Bruhn, M. (2004), Handbuch Markenführung, Bd. 2,
Wiesbaden: Gabler, S. 1821–1852.
Teil VI
Ausblick
Ebony or Ivory – wie glänzend ist die Zukunft des
Luxus in Deutschland? Kritische Reflexionen zum 19
Luxusmarkenmanagement

Jörg Meurer

Zusammenfassung
Luxus hat Konjunktur in Deutschland. Die Bedeutung von Luxus-Themen im Themen-
kanon der deutschen Medien hat deutlich zugenommen. Die deutschen Konsumenten
werden luxusaffiner und legen ihre Luxusaversion ab. Die Käufermärkte bewegen sich
also eindeutig „in Richtung Luxus“.
Gleichwohl bleibt die volkswirtschaftliche Bedeutung der Luxusindustrie in Deutsch-
land begrenzt; diese ergibt sich weniger aus Umsatzgröße, Beschäftigungseffekt und/oder
technologischer Vorreiterrolle sondern vielmehr aus einer ideellen, imagebezogenen
Funktion. Luxus „made in Germany“ stärkt im globalen Wettbewerb insgesamt das
Gütesiegel bzw. die Herkunftsmarke „made in Germany“.
Gleichzeitig bleibt zu konstatieren, dass der heutige Forschungsstand zur Lu-
xusmarkenführung allenfalls Grundlagen der Disziplin widerspiegelt, eine Reihe
hochrelevanter Forschungsfragestellungen bleibt unbeantwortet – und dies obwohl
Luxusmarkenführung als eigenständiges Erkenntnisobjekt des Marketing gelten kann.
Abschließend wird dargestellt, wie der Stellenwert der Luxusmarkenführung in
Deutschland durch Aufbau einer starken Interessenvertretung, einen engen Schul-
terschluss von Praxis und Wissenschaft sowie eine verbesserte Nachwuchsförderung
gesteigert werden kann.

Dr. Jörg Meurer ()


KEYLENS Management Consultants, Kaistr. 13,
40221 Düsseldorf, Deutschland
E-Mail: joerg.meurer@keylens.com

C. Burmann et al. (Hrsg.), Identitätsbasierte Luxusmarkenführung, 321


DOI 10.1007/978-3-8349-4060-5_19, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
322 J. Meurer

19.1 Luxus im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext

Luxus hat Konjunktur – daran lassen die Beiträge in diesem Reader wohl kaum einen Zwei-
fel. Luxusmarken begegnen einem auf Schritt und Tritt. Die deutschen Luxusunternehmen
beginnen sich erstmals in der Geschichte verbandsmäßig zu organisieren. Man liest – so
zumindest das subjektive Empfinden – unentwegt über Luxus-Themen. Andererseits gibt
es in Deutschland nach wie vor keine vergleichbare Luxus-Kultur wie in Frankreich oder
Italien – noch immer bestehen Vorbehalte sei es aus historischen, kulturellen oder gesell-
schaftspolitischen Gründen heraus. Wie also steht es im Jahr 2012 um die Zukunft des
Luxus in Deutschland?
Dieser abschließende Beitrag bemüht sich um eine synoptische Einordnung und Würdi-
gung: Ebony or Ivory? Bleibt Luxus in Deutschland eine exklusive, aber dennoch vornehme
gesellschaftliche und wirtschaftliche Randerscheinung – gleichsam wie der vornehm exklu-
sive Glanz des Ebenholzes – oder steht ihm – im Sinne des strahlenden Elfenbeins – eine
gleichsam strahlende Zukunft bevor; wird Luxus gar Wachstums- und Innovationstreiber,
wird Deutschland seinerseits zur Luxusnation?
Und was bedeuten diese Alternativen für die betriebswirtschaftliche Auseinandersetzung
mit dem Themengebiet der Luxusmarkenführung? Bleiben Themen der Luxusmarken-
führung betriebswirtschaftliche Randthemen oder sollte sich gar – vergleichbar der
Handels- oder Krankenhausbetriebslehre – eine eigene „Betriebswirtschaftslehre des
Luxus“ entwickeln, getragen über spezialisierte Lehrstühle und Forschungseinrichtungen?

19.1.1 Luxus hat Konjunktur – Luxus im deutschen Themenkanon

Luxus scheint in Deutschland also definitiv auf dem Vormarsch. Zwei Beobachtungen
stützen diese Behauptung: So berichtet erstens das Handelsblatt, dass die Anzahl der
Luxusmarken-Boutiquen in den vergangenen fünf Jahren um 30 % gestiegen ist. Fast
alle Luxusmarken investieren demnach derzeit in neue Outlets [4].
Zweitens rangiert nach einer Analyse des Immobilienunternehmens Jones Lang LaSalle
Deutschland mittlerweile sogar ganz weit vorne unter den europäischen Luxusstandorten,
namentlich auf Rang eins! „Von den zehn Einkaufsstraßen mit der höchsten Dichte
an Luxus-Boutiquen liegen fünf in Deutschland: Die Düsseldorfer Königsallee und die
Maximilianstraße in München gleichauf hinter dem Spitzenreiter, der Londoner New
Bond Street. Auch der Berliner Kurfürstendamm, der Neue Wall in Hamburg sowie die
Frankfurter Goethestraße finden sich in der europäischen Top-Ten-Liste von Jones Lang
LaSalle.
Betrachtet man allerdings die 50 Top-Marken, deren Präsenz in den jeweiligen Straßen
zum Maßstab der Bewertung gemacht wird, dann finden sich darunter mit HUGO BOSS,
Escada, Jil Sander und Mont Blanc nur vier deutsche Unternehmen.“[10] Das Online
Portal Business-On stellt im Zusammenhang mit dieser Beobachtung die Frage: „Sind die
19 Ebony or Ivory – wie glänzend ist die Zukunft des Luxus in Deutschland? 323

Deutschen als große Luxuskäufer nur eine Zwergennation, wenn es um die Produktion von
Luxuswaren geht?“[10]
Der Trend zur Eröffnung eigener Outlets durch Luxusmarken bedeutet nicht auto-
matisch Wachstum von Produktion und Nachfrage nach Luxusgütern in Deutschland.
Vielmehr haben Luxusunternehmen mittlerweile ebenfalls erkannt, was andere Branchen
wie Mode, Lifestyle oder Telekommunikation unter dem Stichwort Vertikalisierung bereits
konsequent vorleben. Der (Vertriebs-)Weg zum Endkunden sollte soweit wie möglich vom
Hersteller kontrolliert werden, um damit die Marke konsequent „vertikal durchzusteu-
ern“. Dies bedeutet einerseits hohe Investitionen in Standorte, anderseits zeigen empirische
Analysen eine im Mehrjahresergebnis bessere Ergebnismarge verglichen mit nicht verti-
kal integrierten Unternehmen [6]. Das Wachstum von Luxus-Outlets kann insofern also
auch nur Ausdruck einer forcierten Direktvertriebsstrategie sein: Luxusmarken vertreiben
inzwischen stärker direkt über eigene Vertriebskanäle und nicht mehr über eigenständige
Händler (letzteres z. B. im klassischen Shop-in-Shop Vertrieb). Gleichwohl schafft die-
se Strategie mehr Visibilität für Luxusmarken in der Öffentlichkeit, weil HUGO BOSS,
Escada, Bulthaup und Poggenpohl mehr und mehr mit eigenen Filialen in den Bestla-
gen der Innenstädte präsent sind und nicht mehr nur als Shop-in-Shop in den großen
Premium-Modehäusern und bei den großen Premium-Möbelhändlern.
Was also vordergründig nach Wachstum und einem gesellschaftlichen und wirtschaft-
lichen Vordringen der Luxusindustrie aussieht, kann – wie die beiden Eingangsbeobach-
tungen zeigen – durchaus andere Gründe haben: In einem Fall einen Strategiewechsel
der Luxushersteller hin zur Vertikalisierung, im anderen Fall ein Ansteigen der deutschen
Luxusnachfrage, nicht aber der Produktion von Luxusgütern in Deutschland.
Es braucht also eine objektivere, zahlenbasierte und analytische Sicht auf die Ent-
wicklung des deutschen Luxusmarktes und diese soll im Folgenden angestellt werden:
Zunächst im Rahmen einer Schlagwort-Analyse – ist die Anzahl einschlägiger Luxus-
Veröffentlichungen seit 2000 signifikant gestiegen? – im Anschluss daran als Analy-
se der Einstellungsveränderung zum Thema Luxus sowie schließlich als volks- und
betriebswirtschaftliche Betrachtung und Würdigung des Wirtschaftsfaktors Luxus.
Abbildung 19.1 zeigt das Ergebnis einer Google Scholar-gestützten Schlagwortanalyse
zum Thema Luxus. Ausgangsthese ist, dass die Auseinandersetzung mit Luxusthemen im
erweiterten wissenschaftlichen Kontext in den letzten beiden Jahren signifikant zuge-
nommen hat. Stimmt diese These, so müsste eine Schlagwortsuche zu luxusrelevanten
Begriffen eine deutliche Steigerung der Nennungen zu Tage fördern. Hierzu wurden
verschiedene Schlagworte definiert, die einerseits die eher populäre Auseinandersetzung
mit Luxusthemen reflektieren (Luxus, Luxusprodukte, Luxusmarke) und anderseits eine
eher betriebs- und volkswirtschaftliche Auseinandersetzung (Luxus & Marketing, Luxus &
Markenführung, Luxus & Volkswirtschaft, Luxus & Lobby).
Dabei werden gegenübergestellt der Zeitraum 2010 bis Anfang 2012, d. h. die beiden
letzten Jahre, in denen subjektiv das Thema Luxus im deutschen Themenkanon deutlich an
Präsenz zugenommen hat, und die Periode 2004–2009 als Vergleichsperiode. Die Analyse
wurde durchgeführt mit Google Scholar und erfasst damit Nennungen der eingegebenen
324 J. Meurer

Jahresdurch- Jahresdurch-
Zeitraum I schnitt Zeitraum II schnitt
2010-2012 2004-2009 Veränderung
Key-Word 2010-2012 2004-2009
Zeitraum I vs. II
Anzahl Treffer bei Anzahl Treffer bei
Google Scholar Google Scholar

Luxus 6 980 3490 14800 2467 141%


populäre
Begriffe Luxusmarke 236 118 384 64 184%

Luxus-Produkte 3 240 1620 8170 1362 119%


Luxus &
1 190 595 2890 482 124%
Marketing
wissen- Luxus &
124 62 272 45 137%
schaftlich- Markenführung
ökonomische Luxus & Volks-
613 306,5 1700 283 108%
Begriffe wirtschaft
Luxus & Lobby 318 159 744 124 128%

Abb. 19.1 Schlagwortanalyse „Luxus“

Keywords, sofern sie in (erweiterten) wissenschaftlichen und Fachmedien erfolgt ist (im
Gegensatz zu Google News, das populäre bzw. Massenmedien erfasst).
Es wird zunächst einmal deutlich, dass über alle sieben untersuchten Schlagwor-
te eine signifikante Steigerung der jährlichen Nennungen im Untersuchungszeitraum
2010-2012 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2004-2009 stattgefunden hat.
So wurde der Begriff Luxus im Untersuchungszeitraum jährlich mit n = 3.490 rund
40 % (!) häufiger genannt als im Vergleichszeitraum mit n = 2.467. Der Begriff Luxusmar-
ke – im Kontext einer marktorientierten Auseinandersetzung mit dem Luxusphänomen
sicher der Schlüsselbegriff – taucht absolut nur durchschnittlich 118 mal auf, allerdings im
Vergleich zu durchschnittlich nur 64 Nennungen in 2004-2009 (+ 84 %!). Ähnlich verhält
es sich mit dem Begriffspaar „Luxus & Marketing“, das von nur 45 jährlichen Nennungen
im Vergleichszeitraum auf immerhin 62 Nennungen im Untersuchungszeitraum ansteigt
(+ 37 %) sowie mit „Luxus & Marketing“ (Anstieg von immerhin 482 jährlichen Nen-
nungen im Vergleichszeitraum auf 595 Nennungen im Untersuchungszeitraum; entspricht
+ 24 %).
Den vergleichsweise geringsten Anstieg verzeichnet das Begriffspaar „Luxus & Volks-
wirtschaft“. Immerhin mehr als 300 Quellen weist Google Scholar dazu aus, allerdings im
Vergleich zur Periode 2004-2009 nur 8 % mehr (n = 307 gegenüber n = 283).
Die oben genannte Ausgangsthese, wonach die Auseinandersetzung mit Luxusthemen
in den letzten beiden Jahren signifikant zugenommen hat, kann damit zumindest nicht
verworfen werden. Zudem verzeichnen gerade die marktorientierten Begriffe ein z. T. sehr
deutliches Wachstum. Dies spricht insgesamt dafür, dass die Bedeutung von Luxusthemen
in einem deutschen wissenschaftlichen und fachlichen Themenkanon in der Tat deutlich
zugenommen hat – Luxus hat also Konjunktur in der Fach-Community, dies kann als erstes
wichtiges Zwischenergebnis festgehalten werden.
19 Ebony or Ivory – wie glänzend ist die Zukunft des Luxus in Deutschland? 325

19.1.2 Wird Luxus gut? Veränderung der Einstellungen zum Phänomen


Luxus

Steht die intensivere Auseinandersetzung mit Luxusthemen im Einklang mit einem


gesellschaftlichen Sinneswandel zum Thema Luxus, ist sie ggf. sogar Ausdruck einer gesell-
schaftlichen Prioritätenverschiebung, die mit dem Erreichen der Spitze der Maslowschen
Pyramide auch in Deutschland endlich ein entspannteres Umgehen mit Luxus ermöglicht?
Die Analyse einschlägiger Beiträge und Studien führt zu zwei in der Tat sehr wesentli-
chen Veränderungen, die für den deutschen Luxusmarkt zu diagnostizieren sind: Erstens
hat sich das deutsche Konsumklima deutlich pro Luxus entwickelt und zweitens verändert
Luxus sich seinerseits, d. h. die Substanz dessen, was als Luxus(-gut) verstanden und in-
terpretiert wird, wird eine andere, deutlich stärker von Nachhaltigkeit und Verantwortung
geprägte, was seinerseits das Luxusimage in der Gesellschaft verbessert – ein vermutlich
selbstverstärkender Prozess.
„Luxus ist den Deutschen immer noch ein wenig suspekt. Viele setzen ihn mit Dekadenz
und Verschwendung gleich. Kaum einer weiß: Die deutsche Luxusgüterindustrie gehört zu
den größten Produzenten der Welt. In München kann man jetzt sogar „Luxus“ studieren,
denn dahinter steht ein riesiger Markt.“ Und weiter: „Luxus ist der Bonus Track im Alltag
für jeden von uns – und daher nichts Verwerfliches“, so äußert sich Anfang 2011 noch
mit einem eher rechtfertigenden Unterton das Online Portal Business on zur Situation in
Deutschland [10].
Allerdings diagnostiziert das Handelsblatt unter Berufung auf die etablierte Typologie
der Wünsche eine Einstellungsänderung zum Thema Luxus: „Die Deutschen verändern
langsam, aber sicher ihre Einstellungen. Das zeigt die größte repräsentative Konsumenten-
studie mit 20.000 Interviews im Jahr – die Typologie der Wünsche (TdW). Ein Indiz für
den Sinnes- und Einstellungswandel ist etwa die Zustimmung zu dem Statement: „Ich gehe
gern in exklusive Geschäfte.“ Jeder Dritte stimmt dieser Aussage inzwischen zu. Tendenz
steigend.“[4]
Ebenfalls mit Bezug auf die Typologie der Wünsche sieht der Meisterkreis, eine der drei
sich derzeit in Deutschland konstituierenden Plattformen der Luxusindustrie, einen klaren
Einstellungswandel bei den Konsumenten, der das Wachstum der Industrie vorantreibe:
„Lange galten deutsche Konsumenten als rational und schwer empfänglich für den emo-
tionalen Reiz von Luxusprodukten – wenn, dann wurde Geld für „Investitionsluxus“, d. h.
Produkte mit einem hohen und langlebigen Materialwert wie Autos oder Möbel ausgege-
ben. Dieser „Investitionsluxus“ bleibt weiterhin stark, doch auch der „Personal Luxus“ wie
Mode & Accessoires oder Champagner wachsen wie oben geschildert rasant.“[11]
Ähnlich äußert sich auch ein Top Manager von Louis Vuitton über den deutschen Luxus-
markt, wenn er sagt: „In Deutschland wandelt sich die Einstellung zum Luxus. Deutschland
gehört für uns zu den zehn größten Märkten weltweit. Und der deutsche Luxusmarkt
wächst. [. . . ] Die Deutschen entdecken immer stärker die Freude am Luxus und der Mode.
Die Einstellung zum Luxus wandelt sich. [. . . ] Eine gewisse Affinität zu grundlegenden
Elementen des Luxus war bei vielen deutschen Verbrauchern schon immer vorhanden.
326 J. Meurer

Deutschland ist ein Land der Produktion, mit einer stark handwerklichen Tradition. Und
die Deutschen lieben Qualität. [. . . ] Dazu kommt die Sensibilität für Nachhaltigkeit. Viele
Deutsche lehnen die Wegwerfkultur ab. Luxus ist eben keine Verschwendung, sondern der
sorgfältige Einsatz kostbarer Ressourcen – auch weil die Artikel oft Jahre oder gar Jahrzehnte
in Gebrauch bleiben.“[14]
2010 wurden in Kooperation zwischen der Strategieberatung KEYLENS und dem Lehr-
stuhl für innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen 170 Wohlhabende
und Reiche (mit einem verfügbaren HH-Netto-Einkommen > 6.000 €/Monat) nach ih-
rem Luxusverständnis und speziell der Relevanz von „Green Luxury“ befragt. Auch die
Ergebnisse dieser speziell auf die Veränderung der Luxuswahrnehmung in Deutschland
ausgerichteten Studie sind unmissverständlich und belegen, dass das Luxusverständnis in
Deutschland dabei ist, sich radikal zu verändern.1 [7]
Auf die Frage „Was verstehen Sie persönlich unter „wahrem“ Luxus?“ antworten 66
bzw. 65 % der befragten Wohlhabenden und Reichen mit „Zeit verbringen mit Familie
und Freunden“ und „freie Zeitgestaltung“. Einiges spricht für die Validität dieser zunächst
unerwarteten Ergebnisse, denn es ergibt sich ein konsistentes Gesamtbild. So rangieren auch
„Zufriedenheit“ und „Sorglosigkeit“ unter den fünf häufigsten Nennungen. Die Luxus-
Bedürfnislage der Deutschen scheint also erstaunlich geerdet und hat mittlerweile eine
offenbar ganz andere als nur materialistische Qualität.
Die Frage nach ihrem persönlichen Luxusverständnis beantworten denn auch nur 48
bzw. 30 % der Befragten mit „Luxuriöse Produkte und Dienstleistungen“ und „besondere
Produkterlebnisse“. Für Hersteller von Luxusgütern folgt daraus auch eine unerwartete
Verschiebung in den Präferenzen für Produktkategorien: Luxus-Autos, Kleidung, Schmuck,
Parfum sowie Immobilien rangieren mit 12,8 und einem(!) Prozent der Nennungen nur
mehr auf den Plätzen zwei, vier und acht der beliebtesten „Luxuserlebnisse“. An der Spitze
steht einsam und mit 29 % von fast jedem Dritten genannt ,Reisen und Touristik‘ – und
damit kein anfassbares, vorzeigbares Luxus-Gut, sondern (erstmals) eine Dienstleistung,
ein besonderes Erleben.
Dies ist das Kernergebnis der Studie: Besitzorientierter Luxus weicht mehr und mehr
einem erlebnisorientierten Luxusverständnis! Konkret danach gefragt, geben 55 % der
Wohlhabenden und Reichen an, dass das Erleben von Luxusprodukten wichtiger für sie ist
als das Besitzen. Besitzen gibt mit 20 % gerade einmal jeder Fünfte als dominierendes Motiv
an, 25 % der befragten Personen sind indifferent. Durchaus konsistent mit diesen Ergeb-
nissen hat sich auch die Motiv-Struktur verändert. Mit Abstand wichtigstes persönliches
Ziel bei Besitz und Konsum von Luxusgütern sind ,persönliches Vergnügen und Selbstbe-
lohnung‘, also weniger nach außen gerichtete Motive. Dahinter rangieren ,Ausdruck der
Persönlichkeit‘ und – kaum zu erwarten – ,soziale Verantwortung zeigen‘. Dagegen finden
sich die klassischen extrovertierten, auf ein soziales „signalling“ ausgerichteten Motive wie

1
Die nachfolgenden Ausführungen sind im Wesentlichen übernommen aus dem Beitrag „Wann Luxus
gut ist“.
19 Ebony or Ivory – wie glänzend ist die Zukunft des Luxus in Deutschland? 327

,soziale Abgrenzung‘, ,Dazugehörigkeit‘ und ,Vorbildfunktion‘ auf den Plätzen zwischen


fünf und zehn.
Die Gesamtsicht dieser Ergebnisse legt auch nahe, dass die Ergebnisse zur Relevanz von
„Green Luxury“ weit mehr sind als sozial erwünschtes Antwortverhalten. Exakt 50 % der
befragten Wohlhabenden und Reichen geben an, dass sie heute schon ,grüne Aspekte‘ bei
der Kaufentscheidung berücksichtigen. ,Grün‘ umfasst dabei nach Ansicht der Befragten
wesentlich mehr als nur die ökologische Verantwortung der herstellenden Unternehmen.
Soziale und gesundheitliche Verantwortung werden als noch wichtiger angesehen.
Auch wenn man diese Ergebnisse aus globaler Perspektive betrachtet, erscheinen sie lo-
gisch und nachvollziehbar. Luxusmärkte spiegeln den Entwicklungsstand einer Gesellschaft
wider. Herrscht in Russland noch ein eher archaisches „BlingBling“-Luxusbewusstsein
vor, dann befinden sich die westeuropäischen Luxusmärkte längst in einem sehr fort-
geschrittenen Konsumstadium. Wenn Materialismus nach Sinn sucht, geht das auch an
Luxusmärkten nicht spurlos vorbei.
Als zweites Zwischenergebnis bleibt also festzuhalten, dass der eingangs diagnostizierte
Bedeutungsgewinn einhergeht mit einem in der Tat deutlich veränderten Verständnis von
Luxus in Deutschland. Das Luxusphänomen unterliegt also einer gleich in mehrfacher
Hinsicht dynamischen Entwicklung!

19.1.3 Wirtschaftsfaktor Luxus

Welche Bedeutung aber hat Luxus, wenn man aus der Vogelperspektive auf die deut-
sche Luxusindustrie und die Nachfrage nach Luxusprodukten und -dienstleistungen in
Deutschland schaut? Ist Luxus ein (mittlerweile) signifikanter Wirtschaftsfaktor mit einem
nennenswerten volkswirtschaftlichen Beitrag oder bleibt es bei einer Nischenerscheinung,
die nur qua der Kraft ihrer Hochglanzbilder gesellschaftliche Beachtung erzielt?
Dieser Frage soll aus einer dreifachen Perspektive nachgegangen werden:

1. Volkswirtschaftlicher Beitrag und Beschäftigungsfunktion,


2. Innovationsbeitrag der deutschen Luxusindustrie und
3. Imagebeitrag – Luxus als Imagetreiber für „Made in Germany“

Betrachtet man die Top 30 der deutschen Luxusmarken, so wird deutlich, dass die deut-
sche Luxusindustrie fast ausschließlich mittelständisch geprägt ist [12]. Zwar haben sich mit
Unternehmen wie LVMH, Hermès, PPT oder Richemont mittlerweile internationale Luxus-
konzerne herausgebildet, doch sind diese primär in französischer, US-amerikanischer und
italienischer Hand. Die durchschnittlichen Umsätze der meisten deutschen Luxusmarken
dürften demnach im Bereich zwischen mittleren zweistelligen und niedrigen dreistelli-
gen Millionen-Umsätzen liegen.2 So wird folgerichtig der Gesamtumsatz der deutschen
Luxusindustrie auf 12,9 Mrd. € in 2011 nach 11,1 Mrd. € in 2010 geschätzt [1].

2
Dies wird bestätigt durch Projekterfahrungen von KEYLENS Management Consultants mit
mehreren deutschen Luxusmarken.
328 J. Meurer

Dies entspricht einem deutlichen Wachstum von 16 %. Gleichfalls relativiert diese Zahl
deutlich den volkswirtschaftlichen Beitrag der Luxusindustrie. Mit 11,1 Mrd. € lag der
Anteil am deutschen Bruttoinlandsprodukt bei gerade etwas mehr als 0,4 % (!). Zwar
prognostiziert der Meisterkreis, dass der BIP-Anteil auf bis zu 0,6 % steigen könne, schlös-
se der deutsche Luxusmarkt zum Durchschnittsniveau der Luxusnationen zu Amerika,
Italien, Frankreich und Japan auf [4]. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die gesamte
deutsche Luxusindustrie in etwa die gleiche Wirtschaftskraft aufbringt, wie ein mittlerer
DAX-Konzern.
Dies schließt indes nicht aus, dass sich aus der Perspektive des einzelnen Unternehmens
oft fulminante Wachstumschancen bieten. Dies betrifft vor allem die Entwicklung in den
BRIC-Märkten und hier mit besonderer Bedeutung in China und Russland.
So stehen z. B. deutsche Luxus-Küchenmarken wie Poggenpohl oder Bulthaup –
neben den italienischen Nobelmarken die weltweite Nr. 1 – vor einem beispiellosen
Wachstumsszenario in Asien. Dies rührt her von zwei zentralen, sich komplementär verhal-
tenden Entwicklungen: Zum einen einem rasanten Wachstum einer konsumkräftigen und
-freudigen Oberschicht und zum anderen einer beispiellosen Dynamik bei der Entwicklung
des Konsumentenverhaltens. In China z. B. sind neben den großen, bekannten Metropolen
dutzende sogenannte Second Tier Cities (STCs) entstanden. So beträgt die Anzahl der Mil-
lionenstädte in China nicht weniger als 200 (!). Selbst wenn in diesen Metropolen der Anteil
möglicher Zielkunden für Luxusküchen weit unter einem Prozent der Bevölkerung liegt,
so entstehen dennoch aus der schieren Menge Marktpotenzialgrößen, die für europäische
Verhältnisse unglaublich anmuten.
Gleichzeitig hat sich – für einen Küchenhersteller von überragender Bedeutung – das
Kochverhalten umbruchartig verändert. ,Küche‘ in der Form der bei uns etablierten Ein-
bauküche ist ein völlig neues, westliches Konzept. Vor 15 Jahren wurde noch auf dem
offenen Feuer gekocht – kaum jemand wusste, was Luxus ist. Innerhalb einer Generation
ergibt sich eine gesellschaftliche Veränderungsdynamik, die das Land aus einer – aus wohl-
gemerkt westlicher Perspektive – „Konsum- und Lifestyle-Steinzeit“ ins 21. Jahrhundert
katapultiert hat.
Diese unternehmensbezogene Perspektive außer Acht lassend, muss jedoch die volks-
wirtschaftliche Bedeutung der Luxusindustrie insgesamt in Deutschland als eher gering
angesehen werden, wenn man sie mit Schlüsselindustrien wie dem Maschinenbau oder
der – Automobilindustrie vergleicht. Wie aber steht es mit Blick auf die zweite mögliche,
Funktion um die Innovationsfunktion deutscher Luxusunternehmen?
Hierzu sagt der Wirtschaftswissenschaftler Klaus Heine, der an der Technischen Univer-
sität Berlin zum Thema Luxus forscht: „[. . . ] der deutsche Luxus unterscheidet sich von
dem der Franzosen oder Italiener. Während man sich in Frankreich vor allem auf Tradition
verlässt, ist der deutsche Luxus auch stark von Innovationen geprägt – und konzentriert sich
auch deshalb weniger auf Mode und Schmuck, sondern eher auf technische Segmente wie
beispielsweise Automobile, Küchen oder Yachten.“ In diesen Branchen, so Heine, kämen
anspruchsvolle Luxus-Shopper kaum an deutschen Marken vorbei. „Aber eine Yacht von
Blohm + Voss kauft man nun mal nicht auf der Nobelmeile.“
19 Ebony or Ivory – wie glänzend ist die Zukunft des Luxus in Deutschland? 329

Diese relative Innovationsstärke der deutschen Luxusindustrie im Vergleich mit den


Hauptwettbewerbsnationen vorausgesetzt, ist allerdings wiederum aus einer volkswirt-
schaftlichen Perspektive zu hinterfragen, ob diese Innovationsstärke auch eine gesamt-
wirtschaftliche Relevanz besitzt. Diese Frage muss indes verneint werden: So schreibt
das Münchener Portal Business on, „[Es] fanden sich 2009 im Ranking der 30-Top-
Luxusmarken, das die Wirtschaftswoche zweijährlich erstellen lässt, mit Poggenpohl,
Bulthaup, Siematic und Gaggenau gleich vier Küchenausstatter. Dazu Automarken wie
Maybach und Porsche oder ein Elektronik-Hersteller wie Loewe. In Frankreich oder Italien
kommen in derartigen Listen gewöhnlich fast ausschließlich Schmuck- und Modemarken
vor.“ [10]
Damit wird gleichzeitig aber auch deutlich, dass gerade einmal sechs führende deutsche
Luxusunternehmen, von denen Maybach zudem mittlerweile seinen Rückzug bekannt ge-
geben hat, in technologieorientierten Branchen arbeiten – die Küchenbranche dabei mit
Abstrichen betrachtend, da sie primär Möbelbauer ist und z. B. alle Elektrogeräte zukauft.
Allerdings ist es ausgerechnet das Thema Nachhaltigkeit, Green Luxury, über das
vor allem junge, aufstrebende Luxusunternehmen zumindest eine wichtige Leucht-
turmfunktion in Richtung innovativer Unternehmens- und Markenstrategien besetzen:
Tesla Motors mit elektrogetriebenen Luxus-Roadstern, die Code-X AG, Anbieter von
leistungsstarken Luxus-Yachten mit neuartigen Antriebstechniken auf Basis eines um-
weltfreundlichen silikonbasierten Kraftstoffs, oder die Modeschöpferin Linda Loudermilk
mit einem erfolgreichen Öko-Modelabel zeigen, wie Unternehmen über nachhaltige Po-
sitionierungskonzepte Vorreiter in ihren Luxusbranchen werden können – ein zweifellos
wichtiger Innovationsbeitrag, weniger aus einer Größenbetrachtung sondern aufgrund ei-
ner möglichen Signalwirkung in Richtung anderer Industrien.3 [9] So redet inzwischen der
Daimler-Chef Dieter Zetsche im Zusammenhang mit der zukünftigen Positionierung der
Premium- und Luxusmarke explizit von einer möglichen Green Luxury-Strategie [2].
Noch einen Schritt weiter geht die Markenberatung Brand Trust, wenn sie Luxusmar-
ken sogar eine gesellschaftlich-erzieherische Wirkung zuschreibt. „Marktsegmentierungen
beginnen immer Top-Down. Damit kommt den Luxusmarken eine zusätzliche, volks-
wirtschaftlich relevante Bedeutung zu. Durch die Kunst, nicht nur Bedürfnisse, sondern
Lebensknappheiten wie Wünsche, Träume, Sehnsüchte und Hoffnungen anzusprechen
und zu befriedigen, schärfen sie den Sinn für Qualität und Kennerschaft in ihrer Ziel-
gruppe und tragen dazu bei, differenziert einzukaufen, was wiederum Wertschöpfung und
Nachhaltigkeit fördert.“ [8] Man mag diese Ansicht für zu idealistisch halten, andererseits
zeigt die Verarmung vieler Innenstadtlagen mit unprofilierten Discounter-Konzepten, dass
es Zeit ist für ein Umdenken. Luxusmarken, sofern getragen von einem absolut hohen
Qualitäts-Ethos, können hier in der Tat notwendige Gegenimpulse senden.
Fasst man die vorstehenden Ergebnisse zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der deut-
schen Luxusindustrie zusammen, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass sich die Relevanz

3
So berichtete z. B. das Manager Magazin ausführlich über die Öko-Avantgarde junger Luxus-
Unternehmen.
330 J. Meurer

weniger faktisch aus Umsatzgröße, Beschäftigungseffekt und/oder technologischer Vor-


reiterrolle ergibt sondern vielmehr aus einer ideellen, imagebezogenen Funktion. Luxus
„made in Germany“ stärkt im globalen Wettbewerb insgesamt das Gütesiegel bzw. die Her-
kunftsmarke „made in Germany“. Denn Erfolgsgrundlage vieler deutscher Luxusmarken
ist genau das, was im Kern „made in Germany“ ausmacht: Höchste Präzision und Per-
fektion in der Fertigung, Liebe zum Detail verbunden mit höchster Ingenieurskompetenz.
Wenn deutsche Luxusmarken es zudem schaffen bzw. geschafft haben, auf dieser zunächst
eher funktionalen Kompetenzbasis zudem „Lifestyle-Punkte zu sammeln“, so bedeutet dies
eine wichtige Weiterentwicklung bzw. Nuancenveränderung des „made in Germany“ hin
in Richtung einer glaubwürdigen und sicher sinnvollen Emotionalisierung!

19.2 Luxus in der betriebswirtschaftlichen Auseinandersetzung

19.2.1 Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung zum


Luxusmarkenmanagement

Warum gibt es heute keine Betriebswirtschaftslehre der Luxusgüter? Ähnlich so, wie es
eine Krankenhaus- oder Handelsbetriebslehre gibt, also spezialisierte Betriebswirtschafts-
lehren, die die allgemeine Betriebswirtschaftslehre herunterbrechen auf ein spezifisches
Erkenntnisobjekt.
Das vorherige Kapitel hat eine Teilantwort auf diese Frage gegeben. Die Luxusindustrie
hat eine eher geringe volkswirtschaftliche Bedeutung, so dass vermutlich daraus auch eine
eher geringe wahrgenommene Relevanz aus Sicht der Wissenschaft abgeleitet werden kann.
Vergleicht man die Luxusindustrie z. B. mit dem – aus wissenschaftlicher Perspektive –
wesentlich intensiver bearbeiteten Feld der Mittelstandsforschung, so machen die schieren
Größen- bzw. Wertrelationen schnell klar, warum es in Deutschland zahlreiche Lehrstühle
gibt, die sich mit dem Thema KMU (KMU = kleine und mittelständische Unternehmen)
befassen, aber kaum eine Handvoll Wissenschaftler mit Luxus-Fokus.
So steuern die KMU in Deutschland mit einem BIP-Anteil von rund 53 % mehr als
die Hälfte zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung bei [. . . ]“ [3]; im Vergleich zu nicht
einmal einem halben Prozent der Luxusindustrie!
Aus der Perspektive eines jungen Marketing-Wissenschaftlers, der sich vor dem
Hintergrund der Praxisrelevanz fragt, wohin er den Schwerpunkt seiner zukünftigen
Forschungsarbeit legen soll, ist nur allzu verständlich, wenn die Antwort hier nicht „Lu-
xusmarkenführung“ lautet. Dementsprechend ist die einschlägige Forschungstätigkeit in
Deutschland auch auf einem Niveau, das keinesfalls als zufriedenstellend bezeichnet werden
kann. So beträgt die Anzahl der seit dem Jahr 2000 in Deutschland veröffentlichten Dis-
sertationen zum Thema Luxusmarketing bzw. Luxusmarken, die im sog. GVK-Katalog
erfasst sind,4 gerade einmal vier! Sascha Worrich von der WU Wien hat 2011 eine

4
Der sog. GVK ist der gemeinsame Verbundkatalog der wichtigsten Bibliotheken in Deutschland.
19 Ebony or Ivory – wie glänzend ist die Zukunft des Luxus in Deutschland? 331

umfassende Synopse des aktuellen Standes zur Luxusmarkenforschung vorgelegt [13].


Worrich diagnostiziert eine Verbindung aus steigendem Luxusinteresse der Konsumenten
und Unternehmen seinerseits und einem ansteigenden Forschungsinteresse von Seiten der
Wissenschaft andererseits. Allerdings wird deutlich, dass Protagonisten der Luxusmarken-
forschung wie etwa Joel Kapferer nicht in Deutschland beheimatet sind, sondern vielmehr
in den luxusaffinen Ländern wie Frankreich.
Worrich zitiert Baumgarth et al., die drei Gruppen von Forschungsarbeiten zu Luxus-
marken identifiziert haben: Erstens Arbeiten, die sich mit der Definition und Abgrenzung
des Begriffs Luxusmarken befassen, zweitens Untersuchungen zum Luxuskaufverhalten so-
wie zur Einstellung zu Luxus(marken) und drittens Arbeiten zum Management und der
Führung von Luxusmarken.
Es bleibt aus einer kritischen Gesamtsicht anzumerken, dass von einem weit entwickelten
Forschungsstand nach Ansicht des Verfassers solange nicht die Rede sein kann, wie sich ein
substanzieller Teil von wissenschaftlichen Beiträgen immer noch mit Definitions- und Ab-
grenzungsfragen von Luxusgütern sowie mit (Basis-)Fragen des Kaufverhaltens beschäftigt.
Allerdings steigt unter der dritten Rubrik – Management und Führung von Luxusmarken
– die Zahl der Arbeiten, die weiterführende und aktuelle Problemstellungen der Unterneh-
men aufgreifen (vgl. hierzu auch den Beitrag Quo vadisglobale Luxusmarkenführung? in
Kap. 1 dieses Buches). Worrich erwähnt hier vor allem Arbeiten zu den Themen: Marken-
fälschung, den Möglichkeiten und Gefahren in Verbindung mit den neuen Medien sowie
Untersuchungen zu kulturellen Besonderheiten des Luxusmarkenkonsums. Seine Synopse
zeigt jedoch auch, dass die Anzahl einschlägiger Arbeiten hier zwar zunimmt, aber dennoch
überschaubar bleibt.
Folgerichtig sucht man spezialisierte Lehrstühle mit Forschungsfokus Luxus in Deutsch-
land derzeit noch vergebens. Immerhin etablieren sich erste Luxusstudiengänge: In
Düsseldorf bietet die European University of Applied Science Bachelor of Arts in Fashion,
Luxury & Retail Management, in München bietet seit 2009 die Munich Business School in
ihrem Masterprogramm der internationalen Betriebswirtschaft eine Spezialisierung „Lu-
xury Business“ an, die von Petra-Anna Herhoffer, der ehemaligen Leiterin des Münchner
Instituts der Akademie für Mode und Design (AMD) sowie Gründerin des INLUX Institut
für Luxus, verantwortet wird [10].
Deutlich umfangreicher ist das Lehrangebot im europäischen Ausland, allein in Frank-
reich bieten mit Paris, Lyon, Monaco und Lille immerhin vier Universitäten und Hoch-
schulen Diplom-, Master- oder MBA-Studiengänge im Bereich des Luxusmanagement
an.
Ganz anders stellt sich demgegenüber die Situation vor allem in Asien dar. Hier hat sich
eine ganze Reihe von Nachwuchswissenschaftlern etabliert, die zur Luxusmarkenführung
forscht. Demgegenüber scheint in Deutschland die Studienszene eher von denjenigen be-
herrscht, die ein besonderes Interesse an Luxusunternehmen als Kunden haben: Banken,
Marktforschungsgesellschaften, Agenturen und Unternehmensberatungen [5].
332 J. Meurer

19.2.2 Luxusmarkenmanagement als eigenständiges Erkenntnisobjekt


der BWL

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Stand der Luxusmarkenforschung
in Deutschland heute also keineswegs als ausreichend bezeichnet werden kann. Dabei
sind mögliche Gründe – insbesondere die mangelnde (volkswirtschaftliche) Relevanz des
Themengebiets – aufgezeigt worden. Es stellt sich indes aus einer streng wissenschaftli-
chen Perspektive die weiterführende Frage, ob die Luxusmarkenforschung hinreichend
viele und inhaltlich substanzielle Fragestellungen hervorbringt, aus denen wiederum eine
Rechtfertigung als eigenständiges Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre erwächst.
Diese Frage ist nach Einschätzung des Verfassers eindeutig zu bejahen. Dies gilt aus einer
wissenschaftlichen, vor allem auch aus einer Praxisperspektive. Die Diskussion mit Vorstän-
den, Geschäftsführern und Marketingverantwortlichen in Luxusunternehmen zeigt, dass
es heute eine Vielzahl von Fragestellungen gibt, bei denen die Unternehmen konkrete Hil-
festellung benötigen. Ein wichtiger Impulsgeber ist dabei zweifellos eine praxisorientierte
betriebswirtschaftliche Forschung, die einen verbindlichen Bezugsrahmen für die Luxus-
markenführung schafft und damit Orientierung für wichtige Managemententscheidungen
gibt.
Die folgende Aufstellung gibt einen Überblick über Forschungsgebiete und konkrete,
offene Forschungsfragen im Bereich der Luxusmarkenführung. Dieser Überblick beruht
auf der oben beschriebenen Sichtung des aktuellen Forschungsstandes (mit Schwer-
punkt Deutschland!) und einem Abgleich mit Fragestellungen, die aus Projekten und
Diskussionen mit (Top-)Führungskräften von Luxusunternehmen stammen:

1. Luxus-Markenmanagement
• Vom Hersteller zum Händler – erfolgreiche Vertikalisierungsstrategien
• Möglichkeiten und Grenzen einer vertikalen und horizontalen Markendehnung
• Upgrading und Downgrading-Strategien von Luxusmarken
• Diversifikation in neue Produkt-/Servicebereiche als Wachstumstreiber
• Standardisierung und Differenzierung bei der internationalen Führung von Luxus-
marken
2. Kaufverhalten und Marktforschung
• (Inter-)nationale Käufertypologien und –segmentierungen
• Luxus 2.0 – Veränderung der Luxuswahrnehmung und Konsequenzen für das Luxus-
markenmanagement
• Ansatzpunkte für Marktgrößen- und Marktpotenzialbestimmung bei unzureichen-
der Datenlage
• Möglichkeiten globaler Luxusmarktforschung bei unterkritischen Marketingbudgets
3. Pricing für Luxusgüter
• Operationalisierung von Preisschwellen (Luxus vs. Premium, Luxus vs. Obere Mitte,
...)
• Multi Channel-Vertrieb und Pricing
19 Ebony or Ivory – wie glänzend ist die Zukunft des Luxus in Deutschland? 333

• Internationales Pricing
• Exklusiver Luxusmarkenvertrieb in Zeiten von Vente Privée.com und Co.
4. Vertrieb insb. Multi Channel-Vertrieb
• POS-Gestaltung und Warenpräsentation – erfolgreiche Führung von Luxus-Outlets
• Point of Sales vs. Point of Interest – welche Funktionen haben Luxus-Outlets?
• Formatstrategien und Betriebstypenmanagement für Luxusmarken (von Flagship
bis zu Shop in Shop)
• Erfolgsfaktoren für profitable Eigenvertriebsstrategien von Luxusmarken
• Erfolgreiche Multiplikation im Luxusmarkenvertrieb – Filialisierung vs. Franchise
5. Kommunikationsstrategien für Luxusgüter (Luxusmarken und Social Media, . . . )
• Was kommt nach dem Kontroll-Paradigma? Luxusmarkenkommunikation in Zeiten
der Social Media
• „Small is beautiful“ – Ansatzpunkt und Erfolgsfaktoren effizienter globalen
Luxusmarken-Kommunikation
• Digital luxury communication – sind SEM und SEO für Luxusmarken relevant?
6. Innengerichtete Markenführung/Internal Branding
• Konsequenzen der Entwicklung von Hersteller zum Händler auf das Internal
Branding
• Bedeutung der externen im Vergleich zur internen Markenstärke bei Luxusunterneh-
men
• Operationalisierung von Brand Citizenship, Brand Knowledge und Brand Commit-
ment für Luxusunternehmen und Ansatzpunkte für das Internal Brand Management

Die vorstehende Liste mit fast 30 konkreten Fragestellungen macht eindrücklich deutlich,
wie viel Forschungsbedarf aktuell im Bereich der (enger verstandenen) Luxusmarkenfüh-
rung besteht. Darüber hinaus sind z. B. Fragen im Bereich Führung und Personal, Mergers
& Aquisitions sowie der strukturellen Veränderung von Luxusmärkten von gesteigertem
Interesse.
Abschließend kann damit aus Sicht des Verfassers das eindeutige Resümee gezogen
werden, dass

1. Luxusmarkenführung genügend eigenständige und relevante Fragestellungen hervor


bringt, die eine Behandlung als eigenständiges Erkenntnisobjekt der BWL, insbesondere
Marketing, rechtfertigen,
2. Der heutige Forschungsstand allenfalls Grundlagen erarbeitet hat, somit also eine Reihe
hochrelevanter Forschungsfragestellungen auf Bearbeitung und Beantwortung warten!
334 J. Meurer

19.3 Ebony or Ivory – Versuch einer abschließenden Einordnung

Wie also steht es um den Luxus und die Luxusindustrie in Deutschland? Die Ausführun-
gen in diesem und anderen Beiträgen des vorliegenden Buches haben gezeigt, dass sich
die Käufermärkte eindeutig „in Richtung Luxus“ bewegt haben und bewegen; deutsche
Konsumenten werden luxusaffiner.
Die deutsche Luxusindustrie entwickelt dabei – begründet in ihrer geschichtlichen Ent-
wicklung – eine durchaus eigenständige Identität: deutscher Luxus ist stark handwerklich
und aus einer manufakturiellen Fertigung begründet – und gleichzeitig in Verbindung mit
deutscher Ingenieurskunst technischer und innovativer als Luxus Made in France oder Italy.
Dies sind per se gute Voraussetzungen, dennoch fehlt es dem „German Way of Luxu-
ry“ noch an wesentlichen Erfolgsvoraussetzungen, von denen hier drei heraus gearbeitet
werden sollen:

1. Eine performante nationale und internationale Interessenvertretung,


2. Ein enger Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Praxis und
3. Qualifizierter Fach- und Managementnachwuchs

Was die erste Erfolgsvoraussetzung, eine leistungsfähige Interessenvertretung der deutschen


Luxusindustrie auf nationalem wie internationalem Parkett betrifft, herrschte in Deutsch-
land lange Zeit ein Zustand zwischen offenkundigem Desinteresse und Lähmung. Zwar
gibt es – vor allem – mit dem Markenverband und seinen Untergruppierungen eine über-
aus starke Interessenvertretung der deutschen Markenartikelindustrie, dennoch pflegen die
Luxusunternehmen bis in die jüngste Vergangenheit einen – gewollten oder ungewollten –
Isolationismus.
Ganz im Gegensatz zu den Luxus-Hegemonialstaaten Frankreich und Italien: Mit dem
1954 gegründeten Comité Colbert in Frankreich und dem 1992 ins Leben gerufenen Stif-
tung Altagamma in Italien verfügen die dortigen Luxusunternehmen jeweils über eine
starke Interessenvertretung mit hoher Reputation nicht nur in Wirtschaft und Politik,
sondern auch in Kultur und Bildung.
In Deutschland spielt sich gerade – nach Jahrzehnten der Lethargie – das seltsame Schau-
spiel ab, dass gleich drei parallele Initiativen versuchen, das langjährige Vakuum zu füllen:
Die 2011 ins Leben gerufene Initiative deutsche Manufakturen, der Unternehmen wie die
HiFi-Schmiede Burmester, die Porzellan-Manufaktur KPM oder der Luxusküchenherstel-
ler Poggenpohl angehören. Ebenfalls 2011 wurde der Meisterkreis, Deutsches Forum für
Luxus, gegründet. Dem Meisterkreis gehören 40 Marken an, darunter Lufthansa, Meissen,
das Adlon, Leica, Montblanc, das KaDeWe – aber auch ausländische Unternehmen bzw.
Marken wie Chanel, Dior und Louis Vuitton. Der Meisterkreis ist damit die derzeit größte
Interessenvertretung (http://www.meisterkreis-deutschland.com/).
Bereits im Jahr 2010 hatte sich als dritte Initiative die Arbeitsgruppe Luxus- und Lifestyle-
marken im Deutschen Markenverband gegründet, dem rund ein Dutzend Luxus- und
Lifestylemarken angehören.
19 Ebony or Ivory – wie glänzend ist die Zukunft des Luxus in Deutschland? 335

Es soll an dieser Stelle keine Wertung der drei Initiativen vorgenommen werden, es
liegt jedoch der Schluss nah, dass es hier definitiv eine Konsolidierung braucht, um nicht
durch „Kleinstaaterei“ die völlig richtige Grundmotivation zu gefährden. Die deutschen
Luxusunternehmen brauchen eine Interessenvertretung – sei es auf nationaler Ebene oder
im globalen Wettbewerbskontext – aber sie brauchen eine starke Vereinigung und nicht
derer drei!
Eine solche Interessenvertretung kann auch bei der Umsetzung der zweiten, oben
genannten Erfolgsvoraussetzung helfen, einem engen Schulterschluss zwischen Luxusin-
dustrie und Praxis. Es ist mehr als naheliegend, dass die diagnostizierten Defizite der
Luxusmarkenforschung maßgeblich auf diesen Umstand zurückzuführen sind. Wie das
erfolgreiche Beispiel des Markenverbands zeigt, kann eine solche gebündelte Interessenver-
tretung ganz wesentlich zu einer Förderung des wissenschaftlichen Austauschs beitragen,
sei es durch eigen initiierte Forschungsprojekte, Stiftungs-Dissertationen, Diplomarbeiten
und Stiftungs-Lehrstühle – oder durch Schaffung eines Plenums auch für Wissenschaftler
durch hochkarätige Verbandstagungen und -kongresse.
Damit dürften automatisch positive Impulse auf die dritte Erfolgsvoraussetzung aus-
gehen, die Förderung des Fach- und Managementnachwuchses. Mit gerade einmal zwei
Lehrangeboten (Düsseldorf und München) erhalten die deutschen Luxusunternehmen
heute mit Sicherheit zu wenig speziell ausgebildeten Nachwuchs – es bleibt also nur die
Ausbildung von Absolventen mit „normalen“ Management- und Marketingabschlüssen
„on the job“. Eine Bündelung der Interessen dürfte hier mit einiger Sicherheit dazu führen,
dass Mittel für die Einrichtung z. B. von Stiftungslehrstühlen beschafft werden können –
dann wird Luxusmarkenforschung für junge Wissenschaftler in zweifacher Hinsicht interes-
sant: Als spannendes und noch weitgehend unbestelltes Forschungsfeld und als Möglichkeit,
über Kooperationen einen eigenen Lehrstuhl aufzubauen.
Die Frage „Ebony or Ivory?“ ist damit abschließend ganz so zu beantworten, wie es uns
die Tastenfolge eines Flügels lehrt: Mehr Ivory als Ebony, mehr Licht als Schatten!

Literatur

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