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Geisteswissenschaft

Johannes Schwalb

Zwischen Therapie und Training: Coaching


und Supervision

Studienarbeit
Dokument Nr. K 26897 aus den Wissensarchiven des GRIN Verlags

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Johannes Schwalb

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Johannes Schwalb

Coach und Supervisor DGSv

Zwischen Therapie und Training:


Coaching und Supervision

Abhandlung zum Abschluss

der Supervisionsausbildung
an der Akademie Remscheid

2002

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Gliederung:

I. Einleitung
II. Definitionen
III. Theorie und Praxis
IV. Perspektiven
V. Überblick
VI. Ausblick
VII. Quellen

Im folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Form ge-
wählt, die weibliche ist jeweils mitgemeint. Die Zahlen hinter den Zitaten verweisen auf
die Literaturliste.

Diese Arbeit und die gesamte Ausbildung ist vor allem durch die großzügige und ge-
duldige Unterstützung meiner Partnerin Caroline Manz ermöglicht worden, der ich an
dieser Stelle herzlich dafür danke.

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I. Einleitung
Die Idee zu dieser Arbeit entstand bereits vor längerer Zeit. In den letzten drei Jahren
der Ausbildung habe ich die Entwicklung der Bereiche Coaching und Supervision ver-
folgt und war immer mit der Frage konfrontiert, wo die Gemeinsamkeiten und Unter-
schiede liegen. Aus meiner Tätigkeit als Supervisor kenne ich die Formen der Einzel-,
Team-, Gruppen- und Projektsupervision. Einzel- und Gruppencoaching sind mir ver-
traut aus meiner Tätigkeit als Personaltrainer und Karriereberater. Der Unterschied bei
der Klientel liegt vor allem darin, dass die Supervisanden zum überwiegenden Teil frei-
willig, die Coachees dagegen häufig „unfreiwillig“ kommen, d.h. sie werden seitens eines
Kostenträgers dazu aufgefordert, an Kursen teilzunehmen. Für mich besteht die Heraus-
forderung darin, im Rahmen des Coachings in einem Prozess, der höchstens einige
Wochen mit Sitzungen von circa 30 Minuten dauert, genau definierte Fragen zu stellen
und kurzfristige Lösungen zu finden. Supervisionsprozesse erlebe ich als weniger ziel-
orientiert und eher langfristig angelegt. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass beide
Ansätze mehr voneinander profitieren können als bisher und die Schnittmenge größer
ist als gedacht. Die vorliegende Arbeit soll dazu dienen, zunächst Begriffsklärungen und
Analyse des Ist-Standes zu liefern. Anschließend wird ein Überblick über Elemente ge-
liefert mit dem Ziel, die stark polarisierende Fachdiskussion fruchtbar zu machen für die
Praxis. Die Abhandlung kann in dem sich rasant verändernden Markt nur eine Moment-
aufnahme darstellen, ähnlich wie ich mich erst vor einiger Zeit entschlossen habe, die-
ses Thema für meine Arbeit zu wählen:
„Denn nach langer Beratung ist doch ein jeder Entschluß nur Werk des Moments,
es ergreift doch nur der Verständ'ge das Rechte. Immer gefährlicher ist's, beim
Wählen dieses und jenes nebenher zu bedenken und so das Gefühl zu verwir-
ren.“ (Goethe, Johann Wolfgang: Hermann und Dorothea, S. 68. In: 9), S. 8948.)

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II. Definitionen
Supervision (engl.): „Beaufsichtigung, (Ober-)Aufsicht, Kontrolle, Leitung, Direktion“.
Supervisor: „Aufseher, Aufsichtsbeamter, Inspektor, Kontrolleur, Leiter, Direktor“ In: 35),
S. 996. To supervise: „watch and direct (work, workers, an organisation)“ In: 28), S. 884.
Im Englischen liegt der Schwerpunkt von Supervision eindeutig auf Kontrolle zwischen
zwei Hierarchieebenen, während es, ursprünglich aus dem Lateinischen kommend, Ü-
berblick oder Übersicht bedeutet. Interessant ist allerdings die Engführung auf Arbeit,
Arbeiter und Organisationen in obiger Definition, können doch auch Kinder, Tiere oder
Fahrzeuge supervidiert werden. Ganz anders beim Coaching. Hier ist das Englische
hilfreicher: coach (engl.): „Kutsche, Postkutsche, (Eisenbahn)Wagen, Reisebus, Limou-
sine, Kapitänskajüte, Einpauker, Repetitor, Trainer“. In: 35), S. 171.
„coach: four-wheeled carriage pulled by four or more horses, used to carry passen-
gers and mail before railways were built. `To drive a coach and horses through (sth)´,
defeat the intention of (a regulation, etc) by finding serious faults in its wording.“
coach: „teacher, esp one who gives private lessons to prepare students for a public
examination; person who trains athletes for contests.“ In: 28), S. 159.

Das Wort `coach´ stammt also aus dem Englischen und bedeutet ursprünglich Kutsche,
der `coach-man´ ist der Kutscher, aber auch der künstliche Köder. Die Pferde (man be-
achte die Mehrzahl) bilden eine Art Team, das zu etwas dient: dem Transport von Pas-
sagieren und Post. Sprichwörtlich, wenn auch selten gebraucht, steht das Fahren einer
Pferdekutsche für das Durchkreuzen einer Anordnung, in deren Formulierung man
schwere Fehler findet. Ein schönes Bild für effektives Coaching. Im weiteren Sinne steht
`coach´ für Trainer, vor allem im Sport. Es geht also um Bewegung und Führung bezie-
hungsweise Leitung. Interessant ist in dem Zusammenhang die Körperhaltung der Kut-
scher: eine entspannte, leicht vorgebeugte, die den Pferdedroschkenlenkern mit auf den
Oberschenkeln aufliegenden Unterarmen ermöglichte, lange Strecken und Wartezeiten
in einer Art Dämmerzustand zu überstehen. Übernommen wurde diese Körperhaltung in
das Autogene Training. Der Coach ist also jemand, der ein Fortbewegungsmittel lenkt
und den Antrieb steuert. Im Englischen steht `coach´ heute auch für Reisebus.

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Bietet die Kutsche nur wenigen Reisenden gleichzeitig Platz, stellt der Bus ein komfor-
tables, wenn auch nicht ganz ungefährliches Fortbewegungsmittel für Gruppen dar.
III. Theorie und Praxis
Im Zuge der Begriffsglobalisierung, die wesentlich über die englische Sprache getragen
wird, hat der Begriff `Coaching´ den des Trainings abgelöst. Neuerdings werden sogar
Lehrer als Coachs bezeichnet. Im engeren Sinn von `Beratung zu berufsbezogenen
Themen´ ist die Vielfalt der Definitionen immer noch verwirrend. Dabei kristallisieren sich
zwei Stränge heraus: der eine stellt Supervision, Therapie und Coaching gleichberech-
tigt nebeneinander, der andere hierarchisiert und ordnet Coaching als einen methodi-
schen Ansatz der Supervision ein. Häufig wird die Unterscheidung im Hinblick auf die
Zielgruppe getroffen:

„Unter Coaching wird heute die persönliche Beratung für Führungskräfte in Organisa-
tionen verstanden. Dabei geht es um die Verbesserung technischer, konzeptioneller
und sozialer Kompetenzen für die Lösung von Managementaufgaben. Mit dem erfor-
derlichen Managementwissen können SupervisorInnen Coaching – im Sinne einer
speziellen Weiterentwicklung von Leitungssupervision – durchführen“. In: 8), S. 6.

Erstaunlich: In ihrer neusten Broschüre setzt sich die Deutsche Gesellschaft für Super-
vision, die beansprucht, der Berufsverband für Supervisoren zu werden, einen alten Hut
auf. Stammt doch die Definition von Coaching als Methode ausschließlich für Führungs-
kräfte aus den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Anerkannte
Fachleute wie Astrid Schreyögg definierten diesen Ansatz provozierend:
„Coaching richtet sich an die Zielgruppe der Führungskräfte, Supervision an die der
Geführten. Coaching ist primär Personalentwicklung, während Supervision in der „Per-
sonenentwicklung“ verharrt. Coaching strebt Veränderung von oben an, während Su-
pervision Veränderung von unten intendiert“. In: 41), S. 40.

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Problematisch sind diese Differenzierungen im Hinblick auf Begriffe wie `Führung´, `Per-
sonal´, `oben´ und `unten´. Sie vertiefen die alten Dichotomien von Macht und Ohn-
macht, Führer und Volk, privat und öffentlich. Oder gehören Leitungskräfte nicht zum
Personal wie alle anderen? Personalentwicklung betrifft alle Ebenen eines Unterneh-
mens. Und Veränderung kommt häufig von aussen. Wie aber verhält sich dann das Per-
sonal dazu und was braucht es möglicherweise an unterstützender Beratung in Krisensi-
tuation oder zur Prävention derselben? Ein sogenannter ganzheitlicher Ansatz muss
oben genannte Dichotomien zwar zur Kenntnis nehmen, meines Erachtens aber ist eine
Unterscheidung zwischen Supervision und Coaching nur sinnvoll in Bezug auf das Set-
ting, als Antwort auf die Frage: „Wie erreiche ich mein Ziel?“ In dem Zusammenhang
leuchtet mir am meisten die Definition Heinrich Fallners und Michael Pohls ein:
„Coaching ist ein professionelles Begleitungskonzept zur Qualifizierung beruflichen
Handelns in Arbeits-Systemen.“ In: 13), S. 101. „Coaching ist (...) keine völlig eigen-
ständige, klar abgrenzbare Beratungsform. (...) Wir sehen Coaching und Supervision
als zwei Variationen eines Meta-Konzepts, (...) Coaching verhält sich zu Supervision
wie eine wendige Yacht zu einem zwar komfortableren, aber etwas schwerfälligeren
Luxusliner. (...) Während Supervision – aus dem Lateinischen frei übersetzt – dazu
dient, sich einen komplexen Überblick zu verschaffen, übernimmt Coaching die kon-
sequente Arbeit an den so gefundenen Zielen.“ S. 35 ff.

Fallner und Pohl unterscheiden anhand des von ihnen entwickelten Systemhauses zwi-
schen Organisationsberatung, Supervision und Coaching als Zugänge auf verschiede-
nen Ebenen, ohne dabei wertende Unterschiede zu machen:
„Coaching: Einstieg und Schwerpunkt sind das strukturelle Stockwerk im Kontakt zur
Alltagspragmatik über die Rolle des Coach im System.
Supervision: Einstieg und Schwerpunkt sind die Ebene der Alltagspragmatik und/oder
das Beziehungs-Erdgeschoß, die Handlung der Supervision verjüngt sich noch (sic!)
oben“. In: 13), S. 124.

6
Ähnlich allgemein ist der Ansatz von Maren Fischer-Epe: „Die Kernidee von Coaching
ist, Menschen durch geeignete Unterstützung zur Selbstorganisation ihrer Kräfte und
Kompetenzen und zum persönlichen Erfolg zu verhelfen.“ In: 16), S. 225. Aus dem Be-
reich des Managements ist Coaching nicht mehr wegzudenken, hier hat es Begriffe wie
Personaltraining und -entwicklung abgelöst. Heute ist vieles Coaching, was irgendwie
mit Anleitung zu tun hat: Coaching für Coaches, Coaching durch Führungskräfte, Kolle-
giales Coaching, Selbst-Coaching.

IV. Perspektiven
Keine Frage, Coaching ist in Mode, die Frage ist eher, wo die Supervision dabei bleibt.
Sie droht unterzugehen, noch bevor sie ganz oben ist. Die DGSv ist gerade dabei, zum
Berufsverband zu werden und der Profession Rückhalt zu geben. Coaching scheint
leichter, klarer, besser bezahlt und effektiver zu sein. Analog zum Sport sind die Ausbil-
dungen kürzer, teurer und marktgerechter. Dabei sind die Unterschiede zur Supervision
zunächst gar nicht so groß, die Theorien und Ansätze nur schwer zu überschauen.
„Es gibt kaum empirische Untersuchungen über das, was faktisch im Coaching ge-
schieht. (...) Die Flut von Literatur zu Coaching steht im umkehrten (sic!) Verhältnis
zum empirisch rekonstruierten Wissen über das, was im Coaching geschieht. Was uns
für die Konzeptentwicklung derzeit fehlt, ist `master modeling´, die Rekonstruktion der
handlungsleitenden professionellen Programme guter Coachs.“ C. Rappe-Giesecke,
in: 41), S. 31.

Passend zu dieser neuen Unübersichtlichkeit boomt das Medium Internet, bei der Suche
ist es jedoch hilfreich. Ein Test mit Hilfe einer grossen Suchmaschine (google.de, 30. 3.
2002) ergab folgendes:

7
Gefundene Seiten: Supervision Coaching
Im gesamten Netz Auf deutsch Aus Deutschland
420.000 45.900 57.900
2.450.000 98.700 73.100
amazon.de (3. 4. 2002)

Deutsch Englisch
130 664
197 1211

Wie zu erwarten: Coaching ist ein internationales Phänomen, zu beachten: `supervision´


meint im Englischen vor allem Kontrolle, etwa im Produktions- und Call-Center-Bereich.
Nicht verwunderlich, dass bei den Seiten aus Deutschland der Anteil an Supervision so
hoch ist, weltweit jedoch Coaching deutlich in Führung liegt. Passend dazu als neueste
Mode: Cyber-coaching beziehungsweise email- oder online-coaching.

Geht es wirklich um ein Modephänomen, d.h. der Druck eines Marktes, der ständig et-
was Neues erwartet, das nicht geliefert werden kann? Wird also der alte, keineswegs
schlechte Wein in neue Schläuche gefüllt?

„But maybe, what coaching is nowadays, is what supervision was in its initial stage,
many decades ago. (...) If Sigmund Freud had lived today, he may have called his
control analysis `coaching´, because he conceptualised his control analysis as a me-
thod to train the aspiring psychoanalysts in his methodical concept.“ van Kessel, in:
41), S.18.

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In der Tat stammt der Begriff Supervision im Deutschen aus der Psychotherapie, und so
ist es kein Wunder, dass immer wieder unter Beweis zu stellen ist, dass Supervision
keine Therapiemethode und auch nicht nur im sozialen Bereich angebracht ist. Siehe
dazu Freud selbst, der erstaunlich klar persönliche Erfahrungen in Bezug auf Setting
und Ähnliches mitteilt und auch hier Grundlegendes formuliert hat, nicht umsonst gibt es
den Begriff „Kontroll-Supervision“, der exemplarisch ein weitverbreitetes Vorurteil auf
den Punkt bringt: Supervision hat mit Kontrolle zu tun, die ein Aussenstehender oder gar
Vorgesetzter über Subalterne ausüben will. Ganz anders im Coaching: Hier scheint
nichts möglich ohne Motivation der Teilnehmer, die Intimität zwischen Coach und Coa-
chee ist oft tiefer als die zwischen Supervisand und Supervisor. Analog zum Kontrollsu-
pervisor gibt es den head-coach, das heißt jemand mit mehr Erfahrung und Distanz.
„In fact we could state that the Anglo-Saxon term `coaching´ means in German `Be-
gleitung´. (...) supervision can be positioned as a form of `coaching´. But if you look at
the specific practice and theory on coaching, you could conclude that coaching is a
specific form of supervision, or a specific form of training beside supervision. It de-
pends on the way we define supervision: as a specific method, or as a specific ap-
proach, or as a specific professional domain. (...) Personally, I believe that many su-
pervisors can learn to be good coaches, but that not all coaches are automatically
good supervisors.“ In: 41), S.19.

Häufig zu finden ist die Perspektive, die Coaching Supervision unterordnet, etwa als ei-
ne Methode unter vielen. Ich halte es jedoch für sinnvoll, die beiden Bereiche zu trennen
und nebeneinander zu stellen, gerade weil die Konfusion sonst unauflösbar bleibt.
Und so trennt ein Großteil der Fachleute zwischen Supervision für die Subalternen und
Coaching für die Manager. Gemeinsam ist beiden Ansätzen, dass es keine geschützten
Titel oder ständisch anerkannte Berufsgruppen gibt. Eine Ausnahme bilden die Sport-
trainer, die Lizenzen erwerben müssen, um bestimmte Zielgruppen zu trainieren.
„Natürlich zählt in Deutschland nur die Meisterschaft oder der erste Platz, das hat sich
in unserer Gesellschaft eben so eingebürgert. Ich finde das eigentlich schade. (...) Für
mich ist es der größte Erfolg, die Gruppe so hingekriegt zu haben, dass sie ein Team
geworden ist. Früher waren das lauter Individualisten, lauter Stars und Cliquen. (...)
9
Ich weiß nicht, woran es liegt. Vielleicht weil ich einen Traum habe und diesen Traum
als Ziel ausgebe: Meister werden. (...) Ich bin aus einem einzigen Grund nach Lever-
kusen gegangen. Nicht des Geldes wegen, sondern weil ich Meister werden will. Das
muss ich in die Köpfe reinkriegen, darauf fiebern wir hin, dafür arbeiten wir hart und
das sollte belohnt werden.“ In: 39)

SupervisorInnen und Coachs sind verstärkt dabei, ihre Tätigkeit als Berufsbild zu etab-
lieren. Vor allem, weil sie so erfolgreich sind. Denn immer mehr Menschen bieten die
Dienstleistung Supervision und/oder Coaching an. Allein die DGSv hat mittlerweile über
3.000 Mitglieder. Coaching hat noch keinen solchen Verband, ist aber dabei, einen zu
gründen. Auf europäischer Ebene gibt es die ECA e.V., die European Coaching Associ-
ation mit Sitz in Düsseldorf. Weltweit sind Coaches vernetzt, was wiederum die Supervi-
sion nicht von sich behaupten kann, nicht zuletzt aufgrund von Sprachproblemen kon-
zentrieren sich die Kontakte auf den deutschsprachigen Raum. Allerdings ist die ANSE,
die Association of National Organisations for Supervision in Europe, dabei, den Bereich
auszudehnen. Sie war es auch, die bereits im Jahr 2000 die Konferenz `Supervision und
Coaching in europäischer Perspektive´ in München organisiert hat.

Nach den Supervisoren sind nun auch die Coachs dabei, vor allem im Ausbildungsbe-
reich genau hinzugucken und Kunden Hilfestellung zu bieten bei der Kontaktaufnahme
mit dem richtigen Berater. Die Ethik ist dabei noch freifliegend: Es gibt keine einheitli-
chen Standards, weder bei den Supervisoren noch bei den Coachs, weder für Tarife,
Erstgespräche, Zeiträume oder gar Controlling, Evaluation und Kontraktgestaltung.

Versucht die DGSv mittlerweile, die über dreissig verschiedenen Ausbildungen, die un-
ter ihrem Dach firmieren, stärker zu normieren, kontrollieren und zu evaluieren, entsteht
im Coaching-Sektor ein unüberschaubarer Markt.

Allein über das Internet sind bei einem einzigen Anbieter (coaching-report.de) 125
deutschsprachige Ausbildungen zu finden, bei einem anderen elf (coaching.de). Interes-
santer, weil zukunftsträchtiger, scheint mir der neuste Trend zu sein: Coaching und Su-
pervision in einem Ausbildungsgang zu verbinden.
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Unter dem Dach der Fachhochschule Frankfurt findet der erste Studiengang `Supervisi-
on und Coaching – Beratung in der Arbeitswelt´ statt. In Österreich läuft bereits eine
Ausbildung unter dem Namen `Lehrgang universitären Charakters „Supervision und Co-
aching“´, und zwar an der Akademie für Sozialarbeit Vorarlberg in Bregenz. In den Nie-
derlanden gibt es seit einigen Jahren eine Ausbildung „Supervision und Coaching“, die
von der LVSB, der Landelijke Vereniging voor Supervisie en andere Begeleidingsvor-
men, anerkannt ist. Sämtliche Studiengänge haben auch die Anerkennung der DGSv.
Das kann Professionalisierung für beide Professionen bedeuten, wird doch die Koopera-
tion zu Ungunsten der Konkurrenz betont. Hier ist eine echte Synergie möglich: aus zwei
Bereichen, die in verschiedenen Feldern ihren Schwerpunkt haben, entsteht eine neue,
übertragbare Mischform.

V. Überblick

Supervision Coaching

Abhängigkeit: Allparteilichkeit: Anfragende


hoch hoch (überwiegend):
niedrig niedrig Frauen
Männer
Ansatz (überwiegend): Ausbildung: Ausführende
`weiblich´ lang (überwiegend):
`männlich´ kurz Frauen
Männer
Autonomie:
hoch
hoch

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Supervision Coaching
Dauer: Druck: Empathie:
lang niedrig hoch
kurz hoch hoch
Evaluation: Fokus: Form:
gering Prozess Beratung
nicht vorhanden Ziel Beratung
Formen: Gegenstand: Hierarchieebene:
einzeln, Gruppe Beziehungen niedrig
einzeln, Team Produkte mittel, hoch
Klientel: Kontrolle:
Sozialbereich Kontroll-Supervisor Kollegiale Beratung
Management Head-Coach
Kosten: Literatur: Material:
moderat viel Fälle/Team
hoch unüberschaubar Person
Medien: Nachhaltigkeit: Rahmen:
analog/digital offen Berufliches
digital/analog hoch Berufliches
Rolle: Setting: Stil:
Begleiter ausserhalb laissez-faire
Anleiter Arbeitsort direktiv
Übertragung: Verbände: Ziele:
hoch DGSv, ANSE Arbeitsfähigkeit
niedrig ECA (u.a.) `Karriere´
Zielgruppe:
MitarbeiterInnen Not-for-profit
Leitung Profit-UnternehmenVI.
Ausblick

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„Die Seelenkunde hat manches beleuchtet und erklärt, aber vieles ist ihr dunkel
und in großer Entfernung geblieben. Wir glauben daher, daß es nicht zu viel ist,
wenn wir sagen, es sei für uns noch ein heiterer, unermeßlicher Abgrund, in dem
Gott und die Geister wandeln. Die Seele in Augenblicken der Entzückung über-
fliegt ihn oft, die Dichtkunst in kindlicher Unbewußtheit lüftet ihn zuweilen; aber
die Wissenschaft mit ihrem Hammer und Richtscheite steht häufig erst an dem
Rande, und mag in vielen Fällen noch gar nicht einmal Hand angelegt haben.“
(Stifter, Adalbert: Brigitta, S. 3. In: 9), S. 46294)

In diesem Sinn hoffe ich, einen Überblick zu einem Phänomen gegeben zu haben, des-
sen Zukunft ungewiss ist. Nur eins steht fest, nämlich
„... daß am Schlußpunkt der Beratung, wenn es einen gibt, alle Beteiligten gelernt ha-
ben, getrennte Wege gehen zu können (...) Insofern haben Unternehmen und Theo-
rien vielleicht doch etwas gemeinsam: Beider Form beruht darauf, Abschlüsse zu fin-
den, mit denen sich etwas anfangen läßt“. In: 2), S. 229, 244

Hier finden wir eine der wichtigsten Gemeinsamkeiten von Supervision, Coaching und
der Ausbildung sowie Ausführungen, die ich im Begriff bin, abzuschliessen: die Finalität.
Ziel sollte sein, sich als Berater irgendwann wieder entbehrlich zu machen, beim Coa-
ching früher, in der Supervision später.

13
VII. Quellen
Hörfunk:
„Teamarbeit“, Deutschlandradio, 26. 1. 2002, 23 Uhr.

„Coaching“, Nachtstudio Hessischer Rundfunk 1, 26. 1. 2002, 23 Uhr.

„Coaching, Supervision, Organisationsberatung“, Hessischer Rundfunk 1, Reihe Arbeit


und Beruf, 16. 6. 2001, 9-10 Uhr.

Literatur:
1) Bachmair, Sabine et al.: Beraten will gelernt sein. Weinheim und Basel (Beltz
Verlag), 1999.

2) Baecker, Dirk: Die Form des Unternehmens. Frankfurt (Suhrkamp), 1999.

3) ders.: Postheroisches Management. Ein Vademecum. Berlin (Merve), 1994.

4) Bartsch-Backes, Gerhard: Grenzgänge zwischen Supervision und Organisationsbe-


ratung. In: supervision. Mensch Arbeit Organisation 1/2001, S. 16 ff.

5) Berker, Peter und Buer, Ferdinand: Praxisnahe Supervisionsforschung.


Felder – Designs – Ergebnisse. Münster (Votum), 1998.

6) Brügmann, Wolf Gunter: Leidensdruck im Unternehmen in aktive Neugier verwan-


deln. In: Frankfurter Rundschau, 14.8.1999.

7) Buer, Ferdinand: Coaching versus Supervision. In: Van Kessel, Louis und Feller-
mann, Jörg (Hg.): Supervision und Coaching in europäischer Perspektive. Beiträge
zur ANSE-Konferenz 2000, Köln 2002, S. 97.

8) DGSv (Hg.): Entscheidungshilfen für Kundinnen und Kunden. Supervision – Fragen,


14
Antworten, Anlässe, Zielsetzungen. Köln, 2002.

9) Die digitale Bibliothek der deutschen Literatur und Philosophie. Sonderband: Mei-
sterwerke deutscher Dichter und Denker. Sonderausgabe bei 2001, Frankfurt, 2000.

10) Döhring, Bärbel: Was tun gegen die Einsamkeit am Arbeitsplatz? In: Frankfurter
Rundschau, 16.6.2001.

11) dies.: Spielchen aufdecken, blinde Flecken bearbeiten, Verhalten ändern.


In: Frankfurter Rundschau, 23.6.2001.

12) Echter, Dorothee: Wie Profis Vorstände coachen. In: wirtschaft & weiterbildung,
03/2002, S. 30 ff.

13) Fallner, Heinrich und Pohl, Michael: Coaching mit System. Die Kunst nachhaltiger
Beratung. Opladen (Leske und Budrich), 2001.

14) Fatzer, Gerhard (Hg.): Supervision und Beratung: ein Handbuch. Köln (Edition Hu-
manistische Psychologie), 1998.

15) Federspiel, Krista und Lackinger Karger, Ingeborg: Kursbuch Seele. Köln (Kiepen-
heuer & Witsch), 1996.

16) Fischer-Epe, Maren: Coaching: Miteinander Ziele erreichen. Reinbek (Rowohlt),


2002.

17) Freud, Sigmund: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Studienausga-


be. Frankfurt (Fischer), 2000.

18) hochschul-anzeiger. Zeitschrift für den Fach- und Führungskräftenachwuchs, Aus-


gabe 54, Frankfurt, Mai 2001.

15
19) Jansen, Bernd: Zwei Cowboys auf Baggerfahrt. In: supervision. Mensch Arbeit Or-
ganisation, 4/2000, S. 53 ff.

20) John, Renate und Fallner, Heinrich: Handlungsmodell Supervision. Hille (Ursel
Busch Fachverlag), 1993.

21) Kegel, Corinna: Psychohygiene – eine Herausforderung vor allem für helfende Be-
rufe. Diplomarbeit, FH Heidelberg, 1997.

22) Kozinowski, Mathias und Wollsching-Strobel, Peter: Supervision im Profitbereich –


Chance oder Sakrileg? In: supervision. Mensch Arbeit Organisation, 4/2000,
S. 45 ff.

23) Knierim, Dr. Andreas (Hg.): Coaching-news, coaching-web.de.

24) Kühl, Wolfgang (Hg.): Qualitätsentwicklung durch Supervision. Münster (Votum),


1999.

25) Leuschner, Gerhard: Coaching ist in! Packen wir’s an. In: DGSv aktuell 04/00,
S. 20.

26) Morrien, Birgitt E.: Meine Mission: Dream Coaching! In: DGSv aktuell 03/2001,
S. 25.

27) Muy, Wolfgang: Chancen und Risiken des Qualitätsmanagements für die Mitarbei-
ter in Sozialpsychiatrischen Einrichtungen. Diplomarbeit, FB Sozialwesen der Ge-
samthochschule Kassel, 2001.

28) Oxford Advanced Learner´s Dictionary Of Current English, London (Oxford Univer-
sity Press), 1975.

29) Pühl, Harald (Hg.): Supervision in Institutionen. Frankfurt (Fischer), 1997.


16
30) Rauen, Christopher: Coaching. Göttingen (Verlag für angewandte Psychologie),
1999.

31) ders. (Hg.): Coaching-Newsletter, coaching-report.de.

32) Richter, Kurt F.: Erzählweisen des Körpers. Seelze-Velber (Kallmeyer), 1997.

33) ders. und Fallner, Heinrich: Kreative Medien in der Supervision. Hille (Ursel Busch
Fachverlag), 1993.

34) Schlippe, Arist von und Schweitzer, Jochen: Lehrbuch der systemischen Therapie
und Beratung, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht), 1998.

35) Schöffler-Weis: Wörterbuch der englischen und deutschen Sprache I. Stuttgart


(Klett), 1977.

36) Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander Reden 3, Das „innere Team“ und situa-
tionsgerechte Kommunikation. Reinbek (Rowohlt), 1998.

37) Stöbener, Dorothée: Spiel mit Möglichkeiten. In: Die Zeit, Nr. 15, 5. 4. 2001.

38) Thönneßen, Johannes: Newsletter Managementwissen, mwonline.de.

39) Toppmöller, Klaus: Ich sitze am liebsten still in der Ecke und trinke mein Bier.
In: Frankfurter Rundschau, 28./29. 3. 2002.

40) UN (Ursula Nuber?): Coach statt Couch. In: Psychologie Heute 04/2002, S. 38 ff.

41) Van Kessel, Louis und Fellermann, Jörg (Hg.): Supervision und Coaching in euro-
päischer Perspektive. Beiträge zur ANSE-Konferenz 2000. Köln 2002.

17
42) Weigand, Wolfgang: Der Supervisor als Coach. In: DGSv aktuell 04/00, S. 1 ff.

43) Weißbach, Barbara: Ein guter Coach läßt sich nicht vom Tagesgeschäft auffressen.
In: Frankfurter Rundschau, 15. 5. 1999.

44) ZEIT-Job-Newsletter, zeit.de, Coaching: Neue Variante einer alten Idee, 1. 3. 2002.

45) Zimmermann, Thomas: Coaching: Motivationsgekreisch für Manager – oder mehr?


In: Psychologie Heute 07/2000, S. 40 ff.

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