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I.
Sie hatte ihren Mut zusammengenommen und ihren Job in der Bank
gekündigt. Sie fühlte sich nicht mehr lebendig und hatte den Eindruck,
dass sie mehr gelebt wird als dass sie lebt. Über die Jahre hatte sie
genug Geld angespart, um eine Weile über die Runden zu kommen.
Jetzt war erstmal etwas Anderes dran, und sie war bereit, diesen Preis
zu zahlen. Überwindung hatte es auch gekostet, ihrem Mann und
ihren erwachsenen Kindern zu sagen, dass sie für ein Jahr nach Bra-
silien gehen werde. Sie konnte sich entscheiden, ob sie in einem Pro-
jekt für die Aufzucht von Wasserschildkröten oder in einem Musik-
projekt für sozial benachteiligte Kinder in einer Favela arbeiten wollte.
Als sie über die Entscheidung nachdachte, fiel ihr ein, wieviel Freude
sie beim Singen damals im Kirchenchor hatte. Zwar blieben ihr man-
che Textpassagen wie »teures Blut« und »unbeflecktes Lamm« sehr
fremd, aber sie konnte sich noch genau in das erhabene und tröstliche
Gefühl erinnern, das sie bei den Aufführungen der Oratorien in der
Kirche empfand. Ach, war das lange her. Musik verbindet Menschen,
dachte sie und entschied sich für das Musikprojekt in der Favela.
Jetzt, wo die Reise näher rückte, spürte sie ihre Aufregung. Sie hatte
Angst, dass sie sich nicht genug verständigen kann. Zwar hatte sie
einen Portugiesisch-Kurs belegt, aber sie fühlte sich doch noch sehr
2023/2024 – 6. Reihe
Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. Heilig sind wir, weil wir zu
Gott gehören. Mit dieser Liebe im Rücken können wir auch in der
Kirche aufbrechen, Fehler wagen, Unbequemes aussprechen und uns
liebevoll Menschen zuwenden, nicht aus Angepasstheit, nicht für Sil-
ber und Gold, sondern weil wir aus der Liebe Jesu Christi schöpfen
können.
Ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber und Gold erlöst seid
von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem
teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.
»Blut Christi«, »unbefleckt«, »euer nichtiger Wandel«: Meine ersten
2023/2024 – 6. REIHE
LITURGISCHE VORSCHLÄGE:
Amen.
Fürbitten: Guter Gott, Du bist der Weg und die Wahrheit und das Le-
ben. Wir danken Dir für die Zeichen Deiner Nähe, die wir gespürt
haben. Wir bekommen eine Ahnung von Deinem Reich, das Du uns
verheißen hast.
Wir bitten Dich für alle, die in unserer Kirche Trost, Begleitung und
Gemeinschaft suchen. Lass sie spüren, dass Du ihnen nahe bist.
Wir bitten Dich für alle, die sich in unserer Gesellschaft um Gerech-
tigkeit bemühen, um Achtung für Kinder, Chancen für Jugendliche,
Gleichbehandlung aller Geschlechter, Würde für alte Menschen. Lass
sie nicht den Mut und den Blick nach vorne verlieren.
Wir sehnen uns, Gott, nach Deinem Reich, das schon angebrochen ist.
Mitten unter uns, damit wir befreit und in Liebe leben können. Öffne
unsere Augen dafür auf unseren Wegen in der neuen Woche.
Amen.