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WIE FUNKTIONIERT EINE

GENOSSENSCHAFT?
Teil 1
Fragen und Antworten rund um Genossen-
schaftsrecht und Satzung

Neugründungen bei zahlreichen lokalen oder regionalen Projekten bringen viele Menschen
erstmals in Kontakt mit Aufbau und Umgang in der Rechtsform „Genossenschaft“. Um ihnen
den Zugang hierzu, insbesondere der Zusammenarbeit der Organe und Abläufen in einer Ge-
nossenschaft, zu erleichtern, sind in dieser Broschüre Antworten auf die wichtigsten Fragen
aus der Sicht von Mitgliedern einer Genossenschaft dargestellt.

RA Dr. Bernd Bode


bernd.bode@genossenschaftsverband.de
Einführung
Bei vielen Genossenschaften und ihren Mitgliedern tauchen ähnliche Probleme auf. Deshalb haben wir
typische Fragestellungen, die uns in unserer Beratungspraxis begegnet sind, in einer Liste von Fragen
und Antworten zusammengestellt. Diese sind in vier übergreifende Themenfelder eingeteilt und durch
ein Inhaltsverzeichnis erschlossen. Sie können zum Teil auch im Internetauftritt unseres Verbandes un-
ter „easy-geno.de“ aufgerufen werden.

Aufbau und Abläufe in Genossenschaften werden durch das Genossenschaftsgesetz vorgegeben, auf
dessen Bestimmungen jeweils im Zusammenhang hingewiesen wird. Der jeweils aktuelle Gesetzestext
ist leicht im Internet unter der Adresse gesetze-im-internet.de/geng auffindbar.

In jeder Genossenschaft wird Vieles in der dort individuell gefassten Satzung näher ausgestaltet. Ohne
deren Kenntnis lassen sich die Zusammenhänge in der Regel kaum richtig erschließen. Deshalb haben
wir als Grundlage eine Beispielgenossenschaft mit ihrer Satzung und weiteren Dokumenten herange-
zogen. Hier sind typische Satzungsregeln, wie sie bei sehr vielen Genossenschaften nach den Muster-
satzungen der Verbände verbreitet sind, verwendet worden. Diese Beispielsatzung und die weiteren
Dokumente dazu sind in Teil 2 dieser Broschüre als gesondertem Dokument abgedruckt; so kann leicht
überblickt werden, wie sich einzelne Fragestellung an Hand der Satzung klären. Zugleich können die
dortigen Beispiele auch als Muster dienen.

Zu allen Antworten haben wir einen Hinweis auf die entsprechende Kommentierung im Kommentar
zum Genossenschaftsgesetz "Lang / Weidmüller" (zitiert als Kürzel „L/W“) nach der 39.Auflage (er-
schienen im DE GRUYTER Verlag, Berlin/Boston) hinterlegt, so dass dort leicht ergänzende und ver-
tiefte Informationen verfügbar sind.

Es geht in dieser Bum eine erste Orientierung für interessierte Mitglieder, die sich an modernen und
verbreiteten Regelungen in heutigen Genossenschaften orientiert. Demgemäß sind nicht alle denkba-
ren Spezialfälle oder Regelungen angesprochen, die bei neuen Genossenschaften nur selten zu be-
obachten sind. Auch Fragen etwa der Vertreterversammlung, die es nur bei großen Genossenschaften
gibt, der Besonderheiten von Kreditgenossenschaften, Bilanzerstellung oder des Verkehrs mit dem Re-
gistergericht sind nicht berücksichtigt, da einfache Genossenschaftsmitglieder neuer Genossenschaf-
ten davon kaum berührt werden.

Die Darstellung ist sorgfältig bearbeitet und befindet sich auf dem Rechtsstand zu Beginn des Jahres
2021. Gleichwohl ersetzt diese Broschüre keine Rechtsberatung, die immer auf der Grundlage eines
konkreten Sachverhaltes abgewogen werden muss. Bei weitergehenden Fragen sollten ggf. Rechtsbe-
rater eingeschaltet werden.

Rechtsanwalt Dr. Bernd Bode


Leiter der Abteilung Grundsatzfragen Recht
Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.

Hannover im Mai 2021

1
Gliederung

MITGLIEDSCHAFT, BETEILIGUNG UND GESCHÄFTSBEZIEHUNG

GENERALVERSAMMLUNG

AUFSICHTSRAT

Vorstand

Hinweise zum 2. Teil der Broschüre

2
INHALT
MITGLIEDSCHAFT, BETEILIGUNG UND GESCHÄFTSBEZIEHUNG......................................................................... 7
I. Beitritt zur Genossenschaft 7
1) KANN DER BEITRITT ZUR GENOSSENSCHAFT PER E-MAIL ERKLÄRT WERDEN? ........................................................ 7
2) WARUM MUSS DIE BEITRITTSERKLÄRUNG EIN BESONDERE ZUSICHERUNGEN DES MITGLIEDES ZUR EINHALTUNG
VON ZAHLUNGSPFLICHTEN ODER EINEN HINWEIS AUF EINE LÄNGERE KÜNDIGUNGSFRIST ENTHALTEN? ................ 7
3) IST EIN BEITRITT AUCH WIRKSAM, WENN DEM NEUEN MITGLIED KEINE SATZUNG AUSGEHÄNDIGT WURDE? .................. 7
4) BEGINNT DIE MITGLIEDSCHAFT SCHON VOR DER ÜBERMITTLUNG DER BESTÄTIGUNG ÜBER DIE EINTRAGUNG IN
DER MITGLIEDERLISTE ?................................................................................................................... 8
5.) KANN EINE BEITRITTSERKLÄRUNG WIDERRUFEN ODER ANGEFOCHTEN WERDEN? .................................................... 8
6.) MUSS EINE GENOSSENSCHAFT JEDEN AUFNEHMEN, DER IHR BEITRETEN WILL?....................................................... 8
II. Vererbung und Übertragung der Beteiligung 10
1) WIRD EIN ERBE AUTOMATISCH MITGLIED IN DER GENOSSENSCHAFT? ............................................................... 10
2) WER VERTRITT EINE ERBENGEMEINSCHAFT GEGENÜBER DER GENOSSENSCHAFT? ................................................. 10
3) KANN DIE MITGLIEDSCHAFT IN EINER GENOSSENSCHAFT ANDEREN PERSONEN ÜBERTRAGEN WERDEN? ..................... 10
4) WAS BEDEUTET „GESCHÄFTSGUTHABENÜBERTRAGUNG“? ............................................................................. 10
5.) MUSS DIE GENOSSENSCHAFT EINER GESCHÄFTSGUTHABENÜBERTRAGUNG VOR IHRER WIRKSAMKEIT ZUSTIMMEN? ...... 11
III. Kündigung der Mitgliedschaft 12
1.) KANN DIE KÜNDIGUNG DER MITGLIEDSCHAFT AUCH MÜNDLICH ODER PER E-MAIL ERFOLGEN? ............................... 12
2) WARUM WIRD EINE KÜNDIGUNG NICHT SOFORT, SONDERN ERST NACH ABLAUF EINER KÜNDIGUNGSFRIST , WIRKSAM?.. 12
3) KANN EINE KÜNDIGUNG AUCH VON EINEM VERTRETER DES MITGLIEDES ERKLÄRT WERDEN? ................................... 12
4) IST AUCH EINE AUßERORDENTLICHE ODER FRISTLOSE KÜNDIGUNG DER MITGLIEDSCHAFT MÖGLICH? ......................... 12
IV. Ausschluss aus der Genossenschaft 14
1) AUS WELCHEN GRÜNDEN KANN EIN MITGLIED AUS DER GENOSSENSCHAFT AUSGESCHLOSSEN WERDEN? ................... 14
2) WER IST FÜR DEN AUSSCHLUSS ZUSTÄNDIG ? .............................................................................................. 14
3) KANN DAS MITGLIED GEGEN DEN AUSSCHLUSS BESCHWERDE EINLEGEN ODER VOR GERICHT KLAGEN? ...................... 14
V. Finanzielle Beteiligung an der Genossenschaft 15
1) WAS BEDEUTEN GESCHÄFTSGUTHABEN UND GESCHÄFTSANTEIL? .................................................................... 15
2) WER LEGT FEST, IN WELCHER HÖHE UND ANZAHL GESCHÄFTSANTEILE VON MITGLIEDERN GEZEICHNET WERDEN
DÜRFEN? .................................................................................................................................. 15
3) ERHALTEN MITGLIEDER EINE BESTÄTIGUNG ÜBER DIE ZAHL DER GESCHÄFTSANTEILE UND DIE HÖHE DES
GESCHÄFTSGUTHABENS ? .............................................................................................................. 15
4) WANN MÜSSEN DIE EINZAHLUNGEN AUF DIE ÜBERNOMMENE BETEILIGUNG AN DIE GENOSSENSCHAFT
GELEISTET WERDEN? .................................................................................................................... 16
5) WER BESTIMMT, IN WELCHER HÖHE UND WANN EINE DIVIDENDE AUF DAS GESCHÄFTSGUTHABEN GEZAHLT WIRD? ...... 16
6) WAS GESCHIEHT MIT DER BETEILIGUNG, WENN DIE GENOSSENSCHAFT EINEN VERLUST IN IHRER BILANZ AUSWEIST? ..... 16
7) MÜSSEN BEI VERLUSTEN ODER INSOLVENZ DER GENOSSENSCHAFT WEITERE BETRÄGE ALS NACHSCHUSS ODER
ZUZAHLUNG AN DIE GENOSSENSCHAFT GEZAHLT WERDEN? .................................................................... 17
8) GIBT ES BEI GENOSSENSCHAFTEN EINE PFLICHT ZUR ZAHLUNG LAUFENDER BEITRÄGE? .......................................... 17
9) WANN WIRD DAS GESCHÄFTSGUTHABEN AN DAS MITGLIED ZURÜCKGEZAHLT?.................................................... 18
10) IST ES MÖGLICH , DASS NICHT DAS GESAMTE EINGEZAHLTE GESCHÄFTSGUTHABEN ZURÜCKGEZAHLT WIRD?.................. 18
11) WAS BEDEUTET EIN „MINDESTKAPITAL“ BEI DER GENOSSENSCHAFT? ............................................................... 18
12) ERHÄLT EIN MITGLIED BEI SEINEM AUSSCHEIDEN AUCH EINEN ANTEIL AN DEN IN DER BILANZ AUSGEWIESENEN
RÜCKLAGEN DER GENOSSENSCHAFT? ............................................................................................... 18
13) KANN DIE BETEILIGUNG AN DER GENOSSENSCHAFT DURCH GLÄUBIGER DES MITGLIEDES GEPFÄNDET WERDEN? .......... 19
14) WAS PASSIERT IN DER INSOLVENZ DES MITGLIEDES MIT DER GENOSSENSCHAFTSBETEILIGUNG ? ............................... 19
15) WARUM GIBT ES BEI MANCHEN GENOSSENSCHAFTEN NACHRANGDARLEHN? ...................................................... 20
VI. Geschäftsbeziehung zu der Genossenschaft 21
1) IST DAS MITGLIED VERPFLICHTET, MIT DER GENOSSENSCHAFT EINE GESCHÄFTSBEZIEHUNG ZU UNTERHALTEN? ............ 21
2) DARF DIE GENOSSENSCHAFT ABLEHNEN, MIT EINEM MITGLIED GESCHÄFTE ZU MACHEN? ...................................... 21
3) WAS BEDEUTET „LIEFERORDNUNG“ ODER „BENUTZUNGSBEDINGUNGEN“? ....................................................... 21
4) WAS IST EIN „NUTZUNGSVERTRAG“ BEI EINER WOHNUNGSGENOSSENSCHAFT? ................................................... 22

3
5) KANN BEI EINEM VERSTOß GEGEN EINE LIEFERVERPFLICHTUNG VON DER GENOSSENSCHAFT EINE STRAFE
FESTGESETZT WERDEN? ................................................................................................................ 22
6) MUSS DIE GENOSSENSCHAFT ALLE MITGLIEDER GLEICH BEHANDELN? ............................................................... 22
7) DARF DIE GENOSSENSCHAFT GESCHÄFTE NUR MIT MITGLIEDERN MACHEN ODER MIT ALLEN INTERESSIERTEN
PERSONEN? ............................................................................................................................... 23
8) LAUFEN VERTRÄGE MIT DER GENOSSENSCHAFT AUCH WEITER, WENN DIE MITGLIEDSCHAFT BEENDET IST? ................. 23
GENERALVERSAMMLUNG .............................................................................................................................. 24
I. Vorbereitung und Einladung 24
1) WER IST FÜR DIE EINBERUFUNG DER VERSAMMLUNG ZUSTÄNDIG ? .................................................................. 24
2) WIE KÖNNEN MITGLIEDER DIE DURCHFÜHRUNG EINER VERSAMMLUNG ERREICHEN? ............................................ 24
3) DARF EINE VERSAMMLUNG AN SONN- ODER FEIERTAGEN DURCHGEFÜHRT WERDEN? ........................................... 24
4) AUF WELCHEM WEGE MÜSSEN DIE MITGLIEDER ZUR VERSAMMLUNG EINGELADEN WERDEN?................................. 25
5.) IST MIT DER EINLADUNG EINE TAGESORDNUNG AN DIE MITGLIEDER ZU SENDEN? ................................................. 25
6.) KÖNNEN BESCHLÜSSE DER MITGLIEDER AUCH OHNE VERSAMMLUNG – ETWA IN EINEM UMLAUFVERFAHREN
ODER EINER VIDEOKONFERENZ – GEFASST WERDEN? ............................................................................ 25
7.) MUSS AN DER GENERALVERSAMMLUNG EIN NOTAR TEILNEHMEN? .................................................................. 26
II. Zuständigkeit der Generalversammlung 27
1) FÜR WELCHE BESCHLÜSSE IST DIE GENERALVERSAMMLUNG ZUSTÄNDIG ? ........................................................... 27
2) DARF DIE GENERALVERSAMMLUNG ÜBER EINZELNE FRAGEN DER GESCHÄFTSFÜHRUNG ENTSCHEIDEN, WENN
DER VORSTAND DARUM BITTET? ..................................................................................................... 27
3) IST DIE GENERALVERSAMMLUNG ZU BETEILIGEN, WENN DER VORSTAND PLANT, EIN NEUES GESCHÄFTSFELD ALS
UNTERNEHMENSGEGENSTAND AUFZUNEHMEN? ................................................................................. 27
4) KANN DIE GENERALVERSAMMLUNG IM NOTFALL ZEITWEISE AUFGABEN DES VORSTANDS ODER AUFSICHTSRATS
WAHRNEHMEN, WENN DIESER NICHT MEHR HANDLUNGSFÄHIG IST? ......................................................... 28
5) WEM IST DER PRÜFUNGSBERICHT VORZULEGEN, WENN DIE GENOSSENSCHAFT AUF EINEN AUFSICHTSRAT
VERZICHTET HAT? ........................................................................................................................ 28
III. Rechte der Mitglieder in der Versammlung 29
1.) IST DAS MITGLIED BERECHTIGT, ZU JEDEM TAGESORDNUNGSPUNKT SELBST ZU SPRECHEN ODER AUSKÜNFTE ZU VERLAN-
GEN? ....................................................................................................................................... 29
2) KANN DAS MITGLIED WÄHREND DER VERSAMMLUNG JEDERZEIT EINEN ANTRAG STELLEN? ..................................... 29
3) IST DIE BEGRENZUNG DER REDEZEIT EINES MITGLIEDS MÖGLICH? .................................................................... 29
4) KANN EIN MITGLIED EINE VOLLMACHT ZU SEINER VERTRETUNG IN DER GENERALVERSAMMLUNG ERTEILEN? .............. 30
5) WAS KANN EIN MITGLIED TUN, WENN ES EINZELNE BESCHLÜSSE DER VERSAMMLUNG FÜR SATZUNGS- ODER
GESETZESWIDRIG HÄLT? ................................................................................................................ 30
IV. Beschlüsse und Wahlen 31
1) WIRD EIN BESCHLUSS BEREITS NACH ERMITTLUNG DES ABSTIMMUNGSERGEBNISSES WIRKSAM? .............................. 31
2) KANN AUF DERSELBEN GENERALVERSAMMLUNG ÜBER EINEN ANTRAG ERNEUT ABGESTIMMT WERDEN? .................... 31
3) KÖNNEN SATZUNGSÄNDERUNGEN „EN BLOC“ BESCHLOSSEN WERDEN? ............................................................. 31
4) WER BESTIMMT NACH WELCHEM VERFAHREN – OFFEN ODER MIT STIMMZETTEL – BESCHLÜSSE DER
GENERALVERSAMMLUNG GEFASST WERDEN? ..................................................................................... 32
5) DARF EIN MITGLIED SICH SELBST IN DER GENERALVERSAMMLUNG ZUM AUFSICHTSRAT WÄHLEN? ............................ 32
6) KANN BEI STIMMENGLEICHHEIT DIE GENERALVERSAMMLUNG DEN ZU WÄHLENDEN KANDIDATEN BESTIMMEN? ........... 32
7) KÖNNEN AUCH BESCHLÜSSE GEFASST WERDEN, DIE NICHT DEN VORGABEN DER SATZUNG ENTSPRECHEN? .................. 32
V. Ablauf der Generalversammlung 33
1) WER BESTIMMT DEN LEITER DER GENERALVERSAMMLUNG? ........................................................................... 33
2) WELCHE AUFGABEN UND RECHTE HAT DER VERSAMMLUNGSLEITER? ............................................................... 33
3) DÜRFEN AN DER VERSAMMLUNG AUCH GÄSTE ODER VERTRETER DER PRESSE TEILNEHMEN? .................................. 33
4) WIE WIRD FESTGESTELLT, WELCHES STIMMRECHT EIN MITGLIED HAT? .............................................................. 33
5) WAS DARF UNTER DEM TAGESORDNUNGSPUNKT „VERSCHIEDENES“ ABGEHANDELT WERDEN? ................................ 34
6) BLEIBEN DIE AUF DER VERSAMMLUNG GEFASSTEN BESCHLÜSSE GÜLTIG , WENN EIN MITGLIED VERSEHENTLICH
NICHT GELADEN WURDE? .............................................................................................................. 34
7) WER IST FÜR DIE FÜHRUNG DES PROTOKOLLS ZUSTÄNDIG? ............................................................................ 34
8) WO WIRD DAS PROTOKOLL VERWAHRT UND WER DARF ES EINSEHEN?............................................................... 34
AUFSICHTSRAT ............................................................................................................................................... 36
I. Wahl des Aufsichtsrates 36
1. WELCHE VORAUSSETZUNGEN BENÖTIGT EIN KANDIDAT FÜR DEN AUFSICHTSRAT? .................................................... 36
4
2. WIE ERFOLGT DIE KANDIDATUR ZUM AUFSICHTSRAT? ....................................................................................... 36
3. WIE ERFOLGT DIE WAHL ZUM AUFSICHTSRAT? ................................................................................................ 37
4. KÖNNEN AUFSICHTSRATSMITGLIEDER AUCH OHNE WAHL BESTIMMT WERDEN? ....................................................... 37
5. WER BESTIMMT, WIE VIELE AUFSICHTSRATSMANDATE ES GIBT? ........................................................................... 38
II. Tätigkeit des Aufsichtsrates 39
1) WELCHE BEDEUTUNG HAT DIE GESCHÄFTSORDNUNG UND WER LEGT DEN INHALT FEST? ........................................ 39
2) WOHER KOMMEN DIE INFORMATIONEN ZUR AUSÜBUNG DER KONTROLLTÄTIGKEIT? ............................................ 39
3) WER BEREITET DIE SITZUNGEN UND IHRE TAGESORDNUNG VOR? ..................................................................... 39
4) KÖNNEN ABSTIMMUNGEN IM AUFSICHTSRAT AUCH GEHEIM ERFOLGEN? ........................................................... 40
5) SIND ABSTIMMUNGEN AM TELEFON ODER PER VIDEOKONFERENZ ZULÄSSIG?...................................................... 40
6) WELCHE UNTERLAGEN DARF DER AUFSICHTSRAT EINSEHEN? .......................................................................... 40
7) DÜRFEN MITARBEITER DER GENOSSENSCHAFT DURCH DEN AUFSICHTSRAT BEFRAGT WERDEN? ............................... 41
8) WIE ERFOLGT DIE INFORMATION DER MITGLIEDER DER GENOSSENSCHAFT ÜBER DIE ARBEIT DES AUFSICHTSRATES?...... 41
9) WAS GESCHIEHT, WENN EIN AUFSICHTSRATSMITGLIED EINE ZUSAMMENARBEIT VERWEIGERT ODER
VERTRAULICHE INFORMATIONEN WEITERGIBT? ................................................................................... 41
10) WELCHE VERGÜTUNG BEKOMMT EIN AUFSICHTSRATSMITGLIED UND WER BESTIMMT DAS? .................................... 42
11) WELCHE AUFGABEN HAT DER AUFSICHTSRATSVORSITZENDE? ......................................................................... 43
III. Die Beendigung des Amtes 44
1) WER KANN DIE BESTELLUNG ZUM AUFSICHTSRAT WIDERRUFEN? ..................................................................... 44
2) KANN EIN AUFSICHTSRATSMITGLIED SEIN AMT JEDERZEIT NIEDERLEGEN? ........................................................... 44
IV. Die Haftung des Aufsichtsrates 45
1) HAFTET DER AUFSICHTSRAT, WENN DER VORSTAND SEINEN SATZUNGSMÄßIGEN PFLICHTEN NICHT NACHKOMMT? ....... 45
2) WIE STEHT ES UM DIE HAFTUNG DES AUFSICHTSRATES, WENN ER EINZELNEN GESCHÄFTEN DES VORSTANDES
ZUGESTIMMT HAT, DIESE ABER ZU EINEM S CHADEN DER GENOSSENSCHAFT GEFÜHRT HABEN? ........................ 46
3) WAS IST DIE SOGENANNTE BUSINESS JUDGEMENT RULE? GILT SIE AUCH FÜR AUFSICHTSRATSMITGLIEDER? ................ 46
4) MIT WELCHER QUOTE HAFTEN AUFSICHTSRATSMITGLIEDER, WENN VORSTANDSMITGLIEDER EINEN SCHADEN
VERURSACHEN, DER (AUCH) AUF EINE MANGELHAFTE ÜBERWACHUNG DER VORSTANDSMITGLIEDER
ZURÜCKZUFÜHREN IST? ................................................................................................................ 46
5) KANN EINE ENTLASTUNG DES AUFSICHTSRATS VOR DEM VORLIEGEN DES PRÜFBERICHTS UND DER FESTSTELLUNG
DES JAHRESABSCHLUSSES VORGENOMMEN WERDEN ? ........................................................................... 47
6) IST BEI DER ENTLASTUNG EINES AUFSICHTSRATSMITGLIEDES DURCH DIE G ENERALVERSAMMLUNG DIE GELTENDMACHUNG
VON SCHADENERSATZANSPRÜCHEN DURCH DIE GENOSSENSCHAFT AUSGESCHLOSSEN? .................................. 47
V. Die Betreuung von Vorstandsangelegenheiten 49
1) KANN DER AUFSICHTSRAT DIE BESTELLUNG ZUM VORSTAND WIDERRUFEN? ....................................................... 49
2) AUS WELCHEN GRÜNDEN IST EIN WIDERRUF ZULÄSSIG? ................................................................................ 49
3) WER IST ZUSTÄNDIG FÜR DIE VERTRAGSANGELEGENHEITEN DER VORSTANDSMITGLIEDER? ..................................... 49
VORSTAND ..................................................................................................................................................... 51
I. Die Wahl des Vorstandes 51
1)
WELCHE VORAUSSETZUNGEN MUSS EIN KANDIDAT ERFÜLLEN? ....................................................................... 51
2)
WER IST FÜR DIE WAHL DES VORSTANDES ZUSTÄNDIG ? ................................................................................ 51
3)
WER BESTIMMT, WIE VIELE VORSTANDSMANDATE ES GIBT? ........................................................................... 52
4)
WIE LANGE DARF EIN VORSTANDSMITGLIED AMTIEREN? ................................................................................ 52
5)
BEGINNT DAS VORSTANDSAMT MIT DER BESTELLUNG ODER ERST MIT DER EINTRAGUNG IN DAS
GENOSSENSCHAFTSREGISTER? ........................................................................................................ 52
II. Die Tätigkeit des Vorstandes 53
1) WER LEGT DIE AUFGABEN DES VORSTANDS FEST? WELCHE BEDEUTUNG HAT DIE GESCHÄFTSORDNUNG? .................. 53
2) WAS BEDEUTET „SORGFALT EINES ORDENTLICHEN UND GEWISSENHAFTEN GESCHÄFTSLEITERS“? ............................. 53
3) KANN DER VORSTAND BESTIMMTE AUFGABEN AN MITARBEITER DELEGIEREN? .................................................... 54
4) WAS IST BEI DER ÜBERTRAGUNG VON AUFGABEN AUF EINEN GESCHÄFTSFÜHRER ZU BEACHTEN, DER NICHT
DEM VORSTAND ANGEHÖRT? ......................................................................................................... 55
5) INWIEWEIT WIRD ZWISCHEN DER VORSTANDSTÄTIGKEIT IM HAUPTAMT, NEBENAMT UND EHRENAMT
UNTERSCHIEDEN? ........................................................................................................................ 55
6) MÜSSEN ALLE VORSTANDSMITGLIEDER SATZUNGSÄNDERUNGEN ZUR EINTRAGUNG IM GENOSSENSCHAFTSREGISTER
ANMELDEN? .............................................................................................................................. 56
7) DARF EIN VORSTANDSMITGLIED ÜBER ANGELEGENHEITEN, DIE IHN PERSÖNLICH ODER SEINE FAMILIE BETREFFEN,
ABSTIMMEN? ............................................................................................................................. 56
8) WER REGELT DIE PERSONALANGELEGENHEITEN MIT DEN MITARBEITERN? .......................................................... 56
5
9) WAS IST DIE SOGENANNTE EHRENAMTSPAUSCHALE UND HAT SIE BEDEUTUNG FÜR DIE VERGÜTUNG DER
VORSTANDSMITGLIEDER? .............................................................................................................. 56
10) DARF DER VORSTAND IM RAHMEN EINER GESCHÄFTSBEZIEHUNG MITGLIEDER GEGENÜBER NICHTMITGLIEDERN
BEGÜNSTIGEN? ........................................................................................................................... 57
III. Die Beendigung des Amtes 58
1) WER KANN DIE BESTELLUNG ZUM VORSTAND WIDERRUFEN? .......................................................................... 58
2) AUS WELCHEN GRÜNDEN IST EIN WIDERRUF ZULÄSSIG UND MUSS DEM VORSTANDSMITGLIED EIN GRUND
ANGEGEBEN WERDEN? ................................................................................................................. 58
3) KANN EIN VORSTANDSMITGLIED SEIN AMT JEDERZEIT NIEDERLEGEN?................................................................ 58
IV. Die Haftung des Vorstandes 59
1) IN WELCHEN FÄLLEN HAFTET EIN VORSTANDSMITGLIED? ............................................................................... 59
2) SCHLIEßT EINE ENTLASTUNG DURCH DIE GENERALVERSAMMLUNG DIE HAFTUNG GEGENÜBER DER
GENOSSENSCHAFT AUS? ............................................................................................................... 60
3) WIRD DIE EHRENAMTLICHE ODER NEBENAMTLICHE TÄTIGKEIT BEI EINER ETWAIGEN HAFTUNG MILDERND
BERÜCKSICHTIGT? ....................................................................................................................... 60
4) HAFTET DAS VORSTANDSMITGLIED AUCH NACH BEENDIGUNG SEINER TÄTIGKEIT? ................................................ 61
5) GREIFT DER VERSICHERUNGSSCHUTZ DER D&O-VERSICHERUNG BEI JEDWEDER PFLICHTVERLETZUNG DES
VORSTANDSMITGLIEDS? ............................................................................................................... 61
HINWEISE ZUM 2. TEIL DER BROSCHÜRE ........................................................................................................ 63

6
MITGLIEDSCHAFT, BETEILIGUNG UND GESCHÄFTSBEZIEHUNG

I. Beitritt zur Genossenschaft

1) Kann der Beitritt zur Genossenschaft per E-Mail erklärt werden?

Nein das ist nicht möglich. § 15 des Genossenschaftsgesetzes schreibt vor, dass die
Beitrittserklärung schriftlich erfolgen muss. Diese gesetzliche Schriftform ist nur gewahrt,
wenn zumindest eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet wird. Da sollte die
Beitrittserklärung als Schriftstück verfasst sein.

Quellen:
L/W § 15 Rn. 9. Beispiel für eine Beitrittserklärung in Teil 2 der Broschüre.

2) Warum muss die Beitrittserklärung ein besondere Zusicherungen des Mitgliedes zur Einhal-
tung von Zahlungspflichten oder einen Hinweis auf eine längere Kündigungsfrist enthalten?

Der genaue Inhalt einer Beitrittserklärung wird in § 15 a des Genossenschaftsgesetzes


ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben. Dort ist geregelt, dass die Beitrittserklärung die
ausdrückliche Verpflichtung des Mitgliedes enthalten muss, die nach Gesetz und Sat-
zung geschuldeten Einzahlungen auf den Geschäftsanteil und gegebenenfalls anfallen-
den Nachschüsse zu leisten.
Soweit die Satzung laufende Zahlungspflichten für Mitglieder vorsieht oder die dortige
Kündigungsfrist länger als ein Jahr dauert, muss die Beitrittserklärung einen entspre-
chenden Belehrungshinweis für das Mitglied enthalten.

Hintergrund für diese Regelung sind die historischen Entwicklungen im Genossen-


schaftswesen. Ursprünglich war bei vielen Genossenschaften eine Nachschusspflicht
der Mitglieder für den Fall der Insolvenz einer Genossenschaft zum Ausgleich der aufge-
tretenen Verluste vorgesehen. Um die Mitglieder vor dem Beitritt darauf hinzuweisen,
dass eine erhebliche persönliche Haftung bestehen kann, hat der Gesetzgeber diese
Regelungen vorgeschrieben. Eine solche Warnfunktion besteht dann Hinblick auf sons-
tige Zahlungspflichten oder eventuell längere Kündigungsfristen auch heute noch.

Quellen:
L/W § 15a Rn.1f.

3) Ist ein Beitritt auch wirksam, wenn dem neuen Mitglied keine Satzung ausgehändigt
wurde?

Vor dem Beitritt zu einer Genossenschaft muss deren Satzung in der aktuellen Form
ausgehändigt werden oder dem Interessenten mitgeteilt werden wo sie im Internet voll-
ständig eingesehen werden kann. Diese Informationspflichten regelt der § 15 Abs. 1 des
Genossenschaftsgesetzes. Wurde die Satzung nicht ausgehändigt oder auf sie or-
dentlich hingewiesen, so bleibt ein erklärter Beitritt trotzdem wirksam. Er kann jedoch
von dem Mitglied angefochten werden. Der Vorstand der Genossenschaft macht sich
gegebenenfalls gegenüber dem Mitglied persönlich schadenersatzpflichtig.

Quellen:

7
L/W § 15 Rn. 6.

4) Beginnt die Mitgliedschaft schon vor der Übermittlung der Bestätigung über die Eintragung
in der Mitgliederliste?

Der Beitritt zur Genossenschaft wird rechtlich erst vollzogen, wenn nach Übermittlung
der Beitrittserklärung der Genossenschaft Vorstand dem Beitritt zustimmt. Es handelt
sich um einen Vertrag zwischen der Genossenschaft-vertreten durch den Vorstand-und
dem Mitglied. Die Mitgliedschaft wird wirksam mit der Zulassung durch den Vorstand.
Dieser ist dann im Nachgang verpflichtet, das Mitglied und den Beitrag in der bei der Ge-
nossenschaft geführten Mitgliederliste zu verzeichnen.

Über die Eintragung in der Mitgliederliste erhält das Mitglied von vielen Genossenschaf-
ten eine Bestätigung für seine Unterlagen. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine solche Be-
stätigung jedoch nicht. Das Mitglied hat jedoch jederzeit Anspruch darauf, die ihn betref-
fenden Eintragungen in der Mitgliederliste einzusehen und darüber eine Abschrift zu er-
halten. Für die Mitgliedschaft und den Umfang der Beteiligung sind dann die Eintragung
in der Mitgliederliste maßgeblich.

Quellen:
L/W § 15 Rn.11, 18f. § 30 Rn 2.

5.) Kann eine Beitrittserklärung widerrufen oder angefochten werden?

Beim Beitritt zu einer Genossenschaft handelt sich um einen Vertrag zur Mitwirkung an
einer Gesellschaft. Eine Willenserklärung zum Abschluss eines solchen Vertrages kann
nach allgemeinen Regeln zwar angefochten werden, etwa wenn eine Täuschung oder
ein Irrtum vorliegt. Die Erklärung kann auch in engen Grenzen widerrufen werden. Ein
Widerruf ist zum Beispiel möglich, wenn die Beitrittserklärung vom Mitglied in seiner
Wohnung unterzeichnet wurde und die Genossenschaft überwiegend Kapitalanlagezwe-
cken dient.

Allerdings führt die Anfechtung oder der Widerruf nicht zu einer Rückabwicklung der Be-
teiligung. Vielmehr bleibt das Mitglied an die Satzung der Genossenschaft gebunden bist
es zum nächstmöglichen Termin – unter Berücksichtigung der satzungsmäßen Kündi-
gungsfrist - ausscheiden könnte. Das bedeutet, dass es auch Verluste, die in der Zwi-
schenzeit aufgetreten sind, eventuell mittragen muss.

Quellen:
L/W § 15 Rn. 10, 19.

6.) Muss eine Genossenschaft jeden aufnehmen, der ihr beitreten will?

Nein, die Genossenschaft ist ein privatrechtlich organisierter Zusammenschluss der


letztlich selbst entscheiden kann welche Mitglieder aufgenommen werden.

Davon gibt es nur eine Ausnahme für Genossenschaften, die Dienste oder Leistungen
anbieten, auf die jedermann in ihrem Verbreitungsgebiet angewiesen ist. Das kann zum
Beispiel in Betracht kommen bei Genossenschaften die Aufgaben der örtlichen Daseins-
vorsorge - wie die Wasser Versorgung, Wäremversorgung oder die Belieferung mit
Elektrizität - übernommen haben. Auch wenn Genossenschaften auf ihrem Markt so

8
mächtig sind, dass ohne ihre Tätigkeit für Mitglieder keine Alternative für die Weiterfüh-
rung ihrer eigenen Wirtschaft besteht, kann ein Aufnahmezwang unter dem Gesichts-
punkt des Diskriminierungsverbotes in Betracht kommen.

Eine Aufnahmepflicht besteht jedoch auch bei solchen Verhältnissen nicht, wenn die Ge-
nossenschaft bereit ist, mit dem Interessenten Geschäfte zu den gleichen Bedingungen
zu machen, die für ihre Mitglieder gelten.

Quellen:
L/W § 15 Rn. 13f.

9
II. VERERBUNG UND ÜBERTRAGUNG DER BETEILIGUNG

1) Wird ein Erbe automatisch Mitglied in der Genossenschaft?

Ja. Aus einer Genossenschaft kann man nur zum Ende des dortigen Geschäftsjahres
ausscheiden. Deshalb wird nach dem Tod eines Mitgliedes grundsätzlich bis zum Ende
des laufenden Geschäftsjahres der oder die Erben Mitglied, § 77 I GenG.

Zum Ende des Geschäftsjahres scheidet der Erbe dann aus und bekommt die finanzielle
Abfindung von der Genossenschaft ausgezahlt.

Die Satzung der Genossenschaft kann aber auch bestimmen, dass der Erbe unbefristet
und dauerhaft Mitglied der Genossenschaft bleibt und sie kann dafür auch Bedingungen
formulieren. Z.B. die Inhaberschaft eines Unternehmens oder den Wohnsitz im Bezirk
der Genossenschaft.

Quellen:
L/W § 77 Rn. 4f und 16f, Beispielsatzung § 7.

2) Wer vertritt eine Erbengemeinschaft gegenüber der Genossenschaft?

Besteht nach dem Tod des Mitgliedes eine Erbengemeinschaft wird diese auch zu-
nächst Mitglied in der Genossenschaft. § 77 I Satz 2 GenG. Allerdings müssen die Er-
ben einen Vertreter bestimmen, der das Stimmrecht in der Generalversammlung ausübt.
Das gilt auch für das dortige Anwesenheits-, Auskunfts- und Rederecht. Einigen sich die
Miterben nicht, entfallen die in der Generalversammlung auszuübenden Rechte.

Quellen:
L/W § 77 Rn. 8; Beispielsatzung § 7 Absatz 1 § 26 Absatz 4. Beispiel einer Erklärung einer Er-
bengemeinschaft in Teil 2 der Broschüre.

3) Kann die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft anderen Personen übertragen werden?

Nein. Die Genossenschaft ist im Kern der Zusammenschluss von Personen, so dass die
Mitgliedschaft als höchstpersönliches Recht nicht an Dritte übertragen werden kann. Die
Mitgliedschaft kann von der Person nicht getrennt werden, deshalb endet sie auch nur,
wenn die Person aus der Genossenschaft ausscheidet oder verstirbt.

Allerdings lässt sich der mit der Mitgliedschaft in der Genossenschaft verbundene finan-
zielle Anspruch an Dritte übertragen, wenn das Mitglied aus der Genossenschaft aus-
scheidet. Dies geht im Rahmen einer Geschäftsguthabenübertragung oder der Abtre-
tung von Auseinandersetzungsansprüchen.

Quellen:
L/W § 76 Rn. 3; Beispielsatzung § 6.

4) Was bedeutet „Geschäftsguthabenübertragung“?

10
Die Übertragung des Geschäftsguthabens ermöglicht es einem Mitglied, auch vor dem
Schluss des Geschäftsjahres und ohne Beachtung einer Kündigungsfrist aus der Genos-
senschaft auszuscheiden, § 76 Absatz 1 GenG. Allerdings muss dafür ein Erwerber ge-
funden werden, der seinerseits Mitglied der Genossenschaft wird oder bereits ist. Die-
sem werden die finanziellen Ansprüche des ausscheidenden Mitgliedes übertragen, so
dass die Genossenschaft von dem Wechsel jedenfalls im Hinblick auf das bei ihr unter-
haltene Kapital nicht berührt wird.

Die Geschäftsguthabenübertragung geschieht durch einen einfachen Vertrag zwischen


dem abgebenden Mitglied und dem Erwerber, der zusätzlich eine normale Beitrittserklä-
rung zur Genossenschaft unterzeichnen muss, wenn er nicht bereits Mitglied ist. Die
Höhe des finanziellen Ausgleichs für die übertragenen finanziellen Ansprüche können
erwerber und Abgebendes Mitglied frei festlegen, es ist etwa auch möglich ein Vielfa-
ches der Kapitaleinlage bei der Genossenschaft als Kaufpreis zu vereinbaren.

Es ist auch möglich, nur einen Teil des Geschäftsguthabens auf diesem Wege zu über-
tragen, wenn beim abgebenden Mitglied zumindest ein eingezahlter Geschäftsanteil ver-
bleibt, ebenso kann das Geschäftsguthaben auch auf mehrere Erwerber aufgeteilt wer-
den.

Quellen:
L/W § 76 Rn. 3ff, 11f; Beispielsatzung § 6. Beispiel einer Vereinbarung zur Geschäftsguthaben-
übertragung in Teil 2 der Broschüre.

5.) Muss die Genossenschaft einer Geschäftsguthabenübertragung vor ihrer Wirksamkeit zu-
stimmen?

In den üblichen Genossenschaftssatzungen wird die Übertragung des Geschäftsgutha-


bens häufig von der Zustimmung des Vorstandes und/ oder Aufsichtsrates der Genos-
senschaft abhängig gemacht. Deshalb empfiehlt sich in solchen Fällen grundsätzlich die
Rücksprache mit der Genossenschaft.

Wenn allerdings z.B. die Möglichkeit des Mitgliedes, seine finanzielle Beteiligung an der
Genossenschaft nur unter Zustimmung der Genossenschaft oder bei Wahrung eines bei
der Genossenschaft verbleibenden Mindestkapitals zu realisieren (diese also beschränkt
ist), kann die Geschäftsguthabenübertragung nicht durch Zustimmungsvorbehalte der
Genossenschaft beschränkt werden. Dahinter steht der Gedanke, dass ein Mitglied,
wenn es schon nach einer Kündigung nicht sicher sein kann, seine Einlage zurückzuer-
halten, jedenfalls das Recht haben muss, durch Veräußerung der Ansprüche an Dritte
diese finanzielle Beteiligung zu realisieren und zugleich aus der Genossenschaft auszu-
scheiden.

Quellen:
L/W § 76 Rn. 1; Beispielsatzung § 6 Absatz 3

11
III. KÜNDIGUNG DER MITGLIEDSCHAFT

1.) Kann die Kündigung der Mitgliedschaft auch mündlich oder per E-Mail erfolgen?

Nein. Der § 65 Absatz 2 GenG schreibt vor, dass die Kündigung schriftlich erfolgen
muss. Möglich wäre sie auf elektronischem Weg nur, wenn sie mit einer qualifizierten
elektronischen Signatur versehen wäre.

In der Praxis reicht daher ein einfacher, unterschriebener Brief; ein bestimmtes Formular
ist nicht erforderlich.

Quellen:
L/W § 65 Rn. 5; Beispielsatzung § 5 Absatz 1. Beispiel einer Kündigungserklärung in Teil 2 der
Broschüre.

2) Warum wird eine Kündigung nicht sofort, sondern erst nach Ablauf einer Kündigungsfrist,
wirksam?

Aus der Genossenschaft kann ein Mitglied grundsätzlich nur zum Schluss eines Ge-
schäftsjahres ausscheiden, § 65 Absatz 2 Satz 1 GenG. Dieses Kündigungsrecht darf
nicht entzogen oder erschwert werden. Zum Schutz der Genossenschaft sieht das Ge-
setz eine normale Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Schluss des Geschäftsjahres vor,
damit soll ein überraschender Abzug von Mitgliedern und Kapital vermieden werden. Der
Schluss des Geschäftsjahres ist maßgeblich, weil dann die ohnehin zu diesem Termin
aufzustellende Bilanz für die finanzielle Abgeltung mit dem Mitglied genutzt werden kann
und keine speziellen Berechnungen und Bilanzierungen auf den Termin des Ausschei-
dens benötigt werden.

In der Satzung kann auch eine längere Kündigungsfrist vorgesehen werden, je nach Mit-
gliederstruktur 5 bis zu 10 Jahren bei Genossenschaften, deren Mitglieder überwiegend
Unternehmer sind.

Quellen:
L/W § 65 Rn. 9ff; Beispielsatzung § 5 Absatz 1.

3) Kann eine Kündigung auch von einem Vertreter des Mitgliedes erklärt werden?

Ja. Die Vollmacht bedarf dabei keiner besonderen Form, allerdings muss sie im Zweifel
bewiesen werden. Das geht am besten bei einer schriftlichen Vollmacht.

Quellen:
L/W § 65 Rn. 8.

4) Ist auch eine außerordentliche oder fristlose Kündigung der Mitgliedschaft möglich?

Nein. Das Gesetz regelt die Kündigungsmöglichkeiten abschließend und trifft so eine
Abwägung der Belange des Mitgliedes und der Genossenschaft. Nur wenn die Satzung
eine längere Kündigungsfrist als 2 Jahre vorsieht, besteht das Recht des Mitgliedes,
auch vorzeitig mit der gesetzlichen Frist zu kündigen, wenn ihm wegen besonderer per-
sönlicher Gründe die Fortsetzung der Mitgliedschaft in der Genossenschaft darüber hin-

12
aus nicht zugemutet werden kann. Allerdings besteht dieses Recht auch erst nach min-
destens einjähriger Mitgliedschaft, § 65 Absatz 3 GenG. Solche Ausnahmefälle sind
etwa bei einer Geschäftsaufgabe des Mitgliedes oder dauernder Arbeitsunfähigkeit
denkbar.

Quellen:
L/W § 65 Rn. 16ff.

13
IV. AUSSCHLUSS AUS DER GENOSSENSCHAFT

1) Aus welchen Gründen kann ein Mitglied aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden?

Die einzige Möglichkeit für die Genossenschaft, sich von einem Mitglied zu trennen be-
steht darin, das Mitglied auszuschließen, § 68 Absatz 1 GenG. Die verbreiteten Satzun-
gen der Genossenschaften enthalten dazu in der Regel einen Katalog von Ausschluss-
gründen, die im Kern eine solche Trennung erlauben, wenn das Mitglied gegen seine
Pflichten verstoßen hat oder keine Geschäftsbeziehung mit der Genossenschaft mehr
unterhält. Einige Beispiele:
 Nichterfüllung genossenschaftlicher Pflichten;
 Weitergabe von vertraulichen Mitteilungen;
 Wegfall der Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft;
 Mitgliedschaft in einem konkurrierenden Unternehmen.
 Wegzug aus dem Bezirk der Genossenschaft ohne Mitteilung der neuen Wohna-
dresse.

Quellen:
L/W § 68 Rn. 2-9. Beispielsatzung § 9

2) Wer ist für den Ausschluss zuständig?


.
Wegen der häufig großen Wichtigkeit der Mitgliedschaft für das Mitglied, hat die Recht-
sprechung im Laufe der Jahre durch viele Entscheidungen herausgearbeitet, dass der
Ausschluss eines Mitgliedes nur unter Einhaltung besonderer Verfahrensschritte möglich
ist.

Zuständig ist grundsätzlich der Vorstand der Genossenschaft, es sei denn, dass ein Mit-
glied des Aufsichtsrates oder des Vorstandes ausgeschlossen werden soll – dann
müsste die Generalversammlung tätig werden.

Dem Mitglied muss der Ausschluss unter Darlegung des Ausschlussgrundes zuvor an-
gedroht werden und ihm muss die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben werden (An-
hörung)

Quellen:
L/W § 68 Rn. 18ff. Beispielsatzung § 9

3) Kann das Mitglied gegen den Ausschluss Beschwerde einlegen oder vor Gericht klagen?

Das Mitglied kann grundsätzlich gegen den Ausschluss vor den ordentlichen Gerichten
klagen. Häufig sehen die Satzungen auch eine genossenschaftsinterne Beschwerde-
möglichkeit vor – etwa die Anrufung des Aufsichtsrates. Dadurch darf aber der Weg zu
den Gerichten nicht ausgeschlossen werden.

Quellen:
L/W § 68 Rn. 33 und 38. Beispielsatzung § 9 Absatz 6 und 7.

14
V. FINANZIELLE BETEILIGUNG AN DER GENOSSENSCHAFT

1) Was bedeuten Geschäftsguthaben und Geschäftsanteil?

Jedes Mitglied einer Genossenschaft muss dort eine finanzielle Einlage als Beitrag zum
Eigenkapital der Genossenschaft leisten. Diese Einlage wird nach ihrer Einzahlung als
Geschäftsguthaben verbucht.

Die Satzung der Genossenschaft muss regeln, bis zu welchem Betrag die Mitglieder Ein-
lagen leisten dürfen und müssen. Dort wird der Betrag des Geschäftsanteiles festgelegt,
der eine Höchstgrenze für die möglichen Einzahlungen der Mitglieder in ihre Geschäfts-
guthaben angibt, § 7 Ziffer 1 GenG. Zugleich muss die Satzung regeln, wann und in wel-
chem Umfang vom Mitglied Einzahlungen auf den Geschäftsanteil geleistet werden müs-
sen. Der Geschäftsanteil ist also eine Art Rechengröße (Maximalbetrag möglicher Einla-
gen), das Geschäftsguthaben gibt das tatsächliche eingezahlte Eigenkapital des Mitglie-
des an.

Quellen:
L/W § 7 Rn. 2, 5 und § 7 Rn. 9ff; Beispielsatzung § 37 Absatz 4.

2) Wer legt fest, in welcher Höhe und Anzahl Geschäftsanteile von Mitgliedern gezeichnet
werden dürfen?

Das Genossenschaftsgesetz ermöglich der einzelnen Genossenschaft, weitgehend frei


in der von der Generalversammlung festgelegten Satzung sowohl den Betrag eines Ge-
schäftsanteils als auch die Anzahl der Geschäftsanteile, die ein Mitglied übernehmen
kann zu regeln, § 7a Absatz 1 GenG. Ein Mindestbetrag für den Geschäftsanteil ist ge-
setzlich ebenso wenig wie ein Höchstbetrag vorgesehen. Die Satzung kann auch die
Verpflichtung des Mitgliedes vorsehen, sich mit mehreren Geschäftsanteilen zu beteili-
gen. Man spricht dann von einer Pflichtbeteiligung, § 7a Absatz 2 GenG.

Innerhalb des Rahmens der Satzung kann der Vorstand nach seinem Ermessen ent-
scheiden, ob ein Mitglied neben der Pflichtbeteiligung zusätzlich weitere Geschäftsan-
teile freiwillig übernehmen darf und so etwa von einer Dividende profitieren kann. Der
Vorstand muss bei dieser Entscheidung jedoch die Gleichbehandlung aller Mitglieder
wahren, also Regeln aufstellen, die für alle Mitglieder gelten. Von den Bestimmungen
der Satzung darf er nicht abweichen.

Quellen:
L/W § 7a Rn. 2f und Rn 8. Beispielsatzung § 37 Absatz 3.

3) Erhalten Mitglieder eine Bestätigung über die Zahl der Geschäftsanteile und die Höhe des
Geschäftsguthabens?

Die Übernahme zusätzlicher Geschäftsanteile über den gesetzlich vorgeschriebenen


ersten Anteil muss im Rahmen einer vom Mitglied unterzeichneten, schriftlichen Über-
nahmeerklärung erfolgen, § 15b GenG. Diese wird im Original bei der Genossenschaft
verwahrt, die Übernahme der Geschäftsanteile wird in die Mitgliederliste gemäß § 30
GenG eingetragen, die das Mitglied jederzeit einsehen darf. Es kann nach § 31 Absatz 1
GenG auch jederzeit eine Abschrift seiner dortigen Eintragungen verlangen.
15
Im Gesetz ist die Übermittlung einer Bestätigung zur Zahl der übernommenen Ge-
schäftsanteile oder des Betrages des konkret eingezahlten Geschäftsguthabens nicht
vorgesehen. Es ist aber üblich, dass die Genossenschaft das Mitglied darüber – etwa in
Form von Saldenbestätigungen – regelmäßig informiert.

Quellen:
L/W § 15b Rn. 2; § 30 Rn 8; § 31 Rn. 2.

4) Wann müssen die Einzahlungen auf die übernommene Beteiligung an die Genossenschaft
geleistet werden?

Nach § 7 Absatz 1 GenG muss die Satzung dazu Regelungen treffen. Allerdings muss
dort nur für einen Betrag in Höhe von 10% des Geschäftsanteils festgelegt werden,
wann die Einzahlung geleistet werden muss, der restliche Betrag kann dann durch Be-
schlüsse der Generalversammlung gemäß § 50 GenG angefordert werden. Üblich ist bei
neueren Genossenschaften eine Satzungsregelung, wonach die Einzahlung bis zur
Höhe des übernommenen Geschäftsanteils sofort nach der Eintragung in die Mitglieder-
liste fällig ist. Diese Regelungen verschaffen jeder Genossenschaft einen großen Gestal-
tungsspielraum zur Festlegung der Einzahlungspflichten.

Quellen:
L/W § 7 Rn. 9, § 50 Rn. 1ff; Beispielsatzung § 37 Absatz 2.

5) Wer bestimmt, in welcher Höhe und wann eine Dividende auf das Geschäftsguthaben ge-
zahlt wird?

Die Festlegung einer Dividende erfolgt durch Beschlussfassung der Generalversamm-


lung anlässlich der Feststellung des Jahresabschlusses. Das GenG regelt in § 48 Absatz
1 diese Zuständigkeit und formuliert in § 19 den Anspruch des Mitgliedes auf Auszah-
lung der Dividende, wenn ein solcher Beschluss gefasst wurde. Dieser ist also Voraus-
setzung eines Auszahlungsanspruches und kann von einem einzelnen Mitglied nicht al-
lein erzwungen werden.

Die Höhe der Dividende wird von der Generalversammlung bestimmt, Vorschläge dazu
machen Vorstand und Aufsichtsrat. Maßstab für die Verteilung ist das vom Mitglied ein-
gezahlte Geschäftsguthaben nach dem Stand zum Schluss des vorhergegangenen Ge-
schäftsjahres. In der Satzung kann aber auch ein anderer Verteilungsmaßstab, z.B. die
Berücksichtigung späterer Einzahlungen von Geschäftsguthaben (das wird häufig ge-
wählt) oder die Bemessung nach einem Umsatz zwischen Mitglied und Genossenschaft
(das kommt in der Praxis sehr selten vor) geregelt werden.

Die Auszahlung der Dividende erfolgt unmittelbar nach der Beschlussfassung der Gene-
ralversammlung, diese kann auch einen zeitnahen Auszahlungstag festlegen.

Quellen:
L/W § 48 Rn.17, § 19 Rn12f; Beispielsatzung § 44.

6) Was geschieht mit der Beteiligung, wenn die Genossenschaft einen Verlust in ihrer Bilanz
ausweist?

16
Wenn sich bei der Feststellung des Jahresabschlusses im Geschäftsjahr ein Verlust
ergibt, obliegt es gemäß § 48 Absatz 1 GenG der Generalversammlung zu entscheiden
wie dieser gedeckt wird. Diese Verlustdeckung ist zunächst ein bilanzieller und rechneri-
scher Vorgang, bei dem im Grundsatz das Eigenkapital der Genossenschaft um den
Verlustbetrag gekürzt wird. Zu diesem Eigenkapital gehört neben den Rücklagen auch
das von den Mitgliedern eingezahlte Geschäftsguthaben. Die Generalversammlung ist
frei zu entscheiden, ob und in welchem Umfang auch Geschäftsguthaben zur Verlustde-
ckung herangezogen werden, dabei muss natürlich für alle Mitglieder gleich vorgegan-
gen werden. Denkbar ist auch ein Vortrag des Verlustes in das nächste Geschäftsjahr in
der Hoffnung, bei Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen, den Verlust zu kompensieren.

Auf der Ebene des Mitgliedes ergeben sich im Normalfall nur Auswirkungen, wenn es
die Genossenschaft verlässt: Dann kann die Rückzahlung des Geschäftsguthabens nur
abzüglich des Verlustanteils erfolgen. Zudem müssen spätere Gewinnanteile vor einer
Auszahlung an das Mitglied zunächst zur Wiederauffüllung der verminderten Geschäfts-
guthaben verwendet werden.

Quellen:
L/W § 48 Rn. 22f, § 19 Rn.18bff; Beispielsatzung § 45.

7) Müssen bei Verlusten oder Insolvenz der Genossenschaft weitere Beträge als Nachschuss
oder Zuzahlung an die Genossenschaft gezahlt werden?

Verluste müssen die Mitglieder nicht durch Nachzahlungen auf den Geschäftsanteil aus-
gleichen, sie sind nur verpflichtet diesen einmal einzuzahlen.

Im Insolvenzfall kann nur bei Genossenschaften, die in ihrer Satzung eine Nachschuss-
pflicht vorgesehen haben, eine Nachzahlung des Mitgliedes bis zur Höhe der dann in
der Satzung festzulegenden Haftsumme pro Anteil von einem Insolvenzverwalter gefor-
dert werden. Solche Nachschusspflichten sind bei neueren Genossenschaften nicht
mehr gebräuchlich, bestehen Sie, müsste das Mitglied beim Beitritt in der Beitrittserklä-
rung darauf gemäß § 15a GenG hingewiesen werden.

Unabhängig davon kann jedoch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Genossen-


schaft eine Kapitalerhöhung durch die Generalversammlung, z.B. durch Erhöhung des
Geschäftsanteils und/oder Festlegung von Einzahlungspflichten erfolgen. In diesem Fall
kann ein Mitglied, das damit nicht einverstanden ist, ein Sonderkündigungsrecht gemäß
§ 67a Absatz 1 in Verbindung mit § 16 Absatz 2 Nr. 2 GenG ausüben.

Quellen:
L/W § 7 Rn. 18; § 105 Rn. 10ff; § 67a Rn. 2ff. Beispielsatzung § 40.

8) Gibt es bei Genossenschaften eine Pflicht zur Zahlung laufender Beiträge?

Nur wenn in der Satzung eine solche Regelung enthalten ist. Das GenG erwähnt die
Möglichkeit, laufende Beiträge von den Mitgliedern zur Deckung von Kosten zu erheben
ausdrücklich in der Bestimmung des § 16 Absatz 3 Satz 2 GenG. Dabei geht es um die
Notwendige Mehrheit in der Generalversammlung bei Einführung einer solchen Rege-
lung in der Satzung. Von dieser Möglichkeit wird zunehmend in Satzungen Gebrauch
gemacht.

Quellen:
L/W § 16 Rn. 27.

17
9) Wann wird das Geschäftsguthaben an das Mitglied zurückgezahlt?

Das Geschäftsguthaben wird nach Beendigung der Mitgliedschaft in der Genossen-


schaft zurückgezahlt sobald die Generalversammlung den Jahresabschluss zum Stich-
tag des Ausscheidens des Mitgliedes aus der Genossenschaft festgestellt hat, § 73 Ab-
satz 2 GenG. Dieser Zeitpunkt liegt in der Regel innerhalb des ersten halben Geschäfts-
jahres nach dem Ausscheiden, da die Generalversammlung innerhalb von 6 Monaten
nach Schluss eines Geschäftsjahres stattfinden muss, § 48 Absatz 1 Satz 3 GenG. Ver-
zögert sich die Durchführung der Generalversammlung oder die Feststellung des Jah-
resabschlusses hat das ausgeschiedene Mitglied Anspruch auf die Zahlung von Ver-
zugszinsen - ohne Bilanzfeststellung besteht aber kein Rückzahlungsanspruch.

Quellen:
L/W § 73 Rn. 3f, 7; Beispielsatzung § 10 Absatz 2.

10) Ist es möglich, dass nicht das gesamte eingezahlte Geschäftsguthaben zurückgezahlt wird?

Das ist durchaus denkbar, wenn die Genossenschaft zum Stichtag des Ausscheidens
einen Verlust in dem maßgeblichen Jahresabschluss ausweist. Die Höhe des Auszah-
lungsbetrages (rechtlich als Auseinandersetzungsguthaben bezeichnet) bestimmt sich
gemäß § 73 Absatz 1 Satz 2 GenG nach der Vermögenslage der Genossenschaft. Weist
die Bilanz einen Verlust aus oder wurde ein solcher – ggf. auch schon in den Vorjahren
– durch Abschreibung von den Geschäftsguthaben gedeckt, vermindert sich der Rück-
zahlungsanspruch entsprechend des auf das ausscheidende Mitglied entfallen quotalen
Anteil. Es ist auch möglich, dass eine Kürzung des Auseinandersetzungsanspruches er-
folgt, wenn ein aufgelaufener Verlust auf neue Rechnung vorgetragen wird. Viele Sat-
zungen sehen solche Regelungen vor.

Quellen:
L/W § 73 Rn. 15; Beispielsatzung § 10.

11) Was bedeutet ein „Mindestkapital“ bei der Genossenschaft?

Die Satzung der Genossenschaft kann nach § 8a GenG ein Mindestkapital vorsehen.
Dieses kann entweder als fester Betrag in EURO angegeben werden oder als quotaler
Anteil der Gesamtsumme aller Geschäftsguthaben. Besteht ein solches Mindestkapital,
darf an ausscheidende Mitglieder insgesamt nur insoweit deren Guthaben ganz oder
zum Teil zurückgezahlt werden, dass dieses Mindestkapital nicht unterschritten wird. Die
Auszahlung darf dann erst erfolgen, wenn dies Gesamtsumme der Geschäftsguthaben -
etwa durch Gewinnzuschreibungen oder Neueinzahlung von beitretenden Mitgliedern-
das Mindestkapital wieder übersteigt. Bis dahin gelten die Ansprüche der ausgeschiede-
nen Mitglieder als gestundet. Satzungsregelungen zu einem Mindestkapital sind auch
bei neueren Genossenschaften, etwa des Energiesektors durchaus verbreitet.

Quellen:
L/W § 8a Rn. 4f; § 73 Rn. 10.

12) Erhält ein Mitglied bei seinem Ausscheiden auch einen Anteil an den in der Bilanz ausge-
wiesenen Rücklagen der Genossenschaft?

18
Nein, das schließt die ausdrückliche Regelung in § 73 Absatz 2 Satz 2 GenG aus. Es ist
eine Besonderheit der genossenschaftlichen Rechtsform, dass grundsätzlich nur maxi-
mal die eingezahlte Einlage zurückgezahlt wird, aber das sonstige Vermögen der Ge-
nossenschaft zur Fortführung ihres Geschäftsbetriebes verbleibt.

Ausnahmen davon gelten nur bei der Auflösung der Genossenschaft, bei der ihr gesam-
tes Vermögen – je nach Satzungsgestaltung- unter alle dann vorhandenen Mitglieder
aufgeteilt wird (§ 91 Geng) oder wenn eine spezielle Rücklage zu Gunsten der ausschei-
denden Mitglieder durch eine Satzungsklausel ermöglicht wird und aus laufenden Ge-
winnen gespeist wurde, § 73 Absatz 3 GenG (Beteiligungsfonds).

Quellen:
L/W § 73 Rn. 19ff.

13) Kann die Beteiligung an der Genossenschaft durch Gläubiger des Mitgliedes gepfändet
werden?

Ja. Dazu besteht eine gesonderte Vorschrift in § 66 GenG. Nur wenn die Zwangsvoll-
streckung des Gläubigers in andere Vermögenswerte erfolglos war, kann er das Ausei-
nandersetzungsguthaben des Mitgliedes pfänden und die Kündigung der Mitgliedschaft
erklären.
Der Pfändungsgläubiger erhält dann nach Ablauf der Kündigungsfrist und Feststellung
des Jahresabschlusses an Stelle des Mitgliedes dessen Geschäftsguthaben (abzüglich
etwaiger Verluste) ausbezahlt.

Quellen:
L/W § 66 Rn. 2f, 8ff.

14) Was passiert in der Insolvenz des Mitgliedes mit der Genossenschaftsbeteiligung?

Wenn das Mitglied eine natürliche Person ist, hat seine Insolvenz keine unmittelbaren
Auswirkungen auf die Mitgliedschaft. In der Regel sehen die Satzungen der Genossen-
schaften allerdings vor, dass die Genossenschaft das Mitglied ausschließen kann. Auf
Seiten des Mitgliedes nimmt dessen Insolvenzverwalter die Rechte und Pflichten aus der
Mitgliedschaft gegenüber der Genossenschaft wahr. Er kann die Mitgliedschaft gemäß §
66a GenG kündigen. In beiden Fällen kommt es zur Auszahlung des Auseinanderset-
zungsguthabens, welches der Insolvenzmasse und damit den Gläubigern des Mitgliedes
zusteht.

Besonderheiten gelten bei Wohnungsgenossenschaften: Hier ist das Kündigungsrecht


des Insolvenzverwalters ausgeschlossen, wenn die Mitgliedschaft Voraussetzung für die
Nutzung einer Wohnung ist. Das ist bei Wohnungsgenossenschaften regelmäßig der
Fall. Nach § 67c kann allerdings ein Geschäftsguthaben, dass die vierfache Wohnungs-
miete oder 2.000 EUR übersteigt vom Insolvenzverwalter beansprucht werden.

Ist das Mitglied eine juristische Person oder eine Gesellschaft (also z.B. eine GmbH oder
ein Verein), so führt die Eröffnung des Konkursverfahrens automatisch zur Beendigung
der Mitgliedschaft in der Genossenschaft zum Schluss des laufenden Kalenderjahres, §
77a GenG. Auch dies führt zur Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens an die
Insolvenzmasse. Allerdings können hier in der Satzung Vorrechte der Genossenschaft
am Auseinandersetzungsguthaben zur Aufrechnung mit eigenen Forderungen begrün-
det werden.

19
Quellen:
L/W § 66a Rn. 2ff, § 67c Rn 2ff; § 77a Rn 1f. Beispielsatzung § 10 Absatz 3.

15) Warum gibt es bei manchen Genossenschaften Nachrangdarlehn?

Das normale Mittel zur Eigenkapitalbildung bei Genossenschaften besteht in der Einfor-
derung von Geschäftsguthaben. Da diese jedoch nur für die Dauer der jeweiligen Mit-
gliedschaft der Genossenschaft zur Verfügung stehen, die häufig mit recht kurzen Fris-
ten gekündigt werden kann, bieten sie nicht immer eine sichere Grundlage für langfris-
tige Investitionen. Deshalb bemühen sich einige Genossenschaften im Rahmen geson-
derter Verträge längerfristig Eigenkapital zu erlangen, das unabhängig von der Mitglied-
schaft für einen festen Zeitraum und in der Regel auch mit einer festen Verzinsung mit
Mitgliedern vereinbart wird.

Nachrangdarlehn werden dabei als einfaches Instrument gewählt, weil es dafür kaum
Beschränkungen der Finanzaufsicht gibt und weitgehende Vertragsfreiheit besteht. Aus
Sicht des Mitgliedes muss beachtet werden, dass auch solche Darlehn Risikokapital sind
und im Insolvenzfall wie Geschäftsguthaben erst zurückgezahlt oder verzinst werden
können, wenn alle sonstigen Gläubiger der Genossenschaft befriedigt wurden. Die An-
forderungen der Gerichte an die rechtssichere Gestaltung solcher Nachrangdarlehnsver-
träge sind, so dass hier grundsätzlich rechtlicher Rat eingeholt werden sollte.

Quellen:
L/W § 21b Rn. 1, 3.

20
VI. GESCHÄFTSBEZIEHUNG ZU DER GENOSSENSCHAFT

1) Ist das Mitglied verpflichtet, mit der Genossenschaft eine Geschäftsbeziehung zu unterhal-
ten?

Eine solche Verpflichtung kann in der Satzung einer Genossenschaft vorgesehen wer-
den. So ist etwa für den Bereich der Agrargenossenschaften vom Bundesgerichtshof die
Gültigkeit einer Satzungsklausel, wonach Mitglieder verpflichtet sind in Ihrem Eigentum
stehendes Land an ihre Genossenschaft zu Marktbedingungen zu verpachten, bestätigt
worden. Im Bereich der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte sind Lieferpflichten
und Wettbewerbsregeln sehr weit verbreitet und zulässig. Auch bei Taxizentralen und
vielen Dienstleistungsgenossenschaften sind Wettbewerbsverbote anzutreffen.

Enthält die Satzung dazu keine Klauseln, ist ein Mitglied frei, ob es mit der Genossen-
schaft Geschäfte machen möchte oder nicht.

Quellen:
L/W § 18 Rn. 30-34.

2) Darf die Genossenschaft ablehnen, mit einem Mitglied Geschäfte zu machen?

Die Mitgliedschaft vermittelt im Grundsatz auch das Recht des Mitgliedes, die Einrichtun-
gen der Genossenschaft zu nutzen, also mit ihr in Geschäftsbeziehung zu stehen. Aller-
dings besteht dieses Recht nicht schrankenlos, so ist eine Genossenschaft nicht ver-
pflichtet aus ihrer Sicht risikoreiche Geschäfte zu tätigen, etwa in Vorleistungen zu tre-
ten, obwohl die Bonität des Mitgliedes zweifelhaft ist. Sie kann auch im Sinne der Gleich-
behandlung aller Mitglieder darauf bestehen, dass Geschäfte nur zu auch sonst übli-
chen, marktgerechten Konditionen und Sicherungen abgeschlossen werden.

Quellen:
L/W § 18 Rn. 11f. Beispielsatzung § 2 Absatz 4.

3) Was bedeutet „Lieferordnung“ oder „Benutzungsbedingungen“?

Die Genossenschaft ist frei zu entscheiden, auf welcher Rechtsgrundlage sie die Ge-
schäftsbeziehungen zum Mitglied organisiert. Neben dem Abschluss normaler Verträge,
die dann auch den üblichen Kontrollmaßstäben wie dem allgemeinen AGB Recht unter-
liegen, kann sie auch eine gesellschaftsrechtliche Basis wählen und die Ausgestaltung
in ihrer Satzung vornehmen. Dieser weg kann dann weiter durch die Festlegung speziel-
ler Regelungen zu den konkreten Rechte und Pflichten des Mitgliedes etwa im Rahmen
seiner Lieferungen von den Organen der Genossenschaft ausgefüllt werden. Solche Re-
gelungen werden häufig als Lieferordnung oder Benutzungsbedingungen formuliert. Hier
kann also entsprechend den Zuständigkeiten der Satzung die Genossenschaft als Zu-
sammenschluss ihrer Lieferanten Einzelheiten zu den Lieferungen oder auch die Preis-
festsetzung selbst regeln. Daran ist das Mitglied, welches die Satzung akzeptiert hat,
dann gebunden.

In der Tendenz ist bei vielen Genossenschaften jedoch die Nutzung normaler Verträge,
die auch vom Mitglied unterschrieben werden, üblich.

Quellen:
21
L/W § 43 Rn. 127.

4) Was ist ein „Nutzungsvertrag“ bei einer Wohnungsgenossenschaft?

Aufgabe der Wohnungsgenossenschaft als Zusammenschluss von „Mietern“ ist die Be-
schaffung günstigen Wohnraums für die Mitglieder. Traditionell regeln die Wohnungsge-
nossenschaften die Überlassung der Wohnungen nicht durch normale Mietverträge, son-
dern durch auf der Satzung beruhende Nutzungsverträge, deren Inhalt die Organe der
Genossenschaft festlegen. Das soziale Mietrecht ist dabei in der Regel entsprechend
berücksichtigt. Für die Mitglieder ist dieser Weg häufig vorteilhaft, da das Nutzungsver-
hältnis durch die Genossenschaft bei regelmäßiger Zahlung des Entgeltes und Einhal-
tung der Hausordnung nur bei Beendigung der Mitgliedschaft aufgelöst werden kann.

Quellen:
L/W § 1 Rn. 68ff.

5) Kann bei einem Verstoß gegen eine Lieferverpflichtung von der Genossenschaft eine Strafe
festgesetzt werden?

Das ist grundsätzlich möglich. Allerdings muss dann die Satzung für den Verstoß die
Möglichkeit der Straffestsetzung auch enthalten. Durch die Festsetzung einer Strafe wird
der Nachweis eines konkreten Schadens durch die Genossenschaft entbehrlich, aller-
dings muss die Genossenschaft ihr Mitglied vorher anhören und der Strafrahmen muss
angemessen sein. Solche Strafregelung sind im Bereich landwirtschaftlicher Genossen-
schaften und Verkehrsgenossenschaften, die eine Satzungspflicht der Mitglieder zur ex-
klusiven Geschäftsbeziehung zur Genossenschaft und nicht zu sonstigen Unternehmen
vorsehen (Wettbewerbsklause) verbreitet.

Fehlt in der Satzung (oder einem gesonderten Vertrag) eine solche Klausel, kann die
Genossenschaft nach dem allgemeinen Zivilrecht Schadenersatz verlangen, muss dann
aber auch einen konkreten Schaden nachweisen.

Quellen:
L/W § 7 Rn. 24f, § 18 Rn. 33.

6) Muss die Genossenschaft alle Mitglieder gleich behandeln?

Im Genossenschaftsrecht gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz. Im Hinblick auf alle fi-


nanziellen Aspekte (Höhe des Geschäftsanteils, Einzahlungspflichten, Dividende etc.)
besteht für die Genossenschaft kein Spielraum, da der Gleichbehandlungsgrundsatz
hier absolut gilt. Im Übrigen kann die Genossenschaft differenzieren, wenn sich bei den
einzelnen Mitgliedern die Sachverhalte unterscheiden. So kann z.B. je nach Qualität o-
der Menge der vom Mitglied an die Genossenschaft gelieferten Waren, ein unterschiedli-
cher Preis festgesetzt werden. Aber bei gleichen Verhältnissen müssen alle Mitglieder
auch gleichen Zugang zu Leistungen der Genossenschaft erhalten.

Quellen:
L/W § 18 Rn. 16ff.

22
7) Darf die Genossenschaft Geschäfte nur mit Mitgliedern machen oder mit allen interessier-
ten Personen?

Das kann die Genossenschaft frei im Rahmen ihrer Satzung entscheiden. Nur wenn dort
das Geschäft mit Nichtmitgliedern ausdrücklich erlaubt ist, darf es mit diesen im Kernbe-
reich ihrer Tätigkeit Geschäfte machen, fehlt eine solche Bestimmung, beschränkt sich
die Genossenschaft auf ihre Mitglieder. In den meisten Satzungen von Genossenschaf-
ten ist das Nichtmitgliedergeschäft heute zugelassen.

Quellen:
L/W § 8 Rn. 8-12. Beispielsatzung § 2 Absatz 4.

8) Laufen Verträge mit der Genossenschaft auch weiter, wenn die Mitgliedschaft beendet ist?

Ja. Wenn die Genossenschaft ihre Geschäftsbeziehung mit den Mitgliedern durch nor-
male Verträge organisiert (und nicht auf die genossenschaftliche Satzungsgrundlage
stellt), gelten unabhängig von der Dauer der Mitgliedschaft die Laufzeiten und Kündi-
gungsregelungen des konkreten, mit dem Mitglied abgeschlossenen Vertrages. Das hat
z.B. bei Verträgen über Nachrangdarlehn oder bei Lieferverträgen eine größere prakti-
sche Bedeutung.

Quellen:
L/W § 18 Rn. 34f.

23
GENERALVERSAMMLUNG

I. Vorbereitung und Einladung

1) Wer ist für die Einberufung der Versammlung zuständig?

Grundsätzlich wird die Versammlung gemäß § 44 Absatz 1 GenG vom Vorstand einbe-
rufen. Gemeint ist das Gremium, nicht einzelne Vorstandsmitglieder. Gleichzeitig erfolgt
dort aber der Hinweis, dass auch andere Personen zur Einberufung befugt sind, wenn
dies im Genossenschaftsgesetz oder in der Satzung so vorgesehen ist. Eine Einberu-
fungskompetenz wird dort häufig auch für den Aufsichtsrat vorgesehen. Somit ist eine
Einberufung einer Generalversammlung auch ohne und gegen den Willen des Vor-
stands möglich. Seine Befugnis zur Einberufung bleibt aber davon unberührt.

Gesetzliche Regelungen zur Einberufung durch andere Personen finden sich in:

 § 38 Absatz 2 Satz 1 GenG (Zuständigkeit des Aufsichtsrates, wenn dies im Inte-


resse der Genossenschaft notwendig ist)
 § 45 GenG (Zuständigkeit einer Mitgliederminderheit, bzw. des Gerichtes)
 § 60 Absatz1 GenG (Zuständigkeit des Prüfungsverbandes)
 § 89 GenG (Zuständigkeit der Liquidatoren)

Quellen:
L/W § 44 Rn. 9 ff.§ 38 Rn.28; Beispielsatzung § 28 Absatz 1.

2) Wie können Mitglieder die Durchführung einer Versammlung erreichen?

Das Genossenschaftsgesetz regelt in § 45 die Möglichkeit, dass auch Mitglieder die


Durchführung einer Generalversammlung erzwingen können. Dazu bedarf es eines
schriftlichen Antrages mit Nennung der Tagesordnungspunkte. Dieser Antrag muss von
höchstens 10 % der Mitglieder – die Satzung kann dazu Genaueres regeln- getragen
werden und an den Vorstand gerichtet werden. Dieser ist dann verpflichtet, eine Einla-
dung vorzunehmen.
Kommt der Vorstand dieser Pflicht nicht nach, können die Antragstellenden Mitglieder
beim Gericht beantragen, selbst zur Einladung berechtigt zu werden.

Derartige Fälle sind selten, in der Regel werden Vorstand oder Aufsichtsrat bei entspre-
chenden Anträgen von Mitgliedern selbst aktiv. Soweit ohnehin demnächst eine Ver-
sammlung geplant ist, kann der Vorstand auch darauf verweisen.

Quellen:
L/W § 45 Rn.3; Beispielsatzung § 28 Absatz 2.

3) Darf eine Versammlung an Sonn- oder Feiertagen durchgeführt werden?

Den Tag und die Zeit des Beginns der Generalversammlung bestimmt derjenige, der die
Versammlung einberuft. Im Gesetz steht hierzu nichts. Die Satzung kann aber nähere

24
Bestimmungen treffen. In der genossenschaftsrechtlichen Fachliteratur ist man sich dar-
über einig, dass die Zeit so gewählt werden muss, dass den Mitgliedern die Teilnahme
möglich und zumutbar ist und dass sie der Verkehrssitte entspricht. Die Frage, ob und
inwieweit eine Versammlung an Sonn- oder Feiertagen durchgeführt werden kann, lässt
sich somit nicht pauschal beantworten, sondern hat sich an den Interessen und Gepflo-
genheiten der Mitglieder auszurichten. Es gibt durchaus Genossenschaften, die ihre
Versammlung regelmäßig am Wochenende durchführen.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 119.

4) Auf welchem Wege müssen die Mitglieder zur Versammlung eingeladen werden?

Die Regelungen zum Verfahren der Einladung sind in der Satzung der Genossenschaft
in Ausfüllung des gesetzlichen Rahmens des § 6 Nr. 4 GenG zu finden. Die Satzung
muss den möglichen Einladungsweg – ob direkt an jedes Mitglied oder durch Bekannt-
machung in einem dort genannten öffentlichen Blatt- genau bezeichnen. Zulässig ist in
diesem Rahmen auch eine Einladung in Textform, also per Mail. Es muss jedoch sicher-
gestellt sein, dass alle Mitglieder erreicht werden können.

Nicht ausreichend ist die Bekanntmachung auf der Internetseite der Genossenschaft
selbst. Es ist allerdings unerheblich, ob das in der Satzung genannte öffentliche Blatt
auch tatsächlich von allen Mitgliedern gelesen wird. Werden zwei Blätter genannt, ist die
Einladung in beiden zu veröffentlichen. Die Verbreitung gedruckter Blätter nimmt ständig
ab. Es ist nach der Rechtsprechung jedoch Sache der Mitglieder, sich bei Bedarf zu in-
formieren.

Häufig wird deshalb der Weg der unmittelbaren Einladung angezeigt sein.

Quellen:
L/W § 46 Rn.3ff Beispielsatzung § 28 Absatz 3.

5.) Ist mit der Einladung eine Tagesordnung an die Mitglieder zu senden?

Für jede Generalversammlung muss vorab eine Tagesordnung den Mitgliedern mit der
Einladung bekanntgemacht werden, so regelt es § 46 Absatz 1 GenG. Allerdings kann
die Tagesordnung noch bis zu einer Woche vor dem Versammlungstermin ergänzt wer-
den. Diese Ergänzung muss den Mitgliedern ebenfalls - wie die Einladung- bekannt ge-
geben werden. Wir diese Ergänzungsfrist nicht eingehalten, kann die Generalversamm-
lung über solche, dann fehlerhaft zu spät mitgeteilten Tagesordnungspunkte, keinen Be-
schluss fassen. Die typischen Tagesordnungspunkte einer ordentlichen Generalver-
sammlung sind in einer Beispielstagesordnung hier zusammengefasst.

Quellen:
L/W § 46 Rn. 13f; Beispielsatzung § 28 Absatz 3. Beispiel für eine Einladung mit Tagesordnung
in Teil 2 der Broschüre .

6.) Können Beschlüsse der Mitglieder auch ohne Versammlung – etwa in einem Umlaufverfah-
ren oder einer Videokonferenz – gefasst werden?

Das ist nur möglich, wenn die Satzung ein solches Verfahren zulässt und im Einzelnen
regelt. Fehlt eine solche Satzungsregelung, bleibt es bei dem Grundsatz, dass alle Be-
schlüsse der Generalversammlung in einer Versammlung der Mitglieder zu fassen sin.
Diese Präsenzversammlung gibt den Mitgliedern am besten die Möglichkeit zu Diskus-
sion und Austausch und wird daher von fast allen Genossenschaften bevorzugt. Nur in
25
wenigen Satzungen werden daher Klauseln für Beschlüsse der Mitglieder außerhalb der
Generalversammlung vorgesehen. Eine beispielhafte Klausel, die für kleinere Genos-
senschaften geeignet ist, finden Sie hier.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 114ff. Satzungsklauseln für eine schriftliche oder elektronische Abstimmung in Teil
2 der Broschüre.

7.) Muss an der Generalversammlung ein Notar teilnehmen?

Nein. Die Versammlung leitet und begleitet die Genossenschaft selbst. Das Protokoll ist
von dem Versammlungsleiter und mindestens einem anwesenden Vorstandsmitglied der
Genossenschaft zu unterzeichnen, § 47 Absatz 2 GenG. Ein Notar ist nur erforderlich,
es gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass dieser das Protokoll aufzunehmen
hat. Dies gilt nach den Bestimmunen des Umwandlungsgesetzes z.B. bei Beschlüssen
über eine Verschmelzung oder Ausgliederung verlangt.

Quellen:
L/W § 47 Rn. 8f; Beispielsatzung § 35 Absatz 2.

26
II. ZUSTÄNDIGKEIT DER GENERALVERSAMMLUNG

1) Für welche Beschlüsse ist die Generalversammlung zuständig?

Grundsätzlich ist für alle Entscheidungen, die im Rahmen der Genossenschaft notwen-
dig werden, die Generalversammlung zuständig – aber nur, wenn in der Satzung die Zu-
ständigkeit nicht an andere Organe, insbesondere Vorstand und Aufsichtsrat übertragen
wurde. Die geschieht bei den meisten Genossenschaften in erheblichem Umfang, so
dass ohne Einsicht in die Satzungsbestimmungen häufig nicht genau erkannt werden
kann, für welche Beschlüsse die Generalversammlung im konkreten Fall tatsächlich zu-
ständig ist.

Das GenG regelt jedoch an verschiedenen Stellen, dass bestimmte Entscheidungen nur
von der Generalversammlung getroffen werden können. So etwa in § 48 GenG zur
Frage der Entlastung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, der Feststellung des
Jahresabschlusses und die Zahlung einer Dividende. Eine Übersicht über die gesetzli-
chen Zuständigkeiten der Generalversammlung ist hier angefügt.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 9, § 48 Rn 2ff; Beispielsatzung § 30.

2) Darf die Generalversammlung über einzelne Fragen der Geschäftsführung entscheiden,


wenn der Vorstand darum bittet?

Die Geschäftsführung ist gemäß § 27 Absatz 1 GenG die Angelegenheit des Vorstands,
der die Genossenschaft in eigener Verantwortung leitet. Die gebräuchlichen Beispielsat-
zungen wiederholen die gesetzliche Vorgabe. Die Erledigung der täglichen Geschäfte
bzw. die grundlegende Ausrichtung der Geschäftspolitik fallen hierunter. Das Gesetz be-
grenzt somit die Verlagerung von Kompetenzen auf die Generalversammlung, soweit es
um den Kernbereich der Entscheidungsbefugnisse geht. Dieser Kernbereich kann auch
durch anderweitige Satzungsregelungen nicht angetastet werden.

Wendet sich also beispielsweise der Vorstand bei Risikogeschäften zwecks Abstimmung
an die Generalversammlung, so haben deren Beschlüsse keine rechtliche Bindungswir-
kung, sondern sind lediglich unverbindliche Empfehlungen.

Anders ist die Situation bei kleinen Genossenschaften mit weniger als 21 Mitgliedern.
Hier kann die Satzung vorsehen, dass die Generalversammlung dem Vorstand Weisun-
gen erteilt, § 27 Absatz 2 GenG. In diesen Fällen kann die Versammlung also auch auf
die Geschäftsführung direkt Einfluss nehmen.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 13; Beispielsatzung § 14 Absatz 1 und 2.

3) Ist die Generalversammlung zu beteiligen, wenn der Vorstand plant, ein neues Geschäfts-
feld als Unternehmensgegenstand aufzunehmen?

Grundsätzlich ist die Planung und Ausrichtung der Geschäftspolitik der Genossenschaft
Aufgabe des Vorstands und Gegenstand seiner in § 27 GenG festgelegten Weisungsho-
heit.

27
Bestimmte Angelegenheiten der Genossenschaft weist die Rechtsprechung jedoch der
Zuständigkeit der Generalversammlung zu, selbst wenn das Genossenschaftsgesetz o-
der die jeweils geltende Satzung dazu keine Aussage trifft. Namentlich bei schwerwie-
genden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Mitglieder verlangen die Gerichte,
dass die Zustimmung der Generalversammlung eingeholt werden muss, stellt aber auch
den Ausnahmecharakter einer solchen ungeschriebenen Zuständigkeit der Generalver-
sammlung heraus. Diese ungeschriebene Zuständigkeit kommt grundsätzlich dann in
Betracht, wenn es um grundlegende Angelegenheiten geht, die für den Bestand des Un-
ternehmens wesentlich sind und eine geplante Umstrukturierung solche Veränderungen
mit sich bringt, die eine Satzungsänderung notwendig machen würde.

Das ist bei der Aufnahme eines neuen Geschäftsfeldes in der Regel der Fall.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 10; Beispielsatzung § 30

4) Kann die Generalversammlung im Notfall zeitweise Aufgaben des Vorstands oder Aufsichts-
rats wahrnehmen, wenn dieser nicht mehr handlungsfähig ist?

Das ist abzulehnen und ergibt sich aus der gesetzlich zwingenden Kompetenzverteilung,
wie sie beispielsweise für den Vorstand in § 27 Absatz 1 GenG und für den Aufsichtsrat
in § 38 Absatz 1 GenG vorgesehen sind. Wird z. B. aufgrund von Krankheit eines Organ-
mitglieds die gesetzliche oder satzungsrechtliche Mindestzahl an Organmitgliedern un-
terschritten, so verbleibt der Generalversammlung die Pflicht, neue Mitglieder für Vor-
stand oder Aufsichtsrat ggf. in einer außerordentlichen Versammlung zu bestellen.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 14.

5) Wem ist der Prüfungsbericht vorzulegen, wenn die Genossenschaft auf einen Aufsichtsrat
verzichtet hat?

Grundsätzlich ist der Prüfungsbericht gemäß § 58 Absatz 3 Satz 1 GenG dem Vorstand
und dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats vorzulegen. In der Generalversammlung sind
das Ergebnis der Prüfung und der Bericht des Aufsichtsrates hierzu zu erörtern, § 59 Ab-
satz 1 und 2 GenG.
Hat die Genossenschaft jedoch aufgrund ihrer geringen Größe (nicht mehr als 20 Mit-
glieder) von ihrem Recht gemäß § 9 Absatz 1 Satz 1 GenG Gebrauch gemacht, auf ei-
nen Aufsichtsrat zu verzichten, ist gemäß § 9 Absatz 1 Satz 2 GenG zwingend die Ge-
neralversammlung zuständig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Eine solche
anderweitige Bestimmung findet sich in § 58 Absatz 3 Satz 2 GenG, der aufgrund der
Verweisung auf § 57 Absatz 6 GenG vorsieht, dass das Recht des Aufsichtsratsvorsit-
zenden zur Entgegennahme des Prüfungsberichtes auf einen von der Generalversamm-
lung bestellten Bevollmächtigten zu übertragen ist, der Mitglied der Genossenschaft sein
muss.

Quellen:
L/W § 58 Rn. 5, § 57 Rn. 10.

28
III. RECHTE DER MITGLIEDER IN DER VERSAMMLUNG

1.) Ist das Mitglied berechtigt, zu jedem Tagesordnungspunkt selbst zu sprechen oder Aus-
künfte zu verlangen?

Das Genossenschaftsgesetz selbst spricht diese Fragen nicht an. Das Rederecht- und
das Fragerecht werden jedoch als allgemeine Grundrechte eines Mitgliedes, wie sie in
jeder Gesellschaftsform bestehen, auch bei Genossenschaften anerkannt und in den
Satzungen häufig näher präzisiert. Beide Rechte können nur in der Generalversamm-
lung selbst ausgeübt werden, es besteht also z.B. kein Anspruch auf eine schriftliche
Auskunft zu Angelegenheiten der Genossenschaft. Damit soll die Gleichbehandlung al-
ler Mitglieder und eine gleiche Informationsbasis gesichert werden.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 29ff zum Rederecht und § 43 Rn. 31ff zum Auskunftsrecht; Beispielsatzung § 26
Absatz 1 und § 34.

2) Kann das Mitglied während der Versammlung jederzeit einen Antrag stellen?

Das Antragsrecht folgt aus dem Mitgliedschaftsrecht, welches gemäß § 43 Absatz 1


GenG in der Generalversammlung ausgeübt wird. Weder Satzung noch Gesetz äußern
sich allerdings konkret zu Beschränkungen dieses Antragsrechts. Es ist aber allgemein
anerkannt, dass Geschäftsordnungsanträge in der Versammlung jederzeit gestellt wer-
den können, also auch während ein anderer Versammlungsteilnehmer gerade spricht.
Geschäftsordnungsanträge betreffen den formalen Ablauf der Versammlung und sind
als Erweiterung des Hauptantrages ohne Zögern zu behandeln. Beispiele für Geschäfts-
ordnungsanträge sind die Umstellung der Tagesordnung, die Vertagung der gesamten
Versammlung und die Schließung der Rednerliste (es dürfen nur noch diejenigen reden,
die bereits um das Wort gebeten haben).

Anträge zu Beschlussfassungen, die nicht in der Tagesordnung zur Versammlung ange-


kündigt sind, sind jedoch nicht möglich. Wenn ein Mitglied einen gesonderten Tagesord-
nungspunkt erörtert haben möchte, muss es den Weg nach § 45 Absatz 1 GenG gehen
und gemeinsam mit weiteren Mitgliedern, bei der Genossenschaft rechtzeitig schriftlich
beantragen, dass dieser Punkt auf die Tagesordnung gesetzt wird. In der Satzung wird
regelmäßig geregelt, wie viele Mitglieder an einem solchen Antrag mitwirken müssen,
maximal sind 10% der Mitglieder erforderlich.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 24 und 28; Beispielsatzung § 26 Absatz 1.

3) Ist die Begrenzung der Redezeit eines Mitglieds möglich?

Beschränkungen der Redezeit im Einzelfall sind zulässig, soweit diese für einen geord-
neten Ablauf der Generalversammlung und insbesondere zur Wahrung der Rechte der
anderen Genossenschaftsmitglieder erforderlich sind. Der geordnete Ablauf der Ver-
sammlung kann zum Beispiel gefährdet sein, wenn ein Mitglied ohne Bezug auf die Ta-
gesordnungspunkte redet und sich ständig wiederholt, ohne dass neue Ausführungen zu
erwarten sind. Zuständig ist der Versammlungsleiter, der die Aufgabe hat, für eine stö-
rungsfreie Versammlung zu sorgen.

29
Quellen:
L/W § 43 Rn. 30.

4) Kann ein Mitglied eine Vollmacht zu seiner Vertretung in der Generalversammlung ertei-
len?

Es ist grundsätzlich für jedes Mitglied möglich, eine Vollmacht zur Vertretung in der Ge-
neralversammlung zu erteilen. Die Vollmacht muss schriftlich erteilt werden und vom Be-
vollmächtigten in der Versammlung vorgelegt werden können oder der Genossenschaft
vorher zugeleitet werden. Ein Bevollmächtigter kann nach § 43 Absatz 5 GenG maximal
2 Mitglieder vertreten (und natürlich daneben sich selbst, falls er Mitglied ist). Die Sat-
zung der Genossenschaft kann weitere Beschränkungen anordnen, etwa, dass nur an-
dere Mitglieder bevollmächtigt werden können. Davon wird sehr häufig Gebrauch ge-
macht.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 91ff; Beispielsatzung § 28 Absatz 4. Beispiel einer Vertretungsvollmacht

5) Was kann ein Mitglied tun, wenn es einzelne Beschlüsse der Versammlung für satzungs-
oder gesetzeswidrig hält?

Jedes in der Generalversammlung erschiene Mitglied ist berechtigt, gerichtlich überprü-


fen zu lassen, ob ein Beschluss der Versammlung gegen Gesetz oder Satzung verstößt.
Das gilt auch für Mitglieder, die in unzulässiger Weise nicht eingeladen wurden oder de-
nen die Teilnahme verwehrt wurde. Die gerichtliche Entscheidung über eine solche An-
fechtungsklage kann jedoch nur beantragt werden, wenn das Mitglied bereits während
der Versammlung deutlich erklärt hat, dass es dem später angegriffenen Beschluss wi-
derspricht. Dieser Widerspruch muss im Protokoll der Versammlung vermerkt werden.
Das Verfahren zur Anfechtungsklage ist in § 51 GenG geregelt, das Mitglied muss die
Genossenschaft verklagen und die dafür erforderlichen Gerichts- und Anwaltskosten zu-
nächst selbst aufbringen. Eine Anfechtung wird in der Regel keinen Erfolg haben, wenn
sich durch die gerügte Abweichung, das Ergebnis der Beschlussfassung sich nicht ge-
ändert hat, weil z.B. ein nicht stimmberechtigtes Mitglied an der Abstimmung mitgewirkt
hat und auch ohne diese Stimme, der Beschluss die notwendige Mehrheit erreicht hat.

Quellen:
L/W § 51 Rn. 22ff.

30
IV. BESCHLÜSSE UND WAHLEN

1) Wird ein Beschluss bereits nach Ermittlung des Abstimmungsergebnisses wirksam?

Nein, ein ausgezähltes Abstimmungsergebnis muss durch den Versammlungsleiter zu-


sätzlich noch verkündet werden, sonst wird das Beschlussverfahren nicht ordnungsge-
mäß abgeschlossen. Der Versammlungsleiter muss das Ergebnis der Abstimmung
mündlich der Versammlung unter Angabe der Stimmenzahl vortragen und dabei feststel-
len, welcher Beschlussinhalt damit zustande gekommen ist. Mit dieser Feststellung wird
der Beschluss wirksam. Dies ist dann auch genau zu protokollieren. Ein Beschluss über
eine Satzungsänderung bedarf jedoch zusätzlich noch der Eintragung im Genossen-
schaftsregister.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 56 und 131.

2) Kann auf derselben Generalversammlung über einen Antrag erneut abgestimmt werden?

Wird die Zweckmäßigkeit des Beschlusses angezweifelt, liegt es im Ermessen des Ver-
sammlungsleiters, ob über denselben Antrag auf derselben Versammlung noch einmal
abgestimmt werden kann.

Die erste Voraussetzung dafür ist, dass der Versammlungsleiter die Versammlung for-
mal noch nicht für beendet erklärt hat.

Zweitens muss feststehen, dass ein für das erste Ergebnis maßgeblicher Teil der an der
ersten Abstimmung beteiligten Mitglieder noch anwesend ist. Andernfalls muss über den
Antrag auf einer neuen Versammlung Beschluss gefasst werden.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 57.

3) Können Satzungsänderungen „en bloc“ beschlossen werden?

Das Gesetz äußert sich nicht zu Fragen der Beschlussfähigkeit in der Versammlung.
Dies wird der Satzung überlassen, vgl. § 8 Absatz 1 Nr. 4 GenG. Enthält die Satzung
keine Regelungen zu den Anforderungen an die Beschlussvoraussetzungen einer Sat-
zungsänderung, so gilt: Wird eine Satzungsänderung beschlossen, die verschiedene
Regelungen in der Satzung betrifft, muss darüber vor der Generalversammlung/Vertre-
terversammlung nicht einzeln abgestimmt werden. Ein Beschluss über alle Änderungen
zusammen, also „en bloc“, ist nicht zu beanstanden, sofern dieses Wahlverfahren zuvor
entsprechend von der Versammlung beschlossen wurde. In der Regel wird ein Vor-
schlag für eine Satzungsänderung in einer Beschlussvorlage in Form einer Synopse der
Versammlung vor der Abstimmung dargelegt, die alle ggf. zu ändernden Bestimmungen
aufführt.

Weist der Versammlungsleiter vor der Abstimmung darauf hin, dass jede einzelne Sat-
zungsänderung für sich allein gelten soll, hat das den Vorteil, dass bei einer einzelnen
etwaigen unzulässigen Satzungsänderung nicht die gesamte Satzung nichtig wird.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 52.

31
4) Wer bestimmt nach welchem Verfahren – offen oder mit Stimmzettel – Beschlüsse der Ge-
neralversammlung gefasst werden?

Diese Entscheidung obliegt dem Versammlungsleiter. Allerdings können im Rahmen von


Geschäftsordnungsanträgen dazu auch Beschlüsse der Generalversammlung selbst er-
folgen. Häufig sehen Satzungen vor, dass eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern ver-
langen können, dass mit einem Stimmzettel abgestimmt wird.

Bei Wahlen mit mehr Kandidaten als zu vergebenden Mandaten, empfiehlt sich, grund-
sätzlich mit einem Stimmzettel abzustimmen, auf den der oder die Namen des zu Wäh-
lenden zu notieren sind. Sonst wird häufig die offene Abstimmung unter Nutzung einer
ausgegebenen Stimmkarte das beste Verfahren sein.

Quellen:
L/W § 43 Rn.52, Beispielsatzung § 33.

5) Darf ein Mitglied sich selbst in der Generalversammlung zum Aufsichtsrat wählen?

Das ist grundsätzlich möglich. Ein Stimmverbot für Beschlüsse und Wahlen in der Gene-
ralversammlung besteht grundsätzlich nur im Rahmen der Bestimmung des § 43 Absatz
6 GenG. Dieses bezieht sich nur auf Interessengegensätze etwa bei der Abstimmung
über die eigene Entlastung oder die Geltendmachung von Ansprüchen der Genossen-
schaft gegen das Mitglied.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 104.

6) Kann bei Stimmengleichheit die Generalversammlung den zu wählenden Kandidaten be-


stimmen?

Im Gegensatz zu Beschlüssen, wo mindestens eine einfache Stimmenmehrheit erforder-


lich ist, erlaubt das Gesetz in § 43 Absatz 2 Satz 2 GenG der Satzung, bei Wahlen auch
anderweitige Mehrheitsverhältnisse vorzusehen. Bei Stimmengleichheit ist eine Rege-
lung durch Losentscheid in der Satzung zulässig und wird auch häufig verwendet.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 66; Beispielsatzung § 33 Absatz 2 Satz 2;

7) Können auch Beschlüsse gefasst werden, die nicht den Vorgaben der Satzung entspre-
chen?

Das Genossenschaftsgesetz überlässt die Anforderungen an die Beschlussfähigkeit der


Satzung. Die sogenannten satzungsdurchbrechenden Beschlüsse sind dann zulässig,
wenn sie sämtliche Voraussetzungen einer Satzungsänderung erfüllen und einen Rege-
lungsbereich betreffen, der für die Satzung Spielraum lässt, also nicht gesetzlich vorge-
geben ist. Solche Beschlüsse müssen ordnungsgemäß als Beschluss, der von der Sat-
zungsregelung abweicht, angekündigt werden und bedürfen der Dreiviertelmehrheit (o-
der sonstige zusätzlichen Voraussetzungen für eine Satzungsänderung nach der Sat-
zung). Mit einem solchen Beschluss könnte z.B. eine satzungsmäßige Altersgrenze ein-
malig bei einer Wahl überschritten werden.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 63.

32
V. ABLAUF DER GENERALVERSAMMLUNG

1) Wer bestimmt den Leiter der Generalversammlung?

Die Satzung muss gemäß § 6 Ziffer 4 GenG ausdrücklich regeln, wer die Generalver-
sammlung leitet, normalerweise ist es der Vorsitzende des Aufsichtsrates. Im Rahmen
einer Geschäftsordnungsentscheidung durch die Generalversammlung kann die Leitung
aber auch einer anderen Person übertragen werden, wenn die Satzung das so zulässt.
Das kann z.B. jedes anwesende Mitglied der Genossenschaft sein, aber auch ein Vertre-
ter des Prüfungsverbandes oder ein sachkundiger Dritter.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 122, § 6 Rn. 24; Beispielsatzung § 29.

2) Welche Aufgaben und Rechte hat der Versammlungsleiter?

Der Versammlungsleiter eröffnet und beendet die Generalversammlung; er muss für den
ordnungsgemäßen und störungsfreien Ablauf der Versammlung unter Wahrung der Mit-
wirkungsrechte der Mitglieder und der dort durchgeführten Beschlussfassungen sorgen.
Zuletzt muss er das Protokoll unterzeichnen. In diesem Rahmen liegt die konkrete Ge-
staltung der Versammlung weitgehend in seinem Ermessen. Ihm steht auch das „Haus-
recht“ während der Versammlung zu.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 124ff. Übersicht: Befugnisse des Versammlungsleiters in Teil 2 der Broschüre.

3) Dürfen an der Versammlung auch Gäste oder Vertreter der Presse teilnehmen?

Generalversammlungen sind interne Veranstaltungen einer Genossenschaft für ihre Mit-


glieder, auf denen auch vertrauliche Angelegenheiten erörtert oder beschlossen werden
können. Deshalb gibt es einen Anspruch auf Teilnahme nur für die Mitglieder der Genos-
senschaft oder deren schriftlich bevollmächtigte Vertreter.

Gleichwohl kann der Versammlungsleiter die Anwesenheit von Gästen und auch Presse-
vertretern nach seinem Ermessen zulassen. Darüber kann bei Bedarf im Rahmen einer
Geschäftsordnungsabstimmung durch die Versammlung selbst befunden werden. Dazu
kann jedes Mitglied noch in der Versammlung einen Geschäftsordnungsantrag stellen.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 127.

4) Wie wird festgestellt, welches Stimmrecht ein Mitglied hat?

Im gesetzlichen Normalfall hat jedes Mitglied in der Versammlung eine Stimme, § 43 Ab-
satz 3 Satz 1 GenG. Nur wenn die Satzung Mehrstimmrechte zulässt – was in der Praxis
sehr selten ist – bedarf es der Feststellung des Stimmrechtes für jedes einzelne Mitglied.
Dies geschieht bei der Einlasskontrolle, bei der durch Vergleich mit der Eintragung in der
Mitgliederliste das Teilnahme- und Stimmrecht geprüft wird. In der Praxis werden in sol-
chen Fällen für jede Stimme Stimmkarten ausgegeben, so dass die zusätzlichen Stim-
men leicht erkennbar sind.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 69ff. Beispiel einer Stimmkarte in Teil 2 der Broschüre.
33
5) Was darf unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ abgehandelt werden?

Unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ dürfen keine verbindlichen Beschlüsse


gefasst werden, da diese Bezeichnung zu unbestimmt ist. Da die Mitglieder sich darun-
ter keine konkreten Antragsgegenstände vorstellen können, wäre die angemessene Vor-
bereitung und verantwortungsvolle Entscheidungsfindung gefährdet. Zulässig und üblich
ist es aber, unter „Verschiedenes“ allgemeine Aussprachen und Erörterungen mit unver-
bindlichem Charakter, die keiner vorherigen Ankündigung bedürfen, abzuhandeln.

Quellen:
L/W § 46 Rn. 17 und 24; Beispielsatzung § 28 Absatz 6.

6) Bleiben die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse gültig, wenn ein Mitglied verse-
hentlich nicht geladen wurde?

Hier handelt es sich um einen Mangel der Einberufung, der die auf der Versammlung ge-
fassten Beschlüsse in der Regel nach § 51 GenG anfechtbar macht. Dies folgt aus § 51
Absatz 2 Satz 1 GenG, wonach jedes nicht in der Generalversammlung erschienene Mit-
glied berechtigt ist, sofern es zur Generalversammlung unberechtigterweise nicht zuge-
lassen worden ist. Unerheblich ist, auf welchen Umständen die Verwehrung der Teil-
nahme beruht. Die Nichteinladung wird hier im Ergebnis einer Verweigerung der Teil-
nahme gleichkommen.

Das daraus folgende Anfechtungsrecht entfällt ausnahmsweise dann, wenn die Genos-
senschaft beweisen kann, dass das Nichterscheinen des Mitglieds das Ergebnis nicht
beeinflusst haben kann, dass also die fehlende Einladung für den Beschluss nicht ur-
sächlich war.

Werden die so gefassten Beschlüsse überhaupt nicht durch Klage angefochten, bleiben
sie wirksam. Im Interesse der Genossenschaft soll nach Ablauf der Anfechtungsfrist von
1 Monat Rechtssicherheit herrschen.

Quellen:
L/W § 51 Rn. 25 und 41.

7) Wer ist für die Führung des Protokolls zuständig?

Über jede Generalversammlung ist ein schriftliches Protokoll anzufertigen, das GenG
spricht in § 47 Absatz 1 GenG von „Niederschrift“. Soweit der Versammlungsleiter die-
ses nicht selbst führen will, kann er einen Schriftführer ernennen. Das Protokoll kann als
Ergebnisprotokoll auf die wesentlichen Grundzüge der Erörterungen und der festgestell-
ten Beschlüsse der Versammlung beschränkt werden; ihm können Anlagen (z.B. Prä-
sentationen, Redetexte etc.) beigefügt werden. Es ist - soweit die Satzung nichts ande-
res regelt- vom Versammlungsleiter und einem Vorstandsmitglied zu unterzeichnen.
Dem Protokoll sind Belege über die Einberufung der Versammlung und in der Regel
auch eine Teilnehmerliste beizufügen. Es hat bei Streitigkeiten über Beschlüsse Beweis-
kraft und sollte daher sorgfältig und genau geführt werden.

Quellen:
L/W § 47 Rn. 3ff; Beispielsatzung § 35. Beispiel einer Niederschrift über die ordentliche General-
versammlung in Teil 2 der Broschüre.

8) Wo wird das Protokoll verwahrt und wer darf es einsehen?

34
Das Protokoll gehört zu den Geschäftsunterlagen der Genossenschaft und ist dort im
Original zu verwahren. In das Protokoll darf jedes Mitglied der Genossenschaft in den
Geschäftsräumen der Genossenschaft Einsicht nehmen, es darf auch Notizen darüber
anfertigen. Trotzdem bleibt der Protokollinhalt vertraulich und darf von einem Mitglied
nicht an außenstehende Dritte weitergegeben werden.

Quellen:
L/W § 47 Rn. 16ff; Beispielsatzung § 35 Absatz 4.

35
AUFSICHTSRAT

I. Wahl des Aufsichtsrates

1. Welche Voraussetzungen benötigt ein Kandidat für den Aufsichtsrat?

Jedes Mitglied einer Genossenschaft kann als Aufsichtsrat gewählt werden. Zusätzlich
kommen auch die zur Vertretung befugten Personen einer juristischen Person, welche
selbst Mitglied der Genossenschaft ist (z.B. der Geschäftsführer einer GmbH) in Be-
tracht.

Allerdings sollte bei der Entscheidung über eine eigene Kandidatur beachtet werden,
dass sowohl die erforderliche Zeit zur Verfügung steht, als auch die notwendigen Kennt-
nisse zum Geschäftsfeld der Genossenschaft vorliegen.

Es ist auch möglich, dass ein Aufsichtsratsmitglied die Mitgliedschaft in der Genossen-
schaft erst nach der Wahl erwirbt, sein Amt kann er dann erst mit der wirksamen Be-
gründung der Mitgliedschaft antreten.

Die grundsätzliche Wählbarkeit jedes Mitgliedes kann durch die Satzung der Genossen-
schaft eingeschränkt werden. In solchen Fällen muss die Satzung genau regeln, welche
Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gelten. Typische Beispiele sind
etwa Altersgrenzen oder die Notwendigkeit, aktiver Inhaber eines landwirtschaftlichen
Betriebes zu sein. Die satzungsgemäßen Voraussetzungen dürfen nicht diskriminierend
sein und so eng gefasst werden, dass nur sehr wenige Kandidaten in Betracht kommen.

Vorstandsmitglieder können gemäß § 37 Absatz 2 GenG erst zum Aufsichtsrat gewählt


werden, wenn sie für ihre gesamte Tätigkeit durch die General- oder Vertreterversamm-
lung entlastet worden sind. Eine solche Entlastung kann auch noch in der wählenden
Versammlung erfolgen.

Unzulässig ist die Wahl von Prokuristen oder zur Gesamtvertretung der Genossenschaft
berechtigten Bevollmächtigten, da hier Interessenkonflikte vorliegen können, § 37 Ab-
satz 1 GenG.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 15, 22; Beispielsatzung § 22

2. Wie erfolgt die Kandidatur zum Aufsichtsrat?

Jedes Mitglied ist berechtigt, Kandidaten zur Wahl in den Aufsichtsrat vorzuschlagen.
Das kann auch noch in der wählenden Versammlung erfolgen.
Ein ausschließliches Vorschlagsrecht des bestehenden Aufsichtsrates besteht nicht, die-
ser ist jedoch befugt, selbst Vorschläge zu unterbreiten, was in der Praxis häufig erfolgt.
Der Vorstand ist nicht befugt, Kandidaten vorzuschlagen, da er wegen der Kontrollfunk-
tion des Aufsichtsrates befangen wäre.
Vorgeschlagen werden können nur Personen, die ihre Bereitschaft zur Annahme der
Wahl erklärt haben, dies kann während der Versammlung, aber auch Vorfeld - etwa
durch schriftliche Erklärung- erfolgen.

36
Der Vorschlag ist in der Versammlung dem dortigen Leiter zum Tagesordnungspunkt
„Wahlen zum Aufsichtsrat“ zu unterbreiten. Er kann auch vorab der Genossenschaft zu
Händen des Aufsichtsratsvorsitzenden übermittelt werden.
Die Satzung kann vorsehen, dass ein Wahlvorschlag vor einer Versammlung z.B. schrift-
lich eingereicht werden muss.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 22; Beispielsatzung § 22

3. Wie erfolgt die Wahl zum Aufsichtsrat?

Die Wahl wird in der Generalversammlung durchgeführt. Dazu muss sie zunächst in der
Tagesordnung fristgerecht - z.B. mit den Worten „Wahlen zum Aufsichtsrat“ - angekün-
digt sein. Die Kandidaten müssen nicht vorher bekanntgemacht werden, natürlich ist
eine Präsentation in Internetauftritt der Genossenschaft mit ihrer Zustimmung möglich.

Es ist nicht erforderlich, dass die Kandidaten bei der Wahl anwesend sind. Ebensowenig
ist eine Vorstellung in der Versammlung erforderlich. Anwesende Mitglieder bzw. Vertre-
ter sind jedoch befugt, im Rahmen ihres Fragerechtes, Fragen zur Person der Kandida-
ten zu stellen. Dazu muss der Versammlungsleiter oder eine von ihm bestimmte Person
antworten.

Das genaue Wahlverfahren wird in der Regel in der Satzung beschrieben. Fehlt dort
eine Regelung oder ist sie nicht vollständig, entscheidet, da das GenG hierzu keine ge-
nauen Regeln enthält, der Versammlungsleiter über das Wahlverfahren - etwa mit
Stimmzetteln oder durch Handaufheben. Er ist auch befugt, die Reihenfolge der Abstim-
mung über einzelne Mandate festzulegen. Eine Gesamtabstimmung „en bloc“ über alle
Kandidaten gleichzeitig ist zulässig, wenn die Satzung dies ermöglicht und nicht mehr
Kandidaten vorhanden sind, als Mandate zu vergeben sind.

Es ist zu beachten, dass nur 1/4 der Aufsichtsratsmandate gemäß § 8 Absatz 2 GenG
durch investierende Mitglieder besetzt werden dürften. Das kann ggf. gesonderte Wahl-
gänge erforderlich machen.

Die Auszählung der Stimmen wird versammlungsöffentlich durch die vom Versamm-
lungsleiter bestimmten Stimmenzähler vorgenommen

Die Wahl ist mit der Feststellung und Verkündung des Wahlergebnisses durch den Ver-
sammlungsleiter abgeschlossen. Danach hat sich das gewählte Mitglied zur Annahme
der Wahl zu erklären. Bei anwesenden Mitgliedern ist dies in der Versammlung notwen-
dig, abwesende Gewählte haben sich unverzüglich im Anschluss zu erklären.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 20 - 27; Beispielsatzung § 22, 33

4. Können Aufsichtsratsmitglieder auch ohne Wahl bestimmt werden?

Dies ist nach § 36 Absatz 5 GenG möglich, wenn die Satzung ein solches Sonderrecht
für einzelne Mitglieder der Genossenschaft vorsieht. Hier muss in der Satzung selbst be-
stimmt sein, welches Mitglied der Genossenschaft dieses Benennungsrecht für eines o-

37
der mehrere Aufsichtsratsmandate hat. Benannt werden können nur Mitglieder der Ge-
nossenschaft oder natürliche Personen als Vertreter einer juristischen Person, die selbst
Mitglied der Genossenschaft ist.
Anwendungsbeispiele bestehen z.B. wenn Kommunen, die Mitglied einer Genossen-
schaft sind, Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden, was landesrechtlich häufig bei der
Übernahme von Beteiligungen vorgesehen ist.
Die Gesamtzahl der entsandten Mitglieder darf 1/3 der Aufsichtsratsmitglieder nicht
übersteigen. Auf dieses Drittel werden auch Aufsichtsratsmandate angerechnet, die von
lediglich investierenden Mitgliedern besetzt werden.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 93c, 22; § 9 Rn 18

5. Wer bestimmt, wie viele Aufsichtsratsmandate es gibt?

Das Gesetz schreibt eine Anzahl von 3 Mitgliedern des Aufsichtsrates vor, überlässt es
aber der Satzung, auch eine höhere Zahl festzulegen. Diese in der Satzung genannte
Anzahl darf nicht unterschritten oder überschritten werden.

In diesem Rahmen ist auch eine Regelung in der Satzung zulässig und üblich, wonach
nur eine Mindestzahl von Aufsichtsratsmitgliedern genannt wird. Dann entscheidet die
Generalversammlung darüber, welche konkrete Anzahl von Mandaten bestehen soll. Die
einmal festgelegte Anzahl der Mandate kann später durch die Generalversammlung na-
türlich auch wieder geändert werden. Das kann durch einen ausdrücklichen Beschluss
geschehen oder durch eine Entscheidung zur Nichtwiederbesetzung bisheriger Mandate
oder durch die Entscheidung durch zusätzliche Wahl weitere Mandate zu schaffen. Sol-
che Entscheidungen können unter dem Tagesordnungspunkt „Wahlen zum Aufsichtsrat“
ohne zusätzliche Ankündigung der Änderung der Mandatszahl getroffen werden. Sie
müssen protokolliert werden.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 9, Beispielsatzung § 22

38
II. TÄTIGKEIT DES AUFSICHTSRATES

1) Welche Bedeutung hat die Geschäftsordnung und wer legt den Inhalt fest?

Der Aufsichtsrat kann sich selbst eine Geschäftsordnung geben, die seine innere Orga-
nisation und Arbeitsweise festlegt. Hier werden häufig Fragen der Sitzungsvorbereitung
und -durchführung, der Protokollierung und Verhaltenspflichten für Aufsichtsratsmitglie-
der geregelt. Auch Fragen einer Geschäftsverteilung können hier angesprochen werden.

Eine gesetzliche Notwendigkeit zum Erlass einer Geschäftsordnung besteht nicht, je-
doch kann sich gerade bei einem größeren Aufsichtsratsgremium der Erlass als zweck-
mäßig erweisen. Die Geschäftsordnung muss keine Grundlage in der Satzung haben,
jedoch schreiben viele Satzungen eine Geschäftsordnung vor. Vorgesehen ist dort häu-
fig auch, den Vorstand zum Inhalt der Geschäftsordnung anzuhören, bevor diese aufge-
stellt wird.

Quellen:
L/W § 38 Rn. 31; Beispielsatzung § 23 Absatz 5; Beispiel für eine typische Geschäftsordnung in
Teil 2 der Broschüre.

2) Woher kommen die Informationen zur Ausübung der Kontrolltätigkeit?

Nach § 38 Absatz 1 GenG liegt die Befugnis zur Überwachung der Geschäftsführung
des Vorstands beim Aufsichtsrat. Zur Ausübung dieser Kontrolle kann der Aufsichtsrat
vom Vorstand jederzeit Auskünfte über alle Angelegenheiten der Genossenschaften ver-
langen. Der Vorstand ist also insoweit berichtspflichtig und Ansprechpartner des Auf-
sichtsrates.

Der Aufsichtsrat selbst kann aus eigener Initiative die Bücher und Schriften der Genos-
senschaft sowie den Bestand der Genossenschaftskasse und die Bestände an Wertpa-
pieren und Waren und sonstigen Vermögenswerten oder Schuldposten einsehen und
prüfen. Er kann einzelne seiner Mitglieder beauftragen, die Einsichtnahme und Prüfung
durchzuführen.

Gemäß § 38 Absatz 1 Satz 4 GenG kann ausnahmsweise auch ein einzelnes Aufsichts-
ratsmitglied vom Vorstand Auskünfte verlangen, die Auskünfte sind dann dem Aufsichts-
rat als Kollegialorgan zu erteilen.

In den Satzungen sowie in den Geschäftsordnungen für den Aufsichtsrat finden sich
häufig detaillierte Regelungen zur Überwachungspflicht und zur Durchführung der Kon-
trolltätigkeit verteilt in einzelnen Regelungen.

Quellen:
L/W § 38 Rn. 3 ff.; Beispielsatzung § 18 und 23.

3) Wer bereitet die Sitzungen und ihre Tagesordnung vor?

Die Sitzungen des Aufsichtsrats werden vom Aufsichtsratsvorsitzenden vorbereitet und


einberufen. Bei Verhinderung des Vorsitzenden erfolgt die Einberufung durch den stell-
vertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden.

39
Eine Einberufung verlangen kann auch der Vorstand oder eine bestimmte Zahl an Auf-
sichtsratsmitgliedern, wenn die Satzung dies gestattet. Entspricht der Aufsichtsratsvorsit-
zende dem Einberufungsverlangen nicht, haben die Antragsteller ein Selbsthilferecht
und können eigenständig einberufen.

Die Tagesordnung bereitet ebenfalls der Aufsichtsratsvorsitzende vor. Für die Festset-
zung der einzelnen Tagesordnungspunkte kann ebenfalls ein Antragsrecht entspre-
chend des Einberufungsrechtes in Betracht kommen. In der Regel wird der Vorsitzende
jedoch entsprechenden Wünschen der Aufsichtsratsmitglieder nachkommen. Ein An-
tragsrecht von Vorstandsmitgliedern zur Tagesordnung des Aufsichtsrates besteht nicht.

Inhaltsgleiche Regelungen zur Sitzung und zur Tagesordnung finden sich häufig in den
Satzungen und Geschäftsordnungen für den Aufsichtsrat.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 61; Beispielsatzung § 25

4) Können Abstimmungen im Aufsichtsrat auch geheim erfolgen?

Das Gesetz enthält keine Vorgaben zur Abstimmung im Aufsichtsrat. Die Regelungen
zur Beschlussfassung in den Mustersatzungen enthalten keine Aussagen darüber, ob
Abstimmungen geheim erfolgen können.

Nach herrschender Meinung in der genossenschaftsrechtlichen Fachliteratur soll jedes


Aufsichtsratsmitglied statt der üblichen offenen Abstimmung eine geheime Abstimmung
beantragen können, wenn dies der Entscheidungsfindung dienlich ist.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 60.

5) Sind Abstimmungen am Telefon oder per Videokonferenz zulässig?

Das Gesetz trifft hierzu keine Aussage. Abstimmungen per Telefon- oder Videokonfe-
renz sind jedoch zulässig, wenn kein Aufsichtsratsmitglied dem widerspricht und an der
Abstimmung alle Mitglieder teilnehmen. Regelungen dazu finden sich üblicherweise
auch in den Satzungen. Bei Vorliegen einer solchen Satzungsklausel kann der Vorsit-
zende auch ohne Teilnahme aller Aufsichtsmitglieder eine solche Beschlussfassung an-
ordnen. Die Zulässigkeit bedeutet eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Auf-
sichtsrat grundsätzlich als Kollegium tätig wird und seine Beschlüsse regelmäßig nur in
Sitzungen fast. Deshalb sehen viele Satzungen vor, dass solche Abstimmungen nur in
dringenden Fällen zulässig sind.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 60; Beispielsatzung § 25.

6) Welche Unterlagen darf der Aufsichtsrat einsehen?

Das Genossenschaftsgesetz verpflichtet den Aufsichtsrat zur Überwachung des Vor-


stands bei dessen Geschäftsführung. Zu diesem Zweck räumt § 38 in Absatz 1 Satz 2
dem Aufsichtsrat ein jederzeitiges Auskunftsrecht über alle Angelegenheiten der Genos-
senschaft ein. Diese gesetzliche Vorgabe haben auch die meisten Satzungen übernom-
men. Der Aufsichtsrat darf Bücher und Schriften der Genossenschaft, den Bestand der
Genossenschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren einsehen und
prüfen. Das Einsichtsrecht für den Aufsichtsrat kann auch ein einzelnes Aufsichtsratsmit-

40
glied wahrnehmen, wenn der Gesamtaufsichtsrat es durch eine Beschlussfassung (Voll-
machtserteilung) dazu ausdrücklich ermächtigt hat. Beispiele für ein Einsichtsrecht: Kon-
tounterlagen, Kreditunterlagen, Verträge, Prüfungsberichte und Vorstandsprotokolle.
Der Vorstand darf die Einsichtnahme nur ausnahmsweise verweigern, so z. B. wenn das
Aufsichtsratsmitglied persönliche Interessen damit verfolgt.

Quellen:
L/W § 38 Rn 11; Beispielsatzung § 23.

7) Dürfen Mitarbeiter der Genossenschaft durch den Aufsichtsrat befragt werden?

Das ist nicht der Fall. Sämtliche Mitarbeiter unterliegen nur den Weisungen des Vor-
stands, der Aufsichtsrat darf sie grundsätzlich weder überwachen noch direkt Kontakt
mit ihnen aufnehmen. Möchte der Aufsichtsrat Auskünfte von Mitarbeitern erhalten,
muss er sich an das zuständige Vorstandsmitglied wenden, welches dann vermittelt. Nur
in Ausnahmefällen, z. B. wenn der Aufsichtsrat ansonsten seiner gesetzlichen und sat-
zungsmäßigen Überwachungspflicht nicht nachkommen kann, darf sich der Aufsichtsrat
direkt an die Mitarbeiter wenden.

Quellen:
L/W § 38 Rn. 10 und § 41 Rn. 25.

8) Wie erfolgt die Information der Mitglieder der Genossenschaft über die Arbeit des Auf-
sichtsrates?

Die Mitglieder üben gemäß § 43 Absatz 1 GenG ihre Rechte in Angelegenheiten der Ge-
nossenschaft in der Generalversammlung aus. Darunter fallen auch die Auskunfts- und
Informationsrechte der Mitglieder.

Nach § 38 Absatz 1 GenG hat der Aufsichtsrat den Jahresabschluss des Vorstandes
und den Gewinnverwendungsvorschlag zu prüfen und der Generalversammlung zu sei-
ner Tätigkeit und seinen Prüfungshandlungen schriftlich zu berichten. Dieser Bericht ist
auch vorher schon den Mitgliedern nach § 48 Absatz 3 GenG zugänglich zu machen, er
muss auch in der Generalversammlung vollständig ausliegen.

Der Aufsichtsrat hat sich innerhalb der Generalversammlung nach § 59 Absatz 2 GenG
weiter zu wesentlichen Feststellungen oder Beanstandungen der Verbandsprüfung zu
erklären. Dies erfolgt in der Regel durch einen mündlichen Bericht.

Das Gesetz nennt das Auskunftsrecht nicht ausdrücklich. Die Mitglieder können sich mit
ihrem Auskunftsverlangen in der General- oder Vertreterversammlung auch direkt an
den Aufsichtsrat wenden, wenn es um Fragen geht, für die der Aufsichtsrat zuständig ist.

Die Mitglieder können grundsätzlich nur mündliche Auskunft verlangen, wenn nicht be-
sondere Gründe eine schriftliche Information rechtfertigen.

Quellen:
L/W § 38 Rn. 26; § 48 Rn 9; Beispielsatzung § 23, § 42 Absatz 4.

9) Was geschieht, wenn ein Aufsichtsratsmitglied eine Zusammenarbeit verweigert oder ver-
trauliche Informationen weitergibt?

41
Die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat findet grundsätzlich in einer Aufsichtsratssitzung
statt. An die dort gefassten wirksamen Beschlüsse ist das Aufsichtsratsmitglied gebun-
den, auch wenn es den Beschluss nicht mitgetragen hat. Das ergibt sich aus der organ-
schaftlichen Treuepflicht gegenüber dem Aufsichtsratsgremium als auch gegenüber der
Genossenschaft.

Verletzt ein Mitglied seine Pflichten, ist es der Genossenschaft zum Schadensersatz ver-
pflichtet, §§ 41, 34 Absatz 2 Satz 1 GenG.

Das Genossenschaftsgesetz verbietet es in § 41 i. V. m. § 34 Absatz 1 Satz 3 den Auf-


sichtsratsmitgliedern, vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Genossenschaft, na-
mentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Aufsichtsratstätigkeit
bekannt geworden sind, weiterzugeben. Über den Wortlaut hinaus sind aber alle im Inte-
resse der Genossenschaft geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen erfasst. Der Geheim-
haltung unterliegen somit auch Angaben über eigenes und fremdes Abstimmungsverhal-
ten. Die Satzungen betonen in der Regel ebenfalls die Geheimhaltungspflichten.

Verstößt ein Aufsichtsratsmitglied gegen die Pflicht zur Zusammenarbeit und zur Ver-
schwiegenheit, haftet es nach Maßgabe der §§ 41, 34 Absatz 2 GenG auf Schadenser-
satz. Unabhängig davon kann es durch die Generalversammlung von seinem Amt abbe-
rufen werden.

Bei Verletzung der Geheimhaltungspflicht droht sogar eine Geld- oder Freiheitsstrafe
nach § 151 GenG. Voraussetzung dafür ist aber zunächst ein Strafantrag der Genossen-
schaft.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 67 sowie (zur Verschwiegenheitspflicht) § 34 Rn. 96 ff. und § 151 Rn. 1 ff.; Beispiel-
satzung § 23 Absatz 6.

10) Welche Vergütung bekommt ein Aufsichtsratsmitglied und wer bestimmt das?

Art und Höhe der Vergütung können in gewissen Grenzen in der Satzung oder durch
Beschluss der Generalversammlung festgelegt werden. Eine Festlegung durch den Vor-
stand oder den Aufsichtsrat selbst ist nicht zulässig. Es besteht keine gesetzliche Ver-
pflichtung, überhaupt eine Vergütung an Aufsichtsräte zu zahlen. Bei vielen Genossen-
schaften ist es auch üblich ohne Vergütung rein ehrenamtlich als Aufsichtsrat tätig zu
sein.

Im Genossenschaftsgesetz (§ 36 Absatz 2) ist nur geregelt, dass Aufsichtsratsmitglieder


keine nach dem Geschäftsergebnis bemessene Vergütung erhalten dürfen. Die Satzung
oder ein Beschluss der Generalversammlung ist also weitgehend frei, die Höhe einer
Vergütung festzulegen. Die Art der Vergütung kann in Geld- oder Sachleistungen beste-
hen.

Bei der Höhe der Vergütung kann differenziert werden, z. B. kann für den Aufsichtsrats-
vorsitzenden ebenso eine höhere Vergütung bestimmt werden wie für Mitglieder mit be-
sonderen, der Genossenschaft dienlichen, Qualifikationen. von Aufsichtsratsmitgliedern.
Es ist auch zulässig, dass die Generalversammlung einen Gesamtbetrag der Vergütung
für alle Aufsichtsratsmitglieder beschließt und den Verteilungsschlüssel vorgibt. Dies
kann auf Dauer oder nur füpr ein Geschäftsjahr geschehen.

Von der Vergütung zu unterscheiden ist die auch ohne Satzungsregelung zulässige Er-
stattung von Auslagen, die den Aufsichtsratsmitgliedern durch ihre Tätigkeit entstanden
sind. Dazu zählen u. a. Reisekosten und Sitzungsgelder. Die Auslagen können auch
pauschaliert werden, überhöhte Pauschalen, die über die typischen Aufwendungen im
42
Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit hinausgehen, sind allerdings als Vergü-
tung anzusehen.

Zulässig sind Satzungsregelungen, wonach entweder der Vorstand allein oder Vorstand
und Aufsichtsrat in gemeinsamer Sitzung über die pauschale Auslagenerstattung befin-
den können.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 34 ff.; Beispielssatzung § 23 Absatz 7 und § 30 Absatz 1 Buchst. j.

11) Welche Aufgaben hat der Aufsichtsratsvorsitzende?

Im Genossenschaftsgesetz finden sich nur wenige Regelungen zu den Aufgaben, und


zwar in den §§ 57 und 58 GenG, die das Prüfungsverfahren und den Prüfungsbericht
betreffen.

In viele Satzungen finden sich mehrere Einzelheiten zu den Aufgaben des Vorsitzenden,
die typisch für den Vorsitzenden eines Gremiums sind. So führt er z. B. die Beschlüsse
des Aufsichtsrats aus, ist zuständig für die Vertretung der Genossenschaft bei der Be-
gründung und Beendigung von Anstellungsverträgen mit Vorstandsmitgliedern, beruft
Aufsichtsratssitzungen sowie gemeinsame Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat ein
und leitet diese.

Die Satzung kann auch bestimmen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende die Generalver-
sammlung einberuft.

Hervorzuheben ist auch, dass der Vorsitzende kein Weisungsrecht gegenüber den übri-
gen Aufsichtsratsmitgliedern hat. Alle Aufsichtsratsmitglieder sind rechtlich gleichgestellt.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 49 ff., § 57 Rn. 8 und § 58 Rn. 5; Beispielssatzung § 17 Absatz 2, § 22 Absatz 5, §
23 Absatz 8, § 25.

43
III. DIE BEENDIGUNG DES AMTES

1) Wer kann die Bestellung zum Aufsichtsrat widerrufen?

Für den Widerruf der Bestellung ist gemäß § 36 Absatz 3 GenG die Generalversamm-
lung zuständig. Das Recht zum Widerruf kann der Generalversammlung nicht entzogen
werden, die Satzung darf nichts Abweichendes regeln.

Der Widerruf kann auch vor Ablauf des Zeitraums, für den das Aufsichtsratsmitglied ge-
wählt ist, erfolgen. Der Widerruf der Bestellung bedarf weder eines wichtigen Grundes
noch einer Begründung im Einzelfall. Sofern die Satzung keine entsprechende Regelung
vorsieht, hat das betroffene Aufsichtsratsmitglied keinen Anspruch auf rechtliches Ge-
hör.
Die Tagesordnung muss allerdings einen entsprechenden Beschlussgegenstand enthal-
ten. Dieser Beschluss bedarf nach § 36 Absatz 3 GenG einer Mehrheit von mindestens
dreiviertel der abgegebenen Stimmen.

Die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder haben bei der Abstimmung über den Widerruf
grundsätzlich Stimmrecht.

Der Widerruf wird mit Zugang beim Aufsichtsratsmitglied wirksam. Ist es in der General-
versammlung anwesend, mit Verkündung des Beschlusses, erscheint er nach Verkün-
dung, mit mündlicher Mitteilung durch den Sitzungsleiter, später mündlich (besser
schriftlich) durch den Aufsichtsratsvorsitzenden oder den Vorstand.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 79; Beispielssatzung § 30 Buchst. F, § 31 Absatz 2.

2) Kann ein Aufsichtsratsmitglied sein Amt jederzeit niederlegen?

Die Niederlegung eines Aufsichtsratsmandates ist im Genossenschaftsgesetz nicht aus-


drücklich geregelt. Allerdings ist die Amtsniederlegung als Aufsichtsratsmitglied mit so-
fortiger Wirkung grundsätzlich immer möglich. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss
zu § 36 Absatz 3 GenG, wonach die Generalversammlung die Abberufung vom Auf-
sichtsratsmandat auch vor Ablauf des gewählten Zeitraumes vornehmen kann.

Für die Amtsniederlegung bedarf es nicht der Angabe eines wichtigen Grundes. Hinter-
grund ist, dass ein Amtsträger nicht an die Genossenschaft gebunden sein soll, wenn
unüberbrückbare Differenzen bestehen. Die Amtsniederlegung ist entweder direkt in der
Generalversammlung, gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzende oder auch dem Vor-
stand der Genossenschaft zu erklären. Es empfiehlt sich dafür die Schriftform.

Der Zeitpunkt der Amtsniederlegung kann allenfalls dann problematisch sein, wenn er
zur Unzeit erfolgt. Dieses Vorgehen hat zwar keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der
Amtsniederlegung, kann aber Schadensersatzansprüche auslösen, wenn beispielsweise
in einer wirtschaftlichen Krise niedergelegt wurde.

Es ist den Genossenschaften grundsätzlich gestattet, Regelungen zur Amtsniederlegung


in den Satzungen zu treffen. In den meisten Satzungen hat man davon allerdings keinen
Gebrauch gemacht.

Quellen:
L/W § 36 Rn. 80-85.
44
IV. DIE HAFTUNG DES AUFSICHTSRATES

1) Haftet der Aufsichtsrat, wenn der Vorstand seinen satzungsmäßigen Pflichten nicht nach-
kommt?

Die Aufgabe des Aufsichtsrats besteht gemäß § 38 Absatz 1 GenG in der Überwachung
des Vorstands bei dessen Geschäftsführung. Dementsprechend haben die Aufsichts-
ratsmitglieder bei ihrer Tätigkeit nach §§ 41,34 Absatz 1 GenG die Sorgfalt eines or-
dentlichen und gewissenhaften Kontrolleurs der Geschäftsführung des Vorstandes anzu-
wenden. Jedes Aufsichtsratsmitglied muss die Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besit-
zen oder sich aneignen, die zum Verständnis oder zur sachgerechten Beurteilung der in
der Genossenschaft ablaufenden normalen Geschäftsvorgänge erforderlich sind.

In diesem Rahmen haftet das Aufsichtsratsmitglied grundsätzlich nicht für Pflichtverlet-


zungen des Vorstandes, sondern nur für eine etwaige Verletzung seiner eigenen Über-
wachungspflicht im Hinblick auf die Geschäftsführung des Vorstandes. Es geht also da-
rum, dass diese Überwachung ordnungsgemäß erfolgt und beim Feststellen von Pflicht-
verstößen durch den Vorstand, Abhilfe herbeigeführt wird. Der Aufsichtsrat darf ihm be-
kannte Pflichtverletzungen und Satzungsverstöße des Vorstandes nicht tatenlos dulden.
Tut er das, haftet er selbst gegenüber der Genossenschaft.

Exemplarisch für eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats sei hier die fehlende Durchset-
zung rückständiger fälliger Pflichteinzahlungen und Pflichtbeteiligungen von Mitgliedern
genannt, die für die verantwortlichen Aufsichtsratsmitglieder im konkreten Fall gerichtli-
che Konsequenzen hätte. Die beklagten Vorstandsmitglieder haben ihre organschaftli-
chen Pflichten verletzt, indem sie die satzungsrechtlich begründete, die Genossen tref-
fende Zeichnungspflicht weiterer Geschäftsanteile und die Einzahlung der entsprechen-
den Pflichtbeiträge nicht durchgesetzt haben. Aufgabe der Aufsichtsratsmitglieder war
es, sich von der ordnungsgemäßen Erfüllung dieser dem Vorstand obliegenden Aufgabe
zu überzeugen und gegebenenfalls denselben zum Handeln anzuhalten, was sie aber
unterließen.

Weitere Beispielsfälle sind Pflichtverletzungen in Angelegenheiten, in denen Vorstand


und Aufsichtsrat laut Satzung gemeinsam entscheiden (sogenannte Mitwirkungsge-
schäfte) sowie die Unterlassung der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen
ein Vorstandsmitglied. Gerade bei letzterem Thema hat die Rechtsprechung für Auf-
sichtsratsmitglieder klare Vorgaben gemacht: Der Aufsichtsrat muss zunächst eigenstän-
dig das Bestehen von Haftungsansprüchen prüfen, was auch die Pflicht zur Sachver-
haltsklärung in tatsächlicher und rechtliche Hinsicht bedeutet. Kommt er zu dem Ergeb-
nis, dass Ansprüche bestehen, muss er eine Risikoanalyse dahingehend durchführen,
ob und inwieweit die Haftungsansprüche gerichtlich geltend gemacht werden können
und der Schaden ersetzt werden kann. Schließlich hat der Aufsichtsrat abzuwägen, ob
aus übergeordneten Gründen wegen des Interesses der Genossenschaft gleichwohl die
Rechtsverfolgung, und damit der Schadensausgleich unterbleiben.

Im Zuge der 2017 eingeführten Neuerungen im Genossenschaftsgesetz hat der Gesetz-


geber in § 34 Absatz 2 mit dem neuen Satz 3 eine Haftungserleichterung für im Wesent-
lichen unentgeltlich tätige Vorstandsmitglieder eingeführt, die über die Verweisung in §
41 GenG auch für im Wesentlichen unentgeltliche Aufsichtsratsmitglieder gilt. Da der
Gesetzgeber sich bewusst gegen die Einführung einer Haftungsgrenze entschieden hat,
ist in jedem Haftungsfall eine Einzelfallbetrachtung der Umstände notwendig. Wann eine
Haftungsprivilegierung anzunehmen ist, wird insbesondere anhand der Größe der Ge-
nossenschaft und vor allem am Umfang der Tätigkeit der Organmitglieder im Einzelfall

45
zu beurteilen sein. Hier ist es unbedingt nötig, im Einzelfall speziellen rechtlichen Rat
einzuholen.

Quellen:
L/W § 41 Rn. 5 ff. und § 34 Rn. 95d bis f; Beispielssatzung § 22 Absätze 1 und 6.

2) Wie steht es um die Haftung des Aufsichtsrates, wenn er einzelnen Geschäften des Vor-
standes zugestimmt hat, diese aber zu einem Schaden der Genossenschaft geführt haben?

In vielen Genossenschaften sehen die Satzungen vor, dass bestimmte Geschäfte des
Vorstandes, wie etwa der Erwerb von Grundstücken, der Zustimmung des Aufsichtsrates
bedürfen. Dann wirkt der Aufsichtsrat, wenn er dem Plan des Vorstandes zustimmt, an
einer Geschäftsführungsmaßnahme mit und haftet bei dadurch entstehenden Schäden
gegenüber der Genossenschaft in gleicher Weise, wie ein Vorstandsmitglied. Ein typi-
scher Anwendungsfall sind Bauprojekte ohne sachgerechte oder ausreichende Kalkula-
tion der Kosten.
Hier kann das Aufsichtsratsmitglied Haftungsrisiken vermeiden, wenn es seine Entschei-
dung auf der Grundlage umfassender und sorgfältiger Informationen trifft.

Quellen:
L/W § 41 Rn. 33ff; Beispielssatzung § 24 (Mitwirkungsgeschäfte)

3) Was ist die sogenannte Business Judgement Rule? Gilt sie auch für Aufsichtsratsmitglieder?

Die Business Judgement Rule ist ursprünglich eine Regelung für das haftungsfreie Er-
messen eines Geschäftsleiters. Geschäftsleitern soll nicht die unternehmerische Gestal-
tungsfreiheit wegen drohender persönlicher Haftung für wirtschaftliche Fehlentscheidun-
gen genommen werden. Diese Regelung galt für Genossenschaften bisher bereits durch
die Rechtsprechung und ist nun seit 2017 ausdrücklich in § 34 Absatz 1 Satz 2 GenG
geregelt. Wegen der Verweisung in § 41 GenG auf § 34 GenG gilt diese Regel auch für
Aufsichtsratsmitglieder für solche Entscheidungen, die der Zustimmung des Aufsichts-
rats bedürfen.

Ein Aufsichtsratsmitglied begeht demnach keine Pflichtverletzung, wenn eine Geschäfts-


entscheidung mit Ermessensspielraum vorliegt, die zum Wohle der Genossenschaft er-
folgt, das Aufsichtsratsmitglied bei zustimmungsbedürftigen Angelegenheiten kein unver-
hältnismäßig hohes Risiko eingeht, das Aufsichtsratsmitglied seine Entscheidung auf
Basis hinreichender Informationen trifft und kein Interessenkonflikt bei ihm vorliegt (an-
dernfalls muss es sich der Stimme enthalten).

Beachten Sie aber bitte, dass bei derartigen Fragen unbedingt spezieller rechtlicher Rat
im Einzelfall eingeholt werden sollte. manche Sachverhalte von diesem Fall abweichen
können.

Quellen:
L/W § 34 Rn. 95 c und § 41 Rn. 50b.

4) Mit welcher Quote haften Aufsichtsratsmitglieder, wenn Vorstandsmitglieder einen Scha-


den verursachen, der (auch) auf eine mangelhafte Überwachung der Vorstandsmitglieder
zurückzuführen ist?

46
Die Satzung und das GenG treffen hierzu keine Aussagen. Die gesetzlichen Grundlagen
finden sich vielmehr im BGB. Die Rechtsprechung hierzu ist zahlreich und gilt über die
Genossenschaft hinaus für sämtliche Gesellschaftsformen.

Sind für den Eintritt eines Schadens sowohl Pflichtverletzungen von Vorstandsmitglie-
dern als auch von Mitgliedern des Aufsichtsrats verantwortlich, so haften sämtliche Or-
ganmitglieder unabhängig vom Ausmaß ihrer Pflichtverletzungen als Gesamtschuldner
gemäß §§ 421 ff. BGB.

Anwendungsfälle sind zum Beispiel Mitwirkungsgeschäfte sowie Zustimmungsvorbe-


halte des Aufsichtsrates. Die Genossenschaft hat ein Auswahlrecht, welches Mitglied
aus welchem Organ sie in Anspruch nehmen will. Wird ein Aufsichtsratsmitglied belangt,
kann es einen sogenannten internen Schadensausgleich von den übrigen verantwortli-
chen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern verlangen.

Gesetzlich ist vorgesehen, dass im Zweifel eine Haftung zu gleichen Teilen stattfindet,
vgl. § 426 BGB. Allerdings wird man je nach Verursachungsbeitrag und Schwere des
Verschuldens dazu kommen, dass von den betroffenen Organmitgliedern verschieden
hohe Schadensbeträge zu tragen sind. Grundsätzlich wird ein Vorstandsmitglied auf-
grund seiner Leitungsverantwortung eine höhere Haftungsquote als ein Aufsichtsratsmit-
glied haben.

Unter Umständen ist die Verantwortlichkeit des Aufsichtsratsmitglieds aber gleichwertig


zu gewichten, wenn es in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten der gemein-
samen Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat aktiv in den Entscheidungsprozess in
der Leitungsebene eingebunden ist.

Ebenfalls wird bei der Gewichtung zugunsten eines Aufsichtsratsmitglieds zu berück-


sichtigen sein, wenn es ehrenamtlich tätig ist.

Quellen:
L/W § 41 Rn. 50 sowie § 34 Rn. 112-115.

5) Kann eine Entlastung des Aufsichtsrats vor dem Vorliegen des Prüfberichts und der Fest-
stellung des Jahresabschlusses vorgenommen werden?

Im Genossenschaftsgesetz (§ 48 Absatz 1) ist, wie auch in vielen Satzungen, lediglich


die Zuständigkeit der Generalversammlung für die Entlastung geregelt. Weitere Aussa-
gen lassen sich dort nicht entnehmen. Allerdings ist man sich in der Rechtsprechung
und der Fachliteratur einig, dass eine Entlastung im Vorhinein normalerweise nicht mög-
lich ist. Denn erst nach Feststellung des Jahresabschlusses kann die Generalversamm-
lung typischerweise die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung beurteilen.

Es ist aber auch möglich, die Entlastung auf bestimmte Zeitabschnitte zu beschränken,
wenn die Generalversammlung über die Geschäftsführung in diesem Zeitraum ausrei-
chend informiert ist.

Quellen:
L/W § 48 Rn. 28, 36; Beispielssatzung § 30 Buchst. i.

6) Ist bei der Entlastung eines Aufsichtsratsmitgliedes durch die Generalversammlung die Gel-
tendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die Genossenschaft ausgeschlossen?

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Die Verzichtswirkung der Entlastungsentscheidung wird in der Rechtswissenschaft un-
terschiedlich beurteilt. Fest steht jedoch, dass sie nur in Betracht kommen kann im Hin-
blick auf Schadenersatzansprüche für Sachverhalte, die der Generalversammlung bei
der Entscheidung über die Entlastung bekannt waren. Generelle Schilderungen, die bei
lebensnaher Betrachtung nicht dazu führen, dass die Einzelheiten zu Schadenersatzan-
sprüchen überblickt werden können, reichen nicht aus, diese Kenntnis zu vermitteln. Bei-
spielhaft sei hier das bloße Verlesen des zusammengefassten Prüfungsergebnisses ge-
nannt.

Eine andere, für den Aufsichtsrat günstigere Beurteilung kann sich möglicherweise aber
bei ausführlicher Diskussion in der Generalversammlung zum Thema Schadensersatz-
ansprüche ergeben. Besonders betont werden muss hier die Informationspflicht des Auf-
sichtsrates, die er gegenüber der Generalversammlung hat.

Die Praxis hat gezeigt, dass häufig von der Rechtsprechung das Vorliegen einer ausrei-
chenden Sachverhaltsdarlegung abgelehnt wird. Deshalb sollte im Zweifel immer neben
der Entlastung ein ausdrücklicher Verzicht durch die Generalversammlung auf der
Grundlage eines gesonderten Tagesordnungspunktes beschlossen werden.

Ein ausdrücklicher Verzicht ist im Übrigen im Fall der Insolvenz der Genossenschaft
grundsätzlich nach § 41, 34 Absatz 5 GenG unwirksam, da hier der Gläubigerschutz vor-
geht.

Quellen:
L/W § 48 Rn. 27; 36 Rn. 136ff; Beispielsatzung § 30 Buchst. i.

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V. DIE BETREUUNG VON VORSTANDSANGELEGENHEITEN

1) Kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstand widerrufen?

Ja, das ist zulässig. Zwar liegt die Zuständigkeit für die Abberufung gemäß § 24 Absatz
2 GenG grundsätzlich bei der Generalversammlung. Allerdings kann durch entspre-
chende Satzungsgestaltung die Zuständigkeit auf den Aufsichtsrat übertragen werden,
was durch § 24 Absatz 2 Satz 2 GenG erlaubt wird. Davon wird häufig Gebrauch ge-
macht.

Auch ohne eine solche Satzungsregelung erlaubt der § 40 GenG dem Aufsichtsrat die
vorläufige Amtsenthebung der Mitglieder des Vorstandes, jedoch muss dann die unver-
züglich einzuberufende Generalversammlung abschließend entscheiden.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 72; § 40 Rn 2; Beispielsatzung § 15 Absatz 2.

2) Aus welchen Gründen ist ein Widerruf zulässig?

Ein Widerruf ist ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes jederzeit möglich, vgl. § 24 Ab-
satz 3 Satz 2 GenG. Eine Begründung im Einzelfall ist nicht notwendig. Auch von einer
vorherigen Anhörung kann abgesehen werden.

Das Anstellungsverhältnis, das auf der Grundlage eines Dienstvertrages mit dem Vor-
standsmitglied bestehen kann, bleibt vom vorzeitigen Widerruf der Bestellung unberührt.
Es muss gesondert gekündigt werden. Zu beachten sind dabei die jeweils zulässigen
Kündigungsgründe.

Es empfiehlt sich bei derartigen Konstellationen grundsätzlich rechtlichen Rat im Einzel-


fall einzuholen.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 69 ff.; Beispielsatzung §15 Absatz 2.

3) Wer ist zuständig für die Vertragsangelegenheiten der Vorstandsmitglieder?

Die Zuständigkeit liegt beim Aufsichtsrat. Dies folgt aus § 39 Absatz 1 GenG, wonach
der Aufsichtsrat die Genossenschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern vertritt. Die Vertre-
tungsbefugnis umfasst sowohl den Abschluss von Verträgen, wie zum Beispiel Dienst-
verträgen, Pensionsverträgen und Vorruhestandsverträgen, als auch die Beendigung
von Verträgen mit Vorstandsmitgliedern (Beispiel: Kündigungen, Aufhebungsverträge).

Die Mustersatzungen wiederholen lediglich die gesetzliche Vorschrift des § 39 GenG.


Eine Änderung dieser gesetzlichen Vertretungsbefugnis durch die Satzung ist nicht zu-
lässig.

Wichtig ist, dass die Formalien eingehalten werden: Der Aufsichtsratsvorsitzende unter-
zeichnet im Namen der Genossenschaft die Anstellungsverträge mit den Vorstandsmit-
gliedern. Er ist aber lediglich ausführendes Organ des Aufsichtsratsgremiums und kann
den Aufsichtsrat nicht in der Willensbildung zum Abschluss oder zur Änderung des An-
stellungsvertrags mit dem Vorstand vertreten.

Ein vom Aufsichtsratsvorsitzenden ohne ausdrücklichen Beschluss des Aufsichtsratsgre-


miums unterzeichneter Anstellungsvertrag ist nämlich unwirksam. Wird er dennoch
durchgeführt, ist er nach den Regeln des fehlerhaften Anstellungsverhältnisses zwar für
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die Dauer der tatsächlichen Tätigkeit als wirksam zu behandeln, er kann aber für die Zu-
kunft jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden.

Quellen:
L/W § 39 Rn. 3-20.; Beispielsatzung § 15 Absatz 2, § 23 Absatz 3.

50
Vorstand

I. DIE WAHL DES VORSTANDES

1) Welche Voraussetzungen muss ein Kandidat erfüllen?

Es ist zwischen gesetzlichen und satzungsmäßigen Anforderungen zu unterscheiden.


Nach dem Genossenschaftsgesetz dürfen nur natürliche Personen Vorstandsmitglieder
werden, vgl. § 9 Absatz 2 Satz 1. Auch dürfen sie nach § 37 Absatz 1 Alternative 1 nicht
zugleich dem Aufsichtsrat angehören oder gemäß § 43a Absatz 2 Satz 1 Mitglied der
Vertreterversammlung sein.

Jedes Mitglied einer Genossenschaft kann als Vorstand gewählt werden. Zusätzlich
kommen auch die zur Vertretung befugten Personen einer juristischen Person, Perso-
nengesellschaft oder einer anderen eG, welche selbst Mitglied der Genossenschaft sind
(zum Beispiel der Geschäftsführer einer GmbH, Mitglied der Mitgliedsgenossenschaft) in
Betracht.

Es ist ausreichend, dass ein Vorstandsmitglied die Mitgliedschaft in der Genossenschaft


erst nach der Wahl erwirbt, sein Amt kann er dann erst mit der wirksamen Begründung
der Mitgliedschaft antreten.

Die Satzung kann die Wählbarkeit von weiteren Voraussetzungen abhängig machen. In
solchen Fällen muss die Satzung genau regeln, welche Voraussetzungen für die Mit-
gliedschaft im Vorstand gelten. Typische Beispiele sind etwa Altersgrenzen, eine be-
stimmte Dauer der Mitgliedschaft in der Genossenschaft, Berufserfahrung oder eine be-
stimmte Berufsausbildung. Die satzungsmäßigen Voraussetzungen dürfen nicht diskrimi-
nierend sein und nicht so eng gefasst werden, dass nur sehr wenige Kandidaten in Be-
tracht kommen.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 16 ff.; Beispielsatzung § 15.

2) Wer ist für die Wahl des Vorstandes zuständig?

Die Wahl bzw. die Bestellung (Oberbegriff) erfolgt durch das in der Satzung festgelegte
zuständige Bestellungsorgan der Genossenschaft. Der gesetzliche Regelfall ist die Wahl
durch Generalversammlung, vgl. § 24 Absatz 2 Satz 1 GenG.

Dieses Vorgehen ist aber nicht zwingend, gemäß § 24 Absatz 2 Satz 2 GenG kann die
Satzung auch ein anderes Bestellungsorgan bestimmen. Das wird häufig so gemacht;
üblicherweise ist dann der Aufsichtsrat zuständig. Die Durchführung der Wahl kann man
entweder einem einzigen Organ zuweisen oder je nach Funktion des Vorstandsmitglieds
auf verschiedene Organe verteilen, so z. B. bei hauptamtlichen einerseits und neben-
bzw. ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern andererseits.

Die Satzung kann als Sonderrecht auch vorsehen, dass z.B. ein einzelnes Mitglied oder
auch ein Außenstehender ein Mitglied des Vorstandes Vorstand berufen kann.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 37f, Beispielsatzung § 15 Absatz 2 und 3.

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3) Wer bestimmt, wie viele Vorstandsmandate es gibt?

Gemäß § 24 Absatz 2 Satz 1 GenG muss es mindestens zwei Vorstandsmitglieder ge-


ben, es bleibt der Satzung aber überlassen, auch eine höhere Zahl festzulegen. Dies
kann alternativ durch eine Höchstzahl, Mindestzahl oder Kombination aus Mindest- und
Höchstzahl geschehen.

Es ist auch eine Regelung in der Satzung zulässig und üblich, wonach nur eine Mindest-
zahl von Vorstandsmitgliedern genannt wird. Dann entscheidet entweder der Aufsichts-
rat oder die Generalversammlung darüber, welche konkrete Anzahl von Mandaten be-
stehen soll. Die einmalig festgelegte Anzahl der Mandate kann später durch das für die
Bestellung zuständige Organ natürlich auch wieder geändert werden.

Besonderheiten gelten für Genossenschaften mit 20 oder weniger Mitgliedern, hier kann
in der Satzung geregelt werden, dass der Vorstand nur aus einer Person besteht, § 24
Absatz 2 Satz 3 GenG.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 14f, Beispielsatzung § 15 Absatz 1.

4) Wie lange darf ein Vorstandsmitglied amtieren?

Das Gesetz enthält keine Vorgaben zur Amtsdauer. Eine entsprechende Regelung ist in
der Satzung zulässig und auch üblich. Bei der Höchstdauer gilt üblicherweise das ge-
setzliche Renteneintrittsalter als Anknüpfungspunkt.

Eine Begrenzung der Amtsdauer in Jahren vom Zeitpunkt der Bestellung an findet sich
häufig bei nicht hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern.

Gängige Praxis sind auch sogenannte Koppelungsvorschriften, wonach die Beendigung


der Amtsdauer mit der Beendigung des Anstellungsvertrages des Vorstandsmitglieds
gekoppelt ist.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 68; Beispielsatzung § 15 Absatz 3.

5) Beginnt das Vorstandsamt mit der Bestellung oder erst mit der Eintragung in das Genos-
senschaftsregister?

Das Amt beginnt mit dem Zeitpunkt, der in den Beschluss über die Bestellung - sei es
durch den Aufsichtsrat oder die Generalversammlung - aufgenommen wurde. Der Be-
ginn kann entweder sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt sein. Zusätzlich muss das
Vorstandsmitglied natürlich die Wahl durch ggf. mündliche oder schlüssige Erklärung ge-
genüber der Genossenschaft angenommen haben.

Der Beginn der Amtszeit ist unabhängig von der Eintragung der Bestellung in das Ge-
nossenschaftsregister. Wurde beispielsweise jemand zum Januar 2019 zum Vorstands-
mitglied bestellt, die Anmeldung der Eintragung in das Genossenschaftsregister aber
erst im April 2019 vorgenommen, begann das Vorstandsamt trotz fehlender Eintragung
bereits entsprechend der Bestellung im Januar 2019.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 41.
52
II. DIE TÄTIGKEIT DES VORSTANDES

1) Wer legt die Aufgaben des Vorstands fest? Welche Bedeutung hat die Geschäftsordnung?

Die Tätigkeit des Vorstands beruht auf verschiedenen Rechtsgrundlagen. Es muss da-
bei zwischen der gesetzlichen Organstellung und dem vertraglichen Anstellungsverhält-
nis, in der Regel ein gesonderter, schriftlicher Dienstvertrag, unterschieden werden.

Aus der Organstellung folgen das Recht und die Pflicht zur Geschäftsführung und zur
Vertretung der Genossenschaft nach außen. Die zentralen gesetzlichen Vorschriften
sind hier im Hinblick auf die eigenverantwortliche Geschäftsführung § 27 Absatz 1 GenG
und wegen der Vertretung § 24 Absatz 1 GenG in Verbindung mit § 25 GenG. Zudem
führt der Vorstand die Mitgliederliste der Genossenschaft, § 30 Absatz 1 GenG.

Diese Pflichten hat das Vorstandsmitglied mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewis-
senhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft zu erfüllen, vgl. § 34 Absatz 1 Satz 1
GenG.

In den verbreiteten Satzungen werden diese gesetzlichen Aufgaben an verschiedenen


Stellen nahezu wortlautgleich wiederholt und weiter konkretisiert und genauer beschrie-
ben, so auch in der hinterlegten Beispielsatzung.

Der Anstellungsvertrag hingegen regelt die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen


Genossenschaft und Vorstandsmitglied. Aus ihm ergibt sich der Anspruch des Vor-
standsmitgliedes auf Zahlung einer Vergütung, die nähere Konkretisierung der Ge-
schäftsführungstätigkeit sowie die Pflicht, die Aufgaben als Vorstand ordnungsgemäß
wahrzunehmen, die aber bereits aus der Organstellung folgt.

In der Praxis ist für den Vorstand eine Geschäftsordnung üblich, die zwar gesetzlich
nicht vorgeschrieben ist, das Genossenschaftsgesetz und die Satzung jedoch ergänzen.
Geschäftsordnungen regeln insbesondere die Art und Weise, wie die Entscheidungen
zustande kommen sollen. Sie enthalten Regelungen über die Einberufung der Sitzun-
gen, Sitzungsleitung sowie Regelungen hinsichtlich der Planung und Organisation des
Rechnungswesens der Genossenschaft. Häufig wird hier auch ein Geschäftsverteilungs-
plan vorgesehen.

Der Vorstand gibt sich grundsätzlich die Geschäftsordnung selbst, sogenanntes Selbst-
organisationsrecht. Die Aufstellung der Geschäftsordnung muss einstimmig durch sämt-
liche Vorstandsmitglieder erfolgen. Sie kann jedoch an die Zustimmung des Aufsichts-
rats gebunden werden. In den einschlägigen Mustersatzungen ist von „Einvernehmen“
mit dem Aufsichtsrat die Rede. Gemeint ist Einvernehmen im Sinne von Zustimmung.

Quellen:
L/W § 27 Rn. 1 ff.§ 25 Rn. 2ff; Beispiel §§ 16, 17 und 18. Beispiel für Geschäftsordnung und ei-
nen Geschäftsverteilungsplan in Teil 2 der Broschüre.

2) Was bedeutet „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“?

Die Satzungen übernehmen bei der Beschreibung des Tätigkeitskreises des Vorstandes
häufig die Formulierung von § 34 Absatz 1 Satz 1 GenG, wonach die Vorstandsmitglie-

53
der bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Ge-
schäftsleiters anzuwenden haben. Was das genau bedeutet hat die Rechtsprechung in
vielen Entscheidungen herausgearbeitet.

Von jedem einzelnen Vorstandsmitglied wird erwartet, dass es nicht nur den Vorteil der
Genossenschaft wahrt und Nachteil von ihr abwendet, sondern auch den genossen-
schaftlichen Fördererauftrag beachtet und langfristig sichert. Konkret bedeutet dies,
dass auf der einen Seite nicht nur Erträge zu erwirtschaften und Gewinne an die Mitglie-
der auszuschütten sind, sondern auch darauf zu achten ist, dass die unternehmerische
Tätigkeit stets den Mitgliedern als Kunden der Genossenschaft zugutekommt.

Die Sorgfaltspflichten konkretisieren sich in Informationspflichten und Schutzpflichten.


Jedes Vorstandsmitglied muss sich über seine Pflichten unterrichten und die wesentli-
chen Bestimmungen in Gesetz, Satzung, der Geschäftsordnung für Vorstand und Auf-
sichtsrat sowie in seinem Anstellungsvertrag kennen. Es muss die Rechtsordnung bei
seinem Handeln einhalten.

Quellen:
L/W § 34 Rn. 16f,19, 20; Beispielsatzung § 17 Absatz 1.

3) Kann der Vorstand bestimmte Aufgaben an Mitarbeiter delegieren?

Delegierung bedeutet, im Gegensatz zur Weisung, die Übertragung von Aufgaben und
Befugnissen im Sinne von Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung.

Aus Gesetz und Satzung lässt sich diese Befugnis zwar nicht unmittelbar entnehmen,
dennoch ist es selbstverständlich und anerkannt, dass ein Vorstandsmitglied nicht sämt-
liche Aufgaben selbst erfüllen kann. Die Vorstandsmitglieder können sich grundsätzlich
bei der Erfüllung ihrer Aufgaben der Mitarbeiter der Genossenschaft bedienen. Dem Vor-
stand ist dabei zu raten, nur solche Mitarbeiter in Bereichen einzusetzen, denen sie er-
kennbar gewachsen sind. Soweit der Vorstand die Zuständigkeit und Verantwortung für
bestimmte Aufgaben delegiert, bleibt ihm in letzter Konsequenz nur die Verantwortung
für die Auswahl und eine laufende Kontrolle der eingesetzten Mitarbeiter. Kontrolle be-
deutet hier nicht totale Kontrolle, sondern Stichprobenkontrolle.

Jedoch sind die Vorstandsmitglieder gehalten, auch die ehrenamtlichen, ihren Kontroll-
und Überwachungspflichten nach dem Genossenschaftsgesetz nachzukommen. So
schützt blindes Vertrauen in leitende Mitarbeiter nicht vor der Eigenverantwortung und
der Zurechnung von Fehlverhalten von Mitarbeitern. Auch von dieser Zurechnung sind
ehrenamtliche Vorstandsmitglieder nicht ausgenommen, sollten Sie sich beispielsweise
auf mangelnde eigene Sachkunde berufen.

Nicht delegierbar ist die Leitungsverantwortung gemäß § 27 Absatz 1 GenG, d. h., die
Aufgabe der strategischen Zielsetzung, Planung, Entscheidung und Steuerung der Ge-
nossenschaft. Selbst durchzuführen ist die im Gesetz oder der Satzung vorgeschriebene
Information der übrigen Genossenschaftsorgane, die Aufstellung des Jahresabschlusses
und die Durchführung und Kontrolle der Mitarbeiter.

Quellen:
L/W § 34 Rn. 29-36; Beispielsatzung § 16 Absatz 2.

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4) Was ist bei der Übertragung von Aufgaben auf einen Geschäftsführer zu beachten, der
nicht dem Vorstand angehört?

Im Gesetz finden sich hierzu keine Regelungen, auch die Satzungen verzichten oft auf
genauere Einzelheiten. Es ist aber rechtlich anerkannt, dass die Übertragung derjenigen
Aufgaben auf Geschäftsführer grundsätzlich zulässig ist, die nicht der Leitungsverant-
wortung des Vorstands unterfallen.

Das Genossenschaftsrecht spricht nur von „Geschäftsleitern“ und meint damit die Vor-
standsmitglieder. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Geschäftsführern um Ange-
stellte der Genossenschaft, die nicht als Vorstand bestellt wurde. Sie sind als leitende
Angestellte praktisch Gehilfen des Vorstandes. Gerade bei kleineren oder mittleren Ge-
nossenschaften, deren Vorstand nur aus nebenamtlichen oder ehrenamtlichen Mitglie-
dern besteht, wird ein Angestellter als Geschäftsführer bezeichnet und eingesetzt. Zu
den Aufgaben eines Geschäftsführers gehören üblicherweise die Führung des Tagesge-
schäfts nach den Weisungen des Vorstandes und die Teilnahme an Vorstandssitzun-
gen.

Im Unterschied zum Geschäftsleiter, d. h. Vorstandsmitglied, ist für die Einstellung und


den Abschluss des Anstellungsvertrages nicht der Aufsichtsrat, sondern der Vorstand
zuständig.

Quellen:
L/W § 27 Rn. 2 und § 34 Rn. 9.

5) Inwieweit wird zwischen der Vorstandstätigkeit im Hauptamt, Nebenamt und Ehrenamt


unterschieden?

Genossenschaften können hauptamtliche, nebenamtliche sowie ehrenamtliche Vor-


standsmitglieder haben. Das Genossenschaftsgesetz unterscheidet grundsätzlich nicht
zwischen diesen Ausübungsarten. Mit der Neufassung des Genossenschaftsgesetzes
im Jahr 2017 wurde jedoch in § 34 Absatz 2 Satz 2 eine Haftungsmilderung für ehren-
amtliche Vorstandsmitglieder aufgenommen.

In der Satzung kann jedoch zwischen haupt- und nicht hauptamtlichen Vorstandsmitglie-
dern unterschieden werden, wovon v. a. Genossenschaften aus dem Nicht-Bankensek-
tor, bspw. bei der Festlegung der Amtsdauer, Gebrauch machen.

Hauptamtliche Vorstandsmitglieder sind ausschließlich oder weit überwiegend für die


Genossenschaft tätig und erhalten eine Vergütung. Ihr Anstellungsverhältnis ist ein
Dienstvertrag.

Nebenamtliche Vorstandsmitglieder sind nur zeitweise für die Genossenschaft tätig. Sie
üben in der Regel einen anderen Hauptberuf aus. Da aber auch sie gegen Entgelt tätig
werden, also auf Grundlage eines Dienstvertrages, werden sie wie hauptamtliche Vor-
standsmitglieder behandelt, auch was die Haftung betrifft.

Hingegen erhalten ehrenamtliche Vorstandsmitglieder grundsätzlich kein Entgelt, son-


dern eine Aufwandsentschädigung - oft auch in Form von Sitzungsgeldern. Das Anstel-
lungsverhältnis ist als Auftragsverhältnis im Sinne des § 670 BGB anzusehen.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 28-32; Beispielsatzung § 15 Absatz 2.

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6) Müssen alle Vorstandsmitglieder Satzungsänderungen zur Eintragung im Genossenschafts-
register anmelden?

Nein, die Anmeldung der Satzungsänderung erfolgt durch so viele Mitglieder des Vor-
stands, wie durch Satzung zur gesetzlichen Vertretung bestimmt worden sind. Weitere
Vorgaben machen weder das Gesetz noch die Satzung. Nur die Ersteintragung der Ge-
nossenschaft ist gemäß § 157 GenG von sämtlichen Vorstandsmitgliedern vorzuneh-
men.

Quellen:
L/W § 157 Rn. 6.

7) Darf ein Vorstandsmitglied über Angelegenheiten, die ihn persönlich oder seine Familie be-
treffen, abstimmen?

Das Gesetz enthält hierzu keine ausdrückliche Regelung. In der genossenschaftsrechtli-


chen Praxis ist man sich aber darüber einig, dass Vorstandsmitglieder - ebenso wie Auf-
sichtsratsmitglieder - einem Abstimmungsverbot unterliegen, wenn es um Interessen-
konflikte geht. Dies ergibt sich aus § 43 Absatz 6 GenG, der einen allgemeinen Ge-
sichtspunkt des Genossenschaftsrechts enthält, dass das Stimmrechtsverbot in der Ge-
neralversammlung entsprechende Geltung auch für Beschlussfassungen in den Orga-
nen hat.

Die Satzungen sind häufig dergestalt formuliert, dass das betreffende Vorstandsmitglied
kein Stimmrecht hat, wenn seine Interessen, die seines Ehegatten oder eingetragenen
Lebenspartners, seiner Eltern, Kinder, Geschwister oder einer von ihm kraft Gesetzes
oder Vollmacht vertretenen Person bei Beschlüssen berührt werden könnten.

Quellen:
L/W § 43 Rn. 110; Beispielsatzung § 19 Absatz 3.

8) Wer regelt die Personalangelegenheiten mit den Mitarbeitern?

Das Gesetz weist diese Aufgabe dem Vorstand zu. Gemäß § 27 Absatz 1 Genossen-
schaftsgesetz hat der Vorstand die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu lei-
ten. Die Leitungsbefugnis umfasst die Geschäftsführung der Genossenschaft. Hierzu ge-
hören die Anstellung und Ausbildung qualifizierter Mitarbeiter ebenso wie die Einführung
eines unternehmensgerechten Führungssystems.

In der praktischen Umsetzung der Vorgaben bedeutet das, dass der Vorstand für die
Vertragsangelegenheiten der Mitarbeiter zuständig ist.

Quellen:
L/W § 27 Rn. 7, § 34 Rn. 33; Beispielsatzung § 16 Absatz 1 und § 16 Absatz 2 Buchst. b).

9) Was ist die sogenannte Ehrenamtspauschale und hat sie Bedeutung für die Vergütung der
Vorstandsmitglieder?

Die Ehrenamtspauschale gemäß § 3 Nr. 26a EStG regelt die Steuerfreiheit von Einnah-
men aus nebenberuflichen Tätigkeiten. Die Grenze liegt derzeit bei insgesamt 840 € im

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Jahr. Auch wenn diese Pauschale nur bei einer Vorstandstätigkeit für gemeinnützigen,
mildtätigen oder kirchlichen Zwecken anzusetzen ist (was bei Genossenschaften nur
sehr selten vorkommen dürfte), wird sie zur Abgrenzung von hauptamtlicher bzw. neben
oder ehrenamtlicher Vorstandstätigkeit auch bei der Genossenschaft herangezogen.

Die Ehrenamtspauschale dient als eines von mehreren Kriterien bei der Beurteilung, ob
ein Vorstandsmitglied in den Genuss der Haftungserleichterung des § 34 Absatz 2 Satz
3 GenG kommt.

Das Gesetz und die Satzungen sagen zur Vergütung der Vorstandsmitglieder nichts. Die
Frage, ob und in welchem Umfang die Tätigkeit des Vorstandsmitgliedes von der Genos-
senschaft zu vergüten ist, regelt der Anstellungsvertrag, der mit dem Aufsichtsrat bei Be-
darf zu vereinbaren ist. Die Angemessenheit einer so vereinbarten Vergütung hängt in
der Regel vom Geschäftsumfang der Genossenschaft und ggf. auch übernommenen
Haftungsrisiken ab. Sie kann die Höhe der Ehrenamtspauschale auch deutlich über-
schreiten. In Zweifelsfällen kann dazu die Beratung beim Genossenschaftsverband in
Anspruch genommen werden.

Quellen:
L/W § 34 Rn. 6d.

10) Darf der Vorstand im Rahmen einer Geschäftsbeziehung Mitglieder gegenüber Nichtmit-
gliedern begünstigen?

Erste Voraussetzung ist, dass das Nichtmitglieder-Geschäft überhaupt zulässig ist. § 8


Absatz 1 Nummer 5 GenG gibt den Genossenschaften die Befugnis, dies in der Satzung
zu regeln, wovon die meisten Satzungen Gebrauch gemacht haben. Fehlt eine aus-
drückliche Regelung in der Satzung, dürfen nur Geschäfte mit Mitgliedern gemacht wer-
den. Ein Verstoß führt zur Schadenersatzpflicht des Vorstandes.

Die Behandlung der Nichtmitglieder ist immer vor dem Hintergrund des Förderauftrags
der Genossenschaft zu sehen. Da die Genossenschaft nach § 1 Absatz 1 GenG den ge-
setzlichen Zweck hat, ihre Mitglieder und niemand sonst zu fördern, können Geschäfte
mit Nichtmitgliedern nur gerechtfertigt sein, wenn dadurch die Förderung der Mitglieder,
z.B. durch Nutzung von Größenvorteilen beim Einkauf, besser gewährleistet ist. Nicht-
mitglieder dürfen im Vergleich zu Mitgliedern nicht begünstigt werden. Auch gleich güns-
tige Konditionen sind nur ausnahmsweise zu rechtfertigen, wenn die Marktverhältnisse
es zwingend gebieten.

Konditionsunterschiede zu Gunsten von Mitgliedern können aber steuerlich nachteilige


Effekte (verdeckte Gewinnausschüttung) haben und sollten daher im Einzelfall mit dem
steuerlichen Berater der Genossenschaft abgestimmt werden.

Quellen:
L/W § 8 Rn. 8-10, § 1 Rn. 39; Beispielsatzung § 2 Absatz 4.

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III. DIE BEENDIGUNG DES AMTES

1) Wer kann die Bestellung zum Vorstand widerrufen?

§ 24 Absatz 3 Satz 2 GenG geht davon aus, dass die Generalversammlung für den Wi-
derruf zuständig ist. Zwingend ist dies aber nicht, das Genossenschaftsgesetz ermög-
licht auch eine andere Art der Abberufung. In vielen Satzungen findet sich deshalb als
Alternative, die Zuständigkeit dem Aufsichtsrat ohne Mitwirkung der Generalversamm-
lung zu übertragen. Dies erfordert jedoch eine klare diesbezügliche Regelung in der Sat-
zung gerade auch für den Widerruf der Bestellung, sonst bleibt es bei der Zuständigkeit
der Generalversammlung.

Ein Widerruf der Organstellung kann auch mittels einer Kündigung des Dienstvertrages
erfolgen, wenn die Satzung - wie es in der Regel der Fall ist - vorsieht, dass die Beendi-
gung des Anstellungsverhältnisses die Aufhebung der Organstellung zur Folge hat. Die
Organstellung endet jedoch nicht, wenn ein hauptamtliches Vorstandsmitglied zum eh-
renamtlichen wird.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 70; Beispielsatzung § 15 Absatz 2.

2) Aus welchen Gründen ist ein Widerruf zulässig und muss dem Vorstandsmitglied ein Grund
angegeben werden?

Der Widerruf benötigt keine Begründung und kann jederzeit erfolgen, § 24 Absatz 3
GenG. Ein Widerruf der Bestellung kann notwendig sein, wenn Umstände eintreten, die
das Vorstandsmitglied in seinem Amt ungeeignet erscheinen lassen. Ungeeignet ist ein
Vorstandsmitglied beispielsweise, wenn das für den Widerruf zuständige Organ, also
General- oder Vertreterversammlung oder Aufsichtsrat, Zweifel an der für die Zwecke
der Genossenschaft angemessenen Ausübung der Leitungsmacht des Vorstandsmitglie-
des hat. Auch eine Störung des Vertrauens kann eine solche Ursache sein. Dem betref-
fenden Vorstandsmitglied muss dazu Näheres nicht angegeben werden, es muss auch
nicht vorher angehört werden.

Ein Widerruf der Vorstandsbestellung führt nicht immer automatisch zur Beendigung ei-
nes gesondert abgeschlossenen Anstellungsvertrages. Dieser muss ggf. zusätzlich ge-
kündigt werden, wozu etwaige Kündigungsfristen und Abfindungszahlungen beachtet
werden müssen. In derartigen Fällen empfiehlt sich grundsätzlich rechtlicher Rat.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 73; Beispielsatzung § 15 Absatz 2.

3) Kann ein Vorstandsmitglied sein Amt jederzeit niederlegen?

Ein Vorstandsmitglied kann sein Amt durch einseitige Erklärung gegenüber der Genos-
senschaft niederlegen. Nach der Rechtsprechung ist die Niederlegung auch wirksam,
wenn kein wichtiger Grund dafür besteht. Allerdings ist das Vorstandsmitglied hierzu nur
berechtigt, wenn es seinen begleitenden Anstellungsvertrag zu diesem Zeitpunkt kündi-
gen kann. Ist dies nicht der Fall, macht sich das Vorstandsmitglied der Genossenschaft
gegenüber aufgrund der Verletzung des Anstellungsvertrags schadensersatzpflichtig.

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Die Berechtigung zur Kündigung des Anstellungsvertrages hängt von den jeweiligen Vo-
raussetzungen ab. So kann ein ehrenamtliches Vorstandsmitglied, das ohne Vergütung
im Rahmen eines Auftragsverhältnisses gemäß §§ 662 ff. BGB tätig ist, seinen Vertrag
ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beenden. Nur eine Kündigung zur „Unzeit“ be-
gründet eine Schadensersatzpflicht gemäß § 671 Absatz 2 Satz 2 BGB. Erhält das Vor-
standsmitglied eine Vergütung aus einem Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB, so be-
darf es eines wichtigen Grundes für die Kündigung.

Ein hauptamtliches Vorstandsmitglied kann seinen Anstellungsvertrag mit wichtigem


Grund sofort kündigen nach § 626 BGB. Dazu zählen z. B. unzulässige Eingriffe des
Aufsichtsrats in die Kompetenzen des Vorstandsmitglieds, Gesundheitsgefährdung,
schwere Konflikte mit anderen Vorstandsmitgliedern.

Manche Satzungen sehen allerdings vor, dass sämtliche Vorstandsmitglieder, seien es


hauptamtliche oder ehrenamtliche, ihr Amt nur nach rechtzeitiger Ankündigung und nicht
zur Unzeit niederlegen dürfen, so dass ein Vertreter bestellt werden kann. Ausnahme ist
das Vorliegen eines wichtigen Grundes.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 92.

IV. Die Haftung des Vorstandes

1) In welchen Fällen haftet ein Vorstandsmitglied?

Das Genossenschaftsgesetz nennt in § 34 Absatz 3 einige Beispiele, in denen ein Vor-


standsmitglied zum Schadensersatz verpflichtet ist. Namentlich handelt es sich um fol-
gende Fälle, sofern ein Gesetzes- oder Satzungsverstoß vorliegt:

 Auszahlung von Geschäftsguthaben vor Ablauf der Kündigungsfrist für die Mitglied-
schaft in der Genossenschaft und vor Feststellung des Jahresabschlusses;
 Gewährung von Zinsen oder Gewinnanteilen an die Mitglieder ohne entsprechende
Satzungsregelung bzw. ohne Beschlussfassung durch die General- oder Vertreterver-
sammlung;
 Satzungswidrige Verteilung des Genossenschaftsvermögens;
 Leistung von Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
der Genossenschaft, die für die Genossenschaft nach § 98 GenG Grund für die Eröff-
nung des Insolvenzverfahrens ist;
 Kreditgewährung (letztere zu dem Zweck, dass Mitglieder gemäß § 22 Absatz 4 Satz
2 GenG Einzahlungen auf ihren Geschäftsanteil leisten können).

Diese Aufzählung ist nicht abschließend, sondern erwähnt nur besonders schwere Fälle
von Verstößen. Im Laufe der Zeit hat die Rechtsprechung zahlreiche Einzelfälle hierzu
entschieden. Große Praktische Bedeutung haben folgende Fallgruppen:

 Investitionsentscheidungen, z.B. im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften, ohne


sorgfältige Kalkulation der Wirtschaftlichkeit oder auf der Basis unzureichender Infor-
mationen;
 Gefährdung des Genossenschaftsvermögens durch Beteiligung an Unternehmen, die
unwirtschaftlich sind;
 Unvollständige oder unrichtige Information des Aufsichtsrates bei der Eingehung von
Geschäften, die nach der Satzung dessen Zustimmung bedürfen;

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 Verstoß gegen Bestimmungen der Satzung, z.B. bei der Einforderung von Pflichtbe-
teiligungen der Mitglieder;
 Kreditgewährung ohne die Vereinbarung üblicher Sicherheiten oder ohne gründliche
Prüfung der Bonität;
 Kreditgewährung über die von der Generalversammlung festgesetzten Grenzen hin-
aus.

Quellen:
L/W § 34 Rn. 116 ff.

2) Schließt eine Entlastung durch die Generalversammlung die Haftung gegenüber der Genos-
senschaft aus?

Gemäß § 48 Absatz 1 Satz 1 GenG entscheidet die Generalversammlung über die Ent-
lastung des Vorstands. Die Zuständigkeit der General- oder Vertreterversammlung ist
zwingend und kann nicht auf sonstige Organmitglieder, Genossenschaftsmitglieder oder
Dritte übertragen werden.

Die Entlastung bedeutet einerseits die Billigung der Geschäftsführung einschließlich der
Rechnungslegung für den die Entlastung zu Grunde liegenden Zeitraum sowie eine Ver-
trauensbekundung für die künftige Tätigkeit. Zum anderen beinhaltet die Entlastung dar-
über hinaus einen Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
bzw. die Anerkennung des Nichtbestehens derartiger Ansprüche seitens der Genossen-
schaft gegen die entlasteten Vorstandsmitglieder.

Die Entlastung bewirkt aber nur eine Freistellung bezüglich der Umstände, welche die
General- oder Vertreterversammlung bei der Beschlussfassung kannte oder bei sorgfälti-
ger Prüfung hätte erkennen können.

Generelle Schilderungen, die bei lebensnaher Betrachtung nicht dazu führen, dass die
Einzelheiten überblickt werden können, reichen nicht aus, diese Kenntnis zu vermitteln.
Das wird häufig nicht der Fall sein.

Beispiel: So reicht es laut BGH nicht aus, wenn Vorstände einer Bank eG wegen unsorg-
fältiger Kreditvergabe auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden und sich da-
mit verteidigen, dass in den Prüfungsberichten des Verbandes die Versäumnisse bereits
dargelegt waren und in allgemeiner Form auch im zusammengefassten Prüfungsergeb-
nis.

Quellen:
L/W § 48 Rn. 25 ff.; Beispielsatzung § 30 Buchst. i).

3) Wird die ehrenamtliche oder nebenamtliche Tätigkeit bei einer etwaigen Haftung mildernd
berücksichtigt?

Im Zuge der 2017 eingeführten Neuerungen im Genossenschaftsgesetz hat der Gesetz-


geber in § 34 Absatz 2 mit dem neuen Satz 3 eine Haftungserleichterung für im Wesent-
lichen unentgeltlich tätige Vorstandsmitglieder eingeführt. Da der Gesetzgeber sich be-
wusst gegen die Einführung einer Haftungsgrenze entschieden hat, ist in jedem Haf-
tungsfall eine Einzelfallbetrachtung der Umstände notwendig. Wann eine Haftungsprivi-
legierung anzunehmen ist, wird insbesondere anhand der Größe der Genossenschaft
und vor allem am Umfang der Tätigkeit der Organmitglieder im Einzelfall zu beurteilen
sein.
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Diese Privilegierung soll jedenfalls für „im Wesentlichen“ unentgeltliche Vorstandsmit-
glieder gelten. Da der Gesetzgeber sich bewusst gegen die Einführung einer Haftungs-
grenze entschieden hat, ist in jedem Haftungsfall eine Einzelfallbetrachtung der Um-
stände notwendig. Die Ehrenamtspauschale (vgl. dazu oben Abschnitt II.) in Höhe von
derzeit 840 Euro pro Jahr dient lediglich als eines von mehreren Kriterien bei der Beur-
teilung, ob ein Vorstandsmitglied in den Genuss der Haftungsprivilegierung des im Zuge
der Genossenschaftsrechtsnovelle neu eingeführten § 34 Absatz 2 Satz 3 GenG kommt.
Wann eine Haftungsprivilegierung anzunehmen ist, wird insbesondere anhand der
Größe der Genossenschaft und vor allem am Umfang der Tätigkeit der Organmitglieder
im Einzelfall zu beurteilen sein.

Alle Vorstandsmitglieder haften im Übrigen gegenüber der Genossenschaft als Gesamt-


schuldner, also in voller Höhe. Intern können Sie bei einer Inanspruchnahme jedoch von
den übrigen Vorstandsmitgliedern einen Ausgleich verlangen. Hier geht die Rechtspre-
chung davon aus, dass ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder nur eine geringere
Quote zu tragen haben.

Quellen:
L/W § 34 Rn. 6d.

4) Haftet das Vorstandsmitglied auch nach Beendigung seiner Tätigkeit?

Eine Haftung ist bis zum Ablauf der einschlägigen Verjährungsfristen möglich. Es gelten
unterschiedliche Verjährungsfristen, je nach Art des Verstoßes. Ansprüche, die sich auf
den § 34 GenG beziehen, verjähren gemäß § 34 Absatz 6 GenG nach fünf Jahren.
Diese Frist ist zwingend und kann auch nicht durch die Satzung verändert werden.

Für Schadensersatzansprüche nach dem Genossenschaftsgesetz ist es nicht erforder-


lich, dass der Schaden bereits im Einzelnen beziffert werden kann. Es genügt, wenn ein
Schaden dem Grunde nach feststeht. Kenntnis des Aufsichtsrats bzw. der General- oder
Vertreterversammlung ist nicht erforderlich. Die Frist des § 34 Absatz 6 GenG läuft auch
dann, wenn das Vorstandsmitglied seinen Pflichtverstoß verschweigt, da sie einfach an
die Pflichtverletzung selbst unabhängig von ihrer Entdeckung anknüpft.

In Einzelfällen kann eine Pflichtwidrigkeit auch gegen weitere gesetzliche Bestimmun-


gen, etwa zur strafrechtlichen Untreue verstoßen. Hier ist die Verjährungsfrist mit 3 Jah-
ren zwar kürzer, sie beginnt jedoch erst mit der Kenntniserlangung durch Aufsichtsrat o-
der Generalversammlung.

Quellen:
L/W § 34 Rn. 154 ff.

5) Greift der Versicherungsschutz der D&O-Versicherung bei jedweder Pflichtverletzung des


Vorstandsmitglieds?

Das Gesetz äußert sich nicht zu Fragen des Versicherungsschutzes. Auch gibt die Sat-
zung keine Befugnis, diese Frage zu regeln, vielmehr ist auf die jeweiligen Versiche-
rungsbedingungen der auf dem Markt vertretenen D&O-Versicherungsunternehmen zu-
rückzugreifen.

Sämtlichen Versicherungsbedingungen ist gemein, dass verschiedene Ausschlusstatbe-


stände zu beachten sind. Zum einen sind grundsätzlich nur Vermögensschäden oder
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Sachschäden versichert. Zum anderen ist in den Versicherungsbedingungen der Haft-
pflichtversicherer grundsätzlich geregelt, dass der Versicherungsschutz jedenfalls bei
vorsätzlichen Pflichtverletzungen des Vorstandsmitglieds nicht greift. Ausgeschlossen
sind in einschlägigen Versicherungsbedingungen üblicherweise wissentliche oder vor-
sätzliche Verstöße gegen Gesetz, Beschlüsse, Vollmachten oder Weisungen. Hingegen
wird von einigen Versicherern Versicherungsschutz auch bei vorsätzlichen Pflichtverlet-
zungen gewährt, wenn sich die Pflichtverletzungen auf Unternehmensebene (Satzung,
Gesellschaftsvertrag, Compliance-Richtlinie, Handlungsanweisung/-empfehlung etc.) be-
wegen und das Vorstandsmitglied bei objektiver und vernünftiger Betrachtung aller Um-
stände annehmen durfte, zum Wohle der Genossenschaft zu handeln.

Das versicherte Vorstandsmitglied muss sich sowohl seiner Pflicht als auch deren Ver-
letzung im Zeitpunkt der Handlung oder Unterlassung bewusst gewesen sein. Sollte ein
vorsätzliches Handeln oder Unterlassen durch den Versicherer nachgewiesen werden,
haftet das Vorstandsmitglied mit seinem persönlichen Vermögen. Dies ist besonders re-
levant für ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder, da die Versicherer hier keine Unter-
schiede zu haupt- oder nebenamtlichen Vorstandsmitgliedern machen.

Die geschädigte Genossenschaft steckt hier in dem Dilemma, dass, sollte sie dem Vor-
standsmitglied vorsätzliches Verhalten vorwerfen, der Versicherer eine Einstandspflicht
ablehnt. Gerade bei erheblichen Vermögensschäden ist das problematisch, da sich die
Genossenschaft dann direkt an das betroffene Vorstandsmitglied halten muss.

Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre hat herausgearbeitet, dass die Genossen-
schaft nicht den D&O-Versicherer direkt in Anspruch nehmen kann, sondern immer un-
mittelbar gegen das Vorstandsmitglied vorgehen muss. Dieses erhält dann von der Ver-
sicherung Deckungsschutz, von dem die Genossenschaft als Anspruchsteller profitiert.
Allerdings kann das versicherte Organmitglied seinen Deckungsanspruch gegen den
Versicherer an das geschädigte Unternehmen abtreten, so dass wirtschaftlich bei ent-
sprechenden Versicherungsbedingungen und Konsens eine direkte Inanspruchnahme
der Versicherung erreicht werden kann. Bei solchen Fällen ist unbedingt eine rechtliche
Beratung erforderlich.

Quellen:
L/W § 24 Rn. 52a.

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Hinweise zum 2. Teil der Broschüre
In einem 2. Teil der Broschüre haben wir beispielhaft Unterlagen zu einer fiktiven Genossenschaft, wie
Satzung und Geschäftsordnungen, zusammengestellt. Grundlage ist eine ausführliche Satzung mit ver-
breiteten Klauseln der Mustersatzungen genossenschaftlicher Spitzenverbände.

Daneben sind Briefe, Schriftstücke, Protokolle enthalten und fertig formulierten Texten aufgenom-
men, die für Mitglieder und ihren Verkehr zur Genossenschaft relevant sein können. Diese können
leicht bei vergleichbaren Fällen als Muster dienen.

Übersicht über den Inhalt des 2. Teils der Broschüre - Inhaltsverzeichnis:

SATZUNG BÜRGER – ENERGIEGENOSSENSCHAFT BURGDORFER LAND EG

DOKUMENTE ZUR SATZUNGSGESTALTUNG


Vorschläge zu Regelungen über schriftliche oder elektronischen Abstimmungen und einer virtuellen Generalversammlung
Gestaltungswahlrechte in der Satzung

GESCHÄFTSORDNUNG FÜR DEN AUFSICHTSRAT DER BÜRGER – ENERGIEGENOSSENSCHAFT BURGDORFER LAND EG

GESCHÄFTSORDNUNG UND GESCHÄFTSVERTEILUNGSPLAN FÜR DEN VORSTAND DER BÜRGER – ENERGIEGENOSSENSCHAFT BURGDOR-
FER LAND EG
Geschäftsordnung für den Vorstand
Geschäftsverteilungsplan des Vorstandes

DOKUMENTE ZUR GENERALVERSAMMLUNG


Einladung mit Tagesordnung zu einer ordentlichen Generalversammlung
Stimmvollmacht und Vertretungsvollmacht
Stimmkarte für die Generalversammlung
Protokoll (Niederschrift) der Generalversammlung
Befugnisse des Versammlungsleiters während der Generalversammlung

DOKUMENTE ZUR MITGLIEDSCHAFT


Beitrittserklärung mit Zeichnung zusätzlicher Geschäftsanteile
Kündigung der Mitgliedschaft
Übertragungsvereinbarung Geschäftsguthaben und Anzeige der Übertragung des Geschäftsguthabens
Anzeige der Vertretung einer Erbengemeinschaft

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