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Full Download Lukas Und Q Studien Zur Lukanischen Redaktion Des Spruchevangeliums Q Christoph Heil Online Full Chapter PDF
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Christoph Heil
Lukas und Q
Beihefte zur Zeitschrift für die
neutestamentliche Wissenschaft
und die Kunde der älteren Kirche
In Verbindung mit
James D. G. Dunn · Richard B. Hays
Hermann Lichtenberger
herausgegeben von
Michael Wolter
Band 111
WDE
G
Walter de Gruyter · Berlin · New York
2003
Christoph Heil
Lukas und Q
Studien zur lukanischen Redaktion
des Spruchevangeliums Q
WDE
G
Walter de Gruyter · Berlin · New York
2003
© Gedruckt auf säurefreiem Papier,
das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 3-11-017434-0
© Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikrover-
filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Printed in Germany
Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin
Vorwort
Vorwort V
A. Grundlegung 4
Teil 3: Methoden 26
§ 5 Die redaktionsgeschichtliche Interpretation 28
§ 6 Die literaturgeschichtliche Situierung 33
B. Textauslegung 42
C. Ausweitung 213
Literaturverzeichnis 369
Register 421
Bibelstellen 421
Autoren 436
Teil 1
Fragestellung und Durchführung
Spezialliteratur
J.M. Robinson, Zur Komposition des Markus-Evangeliums, in: ders., Messiasgeheimnis und
Geschichtsverständnis. Zur Gattungsgeschichte des Markus-Evangeliums (TB 81), München
1989, 107-114.
Durch die Arbeit des International Q Project (IQP; s.u. § 2) wurde die zweite
wichtige schriftliche Quelle des Lukas - neben Markus - wiederhergestellt. Q
enthält nach J.S. Kloppenborg etwa 4.500 Worte, hat also ungefähr den Um-
fang des 2 Kor.1 Zum Vergleich: Das Markusevangelium besteht aus etwas
mehr als 11.200 Worten, das Lukasevangelium schließlich aus etwas mehr als
19.400 Worten.2 Lukas hat von den insgesamt 678 Versen bei Markus jedoch
nur etwa 350 übernommen; Q wurde dagegen von Lukas nahezu komplett in
sein Evangelium eingearbeitet. Vom Umfang wie vom Inhalt her war Q also
eine wichtige Vorlage für Lukas. Mit der Q-Rekonstruktion des IQP und dem
Erscheinen der Critical Edition of Q hat die redaktionsgeschichtliche Erfor-
schung des Lukasevangeliums eine neue Grundlage erhalten,3 die in dieser
Arbeit erstmals systematisch genutzt werden soll.
Die Q-Rekonstruktion der Critical Edition of Q wird - mit wenigen be-
gründeten Ausnahmen - übernommen. Es geht hier also nicht um eine Unter-
suchung von Q (stratigraphische Modelle, QR usw.). Das Hauptinteresse der
Arbeit besteht vielmehr in der Art und Weise, wie Lukas seine Q-Vorlage re-
digiert. Solch eine Untersuchung hat J.M. Robinson schon 1971 in einem
Vortrag thematisiert.4
blems, 58: »The reception of Q by Matthew and Luke and specifically, the way in which
each read Q, is a matter which has not yet received much attention.«
5 Luz, Matthäus und Q, 201.
6 Ähnlich wie die Gattungsfrage wären auch die formgeschichtlichen Themen »Wunder«
(vgl. Q 7,1-10.22), »Gleichnisse« (vgl. Kloppenborg, Jesus and the Parables of Jesus)
und »Chrien / Apophthegmen« (vgl. Schneider, Antworten) in diesem Zusammenhang
einer Untersuchung wert, müssen hier aber leider unberücksichtigt bleiben.
Fragestellung und Gang der Arbeit 3
7 Das theologische Thema »Gebet« (vgl. Q 10,21; ll,2b-4.9-13) muß hier leider unbe-
rücksichtigt bleiben.
Α. Grundlegung
Teil 2
Die Textgrundlagen: Die synoptische Frage, Q und Lukas
§ 1 Allgemeines
Spezialliteratur
U. Bauer, Das synoptische Problem und die Zweiquellentheorie, BiKi 54 (1999) 54-62; M.-
É. Boismard, Art. Two-Source Hypothesis, ABD 6 (1992) 679-682; C.M. Tuckett, Art. Sy-
noptic Problem, ABD 6 (1992) 263-270.
4 Ausnahmen - wie Q 13,20 f. - bestätigen die Regel. Vgl. Neirynck, Argument from Or-
der.
§ 2 Das Spruchevangelium Q
Spezialliteratur
A. Fuchs, Zweiquellentheorie oder Deuteromarkus?, BiKi 54 (1999) 63-69; — Die Pharisä-
erfrage nach der Kaisersteuer. Mk 12,13-17 par Mt 22,15-22 par Lk 20,20-26, SNTU.A 26
(2001) 59-81; M.S. Goodacre, Goulder and the Gospels. An Examination of a New Para-
digm (JSNT.S 133), Sheffield 1996; M.D. Goulder, Luke. A New Paradigm (JSNT.S 20), 2
vol.s, Sheffield 1989; P.W. Haider, Der Hauran, in: Religionsgeschichte Syriens. Von der
Frühzeit bis zur Gegenwart, hg.v. P.W Haider u.a., Stuttgart u.a. 1996, 176-184; — Damas-
kus und Umgebung, ebda., 189-194; J.S. Kloppenborg Verbin, Is There a New Paradigm?,
in: Christology, Controversy and Community: New Testament Essays in Honour of David R.
Catchpole (NT.S 99), Leiden u.a. 2000, 23-47; G. Langer, Das Judentum in Syrien von den
Hasmonäern bis um 700 n.Chr., in: Religionsgeschichte Syriens. Von der Frühzeit bis zur
Gegenwart, hg.v. P.W. Haider u.a., Stuttgart u.a. 1996, 242-256; Z.U. Ma'oz, Art. Banias,
NEAEH 1 (1993) 136-143; Z.U. Ma'oz et al., Art. Golan, NEAEH 2 (1993) 525-546; J.
McRay, Art. Damascus. The Greco-Roman Period, ABD 2 (1992) 7 f.; J.M. Robinson, A
Critical Text of the Sayings Gospel Q, RHPhR 72 (1992) 15-22; E. Schweizer, Jesus, das
Gleichnis Gottes. Was wissen wir wirklich vom Leben Jesu? (Kleine Vandenhoeck-Reihe
1572), Göttingen 1995; D. Urman, Public Structures and Jewish Communities in the Golan
Heights, in: Ancient Synagogues. Historical Analysis and Archaeological Discovery (StPB
47/2), eds. D. Urman/P.V.M. Flesher, Leiden 1995, 373-617.
Mit J.P. Meier ist hier daran zu erinnern: »Any treatment o f Q should begin
with the disclaimer that Q is only a hypothesis.« 1 Daß dies so ist, liegt vor
allem an einem Argument, das gegen die Existenz von Q vorgebracht wird: 2
der Existenz von Minor Agreements, also der Übereinstimmung von
Matthäus und Lukas gegen Markus in Passagen, die beide aus dem Markus-
evangelium übernommen haben. Diese Übereinstimmung kann negativ in der
gemeinsamen Auslassung von Markus-Stoff begründet sein (vgl. Mk 4,26-
29) oder positiv in der gemeinsamen Änderung bzw. Ergänzung von Markus-
Tradition bestehen (vgl. Mt 26,68fin par. Lk 22,64fin gegen Mk 14,65). Als
m.E. hinreichende Gegenargumente werden schon lange genannt: zufällig
gleiche sprachliche und/oder theologische Redaktion von Matthäus und Lu-
kas, Einfluß mündlicher Tradition, Angleichung in der Textüberlieferung. 3
Daß Lukas Matthäus gekannt habe 4 oder daß bei den Minor Agreement-
ginal ist kein Anlaß gegeben.« Gegen die These einer aramäischen Grundfassung von Q
vgl. femer Heil, Q-Rekonstruktion, 129; Kloppenborg, Formation, 51-64; ders., Exca-
vating Q, 72-80; Robinson in: Critical Edition of Q, xxx-xxxiii. Zu den dort genannten
Vertretern eines ursprünglich aramäischen Q-Textes ergänze Schenke/Fischer, Einlei-
tung II, 24. 62.
10 Vgl. Walsh, Livy, 141 f.
11 Vgl. Heil, Spruchevangelium; ders., Das Internationale Q-Projekt; Neirynck, Project;
Robinson, Critical Text*. Schon 1983 gründete J.M. Robinson das »Q Seminar« (seit
1990 »Q Section«) in der Society of Biblical Literature. Die »Q Section« setzt ihre Ar-
beit weiterhin fort.
12 Meier, Dividing Lines, 258.
§ 2 Das Spruchevangelium Q 9
Wenn wir für QR die Zeit um 70 und flir MtR die 80er Jahre voraussetzen, handelt es sich
um eine Spanne von zehn bis maximal zwanzig Jahren. Dadurch wird nochmals deutlich,
daß QR in dem frühchristlichen Traditionsprozess vom Jesus der Geschichte hin zum
Matthäusevangelium tatsächlich nur eine »Zwischenetappe« darstellt. Dies könnte erklären,
warum uns Q nicht als selbständiges Dokument, sondern nur in der Rezeption durch die
Großevangelisten erhalten ist.
Da sich die in Q artikulierenden Jesusanhänger nicht am Krieg beteiligt ha-
ben und während bzw. nach der römischen Invasion 67 n.Chr. aus Galiläa
geflohen sind,20 fand die Endredaktion von Q wohl im südlichen syrischen
Raum statt21 - vielleicht in den Landschaften, die dem Tetrarch Philippus ( |
34 n.Chr.) unterstanden und dann seit 53 n.Chr. zum Gebiet Agrippas II. ge-
hörten: Gaulanitis, Batanäa, Trachonitis und Auranitis.22 Wenn an Städte als
Entstehungsort fur QR gedacht werden kann, kommen das zum Gebiet Agrip-
pas II.23 gehörende Caesarea Philippi24, das zur Provinz Syrien gehörende
180.
24 Philippus gnindete Caesarea Philippi 2 oder 1 v.Chr. als Hauptstadt seiner Tetrarchie zu
Ehren des Kaisers Augustus (vgl. Josephus, Bell. 2,168; Ant. 18,28). Agrippa II., der im
Jüdischen Krieg mit den Römern kooperierte, gründete die Stadt im Jahr 61 neu unter
dem Namen »Neronias« (Josephus, Ant. 20,211) und machte sie zur Hauptstadt seines
Reiches. Im Markusevangelium wird Caesarea Philippi als Ort des »Petrusbekenntnis-
ses« genannt (Mk 8,27 par. Mt 16,13), Lukas streicht jedoch die Ortsangabe (Lk 9,18).
Er erwähnt die Stadt auch sonst in seinem Doppelwerk nicht. Zum (eher geringen) jüdi-
schen Bevölkerungsanteil in Caesarea Philippi vgl. Josephus, Vita 49-61. 74-76; ferner
Ma'oz, Banias*, 138; Urman, Public Structures*, 389 f.; Schürer, History II, 169-171.
25 Vgl. Haider, Damaskus*; Hengel/Schwemer, Paulus, 80-101.139-146; Schürer, History
II, 127-130. Seit 62 n.Chr. unmittelbar unter römischer Verwaltung stehend, hatte Da-
maskus unter den syrischen Städten eine der größten jüdischen Bevölkerungen; vgl.
Langer, Judentum*, 242 f. 248. Auch nach dem Jüdischen Krieg gab es wohl eine grö-
ßere griechisch-sprechende, judenchristliche Gemeinde; vgl. McRay, Damascus*, 8:
»Apparently in the synagogues there were Christians who maintained their Jewish iden-
tity. There was in Damascus a large Jewish community which may in some way have
been affiliated with the Qumran Community (Essenes) near the Dead Sea (CD 6). Jose-
phus records (JW 2.561) that during the First Revolt, the people of Damascus slaughte-
red 10,500 Jews (A.D. 66).« M. Hengel (Geschichtsschreibung, 66 f.) spekuliert: »Es ist
durchaus möglich, daß sich schon von Galiläa aus in den benachbarten Städten der phö-
nizischen Küste, in Damaskus oder im Ostjordanland kleine judenchristliche Gemeinden
gebildet hatten. ... Zuverlässige Nachrichten darüber besitzen wir jedoch nicht.« Im
Neuen Testament wird die Stadt außer von Paulus (2 Kor 11,32; Gal 1,17) nur von Lu-
kas in der Apostelgeschichte erwähnt (9,2-27; 22,5-11; 26,12.20).
26 Vgl. unten S. 252 f.
27 Josephus schreibt über die βασιλεία des Agrippa: οίκοΰσι δ' αύτήν μιγάδες 'Ιουδαίοι
τε και Γύροι (Bell. 3,57). Vgl. Langer, Judentum*, 243 (»Insgesamt dürften etwa 15%
der Einwohner Syriens Juden gewesen sein, was bei einer durchschnittlichen jüdischen
Bevölkerung von 7% im Römischen Reich eine relativ sehr große Zahl bedeutete«);
Schürer, History ΠΙ/1, 13-15. Speziell für die Gaulanitis vgl. Urman, Public Structures*,
bes. 379-385. 607-617. Im Gefolge des Jüdischen Krieges wurde die jüdische Einwoh-
nerschaft in der Gaulanitis jedoch radikal dezimiert; vgl. Ma 'oz et al., Golan*, 526.536.
28 Vgl. Langer, Judentum*, 246-248. »Mit Sicherheit hatten zahlreiche galiläische Juden
das angrenzende Syrien als attraktives Domizil erkoren, in dem die durch Steuerlast und
wirtschaftlichen Niedergang zur immer stärkeren Belastung gewordenen Bodengesetze
umgangen werden konnten. Die weitestmögliche Angleichung Syriens an Israel [sei.
seitens der Rabbinen] wollte dieser Tendenz entgegenwirken und die Auswanderung er-
schweren« (ebda., 247).
29 Vgl. Feldman, Jew and Gentile, 118-120.
12 Die Textgrundlagen
Spezialliteratur
R. Cameron, Art. Thomas, Gospel of, ABD 6 (1992) 535-540; Β. Dehandschutter,
L'Évangile selon Thomas. Témoin d'une tradition prélucanienne?, in: L'Évangile de Luc -
The Gospel of Luke. Revised and Enlarged Edition of »L'Évangile de Luc. Problèmes litté-
raires et théologiques« (BEThL 32), ed. F. Neirynck, Leuven 1989, 197-207. 324-326; RH.
Gundry, Spinning the Lilies and Unravelling the Ravens: An Alternative Reading of Q
12.22b-31 and P.Oxy. 655, NTS 48 (2002) 159-180; S R. Johnson, Seeking the Imperishable
Treasure: Wealth, Wisdom and a Saying of Jesus in the New Testament, the Gospel of Tho-
mas and Q, Ph.D. diss., Claremont, CA 1998; H.-J. Klauck, Apokryphe Evangelien. Eine
Einfuhrung, Stuttgart 2002; S.E. Porter, P.Oxy. 655 and James Robinson's Proposals for Q:
Brief Points of Clarification, JThS 52 (2001) 84-92; G.J. Riley, Influence of Thomas Chri-
stianity on Luke 12:14 and 5:39, HThR 88 (1995) 229-235; J.M. Robinson, Die Bedeutung
der gnostischen Nag-Hammadi-Texte für die neutestamentliche Wissenschaft, in: Religious
Propaganda and Missionary Competition in the New Testament World. FS Dieter Georgi
(NT.S 74), Leiden 1994, 23-41; — A Written Greek Sayings Cluster Older Than Q: A Ve-
stige, HThR 92 (1999) 61-77; J. Schröter, Vorsynoptische Überlieferung auf P.Oxy. 655?
Kritische Bemerkungen zu einer erneuerten These, ZNW 90 (1999) 265-272; — Rezepti-
onsprozesse in der Jesusüberlieferung: Überlegungen zum historischen Charakter der neute-
stamentlichen Wissenschaft am Beispiel der Sorgensprüche, NTS 47 (2001) 442-468; —
Verschrieben? Klärende Bemerkungen zu einem vermeintlichen Schreibfehler in Q und tat-
sächlichen Irrtümern, ZNW 92 (2001) 283-289; C.M. Tuckett, The Gospel of Thomas. Evi-
dence for Jesus?, NedThT 52 (1998) 17-32; J.W. Wevers, Apologia pro Vita Mea: Reflecti-
ons on a Career in Septuagint Studies, BIOSCS 32 (1999) 65-96.
1 Roloff, Jesusforschung, 27. So u.a. auch van Aarde, Fatherless, 36, Anm. 113: »The lo-
gia [sel. des EvThom] should be scrutinized historical-critically one by one in order to
decide in favor of independence or dependence [sei. bezüglich der synoptischen Evan-
gelien].« So auch Klauck, Evangelien*, 145. 161.
2 Roloff (a.a.O.) nennt als Beispiele EvThom 31 gegenüber Mk 6,1-8 und EvThom 65
gegenüber Mk 12,1-12. Auch Bovon (Evangelium nach Lukas II, 299) räumt ein, daß
das EvThom »Sprüche festhält, die manchmal älter sind als Q«. U.a. gegen Schmithals,
Einleitung, 401 f.
3 P.Oxy. 655 (EvThom 36) setzt an mehreren Stellen Q 12,22-31 bzw. die jeweiligen
14 Die Textgrundlagen
Mit dem IQP wird daher hier nicht ausgeschlossen, daß im EvThom alte
Traditionen enthalten sind, die für die Q-Rekonstruktion relevant sein kön-
nen. Das EvThom wird daher mit in die Untersuchung einbezogen, wie es
auch in der Critical Edition of Q für die Q-Rekonstruktion ausführlich und
kritisch ausgewertet wurde.4 Dabei ist jedes Thomas-Logion für sich zu un-
tersuchen; die traditionsgeschichtliche Analyse kann für verschiedene Logien
unterschiedlich ausfallen. Daher muß jede Q-Parallele im EvThom, vor allem
auch die griechischen Fragmente, immer mitbeachtet und individuell analy-
siert werden.5 Die Diskussion über die Beziehung des EvThom zu Q und zu
den synoptischen Evangelien ist noch nicht befriedigend abgeschlossen, und
deswegen sollten keine übergreifenden Thesen die Detailexegese ersetzen.
Mit J.M. Robinson muß jedoch festgehalten werden, daß EvThom noch am
Strom der mündlichen Überlieferung teilhat und nicht allein auf die kanoni-
schen Evangelien und die gnostische Mythologie festgelegt war.6
Allein ausschlaggebend für eine bestimmte Q-Rekonstruktion ist das Ev-
Thom im IQP aber nie geworden.7 Die Parallele Lk 12,52 // EvThom 16 hat
z.B. manche Exegeten trotz fehlender Matthäus-Parallele davon überzeugt,
daß es sich hier um einen Q-Text handelt.8 Im entsprechenden Documenta Q-
Band hat der gewiß unverdächtige J.M. Robinson nachgewiesen, daß Thomas
hier von Lukas abhängig ist.9 Wenn überhaupt kam das EvThom nur als un-
Matthäus- und Lukas-Versionen nicht voraus. Teile von Q 12,22-31, die von mehreren
Exegeten als sekundäre Hinzufügungen erachtet werden, fehlen auch in P.Oxy. 655.
Vgl. Robinson/Heil, Zeugnisse; Robinson, Written Greek Sayings Cluster*; ders., Pre-Q
Text; ders. in: Critical Edition of Q, xciii, xcix-ci, cvii; Robinson/Heil, Lilies; dies.,
Schreibfehler. Damit wird jedoch nicht die These von Koester (Gospels, 86-95; Q, 60 f.)
geteilt, nach der sehr frühe Sammlungen von Worten Jesu, die dem weisheitlichen Ca-
stratami zugrunde lagen, eng verwandt sind mit Traditionen, die der Autor des Thomas-
evangeliums für seine Komposition verwendete. Zur weiteren Diskussion vgl. Schröter,
Vorsynoptische Überlieferung*; ders., Rezeptionsprozesse*; ders., Verschrieben?*;
Porter, P.Oxy. 655*; Robinson/Heil, P.Oxy. 655 und Q; Gundry, Spinning*.
4 Vgl. Heil, Q-Rekonstruktion, 135 f.
5 Vgl. Robinson, Pre-Q Text, 153: »Each saying must be approached with an open mind,
for the pre-history of each saying must be inductively worked out, to the extent possible,
one by one, for the text itself.«
6 Robinson, Bridging the Gulf; ders., Nag Hammadi, 106 f. J.M. Robinson verweist etwa
auf EvThom 9 (diff. Mk 4,1-12.13-20) und EvThom 65 (diff. Mk 12,1-9.10 f.), wo je-
weils die im Markusevangelium angehängte, sekundäre allegorische Interpretation fehlt.
S.R. Johnson hat kürzlich in einer bei J.M. Robinson verfaßten Dissertation dafür plä-
diert, daß Lk 12,33 von Q 12,33; Mk 10,21 und EvThom 76,3 abhängig sei. Vgl. S.R.
Johnson, Seeking*, 178 und passim.
7 Eine Ausnahme von dieser Regel scheint bei Lukas 17:20-21 par. EvThom 3, 113 vor-
zuliegen; vgl. Critical Edition of Q, 494-499. Während P. Hoffmann hier mit der Wahr-
scheinlichkeit {B} keinen Q-Text rekonstruiert, reklamieren J.M. Robinson und J.S.
Kloppenborg mit der Wahrscheinlichkeit {C} eine Q-Vorlage. Vgl. unten S. 166 f.
8 Vgl. Garsky et al., Q 12:49-59, 108-112.
9 Ebda, 119-121.
§ 3 Das Thomasevangelium 15
10 Vgl. die Analogie bei der kritischen Edition der LXX, formuliert von Wevers, Apologia,
71: »The problem with establishing a critical text is simply put: one can only establish
the critical text if one knows the textual history thoroughly, but one can establish the
textual history only insofar as it is distinct from the original text. One is forced to work
within these parameters, hopefully in ever narrowing circles until one reaches some
point of no return. It means learning through constant living with the text... Eventually
one makes tentative decisions. It's a slow process, and certainly is never fully attainable,
but it remains a challenge.«
§ 4 Das lukanische Doppelwerk
Spezialliteratur
J.M. Dawsey, The Literary Unity of Luke-Acts: Questions of Style - A Task for Literary
Critics, NTS 35 (1989) 48-66; W.M.L. de Wette, Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zum
Neuen Testament. 1/2: Kurze Erklärung der Evangelien des Lukas und Markus. Dritte, von
neuem durchgesehene Ausgabe, Leipzig 1846; LH. Marshall, Acts and the >Former Treatise<,
in: The Book of Acts in Its Ancient Literary Setting (The Book of Acts in Its First Century
Setting 1), eds. B.W. Winter/A.D. Clarke, Grand Rapids, Ml/Carlisle, UK 1993, 163-182;
R.I. Pervo, Must Luke and Acts Belong to the Same Genre?, SBL.SP 28 (1989) 309-316.
Bei der Untersuchung des Lukasevangeliums muß die lukanische Apostelge-
schichte voll einbezogen werden.1 Schon W.M.L. de Wette hat richtig gefor-
dert: »Das Ev. des Luk. bildet mit seiner Apostelgeschichte ein Ganzes, und
der Kritiker muss bei Beurtheilung des erstem auf die Beschaffenheit der
letztem Rücksicht nehmen.«2 Der große Althistoriker E. Meyer formulierte
bezüglich der Einheitlichkeit von Lukasevangelium und Apostelgeschichte:
»Daß in Wirklichkeit der Titel der beiden Bücher einheitlich und der Verfas-
ser genannt war, kann keinem Zweifel unterliegen.«3 Diese Einheit des luka-
nischen Doppelwerks erfahrt durch die auf HJ. Cadbury (The Making of Lu-
ke-Acts, 1927) zurückgehende Bezeichnung »Luke-Acts« eine besondere
Betonung.4 Mit diesem Urteil über die enge literarische und theologische
Einheit des lukanischen Doppelwerks gab sich die neutestamentliche For-
schung jedoch nicht so leicht zufrieden.5 Häufig wurde etwa die einheitliche
Gattung des lukanischen Doppelwerks bestritten,6 wohl zu Recht, da es antike
Beispiele von Fortsetzungswerken gibt, die nicht der gleichen Gattung ange-
1 Als Textgrundlage wird wie allgemein üblich die 27. Auflage des »Nestle-Aland«
(1993) verwendet.
2 Vgl. de Wette, Handbuch*, 3. So auch E. Meyer, Ursprung I, 3 f.
3 E. Meyer, Ursprung I, 3.
4 Cadbury, Making, 11 (vgl. ebda., 7-11). Parsons/Pervo (Rethinking, 3 f. 19) machen
darauf aufmerksam, daß Cadbury die Bezeichnung »Luke-Acts« schon seit 1925 in sei-
nen Publikationen verwendete, allerdings ohne sie ausdrücklich zu begründen.
5 Zu dieser Frage vgl. Dawsey, Literary Unity*; Sterling, Historiography and Self-Defini-
tion, 331-339; Green, Gospel of Luke, 6-10; Strecker, Literaturgeschichte, 234 f.
6 Cf. von Bendemann, ΔΟΞΑ, 354 f.; Cadbury, Making, 10; Dibelius, Aufsätze, 10; Pervo,
Luke and Acts*; Burridge, Gospels, 244-247; Parsons/Pervo, Rethinking, 13-16. 20-
44. 119 f. Pace Aune, The New Testament, 80 (»Luke-Acts must be treated as affiliated
with one genre, ...«); Marshall, Acts and the 'Former Treatise'*, 178-180; Pokorny,
Theologie, 24-31.
§ 4 Das lukanische Doppelwerk 17
hören und sich zum Teil auch - wie Lukasevangelium und Apostelgeschichte
- überschneiden. Man vergleiche etwa den Übergang von historiographi-
schem zu biographischem Erzählen in Plutarchs Doppelbiographie Galba und
Otho. D. Frickenschmidt bezeichnet deshalb Lukasevangelium und Apostel-
geschichte als »biographisch-historiographisches Doppelwerk«.7 Der Über-
gang vom Lukasevangelium zur Apostelgeschichte ist also eine μετάβασις
εις άλλο γένος, vom biographischen zum historiographischen Genre.
Spezialliteratur
F.C. Burkitt, The Use of Mark in the Gospel according to Luke, in: The Beginnings of Chri-
stianity. Part 1: The Acts of the Apostles. 1/2: Prolegomena: Criticism, eds. F.J. Foakes Jack-
son/K. Lake, London u.a. 1922, 106-120. Reprint Grand Rapids, MI 1979; W. Übelacker,
Das Verhältnis von Lk/Apg zum Markusevangelium, in: Luke-Acts. Scandinavian Per-
spectives (SESJ 54), ed. P. Luomanen, Helsinki/Göttingen 1991, 157-194; J. Wehnert, Das
Markusevangelium als Quelle der Apostelgeschichte, in: Historische Wahrheit und theologi-
sche Wissenschaft. Gerd Lüdemann zum 50. Geburtstag, hg.v. A. Özen, Frankfurt a.M. u.a.
1996, 21-40.
7 Vgl. Frickenschmidt, Evangelium als Biographie, 498-500. Auch Strecker und Dor-
meyer erklären das Lukasevangelium als Biographie, die Apostelgeschichte als histori-
sche Monographie. Vgl. Strecker, Literaturgeschichte, 243; Dormeyer, Das Neue Testa-
ment, 228. Zustimmend auch Heil, Arius Didymus, 359 f., Anm. 5; 392. Zur Frage nach
der Gattung des Lukasevangeliums vgl. unten S. 227-232.
8 Radi, Lukas-Evangelium (1988), 44. So auch G.H. Müller, Synopse, 6: »Mk ist für Lk
eine Quelle unter anderen. Das beweist die Beobachtung, daß er in zahlreichen Fällen
anderen Quellen folgend Mk aufgibt. Ein Vergleich des Lk mit diesen anderen Quellen
wie mit Mk ist nicht möglich, aber wir sind, wie bemerkt, zu der Behauptung berechtigt,
daß er in ihrer Benutzung die gleiche Haltung wie zu Mk bewahrt haben wird.« Vgl.
auch ebda., 2-23 (»Arbeitsweise des Lk«), 34 f. (»Gründe für die Änderungen des Lk«).
9 Etwa: Hat Lukas mündliche und schriftliche Quellen unterschiedlich redigiert? Hat Lu-
kas bestimmte Quellen intensiver, andere oberflächlicher bearbeitet?
10 Vgl. Fitzmyer, Gospel according to Luke, 107 f.
18 Die Textgrundlagen
Spezialliteratur
T.L. Brodie, A New Temple and a New Law. The Unity and Chronicler-based Nature of Lu-
ke l:l-4:22a, JSNT 5 (1979) 21-45; — Re-Opening the Quest for Proto-Luke: The Syste-
matic Use of Judges 6-12 in Luke 16:1-18:8, The Journal of higher criticism 2 (1995) 68-
101; B.S. Easton, Linguistic Evidence for Lucan Source L, JBL 29 (1910) 139-180; — The
Special Source of the Third Gospel, JBL 30 (1911) 78-103; P. Feine, Eine vorkanonische
Überlieferung des Lukas in Evangelium und Apostelgeschichte. Eine Untersuchung, Gotha
1891; S.M. Gilmour, A Critical Re-examination of Proto-Luke, in: JBL 67 (1948) 143-152;
J. W. Hunkin, The Composition of the Third Gospel, with Special Reference to Canon Stree-
ter's Theory of Proto-Luke, JThS 28 (1927) 250-262; K. Paffenroth, The Story of Jesus ac-
cording to L (JSNT.S 147), Sheffield 1997; F. Rehkopf, Die lukanische Sonderquelle. Ihr Um-
fang und Sprachgebrauch (WUNT 5), Tübingen 1959; H. Sahlin, Studien zum dritten Kapitel
des Lukasevangeliums (UUÂ 1949:2), Uppsala/Leipzig 1949; V. Taylor, Is the Proto-Luke
Hypothesis Sound?, JThS 29 (1928) 147-155.
21 So Busse, »Evangelium«.
22 Vgl. Conzelmann/Lindemann, Arbeitsbuch, 451-454 (451: »Die Erzählungen in Lk 1 f.
sind vermutlich ursprünglich selbständige Überlieferungen.«).
23 Vgl. insgesamt von Bendemann, ΔΟΞΑ, 49 f.; Schmithals, Einleitung, 329-332; Stanton,
Gospels, 89 f.
24 Feine, Vorkanonische Überlieferung*.
25 Vgl. die Kritik bei Haenchen, Apostelgeschichte, 43.
26 B. Weiß, Quellen des Lk.
27 Easton, Linguistic Evidence*; ders., Special Source*; ders., Gospel According to St.
Luke, xxiii-xxx.
28 Easton, Gospel According to St. Luke, xxix.
29 Easton, Gospel According to St. Luke, xxiii f.
30 Streeter, Four Gospels, 199-122.
31 Streeter, Four Gospels, 230.
32 Taylor, Behind the Third Gospel; ders., Proto-Luke Hypothesis*.
33 Sahlin, Messias; ders., Studien*.
34 Rehkopf, Sonderquelle*. Rehkopf analysiert nur Lk 22,21-23.47-53, bietet aber eine Li-
ste von 78 Worten und Phrasen mit grammatischen Konstruktionen, die charakteristisch
§ 4 Das lukanische Doppelwerk 21
E. Schweizer35. Seit Mitte der achtziger Jahre hat vor allem T.L. Brodie die
Proto-Lukas-Theorie wieder vertreten.36
Selbst U. Luz spricht davon, daß bei Lukas »das redaktionsgeschichtlich
nicht mehr aufzuhellende kompositioneile Durcheinander zwischen Q und
Sondergutstraditionen besonders im großen Reisebericht darauf hinweisen
könnte, daß Q dem dritten Evangelisten in einer wesentlich erweiterten - vor
allem auch durch ganz andere Gattungen erweiterten - Gestalt vorlag«.37
Die Argumente gegen die Proto-Lukas-Hypothese wiegen jedoch m.E.
schwerer.38 Gerade für den lukanischen »Reisebericht«, der unten in Teil 5 im
Blickpunkt steht, ist eine vorlukanische Zusammenstellung von Q-Tradition
und Sondergut wenig wahrscheinlich, da es erst Lukas selbst war, der das
Reisemotiv überhaupt als Strukturelement eingebracht hat.39 Lukas selbst hat
also seine Überlieferungen als »Reisebericht« gestaltet.
Wie in der Arbeit des International Q Project wird daher auch in der vor-
liegenden Untersuchung die Proto-Lukas-Hypothese abgelehnt. Die Einfuh-
rung von »Proto-Lukas« bzw. »QLk« mag einzelne Detailbefunde leichter er-
klärbar machen, wirft aber ihrerseits schwerwiegende, nicht zu klärende Fra-
gen auf: Warum wurde die Tradition vom »Proto-Lukas-Redaktor« teils mas-
siv, teils gar nicht redigiert? Wer steht hinter der »Proto-Lukas-Rezension«?
Welche theologischen Leitlinien vertritt »Proto-Lukas«? usw. Angesichts
dieser Fragen ist die Rede von »Proto-Lukas« bzw. »QLk« in der Tat eine
»Verlegenheitshypothese«40.
Spezialliteratur
L. Aejmelaeus, Wachen vor dem Ende. Die traditionsgeschichtlichen Wurzeln von 1. Thess
5:1-11 und Luk 21:34-36 (SESJ 44), Helsinki 1985; — Die Rezeption der Paulusbriefe in
der Miletrede (Apg 20,18-35) (AASF Β 232), Helsinki 1987; T.L. Brodie, Towards Tracing
the Gospels' Literary Indebtedness to the Epistles, in: Mimesis and Intertextuality in Anti-
quity and Christianity (Studies in Antiquity and Christianity), ed. D.R. MacDonald, Harris-
burg, PA 2001, 104-116; M.S. Enslin, Luke, the Literary Physician, in: Studies in New Te-
stament and Early Christian Literature. FS Allen P. Wikgren (NT.S 33), Leiden 1972, 135-
143; J. Knox, Acts and the Pauline Letter Corpus, in: Studies in Luke-Acts. FS Paul Schubert,
Nashville, TN/New York 1966, 279-287; J. Kobes, Minderheit als Macht. Juden in der Aus-
einandersetzung mit Paulus in Kleinasien, in: Ethnische und religiöse Minderheiten in
Kleinasien. Von der hellenistischen Antike bis in das byzantinische Mittelalter (Mainzer
Veröffentlichungen zur Byzantinistik 2), hg.v. P. Herz/J. Kobes, Wiesbaden 1998,43-75; W.
Schenk, Luke as Reader of Paul: Observations on his Reception, in: Intertextuality in Biblical
Writings. FS Bas van Iersel, Kampen 1989, 127-139.
U m die Quellenbenutzung des Lukas zu erfassen, muß auch die Frage gestellt
werden, ob er die Paulus-Briefe gekannt hat. H J . Holtzmann bejaht dies u.a.
mit dem Hinweis auf Lk 10,7 f. und 1 Kor 9,5-14; 10,27/" Allerdings betont
Holtzmann die »nur äußerliche Art, wie paulin. Ideen von der lucanischen
Darstellung zuweilen aufgegriffen und angebracht werden.« 42 Auch J. Knox,
M.S. Enslin, L. Aejmelaeus, W. Schenk und T.L. Brodie nehmen an, Lukas
habe Paulus-Briefe gekannt, 43 während sich jedoch die Mehrheit der Exegeten
dagegen ausspricht. 44 Das Verhältnis des Lukas zu Paulus ist wohl ähnlich
dem der Pastoralbriefe zu dem Apostel. In der dritten urchristlichen Generati-
on besteht großes Interesse am Rückbezug auf die Person des Apostels und
die durch ihn verbürgte Tradition, aber nicht so sehr an der in seinen eigenen
Briefen zur Sprache kommenden Theologie. 45
Spezialliteratur
J. Becker, Geisterfahrung und Christologie - Ein Vergleich zwischen Paulus und Johannes,
in: Antikes Judentum und Frühes Christentum. FS Hartmut Stegemann (BZNW 97), Ber-
lin/New York 1999, 428-442; R.E. Brown/J.P. Meier, Antioch and Rome. New Testament
Cradles of Catholic Christianity, New York/Ramsey, NJ 1983; J. Frey, Vier neue Kommentare
zum Jobannesevangelium, BZ NF 43 (1999) 255-259; A. von Harnack, Beiträge zur Einlei-
tung in das Neue Testament. IV. Neue Untersuchungen zur Apostelgeschichte und zur Ab-
fassungszeit der synoptischen Evangelien, Leipzig 1911; H. Klein, Zur Frage nach dem Ab-
fassungsort der Lukasschriften, EvTh 32 (1972) 467-477; P. Lampe, Acta 19 im Spiegel der
ephesischen Inschriften, BZ 36 (1992) 59-76; RE. Oster Jr., Art. Ephesus, ABD 2 (1992)
542-549; P. Pilhofer, Philippi. I: Die erste christliche Gemeinde Europas (WUNT 87), Tü-
bingen 1995; R. Seiinger, Die Demetriosunruhen (Apg. 19,23-40). Eine Fallstudie aus
rechtshistorischer Perspektive, ZNW 88 (1997) 242-259; P. Southern, Domitian: Tragic
Tyrant, London/New York 1997; W. Thiessen, Christen in Ephesus. Die historische und
theologische Situation in vorpaulinischer und paulinischer Zeit und zur Zeit der Apostelge-
schichte und der Pastoralbriefe (TANZ 12), Tübingen 1995; D. Trobisch, Die Entstehung der
Paulusbriefsammlung. Studien zu den Anfängen christlicher Publizistik (NTOA 10), Frei-
burg (Schweiz)/Göttingen 1989; J. Ulrich, Euseb, HistEccl ΠΙ, 14-20 und die Frage nach der
Christenverfolgung unter Domitian, ZNW 87 (1996) 269-289.
Aufgrund von Lk 19,41-44; 21,20-24 wird heute allgemein gefolgert, daß Lu-
kas nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahr 70 n.Chr. schrieb.
D a er die Paulusbriefsammlung, die etwa seit 100 n.Chr. im Umlauf war, 46
nicht kannte, kann man davon ausgehen, daß Lukas sein Evangelium und die
Apostelgeschichte in der Regierungszeit von Kaiser Domitian ( 8 1 - 9 6 n.Chr.)
verfaßte. 47
Vor allem aus der lückenhaften Kenntnis Palästinas kann geschlossen wer-
den, daß Lukas weder in Palästina aufgewachsen ist noch dort seine Bücher
verfaßte. 48 Wo hat Lukas aber dann geschrieben? Vorgeschlagen wurden An-
49 Vgl. Schneider, Evangelium nach Lukas, 34 (»in Kleinasien oder Griechenland, viel-
leicht aber auch in Antiochia«); ders., Apostelgeschichte I, 121. Außer Gal 2,11 und 2
Tim 3,11 wird die Hauptstadt der Provinz Syriens im Neuen Testament nur noch in der
Apostelgeschichte erwähnt: 6,5; 11,19-30; 13,1-3; 14,26; 15,22 f. 30. 35; 18,22. Aller-
dings ist es kanongeschichtlich schwer vorstellbar, daß das lukanische Doppelwerk in An-
tiochia entstanden, nicht rezipiert, aber dennoch weiterhin tradiert worden wäre. Denn das
Matthäusevangelium wurde mit großer Wahrscheinlichkeit in Antiochia verfaßt, und so-
wohl Ignatius von Antiochien als auch die Didache setzen die matthäische Form des Evan-
geliums voraus. Vgl. Brown/Meier, Antioch*, 25-27; Kümmel, Einleitung, 90; Schnelle,
Einleitung, 265 f. (Syrien als Entstehungsort, dem Matthäusevangelium sei jedoch eine ge-
nauere Bestimmung nicht zu entnehmen).
50 Aufgrund der von Lukas bewiesenen ungewöhnlich guten Kenntnis der Stadt Philippi
(vgl. Apg 16,9-40; 20,6) nimmt P. Pilhofer (Philippi*, 153-205. 248-254) an, daß Lu-
kas aus Philippi stammte und dort auch sein Doppelwerk verfaßte, in einer römischen
Militärkolonie in der Provinz Makedonien. Dazu würde passen, daß es in Philippi schon
früh eine Sammlung der Paulus- und der Ignatiusbriefe gab, wie aus dem Schreiben des
Polykarp von Smyrna an die Philipper hervorgeht (3,2; 13,1 f.). Vgl. aber die Einwände
gegenüber der These Pilhofers bei Broer, Einleitung, 134 f.
51 Vgl. die Überblicke bei Kümmel, Einleitung, 120; Schneider, Apostelgeschichte I, 121;
Schnelle, Einleitung, 288; Thiessen, Christen in Ephesus*, 236-247.
52 Zum frühen Christentum in Kleinasien vgl. Oster Jr., Christianity.
53 Theißen/Merz, Jesus, 48. Zur städtischen Perspektive im lukanischen Doppelwerk vgl.
auch unten S. 254-258.
54 So auch Thiessen, Christen in Ephesus*, 226-236. Lindemann läßt die Frage nach dem
Entstehungsort des Lukasevangeliums zwar offen, vermutet aber »Ephesus, möglicher-
weise auch Philippi« als Abfassungsort der Apostelgeschichte. Vgl. Conzel-
mann/Lindemann, Arbeitsbuch, 344. 360.
55 Vgl. 1 Kor 16,8 f. Paulus erwähnt Ephesus sonst jedoch nur noch 1 Kor 15,32. Die Be-
deutung der Stadt fur ein sich auf Paulus berufendes Christentum spiegeln Eph 1,1 (auch
wenn die Adresse als sekundär beurteilt wird, unterstreicht das nur die Bedeutung der
Stadt fur die nachpaulinische Theologie); 1 Tim 1,3; 2 Tim 1,18; 4,12. Im Neuen Te-
stament wird Ephesus sonst nur noch Offt» 1,11; 2,1 genannt.
56 Belege bei Oster Jr., Ephesus*, 549; Schnelle, Einleitung, 519 f., Anm. 120; Schürer,
History ΠΙ/1, 22 f.; Thiessen, Christen in Ephesus*, 15-17.
57 Vgl. Apg 18,19-21.24-27; 19,1-20,1.(16-38); 21,29.
58 Seiinger, Demetriosunruhen*, 259. Vgl. auch Lampe, Acta 19*, 66. 76: »Apg 19 wird
... von jemandem verfaßt, der bestens mit der ephesischen Szene vertraut ist. ... Lukas
selber als hellenistischem Autor ist ein Großteil der guten Lokalkenntnis anzurechnen.«
§ 4 Das lukanische Doppelwerk 25
59 Vgl. Schnelle, Einleitung, 518-520; Frey, Kommentare*, 259 (zu neueren Joh-Kom-
mentaren von F.J. Moloney, L. Schenke, U. Schnelle und U. Wilckens: Ȇbereinstim-
mend vertreten die vier Ausleger eine Abfassung des Joh in Ephesus.«). U.a. gegen Bek-
ker, Geisterfahrung*, 439-442; Kümmel, Einleitung, 211 f. (212: »irgendwo in Syrien«),
60 Vgl. Kümmel, Einleitung, 167-170, bes. 169; Schnelle, Einleitung, 540-544, bes. 543.
61 Vgl. die Übersicht bei Schnelle, Einleitung, 395-399, bes. 398. Vgl. femer Trobisch,
Entstehung*, 115-117. 128-132.
Teil 3
Methoden
Spezialliteratur
K. Fitschen, Serapion von Thmuis. Echte und unechte Schriften sowie die Zeugnisse des
Athanasius und anderer (PTS 37), Berlin/New York 1992.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, einen Beitrag zur Theologie
des Lukas zu leisten, vor allem anhand der Leitfrage, wie Lukas Q redigiert
hat. Damit kommt in dieser Arbeit der redaktionsgeschichtlichen Methode die
Priorität zu. Aber auch die anderen exegetischen Methoden werden angewen-
det: Literarkritik bei der Rekonstruktion des Q-Textes (in enger Anlehnung
an die Critical Edition of Q) oder formgeschichtliche Gattungsanalyse bei der
Frage, welchen Gattungen Q und das Lukasevangelium angehörten und wie
Lukas die Gattung von Q rezipiert hat. Literaturgeschichtlich wird gefragt,
wie die lukanische Q-Rezeption mit zeitgenössischen Redaktionsprozessen
vergleichbar ist. Einsichten aus der Sprach- und Literaturwissenschaft sowie
aus der antiken Sozialgeschichte werden eingebracht, wo es sich anbietet.
Zunächst muß festgestellt werden, daß zur Erhebung des theologischen
Profils des Lukasevangeliums die diachron ausgerichtete Methodik, also vor
allem die klassische »historisch-kritische Methode« unaufgebbar ist. Was J.
Weiß vor mehr als hundert Jahren in bezug auf die historische Verwertbarkeit
der Apostelgeschichte bemerkte, gilt auch für die Beschreibung der lukani-
schen Theologie:1
Wichtig ist aber, dass ein Mann, der den Inhalt der Predigt des Paulus so definieren kann:
περί δικαιοσύνης και έγκρατείας και του κρίματος του μέλλοντος, wenig Zusammen-
hang mit dem eigentlichen Urchristentum mehr hat. ... Wer es [sei. die Apg] historisch nut-
zen will, muss doch auf seine Quellen zurückgehen und das kann nur, wer den Bearbeiter
von ihnen zu unterscheiden versteht. Darum bleibt die Arbeit der Quellenforschung notwen-
dig, und sie wird sicherlich noch zu brauchbaren Ergebnissen fuhren.
Daß die literarkritische Quellenforschung, die ja eine Voraussetzung der Re-
daktionskritik ist, ordentliche Ergebnisse liefern kann, sei durch ein Beispiel
illustriert:2
Der Manichäertraktat Serapions [von Thmuis, 4. Jh.] ist bis vor etwa hundert Jahren nur sehr
verkürzt bekannt gewesen. ... Möglich war [die] Rekonstruktion [des vollständigen Textum-
fangs], weil der uns heute bekannte restliche Text von Serapions Werk nicht verloren, son-
dern durch Quatemionenvertauschung in den Manichäertraktat des Titus [von Bostra, 4. Jh.]
eingegangen war. ... Nachdem Brinkmann die Blatt- und Quaternionenvertauschungen be-
hoben hatte, war Serapions Streitschrift bis auf ein Blatt wiederhergestellt. Vollends bestätigt
wurde diese Rekonstruktion durch eine genaue Begutachtung des Codex Athos Vatopedi 236
(12. Jhd.), in dem Casey den Serapion-Text vollständig und in richtiger Ordnung fand.
Dies ist gewiß ein seltenes Beispiel für die Bestätigung komplexer text- und
literarkritischer Hypothesen durch einen tatsächlichen Handschriftenfund.
Auch und gerade weil dies für Q nicht mehr zu erhoffen ist, zeigt das Bei-
spiel, daß die Quellenkritik nicht mit (postmoderner) Überlegenheitsgeste
abgelehnt werden sollte. 3
Ausführlicher sollen nun zwei methodische Vorgehensweisen betrachtet
werden, die in der vorliegenden Untersuchung bevorzugt angewendet wer-
den: die redaktionsgeschichtliche Interpretation und die literaturgeschichtli-
che Situierung.
Spezialliteratur
D.R. Catchpole, Source, Form and Redaction Criticism of the New Testament, in: Handbook
of Exegesis of the New Testament (NTTS 25), ed. S.E. Porter, Leiden 1997, 167-188; E.
Haettchen, Einführung, in: ders., Die Bibel und wir. Gesammelte Aufsätze. Zweiter Band,
Tübingen 1968, 1-12; O. Merk, Art. Redaktionsgeschichte / Redaktionskritik. II. Neues Te-
stament, TRE 28 (1997) 378-384; H. Merldein, Die Heilung des Besessenen von Gerasa
(Mk 5,1-20). Ein Fallbeispiel für die tiefenpsychologische Deutung E. Drewermanns und die
historisch-kritische Exegese, in: ders., Studien zu Jesus und Paulus II (WUNT 105), Tübin-
gen 1998, 190-210; P.-G. Müller, Conzelmann und die Folgen. Zwanzig Jahre redaktionsge-
schichtliche Forschung am Lukas-Evangelium, BiKi 28 (1973) 138-142; M.A. Powell, To-
ward a Narrative-Critical Understanding of Luke, in: Gospel Interpretation. Narrative-Criti-
cal and Social-Scientific Approaches, ed. J.D. Kingsbury, Harrisburg, PA 1997, 125-131;
J.M. Robinson, Zur Gattung des Markus-Evangeliums, in: ders., Messiasgeheimnis und Ge-
schichtsverständnis. Zur Gattungsgeschichte des Markus-Evangeliums (TB 81), München
1989, 126-148; G. Sellin, Das lebendige Wort und der tote Buchstabe. Aspekte von Münd-
lichkeit und Schriñlichkeit in christlicher und jüdischer Theologie, in: Logos und Buchstabe.
Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Judentum und Christentum der Antike (TANZ 20),
hg.v. G. Sellin/F. Vouga, Tübingen 1997, 11-31; G.N. Stanton, Redaction Criticism: the End
of an Era?, in: ders., A Gospel for a New People. Studies in Matthew, Edinburgh 1992, 23-
53.
U. Luz hat vor kurzem festgestellt, daß die historische Kritik die Bibel »ato-
misiert« habe: »An die Stelle der Einheit der Bibel als v o m Logos durch-
wirktes Wort Gottes trat eine Vielzahl von Texten sehr verschiedener Verfas-
ser aus sehr verschiedenen Situationen«. 1 Das trifft wohl insbesondere auf die
Synoptiker- und hier noch einmal in verstärktem Maße auf die Q-Forschung
zu. Negativ ist dies jedoch nur zu sehen, wenn auf die analytische »Atomi-
sierung« 2 keine rekonstruierende Synthese folgt. Das Ziel der redaktionsge-
schichtlichen Methode ist ja nicht, Textfragmente auf ihre Herkunft aus »Tra-
dition« und »Redaktion« festzulegen. D i e s ist der Weg, aber das Ziel ist, auf-
grund solcher Analysen die sozialen, sprachlichen und vor allem theologi-
1 Luz, Bibel, 324. Vgl. auch ebda., 328: »Es gibt nicht Jesus, sondern nur den von Markus,
Matthäus, Paulus, Johannes, Orígenes usw. ausgelegten und interpretierten Jesus. Der
>wirkliche< Christus des Neuen Testaments ist kein anderer als der interpretierte und
Sprache gewordene Christus z.B. des Paulus, des Markus oder anderer.«
2 Vgl. die Polemik bei Hengel/Schwemer, Paulus, 59, Anm. 210: »In kaum einem Gebiet
hat die »analytische Phantasie< in den letzten 20 Jahren solche Blüten getrieben wie in
der Q-Forschung.« Ahnlich A.J. McNicol, ein Vertreter der Neo-Griesbach-Hypothese
aus der »Farmer-Schule«, in seiner Rezension von Carruth/Garsky, Q l l :2b-4: »This
work brings the process of atomization of the biblical text going on since the Enlighten-
ment to a new level« (RStR 24 [1998] 83).
§ S Die redaktionsgeschichtliche Interpretation 29
sein, daß das Ziel die Erklärung des Werkes in seiner jetzigen Gestalt, nicht die Erhebung
etwaiger Vorlagen oder historischer Fakten, welche vor ihm liegen, ist. Disparatheit von
Quellenstoffen bedeutet ja nicht einfach eine solche auch im Denken und Gestalten des Au-
tors. Wie kam es denn, daß er gerade diese Stoffe zusammenband? Vermochte er ihnen seine
eigene Anschauung einzuprägen? Hier leistet die Analyse der Quellen den notwendigen
Dienst, das Eigentum des Autors von der Vorlage abheben zu helfen.
Für den »Primat der Synchronie« in der neutestamentlichen Exegese müssen
also nicht erst Literaturwissenschaft und Kommunikationstheorie bemüht
werden. Schon H. Conzelmann hat dieses methodische Prinzip favorisiert,
allerdings ohne die Synchronie gegen die Diachronie auszuspielen, wie es
heute nicht selten geschieht. Werden Texte allein synchron untersucht, endet
dies meist in einer mehr oder weniger geistreichen »Nacherzählung«. Das
theologische Profil eines neutestamentlichen Textes kann nicht ohne Rück-
sicht auf seine diachronen Entstehungsbedingungen erhoben werden. Lukas
selbst war z.B. Leser (des Markusevangeliums, von Q, der Septuaginta usw.)
und hat andere Texte rezipiert.
Man darf also nicht voraussetzen, daß in Kompilationen wie dem Lukas-
evangelium und der Apostelgeschichte, in der der Redaktor vorgegebene, be-
reits mit apostolischer Autorität versehene Texte sammelt und mit unter-
schiedlicher - sich von Buch zu Buch verstärkender — Intensität bearbeitet,
jede Textstelle (ob aus der Vorlage übernommen oder zur Bearbeitungs-
schicht gehörig) in gleicher Weise die Intentionen des Redaktors widerspie-
gelt. Eine Analyse der Bearbeitungsschicht läßt die Absichten des Redaktors
und seines Textes entschieden deutlicher zutage treten.8
Das Argument, daß die Vorlagen dem Redaktor möglicherweise nicht in
derselben Form zugänglich waren, wie sie heute überliefert sind, wiegt ohne
philologischen Nachweis wenig.9 Für das Lukasevangelium, dessen Bearbei-
tung etwa 75% des Textcorpus des Markusevangeliums ausmacht, läßt sich
weitgehende Übereinstimmung zwischen den Vorlagen des Lukasevangeli-
ums und des überlieferten Markusevangeliums wahrscheinlich machen.10
H. Schürmann hat im Vorwort zu seinem großen Lukas-Kommentar fol-
11 Schürmann, Lukasevangelium I, v.
12 Vgl. Wendel, Gemeinde, 111-119 (»Möglichkeiten und Grenzen der Redaktionskritik«),
bes. 119.
13 Merklein, Heilung*, 198 f.
32 Methoden
Spezialliteratur
D.L. Balch, Comments on the Genre and a Political Theme of Luke-Acts: A Preliminary
Comparison of Two Hellenistic Historians, in: SBL.SP 1989, 343-361; T.L. Brodie, Greco-
Roman Imitation of Texts as a Partial Guide to Luke's Use of Sources, in: Luke-Acts. New
Perspectives from the Society of Biblical Literature Seminar, ed. C.H. Talbert, New York
1984, 17-46; F.G. Downing, A Paradigm Perplex. Luke, Matthew and Mark (1992), in:
ders., Doing Things with Words in the First Christian Century (JSNT.S 200), Sheffield 2000,
174-197; M.D. Goulder, Luke's Compositional Options, NTS 39 (1993) 150-152; S.L. Mat-
tila, A Question Too Often Neglected, NTS 41 (1995) 199-217; DP. Moessner, Suffering,
Intercession and Eschatological Atonement: An Uncommon Common View in the Testa-
ment of Moses and in Luke-Acts, in: The Pseudepigrapha and Early Biblical Interpretation
(JSPE.S 14; Studies in Scripture in Early Judaism and Christianity 2), eds. J.H. Charles-
worth/C.A. Evans, Sheffield 1993, 202-227.
Für Autoren in der Umwelt des Lukas war es gang und gäbe, schriftliche
Vorlagen zu verwenden.1 In der redaktionsgeschichtlichen Forschung der
letzten vier Jahrzehnte wurde jedoch selten der Versuch gemacht, die eruierte
lukanische Redaktion mit zeitgenössischen Beispielen zu illustrieren.2
M. Krenkel3 schrieb, man werde
bei Lukas dasselbe Verfahren voraussetzen müssen, welches wir bei Schriftstellern, deren
Leistungen über das Mittelmass hinausgehen, gewöhnlich da wahrnehmen, wo sich ihre Tä-
tigkeit im Wesentlichen auf Umarbeitung eines schon von Früheren behandelten Stoffes be-
schränkt. Charakteristisch ist für solche die sich auf Schritt und Tritt bemerklich machende
Scheu, zu blossen Abschreibern und Plagiatoren herabzusinken, und das angelegentliche
Bemühen, bei aller Anlehnung an ihre Vorlage doch ihre Selbständigkeit, so weit nur immer
möglich, zu wahren. Dies hat zur Folge, dass sie sich nicht selten willkürliche Abänderungen
1 Vgl. Sandy, Greek World, 61 [für den lateinischen Westen]: »The reliance of even crea-
tive writers on books is evident as early as the times of Catullus and Ovid. Cicero prepa-
red for his philosophical writings by reading in the private libraries of friends.«
2 1996-2001 widmete sich die von D.P. Moessner und G.E. Sterling geleitete »Luke-Acts
Group« der Society of Biblical Literature genau diesem Desideratum.
3 Krenkel, Josephus, 33 f. Krenkel (ebda., 337) nahm an, daß Lukas sämtliche Werke des
Josephus kannte; Mason (Flavius Josephus, 271. 312. 322-325) glaubt, daß Lukas zu-
mindest »etwas« vom Werk des Josephus kannte. Dies ist jedoch unwahrscheinlich. Vgl.
Cadbury et al., Identity, 355-358 (357 f.: »The argument that Luke used Josephus is not
quite conclusive.«); Hemer, Book of Acts, 94 f.; Hengel/Schwemer, Paulus, 15; Park,
Johannes, 75: »Die Beziehung zwischen Josephus und Lukas könnte ... durch eine Le-
serverwandtschaft erklärt werden: nämlich durch ein Milieu, das vergleichbare politi-
sche Urteilskraft und vergleichbare Interessen hatte« (so auch ebda., 77 f. 194 f.);
Schreckenberg, Flavius Josephus und die lukanischen Schriften, passim; ders., Josephus
in Early Christian Literature, 51 f. Abgesehen von der Frage einer literarischen Abhän-
gigkeit soll es in diesem Paragraphen nur um die Ähnlichkeit in der literaturgeschichtli-
chen Situierung von Q, Lukasevangelium und anderen zeitgenössischen Schriften gehen.
34 Methoden
gestatten, hier einen nebensächlichen Zug streichen, dort einen andern hinzufügen, manches
von dem Vorgänger nur Angedeutete weitläufig ausspinnen, dagegen breitere Ausführungen
desselben kurz zusammenziehen.
Dieses Urteil wird auch von G. Sandy bestätigt:4
Free adaption rather than translation of classical literary works and technical treatises was
the standard practice in the schools during the Roman Imperial period, and consequently it
comes as no surprise that Latin >translators< took great liberties with their Greek models.
Seneca encapsulates the practice of what can be called agglutinative adaption.
Hier zitiert G. Sandy Seneca, Ep. 84,5:5
Auch wir müssen diese Bienen nachahmen und, was immer wir aus verschiedener Lektüre
zusammengetragen haben, trennen - besser nämlich läßt es sich gesondert aufbewahren - ,
sodann Sorgfalt sowie Einfallsreichtum unseres Verstandes anwenden und in einen einzigen
Geschmack jene verschiedenartigen Lesefrüchte zusammenfließen lassen; dadurch wird es -
auch wenn deutlich ist, woher es stammt - dennoch offenkundig etwas anderes sein als das,
woher es genommen ist.
Ein letztes Beispiel sei genannt, und zwar der Roman des Longos: »Daphnis
und Chloe« (um 200 n.Chr.). O. Schönberger bemerkt zur Rede des Philetas
in II 3,2-6,2: 6
Dieses Beispiel zeigt, in welch virtuoser Weise Longos das ihm gegenwärtige Material auf-
greift, seinem Stoff anpaßt und es in seine Darstellung einschmilzt. Man erkennt, wie der
Stoff und das Einzelmotiv zwar »entlehnt«, aber so bewältigt sind, daß sie Eigentum des
Longos scheinen. Dabei wahrt Longos immer so viel von dem Nachgeahmten, daß man das
Zitat erkennt.
Es liegt nun nahe zu fragen, ob sich auch bei Lukas ähnliche schriftstelleri-
sche Vorgehensweisen nachweisen lassen. F.G. Downing verglich z.B. die
redaktionellen Charakteristika des Josephus in seinen Antiquitates mit der des
Lukas in seinem Evangelium.7 Zunächst analysierte Downing kurz das Vor-
gehen und die offensichtlichen Intentionen des Josephus: seine Auslassungen,
Hinzufiigungen, Umstrukturierungen, Kompilationen und Neukompositionen.
Einige theologische und apologetische Motive sind leicht zu erkennen; der
generelle Eindruck ist der, daß hier eine harmonische und fortlaufende Er-
zählung geschaffen wurde, die einen einfachen Hintergrund für die »Bot-
schaft« des Josephus abgeben sollte. Downing kommt zum Ergebnis, daß die
Intentionen und »Tendenzen« des Josephus meist mit denen des Lukas (wie
auch denen des Dionysius von Halikarnaß) identisch sind. Dieses Ergebnis
bedeutet auch ein Argument für die Zweiquellentheorie: Anhand der redak-
tionellen Tätigkeit des Josephus kann illustriert werden, wie auch der »Histo-
riker« Lukas mit seinen Quellen Markusevangelium und Q umging. Die Re-
4 Sandy, Greek World, 72. Vgl. auch Dion von Prusa, Olympische Rede, hg.v. Klauck,
176-179 (179: Dions zwölfte Rede als »ein Text über Texte«),
5 Seneca, Philosophische Schriften, hg.v. Rosenbach, Band 4, 224-227.
6 Longos. Hirtengeschichten von Daphnis und Chloe, hg.v. Schönberger, 306.
7 Vgl. Downing, Redaction Criticism, I and II.
§ 6 Die literaturgeschichtliche Situierung 35
daktion des Lukas, die im »Paradigma« M.D. Goulders oder in der Gries-
bach-Hypothese vorausgesetzt wird, hat keine Analogie bei Josephus oder
anderen antiken Autoren.8
Der Vergleich mit Josephus ist auszuweiten auf das gesamte hellenistische
Judentum, zu dem Lukas in einer ungewöhnlich engen religiösen und literari-
schen Beziehung zu stehen scheint.9 Schließlich muß natürlich auch die nicht-
jüdisch-griechische Literaturgeschichte befragt werden, inwieweit sich von
ihr her die redaktionelle Arbeit des Lukas verständlich machen läßt. So hat
etwa D.L. Balch das lukanische Werk mit dem des Dionysios von Halikarnaß
verglichen;10 R. Morgenthaler stellte Lukas und Quintilian gegenüber."
Die Frage nach konkreten Vorbildern bzw. Parallelen für die lukanische
Redaktion in der frühjüdischen und griechisch-römischen Umwelt ist bisher
jedoch nur punktuell angegangen worden und soll daher in dieser Untersu-
chung besonders beachtet werden.12
FINE.
ADELIA
NOVELLA
DI ULISSE BARBIERI
ADELIA
CAPITOLO I.
*
**
È mezzanotte!... la luna che ha irraggiata quella scena, ha nascosta
la sua faccia luminosa in seno a fosche nubi. Da che ritorse inorridita
il suo raggio?... Dalle socchiuse griglie di un’altra casa s’ode un
tintinnìo di bicchieri... grida... un nome... poi uno scoppio di risa... poi
una parola mormorata da due labbra nello scambio di un bacio:
Povera Adelia!