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DIE EPOCHE DES Dr.

Szabó Erzsébet
REALISMUS 
Quelle: https://wortwuchs.net/literaturepochen/
REALISMUS
a) als Stilbegriff
= wirklichkeitsnahe, realitätsnahe Darstellungsweise
+ In diesem Sinne in allen Epochen enthalten von der Antike bis zur
Gegenwart (von Homer bis Wolfgang Kutscher). Beispiele -> a), b) Gegenbeispiel: c)
b) als Epochenbegriff
= Die Periode zwischen 1830-1890 in Europa.
England: Emily Brontë, Charles Dickens, Wiliam Makepeace Thackeray, Henry James
Frankreich: Gustave Flaubert, Honoré de Balsac, Guy de Maupassant, Stendhal
Amerika: Herman Melville, Mark Twain
Russland: Lew Tolstoi, Anton Tschechow, Fjodor Dostojewski
Ungarn: Mikszáth Kálmán, Báró Eötvös József, Kemény Zsigmond, Gárdonyi Géza
Deutschland: Theodor Fontane, Gottfried Keller, Friedrich Hebbel, Theodor Storm, Adalbert Stifter usw.
a) „Die Haustür knarrte, durch den Flur ging es, langsamen,
schweren, dröhnenden Schrittes nach der Treppe. Die Mutter eilte
mit dem Geschwister mir vorüber. Leise – leise öffnete ich des
Vaters Stubentür. Er saß, wie gewöhnlich, stumm und starr den
Rücken der Türe zugekehrt, er bemerkte mich nicht, schnell war
ich hinein und hinter der Gardine, die einem gleich neben der Türe
stehenden offnen Schrank, worin meines Vaters Kleider hingen,
vorgezogen war. – Näher – immer näher dröhnten die Tritte – es
hustete und scharrte und brummte seltsam draußen. Das Herz
bebte mir vor Angst und Erwartung. – Dicht, dicht vor der Türe
ein scharfer Tritt – ein heftiger Schlag auf die Klinke, die Tür
springt rasselnd auf! – Mit Gewalt mich ermannend, gucke ich
behutsam hervor.” (E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann)
b) LAS MENINAS („die Hoffräulein“) ist ein Gemälde des spanischen Malers Diego Velázquez, 1656.
c) Pablo Picasso,
1957,
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VARIATIONEN
DER MENINAS
GLEIDERUNG DER VORLESUNG

● 1. Sozialer, ökonomischer, politischer,


kultureller Hintergrund der Epoche
● 2. Periodisierung
● 3. Die Theorie des Realismus
I. SOZIALER, ÖKONOMISCHER, POLITISCHER
UND KULTURELLER HINTERGRUND

Allgemeine Charakteristik:

Die Zeitgenossen erleben abrupte Veränderungen, DOCH


besitzen die Kräfte der Tradition, der überlieferten
Ordnung in der Gesellschaft noch das Übergewicht.
HTTPS://WWW.YOUTUBE.COM/WATCH?V=B-M9A8MY-U0 BERLIN UM
1900, KURZ NACH DEM ENDE UNSERER EPOCHE
a) Bevölkerungsexplosion
b) Urbanisierung (Verstädterung)
c) Industrialisierung
d) Ausbildung der Modernen Klassengesellschaft,
verschiedene Lebenswelten
e) Veränderungen im Bereich Kommunikation und Mobilität
f) Veränderte Mentalität des Bürgertums: Resignation +
Realpolitik
g) Reichsgründung, Entstehung des Deutschen Reichs
h) Aufschwung der Naturwissenschaften
a) Bevölkerungsexplosion HTTPS://STUDLIB.DE/5435/SOZIAL/BEVO
LKERUNGSZAHL
Rasches Wachsen der
Bevölkerung.
Wechsel vom
Bevölkerungsmodell der
Agrargesellschaften (die Zahl
der Geburte und Sterbefälle ist
sehr hoch) auf das Modell der
Industriegesellschaften
(sinkende Sterberate).


b) Urbanisierung (Verstädterung)
Der Anteil der Stadtbewohner nahm ständig zu. Die
arbeitslose Landbevölkerung strömt in die Städte. Die
Städte wuchsen rapide weit über ihre alten Begrenzungen
und Mauern hinaus (Beispiel: Wien)
Seit 1858:
Demolierung der
alten
Stadtbefestigung
,
Stadterweiterung
c) Industrialisierung
Die moderne Industriegesellschaft entsteht.

 Anfangs (bis 1870): sich industrialisierende Klein- und Mittelbetriebe in den


Kleinstädten.
 Nach der Gründung des deutschen Reichs (1871-1890): = Ära der
Hochindustrialisierung oder „Gründerzeit”. Die Großindustrie übernahm die
Führungsrolle. -> außerordentlicher Wirtschaftsaufschwung. Das Ruhrgebiet
entwickelte sich zu einem der größten Industrieräume in Europa. Deutsche
Großfirmen wie Krupp, Klöckner, Mannesmann im Ruhrgebiet, Borsig in Berlin
erlangten Weltruhm. Die wirtschaftliche Entwicklung führte zum Aufschwung der
Großbanken und des Handels.


DAS RUHRGEBIET
KARL EDUARD BIERMANN: DIE BORSIGSCHE
MASCHINENBAU-ANSTALT, 1847
d) Ausbildung der Modernen Klassengesellschaft, verschiedene
Lebenswelten
- Entstehung der Arbeiter und Kapitalistenklasse.
Klasse: Karl Marx (Ökonomischer Ansatz): Der Besitz an den Produktionsmitteln ist das entscheidende
Kriterium, das die Zuordnung zur Arbeiter- oder Kapitalistenklasse bestimmt; Max Weber (Kultureller
Ansatz): Auch Subjektive, Kulturelle, Geistige Faktoren spielen bei der Zuordnung eine Rolle.
Mietskaserne in Berlin
-Reichtum vs. Massenarmut.

Anton von Werner: 70. Geburtstag des Textilfabrikanten


Valentin Manheimer am 13. Juli 1885
e) Veränderungen im Bereich Kommunikation und
Mobilität
Ausbau des Straßennetzes und der Schifffahrtswege,
rasch wachsende Bedeutung der Eisenbahn (-> Bahn vs. Kutsche),
Erfindung der drahtlosen Telegraphie,
verwaltungstechnische Vereinheitlichungen im Bereich von Handel,
Geldverkehr und Post
 führten zu einer neuen Wahrnehmung von Raum und Zeit und zu
einer tiefgreifenden „Orientierungskrise” im Bewußtsein der
Zeitgenossen (Plumpe).
POSTKUTSCHE: FAST DAS GANZE JAHRHUNDERT
HINDURCH KONNTE SICH DIE POSTKUTSCHE
Bahn BEHAUPTEN.
BAYERISCHE POSTKUTSCHE:
1835: Die erste deutsche Bahn:
Nürnberg nach Fürth, sechs Kilometer
lang.

Bis 1850, also innerhalb von 15 Jahren,


wuchs sie auf 6044 km, 1860 waren
11.660 km erreicht und
1885 knapp 40.000 km.
Im Jahr 1910 hatte das deutsche
Schienennetz mit 61.148 km seine
größte Ausdehnung.
f) Veränderte Mentalität des Bürgertums:
Resignation & Realpolitik
Enttäuschung des Bürgertums wegen der gescheiterten
bürgerlichen Revolution
-> veränderte Mentalität: Pessimismus und Realpolitik
a) Resignation, Pessimismus
 Modephilosoph der Zeit (in den Salons, Cafés werden seine
Werke diskutiert, bis heute einer der populärsten Philosophen):
Arthur Schopenhauer
 Schopenhauers Weltsicht ist pessimistisch
 Die Welt ist seiner Ansicht nach ein „Jammertal“, das Leben
der Menschen ist notwendigerweise voller Leid und Schmerz.
Alles Glück ist Illusion, alle Lust nur negativ. Warum?: Der
grundlegende Wesenszug des Menschen ist ein beständiges
Streben, Wünschen, Wollen. Dieses rastlose Streben kann
durch nichts in der Welt endgültig (nur für einen flüchtigen
Moment) befriedigt werden. Auch auf einen erfüllten Wunsch
folgt ständig ein neuer Wunsch. „Real und beständig sind wird
Sisyphos nur von den Göttern damit bestraft, einen Felsblock
auf einen Berg hinaufzuwälzen. Kurz bevor der Felsblock den
drei Dinge: die Sehnsucht, das Leiden und die Langeweile.”
Gipfel erreicht, entgleitet er ihm jedes Mal. Damit kann man das
Leben des Menschen vergleichen.
b) Realpolitik
 Ludwig August von Rochau, Publizist, Politiker
 Grundsätze der Realpolitik:,1853
 - Die Realpolitik wendet sich von allen idealisierenden und
idealistischen Träumen und Spekulationen, sowie von allen utopischen
Idealen (Freiheit, Gerechtigkeit, Gliechheit usw.) ab, nimmt sich die
Naturwissenschaften zum Vorbild, fühlt sich den Tatsachen verpflichtet.
 - Verwerfung der moralischen Dimension der Politik. Moral sei ein
ungeeignetes Mittel, politisches Handeln zu beurteilen. Moral gelte für den
privaten Bereich. Als Kriterium politischen Handels gelte allein der Erfolg
(„Die Politik ist die Kunst des Erfolgs, angewandt auf bestimmte stattliche
Zwecke”, Rochau).
 Aufgabe der Politik: Erhaltung und Ausbauung der Macht.
 Diese Haltung beschreibt die Bismarcks Strategie im Prozess der
Reichsgründung. 
g) Reichsgründung, Entstehung des Deutschen Reichs
Die Hauptfrage der Zeit: Entstehung eines einheitlichen deutschen Nationalstaates:
Großdeutsche Lösung oder kleindeutsche Lösung.
1871: Entstehung des deutschen Kaiserreichs unter preußischer Führung
(kleindeutsche Lösung):
 Drei Einigungskriege unter preußischer Führung:
 1864 gegen Dänemark und Schleswig-Holstein
 1866 gegen Österreich
 1870/1871 gegen Frankreich, das keine Ausdehnung Preußens über den Main hinaus
wünschte.
Proklamation Wilhelms I. von Preußen zum deutschen Kaiser am 18. Januar 1971 im
Spiegelsaal des Versailler Schlosses. (provokant, da der Spiegelsaal der traditionelle
Krönungsraum der französischen Könige war)
 Deutsches Reich ist der Name des deutschen Nationalstaates zwischen 1871 und 1945.
ANTON VON WERNER: PROKLAMATION DES DEUTSCHEN KAISERREICHES IM
SPIEGELSAAL VON SCHLOSS VERSAILLES  
h) Aufschwung der Naturwissenschaften
Röntgen: Röntgenstrahlen,
Doppler: Doppler-Effekt
Hertz: Elektrizitäslehre
Koch: Bakteriologie,
Diesel: Dieselmotor
Braun: drahtlose Telegraphie
Maxwell: elektromagnetische Theorie des Lichts
Pasteur: Verfahren des Pasteurisierens
usw., usf.
 Exaktheit, Kausalitätsdenken werden auch in der Literatur immer bestimmender
i) Fotografie
Verbreitung der Fotografie

 Von 1840- bis in die 80er Jahre: Wettstreit der Medien (Foto, Zeichnungen, Gemälde:
z.B. bei Kriegsberichten)
 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Fotografie keine Luxus mehr., das Familienbild
oder das Gruppenfoto am Arbeitsplatz gehörte schon zum Alltag.
Die Fotografie stimulierte eine lebhafte Diskussion über die Grenzen und
Möglichkeiten des neuen Verfahrens auch im Unterschied zur Literatur
j) Panoramabilder:
 Das Panorama war die Massenunterhaltungsform des 19. Jahrhunderts, bis es nach 1900 von Kino
und Film verdrängt wurde. Die Rundbilder waren meist bis 15 m hoch, der Umfang überstieg oft die
100-Meter-Marke. Sie waren mit einem dreidimensionalen Vordergrund, Figuren und Requisiten
versehen. Sie zeigten Ansichten, etwa von Landschaften, Städten und Schlachten, die den Betrachter vor
allem ihrer Monumentalität sowie ihrer Realistik wegen beeindruckten. Sie waren Wandermedien, die
durch eine organisierte Unterhaltungsindustrie kommerziell genutzt wurden. In manchen Fällen wurden
sie in eigens errichteten ortsfesten Gebäuden untergebracht..
 Zu den noch existierenden Panoramen dieser Art zählen beispielsweise das Bourbaki-
Panorama in Luzern und das Jerusalem-Panorama Kreuzigung Christi in Altötting.

k) Operette, Wagnersche Oper



Die Phänomene der sich modernisierenden
Lebenswirklichkeit gingen jedoch kaum in die
realistische Literatur ein.
Diese ist durch eine Themenselektion ausgezeichnet und
artikulierte vor allem Themen, die in traditionellen
Orientierungsformen noch einzubinden waren. Sie
vermittelte den Zeitgenossen „verklärte Gegenwelten”
(Becker).
2. PERIODISIERUNG
FRÜHREALISMUS (1830-1848):
 Vorbereitungsphase. Bestimmte realistische Darstellungsweisen, Themen erscheinen, vereinzelte realistische
Werke, Anette von Droste Hülshoff, Jeremias Gotthelf

BLÜTEZEIT DES REALISMUS (1848-1870):


 Realismus wird zum vorherrschenden Paradigma der Literatur. Er artikuliert sich theoretisch und
programmatisch und grenzt sich gegen die Dichtung des Vormärz, des Jungen Deutschlands und der
Romantik polemisch ab. Theodor Storms Novellen, Hebbels Trauerspiele, Gottfried Kellers Grüner
Heinrich, Adalbert Stifter, Gustav Freytag, Paul Heyse, Wilhelm Raabe, Friedrich Spielhagen.

SPÄTREALISMUS (1870-1890):
 Spätphase. Verfahren, Themen erscheinen, die die klassische Moderne vorbereiten. Theodor Fontane
und Conrad Ferdinand Meyer treten mit ihren zentralen Werken hervor. In diese Periode fallen die späten
Werke von Raabe (Stopfkuchen) und Keller (Zürcher Novellen).
3. THEORIE DES REALISMUS

IST REALISMUS DIE REPRODUZIERENDE NACHAHMUNG


DES REALEN,
EINE EINFACHE KOPIE DER REALEN WELT?
NEIN, nicht ganz.
Den Gegenstand der Literatur bildet zwar tatsächlich das Reale.
 A) = Einfluss der Philosophie von Ludwig Feuerbach (1804-1872)
 Grundsätze der Philosophie der Zukunft , 1843
 "Der Geist der Zeit oder Zukunft ist der Geist des Realismus."
 Philosophie= "Wissenschaft der Wirklichkeit„. Er will "die Philosophie aus dem Reiche
der ,abgeschiedenen Seelen' in das Reich der bekörperten, der lebendigen Seelen wieder
einführen"
 "Wesen der neueren Zeit" = "die Vergötterung des Wirklichen, des materiell
Existierenden."  Sein Materialismus führt von der Idealität zur Realität.
 B) = Einfluss der Naturwissenschaften
Allerdings wird das Reale nicht einfach nur reproduziert.
  Kritik der Fotographie als einfache Kopie des Realen, a) sie erreicht nur die Oberfläche
der Welt, b) ist das Ergebnis eines maschinellen Prozesses, daher nur eine seelenlose, tote
Reproduktion des Wirklichen; c) das Nebensächliche ist genauso betont wie das Wichtigere
Die Literatur soll das Reale verklärend (idealisierend/geläutert) darstellen.
Warum? Und was bedeutet das? 
AUSGANGSPUNKT DER REALISTEN: DIE WELT IST
PROSAISCH GEWORDEN.

„Prosaische Welt”: Der Begriff stammt aus Hegels Geschichtsphilosophie der


1830er Jahre. Hegel meint, die moderne Welt sei prosaisch geworden, sie
enthalte keine Wunder, keine Poesie mehr, sie habe eine schönheitsfeindliche
Tendenz:
 „Wie die Fabriken (…) ein fressendes Gift in die Sittlichkeit des Volkes sind, die schöne
Einfalt der Sitten, das Familienverhältnis zwischen Meister und Geselle zerstören, so haben
sie der Handarbeit den Schwung des Formsinns entzogen, liefern Produkte von seelenlosen,
papiernem Gepräge und haben durch die Wohlfeilheit zur Vertilgung der Volkstrachten
beigetragen. (…) Nun alle übrigen neu erfundenen Mechanismen, die Guillotine hat selbst
die Todesstrafe zur Maschinensache, den Kopf zum Kohlhaupte gemacht, die Eisenbahnen
verdrängen den rüstigen Gang, den männlichen Ritt, selbst vom Wagen das feurige Pferd,
und fehlt nur noch, daß man Menschen mit Dampf mache und die Liebe aus dem Leben
schwinde.” (Friedrich Theodor Vischer: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen )
VERKLÄRUNG (IDEALISIERUNG, LÄUTERUNG) DER
PROSAISCHEN WELT

- Die Theoretiker des Realismus behaupten, dass die


Wirklichkeit trotz ihrer Prosaität auch schöne Aspekte erhält.
Die Kunst soll diese auswählen (selektieren) und nur diese
darstellen, und zwar
- vermittels des spezifischen Verfahrens der Verklärung
(Läuterung, Idealisierung). In diesem Verfahren werden die
schönen Seiten der realen Welt von allem Nichtzugehörigen,
Belanglosen, Störenden, Kontingenten befreit und präsentiert:
Die reale Welt, sowohl die natürliche, wie die des Handelns ist wohl die Quelle der realen
Gefühle für den Menschen; aber die Erfahrung zeigt, daß sie neben dem Bedeutenden auch
des Gleichgültigen viel enthält, daß das Seelenvolle darin durch das Gemisch mit
Seelenlosem darin abgeschwächt ist; (…) Die einfache Nachahmung des Realen würde also
das Ziel alles Schönen nur mangelhaft erreichen. Soll dies voll geschehen, so muß das
Prosaische, das Störende von dem Bilde ferngehalten und das Bedeutende in demselben
gesteigert werden.
Damit sind die Grundlagen des Begriffes gewonnen. Die Idealisierung hat eine reinigende
und eine verstärkende Richtung; jene beseitigt die bedeutungslosen und störenden
Elemente des Gegenstandes; diese verstärkt die seelenvollen. Damit wird die ideale
Wirkung seines so erhöhten Bildes reiner, dichter, harmonischer und stärker, als die reale
Wirkung des Gegenstandes in der realen Welt. (Julius Hermann von Kirchmann: Ästhetik
auf realistischer Grundlage 1869, 75)

Verklärung bedeutet also Themenselektion und Reinigung, Verdichtung, die


Transformation des Realen in ein ästhetisches, poetisches Konstrukt.
Die Literatur entwirft eine ideale Wirklichkeit.
Die Zeitgenossen sprechen daher nicht vom Realismus, sondern vom
poetischen Realismus (der Begriff wurde von Otto Ludwig geprägt)
BEIPIEL FÜR DIE BESTIMMUNG DER VERKLÄRUNG:
WAS VERSTEHEN WIR UNTER REALISMUS? THEODOR
FONTANES ANTWORT:
„Vor allen Dingen verstehen wir nicht darunter das nackte Wiedergeben alltäglichen Lebens, am
wenigsten seines Elends und seiner Schattenseiten. Traurig genug, dass es nötig ist, derlei sich von selbst
verstehende Dinge noch erst versichern zu müssen. Aber es ist noch nicht allzu lange her, dass man
(namentlich in der Malerei) Misere mit Realismus verwechselte und bei Darstellung eines sterbenden
Proletariers, den hungernde Kinder umstehen, oder gar bei Produktionen jener sogenannten
Tendenzbilder (schlesische Weber, das Jagdrecht u. dgl. m.) sich einbildete, der Kunst eine glänzende
Richtung vorgezeichnet zu haben. Diese Richtung verhält sich zum echten Realismus wie das rohe Erz
zum Metall: die Läuterung fehlt. Wohl ist das Motto des Realismus der Goethesche Zuruf:
Greif nur hinein ins volle Menschenleben,
Wo du es packst, da ist's interessant
aber freilich, die Hand, die diesen Griff tut, muss eine künstlerische sein. Das Leben ist doch immer nur
der Marmorsteinbruch, der den Stoff zu unendlichen Bildwerken in sich trägt; sie schlummern
darin, aber nur dem Auge des Geweihten sichtbar und nur durch seine Hand zu erwecken. Der
Block an sich, nur herausgerissen aus einem größeren Ganzen, ist noch kein Kunstwerk, und
dennoch haben wir die Erkenntnis als einen unbedingten Fortschritt zu begrüßen, dass es zunächst
des Stoffes, oder sagen wir lieber des Wirklichen, zu allem künstlerischen Schaffen bedarf.” (In:
Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848) 1853
Der Steinbruch stellt nach den Realisten (Fontane) die
prosaische Welt dar (1).
 
Die Aufgabe des Künstlers besteht darin, einen Block
aus dem Steinbruch herauszureißen (Selektion, 2) und
diese künstlerisch zu bearbeiten (verdichten,
verschönern, verklären (3).
 
So entsteht Kunst
Theoretiker des Realismus:
 Philosophen: Adolf Horwitz, Julius Hermann von Kirchmann, Moritz
Carriere, Friedrich Theodor Vischer
 Autoren, die sich programmatisch geäußert haben: Theodor Fontane,
Otto Ludwig, Gustav Freytag, Rudolf Gottschall, Julian Schmidt, Hermann
Marggraff
Das wichtigste Publikationsorgan war Die Grenzboten.
 Sie existierte von 1841-1922 und wurde im Nachmärz von Julian Schmidt
und Gustav Freytag redigiert. Sie erschien in Leipzig.
KRITIK VERGANGENER EPOCHEN UND DES
NATURALISMUS
Abrechnung mit dem Vormärz und dem Jungen Deutschland, sowie mit den
Romantikern.
 den Romantikern wird Weltflüchtigkeit und Irrationalität,
 den Jungdeutschen krude, ideenferne Materialität vorgeworfen, zu pathetisch, zu viel Weltschmerz
 Vormärz: der politisierte Literaturbegriff wird kritisiert

Polemik gegen die Naturalisten:


 den Naturalisten wurde Pathologismus und Kunstfeindheit vorgeworfen.
 Moriz Carriere: „Emile Zola, ein großes Talent packender Darstellung … aber seine Welt ist allzu
sehr die Schnapskneipe und das Bordell, und er redet die Sprache der Versoffenen, der Dirnen mit
lexikalischer Ungenauigkeit. … er vergißt, daß es neben dem Gestank der Kloaken auch Rosengärten
und grüne Wälder … gibt.” (71)

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