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EPIK DES REALISMUS 2.

DR. SZABÓ ERZSÉBET


Gliederung der Vorlesung
I. Populäre Literatur
◦ Historische Romane
◦ Liebesromane
◦ Reise- und Abenteuerromane
II. Belletristik
◦ Romane
◦ Gesellschaftsromane, Zeitromane - Fontane
◦ Bildungsromane – Keller, Stifter
◦ Historische Romane
◦ Erzählungen, Novellen
◦ NOVELLE

◦ Deutschland: Theodor Storm


◦ Schweiz: Conrad Ferdinand Meyer, Gottfried Keller
◦ Österreich: Adalbert Stifter, Anette von Droste-Hülshoff
◦ Zur Erinnerung:
◦ Realismus bedeutet keine Kopie, keine fotographische, nackte, rein prosaische Wiedergabe
des Realen.
◦ Die Kunst soll zwar dem realen Leben, vornehmlich der eigenen Wirklichkeit zuwenden,
diese aber nicht Punkt für Punkt abbilden. Literaturuntaugliche Themen (das Ekelhafte, das
Widerwärtige, das Kranke, das Unsittliche usw.) dürfen nicht dargestellt werden, das
Wesentliche muss hervorgehoben werden. (Selektion)
◦ Der Realismus möchte das Poetische im Realen aufweisen. Der Begriff Realismus bezeichnet
das Konzept einer poetisch überformten (verklärten) Wirklichkeitsdarstellung. (Verklärung)
◦ Eine poetische Wirklichkeit soll dargestellt werden, Realismus bezieht sich auf das erkennbar
künstlerische Schaffen von Wirklichkeit. Ein poetischer Mehrwert wird verlangt, der das
gewöhnliche Bild der Erscheinungen übersteigt.
◦ Das realistische Werk ist somit realistisch und poetisch zugleich.
Husum
◦ Theodor Storm (1817-1888)
◦ Schleswig-Holstein
◦ Jurist, Rechtsanwalt, Richter,
◦ Lyriker und Novellist
◦ 1852: er ist nicht bereit, eine
Loyalitätserklärung gegenüber der
Dänischen Krone abzugeben. 
◦ 1853-1864: im preußischen Exil,
arbeitet als Gerichtsassessor und
Richter
◦ 1864 nach dem preußischen Sieg
über die Dänen kehrt er nach Husum
zurück, wird Landvogt und
Amtsrichter
Theodor Storms Novellen
◦ Frühe Novellen (1847-1864) = Stimmungsnovellen. Der frühe Storm schrieb Gedichte und
hob die Verwandtschaft seiner Novellen mit seiner Lyrik hervor. In dieser Zeit dominieren
lyrische Erinnerungsnovellen wie Immensee (1849) oder Im Sonnenschein (1854). Sie
möchten Stimmungsbilder erzeugen, sparen viele Ereignisse aus.

◦ Mittlere Werkphase (1867-1880) = Chroniknovellen. Storm bevorzugt chronikalische


Herangehensweisen. Beim Vetter Christian (1874), Viola Tricolor (1974), Pole Poppenspäler
(1874), Aquis Submersus (1876), Carsten Curator (1878), Die Söhne des Senators (1880)

◦ Späte Werkphase (1880-1888) = Soziale Novellen. Storm sah eindeutig Parallelen zwischen
dem Drama und der Novelle. Hans und Heinz Kirch (1882), Böttjer Basch (1885/1886), Ein
Doppelgänger (1886), Der Schimmelreiter (1888)
Storms Novellendefinition:
◦ Die Novelle entspricht heute nicht mehr der Goethe‘schen oder der Tieck’schen
Definition.
◦ „Die heutige Novelle ist die Schwester des Dramas und die strengste Form der
Prosadichtung.”
◦ Thema: „Gleich dem Drama behandelt sie die tiefsten Probleme des
Menschenlebens;
◦ Aufbau: Sie ist wie das klassische Drama in Aristotelischer Tradition aufgebaut.
◦ „gleich diesem verlangt sie zu ihrer Vollendung einen im Mittelpunkte stehenden Konflikt,
von welchem aus das Ganze sich organisiert, und demzufolge die geschlossenste Form und
die Ausscheidung alles Unwesentlichen.” (Eine zurückgezogene Vorrede aus dem Jahre 1881)
◦ Diese Neudefinition entspricht der Verklärungstendenz des Realismus. Die Prosa
des Welt wird durch die dramatische Form erhöht, ins Ästhetische überführt, verklärt,
poetisiert. (Im Prosa steckt das Drama inne.)
Der Schimmelreiter, 1888
◦ Zeitschrift Deutsche Rundschau
◦ Schauplatz, Handlungszeit: Nordfriesland an der Nordsee, um die Mitte des 18. Jahrhunderts (1732-
1756)
◦ Stoff aus der Realität: die nordfriesische Deichsage
◦ Vorstudien im Sinne des Realismus: Phasen des Deichbaus, Fachbücher, Fachmänner
◦ Handlung:
◦ die Lebensgeschichte vom Deichgrafen Hauke Haien, der aus einfachen Verhältnissen stammt und durch
seine Begabung, seinen Ehrgeiz und durch die Heirat von Elke, der Tochter des alten Deichgrafen zum
reichen Mann und zum Deichgrafen wird. Er lässt einen neuen Deich bauen und geht dann mit seiner
Familie (Frau und Kind) wegen des Deichbruchs in einer Sturmflut unter.
◦ Zwei Konflikte:
◦ 1. Hauke Haien (Kultivierung der Natur) ↔ Gewalt der Natur
◦ 2. Das Individuum (Rationales Denken, Vernunft) ↔ Dorfgesellschaft (Irrationales Denken, Aberglauben)
https://oldthing.de/Ak-Nordstrand-in-Nordfriesland-Sturmflut-1936-Seedeich-Koog-Damm-Nordseekueste-0028454311
Struktur: dramatischer Aufbau
◦ Exposition (1-2. Abschnitt): Jugendjahre bis zur Konfirmation

◦ Steigerung (3. Abschnitt): Bildungsphase: Lehre beim Deichgrafen, Zusammentreffen mit Elke, Tod des Vaters

◦ Höhepunkt (4. Abschnitt): Sozialer Aufstieg: Tod des Deichgrafen, Heirat mit Elke, Ernennung zum Deichgrafen; Plan für
einen neuen Deich. (siehe: nächste Folie)
◦ gegen die Natur: neues Weideland gewinnen
◦ gegen die Dorfbewohner: seine Eignung beweisen (Ole Peters, Dorfbewohner. Vorwurf: er sei nur Deichgraf seiner Frau
wegen).

◦ Abfall mit retardierenden Momenten (5. Abschnitt): Das Projekt wird genehmigt, der Deich wird gebaut, und fertiggestellt.
◦ Scheinbarer Sieg über die Natur
◦ Scheinbarer Sieg über die Dorfbewohner H.H. verhindert die Aufopferung eines Hundes beim Deichbau (s. übernächste Folie)
Parallel zum Bau beginnt eine Unglücksserie für H.H.:
◦ Elke stirbt beinahe am Kinderbett, die Tochter Wienke wird schwachsinnig
◦ Steigende Unbeliebtheit, Dämonisierung, Deichbau als Teufelspaktgeschichte (der Schimmel als täuflischer Werkhelfer)
Tragische Schuld: Er lässt sich überzeugen, dass der alte Deich nicht bricht (von Mäusen unterwühlte Stelle).
◦ Lösung: (6. Abschnitt): Sturmflut, der alte Deich bricht wegen der tragischen Schuld H.H., Tod Elkes und Wienkes,
Selbstmord von Hauke Hainen. (=Sieg der Natur und Sieg der Gesellschaft)
Schauplatz

◦ Alter Deich
◦ Neuer Deich
◦ Das neue eingedeichte Land nennt man Hauke-
Haien-Koog (Koog= ártér, eingedeichtes, fruchtbares
Land, Vorland)
◦ Deichgraf: Die Landbesitzer die Anteile am Koog
haben, sorgen anteilig für den Unterhalt des Deiches
(finanziell und mit eigener Arbeitskraft). Sie wählen
den Deichgrafen. (gátőr)
◦ Die Marsch: lápvidék, die Geest: magasan fekvő
homokos partvidék
◦ Die Hallig (hallig), kleine Insel, die bei Sturmfluten
überschwemmt werden kann, Jeverssad Hallig mit
dem Pferdegerippe
◦ Die Stelle zwischen dem alten und neuen Deich (die
„Schlucht”)
https://www.youtube.com/watch?v=XNGHUjeY2Sk (Regie: Alfred Weidenmann, 1978)

„aber der es tat, hat recht getan; soll Euer Deich sich halten, so muss was Lebiges hinein.” „»das haben
unsere Großväter schon gewußt, die sich mit Euch im Christentum wohl messen durften! Ein Kind ist besser
noch; wenn das nicht da ist, tut's auch wohl ein Hund!”
◦ Verklärungsstrategie 1 : konsequente Symbolik
◦ Deich, zentrales Dingsymbol:
◦ Symbol der Grenze zwischen Kultur und Natur, zw. Leben und Tod
◦ Symbol der Grenze zw. Unvernunft und Vernunft.
◦ Symbol des Egozentrismus H.H.s.
◦ Der Durchbruch des Deiches ist Symbol für:
◦ Die Natur lässt sich nicht besiegen. Symbolische Vorzeichen (weiße Tiere im Umfeld von H.H.:
weißer Kater, der Schimmel, der Möwe. Die Natur bricht wiederholt in den Kulturraum ein.)
Auch die innere Natur des Menschen lässt sich nicht kontrollieren (Haukes Katermord etc. Diese inneren
Ausbrüche sind auch Vorzeichen dafür, dass er auch die äußere Natur nicht kontrollieren werden kann).
◦ Der Aberglaube lässt sich auch nicht besiegen. Die Abgrenzung zwischen Realität und Irrealität ist
nicht möglich.
◦ Sein Egozentrismus wird gebrochen.
◦ Mensch – Gesellschaft: Zeigt auch, was passiert, wenn jemand sich auflehnt gegen die Gesellschaft, in der
er lebt. Die Gesellschaft ist stärker. Hauke gibt den Menschen nach, die steigende Unbeliebtheit schwächt
ihn, sein Untergang beginnt dort, wo er den Widerstand gegen die Welt aufgegeben hat, wo er sich selber
untreu wird und seine Prinzipien aufgibt.
◦ Verklärungsstrategie 2: Rahmung
◦ zwei hierarchisch geordnete Rahmen und eine Binnenhandlung
Rahmenhandlung I, 1888: Ein „Ich” erinnert sich, dass er vor reichlich einem halben Jahrhundert
(ca. 1830) bei seiner Urgroßmutter eine Geschichte gelesen hat, ihm ist die Geschichte im Gedächtnis
geblieben.

Rahmenhandlung II, 1830-er Jahre: Diese Geschichte wurde von einem Reisenden
aufgeschrieben, der bei starkem Unwetter auf einem nordfriesischen Deich zwei
unheimliche Begegnungen mit einem Schimmelreitergespenst hatte. Er findet
Unterschlupf in einem Wirtshaus und hört die Geschichte Haukes.

Binnenhandlung, 1732-1756: die


mündliche Geschichte des
Dorfschulmeisters über das Gespenst:
die eigentliche Geschichte Hauke
Haiens und seiner Frau (Nähe zum
Mündlichen).
Funktionen des doppelten Rahmens:
◦ Nur Realien dürfen in einen realistischen Text aufgenommen
werden. Der zweifache Rahmen rückt die alte Geschichte zweifach
in die Ferne. Damit werden die Unsicherheit der Wahrheit der
Ereignisse und die Gleichzeitigkeit von rationalen und
irrationalen Elementen gerechtfertigt.
◦ Ermöglicht kritische Kommentare seitens des aufgeklärten
Schulmeisters.
◦ Demonstriert die Wiederkehr des Mythischen in einer scheinbar
durchrationalisierten Welt, zeigt deren Gefährdung und Labilität.
Adalbert Stifter
1805-1868

◦ Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers aus


einfachen Verhältnissen. Als er 12 Jahre alt war, starb
der Vater, und er wurde von da ab von den Großeltern
erzogen.
◦ 1818 bis 1826 : Gymnasium (Benediktiner Stift
Kremsmünster) 1826-bis 1830 Studium in Wien,
Rechtswissenschaft, dann Naturwissenschaften und
Geschichte, keine Abschlussprüfung, wurde
Landschaftsmaler. Den Lebensunterhalt verdiente er
sich als Privatlehrer in Wiener Adelshäusern.
◦ 1848 Linz, wird Schulrat, entwickelt viele
Reformideen, wird der oberste Denkmalpfleger von
OÖ. In seinen letzten Lebensjahren: schwerkrank,
Depressionen, Leberzyrrose. Selbstmord
◦ Bunte Steine (Erzählzyklus, sechs Erzählungen, die 1853 in zwei Bänden
bei Gustav Heckenast in Pest erschienen):
◦ Vorrede
◦ Einleitung
◦ Granit 
◦ Kalkstein
◦ Turmalin
◦ Bergkristall
◦ Bergmilch
◦ Katzensilber 
◦ https://ellasblog.de/lisa-autistische-frauen-kompensieren-so-gut-dass-sie-kaum-auffallen-auf-dauer-macht-das-krank/bunte-steine/
Einleitung
„(…)
Da ist an dem Wege, der von Oberplan nach Hossenreuth führt, ein geräumiges Stück Rasen, welches in die Felder
hinein geht und mit einer Mauer aus losen Steinen eingefaßt ist. In diesen Steinen stecken kleine Blättchen, die wie
Silber und Diamanten funkeln, und die man mit einem Messer oder mit einer Ahle herausbrechen kann. Wir Kinder
hießen diese Blättchen Katzensilber, und hatten eine sehr große Freude an ihnen.
Auf dem Berglein des Altrichters befindet sich ein Stein, der so fein und weich ist, daß man ihn mit einem Messer
schneiden kann. Die Bewohner unserer Gegend nennen ihn Taufstein. Ich machte Täfelchen, Würfel, Ringe und
Petschafte aus dem Steine, bis mir ein Mann, der Uhren, Barometer und Stammbäume verfertigte und Bilder lackierte,
zeigte, daß man den Stein mit einem zarten Firnisse anstreichen müsse, und daß dann die schönsten blauen, grünen und
rötlichen Linien zum Vorscheine kämen.
Wenn ich Zeit hatte, legte ich meine Schätze in eine Reihe, betrachtete sie, und hatte mein Vergnügen an ihnen.
Besonders hatte die Verwunderung kein Ende, wenn es auf einem Steine so geheimnisvoll glänzte und leuchtete und
äugelte, daß man es gar nicht ergründen konnte, woher denn das käme. Freilich war manchmal auch ein Stück Glas
darunter, das ich auf den Feldern gefunden hatte, und das in allerlei Regenbogenfarben schimmerte. Wenn sie dann
sagten, das sei ja nur ein Glas, und noch dazu ein verwitterndes, wodurch es eben diese schimmernden Farben erhalten
habe, so dachte ich: Ei, wenn es auch nur ein Glas ist, so hat es doch die schönen Farben, und es ist zum Staunen, wie es
in der kühlen, feuchten Erde diese Farben empfangen konnte, und ich ließ es unter den Steinen liegen.”
◦ Die Einleitung liefert eine Begründung für die Mitteilung der Novellen: die Bunten
Steine gibt es, weil sie mit freudigem Eifer gesammelt wurden; sie werden vorgelegt, um
ihrerseits Freude zu bereiten.
◦ Es wird hier das Prinzip der Verklärung beschrieben:
◦ Die literarische Fiktion des Steine sammelnden Knaben ist das Abbild des erwachsenen
Künstlers, der gleichfalls „Spielereien und Kram” sammelte, um sie hier vorzulegen.
◦ Wie die Steine, sind auch die Novellen naturgegeben, vom Verfasser vorgefunden.
◦ Wie die Steine geheimnisvoll glänzen und leuchten und äugeln, wenn sie angestrichen
werden, so steckt auch im realen Stoff das Poetische drin. Er wird vom Verfasser
künstlerisch bearbeitet.
◦ Überdies verlangen die Novellen eine je eigenständige, selbsttätige Rezeptionshaltung.
Der Verfasser wünscht, daß der Leser sich die »Spielereien«, Gegenstände zur
zweckfreien Beschäftigung, „zur Betrachtung zurecht richten möge”.
◦ Vorrede
◦ Das sanfte Gesetz= Stifters poetologisches Grundprinzip.
◦ Stifter relativiert zunächst, was in der äußeren Natur groß und was klein ist. Das Große ist eigentlich nur augenfälliger
als das Kleine, weiterhin immer nur Ergebnis einseitiger Kräfte. Im Großen und im Kleinen zeigen sich jedoch die
gleichen Naturgesetze.
◦ -> Aufgabe des Naturforschers ist, diese Gesetze zu ermitteln, ihr Wirken zu beschreiben.
◦ Dann geht er auf das Große und Kleine in der inneren Natur des Menschen ein: da ist es genauso wie in der äußeren
Natur. Im Großen und im Kleinen zeigen sich die gleichen sittlichen Gesetze. Das Große (Rache, Heroismus, Mord) ist
auch hier nur augenfälliger und Ergebnis von Einseitigkeiten, von Gesetzen, die nur auf das Bestehen der Einzelnen
zielen.
◦ -> Die Aufgabe des Menschenforschers (= des Schriftstellers ) besteht nicht einfach nur in der Ermittlung und
Darstellung der sittlichen Gesetze allgemein, sondern in der Darstellung des sanften Gesetzes.
◦ Das sanfte Gesetz ist ein menschheitserhaltendes moralisches Gesetz :
◦ „Wir wollen das sanfte Gesetz zu erblicken suchen, wodurch das menschliche Geschlecht geleitet wird. … Es ist das Gesetz
dieser Kräfte, das Gesetz der Gerechtigkeit, das Gesetz der Sitte, das Gesetz, das will, daß jeder geachtet, geehrt, ungefährdet
neben dem anderen bestehe, daß er seine höhere menschliche Laufbahn gehen könne, sich Liebe und Bewunderung seiner
Mitmenschen erwerbe, …“
◦ Stifters Ars Poetica ist also: Das Wirken des allgemeinen, menschheitserhaltenden moralischen Gesetzes im Alltag, in
den Handlungen der Einzelnen darstellen. Das ist das Wesentliche, das wirklich Wahre und Reale.
◦ Beispiel für das Konzept des sanften Gesetzes:
◦ Bergkristall (1845/1853)
◦ In der Novelle Bergkristall werden die äußere Handlung
und die innere Handlung parallelisiert.
◦ Die Geschichte beginnt mit der allgemeinen
Beschreibung des immergleichen zweitägigen
Weihnachtsfestes.
◦ Die eigentliche Handlung beschreibt die Ereignisse
während dieser Tage im Leben der Protagonisten (zwei
Kinder). Die Kinder verirren sich am 1. Weihnachtstag
auf dem Rückweg von den Großeltern zu den Eltern im
Berg. Sie erleben in der Natur, was die anderen im Dorfe
erleben (sehen, hören), die Geburt des Erlösers und
werden dadurch vom Sterben bewahrt.
Gottfried Keller:
(1819-1890)

◦ Als Sohn eines Drechslermeisters in Zürich


geboren. Er besucht dort die Stadtschule, von
der er wegen eines Streiches verwiesen wird.
◦ Studiert in München Malerei (an die
Kunstakademie), gerät in bittere Not.
◦ 1848 Heidelberg: studiert Philosophie,
Geschichte und Literatur
◦ freier Schriftsteller in Berlin, seit 1861 erster
Staatsschreiber des Kantons Zürichs.
◦ „in der gemeinen Wirklichkeit eine schönere
Welt wiederherstellen durch die Schrift”; „die
wahre ideale Reallandschaft” darstellen.
https://hu.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Keller
Romeo und Julia auf dem Dorfe, 1856
◦ Mehrere Novellensammlungen, die zwei prominentesten:
◦ Die Leute von Seldwyla (Bd.1: 1856, Bd.2: 1873/74)
◦ Züricher Novellen (1878)
◦ Die Leute von Seldwyla. Bd.1: 1856, Bd.2: 1873/74
◦ Alle Erzählungen spielen im oder um den fiktiven Shweizer Ort Seldwyla.
◦ Vorrede zu beiden Bänden: Der Schauplatz Seldwyla wird charakterisiert. Kontrastierend. Der erste Band:
lustige, seltsame Stadt, Agrargesellschaft, in der sich seit Jahrhunderten nichts verändert hat. Die Menschen
Nichtstuer, scheinhaftig und verlogen, traditionelle schwindelhafte Aktivitäten, politisieren nicht, leben nicht
lange. Der zweite Band: tiefgreifende Veränderungen: Urbanisierung, die Menschen spekulieren, machen
Geldgeschäfte, sehen aus, wie andere Leute in der Welt.
◦ Ziel des Erzählers: Er sammelt „seltsame Geschichten” zusammen, die „ausnahmsweise” passierten, aber nur
in Seldwyla vor sich gehen konnten. = Anspielung an Goethes Definition der Novelle als eine „sich ereignete
unerhörte Begebenheit”. Keller geht also von einer thematischen Definition der Novelle aus (und nicht wie
Storm von einer formalen Definition).
◦ 1. Band: Das gemeinsame Thema: Die Leidenschaft. Pankraz, der Schmoller, Frau Regel Amrain und ihr
Jüngster, Romeo und Julia auf dem Dorfe, Die drei gerechten Kammmacher, Spiegel, das Kätzchen. 
Der Titel
◦ Bringt das Grundprinzip des realistischen Erzählens zum
Ausdruck: Verlagerung des Poetischen im
Durchschnittsleben.
◦ Ein hoher Stoff – Shakespeares Romeo und Julia und der
antike Stoff Pyramus und Thisbe – wird im bäuerlichen
Millieu entdeckt. Die höchste Poesie lässt sich im Realen
vorfinden.
◦ „Diese Geschichte zu erzählen würde eine müßige
Nachahmung sein, wenn sie nicht auf einem
wirklichen Vorfall beruhte, zum Beweise, wie tief im
Menschenleben jede jener Fabeln wurzelt, auf welche
die großen alten Werke gebaut sind. Die Zahl solcher
Fabeln ist mäßig; aber stets treten sie in neuem
Gewande wieder in die Erscheinung und zwingen
alsdann die Hand, sie festzuhalten.”
Inhalt
◦ Die Geschichte fängt mit der Darstellung der fleißig arbeitender Bauern Mainz und Marti und ihres
Frühstücksgesprächs an. Sie unterbrechen ihre Arbeit erst, um ihr Frühstück (das von ihren Kindern, Sali (Manzens
Sohn) und Vrenchen (Martis Tochter)) herbeigebracht wird, einzunehmen. Ihr Gespräch dreht sich um den
mittleren, verwilderten Acker, auf dem mannshohe Unkraut wächst und Steine aufgetürmt liegen. Ihr Gespräch
macht deutlich, dass sie wissen, dass der rechtsmäßige Erbe des früheren Besitzers des Ackers (des Tropeters) der
schwarze Geiger ist. Trotzdem sind sie sich darin einig, dass sie den Behörden bei der Ermittlung des Erben nicht
helfen werden. Am Ende des Tages schneiden sie beide eine breite Furche vom mittleren Acker ab. In den
folgenden drei Jahren wird der mittlere Acker immer schmaler. Als es zur Versteigerung des Feldes kommt, wird es
von Manz erworben. Der Streit der beiden entflammt damit, dass Manz nicht dulden will, dass Marti ein Dreieck
am unteren Acker abgeschnitten hat. Manz lässt die Steine vom erworbenen Acker sammeln und sie zu einer
gewaltigen Pyramide auf dem strittigen Dreieck auftürmen. Marti ruft den Gemeindeamman, um gerichtlich
dagegen vorzugehen. Damit fängt ein Prozess von etwa 10 Jahren an, an welchem beide zugrunde gehen. Sie
werden arm, Vrenchens Mutter stirbt aus Kummer. Im 12. Streitjahr muss Manz Haus und Hof verlassen, er zieht
mit seiner Familie nach Seldwyla, wo er Pachtwirt wird. Marti blieb zwar auf dem Lande, seine Wirtschaft ist aber
ebenfalls fast vollständig zerfallen. Beide Bauern verlegen sich aufs Fischen. An einem stürmischen Abend treffen
sie auf den gegenüberliegenden Uferseiten am Bach aufeinander und gehen aufeinander los.
◦ Bei der Gewitterszene verlieben sich Sali und Vrenchen, die ebenfalls anwesend sind, und einander seit Jahren nicht
mehr gesehen haben, ineinander. Sali entschließt sich, ins Dorf zurückzukehren, um Vrenchen zu sehen. Als
Vrenchen ihn bemerkt, verabredet sie sich mit ihm auf dem verwilderten Acker. Es ist schöner Hochsommertag im
Juli. Sie bewegen sich glücklich Hand in Hand, als sie entdecken, dass der schwarze Geiger vor ihnen hergeht, auf
dem Weg ins Dorf. Wie von einem selsamen Bann folgen sie ihm. Als er den Steinhaufen erreicht, wendet er sich
plötzlich um. Er macht deutlich, dass er von seiner Herkunft weiß, und wirft ihnen das Unrecht vor, dass ihre Väter
an ihm begangen haben. Er freut sich über ihr Unglück und ihre Perspektivenlosigkeit, dann geht er weg. Als
Vrenchen nach Hause gehen möchte, steht Marti plötzlich vor ihnen; er ohrfeigt seine Tochter und reißt sie an den
Haaren fort. Sali ergreift einen Stein und wirft ihn dem wütenden Marti auf den Kopf, so dass Marti
zusammenbricht. Marti ist von diesem Tage blödsinnig, er kann sich an nichts erinnern. Die Gemeinde verfrachtet
ihn in eine Anstalt. Außerdem stellt sich heraus, dass Vrenchen das Haus laut Gerichtsurteil in zwei Tagen verlassen
muss. Sali erscheint, die jungen Leute offenbaren einender ihr Unglück und ihre Perspektivenlosigkeit, versichern
sich aber ihrer Liebe. Sie besprechen, einen glücklichen Tag miteinander zu verbringen. (Sali versetzt seine silberne
Uhr.) Der Tag entwickelt sich immer negativer. Beim Frühstück werden sie noch für ehrbare junge Leute gehalten,
beim Mittagessen bringt die Bemerkung der Kellnerin eine Trübung, beim Kirchweihfest werden sie schließlich
erkannt und bestaunt. So gehen sie in das Paradiesgärtchen, eine am Berghang gelegene offene Waldschänke, in der
sich das arme Volk und das Hudelvölkchen vergnügen. Dort treffen sie wieder auf den schwarzen Geiger. Hier
tanzen sie miteinander. Der Geiger schlägt ihnen vor, sich dem fahrenden Volk anzuschließen. Vrenchen will aber so
nicht leben. Sali schlägt vor, in der Nacht wirklich Hochzeit zu machen und am Morgen aus dem Leben zu scheiden.
Sie entwenden ein Schiff. Sie werden unterhalb der Stadt aus dem Wasser geborgen.
◦ Struktur:
◦ „Rahmenstruktur”: allgemeine Bedeutsamkeit der Erzählung + allgemeine Bewertung des Selbstopfers der
Kinder
◦ Begründung der Erzählung des Stoffes: Allgemein menschliche Fabel, die in neuem Gewand ständig
zurückkehren. Archetypische und zeitlose Fabel:
◦ „Diese Geschichte zu erzählen würde eine müßige Nachahmung sein, wenn sie nicht auf einem wirklichen
Vorfall beruhte, zum Beweise, wie tief im Menschenleben jede jener Fabeln wurzelt, auf welche die
großen alten Werke gebaut sind. Die Zahl solcher Fabeln ist mäßig; aber stets treten sie in neuem
Gewande wieder in die Erscheinung und zwingen alsdann die Hand, sie festzuhalten.”
◦ Bewertung des Vorfalls in den Zeitungen: „Zeichen von der um sich greifenden Entsittlichung und
Verwilderung der Leidenschaften”. (In der usrpünglichen Version war dieser kommentierende Teil länger, K.
hat ihn aus ästhetischen Gründen - Verzicht auf Erzählkommentare im Realismus, Objektivitätsprinzip –
gekürzt.)
◦ 4 Teile: - Exposition: Ort, Figuren, Konflikt
◦ - Steigende Handlung: Austragen des Konflikts und Ruin der Familien
◦ - Höhepunkt, Peripetie: Liebesszene, Sali schlägt Vrenchens Vater nieder
◦ - Fallende Handlung: Ausleben der Liebe, Ruin des Liebespaars
◦ Jeder Teil enthält eine zentrale, dialogische Passage, die zeitdeckend erzählt wird.
◦ Exposition und steigende Handlung
◦ Fasst die Ereignisse von 12 Jahren zusammen
◦ = Geschichte der moralischen, finanziellen, sozialen Zerlumpung, Verwilderung, des Verfalls der
Väter.
◦ Der Verfall, der Anfangs- und Endpunkt werden versinnbildlicht durch zwei konträre Szenen.
Innere Korrespondenz (Verklärungsstrategie):
◦  
Pflücken am Ackerfeld --------------------- < - > ------------------ die Fischfangszene
Acker/Mainz – Acker – Acker/Marti Ufer /Mainz – Fluss – Ufer /Marti
Ordnung – Verwildert – Ordnung Verwildert – Ordnung – Verwildert
(Morgen, sonnig, Arbeiten, schweigend, ruhig etc) (Abend, Gewitter, Fischen, schreiend etc.)
◦ Ausgangspunkt, der verwilderte Acker mittendrin im Leben: stellt eine menschliche Grundsituation dar, die
Situation der Versuchung (der die beiden Bauer erliegen)
◦ Symbole (Verklärungsstrategie):
◦ a) verwilderter Acker: Symbol der moralischen Versuchung. das Feld des schwarzen Geigers, eines
Heimatlosen mit teuflischen Attributen (=der Versucher) Die Versuchung lauert mitten in der Kultur, in der
Gesellschaft, ist immer präsent und übt eine Anziehungskraft. aus
◦ b) Steine: Symbol der Schuld (der Steinberg auf dem Acker wächst in dem Maße, in dem sich die Bauern
den Acker illegitim aneignen).
◦ c) Gestirne: Die Bauern ziehen aneinander vorbei und verschwinden hinter den Hügeln „wie
zwei untergehende Gestirne” wie die Gestirne auf einer festen Bahn, die nicht verlassen werden kann,
wandeln, so betreten die beiden Bauern mit ihrer ungerechten Tat die Bühne ihres Untergangs
◦ Manz und Marti erliegen der Versuchung. Sie besetzen unrechtmäßig den mittleren Acker. Warum?
◦ a) allgemeine moralische Schwäche, Doppelmoral des Menschen;
◦ b) durch individuelle Schwäche der Bauern: Habgier, Neid, Unnachgiebigkeit, Sturrheit, keine Einsicht der eigenen Schuld und
◦ c) wegen der Hinterhältigkeit der anderen (Heuchler, Spekulanten, Ratgeber, die sie ausnutzen).
◦ Manz und Marti sind also weder besser, noch schlechter, als die anderen. Sie sind ähnlich, sowohl äußerlich, als auch innerlich,
nicht individualisiert, auch andere hätten ihr Schicksal erleiden können.
◦ Endpunkt: Die Brückenszene = Ende der Geschichte der Väter = Ausgangspunkt der Liebesgeschichte der Kinder
Quelle: https://www.see-burgtheater.ch/project_post/romeo-und-julia-auf-dem-dorfe/
◦ Höhepunkt, fallende Handlung: Die Geschichte der Kinder Sali (Manz, Stadt) und Vrenchen (Marti, Land)
◦ Fasst die Ereignisse von 4 Tagen zusammen
◦ = tragische Liebesgeschichte
◦ Struktur: Vier parallel aufgebaute Szenen, die leitmotivisch verbunden sind:
◦ a) Der verwilderte mittlere Acker (Vorzeichen: grausame, destruktive Kinderspiele, Steinwurf, Fliege im Kopf, Vorzeichen,
Symbole) gleich die erste Szene zeigt, dass ihr Glück nur auf Unglück gründend möglich ist
◦ b) Die Brücke über den Fluss (Vorzeichen, kaum atmen, kalte Hände, usw.)
◦ c) Rückkehr auf den mittleren Acker (die Vorzeichen der Kinderspiele erfüllen sich, Steinwurf: = Wendepunkt)
◦ (Retardation: Phantasien, Gedankenspiele, Träumereien, Scheinwelt, Scheinparadies, Ausweg wird geboten)
◦ d) Der Fluss, Liebestod (die Vorzeichen der Brückenszene erfüllen sich)
◦ Prädestinationsgedanke: sie können nur im Wildnis ein Paar sein. Von Anfang an (schon als Kind) ist der
verwilderte Acker die Sphäre der Kinder, ihre Position. Der Streit ihrer Väter bestimmt ihre Lage.
◦ Schwarzer Geiger= spielt auch hier den Versucher. Teufelsattribute. Er versucht V+S in die freie, triebhafte
Gesellschaft der Ausgestoßenen locken. Hier scheitert er aber.
◦ Warum scheitert er? Warum erliegen die Kinder der Versuchung nicht? Motivierung des Selbstmordes:
◦ Die Kinder halten an der Vorstellung eines moralischen Lebens fest: In beiden lebt das Gefühl, „in der bürgerlichen Welt nur in
einer ganz ehrlichen und gewissensfreien Ehe glücklich sein zu können“, welches ihrem Ehrgefühl widerstreitet – dieser
Widerspruch ist ein Konflikt in ihnen, der sie schließlich in den Tod treibt.”
◦ Zwar ist das Schicksal der Kinder durch äußere Zustände, v.a. durch die
Amoralität der Väter, bzw. durch die Gesetze der Dorfgemeinde (Heimatrecht
etc.) determiniert, am Ende fallen sie eine moralische Entscheidung im Sinne
der bürgerlichen Moral (das Herz triumphiert).
◦ Paradoxerweise halten gerade die Liebenden, die keinen festen Platz in der
Gesellschaft haben, aufrichtig an den Vorstellungen von Ehre und Recht fest.
Annette von Droste-Hülshoff(1830-1916)
◦ Novellenzyklus: Dorf- und Schlossgeschichten (1883); Bekannteste Novellen: Krambambuli, Die Judenbuche
◦ Die Judenbuche. Ein Sittengemälde aus dem gebirgigten Westphalen (1842):
◦ + Gattung: Milieustudie, gleichzeitig Kriminalgeschichte und Moralerzählung.
◦ + Die Handlung spielt in dem entlegenen westfälischen „Dorf B.“ in einem deutschen Kleinstaat des 18. Jahrhunderts vor der Zeit der
Französischen Revolution und besteht aus zwei zeitlich voneinander getrennten Erzählungen. A) Der Protagonist der Erzählung ist
Friedrich Mergel, (wegen des Lebenswandels seines Vaters aus der Dorfgemeinschaft ausgegrenzt, hütet Kühe, wird mit 12 Jahren von
seinem Onkel Simon Semmler adoptiert, der immer mehr Gewalt über ihn gewinnt. Bei Semmler lernt er dessen Adoptivsohn Johannes
Niemand kennen, der ihm äußerlich sehr ähnelt, innerlich aber seinen jämmerlichen Gegensatz darstellt. Zwei Morde passieren (der Förster,
der Jude Aaron werden ermordet), in beiden Fällen wird Friedrich (der unter dem Einfluss seines Onkels sehr hinterlistig, roh und
unberechenbar geworden ist) des Mordes verdächtigt. Die Justiz kann die Morde nicht aufdecken. Friedrich flüchtet. Die Juden erwerben
die Buche, unter der Aaron gefunden wurde, und schlagen in einer Zeremonie eine Tafel mit hebräischer Innschrift in den Stamm. B) 28
Jahre vergehen. Johannes kehrt aus türkischer Gefangenschaft zurück. Er wird aufgenommen in der Gemeinde. Eines Tages verschwindet
er. Nach vierzehn Tagen wird seine Leiche, die in der Buche hing, gefunden. An einer Narbe erkennt man, dass die Leiche Friedrich Mergel
ist. Die hebräische Innschrift lautet: „Wenn du dich diesem Ort nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.”
◦ + Stil: Anschein des Dokumentarischen, protokollartiger Stil, chronikartige Berichte: doch bleibt vieles in Dunkelheit, viel Ungeklärtes,
Widersprüchliches, viele falsche Fährte
◦ + Gut und Böse sind nicht klar geschieden.
◦ +Verhüllungstechnik: alle für den Handlungsvorgang entscheidenden Angelegenheiten passieren hinter der Szene, im Dunkeln, im
nächtlichen Wald (Vater, Förster, Aaron, Friedrich). Der Wald symbolisiert „die Ohnmacht des erkennenden Geistes”.
◦ Friedrich entgeht der menschlichen Gerechtigkeit, er kann aber der Macht übersinnlicher Kräfte nicht entgehen.

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