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1 Einführung
2 Der Tüttensee – Topographie und Gesteine des Einschlaggebietes (Target)
3 Die geologische Situation
Die Tüttensee-Ejektalage
4 Geophysikalische Untersuchungen
Gravimetrie
Messungen der magnetischen Bodensuszeptibilität
5 Schockmetamorphose
Schock im Tüttensee-Ringwall
Schock in der Bunten Brekzie der Tüttensee-Ejektalage
6 Zusammenfassung und die Entstehung des Tüttensee-Kraters
Zusammenfassung
Die Entstehung des Kraters
7 Diskussion
Das konkurrierende Glazialmodell
8 Schlussfolgerungen
Literatur
Abstract. The 400 m-diameter Lake Tüttensee in southeast Germany is the largest crater in
the strewn field of meteorite craters that formed in the Holocene Chiemgau impact event
possibly in the 6th or 5th century BC. The crater was excavated from a Quaternary target of
predominantly moraine and fluvioglacial material and is surrounded by an 8 m-height rim wall
and an extensive ejecta blanket. The up to 1 m thick ejecta layer is a polymictic breccia
containing heavily fractured cobbles and boulders of Alpine lithologies and is rich in organic
material like wood, charcoal, animal bones and teeth. Extremely corroded silicate and
carbonate clasts in the breccia point to carbonate melting/decarbonization and/or dissolution
by nitric acid. The ejecta layer has conserved an underlying fossil soil rich in organic
material, too. A gravity survey reveals a zone of relatively positive anomalies around Lake
Tüttensee interpreted by impact shock densification of the highly porous target rocks.
Abundant, although moderate, shock metamorphism is observed to occur in clasts from the
rim wall and the ejecta layer. An impact cratering process is able to explain all observed
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features that are completely inconsistent with a formation of Lake Tüttensee by glacial
processes.
1 Einführung
Das Streufeld besteht aus über 80 Einzelkratern von jeweils über 3 m Durchmesser
und erstreckt sich über ein Areal von ungefähr 60 km x 30 km Ausdehnung.
Verglichen mit anderen Impakt-Streufeldern (Wabar, Henbury, Macha, Morasko,
Sikhote Alin und andere; Hodge [1994], Krinov [1963], Gurov & Gurova [1998] sind
die am Boden vorhandenen Hinweise auf einen Impakt ungewöhnlich beeindruckend
(zwar ist das Gibeon Meteoriten-Streufeld mit einer Fläche von 390 x 120 km sehr
viel größer, aber ohne Krater). Sie haben dazu geführt, den Einschlag eines
zerfallenden Kometen als Erklärungsmodell zu entwickeln (Rappenglück et al. 2004).
Nach der Entdeckung des Streufeldes im Chiemgau wurde der Erforschung des
Tüttensee-Kraters und seiner Umgebung viel Arbeit gewidmet, die geologische
Feldarbeit, geophysikalische Messungen und petrographische Analysen umfasste. In
deutscher Sprache verfasste und mit englischsprachigen Zusammenfassungen und
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Bildunterschriften versehene Berichte über diese Forschungen sind regelmäßig im
Internet veröffentlicht worden ([web 1, 2, 3, 4, 5]). Hier geben wir eine
Zusammenfassung dieser verschiedenen Beiträge und gehen auch auf die Kritik an
dem Modell eines Impakts ein.
Der Tüttensee liegt einige Kilometer südöstlich des Chiemsees und nördlich der
Alpenvorberge (Abb. 1). Der Durchmesser des Sees (Abb. 2) beträgt ungefähr 400
m, die Tiefe, laut offizieller Daten, im Durchschnitt 17 m. Eine Gravimetriemessung
auf dem zugefrorenen See (Ernstson 2005; s. a. unten) legt die Annahme nahe, dass
zwar die Wassertiefe 17 m entspricht, eine Gesamttiefe von etwa 30 m, die auch
noch eine dicke Schicht organischen Materials umfasst, jedoch realistischer zu sein
scheint.
Der See ist von einem Ringwall umschlossen, der im Nordosten in eine eiszeitliche
Moräne übergeht (Abb. 2). Noch vor ungefähr hundert Jahren umschloss der 8 m
hohe Ringwall (Abb. 3, Abb. 4) den See komplett, während er heute drei künstliche
Durchbrüche aufweist (Abb. 5). Die Wallkrone misst im Durchmesser ungefähr 500 m
und gibt damit die Größe des vermuteten Meteoritenkraters wieder. Außer den
erwähnten künstlichen Durchbrüchen haben Wall und Kratergelände vermutlich
schon seit römischer Zeit erhebliche morphologische Veränderungen erfahren.
Chiemsee
Der Tüttensee-
Krater
Alpen-Vorgebirge
Abb. 1. Der Tüttensee im Alpenvorland nahe dem Chiemsee. Satellitenbild: Google Earth.
Koordinaten des Tüttensees 47°50'48'' N; 12°34'05'' E.
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Abb. 2. Schräger Blick auf den Tüttensee (überhöht). Die transparente Einblendung zeigt die
wahrscheinliche Ausdehnung des Chiemsees. Satellitenbild: Google Earth.
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Abb. 4. Blick auf den 8 m hohen Tüttensee-Ringwall während einer Gravimetrie-Kampagne auf
dem zugefrorenen See.
Es ist eine Besonderheit des vom Impakt betroffenen Gebietes, dass der Impaktor,
der den Tüttensee geformt hat, wahrscheinlich in eine Bucht des zur damaligen Zeit
wesentlich größeren Chiemsees krachte. Dieser Umstand führte bezüglich des
Prozesses der Kraterbildung, der Kratermorphologie und der Impaktgesteine
möglicherweise zu anderen Ausprägungen als sie sonst bekannt sind. Auch Seetone
des Chiemsees müssen zu der Vielfalt des Impaktgesteins beigetragen haben.
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Abb. 7. Ungewöhnlich verformte Gerölle vom Tüttensee-Ringwall. Die heftig zerbrochenen,
jedoch kohärenten Klasten, die einer unverfestigten, weichen Gesteinsmatrix entnommen
wurden, beweisen eine Hochdruck-Kurzzeit-Deformation, wie sie typisch für ein
Imapktgeschehen ist. Eine Verformung durch alpine Tektonik, wie sie Doppler & Geiß (2005)
annehmen, kann absolut ausgeschlossen werden, da die Gerölle in dieser Form nicht den
geringsten Transport überlebt hätten. Die Verfärbung des Gesteins im Bild unten links deutet
auf Erhitzung.
Abb. 8. Schürfe im Umfeld des Tüttensees. Der Pfeil markiert den Wald, in dem die Messungen
der magnetischen Bodensuszeptibilität durchgeführt wurden. Satellitenbild: Google Earth.
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Die Tüttensee-Ejektalage
Abb. 9. Schematischer Schnitt durch die Ablagerungen mit dem Ejekta-Horizont im Umfeld des
Tüttensees.
Abb. 10. Zum Vergleich: Schnitt durch den Ejekta-Horizont des Macha-Kraters Nr. 2. Verändert
aus Gurov & Gurova (1998). Die Ähnlichkeit mit der Tüttensee-Ejektalage (Abb. 9) ist
augenfällig.
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Im Detail treffen wir am Tüttensee etwa folgende Situation an:
Abb. 11. Schurf Nr. 5: Einzelne Klasten stecken in dem fossilen Bodenhorizont über dem
autochthonen Target-Gestein (Seeton; siehe die Extra-Vertiefung rechts unten). Die größeren
Klasten haben Abmessungen von etwa 20 cm.
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Abb. 12. Hervorragend konserviert: Schilf und Haarbüschel von der Basis der Ejekta-Lage.
Abb. 13. Ein heftig fragmentierter, jedoch zusammenhaltender Quarzit-Block von der Basis der
Ejekta-Lage.
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3 Über diesem fossilen Bodenhorizont folgt eine bis zu einem Meter mächtige
polymikte Brekzie, die in Teilen dieselbe Fazies hat wie die Bunte Brekzie im
Nördlinger Ries-Krater (Pohl et al. 1977) (Abb. 15). Die Bunte Brekzie am
Tüttensee enthält bunte, scharfkantig gebrochene Gesteinsfragmente eines
kompletten Korngrößenspektrums aus der gesamten alpinen Lithologie. Die
Bunte Brekzie enthält organisches Material in Form von fragmentiertem Holz
(Abb. 16), reichlich Holzkohle (Abb. 15), Knochen und Knochenfragmenten
(Abb. 17) und gut erhaltenen Zähnen (Abb. 17). Die Bunte Brekzie vom
Tüttensee enthält brekziierte Klasten mit Vergriesungserscheinungen und
Mörteltextur, mit der Besonderheit, dass die Klasten trotz stärkster
Zertrümmerung kohärent in der tonigen Matrix angetroffen werden (Abb. 18),
genauso wie die zertrümmerten Klasten, die im darunter liegenden fossilen
Boden zu finden sind.
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Abb. 15. Gegenüberstellung der Bunten Brekzie des Tüttensees und einer Komponente der
Bunten Brekzie aus dem Ries-Krater. Die Pfeile markieren jeweils Holzkohlefragmente in den
Brekzien.
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Abb. 17. Knochen und Zähne in der Bunten Brekzie vom Tüttensee.
Abb. 18. Völlig zertrümmerte aber zusammenhaltende Klasten (links ein Kalkstein, rechts ein
Quarzit) in der Bunten Brekzie vom Tüttensee.
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Abb. 19. Tiefgreifend korrodierte Klasten aus der Tüttensee-Ejektalage. Oben links und unten
rechts ein Kalkstein, oben rechts ein Sandstein und unten links ein Amphibolit, der mit der
bloßen Hand zerdrückt und pulverisiert werden konnte.
4 Geophysikalische Untersuchungen
Gravimetrie
Überraschend ist der Nachweis eines Ringes relativ positiver Anomalien um die
negative Anomalie des Tüttensees herum (Abb. 20). Die positiven Anomalien werden
durch eine im Durchmesser ca. 1000 m messende flache Linse leicht erhöhter Dichte
modelliert (Abb. 21). Die Dichteerhöhung lässt sich mit dem von starken Erdbeben
(z.B. Lee & Albaisa 1974, Montgomery et al. 2003) bekannten Modell einer
Bodenverflüssigung und anschließenden Verdichtung erklären (Ernstson 2005).
Darüber hinaus könnte die Nachströmbewegung hinter der Impakt-Schockfront zu
einer Kompaktion der lockeren, hochporösen und wassergesättigten Gesteine des
Einschlaggebietes beigetragen haben.
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Abb. 21. 2,5-D-Modellrechnung und ein Dichtemodell für die Schwereanomalie des Tüttensee-
Kraters. Nicht überhöht. Man beachte die Linse erhöhter Dichte (in roter Farbe).
Durch Ergebnisse, die bei Messungen der magnetischen Suszeptibilität des Bodens
im nördlichen Teil des Chiemgau Impakt-Streufelds in der Gegend von Burghausen
erzielt worden waren (Hoffmann et al. 2004), wurden wir veranlasst, in einem Wald
nahe dem Tüttensee (s. Abb. 8) eigene Bodensuszeptibilitätsmessungen
vorzunehmen. In großen, ungestörten Waldgebieten waren Hoffmann et al. (2004)
auf eine anomale magnetische Signatur des Bodens gestoßen, die mehr oder
weniger regelmäßig in 10 - 20 cm Tiefe einen deutlichen Anstieg der magnetischen
Suszeptibilität zeigt und von erhöhten Werten der magnetischen Suszeptibilität, wie
sie in Industrieregionen sonst in den allerobersten Zentimetern des Bodens
gemessen werden (s. auch Magiera et al. 2006), zu unterscheiden ist. Hoffmann et
al. (2004) schließen industrielle Kontamination ebenso aus wie einen geogenen
Ursprung dieser magnetischen Anomalie, vermeiden es aber, ein drittes
Erklärungsmodell zu diskutieren.
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Abb. 22. Bodenmagnetische Suszeptibilitätsprofile aus einem Wald in der Nähe des Tüttensees
(siehe Abb. 8).
5 Schockmetamorphose
Schock im Tüttensee-Ringwall
Schockmetamorphose von Gestein gilt nach allgemeiner Auffassung als Beleg für
einen Meteoriteneinschlag (French 1998, und andere).
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engständige parallele, optisch isotrope Lamellen, die nach den kristallographischen
Richtungen im Quarzkorn ausgerichtet sind.
Einen anderen Schockeffekt, allerdings von geringerer Intensität, zeigt die Abb. 23
(rechts). In der Dünnschliffaufnahme sehen wir multiple Scharen planarer Brüche
(PFs), die nach den kristallographischen Richtungen im Quarzkorn ausgerichtet sind.
Normalerweise zeigt Quarz keine derartige Spaltbarkeit, und nur in seltenen Fällen
kann Quarz unter extremen tektonischen Drücken in den stärksten Phasen der
Regionalmetamorphose planare Brüche erfahren. Bei Impaktstrukturen dagegen
gehören durch Schock erzeugte planare Brüche zum regulären Inventar.
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Schock in der Bunten Brekzie der Tüttensee-Ejektalage
Abb. 24. PDFs in Quarz aus der Bunten Brekzie der Tüttensee-Ejektalage. Links:
Quarzglimmerschiefer, Schurf Nr. 10. Rechts: Glimmerquarzit, Schurf Nr. 21.
Dünnschliffaufnahmen, gekreuzte Polarisatoren; Bildbreiten 380 µm und 400 µm.
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Abb. 24. Zwei Scharen engständiger Knickbänderung ("NNW - SSE" and "NNE - SSW") in Biotit.
Gneis, Schurf Nr. 10. Dünnschliffaufnahme, gekreuzte Polarisatoren; Bildbreiten ca. 1 mm.
Abb. 25. Extrem deformierter Calcit mit multiplen Scharen von Mikrozwillingen und einigen
Knickbändern. Calcit-Gängchen in Quarzit, Stefanutti-Schurf in Grabenstätt.
Dünnschliffaufnahme, gekreuzte Polarisatoren; Bildbreite ca. 1 mm.
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6 Zusammenfassung und die Entstehung des Tüttensee-Kraters
-- Der Ringwall enthält viele stark deformierte Gerölle, die auf eine Kurzzeit-
/Hochdruck-Belastung hinweisen, wie sie für den Prozess der Entstehung
eines Impaktkraters typisch ist.
-- Der Tüttensee-Ringwall wird umgeben von einer Decke polymikter Brekzie, die
teilweise der Bunten Brekzie der Impaktstruktur Nördlinger Ries ähnlich ist.
Die Bunte Brekzie vom Tüttensee enthält brekziierte Klasten mit
Vergriesungserscheinungen und Mörteltextur mit der Besonderheit, dass die
Klasten trotz stärkster Zertrümmerung kohärent in der tonigen Matrix
angetroffen werden. Die Bunte Brekzie enthält reichlich organisches Material
wie Holz und Holzkohle sowie Tierknochen und Zähne.
-- Die Brekzie liegt über einem fossilen Boden, der ebenfalls reich ist an
organischem Material (Holz, exzellent erhaltene Schilfhalme, Büschel
menschlicher oder/und tierischer Haare). Einzelne, häufig zertrümmerte, aber
dennoch kohärente Klasten kompetenter Gesteine stecken in dem fossilen
Boden.
-- Klasten aus der Schicht der Bunten Brekzie zeigen häufig, wenn auch in
mäßiger Ausprägung, Schockmetamorphose wie PDFs in Quarz, sehr starke
Knickbänderung in Glimmer und intensive Mikroverzwilligung in Calcit.
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Die Entstehung des Kraters
Die geologische Situation, so wie sie hier vorgestellt wurde, kann zwanglos durch
wohlbekannte Vorgänge bei der Entstehung eines Impaktkraters (Melosh 1989)
erklärt werden. Zur Zeit des Impaktes vor ca. 2500 Jahren besteht das Target aus
dem Seeton des Chiemsees und lehmigen pleistozänen oder/und holozänen
verlehmten Kiesbänken mit einem (nunmehr fossilen) Boden mit organischem
Material (Holz, Schilf, Haarbüschel vielleicht aus einem Vogelnest). In der Kontakt-
und Kompressionsphase laufen Schockwellen in das Projektil (das verdampft) und in
die Untergrundgesteine, die schockmetamorph verändert werden. Der hohe Druck
der Impaktexplosion, Schockwellen und die durch Schock initiierte
Nachströmbewegung kompaktieren unverfestigte, hochporöse und wassergesättigte
Gesteine des Target, was zu einer Verdichtung und der nunmehr zu beobachtenden
auffälligen Zone positiver Schwereanomalien um den Tüttensee herum führt.
Bei der Exkavation des beim Impakt sich bildenden Tüttensee-Kraters werden Ejekta
ausgeschleudert, die den Ringwall des Tüttensees formen, eine Decke aus
zertrümmertem Auswurfmaterial über dem damaligen Bodenhorizont ausbreiten und,
da der Vorgang rapide, katastrophenartig erfolgt, das organische Material unter
Sauerstoffabschluss plombieren und bis heute in dem hervorragenden Zustand
erhalten haben.
Die zerbrochenen und heftigst zerdrückten jedoch kohärenten Klasten innerhalb der
weichen tonigen Brekzienmatrix, wie sie aber auch vom Tüttensee-Ringwall
entnommen wurden, können durch den enormen Umschließungsdruck bei
Exkavation und Landung der Ejekta erklärt werden, wie es von vielen anderen
Impaktstrukturen (z.B. Ries in Deutschland, Azuara/Rubielos de la Cérida in Spanien
[Claudin et al. 2001, Ernstson et al. 2002]) gut bekannt ist.
Schließlich haben jüngere Überflutungen die Bunte Brekzie des Tüttensees mit
Kieslagen unversehrter Gerölle überdeckt; andernfalls hat sich der rezente Boden
unmittelbar über dem Brekzienhorizont gebildet.
Bislang ungeklärt ist die mögliche Veränderung des Ringwalls und der Ejektaschicht
unmittelbar nach dem Impakt. Echolotungen/Sonarmessungen auf dem Chiemsee
erbrachten deutliche Hinweise auf runde, einen Wall aufweisende Strukturen, deren
Durchmesser 100 - 200 m beträgt und die beim Chiemgau Impakt durch den
Einschlag gesonderter Projektile entstanden sein könnten. Von diesen vermuteten
Impakten ausgelöste, tsunamiartige Flutwellen könnten sich über den gerade
entstandenen Tüttenseekrater und die Ejekta-Lage ergossen haben und
verantwortlich sein für die Entstehung zusätzlicher Erosions- und
Sedimentationsstrukturen. In den zwischen Tüttensee und Chiemsee gelegenen
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Schürfen (s. Abb. 8), besonders in dem Schurf in Grabenstätt, gibt es Hinweise auf
solche Vorgänge, die jedoch genauerer Untersuchung bedürfen.
7 Diskussion
Bislang sind keine authentischen Berichte über das Ereignis bekannt, auch wenn es
möglicherweise in alten Traditionen widergespiegelt wird (Rappenglück &
Rappenglück 2006). Fragmente des Tüttensee-Impaktors wurden bisher nicht
gefunden, doch mögen sie unter dem Wasser des Tüttensees und einer dicken
organischen Schicht begraben sein. Das gleiche gilt für eine geochemische Signatur.
Der Ringwall, der ursprünglich den See komplett umschlossen hat, ist morphologisch
gesehen verdächtig. Aber auch wenn seine Form für eine eiszeitliche Moräne recht
untypisch ist, so ist doch Morphologie wenig aussagekräftig, wenn es um einen
möglichen Impaktkrater geht.
Die postglaziale polymikte Brekzie (Bunte Brekzie), die die Tüttensee-Struktur wie
eine Decke umgibt, zeigt alle Kriterien einer Impakt-Brekzie und, berücksichtigt man
die Ablagerungsmerkmale, ebenso alle einer Impakt-Ejektalage. Vernünftigerweise
ist kein „normaler“ geologischer Prozess vorstellbar, der im Holozän diese
ausgedehnte besondere polymikte Brekzie erzeugt haben könnte. Es fehlen
sämtliche erforderlichen Vorbedingen (Relief, Quelle des Materials) für einen
allenfalls in Betracht kommenden großen Erdrutsch oder Felssturz. Die Entstehung
durch einen Impakt und als Ejekta scheint die einzig logische Erklärung zu sein. Die
zahlreichen starken Deformationen, die an Geröllen aus dem Tüttensee-Ringwall zu
beobachten sind, weisen auf in situ erfolgte Hochdruck-/Kurzzeit-Belastung hin und
untermauern ebenfalls einen kraterbildenden Impaktprozess. Selbst Nichtgeologen
sind überzeugt, dass diese zerbrochenen Klasten einen fluvio-glazialen Transport
aus den Alpen niemals hätten überleben könne. Doch genau ein solcher Transport
muss angenommen werden, wenn die Deformationen ihren Ursprung in alpiner
Tektonik hätten, wie es von Doppler & Geiss vorgeschlagen wird (2005).
Abgesehen von der direkten Beobachtung eines Impakts und vom Fund von
Projektilresten, wird Schockmetamorphose von Gesteinen, die einer verdächtigen
Struktur entstammen, schon für sich allein genommen allgemein als unzweifelhafte
Bestätigung eines Impakts betrachtet (French 1998, Langenhorst & Stöffler 1994,
Grieve et al. 1996, u.a.). Dementsprechend muss allein schon der Nachweis von
Schockeffekten in Gesteinen vom Tüttensee-Ringwall und in der Lage der Bunten
Brekzie als Beleg für einen Impakt gelten.
Der Prozess der Anerkennung neuer irdischer Impaktstrukturen war fast immer
begleitet von nachdrücklicher Ablehnung durch lokale und regionale Geologen. In
vielen Fällen folgten langandauernde, heftige Kontroversen. Wir erinnern, neben
anderen, an die Fälle des Nördlinger Ries-Kraters (Dehm 1969), die Impaktstrukturen
von Vredefort (z.B. Nicolaysen & Reimold 1985) und Sudbury (Pye et al. 1984) und
den spanischen multiplen Azuara-Impakt (Ernstson et al. 2001, 2002; Aurell 1994,
Cortés et al. 2002). Im allgemeinen wird das Argument bemüht, die regionale
geologische Situation sei angeblich unvereinbar mit einer Impaktgenese der zur
Diskussion stehenden Struktur. Obwohl die Kollision eines Himmelskörpers mit der
Erde bezogen auf die betroffene Region ein rein statistisches Ereignis ist, werden
regionale Geologen nicht müde, die Karte der regionalen geologischen Verhältnisse
auszuspielen.
Um die Theorie des Chiemgau Impakts zu widerlegen und die Hypothese der
glazialen Entstehung zu untermauern, werden von den Gegnern
Bodenbildungsprozesse und Auflösung durch saure Böden als Argumente genannt,
um die Deformationen und die tiefreichende Korrosion bis hin zu tiefreichender,
skelettartiger Korrosion der Gesteine aus der Impaktschicht zu erklären. (Geiss 2006,
Fernseh- und Radiointerviews). Hier erinnern wir daran, dass die zur Diskussion
24
stehenden Klasten Teil eines Gesteins sind, nämlich der Impakt-Brekzie, und weder
in einem rezenten noch in einem fossilen Boden vorkommen. Falls die Kritiker
beabsichtigen, Frostsprengung als Ursache der brekziierten Klasten anzuführen,
verweisen wir schon vorsorglich auf den Umstand, dass Frost sich um 2000 v. Chr.
und später wohl kaum bis in eine Tiefe von 1,50 m auswirkte. Außerdem zeigen die
Abb. 14 und 15, dass die scharfkantigen Fragmente in der Brekzie offensichtlich
keine Gegenstücke haben, wie sie bei einer durch Frost verursachten Zerlegung zu
erwarten wären.
In einer neuen Stellungnahme von Kritikern des Chiemgau Impakts (Reimold et al.
2006) wird wieder das Argument einer Entstehung durch glaziale Prozesse
herangezogen. Dabei werden die umfangreichen auf einen Impakt hinweisenden
Ergebnisse, die in einer Reihe früherer Publikationen vorgelegt worden sind (siehe
CIRT 2006 und die dortige Übersicht) komplett ignoriert und unterschlagen.
Stattdessen argumentieren Reimold et al. (2006) (Zitat) „Overwhelming scientific
evidence suggests that the larger structures referred by CIRT, in particular the
largest one, Tüttensee, are kettle holes.“
Wir fragen uns, ob es sich hier um einen neuen Stil der wissenschaftlichen
Diskussion handelt, der Tatsachen, Dokumente, Analysen, detaillierte
Beschreibungen etc. durch die einfache und völlig unbegründete Behauptung ersetzt,
dass „überwältigende Gewissheit“ bestehe.
8 Schlussfolgerungen
Danksagung. – Unsere Arbeit wäre ohne die aktive und immaterielle Unterstützung
zahlloser Personen unmöglich. Herzlichen Dank an alle!
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* Das Chiemgau Impact Research Team (CIRT): R. Behr, G., Benske,
T. Bliemetsrieder, K. Ernstson, T. Ernstson, H.-P. Matheisl, W. Mayer,
E. Neugebauer, B. Rappenglück, M.A.Rappenglück, U. Schüssler, R. Sporn
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