Sie sind auf Seite 1von 2

WISSEN

2010

Werden wir Gedanken lesen knnen?


VON Niels

Birbaumer | 31. Dezember 2003 - 13:00 Uhr

Niels Birbaumer: Wahrscheinlich. Zumindest einfache Gedanken werden wir wohl entschlsseln knnen. die zeit: Wie soll das gehen? Birbaumer: Ansatzweise gelingt uns das ja schon heute. Dazu misst man die elektrischen Impulse direkt in der Gegend der Nervenzellen und lsst sie dann von einem Computerprogramm zur Mustererkennung untersuchen. zeit: Damit knnen Sie aber nur solche Gedankenmuster identifizieren, die schon bekannt sind. Birbaumer: Ja. Die Voraussetzung ist, dass das Muster dieses speziellen Gedankeninhalts schon im Computer abgespeichert wurde, sonst kann der Rechner es nicht wiedererkennen. zeit: Bislang kann man auf diese Weise doch nur feststellen, ob und wie bestimmte Hirnareale aktiv sind. ber den Inhalt der dabei entstehenden Gedanken sagt das noch nichts aus. Birbaumer: Nein, primitive Inhalte knnen wir durchaus erkennen. Dieses Prinzip wird in Zukunft natrlich noch verfeinert werden, indem wir die elektrischen Signale mglichst direkt an der Hirnrinde messen. Das scheint nicht unmglich. Erste Experimente, die in diese Richtung gehen, wurden soeben verffentlicht. zeit: Welche einfachen Gedanken wollen Sie auf diese Weise wiedererkennen? Birbaumer: Als einfach bezeichne ich alle wiederholbaren Gedanken, die jedes Mal auf dieselbe Weise ablaufen. Zum Beispiel: Ich gehe dorthin. Ich habe Hunger. Mir ist kalt. zeit: Aber komplexere Gedanken wie zum Beispiel Ich liebe die Grbchen in den Wangen meiner Freundin werden Sie doch auf diese Weise nie entschlsseln knnen. Birbaumer: Warum nicht? Das Prinzip wre nicht sehr viel anders. Das Problem mit solchen Gedanken ist nur, dass sie in der Tiefe jener Hirnregionen angesiedelt sind, die fr Gefhle zustndig sind, etwa im limbischen System. Sie sind also gewissermaen anatomisch weiter entfernt. Aber wenn wir die systemische Hirnforschung gezielt frdern, sollten wir in nicht allzu langer Zeit auch solche Gedanken entschlsseln knnen.

Niels Birbaumer, Direktor des Instituts fr Medizinische Psychologie und VerhaltensNeurobiologie der Universitt Tbingen
COPYRIGHT: (c)

DIE ZEIT 31.12.2003 Nr.2 1

WISSEN
ADRESSE: http://www.zeit.de/2004/02/2010_Gedankenlesen

Das könnte Ihnen auch gefallen