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Ralph Than
Xūšhāl Xān entstammte den paštūnischen Verband der Xaťťak. Dieser Ver-
band war, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus den Distrikt Kōhat
kommend, dem Urgroßvater Xūšhāls, Malik Akōřay, in das Gebiet zwischen
Nawšehra und Atok gefolgt. Dort begründete Malik Akōřay die Siedlung Akō-
řa und erhielt im Jahre 1586 vom Moghul-Kaiser Akbar den Auftrag, den
Handelsweg zwischen Atok und Peschawar zu überwachen.1 Gleichzeitig er-
hielt Malik Akōřay das Recht zugesprochen, Wegezoll auf „seiner“ Route zu
erheben.2 Dieses Privileg wurde nach seinem Tode weiterhin seinen Nach-
folgern, die insgesamt gute Beziehungen zum Hofe der Moghuln unterhiel-
ten, zugesprochen.
Xūšhāl Xān Xaťťak, Sohn des Šāhbāz Xān Xaťťak3, wurde im Monat Rabīcas-
sānī des Jahres 1022 des islamischen Mondkalenders (entspricht 21. Mai bis
18. Juni 1613) geboren.4 Er erhielt eine umfangreiche Ausbildung, die unter
anderem Persisch und Arabisch, Theologie, islamisches Recht, Philosophie,
Medizin und Poetik umfasste.5 Sein besonderes Interesse galt dabei der
Dichtkunst, und es heißt, daß er Sacdi sehr verehrte.6 Bereits als sechzehn-
jähriger Jugendlicher soll Xūšhāl Xān damit begonnen haben, eigene Verse
zu schreiben.7 Das Leben des Xūšhāl Xān Xaťťak, der von Zeitgenossen und
Nachfahren oft zärtlich-respektvoll Xūšhāl-bābā (Väterchen Xūšhāl) genannt
wurde, kann zeitlich in drei größere Perioden gefasst werden8, jeweils ab-
hängig vom Stand der Beziehungen zwischen ihm und seinem Stamm zu
den Moghuln.
Die erste Periode umfasst Xūšhāls Antritt der Nachfolge seines Vaters als
Stammesführer der Xaťťak nach dem Tode von Šāhbāz und die loyale Ge-
1
Leicht bearbeiteter Auszug aus meiner Magisterarbeit, verfasst an der Hum-
boldt-Universität zu Berlin, Philosophische Fakultät III, Lehrstuhl für Spra-
chen und Kulturen Mittelasiens; 1996 („Klassische paštūnische Prosa über Wert-
vorstellungen und Verhaltensnormen der Paštūnen - Vorstellungen über die männ-
liche Tugend im Dastār-nāma des Xūšhāl Xān Xaťťak [1613 – 1689]“).
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folgschaft zu Šāh Ğāhān bis zum Machtantritt Aurangzebs 1658. Šāhbāz war
in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den ebenfalls paštūnischen
Yussufzī im Jahre 16419 ums Leben gekommen. Xūšhāl Xān wurde nach
dem Tode seines Vaters von den Xaťťak zum Oberhaupt des Stammes ge-
wählt.10 In der Folgezeit spielt Xūšhāl eine führende Rolle in den bewaffne-
ten Stammesauseinandersetzungen zwischen den Xaťťak und den Yus-
sufzī.11 Es handelt sich dabei vor allem um wirtschaftliche und politische
Konflikte, entstanden infolge der Konkurrenz um territoriale Nutzungsrech-
te, Zolleinkünfte, um Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Beziehun-
gen einzelner paštūnischen Stämme zu den Moghuln etc. Xūšhāl Xān be-
fasst sich mit der Erstellung eines Flurbuches (Katasters). Er setzt sich für
die Beendigung der regelmäßigen Umverteilungen landwirtschaftlicher Flä-
chen unter den Stammesmitgliedern (wēš) ein und ordnet das Anlegen ei-
nes die Bodennutzungsrechte fixierenden Registers an.12 Weiterhin nimmt
Xūšhāl, von Šāh Ğāhān in seinem Amt als gewähltes Stammesoberhaupt
bestätigt, als Gefolgsmann an dessen Feldzügen unter anderem nach Balx
und Badaxšān teil.13
Xūšhāl Xān wird im April 1664 in Peschawar verhaftet und schließlich in Ket-
ten nach Delhi verbracht und eingekerkert.15 Während der Festungshaft
entsteht das ethisch-didaktische Lehrwerk Dastār-nāma ("Turban-Buch")
(1665). Nach etwa vier Jahren Festungshaft und Hausarrest in Indien kann
Xūšhāl 166816 in seine Heimat zurückkehren. Er ist nunmehr Todfeind Au-
rangzebs und führend am bewaffneten Widerstand der Paštūnen gegen die
Moghuln beteiligt.17 Im Jahre 1668 entsteht das in seiner Thematik an das
Dastār-nāma anknüpfende Fazl-nāma.18
Eine dritte Periode im Leben Xūšhāl Xāns umfasst schließlich die siebziger
und achtziger Jahre des 17. Jahrhunderts in denen er aktiv an der Spitze
paštūnischer Stammeskrieger gegen die Moghuln auftritt. 1674 verzichtet er
auf seinen Posten als Oberhaupt der Xaťťak, „proclaiming himself as a rebel
and out-law“19. Sein ältester Sohn Ašraf übernimmt die Stammesführung.20
Im selben Jahr entsteht mit dem Bāz-nāma ("Falken-Buch") ein Lehrwerk
über die Beizjagd, eine der Leidenschaften Xūšhāl Xāns.21 Die folgenden
Jahre werden zu teilweise entbehrungsreichen Wanderjahren innerhalb der
paštūnischen Stammesgebiete, beispielsweise nach Swāt, wo er sich von
Juli 1675 bis Februar 1676 aufhält.22 Bald darauf entsteht das Swāt-nāma.
Xūšhāl wirbt um Unterstützung für den Kampf gegen die Moghuln. Er sucht
dabei bewusst auch den Kontakt zu seinen ehemaligen Gegnern bei anderen
paštūnischen Stämmen. Dies belegen seine mehrfachen, ergebnislos geblie-
benen Versuche, die Stammesführung der Yussufzī zu gemeinsamem Han-
deln gegen das indische Kaiserhaus zu bewegen.23 “He personally went from
tribe to tribe, and by negotiations as well as his charming poetry tried to
infuse something of his own burning soul into his countrymen. The diplo-
macy and gold of Aurangzeb, however, were too powerful for him and he
was finally compelled to retire in the Afridi country, where he died at the
age of 78.”24 Über das Sterbedatum Xūšhāl Xāns besteht Unklarheit.25 Eini-
ge von mir zu Hilfe genommenen Quellen nennen als das Todesjahr Xūšhāl
Xāns das Jahr 1689.26
Xūšhāl Xān Xaťťaks schriftstellerischer und kriegerischer Ruhm ist bis in die
Gegenwart hinein ungebrochen: noch heute ist die achtungsvolle Redewen-
dung dэ tūrē aw dэ qalām xāwэnd - der Meister des Schwertes und der Fe-
der in Gebrauch, wenn von Xūšhāl Xān Xaťťak, dem Stammesführer und
Dichter gesprochen wird.28
Quellen:
1
Howell; Caroe 1988:2.
2
Ebenda. Masson; Romodin 1965:49.
3
Zur Ge ne a lo g ie d e r Fam ilie Xūšhāl Xāns s. d ie von K uše v u. a.
aus de n D a s t ā r - n ā m a b e r e i t s v e r ö f f e n t l i c h t e n A n g a b e n .
1995:451 f.
4
Masson; Romodin 1965:49.
5
Ulug-Zade 1962:118.
6
Merganov 1963:71.
7
Ulug-Zade 1962:119.
8
Kušev 1989:42.
9
Masson; Romodin 1965:49. Caroe 1992:221, 231. - Etwas unverständlich
erscheint mir die Angabe des Jahres 1640 in Howell; Caroe (1988:3), wo
Caroe doch in seinem o. g. Werk eine andere Aussage trifft. Mor-
genstierne (1960:50), ne nnt e be nfalls 1640 als T odesj ahr des
Šāhbāz.
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10
Morgenstierne 1960:50.
11
Vgl. Caroe 1992:231 ff.
12
Masson; Romodin 1965:50 f. Aslanov 1955:131.
13
Masson; Romodin 1965:50.
14
Caroe 1992:232 f.
15
Masson; Romodin 1965:51; Caroe 1992:233.
16
Farhadi (1978:72) nennt das Jahr 1669 als Datum der Rückkehr
Xūšhāls aus der Gefangenschaft.
17
Ebenda.
18
Kušev 1980:57.
19
Howell; Caroe 1988:7.
20
Ebenda.
21
Masson; Romodin 1965:68.
22
Kušev 1995:451, Fußnote 3.
23
Masson; Romodin 1965:58.
24
Iqbal 1928:485.
25
Vgl. Bečka 1966:465, wo „1613 - 1690?“ genannt wird und Dvoryankov
1962:103, wo 1691 als Sterbejahr mitgeteilt wird.
26
Z. B. Lorenz 1995:101; Morgenstierne 1975:4.
27
Xūšhāl Xān soll etwa 360 Werke verfasst haben (Ulug-Zade 1962:118). Diese Zahl
erscheint mir nur schwer vorstellbar. Wahrscheinlich entsprang sie dem Bemühen,
die Bedeutung des Schaffens von Xūšhāl besonders zu unterstreichen und ihn ge-
genüber anderen Autoren hervorzuheben. Bislang sind uns zwölf Werke Xūšhāl Xāns
bekannt (Sulemankhel 1992:7).
28
Für ausführlichere biographische Angaben über Xūšhāl Xān s. Masson; Romodin
1965:48 ff.; Caroe 1992:221 ff.; Morgenstierne 1960:49 ff.; śafar Kākāxēl o.J.:599
ff.; Kušev 1989:41 f.
Literatur:
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