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Philosophy, Phenomenology, Sciences

Unterschied zu uns Menschen die Vermglichkeit besitze, die Welt gleichzeitig aus zwei intersubjektiv einander widerstreitenden Perspektiven zu
erfahren; der Begriff Gott wre der Name fr ein von der intersubjektiven Asymmetrie freies Bewusstsein, worin alle einzelnen Bewusstseine
mit ihrer Welterfahrung simultan prsent wren. In diesem Sinne spricht
Husserl im besagten Manuskript von Gott als Allbewusstsein oder auch
All-Ich.
Man darf nicht bersehen, dass Husserl die Annahme eines Allbewusstseins in dem Manuskript, aus dem ich gerade zitiert habe, sogleich
mit einer Randbemerkung infrage stellt, die lautet: Ist das aber denkbar?
(Ms.-S. 29 a) Eben diese Frage beantwortet er fnf Jahre spter mit einer
bekannten Stelle der Ideen I von 1913, an der er nachdrcklich erklrt, sogar Gott sei bei der Erfassung eines Dings an die Perspektivitt gebunden
(Hua III, 1, hg. von K. Schuhmann, S. 351). Die Bindung Gottes an die Perspektivitt macht die Annahme unmglich, in ihm sei eine Simultaneitt
intersubjektiv einander widerstreitender Erlebnisse denkbar. Damit aber
entfllt auf dem Felde der intersubjektiven Erfahrung die Mglichkeit,
das ungegenstndliche Vertrauen in die universale Erreichbarkeit von intersubjektiver Einstimmigkeit in der absoluten Sicherheit zu verankern,
die ein gttliches Allbewusstsein bieten wrde.
Wenn auch Gott an die Perspektivitt gebunden ist, muss das aber
nicht heien, dass er berhaupt nicht mehr als agathn fr die Erreichbarkeit von Einstimmigkeit gutstehen knnte. Es bedeutet lediglich, dass er
die Erreichbarkeit von Einstimmigkeit nur auf eine durch die intersubjektive Perspektivitt eingeschrnkte Weise gewhrleisten kann. Aber was ist
damit gesagt, worin kann eine solche Einschrnkung der Gewhrleistung
konkret bestehen?
Hier mssen wir einen Aspekt der Erfahrung von Einstimmigkeit bercksichtigen, den ich bisher bergangen habe: Einstimmigkeit besteht in
der bereinstimmung zwischen Vorzeichnung und Erfllung. Alle Vorzeichnungen fr das intentionale Bewusstsein ergeben sich daraus, dass
die intentionalen Erlebnisse in Horizonte, d.h. in Zusammenhnge von
Sinnverweisungen eingebettet sind. Solche Zusammenhnge werden aber
nur durch die Einstimmigkeit von Bewusstseinsvollzgen mglich; mit

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