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Sauber recherchiert.
In dieser Zeitung finden Sie jeden Dreck — nur keinen journalistischen
Abfall. Wir zeigen Menschen, die mit Müll arbeiten und leben. Wir
zeigen Tatortreiniger, Taubenkot und Tonnentaucher. Wühlen Sie mit uns
Foto: Vollmer
im Müll, aber machen Sie sich dabei nicht die Hände schmutzig.
61 300
Abfallentsorgungs- und Verwer- etwa 320 000 Megawattstunden je- Im Straßenbau ersetzt sie Sand und 51 000
tungsgesellschaft (AVG). des Jahr. Kies als Baustoff. 19 800
17 100
In Köln fallen jedes Jahr rund Hinzu kommen 200 000 Tonnen Bioabfälle und Grünschnitte sind
826 000 Tonnen Müll an. Damit Dampf, von denen ein Großteil zu ebenfalls noch zu verwenden. Aus
Haus-, Gewerbe- Baustellen- Papier Biomüll Leichtver- Glas
könnte man etwa 79 000 Müllfahr- den benachbarten Ford-Werken ihnen entsteht Kompost, den die
Quelle
Drecksblatt
Jahrgang Zweitausendacht Seite Drei
D as erste Mal war das schlimms- räumen ist der 33-Jährige vorsichtig,
te. Sven Cremer kam in die denn Blut oder Exkremente können
Wohnung und sah das Blut: auf dem Krankheiten übertragen. „Der Hepa-
Und mehr Geld gibt es auch. Der
Stundenlohn beim Gebäudereinigen
liegt bei 25 Euro, bei der Tatortreini-
mehr haben.
Diskretion und Flexibilität sind
unerlässlich: Keine Werbung auf
gen schlecht warten lassen.“
Was Cremer mit der Zeit erst
lernen musste, ist das Gespräch mit
Sofa, im Treppenhaus, im Bad. Eine titis-Erreger bleibt auch im getrock- gung kann Cremer 80 bis 120 Euro dem Auto oder der Berufskleidung, den Angehörigen. „Man fährt nicht
junge Frau hat- neten Blut noch pro Arbeitsstunde verdienen. Dieses 24 Stunden am Tag erreichbar sein. einfach weg, wenn die Arbeit ge-
te sich die Puls- Viele Angehörige sieben Tage“, sagt Geschäft würde er gerne ausbauen. Oft muss der Tatortreiniger über tan ist. Viele fangen von selbst an
schlagadern auf- entfernen Blut und Cremer. Deshalb Seit Anfang des Jahres hat er zu erzählen, was passiert ist, andere
geschnitten. Ihr schützt er sich mit neun Aufträge bekommen. Sven suchen nur nach Zerstreuung und
Vater öffnete ihm
Exkremente selbst. einem Ganzkör- Cremer reinigt Tatorte etwa in ei- wollen über Alltägliches reden.“
die Tür. „Er blieb per-Schutzanzug, nem Umkreis von 150 Kilometern. Eine Wohnung, die Cremer sau-
ganz ruhig. Aber mir standen die Handschuhen und Mundschutz. „Es lohnt sich nicht, sich auf Köln ber gemacht hat, gehörte einer
Nackenhaare hoch“, erinnert sich „Man sollte sich nicht einen Eimer zu beschränken“, sagt er. Manchmal 80-Jährigen, die sich umgebracht
Cremer. Desinfektionsmittel kaufen und sa- suchten Auftraggeber auch extra hatte, um nicht ins Altenheim zu
Sven Cremer reinigt Tatorte in gen: Hurra, jetzt bin ich Tatortrei- Firmen aus anderen Städten, wegen müssen. „Diese Geschichte ging mir
Köln und Umgebung. Wenn die niger.“ Trotzdem würden noch viele der Diskretion. „Die Angehörigen wirklich nah“, sagt er. Auf andere Ge-
Kriminalpolizei weg und die Woh- Angehörige oder Hausmeister Blut wollen mich nicht unbedingt auf der danken bringen ihn dann seine Hun-
nung freigegeben ist, dann kommt und Exkremente selber entfernen. Straße wiedertreffen.“ de: „Die schnappe ich mir abends
er – zum Saubermachen, Desinfizie- Sven Cremer betreibt seit fünf Neue Aufträge zu werben, sei und gehe zwei Stunden spazieren. So
ren und Entrümpeln. Meistens sind Jahren eine Gebäudereinigungsfir- schwierig. „Wir können ja keine An- bekomme ich den Kopf frei.“
es Selbstmorde oder Unfälle, deren ma mit sechs Mitarbeitern, die Tat- zeige in der Zeitung schalten“, sagt Doch eins, das bleibt: der Ge-
Spuren Sven Cremer entfernt. ortreinigung ist ein Nebengeschäft. er. Deshalb heiße es Klinkenputzen ruch. Den habe er nach Stunden
Mindestens viereinhalb Stunden Damit angefangen hat er vor zwei bei Bestattern und Werben auf der noch in der Nase. „Wenn ich nur
dauert die Säuberung, es können Jahren. „Da zu putzen, wo ande- eigenen Internetseite. Auch beim daran denke, kommt er zurück.
aber auch acht werden. Je nachdem, re gestorben sind, fasziniert mich. Ordnungsamt fragt Cremer an, ob Desinfektor
fektor Sven Cremer
fektor Für mich riecht der Tod irgend-
wie stark die Wohnung verdreckt ist, Außerdem sind die Angehörigen es Tatorte zu reinigen gibt. Das ist Foto: Klöckner wie rostig.“
Drecksblatt
Seite Vier Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft
E s ist ein Zufallstreffer. Massen- Müll, der illegal entsorgt wurde. Oft Diesmal hilft das Handy. Ralf hat
weise blaue und gelbe Säcke, bekommen sie auch Hinweise von herausgefunden, dass der Hausbesit-
Holz, Kartons, ein Straßenschild, Bürgern und der Straßenreinigung. zer für die neu eingezogenen Mieter
zehn“. Sie beginnen nachzurech-
nen: Kabel Eins, Vox, WDR, ZDF,
Pro Sieben, RTL. Teilweise waren
ein Teppich. Obendrauf ein Paar Es ist an diesem Tag bereits der zusätzliche Mülltonnen beantragt die Fernsehleute mehrfach da. Und
Handschuhe und ein brauner Le- dritte Fall für Ralf und Dieter. Die hatte, aber wohl zu spät. Die drei nicht zu vergessen der südkorea-
derkoffer. Daneben drei übervolle ersten beiden wa- Tonnen vor dem nische Sender, der in einer Serie
schwarze Tonnen. Es stinkt. Der ren schnell gelöst. Ralf fotografiert den Haus wurden zu- ungewöhnliche Berufe im Ausland
Boden ist klebrig. Aus einer Plastik- „Das hier ist schon Tatort, Dieter kauft dem falsch befüllt vorgestellt hat. Mülldetektive kennt
tüte ist Apfelsaft ausgelaufen. eine größere Sa- und deshalb von man nicht in Südkorea. Ralf und
Ralf betrachtet den Haufen, der che“, sagt Dieter,
sich erstmal ein Twix. der Müllabfuhr Dieter einigen sich auf zehn bis
vor einem Mehrfamilienhaus zwei während er die nicht mitgenom- fünfzehn Drehtage.
Parkplätze und einen Teil der Kalk- Klingelschilder des frisch renovier- men. „Klar, dass die Mieter ihren Ihre Runde führt an diesem Tag
Mülheimer-Straße bedeckt. „Das ten Mietshauses betrachtet. Er sucht Müll nicht in der Wohnung stehen durch die Straßen und Gässchen
sind so viereinhalb Kubik, oder?“, nach einem Hinweis auf den Haus- lassen“, schließt Ralf. Würde er ja von Deutz, Kalk, Mülheim und
fragt er seinen Kollegen. Dieter meister. Ralf telefoniert inzwischen auch nicht machen. Vingst. Eine typische Strecke. „In
nickt und schiebt mit dem Fuß Un- im Auto, um den Hausbesitzer zu Wie der stinkende Haufen ent- Lindenthal oder Sülz sind wir fast
rat zusammen, damit die Radfahrer ermitteln. fernt wird, ist aber immer noch un- nie“, sagt Dieter. „Kommt eben auch
vorbeifahren können. „Illegale Nut- Im Jahr 2008 haben die beiden klar. Ralf greift erneut zum Handy. auf die Gegend an.“
zung öffentlichen Straßenraums“, 185 Fälle von wildem Müll festge- Dieter geht zum Kiosk und kauft Als sich die beiden auf einem
murmelt er. stellt. Genug Haus-, Sperr- und Bio- eine Cola und ein Twix. Als er wie- Waldparkplatz umsehen, einer Stan-
Ralf und Dieter sind die Kölner müll, um knapp 6000 Badewannen derkommt, macht Ralf schon die dardstelle für illegalen Müll, erzählt
Mülldetektive. Seit zwei Jahren fah- zu füllen. 102 Mal konnten Ralf und Beweisfotos vom Tatort. Die Ent- Dieter von ihrem größten Fall: „Wir
ren sie im Auftrag der Abfallwirt- Dieter den Verursacher ermitteln. sorgung hat er so gut wie geklärt. haben einen Hinweis bekommen,
schaftsbetriebe mit ihrem silbernen Manchmal genügt dazu schon ein Der Vermieter muss nur noch den dass man bei Google Earth eine wil-
Auftrag für die AWB erteilen. Mit de Mülldeponie sehen würde. Erst
rund 250 Euro Abholgebühr ist die haben wir das gar nicht geglaubt.“
Sache für ihn erledigt. Aber tatsächlich: Auf dem Com-
Ralf und Dieter sind zufrieden. puterbild erkannten sie deutlich die
„Wir wollen ja nicht bestrafen, das vielen leuchtend blauen Säcke. „Als
bringt uns nichts. Wir klären die wir hinfuhren, war da ein riesiger
Leute lieber auf.“ Ralf verstaut die Graben voll Hausmüll. Sechzig bis
Kamera. Ihr Auftrag ist erfüllt. achtzig Meter lang und zwanzig,
Den Rest macht die Straßenrei- dreißig Meter tief“, sagt Dieter. Über
nigung, bei der Ralf und Dieter bis Monate war dort illegal Hausmüll
vor zwei Jahren noch als Müllwa- entsorgt worden. Der Abtransport
genfahrer gearbeitet haben. Doch dauerte zwei Tage.
dann kam eine interne Ausschrei- Auf der Rückfahrt schreibt Dieter
bung - jetzt sind sie Detektive. Das das Protokoll. Ralf fährt. Nach zwei
bringt zwar nicht mehr Geld, aber Jahren Ford Fiesta hat man sich auf
mehr Eigenverantwortung, meint einander eingestellt. „Am Anfang
Ralf. Und mehr Aufmerksamkeit. gab es häufig Meinungsverschie-
Er und sein Partner waren schon denheiten“, sagt Ralf. „Inzwischen
mehrfach im Fernsehen. „Ich zähl ergänzen wir uns gut. Das ist wie ne
Auf der Jagd Dieter und Ralf schießen Beweisfotos von einem illegalen schon gar nicht mehr“, sagt Ralf. Ehe.“ Dieter nickt. Dann beißt er in
Müllberg auf der Straße. Foto: AWB Dieter schon. „Das waren bestimmt sein Twix.
Drecksblatt
Jahrgang Zweitausendacht Seite Fünf
Die Straßenkosmetiker
Kehrmännchen Sie machen Drecksarbeit — und doch haben sie es gut
Von Jan Willmroth sich gerade lauthals, weil dem einen kann mich nicht beklagen“, sagt der Wert auf Weiterbildung legt das
heute ein Fahrer fehlt. „Ein norma- 59-Jährige. Sein Job sei deutlich bes- Unternehmen aber nach wie vor.
Drecksblatt
Seite Sechs Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft
Drecksblatt
Jahrgang Zweitausendacht Seite Sieben
Von Svenja Kemper Bilderstöckchen. „Bei der Reinigung mit dem Ball hinfallen, hinterlassen wurden angelernt oder im Betrieb Redaktion
haben wir uns alle Kaffeepads vor sie Schweißflecken“, sagt Matticka. ausgebildet. Christoph Behrens
P
Marcel Berndt
lötzlich gab es einen Knall. Al- die Nase gebunden.“ Denn Kaffee Damit kein anderer Spieler darauf „Die Akzeptanz von Reinigungs- Bastian Brinkmann
tes Bratfett spritzte auf Laptops, neutralisiert Fettgestank. ausrutscht, stehen am Spielfeldrand kräften hat in den vergangenen Jahren Ozan Demircan
Fernseher und CD-Player. Im Le- Solche Sonderreinigungen sind zwei Heinzelmännchen bereit. stark zugenommen“, sagt Betriebs- Leonard Goebel
verkusener Saturn stank es wie in eine der Haupteinnahmequellen Die Firma ist ein Familienbetrieb, inhaber Alexander Brux. Vorurteile Julia Hübner
Jonas Jansen
einer ranzigen Frittenbude. Die Ver- des Unternehmens. Die Heinzel- 2007 aus den Reinigungsbetrieben gibt es aber immer noch. „Wenn in Patrick Kalbhenn
sorgungsrohre des darüberliegen- männchen reinigen Büroräume und von Hermann Brux und seinem einem Büro wichtige Unterlagen ver- Svenja Kemper
den McDonalds waren geplatzt, als Kaufhäuser, putzen Schaufenster Sohn Alexander entstanden. Im schwinden, heißt es oft: Die Putzfrau Jürgen Klöckner
Arbeiter das Fett aus den Leitungen und säubern Teppichböden. Zu ih- vergangenen Jahr haben die Kölner war es.“ Daher ist sein Unterneh- Sebastian Kollmann
Patrick Kremers
abpumpen wollten. Niemand hatte ren Kunden zählt neben dem Kölner Heinzelmännchen nach eigenen men besonders bei der Reinigung Christina Kyriasoglou
bemerkt, dass sie unter zu hohem Novotel und der Schuhkette Huma- Angaben einen Umsatz im ein- von Schreibtischen vorsichtig. „Wir Jennifer Lange
Druck standen. nic auch die Basketballmannschaft stelligen Millionenbereich erzielt vereinbaren vorher mit unserem Auf- Malte Laub
„So etwas ekliges hatte ich noch der Köln 99ers. und beschäftigen zur Zeit rund 300 traggeber, dass alle privaten Sachen Christoph Pagel
Tom Sundermann
nie gesehen“, sagt Susanne Mattik- Bei den Basketballern reinigen Mitarbeiter. Die meisten von ihnen vom Schreibtisch abgeräumt werden Peter Vollmer
ka, Betriebsleiterin der Reinigungs- die Heinzelmännchen während des sind Frauen, etwa 90 Prozent hat- müssen.“ Ist das nicht der Fall, wird Jan Willmroth
firma Kölner Heinzelmännchen aus Spiels das Feld. „Wenn die Jungs ten vorher einen anderen Beruf. Sie der Tisch nicht gereinigt.
Drecksblatt
Seite Acht Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft
Drecksblatt