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1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
1.2 Teilgebiete der Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
1.3 Anatomische Fachsprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
1.4 Gliederung des Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
1.5 Oberflächenanatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
1.6 Achsen, Ebenen, Richtungs- und Lagebezeichnungen . . . . . . . . . . . 38
1.7 Äußere Gestalt des Körpers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
1.8 Körperspende und Präparierkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
W. Schmidt
Der Name Anatomie leitet sich von dem griechischen Wort „anatemnein“ ab, was Die Anatomie ist die Lehre von der Gestalt
„zerschneiden, zergliedern“ bedeutet. Humananatomie ist die Anatomie des Men- und Struktur des gesunden menschlichen
schen. Sie vermittelt Grundlagen über die Gestalt und Struktur des gesunden Körpers.
menschlichen Körpers und seiner Organe und bildet die Basis jedes ärztlichen Han-
delns. Daher kann sie nicht einfach als „trockene“ theoretische Wissenschaft ange-
sehen werden, sondern ist der Wissensgrundstock, auf den jeder Arzt – unabhängig
von seiner gewählten Fachrichtung – ständig zurückgreifen muss.
▶ Merke. Ohne genaue Kenntnis des normalen Körpers ist es nicht möglich, patho- ▶ Merke.
logische (krankhafte) Veränderungen festzustellen.
Die Gestalt beschreibt die äußere Form eines Individuums, seiner Glieder und Orga- Die Gestalt beschreibt die äußere Form, die
ne. Die Struktur entspricht dem inneren Aufbau von Organen und ihrer Bestandteile Struktur entspricht dem inneren Aufbau von
im makroskopischen, mikroskopischen, submikroskopischen und molekularen Be- anatomische Strukturen und bezieht die
reich; der Strukturbegriff bezieht die Funktion mit ein. Funktion mit ein.
▶ Merke. Zusammen mit der Physiologie und der Biochemie bildet die Anatomie ▶ Merke.
die Grundlage für Prophylaxe, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation von Erkran-
kungen.
Das Fach Anatomie gliedert sich in die Teilgebiete makroskopische Anatomie, mikro- Die Anatomie umfasst die makroskopische
skopische Anatomie und Embryologie. und mikroskopische Anatomie sowie die
Die deskriptive Anatomie widmet sich der Beschreibung von Befunden in diesen Embryologie.
Teilgebieten der Anatomie. Während sich die deskriptive Anatomie der
Beschreibung widmet, fügt die funktionelle
Die funktionelle Anatomie fügt die aus dem makroskopischen, mikroskopischen
Anatomie strukturelle Befunde zum funktio-
und molekularen Bereich ableitbaren strukturellen Informationen über den Aufbau
nellen Gesamtbild zusammen.
des menschlichen Körpers zu einem funktionellen Gesamtbild zusammen.
▶ Definition. Die makroskopische Anatomie beschreibt Strukturen > 1 mm, d. h. die ▶ Definition.
mit dem bloßen Auge oder mit einer Lupe beurteilt werden können.
Sie gliedert sich in die vergleichende Anatomie, systematische Anatomie und topo- Sie gliedert sich in folgende Bereiche:
grafische Anatomie.
Vergleichende Anatomie: Sie setzt die Baupläne verschiedener Typen der Tierwelt in Vergleichende Anatomie: Der Vergleich von
Beziehung und sucht nach Gesetzmäßigkeiten der Form. Tieren und Menschen ermöglicht die Be-
Aufgabe der vergleichenden Anatomie ist es auch, Tiere und Menschen miteinander schreibung homologer bzw. heterologer For-
zu vergleichen, um homologe (artgleiche) bzw. heterologe (artfremde) Formen auf- men.
zuzeigen. Der Mensch gehört aufgrund der Ausbildung seines Skelettes zu den Wir-
beltieren (Vertebraten).
Aumüller, Duale Reihe Anatomie (ISBN 978-3-13-243502-5),© 2020. Thieme. All rights reserved.
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32 A 1 Allgemeine Grundlagen
Systematische Anatomie: Gliederung Systematische Anatomie: Sie vermittelt die Gliederung des Stoffes nach Organen
des Stoffes nach Organen oder Funktionssys- oder Funktionssystemen und liefert gewissermaßen ein vollständiges Verzeichnis
temen: über die einzelnen Bestandteile des Organismus. Unterschieden werden einzelne
Systeme anhand ihrer Funktion, die jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten
(entwicklungsgeschichtlich, topografisch) auch zusammengefasst werden können.
Da manche Organe oder Organstrukturen mehrere Funktionen erfüllen, sind auch
verschiedene Einteilungen und Zuordnungen zu Systemen möglich – daher ist die
folgende Einteilung nur eine unter vielen:
■ Bewegungssystem (S. 221). ■ Bewegungssystem (S. 221): Knochen, Gelenke, Bänder, Muskeln.
■ Herz-Kreislauf-System (S. 145), Blut (S. 165) ■ Herz-Kreislauf-System (S. 145) mit Herz und Blutgefäßen, Blut (S. 165) und lym-
und lymphatisches System: lymphatische phatisches System: Zum lymphatischen System werden im Allgemeinen neben
Organe (S. 179), Lymphgefäßsystem den lymphatischen Organen (S. 179), deren Hauptaufgabe die Abwehr von Krank-
(S. 161).
heitserregern ist, auch die Lymphgefäße gezählt. Sie sind als eine Art Nebenstre-
■ Nervensystem (S. 194).
cke an das venöse System angeschlossen und dienen hauptsächlich der Drainage
■ Atmungssystem: Pharynx (S. 914), Nase
und Nasennebenhöhlen (S. 1039), Lunge von Flüssigkeit aus dem Gewebe. Aufgrund dieser den Venen vergleichbaren
(S. 547). Transportfunktion und der Darstellung seines Aufbaus im Vergleich mit den arte-
■ Verdauungssystem (S. 675). riellen und venösen Gefäßen, mit denen es im Bereich des Kapillarbetts in Bezie-
■ Urogenitalsystem (S. 763). hung steht, wird das Lymphgefäßsystem (S. 161) in diesem Buch zusammen mit
■ System der endokrinen Drüsen (S. 63). den Grundzügen des Herz-Kreislauf-Systems besprochen.
■ Haut und Sinnesorgane. ■ Nervensystem (S. 194).
■ Atmungssystem: Nase (S. 1039), Luftwege (S. 914), Lungen (S. 547).
physe (S. 1249), Epiphyse (S. 1127), Schilddrüse (S. 931), Nebenschilddrüsen
(S. 933), Nebennieren (S. 790), Inselorgan des Pankreas (S. 751), Keimdrüsen.
■ Haut und (klassische) Sinnesorgane: Rezeptoren der Haut, s. Mechanorezeption
und Propriozeption (S. 1196) und Tab. O-1.2, Auge (S. 1049), Hör- und Gleichge-
wichtsorgan (S. 1074), Geruchsorgan (S. 1045), Geschmacksorgan (S. 1012).
Topografische Anatomie: Berücksichtigung Topografische Anatomie: Die topografische Anatomie setzt die Systematik voraus
der Lage und Stellung der anatomischen und befasst sich mit der Lage und Stellung aller anatomischen Strukturen zueinan-
Strukturen zueinander. der.
Mit der systematischen Anatomie allein, ohne Topografie, kommt man in der Praxis
nicht aus.
▶ Klinik. ▶ Klinik. Systematische Anatomie und topografische Anatomie sind die Grundlage
für die klinische Anatomie. Die Beurteilung von Röntgenbildern oder Befunden, die
mit modernen bildgebenden Verfahren (S. 129) wie Ultraschall (Sonografie), Com-
putertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT) oder Positronen-Emis-
sionstomografie (PET) gewonnen werden, wäre ohne Anatomiekenntnisse nicht
möglich. In der computerunterstützten Chirurgie werden Anatomen in die präope-
rative Planung mit einbezogen.
In der Absicht, sowohl den funktionellen als auch den topografischen Aspekten ge-
recht zu werden, wurde im vorliegenden Buch versucht, beide zu vereinen. Dabei
sind insbesondere klinisch relevante Gesichtspunkte und Bauprinzipien von Organ-
systemen berücksichtigt worden.
Die Embryologie ist die Lehre von der ungeborenen Leibesfrucht. Sie schildert die Sie beschreibt Form- und Funktionsverände-
Form- und Funktionsveränderungen von der Befruchtung bis zur Geburt. rungen von der Befruchtung bis zur Geburt.
Die Terminologia anatomica ist die anatomische Fachsprache, die nicht nur in der Die Terminologia anatomica (aktuell von
menschlichen Anatomie Anwendung findet, sondern auch in der praktischen Medi- 1998) ist die anatomische Fachsprache.
zin und in der vergleichenden Anatomie Umgangssprache ist. Die heute gültige Ter-
minologia anatomica stammt aus dem Jahr 1998. Die Nomina histologica und die
Nomina embryologica sind älter (1985). In unregelmäßigen Abständen werden die
Fachtermini von einer eigens dafür eingerichteten Kommission aktualisiert.
Dadurch ist auch zu erklären, dass früher gebräuchliche Bezeichnungen, die sich im
klinischen Alltag etabliert haben, trotz inzwischen geänderter anatomischer No-
menklatur weiterhin gebräuchlich sind.
Der Körper gliedert sich in Kopf, Hals, Rumpf, obere und untere Extremität S. Abb. A-1.1.
(Abb. A-1.1) und zeigt einen größtenteils bilateral symmetrischen Aufbau.
▶ Exkurs: Bilaterale Symmetrie. Bilaterale Symmetrie sagt aus, dass die rechte und die linke ▶ Exkurs: Bilaterale Symmetrie.
Körperhälfte spiegelbildlich gebaut sind. Die Symmetrie lässt sich im Kopf, in den Extremitäten
und in der Leibeswand nachweisen. Bei den inneren Organen ist nur bei der Lunge und bei den
Nieren noch eine bilaterale Symmetrie erkennbar, jedoch nicht mehr bei Herz, Magen-Darm-
Kanal, Leber, Milz und Pankreas.
Aumüller, Duale Reihe Anatomie (ISBN 978-3-13-243502-5),© 2020. Thieme. All rights reserved.
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34 A 1 Allgemeine Grundlagen
Kopf (Caput): Hirnschädel (Neurocranium) Kopf (Caput): Der Schädel, das Skelett des Kopfes, besteht aus dem Hirnschädel
und Eingeweideschädel (Viscerocranium). (Neurocranium), in dem, wie der Name schon sagt, das Gehirn liegt und dem Einge-
weideschädel (Viscerocranium) mit Mund- und Nasenraum.
Hals (Collum): Muskeln, HWS, Gefäße, Ner- Hals (Collum): Der Hals enthält die Halsmuskulatur und die Halswirbelsäule. Er wird
ven, Rachen (Pharynx), Kehlkopf (Larynx), von Leitungsbahnen (Gefäß-Nervenstrang) durchzogen. Zu den Halseingeweiden
Speiseröhre (Ösophagus), Luftröhre (Tra- zählen der Rachen (Pharynx), Kehlkopf (Larynx), die Anfangsteile der Speiseröhre
chea), Schilddrüse (Gl. thyroidea), Neben- (Ösophagus) und der Luftröhre (Trachea) sowie Schilddrüse (Glandula thyroidea)
schilddrüsen (Gll. parathyroideae).
und die Nebenschilddrüsen (Glandulae parathyroideae).
Rumpf (Truncus): Brust- und Lendenwirbel- Rumpf (Truncus): Abschnitte der Wirbelsäule (Brust- und Lendenwirbelsäule sowie
säule, Kreuzbein, Steißbein, Brustkorb (Tho- Kreuz- und Steißbein), Brustkorb (Thorax) und Becken (Pelvis) bilden den knöcher-
rax) und Becken (Pelvis) bilden den knöcher- nen Rahmen des Rumpfes. Der Bauchraum (Abdomen) wird durch die Bauchmusku-
nen Rahmen. latur nach ventral geschlossen.
Brusthöhle (Cavitas thoracis), Bauchhöhle
Die aus Knochen und Muskeln gebildete Rumpfwand umgibt die Körperhöhlen, in
(Cavitas abdominalis) und Beckenhöhle (Ca-
denen sich folgende Organe befinden, vgl. zum Begriff der Körperhöhlen (S. 114):
vitas pelvis) sind wichtige Hohlräume für Or-
■ Cavitas thoracis (Brusthöhle): Herz (Cor), Lungen (Pulmones), Luftröhre (Trachea),
gane (S. 114).
Speiseröhre (Ösophagus) und Bries (Thymus).
■ Cavitas abdominalis (Bauchhöhle): Komplett oder teilweise umhüllt vom Bauch-
fell, sog. Peritoneum (S. 651), Leber (Hepar), Gallenblase (Vesica biliaris), Milz
(Splen), Magen (Gaster), Dünndarm (Intestinum tenue mit Duodenum, Jejunum
und Ileum) und Dickdarm (Intestinum crassum mit Caecum, Appendix vermifor-
mis, Colon ascendens, Colon transversum, Colon descendens und Colon sigmoi-
deum). Dorsal des Bauchfells (retroperitoneal) Bauchspeicheldrüse (Pankreas),
Nieren (Ren dexter et sinister) und Nebennieren (Glandulae suprarenales).
■ Cavitas pelvis (Beckenhöhle): Mastdarm (Rectum), Analkanal (Canalis analis),
▶ Exkurs: Metamerie. ▶ Exkurs: Metamerie. Der Rumpf besteht aus gleichartigen Abschnitten (Segmenten). Diese
Segmente bezeichnet man als Metamere. Die Metamerie, deren Grundlage die Somiten, sog. Ur-
segmente (S. 113), bilden, ist nur in der Embryonalperiode deutlich ausgebildet. Im Bereich des
Brustkorbes lässt sich der segmentale Bau noch ablesen. Jedes Segment besteht aus einem Wir-
bel mit der Zwischenwirbel-Scheibe, rechts und links befindet sich eine Rippe und den Zwi-
schenrippenraum füllen Muskeln, Venen, Arterien und Nerven aus. Keine Metamerie weisen
Kopf, Hals und die Leibeshöhlen mit den Eingeweiden auf.
Obere Extremität: Obere Extremität (Membrum superius): Die obere Extremität ist über den Schulter-
Schulterblatt (Scapula), Schlüsselbein (Clavi- gürtel (Cingulum membri superioris), der aus Schlüsselbein (Clavicula) und Schul-
cula), Oberarm (Brachium), Ellenbeuge (Cu- terblatt (Scapula) besteht, am Rumpf befestigt. Die freie obere Extremität (Pars libe-
bitus), Unterarm (Antebrachium) und Hand ra membri superioris) gliedert sich in Oberarm (Brachium), Ellenbeuge (Cubitus),
(Manus).
Unterarm (Antebrachium) und Hand (Manus).
Untere Extremität: Untere Extremität (Membrum inferius): Die untere Extremität wird über das Hüft-
Hüftbein (Os coxae), Oberschenkel (Femur), bein (Os coxae) mit dem Rumpf verbunden. Beide Hüftbeine bilden die Wand des
Knie (Genu), Unterschenkel (Crus) und Fuß Beckens und sind Bestandteile des Rumpfes. Die freie untere Extremität (Pars libera
(Pes). membri inferioris) unterteilt sich in Oberschenkel (Femur), Knie (Genu), Unter-
schenkel (Crus) und Fuß (Pes).
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A 1.5 Oberflächenanatomie 35
1.5 Oberflächenanatomie 1.5 Oberflächenanatomie
Oberflächenanatomie ist Anatomie am Lebenden. Sie befasst sich mit der Körper- Oberflächenanatomie ist Anatomie am Le-
oberfläche. Die bei der Präparation gewonnenen Erkenntnisse werden bei den klas- benden. Sie ist Voraussetzung für klinische
sischen klinischen Untersuchungsmethoden (Inspektion, Palpation, Perkussion, Aus- Untersuchungsmethoden.
kultation und Funktionsprüfungen, s. u.) angewendet. Die Oberflächenanatomie hat
bei klinischen Untersuchungskursen eine große Bedeutung.
Die gesamte Körperoberfläche wird weiterhin in Regionen unterteilt. Regionen sind Regionen sind abgegrenzte Bezirke der Kör-
abgegrenzte Bezirke der Körperoberfläche, die auch für die Klinik von Wichtigkeit peroberfläche (s. jeweiliges Kapitel des Bewe-
sind, indem sie z. B. die topografische Zuordnung von pathologischen Veränderun- gungssystems, Hals und Kopf).
gen erleichtern. So wird beispielsweise der Oberschenkel (S. 389) in eine vordere
(Regio femoris anterior) und eine hintere Region (Regio femoris posterior) geglie-
dert. Da teilweise die Kenntnis der darunter gelegenen Strukturen die Benennung
der jeweiligen Regionen erklärt oder für ihre Abgrenzung gegeneinander wichtig
ist, werden sie im Rahmen der entsprechenden Kapitel (Bewegungssystem, Hals,
Kopf) behandelt.
Für die Orientierung am Skelett sind tastbare Knochenpunkte (Abb. A-1.4) von Der Orientierung am Skelett dienen an der
wichtiger Bedeutung. Nicht an jedem Gelenk ist die Palpation der artikulierenden Körperoberfläche tastbare Knochenpunkte
Skelettteile möglich (z. B. Hüftgelenk). Bei einer klinischen Untersuchung kann die (Abb. A-1.4).
Lage indirekt über tastbare Knochenpunkte der Umgebung bestimmt werden.
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36 A 1 Allgemeine Grundlagen
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A 1.5 Oberflächenanatomie 37
1.6 Achsen, Ebenen, Richtungs- und 1.6 Achsen, Ebenen, Richtungs- und
Lagebezeichnungen
Lagebezeichnungen
Entsprechend den drei Raumrichtungen un- Um sich an der Körperoberfläche orientieren zu können, benötigt man die Körper-
terscheidet man drei Achsen und die korres- achsen und die Körperebenen. Achsen und Ebenen stehen senkrecht aufeinander.
pondierenden Ebenen. Entsprechend den drei Raumrichtungen unterscheidet man drei Achsen und die
korrespondierenden Ebenen.
Transversal- Frontal-
ebene ebene
Longitudinal- (koronare
achse b Ebene)
Transversal- Sagittal-
a achse achse
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A 1.6 Achsen, Ebenen, Richtungs- und Lagebezeichnungen 39
Cavitas cranii
(Schdelhhle)
Cavitas
pericardialis Cavitas pleuralis
Cavitas
thoracis
II
Cavitas
peritonealis
III
Spatium
retroperitoneale
Cavitas
pelvis
IV
Spatium
a b subperitoneale
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40 A 1 Allgemeine Grundlagen
1 Lunge (Pulmo dexter) 9 Rippe (Costa): knorpeliger sternaler Anteil 17 thorakales Rückenmark (Myelon)
2 M. pectoralis major 10 V. pulmonalis sinistra 18 V. azygos
3 A. pulmonalis dextra 11 linker Vorhof (atrium sinistrum) 19 Ductus thoracicus
4 V. cava superior 12 Mm. intercostales 20 Speiseröhre (Oesophagus)
5 A. und V. thoracica interna 13 Rippe (Costa) 21 Aorta descendens
6 Aorta ascendens 14 Skapula 22 linker Unterlappenbronchus
7 Sternum (Corpus) 15 rechter Unterlappenbronchus 23 Lunge (Pulmo sinister)
8 Truncus pulmonalis 16 Brustwirbelkörper
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
aI a II 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
1
9
2 10
3 11
4 12
13
5 14
6 15
16
17
7
18
19
8 20
bI b II
1 A. pulmonalis dextra 7 Leber (Hepar) 14 Speiseröhre (Oesophagus)
2 rechter Hauptbronchus 8 10. Rippe 15 Aorta descendens
(Bronchus pulmonalis principalis dexter) 9 Aortenbogen (Arcus aortae) 16 Bandscheibe im Zwischenwirbelraum
3 Vv. pulmonales dextrae 10 A. pulmonalis sinistra ThIX/ThX
4 Unterlappenbronchus 11 linker Hauptbronchus 17 Brustwirbelkörper (ThX)
(Bronchus lobaris inferior dexter) (Bronchus principalis sinister) 18 Recessus costodiaphragmaticus
5 rechte Lunge (Pulmo dexter) 12 V. pulmonalis sinistra 19 Milz
6 Zwerchfell (Diaphragma) 13 linke Lunge (Pulmo sinsister) 20 Zwerchfell (Diaphragma)
(nach Möller T.B., Reif E.: Taschenatlas der Schnittbildanatomie. Thieme, 2010)
a Thorax-CT, axial (I) mit entsprechender schematischer Darstellung (II).
b Thorax-MRT, koronar (I) mit entsprechender schematischer Darstellung (II).
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A 1.6 Achsen, Ebenen, Richtungs- und Lagebezeichnungen 41
1.6.3 Richtungs- und Lagebezeichnungen 1.6.3 Richtungs- und Lagebezeichnungen
Zur Kennzeichnung der Richtung oder der Lage von Körperteilen werden im ana- Siehe Tab. A-1.3.
tomischen Sprachgebrauch bestimmte Termini verwendet (Tab. A-1.3).
Die meisten dieser Angaben sind von einem Bezugspunkt aus zu betrachten. Bei- Viele Angaben gehen von einem Bezugspunkt
spiel: Das Herz liegt dorsal des Brustbeins, ventral der Wirbelsäule und medial der aus.
Lungen.
▶ Merke. Bei den Seitenangaben (dexter und sinister) geht man immer vom Patien- ▶ Merke.
ten aus und nicht von der Sicht des Gegenübers.
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42 A 1 Allgemeine Grundlagen
lateralis
medialis
cranialis
caudalis
dorsalis
ventralis
ulnaris
radialis
dorsalis
palmaris
proximalis
distalis
dexter sinister
tibialis
fibularis
dorsalis
plantaris
Die Bestimmung der Körpermaße spielt insbesondere im Bereich der Kinderheil- Die Bestimmung der Körpermaße spielt ins-
kunde eine große Rolle. Anhand der erhaltenen Werte und ihres Eintrags in eine besondere im Bereich der Kinderheilkunde
Perzentilenkurve (Abb. A-1.9) kann der Arzt sowohl den Stand der Entwicklung eine große Rolle (Perzentilenkurven,
eines Kindes im Normvergleich als auch den Entwicklungsverlauf beurteilen. s. Abb. A-1.9).
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
Körpergröße: Die mittlere Körpergröße wird für neugeborene Mädchen mit 50,0 cm Körpergröße: bei Geburt
± 3,6 cm, für neugeborene Jungen mit 51,5 cm ± 3,5 cm angegeben. Die Körpergröße ♀ 50,0 cm ± 3,6 cm
hat sich normalerweise bis zum 5. Lebensjahr verdoppelt und beträgt mit dem 15. ♂ 51,5 cm ± 3,5 cm
Lebensjahr das Dreifache, s. auch Akzeleration (S. 45). Verdoppelung bis zum 5. Lj., Verdreifachung
bis zum 15. Lj.
▶ Klinik. Eine angeborene Unterfunktion der Schilddrüse oder eine fehlende Schild- ▶ Klinik.
drüse führt zu einer Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Entwicklung.
Das Wachstum ist stark verzögert (Zwergwuchs = Kretinismus). Eine rechtzeitige Zu-
fuhr von Schilddrüsenhormon verhindert den Kretinismus.
▶ Klinik. Ein Ausfall der Keimdrüsenhormone bedingt ein verlängertes Längen- ▶ Klinik.
wachstum (Riesenwuchs). Die Zufuhr von Geschlechtshormonen hemmt das Län-
genwachstum.
Körpergewicht: Das Körpergewicht ist abhängig von Körpergröße, Ernährungs- Körpergewicht: Man kann Normal-, Über-
zustand und der Funktion der endokrinen Drüsen. und Untergewicht mit Hilfe des BMI (Body-
Zur Bestimmung des Körpergewichts wendet man den Body-Mass-Index (BMI, Mass-Index) bestimmen:
Abb. A-1.10), auch als Quetelet-Index bezeichnet, an: BMI = Körpergewicht (in kg) ÷ BMI = Körpergewicht (in kg) ÷ Körpergröße (in
m)2
Körpergröße (in m)2;
Beispiel: bei Körpergewicht 90 kg und Körpergröße 1,80 m: BMI = 90 ÷ (1,80)2
= 27,8.
Eine einfache Beurteilungsmöglichkeit des Körpergewichts stellt die Formel nach Mit Hilfe der Broca-Formel ist eine einfache
Broca dar: Normalgewicht (kg) = Körperlänge (cm) minus 100 Beurteilung des Körpergewichts möglich.
▶ Klinik. Eine übermäßig vermehrte Bildung von Fettgewebe bezeichnet man als ▶ Klinik.
Adipositas. Sie wird vorwiegend durch Umwelteinflüsse wie Bewegungsmangel
und/oder übermäßige Nahrungszufuhr hervorgerufen. Die Fettsucht ist ein Risiko-
faktor für eine Reihe von Erkrankungen wie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit),
Hypertonie (Blutdruckerhöhung), Hyperlipidämie (Erhöhung des Gesamtlipid-
gehalts im Blutserum), Gicht sowie Gefäßerkrankungen des Gehirns, des Herzens
und der Niere.
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44 A 1 Allgemeine Grundlagen
Gr§e in Meter
1,48 1,52 1,56 1,60 1,64 1,68 1,72 1,76 1,80 1,84 1,88 1,92 1,96 2,00
12 0 55 53 52 51 49 48 47 46 45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 35 35 34 33 33 32 31 31 30
118 54 52 51 50 48 47 46 45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 36 35 34 33 33 32 31 31 30 30
116 53 52 50 49 48 46 45 44 43 42 41 40 39 38 37 37 36 35 34 34 33 32 31 31 30 30 29
114 52 51 49 48 47 46 45 43 42 41 40 39 39 38 37 36 35 34 34 33 32 32 31 30 30 29 29
112 51 50 48 47 46 45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 35 35 34 33 32 32 31 30 30 29 29 28
110 50 49 48 46 45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 36 35 34 33 32 32 31 30 30 29 29 28 28
108 49 48 47 46 44 43 42 41 40 39 38 37 37 36 35 34 33 33 32 31 31 30 29 29 28 28 27
106 48 47 46 45 44 42 41 40 39 38 38 37 36 35 34 33 33 32 31 31 30 29 29 28 28 27 27
104 47 46 45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 35 34 34 33 32 31 31 30 29 29 28 28 27 27 26
102 47 45 44 43 42 41 40 39 38 37 36 35 34 34 33 32 31 31 30 29 29 28 28 27 27 26 26
100 46 44 43 42 41 40 39 38 37 36 35 35 34 33 32 32 31 30 30 29 28 28 27 27 26 26 25
98 45 44 42 41 40 39 38 37 36 36 35 34 33 32 32 31 30 30 29 28 28 27 27 26 26 25 25
96 44 43 42 40 39 38 38 37 36 35 34 33 32 32 31 30 30 29 28 28 27 27 26 26 25 24 24
Gewicht in Kilogramm
94 43 42 41 40 39 38 37 36 35 34 33 33 32 31 30 30 29 28 28 27 27 26 25 25 24 24 24
92 42 41 40 39 38 37 36 35 34 33 33 32 31 30 30 29 28 28 27 27 26 25 25 24 24 23 23
90 41 40 39 38 37 36 35 34 33 33 32 31 30 30 29 28 28 27 27 26 25 25 24 24 23 23 23
88 40 39 38 37 36 35 34 34 33 32 31 30 30 29 28 28 27 27 26 25 25 24 24 23 23 22 22
86 39 38 37 36 35 34 34 33 32 31 30 30 29 28 28 27 27 26 25 25 24 24 23 23 22 22 22
84 38 37 36 35 35 34 33 32 31 30 30 29 28 28 27 27 26 25 25 24 24 23 23 22 22 21 21
82 37 36 35 35 34 33 32 31 30 30 29 28 28 27 26 26 25 25 24 24 23 23 22 22 21 21 21
80 37 36 35 34 33 32 31 30 30 29 28 28 27 26 26 25 25 24 24 23 23 22 22 21 21 20 20
78 36 35 34 33 32 31 30 30 29 28 28 27 26 26 25 25 24 24 23 23 22 22 21 21 20 20 20
76 35 34 33 32 31 30 30 29 28 28 27 26 26 25 25 24 23 23 22 22 22 21 21 20 20 19 19
74 34 33 32 31 30 30 29 28 28 27 26 26 25 24 24 23 23 22 22 21 21 20 20 20 19 19 19
72 33 32 31 30 30 29 28 27 27 26 26 25 24 24 23 23 22 22 21 21 20 20 20 19 19 18 18
70 32 31 30 30 29 28 27 27 26 25 25 24 24 23 23 22 22 21 21 20 20 19 19 19 18 18 18
68 31 30 29 29 28 27 27 26 25 25 24 24 23 22 22 21 21 21 20 20 19 19 18 18 18 17 17
66 30 29 29 28 27 26 26 25 25 24 23 23 22 22 21 21 20 20 19 19 19 18 18 18 17 17 17
64 29 28 28 27 26 26 25 24 24 23 23 22 22 21 21 20 20 19 19 18 18 18 17 17 17 16 16
62 28 28 27 26 25 25 24 24 23 22 22 21 21 20 20 20 19 19 18 18 18 17 17 16 16 16 16
60 27 27 26 25 25 24 23 23 22 22 21 21 20 20 19 19 19 18 18 17 17 17 16 16 16 15 15
58 26 26 25 24 24 23 23 22 22 21 21 20 20 19 19 18 18 18 17 17 16 16 16 15 15 15 15
56 26 25 24 24 23 22 22 21 21 20 20 19 19 18 18 18 17 17 17 16 16 16 15 15 15 14 14
54 25 24 23 23 22 22 21 21 20 20 19 19 18 18 17 17 17 16 16 16 15 15 15 14 14 14 14
52 24 23 23 22 21 21 20 20 19 19 18 18 18 17 17 16 16 16 15 15 15 14 14 14 14 13 13
50 23 22 22 21 21 20 20 19 19 18 18 17 17 17 16 16 15 15 15 14 14 14 14 13 13 13 13
48 22 21 21 20 20 19 19 18 18 17 17 17 16 16 15 15 15 14 14 14 14 13 13 13 12 12 12
Körperoberfläche: Sie ist bedeutend für die Körperoberfläche: Die Körperoberfläche stellt als wichtigste Abgabefläche für Wär-
Wärmeabgabe. me eine bedeutende Größe für den Energiehaushalt dar.
▶ Klinik. Von praktisch-medizinischer Bedeutung sind Kenntnisse terer Rumpfbereich 18 %, Arm 9 %, Bein 18 %. Bei Kindern und
über die Körperoberfläche bei der Beurteilung des Schwere- Kleinkindern ist die Neunerregel altersabhängig zu korrigie-
grades von Verbrennungen. ren, z. B. mit der „Handflächenregel“ (Abb. A-1.12). Hierbei be-
Hier gelangt die „Neunerregel“ (Abb. A-1.11) zur Anwendung. trägt die Handfläche des Patienten ca. 1 % seiner eigenen Kör-
Auf die verschiedenen Regionen des Körpers verteilt sich die peroberfläche.
Körperoberfläche: Kopf 9 %, vorderer Rumpfbereich 18 %, hin-
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A 1.7 Äußere Gestalt des Körpers 45
1.7.2 Proportionen 1.7.2 Proportionen
Anders als interindividuell bedingte Proportionsunterschiede zwischen ausgewach- Die Höhe des Kopfes eines Neugeborenen be-
senen Menschen verändern sich die Proportionen vom Kindes- zum Erwachsenen- trägt ¼, die des Erwachsenen ⅛ der Körper-
alter immer nach dem gleichen Schema: Während der vor- und nachgeburtlichen länge (Abb. A-1.13).
Individualentwicklung (prä- und postnatale Ontogenese) entwickeln sich Organe,
Organsysteme und Körperabschnitte in einem unterschiedlichen Tempo. So entste-
hen Proportionsveränderungen und Proportionsverschiebungen. Der Kopf ist im
Wachstum den anderen Körperabschnitten voraus. Daran ist die Entwicklung des
Gehirns beteiligt. Der Kopf dringt in der Regel als Erster durch den Geburtskanal.
Schultergürtel und nachfolgender Körperstamm sind so schmal wie der Kopf breit
ist. Daraus wird ersichtlich, dass das Wachstum der Extremitäten nach zögerlichem
Beginn auch nach der Geburt lange anhält.
Die Kopfhöhe beträgt beim Neugeborenen ein Viertel, beim 6-jährigen Kind ein
Sechstel und beim Erwachsenen ein Achtel der Körperlänge. Während sich beim
Neugeborenen die Körpermitte in Höhe des Nabels befindet, ist sie beim 6-jährigen
Kind auf halber Strecke zwischen Nabel und Schambeinfuge und beim Erwachsenen
am Oberrand (♀) bzw. Unterrand (♂) der Symphyse zu finden (Abb. A-1.13).
▶ Definition. Akzeleration ist die allgemeine Bezeichnung für eine Entwicklungs- ▶ Definition.
beschleunigung im Vergleich zu früheren Generationen (Beispiel: Wachstum und
der körperliche Reifungsprozess).
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich eine Entwicklungsbeschleunigung in den In den Industrienationen lässt sich eine Ent-
Industrienationen nachweisen: Zuwachs von Körpergröße mit gesteigerter Endgrö- wicklungsbeschleunigung nachweisen.
ße, Zunahme des Körpergewichts und Vorverlegung der Geschlechtsreife. Allgemein
wird angenommen, dass die Verbesserung der Lebens- und Ernährungsbedingun-
gen sowie des sozialen Umfeldes eine entscheidende Rolle spielen. In einzelnen Fäl-
len kann es zu extremen Frühleistungen auf geistigem Gebiet kommen.
▶ Definition. Unter Konstitution versteht man das Erscheinungsbild des Menschen. ▶ Definition.
Prägende Faktoren: Das Erscheinungsbild wird durch verschiedene Faktoren geprägt. Prägende Faktoren sind zum einen anatomi-
■ Anatomische Faktoren: Beschaffenheit sämtlicher Organsysteme, Zustand des sche, zum anderen psychische Faktoren.
Stütz- und Bewegungsapparats und des Fettgewebes, Mengenverhältnis von Mus-
kulatur und Fettgewebe, Größenverhältnis von Rumpf und Gliedmaßen.
■ Psychische Faktoren: Funktion des Nervensystems und sein Zusammenspiel mit
endokrinen Drüsen.
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46 A 1 Allgemeine Grundlagen
Die Konstitution wird in ihrem Bauplan vererbt. Jedoch können äußere Faktoren
(Nahrungsaufnahme, harte körperliche Arbeit, Sport) bedeutende Veränderungen
hervorrufen.
Konstitutionstypen: Die bekannteste Eintei- Konstitutionstypen: Jeder Mensch besitzt seine eigene Konstitution. Man hat sich
lung ist die von Kretschmer. bemüht, Merkmale der Konstitution herauszuarbeiten und diese mit dem Einzel-
menschen zu vergleichen. Das Ergebnis dieser Untersuchungen sind die Körperbau-
oder Konstitutionstypen. Man unterscheidet nach Kretschmer (1888–1964, Psychia-
ter in Marburg und Tübingen) Konstitutionstypen, die bei beiden Geschlechtern
vorhanden, jedoch beim Mann deutlicher ausgeprägt sind. Die Beschreibung der
Konstitutionstypen richtet ihr Augenmerk vor allem auf den Zustand der Muskula-
tur, auf die Körperlänge, die Körperbreite, die Form des Kopfs, des Brustkorbs, des
Bauchs und der Gliedmaßen. Außer Kretschmer haben Sheldon, Conrad und Ström-
gren versucht, die Körperbautypen mit anderen Parametern zu charakterisieren.
▶ Merke. ▶ Merke. Die Behauptung des Psychiaters Kretschmer, es bestünde eine Beziehung
zwischen „Körperbau und Charakter“ (1921) ist heute wissenschaftlich überholt.
Die rein deskriptive Einteilung der Konstitutionstypen wird aber noch verwendet.
Nach Kretschmer unterscheidet man folgen- Einteilung nach Kretschmer: Er beschrieb drei Konstitutionstypen (Abb. A-1.14):
de Typen (Abb. A-1.14): ■ Leptosomer Typ: Bei normalem Längenwachstum fällt ein geringes Dickenwachs-
■ Leptosomer Typ,
tum auf. Die Muskulatur ist spärlicher ausgeprägt und zeichnet sich daher an der
■ Pyknischer Typ,
Oberfläche kaum ab. Das Fettgewebe ist reduziert, der Kopf erscheint schmal mit
■ Athletischer Typ.
etwas eingefallenen Wangen und tiefer liegenden Augen. Der Hals wirkt lang. Der
Thorax zeigt eine Schmalbrust, wodurch die Schultern hängen. Die Extremitäten
sind grazil mit hervortretenden Knochenpunkten und flachen Muskelbäuchen.
Es sind hagere, aufgeschossene Menschen. Die Extremform des Leptosomen ist
der Astheniker: Das Fettgewebe ist geschwunden und die Muskulatur weitgehend
reduziert.
■ Pyknischer Typ: Ihn kennzeichnet eine bedeutende Breitenentwicklung des Stam-
mes. Der hohe Anteil an Unterhautfettgewebe verhindert die Abzeichnung der da-
runter gelegenen Muskulatur an der Körperoberfläche. Der Kopf ist breit und
kurz, das Gesicht weich, der Hals gedrungen und kurz. Die Schultern sind vergli-
chen mit dem Brustkorb schmal. Der Thorax entspricht einer Weitbrust. Das Fett-
gewebe ist vermehrt und wölbt den Bauch vor. Die Extremitäten sind kurz.
■ Athletischer Typ: Skelett und Muskulatur sind kräftig entwickelt. Die Muskulatur
zeichnet sich deutlich an der Oberfläche ab. Der Schädel ist hoch und derb. Der
Brustkorb wölbt sich kräftig nach seitlich und nach vorn (= Normalbrust). Eine gut
entwickelte Schultermuskulatur erzeugt das Bild der breiten Schulter. Die Extre-
mitäten sind mittellang mit wohlgebildeter Muskulatur.
Häufig zeigen sich auch Mischtypen. Die beschriebenen Konstitutionstypen treten nicht immer in reiner Form auf, häufig
gibt es auch Übergangs- oder Mischtypen.
⊙ A-1.14 Konstitutionstypen
(Füeßl F.S., Middeke M.: Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung. Thieme, 2014)
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A 1.7 Äußere Gestalt des Körpers 47
1.7.5 Norm und Variabilität 1.7.5 Norm und Variabilität
Der in einem Anatomielehrbuch beschriebene und abgebildete Bau des gesunden Die Norm ist die jeweils typische Gestalt, Ab-
Körpers stellt die häufigste Ausbildung der Strukturen dar. Diese Norm ist die je- weichungen davon, die jedoch ohne auffällige
weils typische Gestalt, also die am häufigsten beobachtete Baueigentümlichkeit funktionelle Störung auftritt, bezeichnet man
(statistische Norm). Variation oder Variabilität ist die Abweichung von der Norm, als Variation oder Variabilität.
die keine auffällige funktionelle Störung mit sich bringt. Der menschliche Organis- In Lehrbüchern werden anatomische Struktu-
mus weist eine erhebliche Variabilität auf. Diese kann sich auf einem begrenzten Be- ren immer der verbreiteten Norm entspre-
reich zeigen wie z. B. als Halsrippe (S. 285), Änderung der Astfolge einer Arterie oder chend dargestellt.
aber größere Körperabschnitte betreffen, z. B. Situs inversus (S. 110) = spiegelbild-
liche Lage der inneren Organe.
1.7.6 Einfluss von Alter und Geschlecht 1.7.6 Einfluss von Alter und Geschlecht
Alter Alter
Die Darstellung anatomischer Strukturen in Lehrbüchern erfolgt immer anhand der Im Vergleich zur Norm des Erwachsenen im
verbreiteten Norm eines erwachsenen Menschen mittleren Lebensalters. Im Ver- mittleren Lebensalter zeigt die Anatomie des
gleich dazu weist jedoch die Anatomie des Kindes und des alten Menschen erhebli- Kindes und Greises z. T. erhebliche Differen-
che Unterschiede zur Anatomie des Erwachsenenalters auf. zen (Tab. A-1.5).
Für Behandlung von Krankheiten des Kindes- oder Erwachsenenalters gibt es eigene
Facharztweiterbildungen (Kinder- und Jugendmedizin bzw. Geriatrie), die den Ei-
genarten der spezifischen Probleme in den jeweiligen Altersabschnitten gerecht
werden. Anatomische Unterschiede zeigt Tab. A-1.5.
Geschlecht Geschlecht
Die Unterschiede im Bau des weiblichen und männlichen Körpers nennt man Ge- Unterschiede zwischen männlichem und
schlechtsdimorphismus. weiblichem Körperbau nennt man Ge-
Er zeigt sich nicht nur in Bezug auf die Geschlechtsorgane (primäre Geschlechtsmerk- schlechtsdimorphismus. Er zeigt sich in pri-
male), sondern auch in nicht unmittelbar mit den Geschlechtsorganen in Zusam- mären und sekundären Geschlechtsmerkma-
len (Tab. A-1.6).
menhang stehenden Ausprägungen (sekundäre Geschlechtsmerkmale, Tab. A-1.6).
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48 A 1 Allgemeine Grundlagen
Die Körperspende ist unentgeltlich und Der Körperspender nimmt zu Lebzeiten Kontakt mit einem Institut für Anatomie
kann unter bestimmten Voraussetzungen un- auf, um durch eine schriftliche Vereinbarung mit diesem Institut seinen Körper zur
möglich sein. Verfügung zu stellen. Er erhält dafür keine Bezahlung. Die Körperspender haben in
der Regel ein höheres Lebensalter und versterben eines natürlichen Todes, d. h. an
einer Krankheit, die zum Tode führt. Vom Eintritt des Todes wird das Institut durch
die Angehörigen, den behandelnden Arzt oder vom Krankenhaus informiert, um die
Überführung des Leichnams zu veranlassen. Vor der Konservierung erfolgt die amt-
liche Leichenschau. Ungeklärte Todesursache und bestimmte ansteckende Krank-
heiten (AIDS, Tuberkulose) sind Gründe, einen Körperspender nicht anzunehmen.
Körperspender, die während oder nach einer Operation versterben, können eben-
falls keinen Eingang in ein Institut für Anatomie finden, da die vollständige Konser-
vierung nicht möglich ist.
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2 Zytologie und Histologie –
Grundlagen
A
2.1 Die Zelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.2 Das Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
2.3 Histologische Techniken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
K. Spanel-Borowski, A. Mayerhofer
▶ Definition. Zytologie und Zellbiologie sind die Lehre und die Wissenschaft von ▶ Definition.
der Zelle als dem kleinsten, selbstständigen Bau- und Funktionselement des Kör-
pers. Histologie ist die Lehre von den Geweben als Verband ähnlich differenzierter
Zellen.
Jede Zelle des menschlichen Körpers besteht aus einem Zellkern (Nucleus, s. u.), Zytoplasma (S. 50),
■ Zellkern = Nucleus (s.u; ausgenommen sind die kernlosen Erythrozyten) und dem Zellmembran (S. 53) und Zytoskelett (S. 51)
■ Zytoplasma (S. 50) mit Zellmembran (S. 53), Zytoskelett (S. 51) und Zellorganellen sind Bauelemente der Zelle.
(S. 51).
Mikrovilli
Zentriol
Nucleolus
Mitochondrium
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