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Universität des Saarlandes

Fachrichtung Psychologie
Arbeitseinheit Medien- und Organisationspsychologie

MEDIASCOPE-AV: Nachrichten
Ein Kodiersystem zur Inhalts- und Formal-Analyse von TV-Nachrichten

Kodieranleitung

Dagmar Unz & Frank Schwab

unter Mitarbeit von:


Astrid Carolus, Dirk Henry, Birgit Michel, Jelka Mönch, Christoph Nickel,
Tanja Ridzewski, Georges Schenck, Daniela Schröder

Februar 2005
Universität des Saarlandes – Arbeitseinheit Medien- und Organisationspsychologie 2

1 Einleitung

Zahlreiche medienpsychologische Fragestellungen erfordern eine exakte Analyse des


medialen Angebots auf formaler und inhaltlicher Ebene. Nur wenn mediale Stimuli ge-
nau beschrieben sind, sind detaillierte Untersuchungen des Rezeptionsprozesses und
der medialen Wirkungen möglich (Bente & Krämer, 2004; zur Inhaltsanalyse siehe
z.B. Baumann, 2001; Bente & Krämer, 2004; Berelson, 1952; Früh, 1991; Holsti,
1969; Mayring, 2000; Merten, 1995; Schulz, 1986). Zur Inhalts- und Formalanalyse
medialer Angebote wurde an der Arbeitseinheit Medien- und Organisationspsychologie
der Universität des Saarlandes das Auswertungssystem MEDIASCOPE entwickelt. ME-
DIA-SCOPE-AV ermöglicht die Analyse auditiver Sequenzen (wie Hörfunkprogramme)
entlang einzelner Sprach- und Musiksegmente (Bauer, 2003). MEDIASCOPE-AV dient
der Analyse audiovisueller Medien. Das System folgt einem deskriptiven inhaltsanaly-
tischen Ansatz und ermöglicht die Untersuchung audiovisuellen Materials nach (psy-
chologisch relevanten) formalen und inhaltlichen Kriterien (vgl. dazu auch Schwab &
Unz, submitted). MEDIASCOPE baut auf dem “Saarbrücker System zur computerun-
terstützten Medienanalyse” (SAARSYS, vgl. Winterhoff-Spurk, Heidinger & Schwab,
1994) auf. SAARSYS wurde seinerzeit zur Analyse von Fernsehsendungen entwickelt,
am Beispiel von Reality-TV erstmals erprobt und in der Folge für die Analyse sehr un-
terschiedlicher Sendungstypen verwendet (z.B. Nachrichten, Sportsendungen, Ju-
gendmagazine, Talk-Shows). Das System erhält die Bezeichnung MEDIASCOPE-AV,
um diese Ausweitung auf unterschiedliches audiovisuelles Material zu verdeutlichen.
Analyseeinheit ist die Einstellung, also der kontinuierliche belichtete Filmabschnitt zwi-
schen zwei Schnitten. Der Schwerpunkt von MEDIASCOPE liegt auf den formalen Ges-
taltungsmerkmalen. Die formalen Gestaltungsmerkmale sind weitgehend genre-
übergreifend festgelegt. Dagegen sind die inhaltlichen Kategorien von MEDIASCOPE
variabler gestaltet, sie werden je nach Fragestellung und zu analysierendem Genre
festgelegt bzw. angepasst.
Bei der formalen Analyse von audiovisuellen Material nimmt die Kamerahandlung ei-
nen zentralen Stellenwert ein (vgl. Schwab & Unz, submitted), wir haben folgende Ka-
tegorien definiert: Darbietungsform, Übergang, Einstellungsgröße, Änderung der Ein-
stellungsgröße, Kamerabewegung, Kameraperspektive, Schärfe, Durchlaufgeschwin-
digkeit, Licht, Farbgebung, Effekte, Sprache, Geräusch, Schrift. Tabelle 1 zeigt eine
Auflistung der formalen Kategorien und der dazugehörigen Ausprägungen. Für die A-
nalyse von Gewalt in Fernsehnachrichten wurde zusätzlich die Modalität erfasst, in der
Gewalt präsentiert wurde (im Text, im Bild oder in Text und Bild) sowie die Kategorie
Darbietungsform modifiziert (gesprochene Nachricht, Nachricht im Film, Einspielfilm
etc.) (vgl. Winterhoff-Spurk, 1998; Winterhoff-Spurk, Unz & Schwab, 2001).
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2 Das Kodiersystem MEDIA-SCOPE-AV: Nachrichten –


Kodieranleitung

2.1 Überblick
Jede Analyseeinheit wird anhand verschiedener Kategorien klassifiziert. Zu unter-
scheiden sind inhaltliche und formale Kategorien, die im Folgenden vorgestellt wer-
den. Bevor inhaltliche und formale Kategorien kodiert werden, wird die Kennung
(1.Kategorie) des einzelnen Beitrages festgelegt, um den Aufbau der Nachrichtensen-
dung zu erfassen. Es wird also entschieden, ob es sich um den Trailer, einen Beitrag
oder den Abspann handelt. Die Kategorien 2 bis 11 beziehen sich auf inhaltliche As-
pekte von Nachrichtensendungen, die Kategorien 12 bis 18 auf formale. Tabelle 1 und
Tabelle 2 geben einen Überblick über die Kategorien in VideoAS.

Tabelle 1: Inhaltliche Kategorien und ihre Abkürzungen


Nr. Inhaltliche Kategorie Abkürzung
2 Gewaltart Gewaltart
3 Zeitpunkt der Handlung Z. d. Handlung
Politik der BRD bzw. Österreichs
4 Polit. BRD/Österreich
(Innenpolitik / Außenpolitik)
5 Weltpolitische Themen Weltpolit. Themen
6 Gesellschaftliche Themen Gesell. Themen
7 Ort der Handlung Ort d. Handlung
8 Zahl der Geschädigten Zahl d. Geschädigten
9 Alter der Geschädigten Alter d. Geschädigten
10 Schädiger Schädiger
11 Alter des Schädigers Alter d. Schädigers

Tabelle 2: Formale Kategorie und ihre Abkürzungen


Nr. Formale Kategorien: Abkürzung
12 Modalität Modalität
13 Übergänge Übergänge
14 Einstellungsgröße Einstell.größe
15 Änderung der Einstellungsgröße Änd. d. Einst.größe
16 Kamerabewegung Kamerabewegung
17 Kameraperspektive Kameraperspektive
18 Darbietungsform Darbietungsform

Pro Kategorie kann jeweils nur eine Ausprägung angeklickt werden. Ausgenommen ist
die Kategorie „Modalität“. Hier können mehrere Ausprägungen gleichzeitig kodiert
werden (s. 12. Modalität).
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2.2 Kennung
Mit der Kategorie 1 „Kennung“ können einzelne Beiträge, wie bereits erwähnt, unter-
schieden und bei der späteren Auswertung identifiziert werden. Die Kategorie umfasst
folgende Ausprägungen: Trailer, Beitrag1, Beitrag2, [...], Beitrag17, Nachspann
• Als Trailer gelten alle Kurzankündigungen von später ausführlich gezeigten Be-
richten. Kurznachrichten als Element der Nachrichten werden nicht als Trailer
kodiert, sondern wie eigenständige Beiträge behandelt.
• Beitrag1 bis Beitrag17 bezeichnen die verschiedenen Beiträge einer Sen-
dung.
• Als Nachspann wird (wie z.B. bei SAT.1) die Verabschiedung durch den Mode-
rator/-In, die Kamerafahrt aus dem Studio heraus und die anschließende Com-
puteranimation kodiert. Auch ein abschließender Themenüberblick (wie z.B. bei
Pro7) wird der Kategorie ‘Nachspann‘ zugeordnet.
Mit dem Beginn eines Trailers/Beitrags wird in der Kommentarzeile das Land, der
Ort und das Thema des Beitrags festgehalten, z. B. „Deutschland, Bonn: Bundeskanz-
ler Kohl auf dem Weg zum Parteitag“. Die Angaben in der Kommentarzeile werden pro
Beitrag nur einmal vermerkt. Behandelt ein Beitrag mehrere Themen (z. B. wird im
Fall Dutroux in einem Beitrag über dessen Fluchtversuch berichtet und ein Rückblick
auf die von ihm verübten Verbrechen gegeben.), wird jedes neue Thema des Beitra-
ges in der Kommentarzeile für die jeweilige Analyseeinheit vermerkt.

2.3 Inhaltliche Kategorien


Überblick: Inhaltliche Kategorien werden je nach Fragestellung und zu analysierendem
Genre festgelegt bzw. angepasst. Bei der Analyse von Gewalt in Nachrichtensendun-
gen (Winterhoff-Spurk, 1998; Winterhoff-Spurk et al., 2001, angenommen; Unz,
Schwab & Winterhoff-Spurk, 2001, 2002) liegt der Schwerpunkt der inhaltlichen Ana-
lyse auf der Frage der Gewalt. Lag eine Gewaltsequenz vor, dann wurden verschiede-
ne Gewaltarten hinsichtlich der Ursache (vorsätzlich, fahrlässig oder sonstiges) und
der Konsequenzen (Schädigung von Menschen oder Tieren/Sachen) unterschieden.
Zusätzlich wurden die Kategorien Zeitpunkt der Handlung, Status des Schädigers, Al-
ter des Schädigers, Alter der Geschädigten und Zahl der Geschädigten (sowie als for-
male Kategorie die Modalität der Gewaltdarstellung) mitkodiert. Für jede kodierte Ein-
stellung wurden die Themenbereiche der einzelnen Nachrichtenbeiträge erfasst (Politik
BRD, Weltpolitische Themen, Gesellschaftliche Themen). "Politik BRD" umfasst innen-
politische und außenpolitische Themen der BRD, die Kategorie „Weltpolitische The-
men" bezieht sich auf politisches und wirtschaftliches Geschehen, das nicht in die In-
nen- oder Außenpolitik der BRD fällt, unter „Gesellschaftliche Themen“ sind all jene
Themen gefasst, die nicht in einem Zusammenhang mit Politik und politischen Hand-
lungen stehen. Für Wetter und Sport wird nur der zeitliche Anteil (Anfangs- und End-
zeiten), die Beitragskennung (Nummer des Beitrages), die Gewaltart G0 und der Ü-
bergang von der vorherigen Einstellung zum Wetter- oder Sportbericht kodiert wer-
den.
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2.4 Gewaltart
Gewalt ist wie folgt definiert:
„Gewalt in Fernsehnachrichten liegt dann vor, wenn die unmittelbare Vorberei-
tung, die Durchführung und/oder die unmittelbaren Folgen intendierter oder
nicht-intendierter, für Menschen oder Dinge physisch schädigender Handlungen
oder Ereignisse in Text und/oder Bild vorkommen“.

Es werden neun Gewaltarten unterschieden, die der Tabelle 3 entnommen werden


können. Diese ergeben sich aus der Differenzierung von Geschädigtem (Mensch, Sa-
che, Tier) und Art der Schädigung (vorsätzlich, fahrlässig, sonstige). „Sonstiges“ ist
dann zu kodieren, wenn die Schädigung weder auf vorsätzliche noch auf fahrlässige
Verursachung zurückzuführen ist wie z.B. auf Flutwellen oder andere Naturkatastro-
phen.

Tab. 3: Ausprägungen, Abkürzungen und Nummerierungen der Kategorie „Gewaltart“


Gewaltart Abkürzung Nr.
Keine Gewalt keine
G0

vorsätzliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Tötung


VorKV (M) G1
von Menschen
fahrlässige Körperverletzung, Tötung von Menschen FahrKV (M) G2
Unfallopfer, Opfer von Naturkatastrophen sonstige (M) G3
vorsätzliche Sachbeschädigung vorV (S) G4
fahrlässige Sachbeschädigung fahrV (S) G5
Beschädigung durch Unfall, Katastrophe sonstige (S) G6
Vorsätzliche Körperverletzung von Tieren VorKV (T) G7
Fahrlässige Körperverletzung von Tieren fahrkV (T) G8
Verletzung und Tötung von Tieren durch Unfall, Naturka-
Sonstige (T) G9
tastrophen

Hinweise:
• Treten innerhalb einer Einstellung im Text und im Bild zwei verschiedene Ge-
waltarten auf, dann wird die extremere, d. h. emotional Besetztere, kodiert.
Wird z. B. in einem Bericht von fahrlässiger Körperverletzung am Menschen ge-
sprochen, während die Bilder „nur“ beschädigte Gegenstände zeigen, wird der
entsprechenden Einstellung die ‘schlimmere‘ Gewaltart mit ihrer entsprechen-
den Modalität, also die fahrlässige Körperverletzung am Menschen im Text, zu-
geordnet. Wird über Gewalt an Sachen (Tieren) und an Menschen berichtet,
wird als Gewalt an Menschen kategorisiert.
• Nur wenn eine Analyseeinheit als gewalthaltig kodiert worden ist, werden die
Kategorien 3, 8, 9, 10, 11 und 12 mitkodiert. Bei nicht-gewalthaltigen Analyse-
einheiten werden diese Kategorien nicht kodiert.
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2.5 Zeitpunkt der Handlung


Für die Kategorie „Zeitpunkt der Handlung“ existieren vier Ausprägungen, die in Ta-
belle 4 gezeigt werden.

Tab. 4: Ausprägungen und Definitionen der Kategorie „Zeitpunkt der Handlung“


Zeitpunkt der Handlung Definition
Gegenwart Ereignisse, die bis zu einem Jahr zurückliegen
Vergangenheit Ereignisse, die länger als ein Jahr zurückliegen
Zukunft Ereignisse, die in der Zukunft geschehen können
Nicht identifizierbar Wenn Angaben hierzu fehlen

Hinweise:
• Diese Kategorie muss kodiert werden, wenn eine gewalthaltige AE vorliegt.
• Werden innerhalb einer Einstellung verschiedene Handlungszeitpunkte eines
gewalthaltigen Ereignisses angesprochen (z. B. Vergangenheit und Gegenwart),
so wird für die Kodierung das gewalthaltige Element mit dem aktuellsten Bezug
ausgesucht. (Beispiel: In einem Bericht wird von früheren gewalttätigen Ausei-
nandersetzungen zwischen Atomkraftgegnern und Polizisten gesprochen, wäh-
rend Bilder von erneuten Ausschreitungen gezeigt werden. Als Handlungszeit-
punkt wird hier Gegenwart kodiert.)
• Natürlich ist per se alles, worüber in den Nachrichten berichtet wird, schon pas-
siert und damit Vergangenheit. Die Unterscheidung der Handlungszeitpunkte
wird aber getroffen, um Ereignisse zu erfassen, die zwar einen tagesaktuellen
Bezug haben, aber schon weit zurückliegen, z.B. Kranzniederlegung durch Hel-
mut Kohl zum Gedenken an die Opfer des Dritten Reiches.

2.6 Politik der BRD bzw. Österreichs


Die Kategorie umfasst zwei Ausprägungen:
• Innenpolitik (der BRD und Österreichs, einschließlich Parteiangelegenheiten)
• Außenpolitik (der BRD und Österreichs)

2.7 Weltpolitische Themen


Diese Kategorie, dargestellt in Tabelle 5, bezieht sich auf jegliches politisches und
wirtschaftliches Geschehen, das nicht in die Innen- oder Außenpolitik der BRD bzw.
Österreichs fällt. Hiermit gemeint sind politisches und wirtschaftliches Geschehen im
Ausland und wirtschaftliches Geschehen im Inland, auch wenn dieses nicht unbedingt
mit dem Begriff „Weltpolitik“ zu fassen ist.
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Tabelle 5: Ausprägungen und Abkürzungen der Kategorie „Weltpolitische Themen“


Weltpolitische Themen Abkürzung
Energiepolitik Energiepolitik
Entwicklungspolitik Entwickl.politik
Wahlen, Staats- und Regierungsangelegenheiten Wahlen/Staats- und
(z.B. Wahl Clintons zum Präsidenten) Reg.angeleg.
Staatsbesuche Staatsbesuche
Umweltangelegenheiten Umweltangelegenheiten
Wirtschaft und Handel
(z.B. Kurseinbrüche an der Weltbörse, wirtschaftliche Wirtsch./Handel
und wirtschaftspolitische Themen innerhalb der BRD)
Flüchtlingsdramen
Flüchtlingsdramen
(z.B. Bericht über Flüchtlinge in Ruanda)
Terror, Vergeltung
Terror/Vergeltung
(z.B. S-Bahnanschlag in Paris durch Terroristen)
Kriege und Konflikte Kriege/Konflikte
Staatenbündnisse (z.B. Beitritt zur EU) Staatenbündnisse
Sonstiges Sonstiges

2.8 Gesellschaftliche Themen


Die Kategorie umfasst all jene Themen, die in keinem Zusammenhang mit Politik und
politischen Handlungen stehen. Die folgende Auflistung zeigt die Ausprägungen und
nennt Beispiele:
• Verbrechen (Banküberfall)
• Prozesse und Verurteilungen(Berichte über den Prozess von Peter Graf)
• Unglücke (technischer Bereich) (Zugunglück in Eschede)
• Naturkatastrophen (Vulkanausbruch)
• Gedenktage (Kranzniederlegung im KZ)
• Religionsangelegenheiten
• Technische Fortschritte und Ereignisse (Landung der Raumfähre „Columbia“)
• Human Interest (anekdotenartige Berichte über kleinere Begebenheiten, wie
z.B. Diana als Gast bei Modenschau in New York)
• Kulturelles (Premieren von Theaterstücken, Eröffnungen von Ausstellungen)
• Geburtstage, Jubiläum (100. Geburtstag von Johannes Hesters)
• Sportliche Erfolge (Kurzbericht über Rekordleistung im Sport)
• Krankheit (Jelzins Herzoperation)
• Tod (Bericht über den Tod von Frank Sinatra)
• Skandale und Affären
• Krisen und Seuchen (Vogelgrippe in Asien)
• Sonstiges
Hinweis: Die in VideoAS verwandten Abkürzungen entsprechen, von kleinsten Abwei-
chungen abgesehen, den hier genannten Ausprägungen.
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2.9 Ort der Handlung


Hier wird das Land bzw. das Gebiet bestimmt, in dem das berichtete Geschehen statt-
findet. Die Ausprägungen lauten:
• Deutschland
• Österreich
• Frankreich
• Sonstige (angrenzende) Nachbarländer von Deutschland bzw. Österreich
• Europa und Rußland
• Nordamerika
• Südamerika
• Afrika
• Australien
• Asien
• Sonstiges (z.B. Weltraum, Weltmeer)
• Nicht identifizierbar
Hinweis: Auch hier weichen die Abkürzungen in VideoAS von den genannten Ausprä-
gungen nur unwesentlich ab.

Die Kategorien 8-11 werden grundsätzlich nur bei gewalthaltigen Analyseeinheiten


kodiert.

2.10 Zahl der Geschädigten


Diese und die folgende Kategorie wird nur dann kodiert, wenn es sich um Gewalt an
Menschen handelt (G1 – G3), nicht aber bei Gewalt an Tieren oder Sachen (G4 – G9).
Es wird unterschieden zwischen:
• Einzelner
• Kleingruppe (bis 10 Personen)
• Gruppe (ab 10 Personen)
• Masse (ab 50 Personen)
• Kombination (bei Clique, Masse, Paar)
• Nicht identifizierbar (wenn genaue Angaben hierzu fehlen)

2.11 Alter der Geschädigten


Diese Kategorie wird nur dann kodiert, wenn es sich um Gewalt an Menschen handelt
(G1 – G3), nicht aber bei Gewalt an Tieren oder Sachen (G4 – G9). Die 6 entspre-
chenden Ausprägungen lauten:
• Kind (bis zum 12. Lebensjahr)
• Jugendlicher (bis zum 18. Lebensjahr)
• Erwachsener
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• Älterer Mensch (ab dem 60. Lebensjahr)


• Verschiedene Altersgruppen
• Nicht identifizierbar (wenn genaue Angaben fehlen bzw. nicht erschließbar sind)

2.12 Schädiger
Die Kategorie wird nur bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Gewalt kodiert. Die Dimensi-
on umfasst folgende sieben Ausprägungen:
• Polizei/ Staatsgewalt (beinhaltet auch Spione, Agenten o.ä.)
• Militär
• Ethnische Gruppe
• Politische Gruppe (z.B. RAF)
• Kriminelle (wenn der Aggressor schon rechtskräftig verurteilt worden ist)
• Privatperson/en (wenn die Person keiner o. g. Kategorie zuzurechnen ist)
• Kombination (verschiedene Gruppen)
• Tier
• Nicht identifizierbar (wenn genaue Angaben hierzu fehlen)

Hinweis: Wenn (z. B. bei Unfällen, Naturkatastrophen, technischen Defekten) genaue


Angaben zum Schädiger fehlen, wird dieser als ‘Nicht identifizierbar‘ kodiert. Ist der
Schädiger nicht identifizierbar, wird auch sein Alter (Kategorie 11) nicht kodiert.

2.13 Alter des Schädigers


Die Kategorie wird nur bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Gewalt kodiert. Die Eintei-
lung entspricht der Kategorie „Alter des Geschädigten“:
• Kind (bis zum 12. Lebensjahr)
• Jugendlicher (bis zum 18. Lebensjahr)
• Erwachsener
• Älterer Mensch (ab dem 60. Lebensjahr)
• Verschiedene Altersgruppen
• Nicht identifizierbar (wenn genaue Angaben hierzu fehlen)
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Die Kategorien Schädiger und Geschädigter sind nur bei bestimmen Gewaltarten zu
kodieren, wie Tabelle 6 zeigt.

Tabelle 6: Zusammenfassende Darstellung der Kategorien 8-11


Alter/ Anzahl Geschädigter Schädiger/ Alter des Schädigers
(Kategorie 8 und 9) (Kategorie 10 und 11)
G1, G2 → Kodieren Kodieren

G3 Æ Kodieren nicht kodieren

G6 / G9 → nicht kodieren nicht kodieren

2.14 Formale Kategorien


Die nun folgenden Kategorien enthalten Informationen zu formalen Eigenschaften der
AE, wie beispielsweise Kameraperspektive oder Kamerabewegung.

2.15 Modalität
Die Modalität wird nur kodiert, wenn es sich um eine gewalthaltige Analyseeinheit im
Sinne der Definition handelt. Hier wird festgehalten in welcher Modalität gewalthaltige
Elemente auftreten. Die einzelnen Modalitäten lauten:
• Sprache (gesprochen)
• Text (schriftlich) +
• Bild (unbewegt) +
• Film (bewegt) +
Hinweise:
• Treten innerhalb einer Einstellung im Text und im Bild zwei verschiedene Ge-
waltarten auf, dann wird die extremere, d. h. emotional Besetztere, kodiert.
Wird z. B. in einem Bericht von fahrlässiger Körperverletzung am Menschen ge-
sprochen, während die Bilder „nur“ beschädigte Gegenstände zeigen, wird der
entsprechenden Einstellung die ‘schlimmere‘ Gewaltart mit ihrer entsprechen-
den Modalität, also die fahrlässige Körperverletzung am Menschen im Text, zu-
geordnet.
• Da es sich bei den diesen um Plus-Kategorien handelt, können pro AE mehrere
Modalitäten kodiert werden. Wenn z.B. Gewalt sowohl in der Sprache aus auch
im Bild vorkommt, kann diese Kombination durch das Anwählen der Ausprä-
gungen "Sprache" und "Bild" erfasst werden.
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2.16 Übergang
Zu Beginn einer neuen Analyseeinheit wird der Übergang kodiert. Dabei werden fol-
gende Unterscheidungen getroffen:
• Harter Schnitt: Zwei Einstellungen sind durch einen abrupten Übergang ver-
bunden
• Abblende: Allmähliches Verdunkeln des Bildes
• Aufblende: Umgekehrter Vorgang zur Abblende
• Überblende: Durch Kombination von Ab- und Aufblende gehen zwei Szenen
sanft ineinander über. (Neue AE beginnt mit erstem Bild der neuen Einstellung)
• Trickblende:Alle Blenden, die nicht zu den vorangehenden gehören.
Hinweise:
• Verändert sich eine Einblendung (z. B. wenn ein anderes Bild im Hintergrund
des Moderators erscheint), braucht kein Übergang kodiert werden, da sich das
Gesamtbild auf dem Bildschirm nicht ändert.
• Wechseln die Beiträge synchron zur Veränderung dieser Einblendung, wird ein
neuer Beitrag kodiert und es beginnt eine neue Analyseeinheit, auch wenn kein
Übergang kodiert wurde (Themenwechsel).

2.17 Einstellungsgröße
Für die Einstellung des letzten Bildes einer Analyseeinheit werden folgende Einstel-
lungsgrößen unterschieden:
• Supertotale
• Totale
• Halbtotale
• Halbnah
• Nah
• Groß
• Detail
Die Festlegung der Einstellungsgröße
bezieht sich jeweils auf die reale Größe
der Objekte und Personen, die im Bild
gezeigt werden.

Supertotale: Aus großer Entfernung wird


eine ganze Landschaft gezeigt (auch
Weltraumaufnahmen mit Blick auf ganze
Planeten). Abb. 1 zeigt ein Beispiel für
eine solche Einstellung.

Abb. 1: Supertotale
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Totale: Eine gesamte Szenerie wird im Bild erfasst. Bei Weltraumaufnahmen sind Ein-
stellungen mit Teilansichten auf Planeten und Objekten im Vordergrund als Totale zu
kodieren. Abbildung 2 zeigt eine Totale einer Stadt, Abbildung 3 eine Totale im Welt-
all.

Abb. 2: Totale Abb. 3: Totale im Weltall

Halbtotale Eine Person, eine Gruppe oder ein Objekt, größer oder mindestens ebenso
groß wie ein Mensch, wird in ihrem/seinem Umfeld gezeigt, wobei dies einen relativ
großen Bildanteil einnimmt. Abbildung 4 zeigt eine Halbtotale mit Menschen als Be-
zugspunkt, Abbildung 5 ein Objekt.

Abb. 4: Halbtotale mit Mensch Abb. 5: Halbtotale mit Objekt


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Halbnah: Entweder wird eine Person in voller Größe in der Dekoration (Abbildung 6)
oder eine Gruppe von Personen in Teilausschnitten (Abbildung 7) gezeigt. Vom Umfeld
der Personen ist dabei nur ein relativ kleiner Ausschnitt zu sehen.

Abb. 6: Halbnah Einstellung einer Person Abb. 7: Halbnahe Einstellung mehrerer


Personen

Nah: Die im Bild gezeigten Personen sind nur mit einem Teil ihres Körpers sichtbar.
Die Einstellungsgröße des Nachrichtensprechers wird als nah kodiert, da nur sein O-
berkörper zu sehen ist.

Abb. 8: Nahaufnahme einer Person Abb. 9: Nahaufnahmen


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Groß: Der Bildgegenstand wird in sehr naher Einstellung gezeigt. Beispielsweise wird
nut der Kopf des Reporters– fast bildschirmfüllend - in Großaufnahme gezeigt. Auch
Abbildung 10 stellt eine Großaufnahme dar: Hier nimmt das gezeigt Objekt fast das
gesamte Bild ein.

Abb. 10: Großaufnahme

Detail: Eine Hand, ein Auge, eine Tasse etc. füllen den Bildschirm aus, wobei das Ob-
jekt kleiner als handgroß ist. Wird beispielsweise – wie in Abbildung 11 - ein Bild aus
der Zeitung in Großaufnahme gezeigt, so wird nicht die Einstellungsgröße des gezeig-
ten Zeitungsbildes selbst kodiert, sondern die Festlegung der Einstellungsgröße nimmt
Bezug auf die tatsächliche Größe des Zeitungsausschnitts.

Abb. 11: Detailaufnahme eines Zeitungsausschnitts


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Hinweise:
Modelle (z. B. Architekturmodelle) werden nicht nach ihrer fiktiven Perspektive, son-
dern nach ihrer realen Größe kodiert. Abb. 12 zeigt ein Modell des Holocaust-Denk-
mals in Berlin. Von der realen Größe des Modells ausgehend wird die Einstellung nicht
als „Halbtotale“, sondern als “Nah“ kodiert.

Abb. 12: Nahaufnahme eines Modells

Weltraumaufnahmen, in denen Bezugspunkte vorhanden sind, die es ermöglichen


Größenverhältnisse einzuschätzen, werden nach den normalen Gesichtspunkten ko-
diert.

Abb. 13: Weltraumaufnahme Abb. 14: Weltraumaufnahme


mit Bezugspunkt ohne Bezugspunkt
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Abb. 13 wird, da sie als Bezugsrahmen die Erde zeigt, als "Totale" kodiert. “Supertota-
le“ wird nicht gewählt, da nur ein Ausschnitt der Erde sichtbar ist. Da bei Abb. 14 jeg-
liche Information über die Größe und Lage relativ zum Planeten oder Raumschiff fehlt,
muss diese aus der gesamten AE, bzw. aus dem gesamten Beitrag geschlossen wer-
den. Die Abbildung wird, nach Betrachtung der Analyseeinheit und des gesamten Bei-
trages als “Totale“ kodiert.

Ist die Einstellungsgröße auch dann nicht eindeutig zu erkennen, so sollte eher kon-
servativ kodiert werden. (Ist z. B. nicht klar, ob es sich um eine “Totale“ oder eine
“Supertotale“ handelt, sollte die weniger extreme Alternative, also die “Totale“, ge-
wählt werden.)

2.18 Änderung der Einstellungsgröße


Zur Erfassung dynamischer Elemente in der formalen Gestaltung eines Beitrages wird
eine Änderung der Einstellungsgröße während des Beitrages folgendermaßen kodiert:
• Keine: Einstellungsgröße ändert sich nicht
• Ran: Einstellungsgröße wird verkleinert (z.B. von Nah zu Detail)
• Weg: Einstellungsgröße wird vergrößert (z.B. von Nah zu Totale)
• Kombination: Einstellungsgröße wird im Lauf einer Einstellung erst kleiner und
dann wieder größer (oder umgekehrt)

2.19 Kamerabewegung
Für die Kamerabewegung werden folgende Unterscheidungen getroffen:
• Fest: Keine Kamerabewegung
• Fest bewegt: Kamerabewegungen, die nicht vom Kameramann selbst ausgelöst
werden (z.B. Kameramann sitzt im Zug, Auto, ...)
• Living Camera: Kameramann ist mit Kamera in Bewegung
• Schwenk: Drehung der Kamera
• Kamerafahrt: Standpunkt der Kamera verändert sich (auf Schienen)

2.20 Kameraperspektive
Für das letzte Bild jeder Einstellung muss eine der folgenden Perspektiven festgelegt
werden:
• Parallelsicht
• Aufsicht
• Untersicht

Parallelsicht: Die Aufnahmerichtung der Kamera verläuft parallel zum Boden hin, die
Kamera und der zentrale Bildgegenstand befinden sich auf gleicher Höhe. Abbildung
15 zeigt die Darstellung des Moderators in einer Nachrichtensendung. Diese erfolgt
fast ausschließlich in der Parallelsicht. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass sich die
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Kamera tatsächlich mit dem zentralen Bildgegenstand auf einer Höhe befindet. Dies
wird in Abbildung 16 deutlich. Bezogen auf die Personen im Vordergrund handelt es
sich hier um eine Aufsicht. Zentraler Bildgegenstand sind aber die Personen im Hin-
tergrund. Sie befinden sich auf gleicher Höhe mit der Kamera. Die Kameraperspektive
ist hier folglich parallel.

Abb. 15. Parallelsicht auf Nachrichtensprecher Abb. 16: Parallelsicht auf Bild-
Hintergrund

Abb. 17: Parallelsicht im Weltraum

Abbildung 17 stellt einen Ausnahmefall für die parallele Kameraperspektive dar. Als
Bezugspunkt kann hier nicht die Position des zentralen Bildobjektes und der Kamera
zum Boden gewählt werden, da sich beide im Weltraum befinden. Stattdessen kann
als Bezugspunkt die Erdansicht dienen. Ist dies nicht der Fall, muss die Kameraper-
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spektive aus der Position der Kamera zum gezeigten Bildgegenstand erschlossen wer-
den.

Aufsicht: Die Kamera zeigt zum Boden hin, sie befindet sich mit dem zentrale Bildge-
genstand nicht auf gleicher Höhe. Der Höhenunterschied kann sehr groß sein, wie in
Abbildung 18, es kann sich aber auch nur um eine leichte Aufsicht handeln, wie in Ab-
bildung 19.

Abb. 18: Extreme Aufsicht Abb. 19: Leichte Aufsicht

Abb. 20: Aufsicht auf sitzende Personen Abb. 21: Aufsicht auf gebückte Person

Das Beispiel aus Abbildung 20 tritt in Nachrichtensendungen relativ häufig auf. Bei
einer Pressekonferenz, einer Sitzung oder während eines Statements werden die sit-
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zenden Teilnehmer meist in einer Einstellung gezeigt, bei der sich die Kamera nicht
auf gleicher Höhe mit den zentralen Bildobjekten - hier den gezeigten Personen – be-
findet. Dies gilt auch für Abbildung 21.

Abbildung 22 zeigt die Aufsicht auf einen liegenden Gegenstand.

Abb. 22: Aufsicht auf einen liegenden Gegenstand

Untersicht: Die Kamera zeigt vom Boden weg. Der zentrale Bildgegenstand befindet
sich oberhalb der Position der Kamera. Die Kamera ‘schaut‘ zum Bildgegenstand auf‘.
In Abbildung 23 befindet sich die Kamera leicht unterhalb der gezeigten Person.

Abb. 23: Untersicht durch Höhenunterschied von Person und Kamera


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In den Beispielen der Abbildung 24 und Abbildung 25 befindet sich die Kamera zwar
nicht unterhalb der gezeigten Bildgegenstände, sie wird aber von diesen weit über-
ragt. Die Aufnahmerichtung der Kamera zeigt vom Boden weg, da die gezeigten Ge-
bäude sonst nicht vollständig im Bild erfasst werden können.

Abb. 24: Untersicht auf Häuserfront Abb. 25: Untersicht auf Häuser

Abb. 26: Untersicht im Weltraum

Wie in Abbildung 17 zur parallelen Kameraperspektive wird hier in Abbildung 26 ein


Ausnahmefall für die Untersicht dargestellt. Als Bezugspunkt kann auch hier nicht die
Position des zentralen Bildobjektes und der Kamera zum Boden gewählt werden, da
sich beide im Weltraum befinden. Entscheidendes Kriterium ist allein die Position der
Kamera zum gezeigten Bildgegenstand. Allein durch das letzte Bild der Einstellung ist
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diese oft schwer zu bestimmen. Beim Betrachten der gesamten Analyseeinheit kann
die Kameraperspektive meist leichter erschlossen werden. (In der Einstellung, aus der
das Bild entnommen wurde, schwebt der Bildgegenstand nach oben aus dem Bild her-
aus, es handelt sich also um eine Untersicht.)

Kann die Kameraperspektive dennoch nicht eindeutig bestimmt werden, so gilt – wie
für die gesamte Analyse - der Grundsatz des konservativen Kodierens: ist nach den
oben genannten Kriterien nicht zweifelsfrei zu erschließen, ob es sich um eine Auf-
oder Untersicht handelt, so wird für die entsprechende Einstellung eher die parallele
Kameraperspektive kodiert.
Wenn das letzte Bild einer Einstellung unscharf ist, wird die Perspektive des zuletzt
erkennbaren Bildes kodiert.

2.21 Darbietungsform

Das Nachrichtenformat verfügt über verschiedene Darbietungsformen, die in Tabelle 6


aufgeführt werden.

Tabelle 7: Darbietungsformen
Ausprägung Abkürzung
Gesprochene Nachricht (nur Sprecher) GN nur Spre
Gesprochene Nachricht mit Hintersetzer GN m. Hinter
Nachricht im Film Nachr. Im Film
Nachricht im Bild Nachr. Im Bild
Einspielfilm Situation Ein.film: Situa
Einspielfilm: Computeranimation Ein.film:Com
Einspielfilm: Interview Ein.film: Inter
Schaltgespräch Reporter S-ges.: Repo
Schaltgespräch Interview S-ges.: Interv
Kommentar Kommentar
An- oder Abmoderation An-/Abmoder
Einblendung ohne Nachrichtenwert Einbl ohne N
Einspielfilm: O-Ton Ein.film: O-Ton

• Gesprochene Nachricht (nur Sprecher): Der Nachrichtensprecher verliest eine


Meldung, ohne dass ein Bild im Hintergrund (Hintersetzer) gezeigt wird.
• Gesprochene Nachricht mit Hintersetzer: Der Nachrichtensprecher verliest eine
Meldung, während im Hintergrund ein Bild (Hintersetzer) zu sehen ist.
• Nachricht im Film: Der Nachrichtensprecher verliest eine Nachricht, während
ein Einspielfilm gezeigt wird.
• Nachricht im Bild: Der Nachrichtensprecher verliest eine Nachricht, während ein
bildschirmfüllendes Bild oder eine Graphik zu sehen ist. Einstellungsgröße, Än-
derung der Einstellungsgröße, Kamerabewegung und Kameraperspektive wer-
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den hier nur kodiert, wenn es sich um das Standbild einer ‘realen‘ Szene (z. B.
Bundestag von oben als Standbild) handelt.
• Einspielfilm – Situation: Ein Reporter - nicht der Nachrichtensprecher selbst -
berichtet über ein Ereignis, während ein Einspielfilm dazu gezeigt wird.
• Einspielfilm – Computeranimation oder Graphik: Bei Computergraphiken/-
animationen werden die Kategorien ‘Einstellungsgröße‘, ‘Kamerabewegung‘,
‘Kameraperspektive‘ und ‘Einstellungsänderung‘ nicht kodiert.
• Ein Reporter - nicht der Nachrichtensprecher selbst - berichtet über ein Ereig-
nis, während eine bildschirmfüllende Graphik oder eine Computeranimation zu
sehen ist.
• Einspielfilm – Interview: Ein Reporter – nicht der Nachrichtensprecher selbst -
führt ein Interview durch. Diese Ausprägung wird nur gewählt, wenn der Spre-
cher frei spricht, Statements bei Pressekonferenzen u ä. fallen nicht in diese
Kategorie.
• Schaltgespräch – Reporter: Der Bericht eines Reporters, z. B. aus einer Kriegs-
region, wird "live" zugeschaltet.
• Schaltgespräch – Interview: Der Nachrichtensprecher oder ein Reporter inter-
viewen eine andere Person, z. B. einen Politiker, Das Interview sollte "Live"-
Charakter haben und in Wechselrede ablaufen.
• Kommentar: Ein Reporter oder eine andere Person geben einen Kommentar zu
einem Ereignis ab.
• An- oder Abmoderation: Diese Ausprägung wird als reine Überleitungen ver-
standen. Der Moderator leitet, z. B. nach einem Beitrag, zu einem Themen-
überblick über. Auch die Begrüßung durch den Moderator/die Moderatorin zu
Beginn der Nachrichten fällt in diese Kategorie. (Die Verabschiedung durch den
Moderator/die Moderatorin wird hingegen der Beitragskennung “Nachspann“
zugeordnet und nicht als Abmoderation verstanden.) Eine Beitragskennung wird
in diesem Fall nicht kodiert.
• Einblendungen ohne Nachrichtenwert: Hierunter wird z. B. eine eingeblendete
Computergraphik zwischen einzelnen Nachrichtenbeiträgen oder auch zu Beginn
einer Sendung verstanden. Einstellungsgröße, Änderung der Einstellungsgröße,
Kamerabewegung und Kameraperspektive werden hier nicht kodiert.
• Einspielfilm: O – Ton: Im Bericht werden kurze Sequenzen aus einem Interview
oder einer Rede als Originalton (O-Ton) eingespielt.
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3 Interrater-Reliabilität

Winterhoff-Spurk, Heidinger & Schwab (1994) berichten für das Analysesystem


SAARSYS-Reality-TV eine sehr hohe Beurteilerübereinstimmung für die Bestimmung
von Beginn und Ende der Analyseeinheiten (.997 bzw. .996) sowie einen zufrieden
stellenden Gesamt-Reliabilitätskoeffizienten (.734). Für das Analysesystem MEDIAS-
COPE-AV ergibt die Bestimmung der Interrater-Reliabilität im Projekt Gewalt in Fern-
sehnachrichten für fast alle Kategorien zufrieden stellende Werte (Beitragskennung: κ
= .980; Ort: κ = 1.000; Politik der BRD: κ = .702; Gewaltart: κ = .626; Zeitpunkt der
Handlung: κ = .885; Zahl der Geschädigten: κ = .718; Alter der Geschädigten: κ =
.717; Status des Schädigers: κ = .812; Alter des Schädigers: κ = .656; Übergang: κ
= .856; Einstellungsgröße: κ = .598; Änderung der Einstellungsgröße: κ = .810; Ka-
merabewegung: κ = .705; Perspektive: κ = .755; Darbietungsform: κ = .939). Nicht
zufrieden stellend sind die Koeffizienten bei den inhaltlichen Kategorien Weltpolitik
und Gesellschaftliche Themen (κ = .498 bzw. κ = .510). Da ein Nachrichtenbeitrag oft
mehrere Themen anspricht, das Kategorienschema jedoch nur die Auswahl einer
Themenausprägung zulässt, kommt es hier teilweise zu verschiedenen Einschätzun-
gen, welches der möglichen Themen im Mittelpunkt des Beitrags steht. Bei den forma-
len Kategorien liegt der geringste Übereinstimmungskoeffizient mit κ = .598 für die
Einstellungsgröße vor. Hier kommt es vor allem zu einer „Verwechslung“ zwischen
„benachbarten“ Kategorien (z.B. Halbtotale und Halbnah). Mit einer durchschnittlichen
Beurteiler-Übereinstimmung von .712 für die inhaltlichen Kategorien sowie von .777
für die formalen Kategorien und einem Gesamt-Koeffizienten von .751 liegt die Inter-
rater-Reliabilität der kodierten Daten insgesamt in einem zufrieden stellenden Bereich.

4 Zur technischen Umsetzung

Als technische Plattform zur computergestützte Analyse dient das Softwarepaktes Vi-
deo AS 4.0 (Stand 07/98) der Firma FTS. Das Videomaterial wird digitalisiert und bild-
genau auf der Ebene von sog. Analyseeinheiten analysiert. Anfang und Ende der Ein-
stellungen können mit VideoAs bildgenau (mit einer Auflösung von einem Video-
Ganzbild, das einer Zeitspanne von 1/25 sec = 40 msec entspricht) bestimmt werden.
Zur Analyse mit VideoAS wird in einem ersten Schritt ein Analyseschema, entworfen.
Ein Analyseschema besteht aus Kategorien und Ausprägungen. Die Maximalzahl ist in
VideoAs jeweils auf 20 beschränkt. Mittels dieses Schemas wird das Filmmaterial aus-
gewertet, die entsprechenden Kodierungen werden im programmeigenen Dateiformat
in einer Analysedatei gespeichert. Bei der Analyse einer Einstellung wird zunächst de-
ren Anfang bestimmt, danach die Endzeit festgelegt. Die auf diese Weise definierte
Analyseeinheit (= Einstellung) wird anschließend nach allen zutreffenden Kategorien
analysiert. Abbildung 1 zeigt beispielhaft einen Screen-Shot des Programms. Ein Vide-
oAS-Analysefenster besteht aus der Positionsliste, dem Kommentarfeld und dem
Schemafeld.
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Abb. 27: Analysefenster des Programms VideoAS 4.0

In der Positionsleiste befindet sich eine Auflistung der einzelnen Analyseeinheiten. Das
Kommentarfeld dient der Betitelung des jeweiligen Beitrags bzw. der Analyseeinheit.
Im Schemafeld werden Kategorien und ihre Ausprägungen in Tabellenform aufgeführt.
In der ersten Spalte steht die Nummer, in der zweiten Spalte der Kategorienname. In
jeder weiteren Spalte stehen nun die zu jeder Hauptkategorie gehörenden Ausprägun-
gen, d.h. in jeder Zeile steht eine Kategorie mit ihren dahinter aufgereihten Ausprä-
gungen.
Nach erfolgter Kategorisierung werden die Daten im programmeigenen Dateiformat in
einer Datei abgelegt. Ein besonderer Vorteil von VideoAS ist die Möglichkeit, einmal
definierte Analyseeinheiten rasch wieder bereitzustellen. Dies gestattet es, vorge-
nommene Kategorisierungen auch nachträglich zu kontrollieren und gegebenenfalls
abzuändern. Erste statistische Auswertungen können mit VideoAS selbst vorgenom-
men werden. Für weitergehende Analysen oder grafische Darstellungen werden die
Analysedateien in ein SPSS-kompatibles Format konvertiert.
Der zeitliche Aufwand für die Kodierung des Nachrichtenmaterials variiert mit der Art
der Sendung und der Erfahrung der Kodierer. Bei der mit vergleichsweise wenig Auf-
wand verbundenen Kodierung der “Tagesschau” dauerte die Kodierung einer Minute
Sendezeit etwa sechs Minuten, bei den Nachrichtensendungen der Privatsender (PRO7
und insbesondere SAT.1) verdoppelte sich der Aufwand, hier mussten für eine Minute
Sendezeit zwölf Minuten Kodierarbeit aufgebracht werden. Setzt man einen mittleren
Faktor 10 (zehn Minuten Kodiertätigkeit für eine Minute Nachrichten) voraus, ergeben
für insgesamt 625 Minuten aufgezeichnete Nachrichten 6250 Minuten Kodierzeit, also
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etwas mehr als 100 Stunden. Hinzu kommt noch der Zeitaufwand für das Überspielen
der Nachrichten vom Videoband auf die Festplatte des Video-PCs, und für die EDV-
Arbeiten am PC (Komprimieren der Festplatte etc.).
Für die allgemeine Benutzung und Bedienung des Programms VideoAS 4.0 liegt ein
Handbuch in einer Version von 8/97 von der Firma FTS vor. Das Programm läuft auf
den Windowsplattformen Win 3.11, Win95/98/ME und Win2000.

Literatur
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