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COACHING ALS HALTUNG

die Kutsche, die zur eigenen Lösung begleitet


Coaching: ein bedeutsames Wort Die Kunst des Zuhörens
Coach bedeutet Kutsche, im US-amerika- Aus: Michael Ende: Momo, München 1996, Heyne
nischen auch Überlandautobus. Davon ab-
Was die kleine Momo konnte wie keine an-
geleitet werden im Sport auch die als Coach
dere, das war: Zuhören.
bezeichnet, die nicht mitspielen, jedoch am
Das ist doch nichts Besonderes, werden
Rande des Spielfeldes dazu beitragen, zum
nun vielleicht manche sagen, zuhören kann
Ziel zu gelangen. In Deutschland hatten
doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich
dann Führungskräftetrainer die Idee, sich im
zuhören können nur ganz wenige Men-
für die individuelle Unterstützung von Füh-
schen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören
rungskräften als Coach anzubieten. Irgen-
verstand, war es ganz und gar einmalig.
detwas an diesem Wort scheint so faszinie-
Momo konnte so zuhören, dass dummen
rend, dass es inzwischen weit verbreitet ist.
Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanken
Das was früher z.B. Supervision oder Kurz-
kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte,
Therapie genannt wurde heißt jetzt oft Coa-
was den anderen auf solche Gedanken bra-
ching. Das Bild der Kutsche macht Sinn: die
chte, nein, sie saß nur da und hörte einfach
Fahrgäste entscheiden, wohin es geht: zur
zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller An-
eigenen Lösung, die Kutsche ist dabei hilf-
teilnahme – und der Betreffende fühlte, wie
reich.
in ihm auf einmal Gedanken auftauchten,
Dazu 2 berühmte Denker: von denen er nie geahnt hatte, dass sie in
Der wahre Arzt ist im Patienten! Wir geben ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass
Gelegenheit, dass dieser arbeitet! ratlose oder unentschlossene Leute auf ein-
Albert Schweitzer mal ganz genau wussten, was sie wollten.
Wir stehen Menschen bei und halten zu ih- Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei
nen, während sie sich selbst helfen! und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche
Erich Fromm und Bedrückte zuversichtlich und froh wur-
© Paul Lahninger, Salzburg, 2009-06-09, www.TOPSEMINARE.at, www.AGB-Seminare.at

den. Und wenn jemand meinte, sein Leben


Gesprächs-Techniken im Coaching
sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er
Zuhören, lösungsorientierte Fragen stellen,
selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer,
Feedback geben: Das, was wir als Ge-
auf den es überhaupt nicht ankommt und
sprächstechniken oder Coaching-Instrumen-
der ebenso schnell ersetzt werden kann wie
te bezeichnen, sind zunächst gängige For-
ein kaputter Topf – und er ging hin und er-
men der Kommunikation, die viele Menschen
zählte alles das der kleinen Momo, dann
ohne psychologische Vorbildung ganz natür-
wurde ihm, noch während er redete, auf ge-
lich verwenden. Diese Techniken werden im
heimnisvolle Weise klar, dass er sich gründ-
Coaching systematisch eingesetzt, bewusst
lich irrte, dass es ihn, genauso wie er war,
reflektiert, verfeinert und weiterentwickelt.
unter allen Menschen nur ein einziges Mal
Dazu kommt noch die Auftragsklärung am
gab und dass er deshalb auf seine beson-
Beginn des Gesprächs.
dere Weise für die Welt wichtig war.
Anspruchsvolle Formen des Zuhörens, Fra-
genstellens und Feedbackgebens können in
So konnte Momo zuhören.
unterschiedlichen Situationen nützlich sein.
Das wirksame Übertragen dieser Elemente
des coachenden Begleitens gelingt in behut-
samer Aufmerksamkeit für das Angemesse-
ne, Passende und in der Bereitschaft, auch
die eigene Kommunikation bewusst zu ref-
lektieren. Dazu gleich eine Coaching-Frage
an Sie: Wenn es Ihnen gelingt, Coaching-
Gesprächstechniken wirksam einzusetzen,
wie wirkt sich das aus? Und wer aller wird
das bemerken? Zur möglichen Auswirkung
hier eine poetische Beschreibung:
Coachen: wertschätzend begleiten
Coaching-Definition gemeinsam erarbeitet mit Reinhold Rabenstein und Helga Gumplmaier im AGB-Lehrgansleitungsteam, Salzburg 2002

Coaching verstehen wir als zielorientiertes, wertschätzendes Begleiten einer Person oder eines
Teams in persönlichen, eigenverantwortlichen und autonomen Prozessen der Lösungsfindung
durch unterstützende Fragen, ohne Ratschläge zu geben oder das Ergebnis zu beeinflussen. Die-
ser Prozess wird durch die Haltung und die methodische Kompetenz von Coaches in unterschied-
lichsten Situationen, „Settings“ wirksam.

In einem Coaching-Prozess bearbeiten Ratsu- In seinen Publikationen betont Carl Rogers die
chende Herausforderungen und Entwicklungspro- Wirksamkeit des Zuhörens für die individuelle Lö-
zesse, machen sich persönliche Kompetenzen sungssuche und Weiterentwicklung. Die Kunst
bewusst, stärken und erweitern Handlungsspiel- des Zuhörens ist die Kernkompetenz dessen, was
räume. Coaching ist ziel- und lösungsorientiert in wir mit Coaching meinen.
Bezug auf konkrete Situationen. 1 Anlass für Coa-
Professionelles Coaching
ching ist, dass eine Person Unterstützung für eine
Coaching im engeren Sinn meint einen deklarier-
Lösungssuche sucht, zum Beispiel, um
ten, professionell geleiteten, längerfristigen Pro-
• Entscheidungen zu treffen zess mit Profi-Coach in einem entsprechend ge-
• Arbeitsvorgänge zu verbessern schützten Setting mit vorheriger Absprache von
• Besondere Herausforderungen zu bewältigen Ziel und Dauer.1
• Beziehungen zu verbessern Dieses Coaching ist keine Psychotherapie und
• Konflikte zu lösen keine Fachberatung. Andererseits wird in man-
• Gefühle oder Sorgen zu bearbeiten chen psychotherapeutischen Ansätzen „coa-
• Werthaltungen zu reflektieren. chend“ gearbeitet. Auch Fachberatung wird häufig
Die ratsuchende Person ist dabei für Lernen und Teilschritte beinhalten, in denen Coaching-
Entscheidungen selbst verantwortlich. Qualitäten genutzt werden.
2 Definitionen von „Beratung“
1.) Umgangssprachlich wird das Wort Beratung Grenzen und Risken
meist dort verwendet, wo Ratschläge, Tipps, Ex- Qualitäten des coachenden Begleitens können in
pertenmeinungen eingeholt werden: Ratschläge unterschiedlichste Situationen einfließen. Die In-
jedoch können den Weg zu eigenen Lösungen tensität des eigenverantwortlichen Lösungsfin-
dungsprozesses wird durch Rahmenbedingungen
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behindern.
2.) Manche Psychotherapeuten und Lebens-/ So- und Kompetenzen der Beteiligten ermöglicht und
zial-BERATER-Innen bezeichnen sich als „Bera- eingeschränkt. Getragen wird dieser Prozess von
ter-Innen“ und verstehen ihre Arbeit dennoch als der Haltung der Person, die die Begleitung anbie-
Begleitung eigener Lösungsfindung der Klient- tet. Ein wesentliches Risiko dabei sehe ich darin,
Innen ohne ihnen dabei Ratschläge zu geben. 2 dass Menschen die Rolle des Begleitens so sehr
genießen, dass sie zu wenig auf die Grenzen des
Humanistische Psychologie als Quelle Angemessenen und des Auftrags der Ratsuchen-
Die Idee, Menschen durch Fragen anstatt durch den achten. Die Bewusstheit der eigenen Rolle
Ratschläge zu unterstützen ist Jahrtausende alt. und der Rahmenbedingen des Settings, die Be-
Sokrates beschrieb sich auch als Geburtshelfer für reitschaft sich selbst kritisch zu reflektieren hilft
Ideen. In der 2. Hälfte des 20.Jahrhunderts hat • auf den Auftrag der Betroffenen zu achten,
Carl Rogers die „klientenzentrierte Gesprächsthe- • die Angemessenheit des Themas zu prüfen,
rapie“ ausgearbeitet und ihre Wirksamkeit syste- • eigene Ziel- und Lösungsvorstellungen zurück-
matisch erforscht. Zum Unterschied zur klassi- zustellen.
schen Psychoanalyse verzichtet er dabei auf Deu- 1
nach: Vogelauer Werner: Coaching – Begleitung von Führungskräf-
tungen und konzentriert sich auf wertschätzendes ten zur Selbstentwicklung in: Management Development im Wandel,
Zuhören. Aus diesen Erfahrungen formulierte er Hrsg. Kraus/Kailer/Sandner, Manz-Verlag, Wien 1990
2
die Kernthese der humanistischen Psychologie: siehe auch: Rene Reichel, Reinhold Rabenstein: kreativ beraten,
Münster 2001
„Das Individuum verfügt potenziell über unerkann- 3
H.-J. Möller et al.: Psychiatrie und Psychotherapie, Springer, Berlin
te Möglichkeiten, um sich selbst zu begreifen und 2003, S 27: „Die Humanistische Psychologie wurde 1962 gegründet
und versteht sich als dritte Kraft neben der Tiefenpsychologie und
sein selbstgesteuertes Verhalten zu verändern; dem Behaviorismus und lehrt, dass sich eine gesunde, schöpferische
dieses Potential kann erschlossen werden.“ 3 Persönlichkeit mit dem Ziel der Selbstverwirklichung entfaltet. Väter
… sind Abraham Maslow mit der bedürfnisorientierten Motivations-
psychologie, Carl Rogers mit der klientenzentrierten Gesprächsthe-
rapie Erich Fromm mit der humanistischen Psychoanalyse und Fritz
Perls mit der Gestalttherapie.“
Coaching-Kompetenz-Spektrum
Checkliste für vielseitige Persönlichkeitsentwicklung um, Menschen wirksam zu begleiten.
Zwischen Haltung (Sichtweisen) und Methodik (gelebter Kompetenz) besteht eine Wechselwirkung: Die
Haltung drückt sich in der konkreten Umsetzung aus, zugleich verstärkt das Handeln die Haltung.

SELBSTBILD: Einladung, intuitiv-spontan eigene Kompetenzen zu sammeln und selbstkritisch zu prüfen,


1) zügig alle aufgelisteten Qualitäten einschätzen,
2) 3 Qualitäten als persönliche Stärken wählen,
3) eine Qualität als aktuelle Lernaufgabe wählen,

manchmal
fast immer
FREMDBILD: mehrere andere Personen um Ihre Einschätzung bitten und das Feedback ohne
Diskussion entgegennehmen, Unterschiede in Selbst- und Fremdbild als Arbeitsauftrag sehen.

fast nie
häufig

selten
Selbstwert
Ich vertraue meiner Lernfähigkeit und Lernbereitschaft. 
Ich bin versöhnt mit der eigenen Lebensgeschichte. 
Ich habe Zutrauen in meine Lösungskompetenz bei Krisen und Konflikten. 
Ich nehme Kritik gewährend entgegen, bin selbstkritisch, lerne aus Kritik. 
Ich drücke eigene Interessen, Bedürfnisse und Grenzen angemessen direkt aus. 
Leitbilder
Ich schätze Lernen und Weiterentwicklung als Lebensaufgabe. 
Ich begegne Menschen respektvoll und wertschätzend. 
Ich denke liebevoll und mit guten Wünschen über Menschen, die ich begleite. 
Ich orientiere mich an Eigenverantwortung und anerkenne Unterschiede. 
Ich sehe Krisen und Konflikte als Chancen zu lernen und zu wachsen. 
Zuhören als Kunst
Ich beschenke andere durch meine aufmerksame Zuwendung. 
Ich nutze die Zeit des Zuhörens, mich einzufühlen. 
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Ich bin interessiert an der individuellen Sicht anderer. 


Ich höre aktiv zu, fasse Gehörtes zusammen, überprüfe mein Verstehen. 
Ich formuliere Problemsicht lösungsorientiert um. 
Fragetechnik
Ich frage einfühlsam nach, um Situationen zu verstehen. 
Ich nutze Fragen als Einladung, Perspektiven zu wechseln und zu erweitern. 
Ich verstehe Fragen als Angebot, bin mir bewusst, dass ich durch Fragen auch führe. 
Ich nutze Fragekonzepte und methodische Modelle, die mir vertraut sind. 
Bei meinen Fragen lasse ich mich auch von meiner Intuition leiten. 
Feedback-Qualität
Ich gebe Rückmeldungen als Anregung, Sichtweisen dazuzugewinnen. 
Feedback formuliere ich angemessen behutsam und lösungsorientiert. 
Ich achte auf bestärkende, wohlwollende Worte. 
Ich drücke aus, dass meine Rückmeldung eine Sichtweise darstellt, die in

Eigenverantwortung genommen oder zurückgewiesen werden kann.
Setting - Kompetenz
Ich achte auf den angemessenen Rahmen für Gespräche. 
Ich beobachte mein Tun auch aus einer gewissen Distanz, wie von außen.

(Metaebene)
Rollenwechsel (z.B. von der Diskussionsleitung zum Mitdiskutieren) vollziehe ich

bewusst.
Ich achte auf meine Grenzen, auf mein Selbstdarstellungs-Bedürfnis und meine
eigenen wunden Punkte. Ich bin mir bewusst, dass ich andere nicht begleiten kann in 
Themen, die mich gefühlsmäßig stark betreffen.

UMFASSENDE KOMPETENZQUALITÄTEN KÖNNEN WIR UNSER GANZES LEBEN LANG VERFEINERN.

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