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Coaching - Anwendungsspielräume
Der Begriff Coaching wird unterschiedlich verwendet, häufig jede Unterstützung als Coaching be-
zeichnet, z.B.: “Make-up-Coaches”, die ähnlich Sport-Coaches eingreifen und Anweisungen geben.
Hier spreche ich von „Coaching“ als Begleitung eigenverantwortlicher Zielsetzung und Lösungsfin-
dung ohne jedes Eingreifen und ohne Ratschläge zu geben.
konkrete Umsetzung von Gelerntem, WIE eine vorgegebene Aufgabe erfüllt wird,
selbständige Arbeit, z.B. in der Diplomarbeit. WELCHE Fortbildung ein Teammitglied wählt,
Diese Begleitung kann im Sinne von Coaching WIE eine Anforderung bewältigt werden kann.
angeboten werden, wenn Freiwilligkeit und Ei- Eine Führungskraft ist kein Coach im engeren
genverantwortung für Ergebnisse besteht. Für Sinn, denn auch das Kontrollieren, Abgrenzen,
viele Lehrbeauftragte ist dies ein selbstverständ- Aufträge erteilen sind wichtige Führungsaufga-
licher Teil ihrer Kompetenz, in der sie den Rol- ben und erfordern, dass die Führungskraft die
lenwechsels vom Vortragen (und vom Bewerten Lösungsfindung eines Teammitgliedes beein-
von Lernfortschritt) zum Begleiten bewusst voll- flusst oder bewertet. Dieses Eingreifen ist der
ziehen. Gegenpol zum coachenden Begleiten, auch
Bei Wissenserarbeitung hingegen ist die Ergeb- wenn es wertschätzend gestaltet wird. Die Ver-
nis-Offenheit deutlich reduziert. Wenn Vortra- antwortlichkeit von Vorgesetzte für Ziele und
gende während des Vortrags Fragen stellen, Ergebnisse begrenzt die Möglichkeiten des er-
passiert es oft, dass sie nur erwünschte Antwor- gebnisoffenen Begleitens. 1)
ten beachten. Dabei kann eine Atmosphäre ent- 1) Vogelauer Werner: Coaching-Praxis in: Management Develop-
stehen, in der die Lernenden lediglich Lückentex- ment im Wandel, Hrsg. Kraus/Kailer/Sandner, Luchterhand-Verlag,
Neuwied, 4. Auflage 2002
te im Vortragenden auszufüllen hätten. Dies hat 2 Jürg Stadelmann: Führung unter Belastung, Huber&Co Ag,
nicht das Geringste mit coachendem Begleiten Frauenfeld 1998
von Eigenverantwortung zu tun.
Coaching-Anwendungsspielräume S 2 COACHING ALS HALTUNG
Wertschätzend begleiten als Führungskraft Rollenklarheit
Ein erfahrener Manager erzählt: „Das Begleiten Die Bewusstheit dessen, in welcher Rolle ich
individueller Lösungsfindung erweitert das Spek- mich gerade befinde und welche Interaktionen
trum des Führungsverhaltens, um bei Teammitg- angemessen sind, erlebe ich zusätzlich zur
liedern die Fähigkeiten zur selbständigen Prob- kommunikativen Kompetenz als besondere Stär-
lemlösung und Aufgabenbewältigung zu fördern. ke. Diese Rollenbewusstheit beinhaltet die Kom-
Die wesentliche Qualität ist Wertschätzung. Ich petenz, wie von außen auf mich und das, was ich
habe immer wieder erfahren, wie diese wert- tue hinzuschauen, gewissermaßen als Meta-
schätzende Grundhaltung und der Glaube an die Kompetenz. Diese Kompetenz leben Eltern,
Lösungs-Kompetenz mein Team beflügelt hat, wenn sie spontan entscheiden: ist es gerade
mit Freude engagiert zu sein. angemessen, das Kind eigene Lösungen finden
Mitarbeiterentwicklung ist ein Prozess, der Zeit zu lassen, oder bin ich gefragt, Grenzen zu zie-
braucht, denn Menschen, die gewohnt sind, dass hen, um Halt und Sicherheit zu geben?
ihre Vorgesetzten ihnen Entscheidungen abneh- Rollenklarheit erkennt die Qualitäten eines Set-
men, konnten mit Freiräumen wenig anfangen.“ tings und der eigenen Position, zum Beispiel
daran, dass externe Coaches nicht Teil des Sys-
Führungskräften stellt sich die beachtliche He-
tems sind, in dem die ratsuchende Person han-
rausforderung, zwischen zwei Rollen bewusst zu
delt.
wechseln: zwischen der Rolle des Führens durch
Erteilen von Aufträgen und der Rolle des coa-
chenden Begleitens individueller Entscheidungen
im Rahmen der vorgegebenen Ziele. Wenn ich
als Führungskraft eine Idee eines Teammitglie-
des nicht zulassen möchte, dann halte ich es für
sinnvoll, dies direkt auszudrücken. Jemanden „Coachendes“ Begleiten
mittels Fragetechnik zu einem bestimmten Er- Für Führungskräfte, Lehrende, Eltern ist Coa-
gebnis „hinzucoachen“ wäre Manipulation, insbe- ching-Kompetenz eine wertvolle Möglichkeit,
sondere, wenn dabei suggeriert wird, die geführ- solange diese Kompetenz bewusst in Freiräumen
te Person könne frei entscheiden. eingesetzt wird, in denen Ratsuchende tatsäch-
Eingeschränkt werden die Möglichkeiten des lich frei entscheiden und individuelle Lösungen
Coachings wesentlich auch durch die Vorstellun- eigenverantwortlich umsetzen können. Beteili-
© Paul Lahninger, Salzburg, 2009-09-02, www.TOPSEMINARE.at, www.AGB-Seminare.at
Setting- Qualitäten
Je mehr von den folgenden Setting-Qualitäten erfüllt sind, umso umfassender und tiefgehender
kann sich der Prozess der eigenverantwortlichen Lösungssuche gestalten:
• Die Ratsuchende Person (A) initiiert den Coaching-Prozess.
• Die/Der Coach ist nicht betroffen vom Thema und vom Ziel des Coachings.
• Die/Der Coach ist nicht Teil des Systems, das reflektiert wird (ist extern).
• In einem unverbindlichen Vorgespräch wird der Auftrag geklärt.
• Im Auftrag wird vereinbart, was A im Coaching reflektieren oder entscheiden möchte.
• Der Prozess wird für beide nachvollziehbar geplant: z.B. 4-mal 50 min, oder bis zur Erreichung
des genannten Ziels bis etwa 10 Einheiten.1
• Die Zusammenarbeit ist freiwillig: ein Abbruch ist von beiden Seiten möglich.
• Rollenklarheit: alle Beteiligten stimmen zu, dass eigenverantwortliche Lösungsfindung unter-
stützt wird ohne Ratschläge zu geben.
• Anerkennung der Leistung des Begleitens, insbesondere durch Bezahlung. Dies entspricht
einem Vertrag auf derselben Hierarchieebene (symmetrische Beziehung).
Bewusstheit der Möglichkeiten und Grenzen meist von der Führung kommt und Teammitg-
im verfügbaren Setting ist ein Aspekt von lieder in die Planung oft wenig einbezogen
Kompetenz. Die vertikale Achse der unten werden.
stehenden Grafik bezieht sich auf die Eindeu- Am eindeutigsten empfinde ich die Rolle des
tigkeit der Coaching-Rolle, die horizontale Coachens in einem längerfristigen Prozess,
Achse auf die Dauer des Prozesses. etwa über fünf Gesprächstermine, wenn eine
Wenn eine Führungskraft, ein Verkäufer, eine ratsuchende Einzel-Person bewusst diese
Fachberaterin als Teil professioneller Ge- Form von Unterstützung sucht und dazu in
sprächsführung z.B. für 10 min coachend die Praxis einer entsprechend ausgebildeten
begleitet, bedeutet dies Rollenwechsel, z.B. Person kommt. Diese Prozesse werden un-
vom Kontrollieren oder Informieren zum Be- terschiedlich bezeichnet, als Coaching, Su-
gleiten. Dies kann ein wertvoller Beitrag für pervision oder Kurzzeit-Therapie. 2
© Paul Lahninger, Salzburg, 2009-09-02, www.TOPSEMINARE.at, www.AGB-Seminare.at
1 Längere Begleitung entspricht nicht dem hier vorgestellten Coaching-Begriff als zielorientiertem, abgeschlossenem Prozess. Meist wird
langfristige, Aufgaben- orientierte Begleitung Supervision genannt.
2 „Supervision“ wird von Fachverbänden definiert als „geregelte, arbeits- und aufgabenorientierte Reflexionshilfe“ und bezeichnet ein
weites Feld an unterschiedlicher Methodik (nach: Rene Reichel, Reinhold Rabenstein: kreativ beraten. Münster 2001). Der Unterschied
zum hier beschriebenen Coaching besteht meinem Eindruck nach am ehesten darin, dass Supervision auch ohne konkrete Zielvereinba-
rung als langfristige Begleitung einer herausfordernden psychosozialen Tätigkeit angeboten wird.
Kurzzeit-Psychotherapie wird meist Anlass-bezogen genutzt und kann meinem Verständnis nach von diesem Coaching-Begriff nur unter-
schieden werden, wenn wir annehmen, dass in der Psychotherapie seelische „Störungen“ diagnostiziert und behandelt werden. „Psycho-
therapie, Heilen der Seele, steht als Oberbegriff für alle Formen psychologischer Verfahren, die ohne Einsatz medikamentöser Mittel auf
die Behandlung psychischer und psychosomatischer Krankheiten, Leidenszustände oder Verhaltensstörungen abzielen.“ (Wikipedia).
Stress eingrenzen – Alternativen einladen
Selbstreflexion über den Umgang mit unangenehmem Stress: Di-Stress
Coachend begleitet: A erzählt, C stellt die Fragen, hört aktiv zu, ohne Tipps zu geben und scheibt
die wesentlichen Aussagen mit. Die Fragen können variiert und erweitert werden.1
Idee: Paul Lahninger, nach der Tradition der Gestaltarbeit
1. Welche äußeren Faktoren empfindest du als Stress auslösend, so dass es für dich unangenehm
ist:
2. Wie „stressig“ empfindest du diese Faktoren auf einer Skala von 0 bis 10:
3. Wenn du dir vorstellst, dass dich in einer Stress-Situation eine Stimme antreibt, was würde diese
Stimme sagen:
4. Stell dir vor, dass diese innere Stimme einen Platz in diesem Raum einnimmt. Wenn du ihr nun
einen Platz zuweist, an dem du sie gut im Auge behältst, einen Platz mit ausreichender Distanz
zu dir als Ich, das Entscheidungen trifft, welche Position wählst du für diese Stimme:
5. Angenommen, du beginnst einen Dialog mit dieser Stimme, was sagst du zu ihr:
6. Überlege, was die antreibende Stimme an Positivem für dich bewirkt hat und bedanke dich bei
ihr:
7. Wie kannst du ihr klar machen, dass du ab jetzt öfter in größerer Freiheit entscheidest, in
welchem Ausmaß du auf die antreibende Botschaft hörst:
Paul Lahninger, Salzburg, 2009-09-02, www.TOPSEMINARE.at & www.AGB-Seminare.at
8. Wähle noch eine zweite Position im Raum für Gelassenheit und klare Abgrenzung, nimm diese
Position ein und beschreibe diese Qualität.
9. Wenn du von außen auf die beiden Positionen hinschaust, auf die der Gelassenheit und die des
Stress, wie kannst du diese beiden etwas mehr verbinden, etwas mehr von der Gelassenheit in
der Stress-Situation leben:
10.Was kannst du noch tun, um etwas mehr erwünschte Qualität (z.B. Gelassenheit oder innere
Ruhe) einzuladen, während du diese herausfordernden äußeren Faktoren wahrnimmst:
11.Denke nochmal an die Faktoren, die du zuerst als Stress auslösend beschrieben hast.
Wie „stressig“ empfindest du diese äußeren Faktoren jetzt auf der Skala von 0 bis 10:
12. Wie kannst du sicherstellen, dass du dich dann, wenn du es möchtest, daran erinnerst, diese
Qualität einzuladen, was brauchst du noch, damit dir das gelingt:
1) Sinnvoll ist auch, die Formulierungen von A für die Benennung der Positionen zu übernehmen, besonders in Frage 9:
z.B.: … die Position „voll im Stress“ und die Position „ganz bei mir“.