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Socuellamos – kein Weg kann zu weit sein

Kurz zuvor war mein Hund, ein Hirtenhund aus dem Baskenland, plötzlich und uner-
wartet während einer gemeinsamen Wanderung in den Pyrenäen an Nierenversagen
gestorben. Keine gute Ausgangsvoraussetzung um sich innerlich frei für ein neues
Tier zu entscheiden. So wollte ich denn eigentlich mehr auf einem der ASPA Trans-
porte helfen als ein neuen Hund holen, wenngleich ich den Gedanken schon im Hin-
terkopf hatte, Thor, einen verspielten Hütehund, den der Schäfer wegen Mangels an
Arbeitseifer in der Perrera von Tomelloso abgegeben hatte, mal anzuschauen. Wer
aber ASPA kennt, der weiß, dass alles weit im voraus und gut geplant ist. So wun-
derte es nicht, dass man für diesen Transport keinen Fahrer mehr benötigte.
Doch der Gedanke mit Thor begann zu wirken, diesen Kerl musste ich mir mal anse-
hen. Kurzentschlossen fuhr ich mit dem eigenen Wagen los. Nicht ohne vorher den
Kofferraum mit Futter vollzuladen, eine Tüte mit Scalibor-Halsbändern gegen Sand-
mücken und sonstig Nützlichem hatte meine Schwester beigesteuert.
Da mein Neffe mitfuhr ließen wir den Hinweg locker angehen. Der Weg ist das Ziel
und der führte uns über Paris erstmal nach Bordeaux ins Medoc zwei Tage an den
Atlantik. Am dritten Tag ging es dann bei strahlendem Sonnenschein entlang der At-
lantikküste ins Baskenland, San Sebastian, Burgos und dann nach Madrid, einmal
Madrid umrunden und noch mal gut 150km weiter.
Am späten Abend erreichten wir Socuellamos. Dank des Kontaktes zu Pablo, einem
der ASPAfriends, deren Spendentransport schon zwei Tage vorher angekommen
war, organisierten wir ein Hotelzimmer, denn Touristen verirren sich nicht hierhin in
die Mancha, die Mitte Spaniens. Es ist heiß, selbst nachts, und trocken; außer Oliven
und Wein scheint her nichts zu wachsen.
Der nächste Morgen begann ruhig mit einem Frühstück bei Noemi der Tierheimleite-
rin von Socuellamos, wo die ASPAfriends Pablo, Frank und Bernd untergekommen
waren. Lektion 1 - In Spanien gehen die Uhren anders. So fuhren wir statt früh erst
am späten Vormittag nach Tomelloso zum Gelände von Eva und Marie-Carmen,
zwei Tierschützerinnen, die engagiert versuchen dem unberechenbaren Leiter der
örtlichen Perrera Paroli zu bieten und einige der Tiere auf ihrem Gelände unterzu-
bringen. Denn dort sind sie, im Gegensatz zur Perrera sicher und werden nicht getö-
tet. Schnell habe ich Thor entdeckt – und er mich. Die Begrüßung fällt fast stürmisch
aus. Dieser Kerl soll Männer nicht so mögen? OK, vielleicht falle ich nicht unter die
Kategorie richtiger Mann. Thor kommt mit, beschließe ich, erstmal als Pflegehund.
Insgesamt sind einige Hunde dabei, die uns stürmisch begrüßen, andere wiederum
sind ängstlich und meiden unseren Kontakt. Ich traue mich gar nicht zu fragen, was
diese Geschöpfe wohl erlebt haben müssen. Interessanterweise fassen sie zu mei-
nem Neffen, der mit seinem jugendlichen, schmächtigeren Aussehen scheinbar keine
Ängste in ihnen hervorruft, schnell Vertrauen und kommen zu ihm. Schön zu sehen
und eine gute Ausgangsbasis für ihr späteres, hoffentlich angstfreies, Leben. Ein
kleiner Podencowelpe läuft mir die ganze Zeit nach und zittert. Er ist voller Parasiten,
ob er überlebt ist zweifelhaft. Es wird nicht der einzige Moment bleiben, wo ich wei-
nen muss.
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Auf geht’s zur Perrera von Tomelloso. Das wird mein schwerster Gang an diesem
Tag. Von diesem frisch getünchte Gebäude mit recht guten Zwingeranlagen und vie-
len Bäumen als Schattenspender geht selbst in der Mittagshitze ein Gefühl von Kälte
aus, oder stammt sie nur von dem Leiter, der uns in frischer blauer Montur begleitet,
während Eva, Marie-Carmen und die ASPAfriends nach Nachfolgern für die Hunde,
die am nächsten Tag ihr Gelände in Tomelloso Richtung Deutschland verlassen wer-
den. Ich sondere mich ab, hier könnte ich nicht auswählen, ich bin auch froh es nicht
tun zu müssen. Auf meinem eigenen Weg durch die Perrera finde ich in einem Zwin-
ger einen Mastino-Rottweiler Mischling, Rüde, vermutlich unkastriert, natürlich mit
Stachelhalsband, wohl angelegt vom Perreraleiter persönlich. Ich gebe ihm ein Le-
ckerchen. Er freut sich, kommt näher, drückt sich an die Zwingerstäbe und lässt sich
kraulen. Hoffentlich hat das dieser Unmensch nicht gesehen. Ich traue ihm zu, dass
er Prügel bekommt für Freundlichkeit. Er will ihn scharfmachen und dann verkau-
fen… armer Mastino! Er schaut ohnehin traurig, einen Blick, den hier alle Hunde
draufhaben. Das habe ich bei den Hunden von Eva und Marie-Carmen nicht gese-
hen, sie scheinen zu wissen, dass sie das Gröbste hinter sich haben, sicher sind und
ihnen niemand weh tun will. Dort schauen sie alle viel fröhlicher einher.
Am Nachmittag geht’s dann nach Socuellamos. Pablo zeigt mir stolz die Neuerungen
dort. Das ganze wirkt vielversprechend. Vieles wurde erreicht, Neues ist in Planung
und meines Erachtens auch realistisch. Hier arbeiten Leute, die was von der Sache
verstehen, das merkt man sofort. In einem der neuen Quarantäneräume treffe ich
Aranda, eine Galga mit Leishmaniose. Für sie würde der Transport mit allen anderen
zusammen zu stressig. Die fährt 1. Klasse nach Deutschland beschließen wir alle
zusammen. Kein Problem, ich räume die Rücksitzbank frei für diese tolle Maus.
Die Verladung all der Hunde erfolgt am nächsten Tag in Socuellamos. Die Hunde
von Tomelloso werden dazu auch aufs Gelände des ASPA Tierheims gebracht.
Erstmal alle und alles raus auf den Freilauf zum Kennenlernen. Was in Deutschland
undenkbar wäre, ist die schiere Notwenigkeit. Und was passiert…nichts, kein Beißen,
kein Zanken, nichts. Das lässt mich so einige Zwänge und stringente Regeln in
Deutschland anzweifeln. Kurzum: Viele Hunde in den ASPA Transporter; zwei in
meinen Kombi: Thor hinten und Aranda auf die Rücksitzbank. Wir fahren noch in Vil-
larobledo an, wo die ASPAfriends noch einige Hunde aufnehmen. Das Gelände der
Tierschützerinnen dort ist mehr ein Sammelsurium von Gegenständen. Alte Jalou-
sien und Wellblech als Sonnenschutz, alte Sprungrahmen als Türe. Sieht man die
Industrieanlagen vor Ort oder die modernen Rathäuser müsste dieser Gegensatz
beschämen – meint man, tut es aber offenbar nicht.
Abfahrt! 2000km liegen nun vor mir. Die ASPAfriends sind zu dritt, wechseln sich
ständig beim Fahren ab und werden vor mir da sein, egal, wir fahren dafür temperiert
mit Klimaanlage.
Unterwegs mache ich häufiger Rast, lasse die Hunde sich lösen, gebe ihnen Wasser.
Unterwegs bekommt Aranda noch Nasenbluten, was erst die Tierärztin, bei der sie
zunächst in Pflege kommt, zum Stillstand bringt.
Einen ganzen Tag brauche ich bis ich zuhause bin, mehr als eine Woche, bis die Bil-
der in meinem Kopf halbwegs entwirrt sind. Derartige Erlebnisse wirken nach. Das
werden mir sicherlich die Debütanten der ASPAfriends Transporte beipflichten.
Nochmal machen? Jederzeit wieder – nur nicht morgen, erstmal ausschlafen.
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Denjenigen, die sich einen der Hunde unten in Spanien ausgesucht haben, kann ich
nur zuraten, ihn sich selbst dort abzuholen. Es schafft eine neue und ehrliche Per-
spektive für die Probleme aber auch für das bislang Ereichte vor Ort, das Verständnis
für den Charakter des Tieres ist ein ganz anderes und die Bindung zwischen Mensch
und Hund wird auf eine ganz andere Ebene gestellt. Vamos!

Aranda besuche ich immer mal wieder. Sie hat es gut erwischt und wird eine tolle
Pflegefamilie bekommen. Der Blick und die Freude von ihr sind mein Lohn für die
Hilfe; klarer Fall von übertariflicher Bezahlung. Und Thor? Solche knuffigen Bären
bleiben nicht lange Pflegehund. Nach nicht einmal einer Woche wurde er adoptiert.
Von wem…von mir natürlich!

Nachtrag: Zuhause haben mir viele beim Erzählen meiner Erlebnisse interessiert
zugehört. Viele haben gesagt „ich würde alle mitnehmen, ich könnte keinen zurück-
lassen“. „Zurücklassen“, nein! Wir haben keinen zurückgelassen. Sie warten lediglich
in der Obhut von Eva, Marie-Carmen in Tomelloso, bei Noemi in Socuellamos oder
den Frauen von Villarobledo darauf, in ein neues Zuhause zu kommen (fairerweise
muss man sagen, es gibt mittlerweile auch einige aber wenige tierfreundliche Männer
in Spanien). Fotos der Hunde fürs Internet haben Bernd und Frank gemacht – Hof-
fentlich der Anfang für einen neuen Lebensabschnitt.

© by Michael

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