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PETER BROOK’ S MULTIKULTURALISMUS:

Handelt es sich bei diesem Begriff um eine „graue Theorie“ des


britischen Regisseurs oder ist es ihm gelungen diese Theorie auch in
der Praxis umzusetzen?
Analyse anhand des Mahabharata

Schriftliche Abschlussarbeit im Fach


Regie und Schauspielkunst

WS 2006/2007
Lehrveranstaltungs-nr.: 160165 (PS)
LV-Leiter: Dr. Brigitte Dalinger

Universität Wien

Verfasserin: Nina Rattan


Matr.-Nr.: 0505101
Stud.-Kz.: 317

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INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG.................................................................................................................... 03
2. ZWISCHEN ZWEI SCHWEIGEN.........................................................................................04
2.1. Brooks Definition von Multikulturalismus................................................ 04
3. DAS MAHABHARATA..................................................................................................... 07
3.1. allgemeine Informationen zum Mahabharata........................................... 07
3.2. Inhalt der Hauptgeschichte des Mahabharata........................................... 08
3.3. Verfilmung des indischen Epos................................................................... 09
3.3.1. allgemeine Fakten zur Verfilmung............................................... 09
3.3.2. Die Darsteller der Filmversion des Mahabharata.......................11
3.4. Kritiken zu Brooks Verfilmung.................................................................... 13
4. KONKLUSION.................................................................................................................. 16
5. BIBLIOGRAPHIE............................................................................................................... 18

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1. EINLEITUNG

Zitat von Dale Moffitt:


„Peter Brooks Reise durch das zeitgenössische Theater ist ein Phänomen des Sich-immer-
wieder-neu-Erfindens. Als Shakespeare- und Operninterpreter, als Deuter der Broadway-
Musikkomödie und der Avantgarde und zur Zeit [...] als Leiter des Pariser Zentrums für
Theaterforschung, das sich mit verschiedenen modernen und alten Kulturen und Mythen
auseinandersetzt, stellt er die Frage nach dem Verhältnis von Theater und Gesellschaft.“1

Der Brite, Peter Steven Paul Brook, gehört zu den heute wichtigsten Theaterregisseuren bzw.
zu den wichtigsten Vertretern des zeitgenössischen Theaters in Europa und hat durch seine
vielschichtige Arbeit bereits sehr viele Regisseure beeinflusst. Bereits während seiner
Studienzeit, am Magdalen College in Oxford, gründete er die Oxford University Film Society
und drehte – gemeinsam mit Freunden – seinen ersten Film. Nach seinem Abschluss in
Oxford arbeitete Brook bei einer Londoner Filmgesellschaft sowie an kleineren
Inszenierungen an diversen Londoner Theatern. Dies führte zu einem einmaligen Erlebnis des
Stratford-upon-Avon-Festivals, welches mit seiner Inszenierung von Shakespeares „Verlorene
Liebesmüh“ eng verbunden ist, denn Brook war der jüngste Regisseur in der Geschichte des
eben erwähnten Festivals. Im Laufe seiner Karriere hat der britische Regisseur schon viele
verschiedene Projekte verfolgt und ist darauf natürlich nicht nur auf Zustimmung und
Anerkennung gestoßen. Wie bereits im eingangs angeführten Zitat erwähnt, beschäftigt sich
das in Paris ansässige Zentrum für Theaterforschung – dessen Position des Vorstandes Peter
Brook inne hat – mit verschiedenen alten Mythen und Kulturen. Eine jener eben erwähnten
Kulturen, die sich in seiner Inszenierung des Theaterstückes und der gleichnamigen
Verfilmung des weltbekannten Epos Mahabharata zeigte, ist die Kultur Indiens. Die Kritiken
zu diesen beiden modernen Inszenierungen, die insbesondere von Brooks Begriff des
Multikulturalismus geprägt ist, sind natürlich äußerst unterschiedlich und nicht immer
wohlwollend, doch darauf werde ich später noch zurückkommen. Erwähnenswert ist, dass
beide Stücke zu einer Zeit entstanden sind, in welcher Brook den Multikulturalismus für sich
entdeckt hat. Bewusst verwende ich den Ausdruck „für sich entdeckt hat“, denn Brooks Ziel
war es anfänglich nicht eine multikulturelle Gruppe zu gründen. Die Tatsache, dass der
britische Theaterregisseur ein Epos solchen Ausmaßes mit einer internationalen Gruppe
inszeniert hat wirft nun die für mich wichtigste Frage auf. Handelt es sich dabei um eine graue

1
Moffitt, Dale: Zwischen zwei Schweigen. Gespräche mit Peter Brook. Berlin: Alexander Verlag, 2003. S. 9

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Theorie des britischen Regisseurs oder ist es ihm gelungen diese Theorie auch in der Praxis
umzusetzen? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, ist es zunächst wichtig Brooks
Verständnis von Multikulturalismus zu betrachten um anschließend anhand des
Filmbeispieles Mahabharata aufzeigen, ob es Peter Brook gelungen ist seine Idee vom
Mulikulturalismus in die Praxis umzusetzen und wie die Kritiker dieses Werk betrachten.

2. ZWISCHEN ZWEI SCHWEIGEN

2.1. Multikulturalismus
Multikulturalismus ist ein sehr umfassender Begriff, welcher aber andererseits bereits –
oberflächlich betrachtet – in sich ausdrückt worum es Brook bei der Arbeit mit einer
internationalen Gruppe eigentlich geht: um die Vielfalt der Kulturen. Um Brooks Verständnis
von Multikulturalismus näher zu erläutern, ist es vorab wichtig sein bedeutendstes Prinzip zu
erwähnen. Dabei handelt es sich um das Prinzip der Unvollständigkeit und Erkenntnis. Dies
mag zunächst banal klingen, doch Brook ist der Meinung, dass jeder Mensch unvollständig ist
und etwas von einem anderen Menschen benötigt. Dieses Gefühl etwas von einem anderen
Menschen zu brauchen, ist kein Gefühl der Abhängigkeit. Es ist viel mehr ein Gefühl der
Zusammengehörigkeit sowie das Gefühl jedes einzelnen Mitgliedes der Gruppe, diese durch
seine bzw. ihre Anwesenheit zu vervollständigen, sie gewissermaßen zu bereichern. Jedes
Individuum dieser Gruppe wird durch die Arbeit an einem gemeinsamen Projekt feststellen,
dass das was er mitbringt durch das was der Andere hat, weiterentwickelt bzw. vervollständigt
werden kann. Das von dem britischen Regisseur gewünschte Ergebnis stellt sich dann ein,
wenn jedes Mitglied der Gruppe die Erkenntnis erlangt, dass der Andere etwas kann, was er
selbst nicht zu leisten im Stande bin. Das ist wiederum der Kernpunkt einer internationalen
Gruppe von Schauspielern. Während der Zusammenarbeit trägt jeder zur Bereicherung des
Verständnisses des Anderen bei. Wie bereits anfangs erwähnt spielt das Thema
Internationalität bzw. Multikulturalität bei einigen von Brooks Inszenierungen eine
herausragende Rolle. Peter Brook hatte anfangs nicht vor eine multikulturelle Gruppe mit
Individuen aus 20 Ländern zu entwickeln – so wie sie schlussendlich bei der Verfilmung des
Mahabharata existierte. Peter Brook meint dazu: „[...] Überhaupt darüber zu reden,
rassenübergreifend und interkulturell zu sein, hat etwas Rassistisches und zu >>Kulturelles<<. Darum
geht es nicht. [...]“2.Brooks Meinung nach zur Folge, kann die Definition eines Menschens
nicht lediglich über dessen Kultur stattfinden, da andernfalls ein wichtiger Aspekt übersehen

2
Moffitt, Dale: Zwischen zwei Schweigen. Gespräche mit Peter Brook. Berlin: Alexander Verlag, 2003. S. 133

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wird. Es handelt sich dabei um die Tatsache, dass wir lebendige Menschen sind und sich auf
dieser Grundlage kulturelle Unterschiede bilden. Jene Unterschiede werden natürlich im
Laufe unserer Entwicklung und der im Laufe unseres Lebens gemachten Erfahrungen immer
stärker. Das Ergebnis davon sind schlussendlich Konflikte in jeglicher Form. Betrachtet man
diese Definition von Kultur jedoch von einem anderen Ausgangspunkt, so lässt sich
feststellen, dass es genau das ist was eine internationale Gruppe auszeichnet und die
Zusammenarbeit interessanter macht und vor allem bereicht: der kulturelle Background jedes
einzelnen Mitgliedes. So betrachtet, hat Brooks Aussage, dass Menschen nicht nur über ihre
Kultur definiert werden können ein äußerst ambivalentes Verhältnis. Darauf möchte ich
anhand nachfolgendem Beispiel näher eingehen. Die Erfahrungen, welche der britische
Theaterregisseur in der Zusammenarbeit mit jener Gruppe machen konnte, sind durchaus
nicht unbeachtlich. Brook hat Shakespeares Drama „Der Sturm“ zwei mal inszeniert und ist –
obwohl der Inhalt dennoch der Selbe war – zu einem etwas unterschiedlichen Ergebnis
gekommen. Die erste Inszenierung fand mit der Royal Shakespeare Company in
Großbritannien statt, die zweite Inszenierung jedoch mit der internationalen Gruppe. Obwohl
Brook der Meinung ist, dass Menschen nicht nur über ihren kulturellen Background zu
definieren sind, war es jedoch gerade jener kulturelle Hintergrund welcher dazu beigetragen
hat, dass man mit internationalen Darstellern viel mehr aus solch einem Stück herausholen
konnte, als mit den europäischen. Auf den ersten Blick mag diese von ihm gewonnene
Erfahrung seine These betreffend der Definition des Menschen: „[...] Wir werden nicht
einfach von unserer Kultur definiert. [...]“3 bestätigen – da jedes Mitglied der Gruppe auch
Erfahrungen im Laufe seines bzw. ihres Lebens gemacht hat die in die Arbeit an diesem Stück
miteingeflossen sind, doch bei genauerer Betrachtung widerspricht die Arbeit, der These
Brooks im Grunde. Dies lässt sich bestens am Beispiel der Rolle „Prosperos“ in der
Inszenierung von Shakespeares „Sturm“ aufzeigen. Denn wie der Regisseur bereits selbst
erwähnte, wird es heutzutage schwer sein einen europäischen Schauspieler zu finden der zum
einen tatsächlich an Zauberei glaubt und zum anderen den Glauben daran dann auch
dementsprechend realistisch auf der Bühne umsetzen kann. Für den afrikanischen Darsteller –
der die Rolle des Prospero – in Brooks zweiter Inszenierung von Shakespeares „Sturm“
gespielt hat, war das natürlich kein Problem. Für ihn hatte die Tatsache, dass Zauberei
tatsächlich existiert und ein Gegenstand des Alltags ist eine gewisse Natürlichkeit. Der
afrikanische Schauspieler war mit der Tradition der Magie im Alltag groß geworden und für
ihn hatte demzufolge eine andere Bedeutung als für einen in Darsteller selben Alters, welcher

3
Moffitt, Dale: Zwischen zwei Schweigen. Gespräche mit Peter Brook. Berlin: Alexander Verlag, 2003. S. 131

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seine Kindheit in Europa verbracht hat. Anhand dieses Beispiels ist klar erkennbar, dass jedes
Mitglied dieser internationalen Gruppe in gewisser Weise doch von dessen bzw. deren Kultur
und der damit verbundenen Erfahrungen definiert wird. Es lässt sich also feststellen, dass
jedes Individuum der multikulturellen Gruppe etwas mitbringt dass der andere nicht kann,
dies jedoch durchaus auch auf den kulturellen Raum des Schauspielers zurückzuführen ist.
Gemäß Brooks gesammelter Erfahrung macht dieses Wissen jedes Individums beim
gemeinsamen Erarbeiten der Szenen das Theaterstück bzw. den Film zu einem Unikat bzw. zu
einem besseren Theaterstück oder Film. Die Erklärung dafür liegt in der Beschäftigung mit
dem jeweiligen Thema. Brook meint, dass sich jeder der Darsteller tiefer in das Thema
einfühlen wird und durch die ihm gebotene Hilfe des Anderen besser verstehen wird, als das
jeder das für sich alleine könnte. Grundsätzlich lässt sich also sagen, dass das Thema
Multikulturalität in der Theorie eine durchaus plausible und nützliche Art der
Zusammenarbeit ist. Wie sich dies nun in der Praxis verhält, werde ich nachfolgend am
Beispiel des Mahabharata aufzeigen. Zuvor möchte ich noch ein Mal auf die Art und Weise
der Besetzungspolitik des britischen Regisseurs zurückkommen. Wenn er mit den Proben
beginnt, dann steht bei ihm – im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen – noch nicht fest
welches Mitglied der Gruppe für welche Rolle vorgesehen ist. Dies herauszufinden bedarf
weiterer Versuche bzw. Experimente. Es handelt sich dabei um ein Ausprobieren, bei dem
sich schlussendlich herauskristallisieren soll, welches Wesen eines Menschen das Perfekte für
diese oder jene Rolle ist. Dabei wichtig ist die Tatsache, dass der dann ausgewählte
Schauspieler die ihm zugedachte Rolle in einer Art und Weise darstellt, wie kein anderer es
leisten könnte. Genau nach diesen Kriterien hat Peter Brook auch die Besetzung des
Mahabharata vorgenommen, auf welches ich nun – zunächst allgemein und dann spezifisch
auf die Verfilmung unter der Leitung Peter Brooks bezogen – näher eingehen werde.

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3. DAS MAHABHARATA

3.1. allgemeine Informationen zum Mahabharata


"Das Mahabharata mit seinen traditionell 100.000 Versen ist das längste Gedicht der Welt. Es
ist ungefähr siebenmal so groß wie die Ilias" erklärt Anne McDonald, Professorin für
Südasien-, Tibet- und Buddhismuskunde an der Universität Wien.4.

Berichten der Wissenschaft zu Folge wird die schriftliche Erfassung des Mahabharata – in
Sanskrit – auf den Zeitraum von 400 v. bis 400 n. Christus datiert. Die Bezeichnung
„Mahabharata“ leitet sich vom ursprünglichen Hindi-Wort „Bhaarata“5 ab und bedeutet „Das
Land von König Bharat“. Geschichtswissenschaftler bezeichnen Bharat als einen Herrscher,
der durch seine weise und tapfere Handlungsweise den ganzen indischen Subkontinent
beherrschte. Das Mahabharata, welches eines der zwei Kernbücher der hinduistischen
Überlieferung darstellt6, wird als eines der wichtigsten Dharma-Bücher7 bezeichnet. Es ist
daher nicht verwunderlich, dass es im Leben vieler gläubiger Hinduisten eine bedeutende
Rolle spielt und sozusagen als Richtlinie für das tägliche Leben dient. Es handelt sich jedoch
dabei nach wie vor um ein Epos (das heißt das es – genau wie in der Bibel – keinen Anspruch
auf hundertprozentige Wahrheit gibt). So verwunderlich dies auch klingen mag – widerspricht
sich dieses indische Werk innerhalb der Schriften an einigen Stellen selbst. Denn einerseits
zeigt es die wichtigsten Aspekte der Ethik auf (dies betrifft zum Beispiel das nicht mehr
existente Kastenwesen), protestiert aber dafür an anderen Stellen vehement gegen die von ihm
selbst aufgeworfenen Aspekte. Im wesentlichen handelt, das aus 18 Kapiteln und einem
Appendix bestehende, Epos von dem ewigen Kreislauf zwischen Gut und Böse. Um
Missverständnisse zu verhindern sei jedoch erwähnt, dass dieses Thema zwar in allen
indischen Epen stark vertreten ist, es in Indien jedoch eine andere Darstellungsweise dieser
beiden „Mächte“ gibt. Denn keine der Beiden – weder das Gute noch das Böse – werden
polarisiert. Der genaue Gegenteil ist auch im Mahabharata der Fall. Den gläubigen Hinduisten
wird einerseits gezeigt, dass auch die gute Seite nicht fehlerfrei ist, die Seite des Bösen jedoch
nicht durch und durch schlecht sein muss. Dies zeigt sich sehr deutlich an einem einfachen
Beispiel des Mahabharata, auf welches ich später – bei der Darstellung des Inhalts – noch

4
ORF – O1 Webradio. Das Mahabharata (Sendung der Woche).
http://oe1.orf.at/highlights/70867.html. Zugriff: 01.02.2007
5
Bhaarata (Hindi): bedeutet heute übersetzt Indien
6
zweites wichtiges Epos = Ramayana
7
Dharma = Rechtschaffenheit

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zurückkommen werde. Da die meisten Europäer, generell nur oberflächlich mit den Epen
Indiens vertraut sind, werde ich den Inhalt dieses Werkes nun kurz vorstellen um ein besseres
Verständnis der Arbeit Peter Brooks zu erlangen und schlussendlich die Frage zu klären in
wie weit die Idee des Multikulturalismus in die Produktion der Verfilmung des indischen
Epos miteingeflossen ist bzw. ob diese tatsächliche im Sinne der Grundidee verwirklicht
wurde. Ich komme nun aber nochmals zurück zum eben erwähnten Inhalt dieses
hinduistischen Leitfadens. Grob umrissen, handelt es sich im Mahabharata – das im Leben
jedes gläubigen Hinduisten stets präsent ist – um folgende zentralen Punkte:

§ Das Leben der Geschöpfe


§ Tod und Wiedergeburt
§ Karma8 und Dharma
§ Glück und Leid (als Ergebnis der guten und schlechten Taten im täglichen Leben jedes
Hinduisten)
§ Erzählungen von Göttern und Überlieferungen alter Hymnen

Auch das ewige Thema der Liebe wird im Mahabharata nicht außer Acht gelassen. Ganz im
Gegenteil zeigt es anhand der Königin Damayatani auf wie die „perfekte Ehefrau“ sein soll.
Auch wenn es sich bei diesem Werk um ein Jahrhunderte altes Epos handelt, ist dessen
Gültigkeit für gläubige Hinduisten unbestritten. Demnach ist die in diesem Werk erzählte
Geschichte der Königin auch heute noch für viele Hinduisten das beste Beispiel für eine treue
und fürsorgliche Gattin.

Um ein besseres Verständnis für Brooks Verfilmung des hinduistischen Werkes zu erlangen,
werde ich nun eine grob umrissene Zusammenfassung der Hauptgeschichte darstellen.

3.2. Inhalt der Hauptgeschichte des Mahabharata


Die Hauptgeschichte dieses hinduistischen Epos handelt im wesentlichen vom Kampf der
Pandavas und Kauravas. Es ist die Geschichte eines Fürsten, der dem alt-indischen
Herrschergeschlechts des Bharat entstammt und 3 Söhne hatte. Der erstgeborene,
Dhritarashtra war jedoch blind und konnte die ihm zugedachte Rolle des Herrschers nicht
übernehmen. Deshalb regierte sein Bruder, der zweitgeborene Pandu, das Land. Trotz allem
übergibt Pandu den Thron eines Tages seinem Blinden Bruder um sich mit seinen beiden

8
Karma = Schicksal

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Ehefrauen – Kunti und Madri – in die Wälder zurückzuziehen. Bevor Pandu dort stirbt
werden ihm jedoch noch 5 Söhne geboren (Yudhishthira, Bhima, Arjuna, Nakula und
Shadeva). Aufgrund des frühzeitigen Todes ihres Vaters, wachsen die 5 Söhne Pandus unter
der Obhut ihres Onkels – gemeinsam mit den 100 Söhnen des herrschenden blinden
Dhritarashtra – am Königshof auf, erlernen gemeinsam mit ihnen die Kriegskunst und
erhalten dort weise Ratschläge des ehrwürdigen Bhisma (der so eine Art Großvaterfigur am
königlichen Hof einnimmt). In weiterer Folge handelt die Hauptgeschichte des Mahabharata
vom Konflikt der beiden verwandten Familien und deren Verbündeten. Die Kauravas9
versuchen ihre Cousins, die Pandavas, zu beseitigen um ihren eigenen Anspruch auf den
Thron zu sichern, welcher von Rechts wegen den Söhnen des vormals herrschenden Pandu
zusteht. Die Pandavas entkommen und streifen einige Jahre – verkleidet als Asketen –
gemeinsam mit ihrer gemeinsamen Gattin Draupadi umher. Die Pandavas und die Kauravas
erhalten in weiterer Folge je ein Königreich um den Frieden zu sichern. Eine entscheidende
Wende tritt ein, als Duryodana (der erstgeborene Prinz des blinden Königs) die Pandavas zu
einem hinterhältigen Würfelspiel einlädt, bei dem diese ihr gesamtes Königreich verlieren.
Hier kommt es zur vorhin erwähnten Darstellung der Mächte des Guten und des Bösen. Denn
obwohl Yudisthira den Pandavas angehört, die im Mahabharata das Gute verkörpern, zeigt er
dennoch Schwächen. Diese Schwäche äußerst sich im Würfelspiel. Er ist „spielsüchtig“ und
opfert seine Brüder, seine Frau und all seine Besitztümer um dieser Sucht zu frönen. Als
Folge des negativen Ausgangs dieses Spieles sind die Pandavas dazu verdammt, 12 Jahre lang
im Exil zu leben. Der blinde Prinz Dhritarashtra stellt sich auch im 13.Jahr auf die Seite seiner
Söhne, auf die Seite der Kauravas, und verweigert den Pandavas ihre Rechte. Das
Mahabharata erzählt von der interessanten Tatsache, dass sich alle Könige und Herrscher
dieser Welt entweder auf die eine Seite der Pandavas oder auf die andere Seite der Kauravas
stellten. Selbst Gott Krishna ist an der Auseinandersetzung beteiligt, indem er sich als
Abgesandter der Pandavas am Hofe Dhritarashtras um ein letztes Friedensangebot bemüht.
Als jedoch auch dieses abgelehnt wird, führt dies unweigerlich zum Krieg. Interessant ist
jedoch, dass nur die Söhne des Pandu in Krishna die göttliche Erscheinung erkannten.
Krishna, als göttliche Heiligkeit, lässt die Entscheidung – ob sie ihn selbst als Berater oder
seine Armee als Unterstützung im Kampf haben möchten – jedoch den verfeindeten
Familienmitglieder. So kommt es, dass sich die Kauravas für die Armee entscheiden und
Krishna als Wagenlenker des Arjuna (also Diener der Pandavas) auftritt. Schlussendlich
gewinnen die Pandavas diesen Bruderkrieg und führen ihr Volk in eine glückliche Zeit. Nach

9
Kauravas = Söhne des blinden Königs Dhritarashtra (leitet sich ab von deren Urgroßvater König Kuru)

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einigen Jahren gehen die nun vorherrschenden Brüder (die Söhne des Pandu) mit ihrer Frau
Draupadi in den Himalaya auf eine Pilgerreise. Bis auf Yudhishthira sterben auf der Reise
nacheinander alle.

Nach dieser Einführung in die Hauptgeschichte dieses umfangreichen hinduistischen Epos,


werde ich nun wieder zu Peter Brooks Idee des Multikulturalismus zurückkehren um anhand
der Verfilmung des zuvor genannten Werkes festzustellen, ob es dem britischen Regisseur
gelungen ist seine Idee tatsächlich in die Tat umzusetzen.

3.3. Verfilmung des indischen Epos


Zunächst werde ich einen Blick hinter die Kulissen dieses großen Filmprojektes werfen bevor
ich dann schließlich auf die Verfilmung direkt, im speziellen auf die mitwirkenden Darsteller,
zu sprechen kommen werde.

3.3.1. allgemeine Fakten zum Film


Zitat von Peter Brook:
„Das Mahabharata ist ein äußerst dichtes, komplexes Werk, das auf der einen Ebene von den
psychologischen Mißverständnissen, die es überall und in jeder Familie geben kann, handelt.
Auf einer anderen Ebene handelt es vom Wesen der Politik, von dem, was zu Fraktionen
führt, zum Streit, zum Konflikt. Auf einer umfassenderen Ebene geht es um das, woraus wir
gemacht sind, und auf einer noch umfassenderen Ebene von der eigentlichen Bedeutung des
Konflikts, nicht für die Gesellschaft, sondern für die Menschheit und – so kann man sagen –
innerhalb des kosmischen Seins“10

Die Verfilmung des Mahabharata folgt der vorangegangenen Inszenierung der Bühnenversion
unter der Regie von Peter Brook, welche ursprünglich 9 Stunden gedauert hatte. Die
Adaptierung des Epos fürs Theater feierte 1985 seine Premiere im französischen Theater
Bouffe du Nord in Avignon und durch die 1987 absolvierte Welttournee seinen weltweiten
Erfolg. Nur zwei Jahre später schuf er aus dem einst gefeierten Bühnenwerk eine Verfilmung
des indischen Epos, welches für das britische Fernsehen jedoch gekürzt wurde. Obwohl
Brook bei seiner Arbeit an der Verfilmung sehr positive Reaktionen erhielt, fand er unter den
Kritiken nicht nur wohlwollen und Zustimmung. Scharfe Kritiker meinen, dass dieses
filmische Werk nicht mehr viel mit dem einstigen indischen Epos gemein habe, doch darauf

10
Moffitt, Dale: Zwischen zwei Schweigen. Gespräche mit Peter Brook. Berlin: Alexander Verlag, 2003. S. 127

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werde ich später noch genauer zu sprechen kommen. Oberflächlich betrachtet, hält sich Brook
bei seiner Version des Mahabharata an die wichtigsten Eckpfeiler der Hauptgeschichte und
gliedert sein sechs Stunden dauerndes Werk in drei wesentliche Teilbereiche:

1) Game of Dice (Das Würfelspiel)


2) Exil in the Forest (Verdammung in den Wald)
3) The War (Der Krieg)

Brook setzt die einzelnen Mitglieder der internationalen Gruppe, welche unter anderen die
vorhin bereits erwähnten Hauptfiguren Arjuna und Duryodana verkörpern, geschickt ein um
damit zu betonen, dass dieses Epos die Geschichte der Menschheit verkörpert. Dies
widerspricht im Grunde seiner bereits vorhin erwähnten These, dass der Mensch nicht nur
über seine Kultur definiert werden kann. Denn durch die Betonung, dass dieses Epos von der
Geschichte der Menschheit erzählt, betont er in gewisser Weise auch die Tatsache, dass es
sich hier um die das aufeinandertreffen verschiedener Kulturen handelt, Kulturen die jeden
Menschen weltweit im Laufe seines Lebens geprägt haben.

Diesen Gedanken verfolgend, werde ich mich nun den Mitgliedern der internationalen Gruppe
widmen, welche an Brooks Filmversion beteiligt waren um herauszufinden ob der britische
Regisseur es geschafft hat, seine Idee von Multikulturalität bzw. sein Prinzip von
Unvollständigkeit und Erkenntnis in die Praxis umzusetzen oder ob es sich lediglich um eine
Gruppe von Schauspielern handelt die aus verschiedenen Ländern kommen.

3.3.2. Die Darsteller der Filmversion des Mahabharata


Zunächst werde ich einen groben Überblick über die Hauptakteure in der Filmversion des
Mahabharata darstellen (siehe Liste unterhalb), um festzustellen wie „Interkulturell“ die
Gruppe der Akteure tatsächlich ist. Denn das ist es was Peter Brook als Grundlage einer
internationalen Gruppe vorsieht: Darsteller aus verschiedenen Kulturkreisen die durch ihren
kulturellen Hintergrund und ihre Erfahrung zum Verständnis der anderen Darsteller beitragen.
Name des Schauspielers / der Rolle im Mahabharata Heimatland des
Schauspielerin Schauspielers
Erika Alexander Madri/Hidimbi USA
Maurice Benichou Kitchaka Algeria
Amba Bihler Virata’s Daughter Schweiz
Lou Bihler Young Karna Schweiz
Urs Bihler Dushassana Schweiz
Ryszard Cieslak Dhritarashtra Polen
George Corraface Duryodana Frankreich

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Jean-Paul Denizon Nakula Frankreich
Mamadou Dioume Bhima Frankreich
Miriam Goldschmidt Kunti Deutschland
Corinne Jaber Amba/Sikhandin Schweiz
Jeffrey Kissoon Karna Trinidad Tobago
Sotigui Kouyate Bhisma Burkina Faso
Joseph Kurian Drishtadyumna USA
Tuncel Kurtiz Shakuni Türkei
Leela Mayor Satyavati Großbritannien
Vittorio Mezzogiorno Arjuna Italy
Bruce Myers Ganesha/Krishna Frankreich
Yoshi Oida Drona Japan
Malika Sarabhai Draupadi Indien
Andrzej Seweryn Yudhishthira Deutschland
Mahmoud Tabrizi-Zadeh Sahadeva Iran

Bei der Betrachtung der oberhalb angeführten Namen bzw. der Länder, in welchen die
Darsteller aufgewachsen sind, gibt es eine Tatsache die natürlich sofort zum Vorschein tritt.
Obwohl Peter Brook der Auffassung ist: „[...] Wenn viele von uns Westlern zusammen sind,
ist das am schlechtesten; [...]“11 besteht der „Kern der Gruppe“, welche die Rollen der
Hauptakteure verkörpern, hauptsächlich aus Personen aus Europa bzw. den Vereinigten
Staaten, aus eben zuvor erwähnten „Westlern“ die im ähnlichen kulturellen Umfeld
aufgewachsen und daher ähnliche Erfahrungen am Beginn ihres Lebens gemacht haben.
Dabei stellt sich mir die Frage: widerspricht dies nicht eigentlich der These Brooks bezüglich
des Multikulturalismus, in der ja davon die Rede ist, dass jeder Darsteller der internationalen
Gruppe etwas mitbringt, was der andere nicht kann? Die Recherchen zu den oberhalb
angeführten Mitwirkenden des Mahabharata hat ergeben, dass alle vor dem Mahabharata in
europäischen bzw. teilweise auch in weltweiten Filmproduktionen beteiligt waren und
dadurch Erfahrungen sammeln konnte, die wiederum nur sie machen konnten12. Dies mag die
zuvor aufgeworfene Frage in gewisser beantworten, lässt jedoch einen bedeutenden Aspekt
nicht außer Acht. Wie von Peter Brook bei seinem Verständnis von Multikulturalismus
„gewünscht“ lies jedes Individuum der Gruppe seine persönlichen Erfahrungen in die
Zusammenarbeit einfließen. Diese Erfahrungen stützen sich – zumindest bei den europäischen
Darstellern – hauptsächlich auf deren zuvor geleistete Arbeit und konnten vermutlich nicht
auf den kulturellen Background zurückgeführt werden, da dieser ja sehr ähnlich ist und daher
nur geringe Unterschiede aufweist. Es handelt sich hierbei um Schauspieler aus verschiedenen
Teilen der Welt, ob dies jedoch ausreicht um bereits von Multikulturalismus im Sinne Peter
11
Moffitt, Dale: Zwischen zwei Schweigen. Gespräche mit Peter Brook. Berlin: Alexander Verlag, 2003. S. 134
12
lt. Information des IMDB wirkten die Darsteller des Mahabharata in dieser Konstellation das erste Mal
gemeinsam in einem Film mit.

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Brooks zu sprechen ist äußerst fragwürdig. Diese Erkenntnis zeigt also, dass die Theorie Peter
Brooks im Grunde eine hervorragende Idee, in der Praxis jedoch nur sehr schwer umsetzbar
ist.

Damit ist die eingangs erwähnte Frage ob es sich dabei um eine „graue Theorie“ des
britischen Regisseurs handelt oder es ihm gelungen ist diese Theorie auch in der Praxis
umzusetzen noch nicht beantwortet. Um eine mögliche Antwort darauf zu finden, erscheint es
mir wichtig auch die weltweit erschienen Kritiken zur Filmversion Peter Brooks nicht außer
Acht zu lassen. Denn sie sind es die den wirtschaftlichen Erfolg eines Filmes maßgeblich
bestimmen, da viele Rezipienten bei Nichtkenntnis von Peter Brooks Werk zunächst auf die
Erfahrung weltweiter Kritiker vertrauen. In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage:
wie sehen die Kritiker die Umsetzung des Multikulturalismus im Filmbeispiel Mahabharata?

3.4. Kritiken zu Brooks Verfilmung


Anhand nun nachfolgender Kritiken von Filmkritikern aus der ganzen Welt werde ich nun
versuchen der Frage ob es Peter Brook gelungen ist seine Idee des Multikulturalismus auch in
der Praxis umzusetzen nachzugehen. Obwohl es zu diesem Thema unzählige Kritiken gibt,
werde ich mich auf lediglich zwei beschränken und sie zu einem Vergleich heranziehen.
Betrachten wir zunächst die Kritik von Chris Hicks, Journalist der „Desert Morning News“,
Salt Lake City, Utah. Chris Hicks schreibt, in seiner Position als Film-Redakteur, bereits seit
Jahren Filmkritiken für die „Desert News“ in Salt Lake City, seit einigen Jahren auch für die
Online-Version. Diese Filmkritiken beziehen sich jedoch nicht nur auf das aktuelle Main-
Stream-Kino.

“There are some fascinating, richly developed characters here, and the episodic stories in
the film's first half are especially intriguing — the blind king who's bride blindfolds herself,
never to see again, and who later gives birth to something resembling a bowling ball, which
becomes a hundred sons. The woman whose mantra allows her to mate with the gods, later
giving birth to two sons who will both figure importantly in the stories to come. The king
whose gambling addiction cannot be controlled even when his entire kingdom is at stake.”13

Chris Hicks Kritik ist äußerst positiv gehalten. Er lobt die gut ausgearbeiteten Charaktere
einzelner auftretender Figuren, im speziellen nimmt er Bezug die Gattin des blinden Prinzen

13
Desert Morning News. http://deseretnews.com/movies/view/1,1257,1127,00.html

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Dhritarashtra sowie auf eine der beiden Gattinnen des Pandu, die mit Hilfe ihres Mantras die
Götter dazu bringen ihr zwei Kinder zu schenken und den spielsüchtigen Prinzen Yudisthira.
Ausgehend von dieser Kritik und bezugnehmend auf Brooks Idee des Multikulturalismus lässt
sich hier feststellen, dass es den jeweiligen Darstellerinnen14 gelungen ist ihre Rolle so zu
verkörpern, dass sie dem Rezipienten durchaus glaubwürdig erscheinen. Sie haben also all
ihre Erfahrung in ihre Arbeit einfließen lassen. Alle beide Frauen entstammen jedoch dem
westlichen Teil der Welt, in dem der Glaube an Magie und Zauberei im heutigen Zeitalter
nicht mehr so präsent ist, wie es zu Shakespeares Zeiten der Fall gewesen sein mag. Daher ist
davon auszugehen, dass es für die jeweiligen Schauspielerinnen – vor allem für Erika
Alexander und Miriam Goldschmidt – schwer gewesen sein mag sich die Tatsache
vorzustellen und sie dann glaubhaft umzusetzen, dass sie durch ein Mantra von einem Gott
ein Kind empfangen. Dies führt mich wieder zurück zu Brooks Verständnis von
Multikulturalismus, nach welcher jedes Mitglied der internationalen Gruppe etwas mitbringt,
das der Andere nicht kann, ihn mit seinem Wissen unterstützt und die Gruppe als Ganzes
damit in ihrer gemeinsamen Arbeit bereichert. Betrachtet man also die Kritik dieses
westlichen Journalisten, so lässt sich eindeutig feststellen, dass es dem britischen Regisseur
durchaus gelungen ist seine Idee der Multikulturalität in der Praxis umzusetzen.

Wie jedoch bereits zuvor erwähnt, sind wir im Westen natürlich nicht so stark mit den
hinduistischen Epen vertraut. Die Frage, die sich mir aufdrängt ist, ob Chris Hicks das
Mahabharata als solch großes umfassendes Epos erkannt hat. In diesem Zusammenhang
möchte ich noch auf eine weitere Kritik zurückgreifen, geschrieben von Dr. Pradip
Bhattacharya, welcher nun für die amerikanische Medienfirma „Boljoi Inc.“ eine Kritik zum
Mahabharata verfasst hat. Er wurde 1947 in Kalkutta geboren und ist Vorstandsmitglied des
„Indian Institute of Management“ in Kalkutta. Dr. Bhattacharya wurde von der University of
Manchester, aufgrund seiner umfangreichen Forschungsarbeit betreffend des Mahabharatas,
ein Dr.-Titel in Vergleichenden Literaturwissenschaften verliehen. Wie sieht er, der mit den
Traditionen und Epen dieses Subkontinents bestens vertraut ist, das Werk Peter Brooks und
dessen Umsetzung von Multikulturalismus? Dazu möchte ich zunächst einen Blick auf seine
Kritik (bzw. einen Auszug davon) betreffend Brooks Verfilmung des Mahabharata werfen.

14
Verkörpert durch Erika Alexandra (USA) + Miriam Goldschmidt (Deutschland),

Seite 14 von 19
„Let me begin with an excerpt from Smith: "It is magnificent but is it the Mahabharata? The
answer is a resounding Yes. This is not Peter Brook's Mahabharata: this is the Indian epic
Mahabharata, lovingly cast by Brook into a form which non-Indian audiences can share."
Actually, to an Indian who is immersed in this greatest of all epics, the answer is a
resounding "No!" Brook's film is not a portrayal of a titanic clash between the forces of good
and evil, which is the stuff of the epic. Nor is it even the depiction of the fratricidal struggle for
Empire that sucks into its vortex armies from outside India's borders, spanning far more than
the land between the two rivers Ganga and Yamuna. It is not even a picture of a battle of
princes. The crores of Indians do not hold dear to their hearts the story of the warring
progeny of some rustic landlord, which is that we see in Brook's celluloid version. […].
It is Brook's Krishna which is the most disappointing representation. His idea of conveying
Krishna's presence is to show him suddenly in a very awkward imitation of the tribhanga
posture, something that is wholly foreign to the epic and is typical only of the Bhagavata
Purana.”15

Im Gegensatz zu seinem amerikanischen Kollegen, ist die Kritik von Pradip Bhattacharya
äußerst negativ gehalten, was sich vor allem auf die Darstellung der Hauptfiguren bzw. auf
die Darstellung des Gottes Krishnas bezieht. Wie im oberhalb angeführten Ausschnitt der
Kritik zu Brooks Filmversion des hinduistischen Epos zu sehen ist, bezieht sich Bhattacharya
auf die Filmkritik eines anderen amerikanischen Kollegen16, denn auch ihn beschäftigt eine
äußerst wichtige Frage. Dabei handelt es sich darum, ob es sich bei Brooks Filmversion
tatsächlich um das Mahabharata handelt, so wie es die indische Bevölkerung seit jeher kennt.
Smith ist der Überzeugung, dass es dies tatsächlich ist, Bhattacharya – der seit Jahren
Forschungsarbeit auf dem Gebiet dieses indischen Epos betreibt – muss die Frage seines
westlichen Kollegen jedoch vehement verneinen. Er kritisiert in erster Linie, dass die
Filmversion des britischen Regisseurs kein Porträt dieses gigantischen Streits zwischen Gut
und Böse ist, wie es jedoch in der Originalversion des Mahabharatas sehr wohl der Fall ist.
Um wieder auf meine anfängliche Frage zurückzukommen, habe ich noch einen zweiten
Ausschnitt aus Bhattacharyas Kritik gewählt, in welcher er die Darstellung des Krishna scharf
kritisiert. Brook hat sich dafür entschieden Krishna in einer Art und Weise erscheinen zu
lassen, die nur in einem Nebenbuch (Bhagavata Purana) so zu finden ist und dem
ursprünglichen Kern des Mahabharata in keinster Weise entspricht. Hätte Brook sich für eine
andere Darstellungsweise entscheiden müssen um auch das indische Publikum von seiner
Filmproduktion zu überzeugen oder liegt es an dem Darsteller, welcher den Krishna

15
Boljoi Inc. http://www.boloji.com/cinema/028.htm
16
Smith ist einer der Filmredakteure bei der Washington Post und schreibt dort bereits seit Jahren Filmkritiken

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verkörpert? Hätte der Darsteller des Krishna auf die Erfahrung seiner Kollegen und deren
kulturellen Background zurückgreifen müssen um das indische Publikum vergessen zu lassen,
dass dies kein bestehender Teil des Mahabharata ist? Ich stelle die These auf, dass Brook
diese Art des Erscheinens Krishnas bewusst gewählt hat. Sollte dies der Fall sein, so zeigt sich
hier sehr deutlich, dass das Prinzip des britischen Regisseurs hingehend des
Multikulturalismus in der Praxis nicht umsetzbar ist. Wäre der Gegenteil der Fall, so müsste
auch das hinduistische Publikum von der Richtigkeit der Darstellung überzeugt gewesen sein,
was dann alleinig auf die Erfahrung und den kulturellen Background der Gruppe
zurückzuführen wäre. Denn Bruce Meyers17 ist es nicht gelungen, den indischen Rezipienten
das Gefühl zu geben dass die Tribhanga-Körperhaltung Teil der Hauptgeschichte des
Mahabharatas ist oder diese zumindest vergessen zu lassen, dass sie eigentlich Teil des
indischen Epos, jedoch nicht des Hauptstranges ist. Bruce Meyers hat bereits über sehr viel
Erfahrung vor diesem Filmprojekt verfügt, was den kulturellen Hintergrund betrifft hätte er
jedoch auf die Erfahrung seiner Kollegen zurückgreifen müssen. Hiermit stelle ich eine
weitere These auf, die sich auf die Darstellung des Krishna bezieht. Nehmen wir an Bruce
Meyers hat auf den kulturellen Background seiner Kollegen – vor allem auf jene aus dem
nicht europäischen Raum – vertraut.

4. KONKLUSION
Dies könnte die Antwort auf die eingangs erwähnte Frage, ob es sich um bei der Idee des
Multikulturalismus um eine graue Theorie des britischen Regisseurs handelt oder ob es ihm
gelungen ist diese Theorie auch in der Praxis umzusetzen sein. Schlussendlich muss ich
jedoch feststellen, dass sich darauf keine eindeutige Antwort, lediglich, eine These, finden
lässt. Demnach zu Folge ist die Idee des Multikulturalismus, so wie Peter Brook ihn versteht:
„Die Grundlage für unsere internationale Gruppe war und ist die Tatsache, dass jedes
Mitglied, sosehr es auch zuweilen mit einem anderen die Geduld verliert, erkennt, dass er mit
jemandem zusammenarbeitet, der etwas leistet, was er selbst nicht leisten kann, und dass sie
beide zusammen nicht nur über eine größere Bandbreite von Fähigkeiten verfügen, sondern
auch über eine größere Bandbreite an möglichem Verstehen“18 eine außerordentliche Theorie
mit welcher in der heutigen Theaterpraxis viel bewegt werden kann, die sogar dazu beiträgt
das Verständnis des einzelnen Rezipienten zu bereichern, in der Praxis allerdings nur schwer
– wenn überhaupt – umsetzbar. Denn wenn dem so wäre, so müsste die Idee des

17
Bruce Meyers = Darsteller des Ganesha und des Krishna
18
Moffitt, Dale: Zwischen zwei Schweigen. Gespräche mit Peter Brook. Berlin: Alexander Verlag, 2003. S. 134
f.

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Multikulturalismus schlussendlich alle Rezipienten weltweit ansprechen. Die Tatsache, dass
sich jedoch viele Leute aus dem hinduistischen Publikum beim Betrachten von Brooks Werk
missverstanden fühlen bzw. die Auslegung ihres noch heute gültigen Werkes missverstanden
sehen ist für mich ein klares Zeichen dafür, dass die Idee des Multikulturalismus in der Praxis
nicht so funktioniert, wie Peter Brook das prinzipiell vorgesehen hatte.

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