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pe r i o d i c u m

Das Corporate-Publishing-Magazin von ‰$%

Österreichische Post AG
Ausgabe 3 | Sommer 2009 Info.Mail Entgelt bezahlt

Sprache Gestaltung Produktion Spaß Special

14 Scharf und
groß. Das
scharfe S
20 Adrian Frutiger. Als
einer der einfluss-
reichsten Typografen
24 Zeitungmachen für
Anfänger. Wie ent-
steht eigentlich eine
03 · Gerhard Haderer im
Interview
· Der Spaß- als
hat die Recht- des 20. Jahrhunderts Kunden- oder Mitar- Wirtschaftsfaktor
schreibreform nur mit hat er etliche Schriften beiterzeitschrift? Die · Und jetzt etwas
knapper Not überlebt. kreiert, die ebenso wichtigsten Produk- Lustiges! Aber schnell!!!
Nun wurde es mit einer klassisch wie spannend tionsschritte im · Humor als Werkzeug
Versalvariante geadelt. sind. plakativen Überblick. · Spaß vs. Spass

Spaßarbeit
Ganz im Ernst: Arbeit macht Spaß – aber Spaß macht auch Arbeit. Wie
Humor in Medien funktioniert – und wie man Lustiges für Leser produziert.

W as man ernst meint,


sagt man am besten im
Spaß“, empfahl schon
Wilhelm Busch, und
was für die unmittelbare Kommunikation
gilt, funktioniert in der mittelbaren – also in
den Medien – hervorragend. Gerade heikle
ge ab. Könnte ja jemand falsch verstehen.
Und professionelle Corporate Publisher sind
oft auch nicht allzu scharf darauf, Humor
ins Heft zu bringen. Denn Spaß zu machen,
macht nicht nur Spaß, sondern vor allem
eine Menge Arbeit – selbst für Leute mit den
entsprechenden Talenten.
SPASZ, m.
scherz, kurzweil, vergnügen, aus dem ital. entlehnt, dessen spassarsi, sich
erlustigen, spasso, vergnügen auf lat. expandere, expassus zurückgeht. im
deutschen scheint das wort in der ersten hälfte des 17. jahrh. aufgekom-
men zu sein: geistliche, die ... anderst nicht als ausz leichtfertigem frevel
für die lange weyle predigen, ausz teufflischer hoffart nur für einen spasz
Anliegen und Botschaften fallen auf frucht- predigen, und also die ehre gottes, und der zuhörer heyl, und jhre höchste
bareren Boden, wenn man sie nicht allzu Spaßexperten bei der Arbeit schuld-gebühr ausz der obacht lassen! (Philander von der Linde)
bierernst serviert. Wie diese Spaßarbeit konkret aussieht, Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm
welche Mechanismen dahinterstecken, wel-
Bei ziemlich vielen Kunden- und Mitar- che Tricks die Profis im Talon haben und wa-
beiterzeitschriften ist diese Weisheit aller- rum sich ihre Mühe auszahlt – darüber hat Ausgelassenheit, Befriedigung, Freude, Heiterkeit, Kalauer, Lachen,
dings noch nicht angekommen. So professi- „periodicum“ bei einer ganzen Reihe von Schabernack, Scherz, Streich, Unfug, Unterhaltung, Vergnügen,
onell sie auch geschrieben und gestaltet sein Experten – Cartoonisten, Kommunikations- Vergnügtheit, Witz
mögen – wenn es lustig, satirisch, ironisch wissenschaftler, Philosophen, Kabarettist http://synonyme.woxikon.de/synonyme/spaß.php
werden könnte, blockt so manche Chefeta- und Autoren – recherchiert. Ab Seite 3.
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

2 Inhalt
Editorial

15 Den Felern auf der Spur.


Er braucht kein Labor zur Spurensicherung und
als Arbeitsmittel nur Rotstift und Lesebrille.
Und doch löst Korrektor Ernst Böck täglich die
kniffligsten Fälle.
Liebe Leserin,
lieber Leser,

„Was ist nur aus dem schönen Hochglanzheft gewor-


den?“, werden Sie sich als periodicum-StammleserIn 16 Corporate Publishing: Wer
vielleicht fragen. „Müssen die jetzt auch schon sparen?“
sagt, wie’s funktionieren soll?
Nein, ums Sparen ging’s uns wirklich nicht. Obwohl Die CP-Experten der Gegenwart sind mehr oder
der Druck dieser Ausgabe zugegebenermaßen günstiger weniger Autodidakten. Kein Wunder. Bis vor
war als die UV-lackierte Variante im vergangenen Jahr kurzem gab es keine speziellen Ausbildungen
(Details dazu: Seite 32). Der Plan, den wir bereits Mitte dafür. Dünn gesät sind die Angebote nach wie vor.
2008 (als es noch andere Themen gab als „die Krise“)
fassten, hat andere Hintergründe: Wir launchen perio-
dicum jährlich neu und zeigen so in immer neuer Form,
wie Corporate Publishing aussehen kann. 22 Angst vor Weißraum?.
„Von nichts kommt nichts!“ Mag diese
Zunächst wollten wir das sogar mit jeder Nummer
Regel für viele Bereiche stimmen – in der
tun, doch der Zuspruch auf Ausgabe 1/2008 war dann
Gestaltung von Printmedien findet sie mit
so erfreulich, dass wir es nicht übers Herz brachten, das Sicherheit ihre Ausnahme.
Konzept schon nach einer einzigen Nummer wieder in
die Schublade zu stecken.

Also: Diese und die nächste Ausgabe von periodi-


cum sind eine Art Magazin im Zeitungsoutfit. Eine Ge- 26 Die Gerätchen-Frage
staltungs- und Produktionsform, die wir uns auch für
außergewöhnliche Kunden- oder Mitarbeiterzeitungen Der Inhalt einer Zeitung ist naturgemäß
sehr gut vorstellen können. Sie auch? Dann sollten wir nicht zeitlos. Aber ist es denn ihre Form?
Kindle & Co werden auch vor Periodika
miteinander reden: +43-1-524 89 00-17.
nicht haltmachen – und manchen vielleicht
*** neues Leben einhauchen.

Doch nun zum Inhalt, genauer gesagt, zum Special die-


ser Ausgabe. Spaß. Gleich vorweg: Meine Idee war das
nicht. Bei irgendeiner Redaktionssitzung Mitte 2008 – in 28 Ein Zeichenbrett, das Kunst
meiner Abwesenheit – ist der Vorschlag aufs Tapet ge- und Wirtschaft bewegt
kommen, und wäre ich dabei gewesen, hätte ich sofort
etliche Killerargumente in die Schlacht geworfen: „Hat Es muss nicht immer Print sein. Und auch
nichts mit Corporate Publishing zu tun!“ – „Darüber nicht Internet. Tagtool ist ein interaktives
Zeichen- und Animationsgerät, für das ein
kann man nichts Handfestes schreiben, und wenn ja,
Wiener Unternehmen bereits zahlreiche
wird es bierernst.“ – „Welchen Lesernutzen soll das bie-
Preise einheimste.
ten?“ – „Spaß ist spontan, und wenn man den zerredet
oder zerschreibt, schlägt er ins Gegenteil um.“ – „Auf-
gesetzt.“ ... und so weiter und so fort. 03 „Selbstironie gehört zur geistigen 14 Federspitzen
Überlebensfähigkeit ganz einfach dazu.“ Wenn Innovation nur alt aussieht ...
Gerhard Haderer im Interview
Aber weil ich eben nicht da war bei dieser Sitzung,
17 Glokalisiertes Design
hatte ich etwas Zeit zu überlegen, und siehe da: die 05 Der Spaß- als Wirtschaftsfaktor Kleine Agenturen und lokal verankerte
Spaßbremsargumente waren, glaube ich heute, nur Re- Kommunikation im Unternehmen: Designer sind wieder gefragt – auch und
flexe, um sich um ein schwieriges Thema zu drücken. Lustig lohnt sich. gerade im Zeitalter der Globalisierung.

Denn nicht nur Arbeit macht (zumindest manchmal) 06 Und jetzt etwas Lustiges! Aber schnell!!! 19 Sündenregister
Spaß, sondern auch umgekehrt. Und über diese Spaß- Wie Profis unter Zeitdruck witzige Bunter Überfluss
arbeit zu schreiben, ist eben auch nicht das reine Ver- Texte produzieren.
19 „I hate Comic Sans“
gnügen. „Muss es auch nicht sein“, entschieden wir
08 Fun Publishing by Beach Dank sei Bob: Wie ein Microsoft-Projekt
schließlich und legten uns mächtig ins Zeug, um auf die Typowelt verschandelt.
zwölf Seiten meine ursprünglichen Bedenken zu ent- 10 Humor als Werkzeug
kräften. Entscheiden Sie selbst, ob ich die nächste Re- Mehr als lustig: Ernste Kommunikationsziele 20 Frutiger neu entdecken
lassen sich mit etwas Witz viel leichter Das Gesamtwerk des Jahrhundert-
daktionssitzung auch wieder schwänzen soll ...
erreichen. Typografen wurde neu dokumentiert.

Und jetzt – ja, genau: Viel Spaß beim Lesen! 12 Der Witz: Von der Absurdität zur Realität 24 Zeitungmachen für Anfänger
Lebenshilfe mit ein paar Zeilen. Die wichtigsten Produktionsschritte
auf einen Blick
Klaus Lerch 12 Was bedeutet Spaß für Sie?
Chefredakteur Statements von Egger & Lerch-Kunden 25 Auf den Strich gegangen
Der große Egger & Lerch-
13 Humor Kugelschreibertest
zum Schmökern, Ansehen, Selbermachen,
Kaufen und Mieten 29 11 Lieblinge
Die Magazinfavoriten des
14 Worthülsen zum Schießen Egger & Lerch-Teams
Kleine Kunden-Hoppalas
30 Kundenevent mit starkem Fokus
Impressum: „periodicum“ – Das Corporate-Publishing-Magazin. Medieninhaber und Herausgeber: 14 Das große Eszett Egger & Lerch-Kunden holten sich
Egger & Lerch, Kirchengasse 1a/5, 1070 Wien, Tel. 01/524 89 00, www.egger-lerch.at. Redaktion, Gestaltung Ein Buchstabe wird erwachsen Knipstipps vom Profi.
und Produktion: Egger & Lerch. Text: Christian Gutschi, Wolfgang Knabl, Klaus Lerch, Andrea Höbarth,
Dunja Radler, Renate Süß. Art Direction & Gestaltung: Elisabeth Ockermüller, Karin Noichl, Julia Stern.
Illustrationen: Beach, Dunja Radler, Julia Stern. Bildbearbeitung: Dunja Radler, Gabriel Moinat. Lektorat: 14 Spaß vs. Spass 32 Viel Platz für wenig Geld
Ernst Böck, Iris Erber. Hersteller: OÖN Druckzentrum GmbH & Co KG, Medienpark 1, A-4061 Pasching. Was für ein Spass – und doch ganz Echter Zeitungsdruck ist auch für
ernst gemeint! Corporate-Publishing-Projekte interessant.
Spaß Special 3
„Das mir am
nächsten stehende
Medium bin ich
natürlich selbst.
Ich bin also meine
beste Karikatur.“

„Selbstironie
gehört zur
geistigen
Überlebens-
fähigkeit ganz
einfach dazu.“

Gerhard Haderer im Interview Wie er seine Themen findet,


warum er Jesus zum liebenswerten Kiffer machte, was er von
Art-Direktoren, Agenturen und deren Kunden hält – und warum er
nie ein ernsthafter Maler werden wollte. Interview: Renate Süß

Einen Haderer erkennt man auf den ersten Blick Man meint aber auch in diesen allgemeinen Kari- Ketzer stellen. Unter Künstlern und Intellek-
am Detailreichtum der Zeichnungen. Ist es Ab- katuren immer wieder Menschen des öffentlichen Steckbrief tuellen hatte ich sehr viele Mitstreiter, die
sicht, dass dein Humor nicht immer vordergrün- Lebens zu erkennen. Der oberösterreichische Karikaturist mir den Rücken gestärkt haben. Vor allem in
dig daherkommt, sondern sich erst Stück für Dieses „Wer ist wer?“ will ich nicht endgültig Gerhard Haderer zeichnet seit den Griechenland haben sich viele Intellektuelle
Stück dem Beobachter erschließt? dechiffrieren. Diese kleine Unsicherheit, ob frühen 80er-Jahren unter anderem auf meine Haltung verlassen.
Am Anfang steht jeweils eine Idee mit ei- jemand Konkreter dargestellt wird, erzeugt regelmäßig für Profil und Stern und bringt
ner Grundaussage. Dann beginne ich zu angenehme Nebenklänge. Rätselraten ist die „Schundheftln“ Moff heraus. Sein Dort wurdest du wegen des Buches ja sogar zu
arbeiten. Während der 10 bis 15 Stunden, mit dem Nachdenken nah verwandt. 2002 erschienenes Buch „Das Leben des einer Haftstrafe verurteilt.
die ich an einem Bild sitze, umkreise ich Jesus“ löste heftige Reaktionen seitens der Ja, offensichtlich ist so etwas im 21. Jahr-
das Thema ständig mit meinen Gedanken. Gibt es Tabuthemen für dich? katholischen Kirche aus. Dass der Autor hundert immer noch möglich. Das ganze
Ein Detail fügt sich dann ins andere, und Ich denke über jedes Thema lange nach, und Zeichner in Griechenland für das Buch war eine Farce. Ich wurde von einem euro-
am Ende wird eine opulente Schilderung bevor ich es zeichne, aber Tabuthemen als sogar geklagt und verurteilt wurde, rief päischen Haftbefehl bedroht. Für eine be-
daraus. Schenkelklopfer sind meine Zeich- solche akzeptiere ich nicht. Ich würde zum viele Künstler auf den Plan, die sich für stimmte Generation in Griechenland war
nungen nicht. Ich lade die Menschen auf Beispiel keinen Menschen wegen einer un- die Freiheit der Kunst hinter ihn stellten. das eine aufsehenerregende Causa: Klerus
einen Spaziergang mit den Augen ein – und verschuldeten körperlichen Auffälligkeit Gerhard Haderer ist kompromisslos geblie- und Staat verlangen von einem Intellek-
im Idealfall wird daraus eine geistige Entde- lächerlich machen. Einen Behinderten, der ben. Seine Arbeiten sind zutiefst ehrlich tuellen, sein Werk zurückzuziehen, und er
ckungsreise für jeden Einzelnen. sich wie ein Idiot benimmt, würde ich da- und rütteln stets auf. Ihren einzigartigen macht es nicht. Das hat dem Mief der Mili-
gegen jederzeit zeichnen. Alles andere wäre Witz beziehen sie nicht zuletzt aus der tärjunta eine deutliche Absage erteilt.
Was gibt es da zu entdecken? doch diskriminierend. Ein Tabu ist eine Be- Detailverliebtheit des Künstlers. An einer
Das Spannungsfeld zwischen gezeichne- leidigung. Hadererkarikatur entdeckt man nämlich Wie kam es schlussendlich zum Freispruch in
ten Idyllen und dem Grauen, das vielfach auch nach 20-maligem Hinsehen noch zweiter Instanz?
thematisch dahintersteckt. Ich sehe meine Das sahen allerdings schon viele anders, die dei- neue Spitzen und Pointen. Genauso absurd wie zur Verurteilung. Ohne
Arbeit als Plädoyer für die Gesetzlosigkeit. ne spitze Feder zu spüren bekamen. Allen voran Begründung. Man hatte wohl schlussendlich
Ich studiere die Verhaltensweisen der Men- die katholische Kirche. doch Angst vor der Lawine, die bei einer brei-
schen und verarbeite sie künstlerisch. Das Man hat „Das Leben des Jesus“ vielfach ten öffentlichen Diskussion um die Macht
mir am nächsten stehende Medium bin ich missverstanden. Es geht nicht gegen Jesus, von Staat und Kirche losgetreten hätte wer-
natürlich selbst. Ich bin also meine beste sondern es ist eine wütende Abrechnung den können.
Karikatur. Selbstironie gehört zur geistigen mit den Jesusbildchen und den dazugehö-
Überlebensfähigkeit ganz einfach dazu. rigen Würdenträgern. Der Skandal hat dich über Österreich und Deutsch-
land weit hinaus bekannt gemacht.
Wie kommst du zu deinen Themen? Und die fühlten sich ja gründlich betroffen. Ich hätte wesentlich besser ohne ihn gelebt,
Man lebt, wie man lebt in Österreich, man Mit diesen Reaktionen hätte ich nie gerech- ohne die Bedrohungen, den Telefonterror,
konsumiert Medien und unterhält sich mit net. Alles fing damit an, dass Schönborn als die Briefe. Und Berühmtheit hat mich nie in-
Menschen. Daraus ziehe ich meine Anre- höchster kirchlicher Würdenträger Öster- teressiert.
gungen. Ich arbeite sozusagen meine Umge- reichs in einer Presse-Headline mit „Haderer
bung auf. muss sich entschuldigen!“ zitiert wurde. Hast du denn mit einem gewissen Maß an Auf-
Damit war der Skandal sofort auf höchster regung gerechnet?
Du arbeitest ja auch regelmäßig für die deutsche kirchlicher Ebene. Auch Ratzinger – damals Ja, ich habe erwartet, dass man sich darüber
Zeitschrift „Stern“. Musst du dafür extra recher- noch nicht Papst – hat mich höchstpersön- ärgert, dass ich Jesus im Weihrauchrausch
chieren? lich in der ARD eingetunkt. Ich habe natür- darstelle. Und ich habe mit Reaktionen zur
Meistens nicht. Die Menschen sind über- lich sofort klargestellt, dass es nicht in frage geharnischten Kritik am Bodenpersonal ge-
all gleich. Wenn es um spezielle politische kommt, dass ein Künstler sich für sein Werk rechnet. Aber dass da plötzlich alles umge-
oder soziale Themen geht, stelle ich Nach- entschuldigen muss. dreht und behauptet wurde, ich beleidige
forschungen an. Das trifft aber vielleicht von Jesus, das konnte ich nicht voraussehen! Er
100 Zeichnungen auf 20 zu. Meistens drehen Wer stand in dieser Situation hinter dir? ist doch eine durch und durch positive Figur!
sich meine Themen um das sehr allgemein Nicht viele. In einem katholischen Land soll
Menschliche. man sich nicht bedingungslos hinter einen
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

4 Spaß Special

Aber ein Kiffer! Sie sind mir gleich wichtig. Bei meinen Co- Welche Kollegen schätzt du besonders?
Ich kenne Alkoholiker und ich kenne Kiffer. mics hat der Text das Übergewicht, man- Ich bin keiner, der explizit Comics liest oder
Die Kiffer sind mir sympathischer. Als Sati- che opulente Zeichnungen kommen nur Karikaturen anschaut, aber ich liebe Man-
riker wollte ich auf das Gebot aufmerksam mit einem Begriff aus. Darauf kommt es fred Deix und Til Mette.
machen, diese sanfte Droge zu legalisieren. nicht an. Text und Zeichnung sind zwei
Als Aufklärer wollte ich darüber unterrich- unterschiedliche Mittel, um etwas zu Manfred Deix zeigt im Karikaturmuseum auch
ten, dass im Weihrauch ebenso THC steckt erzählen. Viele meiner Bilder sind Aus- ein paar abstrakte Ölbilder. Hat es deinerseits
wie im Haschisch. schnitte aus einer Erzählung, und es liegt jemals Ambitionen gegeben, Maler im herkömm-
am Betrachter, seinen eigenen Film daraus lichen Sinn zu sein?
Bist du denn religiös? zu machen. Ich bin als hyperrealistischer Maler sehr
Ich bin klassischer Agnostiker, lasse also al- talentiert. Dieses Talent ist aber mit einer
les offen, bejahe nichts und schließe auch Welche Techniken bevorzugst du? Persönlichkeit konterkariert, die weder sich
nichts aus. Toleranz ist alles – und jeder soll Eine Zeit lang habe ich viel mit dem Air- noch ihre Umgebung ernst nimmt. Deshalb
glauben, was er will. Was ich verurteile, ist brush gearbeitet. Jetzt bevorzuge ich Aqua- wollte ich auch nie ein ernsthafter Maler
der operative Machtanspruch der katho- rellfarben und Acryltinten. Meine Bilder sein.
lischen Kirche. leben. Ich arbeite mit dem Pinsel, aber da
wird auch geschabt, radiert, gekratzt und Ursprünglich kommst du ja aus der Werbebran-
Auch in deinen Arbeiten schließt du kaum gezeichnet. che.
etwas aus, machst sehr unterschiedliche Dinge: Ich muss heute demütig sagen, dass das
die Moff-Comics, fast fotorealistische Arbeiten, Hast du Vorbilder? Zeichnen für mich immer eine Selbstver-
überzeichnete Karikaturen … Natürlich. Meine Anregungen hole ich mir ständlichkeit war, dass ich diese Begabung
Verschiedene Themen zwingen mich zu von Menschen, aus Filmen, aus Büchern. früher gar nicht geschätzt habe. Als es dann
verschiedenen Stilen. Ich bin ein experi- Ich mag vor allem Künstler, die Sprache mit mit etwa 25 ums Kohlemachen ging, hab ich
sie genutzt. Ich stamme aus kleinbürger-
licher Familie und sollte Beamter werden.
Auch wenn ich mich dagegen aufgelehnt
habe, hatte ich doch diese Strukturen vom
Geldverdienen für die Familie im Kopf.

Und wie kam es zum Bruch mit der Werbung?


Die Art-Direktoren und Creative-Direktoren
„Viele meiner
Bilder sind haben mir den Kopf versaut. Deshalb habe
Ausschnitte aus ich einen radikalen Bruch vollzogen und all
einer Erzählung, meine Werbearbeiten verbrannt.
und es liegt
am Betrachter,
seinen eigenen
Das war ein sehr mutiger Schritt.
Film daraus zu Ja, meine Frau war damals mit dem dritten
machen.“ Kind schwanger und wir hatten kein Si-
cherheitsnetz. Aber selbst wirtschaftlicher
mentierfreudiger Mensch. Und weil ich in einer unglaublichen Leichtigkeit und einem Ruin wäre besser gewesen als das Leben
der glücklichen Lage bin, das zu tun, was guten Quäntchen Schmäh umgesetzt haben vorher. Wenn man ständig gegen seine
ich will, muss ich auch nichts in mich hi- – Qualtinger zum Beispiel, Gerhard Polt, aber Intuition und Überzeugung arbeitet, wird
neinfressen. Das hindert mich aber nicht auch Fellini oder Thomas Bernhard. man zum bitteren Zyniker. Ich habe in mei-
daran, mich und mein Arbeiten ständig zu ne Werbezeichnungen schließlich schon
hinterfragen. Bin ich mit einer Zeichnung Und wie lässt du dich inspirieren? absichtlich Ärgernisse eingebaut, damit der
beispielsweise an einem Höhepunkt ange- Meine Eindrücke laufen durch meine künst- Kunde schnell einen Fehler findet und sei-
langt, zeichne ich auf ein anderes Papier lerischen Filter und werden teilweise zu ne Allmachtsansprüche ausleben kann. Mit
nur einen Strich. Letztlich muss man im- schrägen Aufschreien, teilweise auch zu dieser ständigen Kasteiung kann man nicht
mer selbst überrascht bleiben, zu welchen oberflächlichen Blödeleien. leben. Heute habe ich die Freiheit, zu tun,
Ergebnissen man fähig ist. Und doch darf was ich möchte. Meine Privatmeinung und
man sich nicht zu sehr in die eigene Arbeit Wer ist der Liebling deiner Eigenkreationen? mein Privatleben sind von meiner Arbeit
verlieben. Im Augenblick Moff. Hier zeige ich ein Stück nicht getrennt.
pures Herz in reduzierter Form mit nur einer
Wie siehst du darin das Verhältnis zwischen Text Absicht: so unmittelbar und authentisch wie Danke für das Gespräch!
und Bild? möglich zu sein.

Robo Staple Hub Und Und Und Picasa The Sanctuary


Elektro-Klammeraffe Nicht nicht nicht vergessen Gut in der Bilderflut Tankt auf

Das papierlose Büro, es wird so bald nicht Bringt Ordnung ins digitale Bilderchaos:
kommen. Auch deshalb brauchen Wissens- Die Software „Picasa“, neuerdings auch für
arbeiter die Klammermaschine, mit der wir, Mac-User, hilft beim lästigen Archivieren von
zack!, Ausdrucke oder Kopien zusammen- Digitalfotos. Picasa zeigt alle Bilder auf dem
heften können. Erfahrungsgemäß kommen Rechner an, in welchem Unterordner auch
aber gerade im digital ausgerichteten Büro immer sie sich verstecken. Dann lassen sich
die guten alten Dinge wie Schere, Lineal und die Bilder in Alben organisieren und thema-
Tacker abhanden – versauern wohl unter tisch sortieren. Einige Bildbearbeitungsopti-
den Papierbergen vom Kollegen gegenüber. 17,90 Euro onen wie Skalierung oder Filter beherrscht o über
130 Euro ü
Der Robo Staple Hub macht dem ein Ende: üb
über www.bitte-bitte.com
bitt bitt das Programm ebenfalls, auch den Upload ndmarie com
www.charlesandmarie.com
Ihn schließt man per USB-Kabel an den ins Web-Album.
Rechner, so ist die Hemmschwelle schon Gedächtnistrainings boomen – ob kar- Löblich: Picasa verändert nicht das Original, Gadgets erleichtern unsere Leben. Im
mal höher, ihn kurz auszuleihen. Dann ge Sudokus auf Papier oder belehrende sondern erstellt Kopien – Qualitätsverlust Idealfall. Im Normalfall bescheren sie einem
schiebt man dem Gerät Papiere unter, die es Spielchen am Schirm wie Nintendos des Urbilds durch Neukomprimieren ausge- jede Menge Kabel, dutzende verschiedene
automatisch zusammenheftet. Bis zu zehn „Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging“. Dem schlossen. Unverzichtbar für jeden, der nicht Stecker – und einen Energiehunger, der uns
Blätter (à 80 g/m2) soll der Elektro-Tacker auf haben wir etwas entgegenzusetzen: Das weiß, wo ihm das Bild steht. jeden Tag ein anderes technisches Spielzeug
einen Schlag schaffen. Auf das befriedigende liebevoll gestaltete Spiel „Und Und Und“, an die Steckdose hängen lässt. Gedankt sei
„zack!“ müssen wir zwar verzichten, dafür ein Gedächtnis- und Legespiel, dessen deshalb den Erfindern von The Sanctuary:
schont der graue Freund unsere Handballen. Vorgänger von Creativ Club Austria und Art Diese smarte Box verbirgt ein Geheimnis, ge-
Directors Club preisgekrönt wurde. Eine nauer: ist eine Universalladestation für sage
feine Ablenkung für Büroarbeiter, die mit und schreibe 1500 Geräte und bietet zudem
Sprache und Schrift zu tun haben. 32 Rede- eine USB-Schnittstelle für weitere hunderte
wendungen sind aufzudecken, Paarformeln Gadgets. Damit ersetzt es den gesamten
wie Ach und Krach oder Jux und Tollerei. Der bestehenden Stromadapterpark. Die ganze
nächste Gedächtnisstreich des österrei- Familie (oder Bürogemeinschaft) kann end-
chisch-deutschen Kreativteams Christian lich gleichzeitig Mobiltelefon/Headset/Kame-
Himmelspach und Franz Riebenbauer ist ra/Spielkonsolen laden, nie mehr fliegen die
im Mai erschienen: „Alle Guten Dinge Sind Geräte überall herum. Zentralismus, den wir
Drei“, das erste Memospiel, bei dem man gutheißen.
Kostenloser Download unter
www.satzuma.com, sich drei Karten merken muss. Computer picasa.google.com, für Mac-User unter
beziehbar demnächst aus, Karten auf den Tisch! picasa.google.com/mac (Betaversion).
bei www.amazon.co.uk,
Preis noch offen.
Spaß Special 5
Mag. Hemma Spreitzhofer
ist Kommunikationstrainerin,
Prozessmoderatorin und Beraterin
bei der Komunariko, Gesellschaft
für persönliche und berufliche
Fortbildung, Organisationsberatung
und Unternehmensberatung.
www.komunariko.at

Die Autorin

Der Spaß- als


Wirtschaftsfaktor
Serie: Kommunikation im Unternehmen (Teil 3)
Wenn Krisen und Stress das
Tagesgeschäft beherrschen, dann
bleibt manchen nur mehr der
Galgenhumor. Und damit eine
durchaus reelle Chance, das
Steuer herumzureißen. Denn
tatsächlich beschreiben viele
erfolgreiche Teams als einen
ihrer Schlüssel zum Erfolg, „dass
wir miteinander lachen können“.
Die beiden finnischen Berater
und Teamentwickler Ben Furman
und Tapani Ahola haben den
Spaßfaktor als wirtschaftliche
Größe untersucht. Fazit: Lustig
lohnt sich. Text: Hemma Spreitzhofer

S paß, Humor und Lachen wer-


den vielfältige Wirkungen nach-
gesagt. Diese sind mittlerweile
auch mehrfach wissenschaft-
lich nachgewiesen – von der Erhöhung der
Lebenserwartung bis zur positiven Wirkung
auf das Immunsystem reichen die Effekte.
Für Teams ist Humor allerdings beson-
ders wichtig, da er es möglich macht, Pro-
bleme leichter zu lösen. Furman und Ahola
berichten in ihrem Buch „Twin Star – Lö-
sungen vom anderen Stern“ (Furman/Ahola kostengünstige Alternative stellen hu- Einerseits sollen sie vermieden werden und
2004) von einer Studie, in der Probanden ein morvolle Führungskräfte und Mitarbeite- gehören zu den negativen Seiten der Arbeit. Twin Star –
herausforderndes intellektuelles Problem rInnen dar, denn wenn man miteinander Andererseits bieten gerade sie Lern- und Lösungen vom
lösen sollten. Der einen Gruppe wurde davor Spaß hat und scherzt, befindet sich unser Verbesserungschancen. Eine rein negati- anderen Stern.
ein Videofilm über effiziente Problemlösung Gehirn automatisch im „Kreativ-Modus“. ve Bewertung würde zu Demotivation und
gezeigt. Der anderen Gruppe zeigte man ei- schlimmstenfalls zu einer Vertuschungs- Zufriedenheit am Arbeitsplatz
Literatur-Tipps

nen Videofilm mit witzigen Sketchen aus ei- Lachen lockert kultur führen, eine rein positive Bewertung als Zwilling des Erfolgs
ner Comedy-Show. Welche Gruppe schneller Wir wissen mittlerweile schon etwas mehr würde geradezu dazu anregen, Fehler zu von Ben Furman und Tapani Ahola
war? Tatsächlich – die Gruppe, die sich die über die Bedingungen, unter denen Ressour- machen. Die Ambivalenz auf die Spitze ge- Carl-Auer-Systeme Verlag 2004.
Sketche angeschaut hatte. cen von Menschen blockiert bzw. mobilisier- trieben: Würden Sie gern in einem „fehler-
bar sind. Eine der Bedingungen für die Mo- freundlichen Krankenhaus“ PatientIn sein? Führen mit Humor.
Ernst blockiert bilisierung von Ressourcen (z. B. Wissen) ist
Allzu oft quälen wir uns mit ernsthaften Ver- das Anerkannt-Sein in einer Referenzgrup- Lachen allein genügt nicht Ein gruppendynamisches
suchen, Probleme zu lösen, legen die Stirn pe. Da kann man „aus sich herausgehen“. „Humor ist die Fähigkeit, sich selbst oder die Erfolgsrezept
in Falten und meinen, dass ernste Probleme Der Wiener Universitätsdozent für Philo- Situation liebevoll zu karikieren. Man ist in von Gerhard Schwarz
nur ernsthaft gelöst werden können. Doch sophie und Organisationsberater Gerhard der Lage, sein eigenes Denken und Handeln 2. Auflage, Gabler Verlag 2008.
genau das blockiert unsere Problemlösungs- Schwarz schreibt dazu in seinem Buch „Füh- als Irrtum zu erkennen. Der Humor macht
kapazität. Humor bewirkt gerade in Druck- ren mit Humor“: „Eine Kunst des Führens die menschlichen Schwächen zu einer Op-
situationen eine emotionale Entlastung. mit Humor könnte es sein, ein Arbeitsteam tion der Annahme und der Veränderung.“
Das Lachen über eine schwierige Situation zu einer Art Referenzgruppe zu entwickeln, Anstatt sich Asche in Form von Selbstkritik
löst innere und äußere Spannungen. Das ist in der jeder Einzelne sich so sicher und gut oder Selbstmitleid aufs Haupt zu streuen, ist
wichtig, da Stress unsere Handlungsmög- fühlt, dass er seine Ressourcen mobilisieren der Humor eine Form, mit einem Lächeln
lichkeiten auf alte eingelernte Verhaltens- kann. Solche Gruppen leisten – sozusagen die eigenen Fehler und Schwächen anzu-
muster einschränkt und somit keine neuen spielerisch – viel mehr als weniger gut funk- nehmen. Es bedeutet nicht, über jemanden
Lösungen hervorbringt. tionierende Gruppen, in denen es Angst gibt zu lachen. Hier kann der „Spaßfaktor“ in
Humor ist ein Weg zur Problemlösung, und Frustration, Neid oder Feindschaften. Teams leicht in Demütigungen und Gespött
stellt aber selbst noch nicht die Lösung Humor stellt die Voraussetzung dar, Pro- kippen.
dar. Ändern kann sich durch das Lachen bleme oder Irritationen entweder nicht ent- Gerade deshalb betonen Furman und
zunächst der emotionale Zugang. Denn stehen zu lassen oder jedenfalls zeitnah zu Ahola, dass der Erfolg nicht nur vom Spaß
Humor hat eine wesentliche Funktion: Er bearbeiten.“ (Schwarz 2008, S. 97 f.) Wenn abhängt, sondern ergänzt werden muss
distanziert uns ein Stück vom Problem, ver- Sie also neue Ideen und Energie für Kreati- durch Wertschätzung, Anteilnahme und die
mindert unsere emotionale Verstrickung vität fördern wollen, dann fördern Sie das Fähigkeit, sich über gemeinsame Erfolge zu
und ermöglicht uns damit einen ganz ande- Miteinander-Lachen in Ihrem Unterneh- freuen.
ren Blickwinkel. men. Denn Lachen lockert nicht nur unsere Tatsächlich scheint die große Vorsicht
Auch wenn es um Innovationen geht, Gesichtsmuskeln, sondern auch unsere Ge- oder Skepsis gegenüber Humor bei der Ar-
weiß man mittlerweile, dass nicht nur die dankenmuster. beit darin begründet, dass Menschen Angst
Legionen an KreativitätsforscherInnen, vor dem destruktiven Teil des Lachens ha-
InnovationsmanagerInnen und Querden- Humor als Teil der Fehlerkultur ben – vor dem Spott und Hohn der anderen,
kerInnen neue Ideen hervorbringen. Eine Fehler in Unternehmen sind zweischneidig. wenn z. B. etwas schiefgeht. Dieses Lachen,
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

6 Spaß Special

so Schwarz in seinem Buch, hat verschiedene soziale


Funktionen. Die älteste sei vermutlich der Selektions-
druck: „Alle, die ein abweichendes Verhalten (oder
Äußeres) aufweisen, gefährden die Gruppenidentität
und wurden ursprünglich von den Raubtieren eli-
miniert.“ (Schwarz 2008, S. 46) Schwarz kann jedoch

Und jetzt
auch dieser Form des Humors etwas Positives abge-
winnen, nämlich die „Relativierung absoluter Ansprü-
che hoheitsvoller oder erhabener Zumutungen“.
Und: „Mit der Kanalisierung der Aggression durch
den Humor wird die Kritik gewissermaßen aggressi-
onsgedämpft reguliert und daher leichter geäußert.
So kann der Realitätsverlust einer Gruppe minimiert
werden, denn die positive Seite und Funktion einer Spaßarbeit als Maßarbeit Unter Zeitdruck
Gruppe, nämlich dem Einzelnen Sicherheit zu geben
witzige Texte produzieren: Das kann ein
und eine gemeinsame Emotionalität herzustellen,
ist auf der anderen Seite eine große Gefahr, weil sie
echt harter Job sein. periodicum zeigt
einem Realitätsverlust Vorschub leistet.“ (Schwarz verschiedene Wege zur Pointe – und verrät, was
2008, 106) man tun kann, wenn trotzdem nichts geht.
Text: Wolfgang Knabl
Der Chef als Lachnummer
Humor in der Führung ist eine delikate Sache, denn

G
wenn über den Chef/die Chefin schon gelacht werden
darf, ist er/sie dann überhaupt noch ernst zu neh-
men? Humor scheint gefährlich zu sein, da in ihm utes Timing ist für Humo-
eine Ahnung des Chaotischen, der Umkehrung der risten doppelt wichtig. Ge-
Verhältnisse aufblitzt – es könnte ja auch ganz anders
sein. Nicht umsonst dulde(te)n autoritäre Regimes
Wege zum fragt ist nicht nur das Gespür
für die richtige Platzierung
keinen Humor. Die Wahrheit ist allerdings: die Witze
werden ohnehin gemacht. Am Stammtisch nach der
Humor der Pointe, sondern auch Pünktlichkeit bei
der Abgabe des Werks. Ferdinand Rieder lie-
Arbeit, wenn sie im Büro nicht erlaubt sind, in den fert jeden Montag ein Kuvert bei der Agen-
Kabarettist und Humor-Consulter
Besprechungen, wenn sie in die Arbeitskultur inte- tur von Alfred Dorfer ab. Darin befinden sich
Jürgen Vogl hat „33 Wege
griert sind. Gerhard Schwarz: „Ein Chef, der über sich Gags für die Fernsehsendung „Dorfers Don-
zum Humor“ definiert. periodicum
selbst lachen kann, macht aus dem destruktiven La- nerstalk“. Rieder, 61, ist seit 30 Jahren pro-
präsentiert eine Auswahl:
chen der Mitarbeiter ein konstruktives. Die Ordnung fessioneller Gagwriter.
bleibt erhalten, aber das Chaos wird zugelassen, denn
die Angst vor dem Zusammenbrechen der Ordnungs- Aktualitäten Zack, die Pointe ist da
strukturen haben ja Vorgesetzte und Mitarbeiter ge- „In diesen 30 Jahren ist keine Woche ver-
meinsam.“ (S. 87) Lachen dient offensichtlich dazu, Frische witzige Zutaten schmecken gangen, in der nicht ein Gag von mir im
eine gemeinsame positive Grundstimmung herzu- immer am besten. Fernsehen, im Radio oder in der Zeitung
stellen. „Ein Chef mit Selbstironie, der auch mitlacht, veröffentlicht worden ist“, erzählt Rieder.
erreicht diese Ebene der emotionalen Partizipation Anachronismen Für die „Columbus“-Cartoons – jahrelang
einer Gruppe und kann so die destruktive Gewalt des humoristisches Aushängeschild der „Kro-
Lachens (gegen sich oder gegen andere Gruppen) in Gag-Garant: Produkte, Personen und nen Zeitung“ – konnte er „auf Vorrat“ ar-
eine konstruktive Kraft verwandeln.“ Das geht zu- Themen in unpassende Zeiten zu beiten. Bei anderen Produktionen war eine
nächst am leichtesten über das Lachen über einen versetzen. Komponente mit im Spiel, die beflügelnd
gemeinsamen Außenfeind. Reif ist eine Gruppe tat- oder hemmend wirken kann: extremer
sächlich erst, wenn es ihr gelingt, „gemeinsam auch Drehung um 180 Grad Zeitdruck. „Mit Matt Schuh auf Ö3 war es
über sich selbst bzw. die eigenen Gruppenmitglieder besonders arg. Der hat immens viele Gags
zu lachen“ (S. 8). Dann ist es gelungen, eine wertschät- Spiel mit Erwartungshaltungen: gebraucht, und das meist ziemlich schnell“,
zende Vertrauensbasis aufzubauen, die es zulässt, auf Gewohntes ins Gegenteil verkehren, sagt Rieder. „Kaum ist etwas passiert, kam
humorvolle Art Kritik auszusprechen und Humor als Ursache und Wirkung austauschen. schon der Anruf, dass sie etwas Lustiges
Quelle der Selbstreflexion zu nutzen. dazu wollen.“ Oft habe er die Gags und Sket-
Deshalb ist Humor auch für Organisationsberate- Gedichte, Reime ches an Ö3 gefaxt, während Schuh schon on
rInnen, die modernen Hofnarren und -närrinnen, ein air war. „Zeitdruck kann zu guten Ergebnis-
wichtiges Interventionsmittel, denn unter dem expli- Menschen lieben Reime, ein Schüttel- sen führen oder blockieren“, weiß Rieder,
ziten Prinzip des Unernstes können sie die ernsteste reim bringt immer Lacher. der bei der Suche nach den Pointen auf be-
Wahrheit sagen. „Humor ist die einzige Macht der wusste Strategien verzichtet und ganz auf
Machtlosigkeit“, formulierte es der Philosoph und Or- Inkompatible Welt intensives Nachdenken setzt. „Irgendwann
ganisationsberater Peter Heintel. Denn weder Berate- macht’s dann meistens Zack, und die Poin-
rInnen noch TrainerInnen besitzen im Organisations- Die Zusammenführung von inkom- te ist da. Das geht manchmal schnell und
system verankerte formale Macht. Wertschätzender patiblen Realitäten, z. B. ein Fußball- einfach. Manchmal geht es unheimlich zäh.
Humor ermöglicht so nicht nur das Lernen in Trai- spieler wird zum Balletttänzer. Und manchmal geht es gar nicht.“
nings- und Seminarsituationen, sondern auch das
Lernen von Organisationen, wenn der „schräge“ Blick Klischees Humorproduktion nach Zeitplan
auf das, was ist, erlaubt wird. Für Mag. Kerstin Scheiblehner, Leiterin der
Klischees sind ein wunderbares Feld, Linzer Kommunikationsagentur „ImPress-
um Humorwirkung zu erzielen. Room“ und Trainerin für journalistisches
Schreiben beim bfi Wien, basiert die er-
Nachahmung folgreiche Kreation von humoristischen
Texten auf dem Einhalten von journalis-
Egal ob Parodie, Persiflage oder tischen Grundregeln. „Kurze Sätze, Aktiv
Satire: Die Nachahmung ist oft Basis statt Passiv, Worte zum Anfassen“, nennt
humoristischer Arbeiten. Scheiblehner einige Beispiele. Diese Regeln
zu beherrschen und durch Übung zu au-
Paradoxien tomatisieren, sei für das Verfassen humo-
ristischer Texte Grundvoraussetzung. Die
Stilfiguren, die in scheinbaren Kommunikationsexpertin empfiehlt, bei
Widersprüchen Wahrheiten veran- humoristischen Slogans fallweise „im Jar-
schaulichen, z. B.: nachträgliche gon“ zu schreiben („Schneeketten aus der
Vorauszahlung. Dose: Damit Sie nicht durchdrehen, wenn
es Ihre Räder tun“) oder bei Titeln Wort-
Perspektivenwechsel spiele zu verwenden („Der Euro wird immer
dollar“).
Veränderte Sicht auf die Dinge: Geübte und stilsichere Texter leiden
Betrachten Sie Ihr Thema aus allen auch bei „witzigen Aufgaben“ kaum unter
möglichen Blickrichtungen. Schreibblockaden, ist Scheiblehner über-
zeugt. „Der Zeitdruck wird zur willkom-
Sinnverdrehungen menen Herausforderung.“ An Schreibblo-
ckaden glaubt auch Stefan Vögel nicht.
Spiel mit ähnlich klingenden Wörtern, „Wenn man einen realistischen Zeitplan
z. B.: „sadistisches Dentalamt“ statt hat und nach Stunden werkelt, dann pas-
„statistisches Zentralamt“. siert das nicht, dass einem nichts einfällt“,
so der Autor, Schauspieler und Kabaret-
tist, der zusammen mit Egger & Lerch-
Geschäftsführer Klaus Lerch das satirische
Spaß Special 7

etwas Lustiges! Aber schnell!!!

Buch „Grüß Gott in Voradelberg“ geschrie-


ben hat. Viele Leute würden an das Klischee
Wobei gerade bei Humor immer ein
„Restrisiko“ bleibt: das der unterschied-
„Ich laufe jeden Tag eine Stunde, und da-
bei fallen mir fast alle Ideen ein. Nach
Wenn ich unter
glauben, dass Autoren nur schreiben, wenn lichen Geschmäcker. „Du kannst einen Spot dem Laufen muss ich das Ganze nur mehr Zeitdruck
sie die Muse küsst, meint Vögel. Dabei ste-
cke in der Regel viel Arbeit und professio-
schreiben, über den du selber dich zerku-
gelst“, so Pirker. „Aber wenn der Auftrag-
aufschreiben.“ Tartarotti zählt zu den be-
liebtesten „Edelfedern“ Österreichs, mit
etwas Lustiges
nelles Handwerk dahinter, wenn etwas auf geber oder die Zielgruppe einen anderen dem Lese-Kabarett „ÜberLeben – Escape schreiben muss,
die Rezipienten besonders locker wirkt.
„Manchmal schreibt man mehrere Versi-
Sinn für Humor hat, wird trotzdem nichts
daraus.“
from Meerschweinchenkäfig“ bringt er sei-
ne besten Kolumnen auch auf die Bühne.
dann ...
onen, die alle nicht das Wahre sind – und Die titelgebende Flucht bezieht sich auf das
plötzlich macht es Klick, und man weiß, 33 Wege zum Humor traurige Schicksal, welches Zeitungen am
dass man auf dem richtigen Weg ist“, so „Wichtig bei der Produktion von Humor un- Tag nach ihrem Erscheinen droht, falls ihre „... tue ich es
Vögel. Nur selten komme es vor, „dass es ter Zeitdruck ist, sich auf das Wesentliche Leser über ein Haustier und einen Hang zur
einfach.“
FOTO: BAUMGARTNER

anfängt zu fließen, ohne dass man etwas zu konzentrieren“, meint Dr. Michael Titze, Zweckentfremdung verfügen.
Guido Tartarotti, Kurier-Kolumnist
dafür tut.“ Psychologe und Vorsitzender der Humor-
und Lese-Kabarettist
Care Deutschland. Es gelte, aus allen Ideen Die zweitwitzigste Lösung
Die Illusion der Leichtigkeit „das Wenige herauszufiltern, dass dann in Die hohe Kunst, unter dem bei Tageszei-
„Gut schreiben heißt: Lang nachdenken, einer bestimmten Situation, in einem be- tungen üblichen Zeitdruck zeitlos gute hu-
kurz schreiben, sofort verstanden werden“, stimmten Kontext unerwartet kommt und moristische Texte zu verfassen, die sogar „... denke ich
meint Sabine Pöhacker, Inhaberin der Kom- daher witzig ist.“ Grundsätzlich könne eine auf der Bühne funktionieren, beherrschen darüber nach,
munikationsagentur comm:unications und solche Aufgabe von den meisten Menschen nur ganz wenige Schreiber. „Zeitdruck ist
Lehrgangsleiterin der bfi Wien Akademie für gemeistert werden. für mich etwas Angenehmes, ich brauche wie man aus
Integrierte Kommunikation. Wie viel Zeit,
Kreativität und mitunter auch Nervenkraft
Dieser Meinung ist auch der Kabarettist
und Humor-Consultant Jürgen Vogl. Er ver-
Zeitdruck, um arbeiten zu können“, sagt
Tartarotti und bestätigt, dass es gute Re-
einer Mücke
in die Produktion von witzigen Texten oder anstaltet unter dem Titel „Mein Humorpo- geln für das Schreiben witziger Texte gibt. einen
humorvolle, originelle Slogans investiert tenzial und ich. Eine Entdeckungsreise zur Nur: Er habe sie nie gelernt. „Bei mir pas-
Elefanten
FOTO: HREBICEK

werden muss, wird wohl von den meisten eigenen Komik“ Seminare und Workshops. siert das alles intuitiv, mein Kopf wirft stän-
Rezipienten unterschätzt. Und das ist auch Zielgruppe: Alle, die Inhalte vermitteln und dig seltsame Gedanken, Assoziationen und macht.“
gut so: Die Wirkung des Humors in den Me- dabei ihr Publikum gut unterhalten, ja sogar Pointen aus.“ Und wenn trotzdem einmal Sabine Pöhacker, Inhaberin der
dien und in der Werbung wird von einer zum Lachen bringen wollen. Mit dem rich- nichts geht? „Es gibt verschiedene Möglich- PR-Agentur comm:unications
Aura der Leichtigkeit und der Lockerheit tigen Know-how sei die Produktion von hu- keiten, wie man eine Blockade umgehen und Lehrgangsleiterin der bfi
getragen. Ohne diese Illusion würde vielen morvollen Reden oder Texten, ja sogar das kann“, meint Tartarotti. Sich aus der Situ- Wien Akademie für Integrierte
Rezipienten wohl die Lust am Lachen verge- „Lustig sein auf Knopfdruck“, nicht beson- ation rausnehmen, weg vom Computer, ein Kommunikation
hen. ders schwierig, meint Vogl. Bei seinen Semi- kurzes Telefonat führen, einmal um den
naren und Workshops sei es immer wieder Häuserblock gehen. „Und wenn einem die
Nur nicht versteifen erstaunlich, zu erleben, wie viel Humorpo- witzigste Lösung nicht einfällt, dann muss „... nehme
Lustig sein, das ist also mitunter ein ziem-
licher Knochenjob. In der Werbebranche
tenzial in den Menschen steckt. „Man muss
ihnen nur den Weg zeigen und ein paar Re-
man die zweitwitzigste verwenden. Das ge-
hört auch zum Geschäft.“
ich mein
ringen ganze Kreativ-Teams oft tagelang geln mitgeben.“ Vogl hat sich intensiv mit Diktiergerät
um eine Lösung. „Wer sich jedoch zu sehr der Theorie des Humors auseinandergesetzt
darauf versteift, in kurzer Zeit einen Brüller und den Leitfaden „33 Wege zum Humor“ und rede einfach
zu produzieren, bei dem sich alle am Boden entwickelt (siehe Kasten „Wege zum Hu- drauflos.“
zerkugeln, wird unlocker. Und dann kommt mor“). „Damit kann man auch unter Zeit- Sandra Pirker, Werbetexterin „Wien Nord“
etwas Halbwitziges heraus“, weiß Sandra druck Lustiges schreiben“, meint Vogl. „Den
Pirker, Texterin bei der Werbeagentur „Wien kreativen Funken muss man aber auch mit
Nord“. Wenn Pirker bei der Aufgabe, einen
lustigen Slogan zu kreieren, in einer kre-
dem besten theoretischen Regelwerk selber
zünden.“
„... greife
ativen Sackgasse gelandet ist, verlässt sie ich zu meinen
das Büro und geht auf die Straße. „Ich lasse
meine Gedanken schweifen, ganz unabhän-
Sieben Kilometer zur Satire
Für den Kurier-Kolumnisten Guido Tarta-
33 Humorwegen.“
Jürgen Vogl, Kabarettist und
gig davon, was ich eigentlich machen sollte. rotti ist der Weg zum witzigen Text meis-
Humor-Consultant
Meistens trifft einen dann die Idee.“ tens sechs oder sieben Kilometer lang:
Illustration: Beach für periodicum
Kreation

F un Publ ishin
g
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

10 Spaß Special

Humor als Werkzeug


Mehr als lustig Mit Humor lassen sich gleich mehrere Kommunikationsziele auf
einmal erreichen. Wer in seinem Printmedium Witze, Cartoons & Co richtig einsetzt,
hat nicht nur die Lacher auf seiner Seite. Text: Wolfgang Knabl

K ennen Sie den? Sagt der Ma-


trose zum Kapitän: „Herr Ka-
pitän, wir haben einen blin-
den Passagier an Bord. Was
sollen wir mit ihm machen?“ „Werfen Sie
ihn sofort über Bord!“ Zehn Minuten später
fragt der Matrose: „Und was machen wir mit
gut anzukommen. Verschiedenen Studien
zufolge rangiert die Eigenschaft „humor-
voll“ in Partnerinseraten bei „gewünsch-
ten“ bzw. „positiven“ Eigenschaften welt-
weit an erster oder zweiter Stelle. Wer
Humor hat, verfügt dadurch also auch
über ein Plus an Attraktivität. Gilt das auch
versität Wien. „Es gibt ja viele, die blättern
ein Heft durch und bleiben dann bei einem
Cartoon oder einer satirischen Glosse hän-
gen. So werden neue Leser gewonnen.“ In
Folge können die humoristischen Elemente
eines Printmediums auch dabei helfen, die-
se neuen Rezipienten zu Stammlesern zu
rausgesetzt, man beachtet einige wichtige
Grundregeln.

Vorsicht, Satire!
Ein schelmisches Augenzwinkern, ein ne-
ckisches Grinsen: Im zwischenmensch-
lichen Bereich wird oft durch die Mimik
seinem Blindenhund?“ für Printmedien? „Ja“, meint Prof. Ruch. machen. angekündigt, dass gleich etwas kommt, was
„Eine Zeitung oder Zeitschrift wird durch „Das gemeinsame Lachen lässt in uns Ge- nicht ganz ernst gemeint ist. Wer gemein-
Witze sind nicht nur lustig das Element Humor bei der Leserschaft fühle der Solidarität und Verbundenheit mit sam lacht, begibt sich zusammen auf eine
Sie finden das nicht lustig? Zur Beruhigung: beliebter und begehrenswerter.“ Wie im dem Gegenüber entstehen und hält diese andere Kommunikationsebene, auf der – oft
Der obige Witz wurde ursprünglich in dem zwischenmenschlichen Bereich gelte auch Gefühle aufrecht“, erklärt Mag. Dunja Rad- nur für Sekunden – andere Regeln gelten.
von Egger & Lerch produzierten Heft „Un- für Printmedien: Die durch den Humor ge- ler, ausgebildete Psychologin und Bildbear- Hier sind Aussagen erlaubt, die im ernsten
ser Schaffen“ veröffentlicht – dem Monats- steigerte Attraktivität kann vor allem beim beitungsexpertin bei Egger & Lerch. „Lachen Kontext unpassend oder sogar beleidigend
magazin der Hilfsgemeinschaft der Blinden ersten Kontakt, dem Kennenlernen, eine hebt unsere Stimmung, da Humor an das sein könnten. Die meisten humoristischen
und Sehschwachen Österreichs. Das Bei- wichtige Rolle als „Eisbrecher“ spielen. Belohnungszentrum im Gehirn appelliert“, Redaktionstools wie Cartoons, satirische
spiel zeigt, wie sehr das ethisch korrekte Und später dabei helfen, die Bindung der so Radler. „Weil das mit positiven Emoti- Glossen oder Witze-Seiten verfügen über
Funktionieren eines Witzes von Kontext, Rezipienten an das Blatt zu festigen. onen assoziiert wird, wirken Menschen und ähnliche Vorwarnmechanismen. Zu Recht:
Medium und Zielgruppe abhängig ist. „Ich auch Medien, die uns zum Lachen bringen, Fehlen diese, kann Humor falsch verstan-
denke, dass ein Blindenwitz in einer Blin- Lachen ist gesund – auch für die besonders anziehend. Und das auch dauer- den werden. Und das kann – wie auch im
denzeitschrift ein sehr gesundes Zeichen Kundenbindung haft.“ Für Corporate-Publishing-Magazine zwischenmenschlichen Bereich – ziemlich
ist. Man lacht ja nicht über den Blinden, son- „Humor ist für viele Leser der erste Zugang bringt die gesteigerte Leserbindung einen peinlich wirken.
dern über das Missgeschick, das ihm pas- zu einem Magazin“, weiß Prof. Dr. Klaus weiteren Zusatznutzen: Ihre Funktion als Wichtig beim Einsatz von Humor ist aber
siert“, meint Prof. Dr. Willibald Ruch, Leiter Lojka vom Institut für Publizistik- und Kundenbindungsinstrument kann dadurch nicht nur die Kennzeichnung der Satire als
der Fachgruppe Persönlichkeitspsychologie Kommunikationswissenschaft der Uni- unterstützt und verbessert werden. Vo- solche, sondern auch die genaue Kenntnis
am Psychologischen Institut der Universität
Zürich, Mitherausgeber des „International
Journal of Humor Research“ und Mitglied Ohne Vorwarn-
bei der „International Society for Humor mechanismen kann
Humor gründlich
Studies“ (ISHS).
danebengehen. Und
Das Beispiel zeigt auch die Vielfalt der wer seine Zielgruppe
unterschiedlichen Funktionen, die ein Witz falsch einschätzt,
in einem Printmedium erfüllen kann. Viele stößt sie vor den
Menschen mit Benachteiligungen würden Kopf, statt sie zu
unterhalten.
sich diskriminiert fühlen, wenn sie aus
Witzen ausgeschlossen sind, weil dieser
Ausschluss ja wieder eine Art von Diskri-
minierung sei, betont Ruch. Und dagegen
helfen vor allem: die richtigen Witze. Somit
funktioniert der kleine Blinden-Witz auch
als selbstbewusstes Statement gegen Dis-
kriminierung – keine üble Leistung für die
paar kurzen Sätze. Vor allem, wenn man
bedenkt, dass der Witz neben diesem sub-
til wirksamen Zusatznutzen eigentlich eine
wichtige Primärfunktion erfüllen soll: den
Unterhaltungswert des Mediums zu stei-
gern. Wird diese Vorgabe erreicht, bringt das
den Herausgebern des Magazins weitere
Vorteile. Ein gelungener Witz oder andere
gut eingesetzte humoristische Redaktions-
Tools wie Cartoons, Karikaturen oder sati-
rische Glossen können dabei helfen, neue
Leser zu gewinnen.

Ein gelungener Gag als Eisbrecher


Einem guten Gag folgt meist ein Siegerlä-
cheln. Kein Wunder: Humor macht inte-
ressant, sexy und steigert die Beliebtheit.
Immer wieder belegen neue Untersu-
chungen, wie sehr diese Binsenweisheit
auf zwischenmenschliche Beziehungen
zutrifft. Aktuelles Beispiel mit Schwer-
punkt Selbstironie: Die Studie „Dissing
Oneself: The Sexual Attractiveness of Self-
Deprecating Humour“ des Anthropolgen
Gil Greengross von der University of New
Mexico. Auch ein Blick in gedruckte und
virtuelle Partnerbörsen bestätigt, dass Hu-
mor als wichtiges Tool gilt, um bei anderen
Spaß Special 11

„Humor ist wie ein Finger-


abdruck. Printmedien
können durch die Art des
Humors, den sie bringen,
ihr individuelles Profil
charakterisieren und stärken.“
Prof. Dr. Willibald Ruch, Psychologisches Institut der Universität Zürich,
International Society for Humor Studies

„Die wirkliche journalistische


Spitzenleistung beim
Humor ist die Karikatur.
Vor allem mit Karikaturen
der Zielgruppe und ihrer Wertvorstellungen. weiß Mag. Radler. „Und Gemeinschaftsge- kann man auch tiefsinnige,
„In einem christlichen Vereinsblatt ist eine fühle sind die Grundlage einer Beziehung.“ komplexe Inhalte leicht
völlig unterschiedliche Art von Humor zu Mit Humor lassen sich aber nicht nur
finden als in einem linken Underground- Brücken bauen, die zu dauerhaften Bezie- transportieren.“
Blatt“, erklärt Prof. Ruch. „Die Art des Hu- hungen führen. Mit Humor können auch Prof. Dr. Klaus Lojka, Institut für Publizistik- und
mors wird völlig unterschiedlich sein, aber komplexe und kontroverse Inhalte transpor- Kommunikationswissenschaft der Universität Wien
zum generellen Stil des jeweiligen Blattes tiert werden.
passen.“ Gedruckter Humor habe sehr viel
mit Wertvorstellungen zu tun, vor allem in Komplexe Inhalte mit Witz vermitteln
der Dimension, wie konservativ oder liberal
jemand denkt. Wenn Zeitungsmacher hier
Müde Gesichter. Ein Gähnen. Dann die Erlö-
sung: Ein gelungener Witz zur Auflockerung
„Wenn jemand den Humor
danebenliegen, können sie die Zielgruppe verbessert die Aufmerksamkeit und steigert einer Zeitschrift mag, fühlt
leicht vor den Kopf stoßen.
Dabei machen sehr oft gerade riskante
die Aufnahmefähigkeit für die folgenden
Inhalte. Diesen Trick machen sich viele Vor-
er sich auch der Lesergruppe
Themen und das Antasten von Grenzen tragende zunutze, und er funktioniert auch zugehörig. Und Gemein-
den Reiz eines gelungenen, originellen
Witzes aus. Gleichzeitig steigt bei einer hu-
im printmedialen Einsatz. „Besonders bei
trockenen, spröden Themen kann eine wit-
schaftsgefühle sind die
moristischen Gratwanderung aber auch zige Passage, ein gelungenes humoristisches Grundlage einer Beziehung.“
das Risiko, Ablehnung oder gar Entrüstung Wortspiel die Lust aufs Weiterlesen steigern, Mag. Dunja Radler, Psychologin
hervorzurufen. Trifft man allerdings den Ge- weil man auf die nächste lustige Passage
schmack der Zielgruppe, kann das für diese gespannt ist“, erklärt Dr. Gerhard Schwarz,
eine Bestätigung sein, das richtige Magazin Philosoph und Universitätsdozent für Philo-
zu lesen. „Wenn jemand den Humor einer sophie und Gruppendynamik an den Univer-
Zeitschrift gut findet, dann fühlt er sich auch sitäten Wien und Klagenfurt. Univ.-Ass. Dr. „Humor ist ein wichtiges Tool,
automatisch der Lesergruppe zugehörig“, Margit Böck, Kommunikationswissenschaf-
terin an der Universität Salzburg, meint:
um zu relativieren. Es gibt
„Humor ist ein unterhaltendes Element. Und bei jedem Thema mehrere
mit unterhaltenden Elementen können In-
halte besser kommuniziert werden.“ Dabei
Seiten, und das kann
sei aber die Qualität des Humors wichtig: man mit humoristischen
„Wenn es nur mehr Gaude ist, dann funk-
tioniert die Informationsvermittlung nicht“,
Elementen sehr gut zeigen.“
Dr. Margit Böck, Kommunikationswissenschafterin,
warnt Böck. „Durch falsch eingesetzten Hu-
Universität Salzburg
mor können Inhalte auch abgewertet wer-
den.“ Wird er aber richtig verwendet, lassen
sich damit auch komplexe Inhalte beson-
ders einfach transportieren. „Humor
relativiert und eignet sich sehr gut, „In Printmedien erfüllt
um Dinge zu hinterfragen“, sagt
Böck. „Es gibt immer mehr Seiten, Humor eine wichtige
und das kann man mit Humor Auflockerungsfunktion. Bei
und humoristischen Elementen
gut zeigen.“ „Vor allem in spröden Themen steigert
Karikaturen kann man so
auch tiefsinnige, komplexe
eine witzige Passage, ein
Inhalte leicht transportie- humoristisches Wortspiel die
ren“, betont Prof. Lojka.
Dr. Schwarz beschäftigt
Lust aufs Weiterlesen.“
Dr. Gerhard Schwarz, Philosoph, Autor und Universitätsdozent
sich in seinem aktu- an den Universitäten Wien und Klagenfurt
ellen Buch „Führen
mit Humor“ auch
intensiv mit dem
Konfliktlösungspo- für Medien. „Humor ist wie ein Fingerab- witzige Inhalte besonders gut ein, und die
tenzial von Humor. druck“, bestätigt Prof. Ruch. „Zeitungen und emotionale Bindung zwischen Leser und
„Wenn es gelingt, Zeitschriften können durch die Art des Hu- Magazin bzw. zu Kunden und Mitarbeitern
beide Seiten zum La- mors, den sie bringen, ihr Profil stärken und wird gefestigt.
chen zu bringen, hat man schon gewonnen“, charakterisieren.“ Im optimalen Fall reicht der Effekt eines
so Schwarz. „Mit Humor bringt man immer Für Corporate-Publishing-Magazine bringt guten Witzes sogar weit über das Medium
Bewegung in eine festgefahrene Situation“, die Schärfung des Profils durch humoris- hinaus und bekommt so nebenbei hand-
und das könne man auch bei der printmedi- tische Redaktionstools einen wertvollen festen Servicecharakter: Er wird von den
alen Aufbereitung von heiklen Themen nut- Zusatznutzen: Sie können damit ziemlich Lesern weitererzählt – und das fördert ja
zen. (Mehr zu „Führen mit Humor“ auf Seite 5.) effizient die Corporate Identity des Heraus- bekanntermaßen die Attraktivität und stei-
gebers stärken. Die besondere Effizienz der gert die Beliebtheit.
Humor schärft das Profil humoristischen Redaktionstools basiert da-
Fantasie. Intellekt. Mut. Mehrschichtiges, bei auf mehreren Säulen:
kritisches Denken. Die Fähigkeit zur Selbst- So werden – gelungene – Cartoons, Witze
ironie. Wer Humor zeigt, kann damit auch und satirische Glossen wegen ihres hohen
mehrere positive Charaktereigenschaften Unterhaltungswerts in der Regel besonders
unter Beweis stellen und dadurch sein Profil gerne rezipiert. Wie lustige Erlebnisse prä-
schärfen. Das gilt für Menschen ebenso wie gen sich auch printmedial transportierte
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

12 Spaß Special

Der Witz: Von der Absurdität


W
Lebenshilfe mit ein paar Zeilen Gute Witze sind nicht
nur lustig, sondern auch äußerst nützlich. Sie helfen uns, as wäre das Leben der, dass uns der Witz ständig begleitet. Zu
mit Tabus und schwierigen Situationen fertig zu werden. Sie ohne den Witz? Beim allen möglichen Gelegenheiten wird er er-
zeigen uns das Mögliche im Unmöglichen und schaffen so Lachen trainieren wir zählt oder übers Internet verschickt. Print-
neue Realitäten. Text: Renate Süß etwa 80 Muskeln am medien bereichert er als Cartoon, Karikatur
ganzen Körper, wir verbrennen in 10 Minu- oder Comic. In der Werbung sorgt er für
ten zirka 50 Kalorien und schütten Endor- Aufmerksamkeit und macht ein Produkt
phine, also Glückshormone aus. Kein Wun- im Idealfall sympathisch. Die Liste ließe

Statements von Egger & Lerch-Kunden

Was bedeutet Spaß für Sie?


Herbert Reisinger, LSI Gudrun Wallner, Tappe
Das ist eine gute Frage, die ich mir so noch nie überlegt habe. Mit meinen Freunden habe ich es lustig – und oft auch mit meinen
Spaß ist, spontan lachen zu können, ohne sich etwas vorbereiten Kollegen. Spaß entsteht für mich meistens aus der Situation. In
zu müssen. Und Humor bei der Arbeit ist generell wichtig: Ich Gesprächen kommt es zu Anspielungen, Doppeldeutigkeiten oder
freue mich dann und wann über ein lustiges E-Mail, das den Tag Wortwitzen. Schlagfertige Menschen mag ich besonders und mit
aufheitert, oder wenn mir jemand einen Witz erzählt. Apropos meinen Freunden blödle ich auch gern rum. Witze dagegen erzäh-
Witz: Meinen Newslettern füge ich als letzten Punkt auch immer le ich nicht. Ich vergesse sie immer gleich. Ob ich es mag, wenn
den Witz oder Clip der Woche bei. Das wollen alle sehen – und mir ein Witz erzählt wird, hängt von der Qualität des Witzes ab.
bis sie dorthin kommen, müssen die LSI-Mitglieder alles andere
auch lesen.

Silke Ruprechtsberger, Caritas


Gabriele Frisch, Hilfsgemeinschaft Mir macht meine Arbeit Spaß – vor allem, wenn etwas weitergeht.
Und wir haben einen hohen Spaßfaktor im Team. Ich denke, dass
der Blinden und Sehschwachen gerade bei einer NGO, wo es um ernste Themen und Probleme
Spaß ist, wenn ich über eigene Fehler lachen kann – zum Bei- geht, das gemeinsame Spaßhaben besonders wichtig ist. Auch
spiel, wenn ich etwas Kurioses mache und mich dann über mich viele Aktionen, vor allem der Jugendcaritas, fallen mir beim Wort
selbst wundere. Kuriose und schräge Sachen mag ich generell Spaß ein – und unsre T-Shirts mit lustigen Sprüchen. Freude be-
sehr. Dinge, die mir bei der Arbeit zu schaffen machen, ins Kuri- reiten auch die vielen Menschen, die zu uns kommen oder emo-
ose zu ziehen, hilft ungemein gegen Frust und Überlastung. Hu- tionale Briefe schreiben. Gar nicht lustig finde ich allerdings die
mor macht eben fast alles erträglich. So nach dem Motto: macht Schicksale, mit denen ich täglich zu tun habe, sei es versteckte
man die Arbeit lustiger, macht man sie auch leichter. Armut in Österreich, Straßenkinder in der Ukraine oder internati-
onale Katastrophen. Umso mehr aber bin ich froh, meinen kleinen
Teil beitragen zu dürfen, damit es besser wird.
Christine Henökl, Nestlé
Ganz spontan zu Spaß fallen mir ein: Duffy Duck, Luis de Funes,
mein Pferd, meine Freunde und schwarzer Humor. Wobei schwar-
zer Humor auch bei der täglichen Arbeit hilft. Spaß in der Arbeit
ist letztlich, auch in stressigen Situationen zu lachen. Zum Glück
lacht meine Kollegin auch viel. Und dann gehört Spaß natürlich
auch zu Werbung und Marketing. Aber da soll er keinesfalls blöd
und nervend rüberkommen. Bestimmte Möbelhauswerbungen
beispielsweise mag ich gar nicht.
Spaß Special 13

zur Realität
... zum Schmökern
sich auf viele weitere Bereiche ausdehnen, müdliche Hofmeisterin Vernunft einmal
auf Literatur, Bildung, Reden, Geschäfts- der Unzulänglichkeit überführt“. Der zeit-
kontakte … Wo auch immer er eingesetzt genössische Philosoph Slavoj Zizek geht
wird, er hat die Funktion, aufzulockern, noch viel weiter. Er meint, der Witz wäre
durch gemeinsames Lachen zu verbinden eine Unterbrechung und Neukonfigura-
und Aufmerksamkeit zu erregen. tion von Realität. Diese Neukonfiguration
gelingt durch die absurde Auflösung all-
Kein alter Hut täglicher Situationen. Friedrich Theodor
Man könnte meinen, den Witz, diese meist Vischer nannte das die Contradictio, also
mündlich überlieferte Textsorte ohne be- den Widerspruch des Komischen: „Der Zu-
kannten Verfasser, gäbe es schon ewig. schauer ruft aus: So klug und diese Klugheit
Weit gefehlt. Die ersten Witze in ihrer heu- so töricht! So viel Sinn und in diesem Sinn Business Die Humor- Führungsfaktor
tigen Form entstanden im 19. Jahrhundert. so viel Unsinn!“ Und der Soziologe Hans unusual. strategie. Auf Humor. Wie Sie
Davor waren lustige literarische Formen Paul Bahrdt schreibt: „Jeder Witz eröffnet in Karikaturen vom verblüffende Art und Ihr Unterneh-
anders aufgebaut. Die mittelalterlichen der Pointe einen neuen Horizont mit einer Zeichner der F.A.Z. Konflikte lösen men profitieren
Schwänke beispielsweise hatten weder die neuen Bedeutung und lädt den Zuhörer ein,
für den Witz charakteristische Kürze noch sich diesen Horizont anzueignen.“ Lachen statt weinen Probleme distanzierter Mit Humor managen,
eine Pointe. über die Finanz- und betrachten, überra- die Kommunikation auf
Eingebettet in die Lebenswelt Wirtschaftswelt? schend argumentieren allen Ebenen erleich-
Der erste Witz? Ein Witz ist nur witzig, wenn er mit Ele- Die Cartoons dieses und dabei originelle tern und eine positive
Eine Vorreiterrolle nimmt Johann Friedrich menten unserer Realität spielt. Auch wenn Ausnahmetalents Lösungen finden. Unternehmenskultur
Riederers Gedicht „Als einst ein alter Herr“ ein Witz völlig ins Absurde abgleitet, wie machen's möglich. > Michael Titze etablieren.
aus dem frühen 18. Jahrhundert ein, das beispielsweise jener, der mit den Worten > Kai Felmy und Inge Patsch > Thomas Holtbernd
bereits die Elemente des modernen Witzes anfängt: Kommt ein Zebra ins Wirtshaus > Lappan Verlag > Verlag Kösel > Verlag Ueberreuter
enthält: …, spielt er doch mit der Realität – dem > 10,20 Euro > 16,40 Euro > 25,60 Euro
Als einst ein alter Herr Schauplatz Wirtshaus und dem, was das
ein junges Mädchen freite Zebra erlebt. Das Zebra hilft hier nur, ta-
und ihm sein schwacher Leib buisierte Themen weiter zu abstrahieren.
nichts Gutes prophezeite, Berufsgruppenwitze sind für Menschen
sprach er zu ihr: Mein Kind, mit anderer Lebensrealität nicht verständ-
Sie wird sich ja bequemen, lich. Ein beliebter Mathematikerwitz lautet
und wird die eh’lich Pflicht beispielsweise: „Sei Epsilon kleiner Null ...“
quartalweis von mir nehmen? Darüber kann aber nur lachen, wer täglich
Ihr Wiederfragen war, in seiner Lebenswelt, in diesem Fall der der
da sie sich kaum bedacht: höheren Mathematik, damit befasst ist,
Allein wie viel Quartal dass Epsilon stets für eine Zahl größer Null
gibt’s dann in einer Nacht? steht. Auch sprachlich ist der Witz stark re-
alitätsbezogen. Meist hat er jene Form, die
Fehlleistung mit Sinn in unserer Alltagssprache am häufigsten
Die Pointe entsteht durch eine überra- vorkommt, nämlich die des Dialogs.
Humor im Humor als Das Dilbert-
schende Wendung, ein Missverständnis,
Business. Katalysator. Prinzip.
ein Wortspiel … im Normalfall jedenfalls Der lustige Spiegel
durch eine Fehlleistung, die selbst wieder In einem kleinen Ausschnitt der uns allen Gewinnen mit Witz Für Kreativität und Neues vom
einen Sinn ergibt. Am Beispiel des Scherz- vertrauten Welt passiert mit der Pointe et- und Esprit Innovation Anti-Bürohengst
gedichtes von Riederer ist das schön zu zei- was Überraschendes, Absurdes. Eigentlich Humor auf echt Deutsch Humor und Kreativität Die endgültige Wahr-
gen: Die Fehlleistung besteht darin, nicht eigenartig, dass wir darüber lachen. Den er-lesen: „Mit Leitfäden, als zwei Seiten einer heit über Chefs, Konfe-
zu wissen, was ein Quartal ist. Der Sinn be- meisten Menschen machen unbekannte Checklisten und Tipps, Medaille erkennen, die renzen, Manager und
steht darin, Vernunftsehen zwischen alten Wendungen und das Absurde nämlich nor- die konkret für die Pra- Lust am Schöpferischen andere Martyrien aus
Herren und jungen Mädchen kritisch zu malerweise Angst. Hier ist es wohl ähnlich xis aufbereitet sind.“ anfachen und systema- der Sicht des Cartoon-
hinterfragen. Und letztendlich wird nicht wie beim Film: Wir mögen Thriller, solange > Eva Ullmann und tisch neue Ideen finden. Helden Dilbert.
klar, wer wirklich der Dumme ist: das Mäd- wir auf der Couch liegen. Auch im Witz sind Albrecht Kresse > Helmut Schlicksupp > Scott Adams
chen, das ein Fremdwort nicht kennt, oder andere die Dummen, sie brechen Tabus, er- > Cornelsen Verlag > Vogel Verlag Und Druck > Redline Wirtschaft Verlag
der Mann, der doch so klug daherredet, sich leben abstruse Situationen oder scheitern > 15,40 Euro > 27,60 Euro > 10,20 Euro
aber auf eine Situation einlässt, die er nicht am Doppelsinn von Wörtern. Insgeheim
wird meistern können. wissen wir, dass wir selbst diese anderen
sein könnten. Die Auflösung ins Absurde
Tabubruch ohne Angst macht es uns gleichzeitig leicht, von zu viel
Der Überraschungseffekt ist zwar der of- und damit schmerzender Identifikation
... zum Ansehen
fensichtlichste, aber doch nur ein Teil der Abstand zu nehmen. Der Witz ist vergleich- www.witz.at
Magie der Pointe. Freud macht in seiner be- bar mit einem Blick in den Konvexspiegel failblog.org
rühmten Abhandlung „Der Witz und seine eines Spiegelkabinetts. Wir können darüber
Beziehung zum Unbewussten“ den Lustge- lachen, wie dick wir sind, weil der Spiegel
winn durch den Tabubruch deutlich. Beim gleich noch mal so dick aufträgt.
Witzerzählen sprechen wir Dinge aus, die
... zum Selbermachen
sonst unter die (Selbst-)Zensur fallen. Das www.geocities.com/siliconvalley/lakes/6040/witzgen.htm
alleine ist aber noch nicht witzig. Erst wenn
wir tabuisierte Dinge so aufbereiten, dass
ihnen das Schreckliche genommen wird,
können wir darüber lachen. Nicht von un-
... zum Kaufen
gefähr erfreut sich der politische Witz in www.toonpool.com
„Hinter jedem
humor...

Diktaturen besonderer Beliebtheit. Der ge- www.fotosearch.de/lushpix-illustration/


fürchtete Diktator wird dabei zum dum- lustige-illustrationen-aus-der-geschaeftswelt/UNN132
men Trottel ohne Macht. Selbst der Tod Witz verbirgt www.karikaturen.com
wird entpersönlicht. Ein Witz über Krieg sich eine traurige www.glasbergen.com
und Massenmord während des Nationalso-
zialismus lautete beispielsweise: Was un- Realität. Natürlich
terscheidet den Nationalsozialismus vom
Christentum? Im Christentum starb einer
verbirgt sich ... zum Mieten
für alle … hinter allem eine www.miet.ch/mieten-attraktion-unterhaltung-entertainer-clown

Törichte Klugheit
traurige Realität.
Doch auch damit ist das Wesen der Poin- Aber beim Witz
te noch nicht restlos geklärt. Ihr vielleicht
wichtigstes Kriterium ist das Spannungs-
ist wenigstens ein
feld, in dem sie liegt, nämlich zwischen Witz davor.“
Realität und Absurdität. Schopenhauer Gunkl, Kabarettist und
sagt, beim Witz würde die „strenge, uner- Experte für eh fast alles
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

14 Sprache

Worthülsen Spaß vs. Spass


zum Schießen Was für ein Spass –
Kleine und doch ganz ernst gemeint!
Kunden-Hoppalas Da las Egger & Lerch-Redakteurin Renate Süß in
der 24. Ausgabe des Duden doch glatt, in Öster-
Aus ein paar Stichwörtern oder reich dürfe man statt Spaß auch Spass schreiben.
Sätzen eine gute Geschichte zu Ausgerechnet hier und nicht in Deutschland, wo
machen … das ist die Aufgabe wir doch Spaß mit wesentlich längerem a spre-
einer Redakteurin oder eines chen als unsere nördlichen Nachbarn und daher
Redakteurs. Man ist dabei mit das ß noch viel stärker gerechtfertigt ist. Da gab es
spannenden, berührenden oder nur eines: eine Anfrage bei der Dudenredaktion!
informativen Inhalten kon- Die Antwort allerdings … auch (k)ein Spaß!
frontiert. Und manchmal gibt
es zwischendurch auch viel zu Sehr geehrte Frau Süß,
lachen … vor allem dann, wenn
in der Tat ist die Varianz der Aussprache von „Spaß“ in Deutschland wie
Kunden schnell mal was aufno- in Österreich komplizierter, als es der in erster Linie auf die Orthografie
tieren … bezogene knappe Eintrag im Rechtschreibduden suggerieren kann.

Hier zunächst ein Auszug aus dem Dudentaschenbuch „Wie sagt man in
… oder gleich Österreich?“, das die schwierige Datenlage ausführlicher erklären kann als
Magie? „Preiselbeer- ein Rechtschreib- oder Bedeutungswörterbuch:

creme mit einem „Wie im gesamten Sprachraum gibt es auch in Österr. sowohl die lange
als auch die kurze Aussprache. Durch die Dialektentwicklung im Mittel-
Hauch von Pfeffer bairischen [Anm.: Hier ist der ursprüngliche Dialekt Bairisch gemeint,
verzaubert Sie also keineswegs „Bayrisch“ mit Bezug auf die politische Landkarte] wurde
urspr. Kürze zur Länge, nur in der älteren Bürgerschicht ostösterr. Städte
in eine exotische blieb die Kürze erhalten. Andererseits ist für einen Großteil der österr. Zu-
Genusswelt.“ schauer von deutschen TV-Programmen die deutliche Kürze bei deutschen
Sprechern auffällig [Anm.: Bei den meisten Sprechern aus Deutschland
hört man den Unterschied zwischen Gespanntheit und Ungespanntheit
bzw. Länge und Kürze eines Vokals generell viel deutlicher als bei öster-
Personalabbau reichischen Sprechern], sodass die Kürze des a sogar als Kennzeichen des
in wirtschaftlich (nord)deutschen Sprachgebrauchs angesehen wird. So kommt es, dass
je nach Region und Schicht von den einen die kurze, von den andern die
schwierigen Zeiten lange Aussprache des a als österr. Norm angesehen wird.“
… „Bitte von mir
keine gesonderte Scharf und groß Nun ist qua amtlicher Rechtschreibregelung (genauer: nach der zugehö-
rigen amtlichen Wortliste) die Schreibvariante „Spass“ nur in Österreich

Personenbeschrei- Ein Buchstabe wird erwachsen neben „Spaß“ zulässig. Rechtfertigen lässt sich diese Schreibung durch
die Aussprache mit kurzem a. Der Eintrag im Rechtschreibduden soll also
bung machen. Das scharfe S hat es nicht leicht. Ähnlich dem Blinddarm ist es ein bedeuten: Spaß wird überall mit ß geschrieben. Wenn man das Wort mit
kurzem a ausspricht, dann darf man es in Österreich stattdessen auch
Lassen Sie mich bei kleines Kuriosum von kaum erkenntlichem Zweck, stets bedroht,
operativ entfernt zu werden, sollte es sich erdreisten, um Auf- mit Doppel-s schreiben. Streng genommen soll damit nicht gesagt werden,
meinen Kollegen merksamkeit zu haschen. dass diese Aussprache typisch für Österreich sei; nur die orthografischen
So fristet das ß ein Schattendasein zwischen all den „echten“ Konsequenzen sind in Österreich anders als in Deutschland.
einfach einfließen.“ Buchstaben. Selbst die Um- und Zwielaute blicken spöttelnd auf
die historisch gewachsene Ligatur von langem S ( ) und Z herab, Die Darstellung in der 40. Auflage 2006 des Österreichischen Wörterbuchs
geben ihr Kosenamen („Straßen-S“, „Buckel-S“, „Rucksack-S“) ist ganz ähnlich, nur dass sie sich nur auf die orthografischen Regeln in
… schließlich ganz und erinnern sie an die Schweiz, die in den 1970er-Jahren den
Gebrauch von scharfen Buchstaben abgeschafft hat. Ein echter
Österreich bezieht und daher statt „österreich. auch“ ein einfaches „auch“
genügt:
drastische Personal- Buchstabe, so geht die Rede, hat auch eine Versalform – „zu
kürzungen? „Könnte Repräsentationszwecken“.
In genau diesem Punkt besteht seit April 2008 Aussicht auf Bes-
„Spaß [mit unterstrichenem a zur Kennzeichnung der Länge] der, -es/
Späße, auch: Spass [mit Punkt unter dem a zur Kennzeichnung der Kürze],
man die Nase weg- serung: Auf Initiative des Deutschen Instituts für Normung (DIN) -es/Spässe (...)“
retuschieren? Da wurde der Unicode-Zeichensatz um den Großbuchstaben des ß
erweitert. Statt STRASSE gibt es nunmehr auch STRAẞE. Endlich Mit herzlichem Dank für Ihre Nachricht grüßt Sie
ist so ein hässlicher wird auch die Unterscheidung von MASSE und MAẞE mög- Sandra Harris, Kundenservice

Pickel drauf.“ lich. Genannte Initiative bleibt aber ohne Auswirkungen auf die
Orthografie, weil sie einen rein technischen Zeichensatz betrifft Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG
– und den nur in Deutschland. Eine eigene Taste ist ebenso wenig Dudenstraße 6, 68167 Mannheim
vorgesehen wie die Einführung des Versal-ß in Österreich.
Mehr unter: www.signographie.de

Federspitzen
Wenn Innovation nur alt aussieht ...
Wer hat es nicht satt, vom tausendsten Unternehmen zu lesen, wie innovativ es ist und dass Innovation und Tradition
zu Lösungskompetenz verschmelzen … Von allen populären Worthülsen gehört das relativ junge Wörtchen innovativ
wohl zu den meiststrapazierten im deutschen Sprachraum. Text: Renate Süß

Lateinisch innovatio bedeutet nicht mehr wichtiger Wissenschaftszweig. Sie unter- bis zum für Innovationen offenen Hunde- hohler Phrasen ist, könnte man beinahe
und nicht weniger als „etwas neu Geschaf- scheidet zwischen Erfindungen und Inno- frisör ist alles dabei. vergessen, wenn – ja, wenn nicht mittler-
fenes“. Im deutschen Sprachraum ist das vationen. Die Erfindung nämlich geht über weile schon fast jedes Unternehmen diese
Wort innovativ sehr jung. Im Grimmschen den Zeitraum von der Idee bis zum ausge- Tatsachen statt Worthülsen wohlklingenden Floskeln benutzen würde.
Wörterbuch, der wohl bedeutendsten Wör- reiften Produktionsprozess. Die Innovation Besonders beliebt ist die Formulierung „in- Deshalb: Hände weg von zu viel Innovation!
tersammlung des 19. Jahrhunderts, findet dagegen zielt stärker auf die Wirkung des novative Lösungen“. Es scheint, dass jeder Besser, man lässt sich etwas Innovatives,
sich kein Eintrag. Auch die gesamten 922 Produktes nach außen. Und diese Wirkung Betrieb, der etwas auf sich hält, solche an- Verzeihung, Neues, einfallen. Oder noch
Bände der Fackel, einer satirischen Zeit- nach außen haben Werbung und Wirtschaft bietet. Auch der Satz „Wir verbinden Inno- besser: man lässt ganz einfach Tatsachen
schrift, die in den Jahren 1899 bis 1936 vom für sich entdeckt. Sie muss natürlich dyna- vation und Tradition“ ist im Werbesprech sprechen. Dem Kunden ist schließlich ein
Sprachfanatiker Karl Kraus herausgegeben misch (noch so ein vielstrapaziertes Wort), allgegenwärtig. An einer Fachhochschu- Putzmittel, das ganz offensichtlich Flecken
wurde, kommen gänzlich ohne Innovati- nach vorn gerichtet und einzigartig sein. le in Magdeburg kann man „Innovatives entfernt, lieber als eines mit innovativer
onen aus. Erst in den 1960er-Jahren wird Ganz egal, um welches Produkt oder Unter- Management“ sogar studieren, um nachher Rezeptur. Und der Investor vertraut lieber
das Wort bei uns populär. Zu Beginn haupt- nehmen es sich handelt. Deshalb ist heute auf seine Homepage schreiben zu können: auf harte Wirtschaftsdaten als darauf, dass
sächlich in wirtschaftstheoretischen Ab- von der Sportsocke bis zur Unternehmens- „Die Anforderungen an unsere Branche ein Management angeblich so innovativ
handlungen. philosophie alles innovativ. Googelt man ändern sich immer schneller. Innovative ist. Darum wäre es viel innovativer, nein –
den Begriff „innovativ“, wird man auf fast Lösungsansätze sind daher mehr gefragt glaubwürdiger –, das Wörtchen innovativ
Sportsocken und ihre Wirkung nach außen zwei Millionen deutschsprachige Seiten denn je …“ Klingt doch gut, oder? Dass die wenigstens für eine Weile mal aus unserem
Die Innovationsforschung ist bis heute ein verwiesen. Vom innovativen Fahrradverleih Aussage dahinter eine Aneinanderreihung Sprachgebrauch zu verbannen!
Sprache 15

Lektor Böck Er braucht kein Labor, und als technische


Hilfsmittel nur Rotstift und Lesebrille. Und doch löst Egger
& Lerch-Korrektor Ernst Böck jeden Fall-Fehler und deckt
textliche Übertetungen gnadenlos auf. Text: Renate Süß, Fotos: Renate Süß

„Im Zweiflsfall
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

16 Bildung

Corporate Publishing:
Wer sagt, wie’s funktionieren soll?
Journalisten, Marketingfachleute, Autoren … durch Erfahrung wurden
sie zu Corporate-Publishing-Experten – mehr oder weniger als Autodidakten.
Kein Wunder: bis vor Kurzem gab es keine CP-Ausbildungen. Dünn gesät sind
die Angebote nach wie vor. Text: Renate Süß

C orporate Publishing boomt. Im-


mer mehr Kunden setzen auf
echte Information in der Unter-
nehmenskommunikation, an-
statt in klassische Werbung mit ihren hohen
Streuverlusten zu investieren. Laut Forum
Corporate Publishing (FCP) wurden 2007 al-
ternehmensbrille auf“, stößt Frank Bayer,
Geschäftsführer der CP-Agentur Trurnit und
ebenfalls Mitbegründer des CP-Lehrganges
an der Universität Leipzig, in dasselbe Horn.
Der Wunsch nach speziellen Corporate-
Publishing-Ausbildungen ist eine logische
Folge.
Hier wird bereits seit drei Jahren ein spezi-
alisierter Lehrgang für Studenten der Kom-
munikationswissenschaften im Umfang von
drei Semestern angeboten. Das Programm
beinhaltet eine Ringvorlesung, eine Semi-
nar- und Übungsphase und eine Projekt-
werkstatt, in der die Studenten eine Zei-
Österreich hat Aufholbedarf
Für die kommunikationswissenschaftliche
Fakultät der Universität Wien ist Corpo-
rate Publishing laut Universitätsassistentin
DDr. Julia Wippersberg
kein explizites
Thema. Offe-
lein in Deutschland rund 5 Milliarden Euro tung für ein Unternehmen konzipieren. ner steht man
damit umgesetzt, Tendenz steigend. Die Alles in Schwebe Professor Bentele, der den Lehrstuhl der Unterneh-
Wachstumsrate liegt bei etwa 18 %. Mittler- Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Cor- für Öffentlichkeitsarbeit an der Univer- menskom-
weile ist die hohe Wirksamkeit gut gemach- porate Publishing wird schon lange gemacht. sität Leipzig inne- munikation
ter Corporate-Publishing-Medien unbestrit- Die ersten Unternehmenszeitungen gab es hat, sorgt für die an der Uni-
ten und in zahlreichen Studien belegt. bereits im 19. Jahrhundert. Egger & Lerch be- versität Salz-
treut die älteste Mitarbeiterzeitschrift Öster- burg gegenüber.
Unternehmensbrille statt Objektivität reichs, den „Kontakt“ des Verbund, der schon Explizite Angebote
Aber auf gut gemacht kommt es eben an. Ob seit über einem halben Jahrhundert existiert. im Bereich Corporate
Print, das mit rund 80 % den Hauptteil aller Aber Effizienzauswertung und Analyse von Publishing gibt es hier
Corporate-Publishing-Aktivitäten ausmacht, Corporate-Publishing-Medien sind ein ganz aber genauso wenig wie
Web, TV oder anderes: zielgruppengerecht junges Feld. Man kann hier auf keine wis- an der Donauuniversität
aufbereitete Information steht im Vorder- senschaftliche Tradition oder Stan- Krems.
grund. Kein Wunder, dass Corporate Publi- dardwerke zurückgreifen. Nicht
shing lange ein Tätigkeitsfeld hauptsächlich einmal eine einheitliche Defi- Kurse für
für Journalisten war. „Es genügt aber nicht, nition des Begriffes Corporate Marketingfachleute
das journalistische Handwerk zu beherr- Publishing existiert. Daher ist Das Forum Corporate
schen“, betont Dr. Tobias Liebert, Kommuni- es schwierig zu entscheiden, Publishing bietet seit
kationswissenschaftler und -berater sowie welche Lehrinhalte für eine 2004 Seminare an. „Diese
Mitbegründer des CP-Lehrganges an der fundierte CP-Ausbildung re- Grundlagenkurse wenden sich an die Basis,
Universität Leipzig: „Corporate Publishing levant sind und welche nicht. also an jene Leute, die in irgendeiner Wei-
arbeitet mit journalistischen Methoden, ist se mit Corporate Publishing zu tun haben“,
aber kein Journalismus. Auftragspublizistik Studium mit Praxisteil wissenschaftliche Fun- umreißt FCP-Geschäftsführer Michael Höf-
hat ihre eigenen Regeln. Es braucht hier ein Dementsprechend unterschied- dierung. Als Referenten lich die Zielgruppe. Hier geht es weniger um
anderes Berufsverständnis. Der Corporate lich sind auch die wenigen Ausbil- aus der Praxis treten eine Ausbildung zum Corporate-Publishing-
Publisher muss sich auch in den Bereichen dungsangebote. Eine hauptsächlich Corporate- Experten als vielmehr um Schulungen für
PR und Marketing auskennen.“ „Während CP-Vorreiterrolle hat Publishing-Dienstleister und Mar- PR- und Marketingfachleute explizit in die-
der klassische Journalist nach Objektivität die Universität Leip- ketingfachleute auf. Ab Oktober 2009 wird sem Bereich.
strebt, setzt der Corporate Publisher die Un- zig übernommen. es darüber hinaus auch einen berufsbeglei-
tenden postgradualen Masterstudienlehr- Und bei Egger & Lerch?
gang für Corporate Publishing im Umfang Im Bereich der Grafik ist alles ganz einfach:
von drei Semestern geben. „Wir werden Auf die allgemeine grafische Ausbildung
dabei die drei Säulen des Corporate Publi- folgt die Spezialisierung auf das Layouten
shing, nämlich PR, Marketing und journa- von Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften.
listisches Handwerk, mit Medienökonomie Erfahrung und Weiterbildung tun ein Üb-
und einem Praxisteil verknüpfen“, konkre- riges, um aus einem guten Grafiker den bes-
tisiert Dr. Tobias Liebert. seren Zeitungsgestalter zu machen.
Im Text und Konzeptionsbereich müssen
Praktiker gehen in die Schweiz die Mosaiksteinchen der verschiedenen
Am vielfältigsten ist das CP-Bildungsan- Anforderungen an Corporate Publisher von
gebot in der Schweiz. Die Hochschule für jedem selbst zusammengefügt werden. Wie
Technik und Wirtschaft in Chur bietet eine weit die Ausbildungen hier gute Arbeit leis-
viersemestrige Ausbildung, die nicht so sehr ten, wird sich erst in einigen Jahren zeigen.
journalistische Grundkompetenzen als viel- Bei Egger & Lerch wird Diversität jedenfalls
mehr kommunikations- und unterneh- groß geschrieben. Die Redakteure haben
mensstrategische Grundlagen vermitteln journalistische Wurzeln und Werbe- bezie-
soll. In Kooperation mit dem FCP kommt hungsweise PR-Erfahrung. Geschäftsführer
Mitte dieses Jahres auch der Lernort Klaus Lerch ist gelernter Jurist, hat aber
München dazu. „Uns ist der Marketing- schon während seines Studiums lieber Zei-
schwerpunkt in der Ausbildung wich- tungen gemacht als Gesetzbücher gewälzt.
tig. Journalistische Ausbildungen gibt Sein journalistisches Handwerkszeug
es ja ohnehin genug“, argumentiert stammt aus Seminaren, vor allem aber aus
Michael Höflich den eher einseitigen praktischer Arbeit in Tages- und Wochen-
Lehrplan. Eine mit Chur kombinier- zeitungsredaktionen. Renate Süß ist Lite-
bare Ausbildung kann am Schweize- raturwissenschaftlerin und Historikerin,
rischen Public Relations Institut in hat Erfahrung in der Eventabwicklung und
Zürich absolviert werden. Auch hier arbeitet ehrenamtlich im Kulturmanage-
handelt es sich formal um eine post- ment.
graduale Ausbildung, die aber, wie Last but not least die vielleicht wichtigste
die meisten Fachhochschulen, auch Eigenschaft für Corporate Publisher: Das In-
ohne vorheriges Hochschulstudium teresse für fast alles: von Energiewirtschaft
absolviert werden kann, sofern Be- bis Katzenpsychologie. Aber das macht den
rufserfahrung vorliegt. Job erst richtig spannend …
Gestaltung 17

Glokalisiertes
Design
Lokale Gestaltung – Trend: Lokale Gestaltung Kleine Agenturen und lokal verankerte
lebendige Designer nutzen ihre Chance. Sie geben den Menschen Orientierung und
Stadttypografie ein verlorenes Heimatgefühl zurück. Ein Bericht über den kommenden Trend
„lokale Gestaltung“. Text: Christian Gutschi, Fotos: Martin Ulrich Kehrer
Das Fotobuch „Stadtalphabet Wien“
widmet sich der Typografie von Fassadenbe-
schriftungen und Aushängeschildern kleiner
Geschäfte und Gewerbetreibender im Stadt-
raum Wien. Es versteht sich als Momentauf-
nahme und schärft so die Wahrnehmung
dafür, was das Konzept Stadt charakterisiert:
Buchstaben, Schriftzüge, Wortfolgen. Das
Auswahlkriterium der Einzigartigkeit ist ein
Subjektives: So werden Typografien mit All-
tagspatina dokumentiert, die durch die ver-
wendeten Materialien, die Gestaltung oder
den äußeren Zustand bestechen. Es handelt
sich um obsolet gewordene und beinahe
verloren gegangene Schrift- und Buchsta-
bensysteme, von denen nach Jahren der
Verwitterung nur noch Spuren wahrnehm-
bar sind. Zum anderen nimmt das Fotobuch
auch Bezug auf zeitgenössische Tendenzen
in der Schriftgebung; formale und material-
bezogene Aspekte der Typografie, die vom
uniformen Corporate Design multinationaler
Handelsketten und billiger Einheitsgestal-
tung kleiner Handelstreibender Abstand
nimmt. Einige Beschriftungen verschwinden
und werden durch neue ersetzt, andere
werden wieder entdeckt und gepflegt, da
ihnen oft eine starke visuelle Kraft und
Einzigartigkeit innewohnt. Dieser ständige
Wechsel, das Umbauen und Ausweiten, das
Auftauchen und Verschwinden ist nicht nur
ein Indiz für eine lebendige Stadt, sondern
auch für die Vitalität von Typografie auf dem
Hintergrund lokaler Gestaltung.

Martin Ulrich Kehrer durchstreifte Wien


jahrelang mit der Kamera, er machte dabei
über 2.000 Fotos, von denen sich nun
200 im „Stadtalphabet Wien“ wiederfinden.
Dazu gibt es einen Stadtplan mit Markie-
rungen, wo die einzelnen typografischen

D
Perlen zu finden sind. Gerade bei einer
solchen Stadtwanderung entdeckt der
aufmerksame Betrachter die Notwendigkeit ie Tage des globalen, aus-
lokaler Gestaltung und dass Wien davon
Heisse: Genochplatz –
Wien 22, tauschbaren, gesichtslosen „Ich erlebe, dass die
nicht nur Altes, sondern auch eine ganze Donaustadt.
Ästhetik: Allerheili-
Mainstreamdesigns sind ge- Menschheit nicht
Menge neuer Beschriftungen zu bieten hat. zählt. Diesen Trend beob-
genplatz – Wien 20,
Brigittenau. achtet auch der in New York lebende Gra- damit zufrieden ist,
fikdesigner Stefan Sagmeister, wie er dem
Autor bei seinem letzten Wien-Besuch in
dass es überall gleich
einem Gespräch erzählt: „Ich glaube, dass ausschaut.“
die Entwicklung insgesamt wieder zu einer Stefan Sagmeister sieht
lokaleren Gestaltung führen wird. Ich erle- lokale Gestaltung als den großen,
be, dass die Menschheit nicht damit zufrie- kommenden Trend
den ist, dass es überall gleich ausschaut.“
Sagmeister, Österreichs berühmtester Gra-
fikdesign-Pionier weiß, wovon er spricht,
sind seine Arbeiten doch ausnahmslos da-
durch charakterisiert, Identität und unmit- p Authentizität: Lokale Gestaltung wirkt
telbares Umfeld seiner Kunden in eine pas- echt, spontan und ehrlich, sie passt sich
sende, unverwechselbare visuelle Sprache der jeweiligen Sprache und dem Erschei-
zu kleiden. nungsbild der Umgebung an bzw. tritt mit
dieser in Wechselwirkung.
Was ist lokale Gestaltung? p Abwechslungsreichtum: Es gibt keine
Ist es eine Mischung zwischen provinzialis- gestalterischen Patentrezepte, jeder noch
tischer Heimattümelei am Land und klein- so kleine Laden, Einzelunternehmer oder
kariertem Grätzeldenken in der Stadt? Sind jede noch so abwegige Geschäftsidee er-
die Begriffe „Heimat“ und „Design“ nicht in hält ein Logo, Firmenschild oder sogar
sich ein Widerspruch? Denn gerade Heimat eine Corporate Identity auf den Leib ge-
Kehrer, Martin Ulrich: Stadtalphabet Wien. ist ja das Gewachsene, was wir eben nicht schneidert.
Mit einem Nachwort von Walter Pammin-
designed haben. Diese Widersprüchlichkeit p Geschäftsfreunde: Die Beziehung zwi-
ger, 128 S. ¢ 16,– , ISBN 978-3-85449-300-6;
ist im Februar 2009 erschienen. löst sich auf anhand der charakteristischen schen Geschäftspartnern bzw. zu den
www.stadtalphabet.at Eckpunkte der Entwicklung von lokaler Ge- Kunden ist eine freundschaftliche –
staltung, die jetzt überall passiert:
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

18 Gestaltung

lokale Gestalter sind nicht nur Designer, Musterland Vorarlberg die höchste Dichte an Grafikdesignern, was
sondern unterhalten soziale Beziehungen Das beste Beispiel für die Nachhaltigkeit am optischen Erscheinungsbild der vielen
zu ihren Auftraggebern. von lokaler Gestaltung ist die Designsze- jungen Shops abzulesen ist. Ähnliche Viertel
p Community: Unter den Gestaltern ne in Vorarlberg, wo jeder noch so kleine sind im 5. Bezirk (Schlossquadrat) und im 2.
herrscht ein reger fachlicher, aber auch Handwerksbetrieb, Dienstleister oder ganze Bezirk (Karmeliterviertel) oder rund um den
sozialer Austausch. Andere Gestalter, Kon- Gemeinden sich völlig selbstverständlich Yppenplatz im 16. Bezirk entstanden. Wien
kurrenten werden nicht als Geschäfts- einen professionellen grafischen Auftritt verfügt über eine meist nur unterschwellig
feinde gesehen, sondern als Bereicherung leisten. Das geht von einem auf die lokalen wahrgenommene, eindrucksvolle Dichte an
im Sinne der Vielfalt. Gegebenheiten abgestimmten Geschäfts- öffentlicher Beschriftung, die im wahrsten
p Kleine Büros: Lokale Gestalter sind keine schild bis hin zu einer die örtliche Größe be- Wortsinn auch unter lokale Gestaltung fällt.
Großagenturen, sondern bleiben bewusst tonenden Corporate Identity. In diesem Fall 200 dieser Schriftzüge im öffentlichen Raum
klein, weil sie das finanziell wendig und spielt naturgemäß die Nähe zur Schweiz hat der Grafikdesigner Martin Kehrer in sei-
unabhängig macht; zudem produzieren eine gewichtige Rolle, die inmitten einer nem Buch „Wiener Stadtalphabet“ dokumen-
große Agenturen zusehends Meinungs- globalisierten Welt ihre Tradition lokal ge- tiert, eine Schau an charaktervollen Schildern
verschiedenheiten und Missverständ- prägter Gestaltung hochhält und damit einer fast schon vergangenen Epoche leben-
nisse. gleichzeitig schon wieder so etwas wie ein diger lokaler Gestaltung. Ein schöner Kon-
Trendsetter wird. trast inmitten heutiger, grätzeltypischer und
Auf der momentanen Spitze dieser Entwick- identitätsstarker und ortsgebundener visu-
lung befindet sich die Hamburger Agentur Lokale Gestaltung in Wien eller Sprache im öffentlichen Raum, der ihre
„Heimatdesign“, die sich als Plattform für Der 7. Wiener Bezirk (Neubau) – in dem üb- große Blütezeit noch bevorsteht.
junges Design aus der Region versteht und rigens auch Egger & Lerch residiert –, hat
damit großen Anklang findet.

Radio: Hernalser Psychologie des Heimatgefühls


Hauptstraße – Die hier skizzierte Entwicklung ist Teil einer
Wien 17, Hernals
Lebenseinstellung, die unter dem Schlag-
Lieselott: Landstraßer
Hauptstraße – wort „Glokalisation“ in den Vordergrund
Wien 3, Landstraße tritt. Gemeint ist damit jenes Lebensgefühl,
global zu denken und zu kommunizieren,
aber auf einem lokalen Fundament zu agie-
ren und dieses auch zu betonen. Dazu der
Zukunftsforscher Matthias Horx in einem
Vortrag: „In der globalen Welt gewinnen
die Regionen wieder an Bedeutung – durch
Informations- und Kommunikationstech-
nologien, aber auch durch die Möglichkeit,
zum ersten Mal bestimmte Kräfte und Wir-
kungen, die auf die Metropolen hingelaufen
sind, umzudrehen.“
Psychologisch gesehen ist diese Entwick-
lung gut nachvollziehbar. Besonders junge
Leute und junge Familien organisieren sich
wieder verstärkt in sozialen Verbänden –
vergleichbar dörflichen Strukturen – sozu-
sagen als Gegentrend zu extrem individu-
alisierten Lebensformen. Das menschliche
Grundbedürfnis nach Heimat, nach Zuge-
hörigkeit, nach einem Zuhause wird sicht-
bar stärker und erhält durch lokal geprägte
Gestaltung seine entsprechende visuelle
Ausdrucksform. Shoppingmeilen mit ihren
austauschbaren Geschäften und triste Ein-
fahrtsstraßen von Provinz- wie Großstädten
mit den ewig gleichen Geschäftsansamm-
lungen bekommen dadurch starke Konkur-
renz. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass
identitätsstiftendes Design und ebensolche
Gestaltung, die Orientierung und Halt ver-
mitteln, jene visuelle Ausdrucksformen
sind, die den Menschen näher stehen.

„Österreichisches Grafikdesign im 20. Jahrhundert“


von Anita Kern. Anhand der wichtigsten österreichischen Gestalterpersönlichkeiten wird deutlich, wie wichtig
die lokale Verankerung dieser Leute war und ist. Die erfolgreichsten grafischen Arbeiten sind ausnahmslos von
Buchtipps

Einzelpersonen oder kleinen Units gekommen. So entstand österreichisches Design mit Weltgeltung, das
es ohne die lokale Grundierung der Ausführenden nicht gegeben hätte.

„Design Ecology! Neo-grüne Markenstrategien“


von Jutta Nachtwey. Ökologie und Nachhaltigkeit sind die großen Designtrends
dieser Zeit und ohne lokal geprägte Gestaltung undenkbar. Mit über 70 ausführ-
lich beschriebenen Beispielen, die wiederum global erfolgreich sind.
Gestaltung 19

Sündenregister

Bunter
Überfluss
Farbdruck ist billig geworden – zu Hause,
im Büro und für Zeitschriften. Doch Farb-
einsatz im Überfluss macht Publikationen
schlechter statt besser. Unser neues
Sündenregister ist auch ein Plädoyer für
den Verzicht.
Busanzeige, Geschäftsportal, Druckereirechnung, Website: Die Comic Sans verschont nichts und niemanden.

1. Du sollst nicht
FRUTIGER

( )

bunt
Serifa (1967)
xxx xxxx xxx xxx
Der Schweizer

„I hate Comic Sans“


Adrian Frutiger Frutiger (1976)
(80) ist neben dem
deutschen Her- Glypha (1980)
mann Zapf (90)
der letzte lebende

machen, was schwarz-weiß besser


Typograph, der mit Avenir (1988)
seinen Schriften
die zweite Hälfte Vectora (1991)
des 20. Jahrhun-
derts maßgeblich
geprägt hat. Sein
Gesamtwerk liegt
nun in Buchform

funktioniert. Am besten lesbar sind


dokumentiert vor:
eine Fundgrube
für Gestalter, ein
spannendes Stück Frutiger ist ein unermüdlicher Verbesserer
Zeitgeschichte. seiner eigenen Schriften. Von der Avenir und
Text: Mag. Christian Gutschi, der Frutiger sind bei Linotype unter dem
Fotos: Frutiger. Das Gesamt- Zusatz „next“ sichtlich verbesserte digitale
Versionen erschienen. Leider existieren viele
werk. Birkhäuser Verlag, Basel
schlechte Schriftplagiate, wie etwa jene der

Texte immer noch schwarz auf weiß.


Univers, die unter den Namen „Swiss“ oder
„Zurich“ immer noch auf Windows-Rechnern
kursieren.

neu entdecken
Schriftquelle: Die von Frutiger selbst bis
ins kleinste Detail für das digitale Zeitalter
nachbearbeiteten Schriften gibt es exklusiv
nur bei Linotype (www.linotype.com), Fru-
tiger verbindet mit dem Schriftenhaus eine

Um Seiten zu gliedern, sind farbige


langjährige Zusammenarbeit, vor allem in
den letzten Jahrzehnten.

S eine Schriften finden sich so gut


wie auf jedem PC: „Univers“ und
„Frutiger“ zählen zu den welt-
weit meistverwendedsten Fonts.
male auf. Das Schriftbild ist geprägt durch
eine besondere Ausgewogenheit und Gleich-
mäßigkeit. Dazu sagt Frutiger: „Man könnte
das einen persönlichen Stil, eine Form-
daher ist eine rein geometrische Schrift (wie
die Futura) auf Dauer nicht haltbar.“ Das Pro-
jekt „Univers“ hätte bei einem Mißerfolg die
Firma in den Ruin gestürzt. Für die 21 Schnit-

Kästen manchmal sinnvoll – aber


Nie sind sie aus der Mode geraten, gerade Konvention nennen […] ein Mix aus meiner te der Univers mussten über 35.000 Stempel
weil sie sich oberflächlichen Trends entzie- Persönlichkeit und meinen beiden Lehrern in höchster Präzision angefertigt werden, zu

Dank sei Bob. Seit dem misslungenen Urzeit-Projekt „Bob“


hen. Die Lettern des nunmehr 80jährigen (Walter Käch, Alfred Willimann) […] dass den damaligen Bleisatzzeiten eine wahnwit-
Schriftkünstlers verhelfen nahezu jedem dem Germanischen mit dem Lateinischen zige Idee für eine Schrift, von der man nicht
Inhalt zu einem passenden Ausdruck: von zusammen eine Mischung und einen ganz wusste wie sie sich verkaufen würde. Die
einfachen Werbefoldern über Zeitungen, persönlichen Ausdruck gegeben hat.“ Und Univers war somit die erste Universalschrift
Zeitschriften, Plakate, Logos bis hin zur Be- genau dieser persönliche Ausdruck, der in mit sovielen Schriftschnitten, dass sie für An-
schriftung im öffentlichen Raum. jeder seiner Schriften sichtbar und spürbar wendungen aller Art zum Einsatz gelangen
wird macht die Beliebtheit seiner Fonts aus. konnte. Frutiger selbst sage, er wollte eine
Zeitlose Schriftschöpfungen. Auf diese Weise werden sie zu einem unver- Schrift machen, die gut lesbar ist und in PR-

nur mit Maß und Ziel.


Was aber machen gerade die Schriften von zichtbaren Gestaltungsmittel für professio- und Werbekampagnen „knallt“. Heute gipfelt
Frutiger so einzigartig? Das Geheimnis der nelle Layouter wie für Normalverbraucher, diese Entwicklung darin, dass viele Schriften
Beliebtheit seiner Schriftformen liegt primär die ihren gedruckten Botschaften einen be- speziell für Corporate Designzwecke gestaltet
in der konsequenten Erweiterung seines sonderen und passenden schriftlichen Aus- und mit einer Fülle von Schnitten ausgestat-
Erfahrungsschatzes. Er entwickelte seine druck verleihen möchten. tet werden. So etwa die Linotype „Compatil“
Schriften in enger Verbindung mit allen satz- oder die „Thesis“ mit über 140 Varianten. Im
technischen Erneuerungen – vom Fotosatz Meilensteine der Formensprache. Gegensatz zu Frutigers klar nachvollzieh-
über computerlesbare Schriften bis zu digi- Frutiger hatte das Glück für Charles Peignot, barem ästhetischen Konzept einer gut aus-
talen Fonts. Und zudem sind Leserlichkeit, Geschäftsmann und visionärer Schriftgießer gebauten Schrift für unterschiedlichste Zwe-

von Microsoft begegnet uns die Comic Sans an den


der effiziente Transport von Inhalten wie im Paris der 1950er Jahre arbeiten zu dürfen. cke, lösen sich heutige Schriftschöpfungen
auch die ästhetische Schönheit des Schrift- So konnte Frutiger seine Idee durchsetzen, aufgrund der Vielzahl ihrer Schnitte oft in
bilds für alle seine Schriftschöpfungen das der damals überall verwendeten Futura, eine optischer Beliebigkeit auf und bieten dem
höchste Gebot. So weisen die Werksatz- seiner Ansicht nach „zeitgemäße“ Schrift Gestalter weniger Orientierung denn mehr
schriften von Frutiger (siehe Kasten) immer entgegenzusetzen. Frutiger: „Unser Auge Verwirrung. Bei der Univers hat Frutiger mit
wiederkehrende charakteristische Merk sieht horizontale Striche dicker als vertikale absoluter Präzision von der dünnsten bis

merkwürdigsten Orten. Text: Karin Noichl, Renate Süß, Fotos: Klaus Lerch, Julia Stern

E
2. Du sollst nicht

! glauben, dass im Vierfarbdruck alle
inige Geschmacksverirrungen Comic Sans bewegt die Gemüter – mitunter
Farben dieser Welt zu reproduzieren
sind. CMYK steigt schon bei überdauern Jahrzehnte. Die kur- auch sehr leidenschaftlich. „I hate Comic
leuchtendem Orange, Blau oder ze Hose in Verbindung mit wei- Sans“ ist in diesem Zusammenhang nicht
Grün aus. Die Lösung: Fünf- und ßen Socken in Sandalen ist so nur eine persönliche Meinung, sondern vor
Mehrfarbendruck als Hingucker – ein Fall – und die Comic Sans! allem ein Beispiel für eine Gegenbewegung
oder SW + eine Sonderfarbe. Ursprünglich sollte die Comic Sans für (siehe unten). Ob dieser Schriftsatz eine
Sprechblasen zur Benutzerführung durch großartige Verbesserung darstellt, sei aller-
die Software Microsoft Bob 1994 kreiert dings dahingestellt.
werden. Sie wurde für dieses Projekt zu
3. Du sollst nicht zu viele spät fertig, erhielt jedoch kurz darauf einen Alternativen gesucht?
Farben innerhalb einer einzigen sicheren Platz im Standardschriften-Reper- Wie man die Sache auch sehen will – kultig
Publikation einsetzen. Entscheide toire von Windows. Seit dieser totalen Ver- oder katastrophal –, man findet jede Menge
dich für 2–3 Farben und deren fügbarkeit taucht sie an den unmöglichsten alternativer Fonts im Web. Ein schönes und
Abstufungen. Ausnahme: Farbfotos Orten auf: auf Pfarrballplakaten, Druckerei- brauchbares Beispiel ist die „Comic Jens“
:-) und umfangreiche Magazine, in angeboten, Gewerkschaftsrundbriefen und von Jens Kutilek. Eine Fülle von Comic-Fonts
denen Farben ein Leitsystem bilden. Friseurwebsites, aber auch auf Taschen- serviert blambot.com, teils kostenpflichtig,
tuchspendern und Gemüsekonserven. aber durchaus leistbar. Eine generell um-
fangreiche Schriften-Datenbank bietet my-
Ungeliebt von allen Seiten fonts.com.
Typografen finden die Schriftart schlecht
4. Du sollst nicht auf die gezeichnet und ausgebaut. Unter Gestaltern

Verboten:
Farbenblinden vergessen. Rund 10 % ist sie aufgrund ihrer weiten Verbreitung
im nicht-professionellen Bereich verhasst,
”The inspiration
der Männer haben eine Rot-Grün-
Grüne Schrift auf
Sehschwäche – und auch für den Rest nicht zuletzt, weil sie häufig unüberlegt und came at the
rotem Grund
und ähnliche
der Menschheit ist grüne Schrift auf unsachgemäß eingesetzt wird. Unter „ban-
comicsans.com“ findet man eine köstliche
shock of seeing
rotem Grund eine Augenfolter.
Scheußlichkeiten. Sammlung kurioser Anwendungsgebiete. Times New
Roman used in
V. o. n. u.: an inappropriate
Comic Sans
5. Du sollst nicht rein
das verhasste
Original, das nicht way.“ Vincent Connare,
unbedingt viel Schöpfer der Comic Sans
dekorative Zwecke als Vorwand für bessere Remake
das Einfärben von Texten und eine von vie-
Deutsch verwenden. Besser: einer Farbe len brauchbaren
Englisch immer die gleiche Bedeutung Alternativen.
zuweisen (z. B. Sprachmutation).

I hate Comic Sans

Bunte Links:
kuler.adobe.com
cleverprinting.de/

Comic Jens Links:


bancomicsans.com

Schriftalternativen:
blambot.com
myfonts.com
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

20 Gestaltung

Die 14 spannendsten
Schriften von Frutiger

Ondine (1954)
Méridien (1957)

FRUTIGER Jahrhunderttypograf
Der Schweizer
Adrian Frutiger
(80) ist neben dem
Deutschen Her-
Univers (1957)
Serifa (1967)

Frutiger (1976)
Glypha (1980)
mann Zapf (90)
der letzte lebende
Typograf, der mit Avenir (1988)
seinen Schriften
die zweite Hälfte Vectora (1991)
des 20. Jahrhun-
derts maßgeblich
geprägt hat. Sein
Gesamtwerk liegt
nun in Buchform
dokumentiert vor:
eine Fundgrube
für Gestalter, ein
spannendes Stück Frutiger ist ein unermüdlicher Verbesserer
Zeitgeschichte. seiner eigenen Schriften. Von der Avenir und
Text: Christian Gutschi, der Frutiger sind bei Linotype unter dem
Fotos: Frutiger. Das Gesamt- Zusatz „next“ sichtlich verbesserte digitale
Versionen erschienen. Leider existieren viele
werk. Birkhäuser Verlag, Basel
schlechte Schriftplagiate, wie etwa jene der
Univers, die unter den Namen „Swiss“ oder
„Zurich“ immer noch auf Windows-Rechnern
kursieren.

neu entdecken
Schriftquelle: Die von Frutiger selbst bis
ins kleinste Detail für das digitale Zeitalter
nachbearbeiteten Schriften gibt es exklusiv
nur bei Linotype (www.linotype.com), Fru-
tiger verbindet mit dem Schriftenhaus eine
langjährige Zusammenarbeit, vor allem in
den letzten Jahrzehnten.

S eine Schriften finden sich auf


unzähligen PCs: „Univers“ und
„Frutiger“ zählen zu den welt-
weit meistverwendeten Fonts.
Nie sind sie aus der Mode geraten, gerade
weil sie sich oberflächlichen Trends entzie-
hen. Die Lettern des nunmehr 80-jährigen
ristische Merkmale auf. Das Schriftbild ist
geprägt durch eine besondere Ausgewogen-
heit und Gleichmäßigkeit. Dazu sagt Fru-
tiger: „Man könnte das einen persönlichen
Stil, eine Form-Konvention nennen […] ein
Mix aus meiner Persönlichkeit und meinen
beiden Lehrern (Walter Käch, Alfred Willi-
daher ist eine rein geometrische Schrift (wie
die Futura) auf Dauer nicht haltbar.“ Das Pro-
jekt „Univers“ hätte bei einem Misserfolg die
Firma in den Ruin gestürzt. Für die 21 Schnit-
te der Univers mussten über 35.000 Stempel
in höchster Präzision angefertigt werden, zu
den damaligen Bleisatzzeiten eine wahnwit-
Schriftkünstlers verhelfen nahezu jedem mann) […] der dem Germanischen mit dem zige Idee für eine Schrift, von der man nicht
Inhalt zu einem passenden Ausdruck: von Lateinischen zusammen eine Mischung und wusste, wie sie sich verkaufen würde. Die
einfachen Werbefoldern über Zeitungen, einen ganz persönlichen Ausdruck gegeben Univers war somit die erste Universalschrift
Zeitschriften, Plakate, Logos bis hin zur Be- hat.“ Und genau dieser persönliche Aus- mit so vielen Schriftschnitten, dass sie für
schriftung im öffentlichen Raum. druck, der in jeder seiner Schriften sichtbar Anwendungen aller Art zum Einsatz gelan-
und spürbar wird, macht die Beliebtheit sei- gen konnte. Frutiger selbst sagte, er wollte
Zeitlose Schriftschöpfungen ner Fonts aus. Auf diese Weise werden sie zu eine Schrift machen, die gut lesbar ist und in
Was aber machen gerade die Schriften von einem unverzichtbaren Gestaltungsmittel PR- und Werbekampagnen „knallt“.
Frutiger so einzigartig? Das Geheimnis der für professionelle Layouter wie für Nor-
Beliebtheit seiner Schriftformen liegt pri- malverbraucher, die ihren gedruckten Bot- Schriften auf Bestellung
mär in der konsequenten Erweiterung sei- schaften einen besonderen und passenden Heute gipfelt diese Entwicklung darin, dass
nes Erfahrungsschatzes. Er entwickelte schriftlichen Ausdruck verleihen möchten. viele Schriften speziell für Corporate-De-
seine Schriften in enger Verbindung mit sign-Zwecke gestaltet und mit einer Fülle
allen satztechnischen Erneuerungen – vom Meilensteine der Formensprache von Schnitten ausgestattet werden. So etwa
Fotosatz über computerlesbare Schriften Frutiger hatte das Glück, für Charles Peignot, die Linotype „Compatil“ oder die „Thesis“
bis zu digitalen Fonts. Und zudem sind Le- Geschäftsmann und visionärer Schriftgießer mit über 140 Varianten. Im Gegensatz zu Fru-
serlichkeit, der effiziente Transport von im Paris der 1950er-Jahre, arbeiten zu dürfen. tigers klar nachvollziehbarem ästhetischen
Inhalten wie auch die ästhetische Schön- So konnte Frutiger seine Idee durchsetzen, Konzept einer gut ausgebauten Schrift für
heit des Schriftbilds für alle seine Schrift- der damals überall verwendeten Futura eine unterschiedlichste Zwecke lösen sich heu-
schöpfungen das höchste Gebot. So weisen seiner Ansicht nach „zeitgemäße“ Schrift tige Schriftschöpfungen aufgrund der Viel-
die Werksatzschriften von Frutiger (siehe entgegenzusetzen. Frutiger: „Unser Auge zahl ihrer Schnitte oft in optischer Beliebig-
Kasten) immer wiederkehrende, charakte- sieht horizontale Striche dicker als vertikale, keit auf und bieten dem Gestalter weniger

FRUTIGER
ADRIAN
S C H W E I Z E R I S C H E S T I F T U N G S C H R I F T U N D T Y P O G R A P H I E

SCHRIFTEN. DAS
H E R A U S G E B E R · H E I D R U N O S T E R E R & P H I L I P P S T A M M

Werkschau mit Folgen – was von Frutiger bleibt GESAMTWERK


Dieser opulent gestaltete Band versammelt erstmals alle Schriften (auch die unveröffentlichten) und Logo(entwürfe) von Adrian Frutiger. In akribischer Weise
werden Entstehungsgeschichte und Formcharakteristika beschrieben, verbunden mit aufschlussreichen Kommentaren. So entsteht nicht nur ein Nachschla-
gewerk über die Kunst eines der berühmtesten und wichtigsten Schriftgestalter unserer Zeit, sondern hier öffnet sich eine Fundgrube unbekannter Schriften
und Anschauungsbeispiele, die selbst Fachleuten bisher kaum bekannt war. Jede einzelne Schrift wird in Interviews mit Adrian Frutiger einer kritischen
Betrachtung unterzogen und unter Bezug zu ihrem Umfeld diskutiert. Manch eine Erfolgsgeschichte liest sich dabei wie ein spannender Krimi. Das hier
dokumentierte Schriftschaffen Frutigers war wortwörtlich „Maß-gebend“ für eine ganze Epoche und Generationen von Gestaltern, wie Kurt Weidemann im
Vorwort schreibt. Und dieses Buch macht die aktuellen Berührungspunkte zwischen Schriftgestaltung und Layoutprogrammen im heutigen digitalen Zeitalter
begreifbar.
Gestaltung 21

„Wenn ich auf einem


weißen Blatt die Feder
ansetze, so gebe ich nicht
Schwarz hinzu, sondern
nehme dem weißen Blatt
Licht weg.“

Das Geheimnis der


Frutiger-Schriften
Warum ist Univers auch 50 Jahre nach ihrem
Erscheinen noch immer so populär? Frutiger
Ein Groteskentwurf (1950) in drei Fetten von A. Frutiger im Unterricht mit seinem Lehrer Walter Käch an der Kunstgewerbeschule Zürich. sagt: „Typografie muss anmutig sein wie ein
Wald und nicht wie ein Betondschungel von
Mietskasernen. Sie bestimmt den Abstand
zwischen den Bäumen, den Freiraum zum
Orientierung denn mehr Verwirrung. Bei der Geheimtipps zu entdecken Kleinarbeit überarbeitete Version des Klassi- Atmen, die Luft zum Leben.“
Univers hat Frutiger mit absoluter Präzision Erstmals wird durch das Buch „Frutigers kers „Meridien“, deren Formen für den digi- Das Geheimnis des Unterschieds zeigt der
von der dünnsten bis zur dicksten Version Schriften. Das Gesamtwerk“ deutlich, welche talen Satz mit dem PC optimiert wurde. Ge- Vergleich von der Schrift „Helvetica“ mit Fru-
alle Proportionsveränderungen der Buch- nahezu unentdeckten Schätze im Œuvre des meinsam mit der serifenlosen Frutiger steht tigers „Univers“. Was ist der ausgeprägteste
staben aus dem Bauch heraus per Hand ge- Meisters schlummern. So etwa die „Vectora“ dem Gestalter somit eine enorme Vielsei- Unterschied zwischen diesen Schriften?
zeichnet. Heute hat jeder Schriftgestalter die (eine der Headlineschriften in periodicum), tigkeit an Schriftschnitten mit in sich stim- Wenn man zum Vergleich der beiden Fonts
Möglichkeit, seine Schnittte per Mausklick eine klare Kampfansage an alle glatten und miger Anmutung zur Verfügung. nur einzelne Buchstaben betrachtet, sieht
zu skalieren und dann verfeinernd nachzu- charakterlosen Groteskschriften, erschienen man den wahren Unterschied nicht.
bearbeiten. 1991. Diese Schrift besticht durch besonders Der Meister selbst gibt sich beschei-
offene und hohe Kleinbuchstaben und steht den, was die Bedeutung der von ihm ge-
Univers
Das zweite Denkmal in der Tradition der amerikanischen „Fran- schaffenen Buchstaben angeht: „Wenn ich
Mit der „Frutiger“ setzte sich der Schweizer
ein weiteres Denkmal seines Namens, das
klin Gothic“. Frutiger zeigt sich enttäuscht,
dass die Vectora bislang wenig verwendet
auf einem weißen Blatt die Feder ansetze,
so gebe ich nicht Schwarz hinzu, sondern
minimum
Helvetica
bleibt. Ursprünglich als Beschriftung für den wurde. nehme dem weißen Blatt Licht weg […] so
1974 eröffneten Pariser Flughafen „Charles
de Gaulle“ geschaffen, trat diese Schrift ei-
Ein anderes Beispiel: die „Nami“, eine
charaktervolle Schrift mit der Anmutung
verstand ich, dass das Wichtigste an der
Schrift die Zwischenräume sind.“
minimum
nen weltweiten Siegeszug an, vor allem im einer Steininschrift, die erst 2007 auf den
digitalen Zeitalter der 1990er-Jahre. Von der Markt kam, aber auf bis dahin nicht reali- Nimmt man aber z. B. das Wort „minimum“
Frutiger gibt es zudem eine cyrillische wie sierten Zeichnungen Frutigers aus den frü- als Beispiel, wird auf einen Blick klar, dass
eine arabische Version. Was diese Schrift so hen Pariser Jahren basiert. der Unterschied nicht in der Form der
besonders macht, ist ihre Überzeugungs- Oder die Schreibschrift „Ondine“, eine Buchstaben selbst, sondern in dem Abstand
kraft durch ein offenes, kräftiges Schriftbild, der ersten Entwürfe Frutigers. Obwohl er zwischen ihnen besteht. Wenn man einen
das in allen Schriftgrößen seinen typischen zugibt, mit diesem Entwurf eigentlich nie Text in Univers liest, stellt man fest, dass er
Charakter wie seine Leserlichkeit behält. wirklich glücklich gewesen zu sein, kann ruhig fließt und leicht zu lesen ist, weil die
Frutiger darüber: „Meine Zeit ist vorbei, aber diese Schrift als ernsthafte Alternative zu Univers speziell für den Einsatz komfortabler
die Frutiger steht in der Mitte der Schriften- bewährten, aber übermäßig eingesetzten Abstände zwischen den Buchstaben ent-
landschaft. Es ist wie ein Nagel, der einge- Schreibschriften gesehen werden. worfen wurde. Oder bildhaft ausgedrückt:
schlagen wird, an dem man alles anbinden Und schließlich erschien im Frühjahr „Helvetica ist der Duft der City und Univers
kann […] und eine Schrift, die singt.“ 2008 die „Frutiger Serif“, eine in jahrelanger die frische Brise der Wälder.“

klebte sie in der Höhe modifiziert wieder zusammen und korrigierte sie /11/. Davon fertigte Univers als Basis der Métro Aus einigen bestehenden Der Pfeil Ein wichtiges Zeichen bei der Ausgestaltung Durchschuss und den Weissraum um die Tafel /15/. Vor Ort im Arbeitsraum zeigte ich den Mit-
meine Mitarbeiterin Brigitte Rousset die Reinzeichnungen an /13/. Sie war zwar keine gelernte Schriften des Pariser U-Bahn-Systems bildet Adrian Fru- der 7bf^WX[jCƒjhe ist der Pfeil /08/. Die drei Striche arbeitern, wie man ein Panel komponierte; manchmal weilte ich tagelang dort, um sie zu un-
tiger eine Synthese als Grundlage für die Erstellung der sind so aufeinander abgestimmt, dass sie optisch gleich
Schriftzeichnerin, aber eine sehr exakte Person. Wenn man genaue Angaben machte, führte Métro. So definiert er eine serifenlose, schmalfette Ver- stark wirken, jedoch sind die beiden Diagonalen zirka
terstützen.
sie diese präzise aus. salschrift in negativer Ausführung. Auf dieser Basis ent- 7 % feiner als die Horizontale. Die Konzeption von Höhe Die Schilder sind aus Emaille – das ist immer noch eine französische Spezialität; beim
Die Métro ist ein Kompromiss aus einer Auswahl von Vorgänger-Schriften. In ihr steckt scheidet er sich, einen Schnitt zwischen der Kd_l[hi 67 und Länge des Pfeils basiert darauf, dass alle Pfeilecken Emaillieren gibt es die Tendenz zum leichten Verschwimmen beim Auftragen der Farbe. Ich /03/
und 75 zu konzipieren /10/. Frutiger nimmt Blaupausen (ausser der Spitze) in einen Zirkelschlag hineinpassen. Adrian Frutiger (sitzend) begut-
aber auch der Univers-Geist. Da konnte ich nicht über meinen Schatten springen. In der Weite wollte die klare Form aber auf jeden Fall erhalten. Deshalb gibt es in den Winkeln stumpfe Ein-
der Berthold-Kd_l[hi 67, um seine Vorlagen zur Cƒjhe in Dieses Prinzip kann auch auf den Pfeil für die 7bf^WX[j achtet die Reinzeichnungen
liegt sie zwischen der Univers 67 und der 75 /10/, die Strichstärke ist geringfügig fetter als der bewährter Schneid- und Klebtechnik zu erstellen /11/. He_iio (ROIS Seite XXX) angewendet werden. Beide schnitte, zum Beispiel bei B R oder der 8 /13/. Dieser Einlauf sollte nichts Ungefähres sein, son- der Univers 83 von Ladislas Mandel,
65er-Schnitt. Im Vergleich zur Univers sind M /10/ und W recht breit, denn in der negativen In einigen Punkten weicht die so entstandene Cƒjhe Pfeile besitzen zudem horizontal beschnittene Diagona- dern fest und klar bleiben, auch beim Kopieren oder, wie in diesem Fall, beim Emaillieren. Für im Vordergrund Lucette Girard.
Schrift sollte es absolut keine weissen Verdickungen geben. Die Ziffern 6 und 9 zeichnete ich jedoch vom Kd_l[hi#Original ab, zugunsten einer opti- len, passend zur lateinischen Schrift. Die so angeschnit- die Métro ist Emaille das beste Material, wenngleich das Produkt teuer ist. So eine Tafel hält
mierten Lesbarkeit der Signalisationsschrift. Die Punzen tenen Linien unterstützen die Richtung des Pfeils, das
noch reduzierter und offener, weil es sich um eine Signalisationsschrift handelte /10/. Ich wollte von A G P R 4 5 sind grösser gehalten; die Punzen von 6 Zeichen bekommt grösste Klarheit.
an die zwanzig Jahre, und sogar die Farbe der Sprayer kann wieder abgewaschen werden.
eine gut lesbare und harmonische Ziffernreihe. und 9 können durch den diagonalen Verlauf des Bogens Frutiger gleicht die Proportionen der jeweiligen Pfeile Die Arbeit ging für mich dann noch weiter. In den Métro-Wagen ist im Inneren bei jeder
Mein Entscheid, nur Versalien zu gebrauchen fiel vor allem, weil die bestehenden Schilder grösser angelegt werden. Bei C und G sind die Bogen- der dazugehörigen Schrift an. So sind die Linien des Tür eine lange Tafel mit allen Stationsnamen einer Linie. Für solch kleine Texte habe ich bei
enden leicht verkürzt, wodurch die Zeichen offener wir- Métro-Pfeils fetter und kürzer als jene des Roissy-Pfeils.
ebenfalls nur aus Versalien gesetzt waren /02/03/. Die Stationen waren nach Orten, Monumen- Günter Gerhard Lange von der Berthold AG eine Schriftscheibe anfertigen lassen, damit die
ken, die Diagonale der 7 ist leicht geschwungen. In den Während der Métro-Pfeil auf Versalhöhe konzipiert ist,
ten oder Persönlichkeiten benannt, und die typisch französische Art, Eigennamen hervorzu- Winkeln gibt es stumpfe Einschnitte /12/, damit sie beim ist der Roissy-Pfeil in zirka eineinhalbfacher Versalhöhe Schrift im Fotosatz gesetzt werden konnte. Insgesamt arbeitete ich etwa zwei Jahre an diesem
heben, ist der Versalsatz. Ausserdem wollte ich die Fertigung möglichst einfach halten, denn Emaillieren offen und klar in der Form bleiben. dargestellt. Die Roissy-Tafeln hängen in hohen, weiten Auftrag, und es war eine schöne Arbeit.
die Arbeiter, welche die Schilder fabrizierten, hatten keine typografische Ausbildung. Ich habe Der Strichstärkenkontrast ist bei C D G L M N X gegen- Hallen, die Lesedistanz ist grösser als bei den Schildern Mitte der Neunzigerjahre hat Jean-François Porchez eine neue Beschilderung entwickelt
über der Kd_l[hi verringert, während er bei A P R Y Z leicht der Métro, welche in den Tunnelröhren, oft auf Augen-
gesehen, wie sie arbeiten und überlegte, was ich machen könnte, um ihnen zu helfen, damit sie /05/ mit Gross- und Kleinbuchstaben, etwas ganz Eigenes, Modernes. Sein Gedanke ist nicht /05/ /06/
erhöht ist. Interessant ist der Vergleich von M und N in höhe, angebracht sind /07/. Ausserdem ergeben die Ver-
– nicht gedankenlos, aber mit Sicherheit – ihre Sache richtig machen. So entwickelte ich das falsch. Die Métro darf zeitgemäss sein. Vielleicht ist einfach auch die Epoche der Ehrfurcht Reinzeichnungen mit Schriftlinien- Auf Anregung von Emil Ruder
Bezug auf die Verteilung des Strichstärkenkontrasts: In salien und Gemeinen der Roissy-Signalisation ein offe-
und Dicktenmarkierungen – verbreiterte Punzen, erreicht durch
gleichsam ‹narrensichere› Laufweitensystem mit der Dicktenleiste /09/: Unter jedem Zeichen der Kd_l[hi sind die Stämme kräftiger als die Diagona- neres und helleres Satzbild als die schmalfetten Versalien gegenüber dem Historischen vorbei? Es mag zudem eine Frage des Alters sein: Als ich die schwarze Tusche auf Karton mit Auseinanderschneiden des Kartons
len, bei der Cƒjhe verhält es sich genau umgekehrt /12/. der 7bf^WX[j Cƒjhe$ Das nötige Gegengewicht des
befand sich eine Leiste mit einer Pfeilspitze nach links; ineinander geschoben, garantierte sie Métro zeichnete, war ich um die 45; einem jungen Typografen, der jetzt einen neuen Weg geht, Bleistiftkorrekturen. und Einsetzen eines Streifens.
Frutiger wählt hier die klassische Form der Proportions- Pfeils zur Schrift wird bei der 7bf^WX[jHe_iio also durch
die richtigen Buchstabenabstände. Für kritische Buchstabenkombinationen bekamen L und verteilung, wie sie sich aus dem Schreiben mit der Feder die Fette und Grösse herbeigeführt, bei der 7bf^WX[j mache ich sicher keinen Vorwurf. Schade ist nur, dass die Schrift nicht so lesbar ist, wie man
T noch einen zweiten Pfeil /14/. Dann definierte ich die Vorgaben für den Wortabstand, den ergibt. Cƒjhe reicht die Gewichtung durch die Fette. es von einer Kleinbuchstabenschrift erhoffen könnte.

/02/
Erste Reinzeichnungen der
Univers 55 für Deberny & Peignot
1953/54 – in der endgültigen
Fassung sind die Bogen runder,
geschmeidiger.

/04/
Klebesatz der Univers 49 mit foto-
grafischen Verkleinerungen der von
Hand gezeichneten Originale –
das Versal-X ist falsch aufgeklebt.

Adrian Frutiger – Schriften.


/07/ /08/ /09/ /07/
Signalisationsschilder in den Konstruktionszeichnung des System für die Schilderfabrikation Die diagonale 6 wurde verworfen,
Gängen der Métro – in positiver Pfeils, welcher passend zum Schrift- mit Dicktenleiste für korrekte die tiefen Einschnitte für den
und negativer Anwendung, bild gestaltet wird. Zeichenabstände. Fotosatz lassen die 8 als Karikatur
montiert auf Augenhöhe. erscheinen.
/14/
L und T erhalten für den Satz
kritischer Buchstabenpaare
einen zweiten Pfeil zur Angabe der
Unterschneidung.
Das Gesamtwerk
MÉTRO 679
Hg. von Heidrun Osterer,
MÉTRO 679
/10/
/11/
Blaupausen der Berthold-
Philipp Stamm
Univers 67 – zerschnitten und

462 Seiten, Leinen, gebunden,


Univers 67 und 75, dazwischen
versetzt zusammengeklebt

NN
die Métro – mit diagonalem Bogen-
verlauf bei 6 und 9 sowie ge- als Vorlage zur Métro.
schwungener Diagonale der 7.
/12/ /13/ /15/ /08/

99 Euro.
Die Diagonale im N der Alphabet Werkzeichnung von B und R – mit Genaue Festlegung der Raum- Das Bogenende wurde gemäss der
Métro (links) ist kräftiger als die stumpfen Einschnitten in den verteilung innerhalb einer Tafel, Skizze realisiert, der Übergang
vertikalen Striche, bei der Univers spitzen Winkeln, damit die Zeichen ausgehend von der Breite der vom Lang-s zum Rund-s ist jedoch
67 und 75 ist es umgekehrt. in der Produktion nicht zulaufen. längsten Zeile. fliessender gestaltet.

244 245 86 87

Verlag Birkhäuser
S I G N A L I S AT I O N S S C H R I F T ALPHAB ET M ÉTRO W E R K S AT Z S C H R I F T UNIVERS
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

22 Gestaltung

m?
Angst vor Weißrau
Gestaltung 23

D as Nichts in Form von Weiß-


raum ist, so lernt es jeder
Grafiker, ein sinnvolles Ge-
staltungselement – und wird
dennoch vielfach unterschätzt. Nicht zuletzt
im Editorial Design. Manche Herausgeber
und nicht wenige Journalisten sehen das
Freilassen von Teilen der Gestaltungsflä-
chen gar als Verschwendung von wertvollem
Platz an. Doch gerade im Mediendesign
kann Weißraum wahre Wunder bewirken
und sich positiv auf die Lesefreundlichkeit
und vor allem Leselust auswirken. Und da-
rum geht es letztlich: Denn was nützt ein
großartig geschriebener Artikel, wenn dem
Betrachter beim Anblick einer hoffnungslos
überladenen Seite von vornherein die Lust
auf das Lesen vergeht?

Spotlight an!
Leere wirkt – das gilt auch in anderen Dar-
stellungsformen. Stellen Sie sich ein Büh-
nenbild vor, das nur aus einem einzelnen
Element, wie z. B. einem Sessel, besteht. Wie
viel mehr Bedeutung wird diesem einzelnen
Möbelstück beigemessen, wenn es nicht nur
nebenbei im Umfeld einer kompletten Zim-
mereinrichtung wahrgenommen wird?

Oder: Der Leadsänger einer Rockband wird


immer mit etwas Abstand zu seinen Band-
kollegen präsentiert. Warum, ist ganz klar:
durch die sichtbare Trennung von seinen
Kollegen wird ihm vom Betrachter automa-

vor Weißraum?
„Von nichts kommt nichts!“
Angst Mag diese Regel für viele
Bereiche stimmen, in der Gestaltung von Printmedien findet sie mit
Sicherheit ihre Ausnahme. Text: Dunja Radler

tisch mehr Bedeutung beigemessen. Seine Spannung


Stopp! Rolle als Aushängeschild der Band wird so- Doch Weißraum entspannt nicht nur, er
Weißraum ist keine Verschwendung von fort erkannt, ganz ohne zusätzlich erklären- erzeugt auch Spannung – durch den Kon-
Gestaltungsfläche, sondern trägt dazu bei, de Worte. trast zwischen Weißraum und bedruckter
dass eine Seite einladend wirkt und der Fläche. Es genügt also nicht, den Weißraum
Leser nicht weiterblättert. Dieses Prinzip der Heraushebung durch Ab- gießkannenartig zu verteilen. Seine Wir-
grenzung lässt sich auch auf die Medienge- kung und Funktion entfaltet er erst, wenn er
staltung umlegen. Je weniger ablenkende konzentriert eingesetzt wird.
Hierher! Elemente sich in unmittelbarer Nähe eines
Weiße Flächen können als Kontrast zu Text Textes oder Bildes befinden, desto mehr Weniger ist mehr. Und mehr Arbeit
und Bildern eingesetzt werden, wenn die Aufmerksamkeit wird auf die separat dar- Um dem Weißraum genügend Platz ein-
Aufmerksamkeit des Betrachters auf be- gestellte Information gelenkt. Ganz einfach zuräumen, braucht es einerseits Selbstbe-
stimmte Seitenelemente gelenkt werden soll. aus dem Grund, weil die begrenzte Auf- schränkung auf der redaktionellen Seite, an-
merksamkeit des Betrachters nicht auf viele dererseits Mut, grafisches Gespür und auch
verschiedene Elemente aufgeteilt werden Anstrengung in der Grafik. Es ist nämlich
Abladen! muss. Auch die Orientierung fällt leicht: ein für beide Seiten einfacher, eine Seite mit
Die Welt ist überladen genug. Werfen Sie einzelnes Bild auf weiter Flur zeigt dem Be- Bildern und Texten vollzupflastern, als sich
Ballast ab und setzen Sie Akzente mit einem trachter sofort, worauf der Fokus gelegt wer- auf Wesentliches zu beschränken und mit
Seitenlayout, das ausreichend Raum hat, um den soll. Hilfe von weißen Flächen ein für das Auge
seine Wirkung optimal zu enftalten. angenehmes und gleichzeitig anregendes
Entspannung Seitenlayout zu gestalten. Kürzen ist viel
Eine der wichtigsten Funktionen der weißen Arbeit, reduziertes Gestalten auch – aber
Ruhe! Fläche ist die Verbesserung der Lesefreund- beides lohnt sich.
Das Verhältnis zwischen Weißraum und lichkeit. Das Auge braucht Weißraum als
Information kann sehr unterschiedlich sein Ruhepunkte – auch in kleinen Dosen. Durch
– aber selbst kleine Weißflächen können Leerflächen in Form von Textabsätzen oder
Ruhepunkte für das Auge schaffen. Einzügen wird dem Leser die Möglichkeit ge-
boten, seine Augen zwischendurch zu ent-
spannen, was besonders bei langen Texten
Mut!
!!!!!

von Bedeutung ist. Selbst wenn die Inhalte


Noch immer nicht überzeugt? Lassen Sie interessant sind, wird die Anstrengungsbe-
Experimente mit mehr „Nichts“ einfach reitschaft des Lesers sehr oft überschätzt.
einmal zu – und warten Sie die Reaktionen Niemand kämpft sich freiwillig durch un-
der Leser ab. übersichtliche und das Auge ermüdende
Textwüsten!
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

24 Produktion

Zeitungmachen für Anfänger


Die wichtigsten Produktionsschritte auf einen Blick Wie entsteht ein Kunden-,
Mitarbeiter- oder Non-Profit-Magazin? Am Anfang stehen natürlich ausführliche Beratung
und eine durchdachte Konzeption. Doch wie läuft die Produktion der einzelnen Nummern
ab? Kurz gesagt: Hier ist der plakative Überblick für blutige Laien – vom Briefing bis zur
Lieferung. Text: Klaus Lerch, Illustrationen: Julia Stern

Sie schnüren ein Paket aus allen Vorgaben – das


Briefing können einfach nur Wünsche, Ideen und Themen
sein, aber auch Rohtexte, eigenes Bildmaterial
und vielleicht sogar schon fertige, intern erstellte
Beiträge – und übergeben es an Ihren Corporate-
Publishing-Dienstleister (z. B. Egger & Lerch).

Redakteure arbeiten sich in Ihre Neue Texte werden geschrieben,


Recherche Themen ein, führen Interviews,
Textkreation vorhandene überarbeitet. Das Ergebnis
machen Reportagen und besor- sind spannende Artikel mit knackigen
gen alle nötigen Infos. Headlines, prägnanten Vorspännen –
aufbereitet nach allen
Regeln der journalis-
tischen Kunst.

Die Redaktion sucht


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Agenturen oder
vergibt Aufträge an Grafiker machen aus Texten und Bildern fertige
Fotografen. Layout & Produktion Seiten. Prepress-Spezialisten optimieren und
retuschieren die Fotos.

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Nichts ist auf Anhieb perfekt – daher


Es ist soweit: Der Auftraggeber erteilt die Druck- Korrekturphase sind jetzt der Lektor, die Schlussredak-
Freigabe freigabe, und die druckfertige PDF-Datei wird erstellt. tion und auch Sie als Auftraggeber am
Zug – zur Fehlerkorrektur und letzten
Optimierungen.

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Lieferung druckfrischen Magazin!
Test 25

Auf den Strich gegangen


Kugelschreibertest Nach Smoothies und Schokolade nun
der bisher seriöseste Büroequipment-Test des Egger & Lerch-Teams
mit einem eindeutigen Ergebnis: Nicht womit, sondern was wir
schreiben, zählt ...

S Schallendes Gelächter dröhnt


aus dem Kundenempfangszim-
mer von Egger & Lerch. Nein,
nicht eine Vereinszeitung des
Clubs für witzgeschädigte Mühlviertler (dazu
gibt es tatsächlich einen Google-Eintrag!)
wird da besprochen, sondern ein äußerst
kunden später einsetzt als bei dem von der
Caritas?“ Von den Textern und Redakteuren
erwartet man natürlich Fachurteile, die auch
höchst qualifiziert daherkommen: „Am Ver-
bund-Schreiber kauend ist mir neulich die
Coverheadline für das Tappe aktiv eingefal-
len!“ Na, wenn das nicht die ideale Nutzung
seriöser Büroartikel-Test für das periodicum von Synergien ist?
durchgeführt.
And the winner is ... Caritas!
Welcher Kugelschreiber unserer Kunden
ist der beste? Wichtige Faktoren wie Kau-
Strich um Strich wird gezogen, ins Blaue
geurteilt, ins Schwarze getroffen, bis am
„Warum schmeckt
qualität, Grip oder Tropfsicherheit werden Schluss das hochseriöse Ergebnis feststeht: der Purina-
bewertet. Es wird diskutiert, getauscht und
gefachsimpelt. Und natürlich geschrieben
Testsieger mit Höchstpunktezahl von Halte-
gefühl bis Tintentrocknungszeit ist Caritas,
Kuli nicht nach
und gemalt. Kleine Herzchen zum Beispiel gefolgt von Purina und Verbund. So richtige Katzenfutter?“
oder großflächiges Gekrakel. „Der ist ganz Ausreißer nach unten gab es nicht: schließ- Grafiker Markus Vock geht beim
weich, aber er schmiert“, hört man da – oder: lich gibt es keine schlechten Kulis – nur Kautest der Frage auf den Grund, inwieweit
„Ist euch schon aufgefallen, dass der Tin- schlechte Schreiber. Aber zum Glück nicht Unternehmensgegenstand und Werbekuli
tenfluss beim PayLife-Kuli um exakt 6,3 Se- bei Egger & Lerch! zusammenpassen sollten.

Auswertung

Purina s IT-Solutions Tappe Verbund Caritas Paylife Raiffeisen LSI VVA


Im Abgang ein Die Bankenwelt hat Grün ist offen- Stromlinienför- Mit ihm ist nicht Geschmiert wird Die weißen Streifen Der dickste Brum- Eine Druckerei
bisschen glatt und ja derzeit einiges sichtlich nicht die mig, blau wie das gut kauen ... Der nicht im Karten- vorne konnten mer unter unseren sollte doch beim
spröde, bekam der zu knabbern ... Lieblingsfarbe Wasser – zwar Kugelschreiber geschäft. Da steht das Jurorenteam Kundenkulis gehört Tintenauftrag
„Katzenfutterkuli“ auch einen Kuli mit der Juroren, denn nicht auf der der Young Caritas Sicherheit an nicht überzeugen der Leistungsge- punkten ... weit
beim Kauen keine hervorragendem gemeinsam mit Donau selbst, hatte Bestnoten vorderer Stelle – – beim Design fiel meinschaft der gefehlt! Bei der
Bestnoten. Dafür Kaufaktor! Sonst Raiffeisen verlor aber wenigs- von Tintentrock- zum Beispiel die der Sumsi-Kuli Installateure. Wie Vorarlberger
aber lassen sich bleibt man eher dieser Kuli den tens im Donau- nungszeit bis beim Tropfen. Bloß durch, obwohl er sollte es da anders Verlagsanstalt wird
mit dem herrlich dezent und seriös, Designtest. Auch walzer – und leicht Haltegefühl. Nur schade, dass der als einziger von sein, als dass er offensichtlich nicht
regelmäßigen ohne Ausrisse das Haltegefühl durchscheinend ... beim Kaufaktor Tintenflussbeginn allen schwarz malt. dicht ist? Auch recht viel mit der
Tintenauftrag und nach unten ließ etwas zu wün- das machte den gab es ein dickes so lange auf sich Für Bilanzen so die Zuflussleitung Hand geschrieben.
der recht guten oder oben: der schen übrig. Dafür Verbund-Kuli zum Minus. Das Me- warten lässt. Da gesehen das ideale zwischen Tinte und Texte lieber dru-
Rollfähigkeit prima Durchschnittskuli gab‘s Bestnoten Designsieger. Da tallteil am Kulikopf hätten wir uns Schreibgerät! Spitze funktio- cken lassen – und
Geschichten rund schlechthin! beim Schmierver- steht ordentlich tut nämlich ganz doch ein wenig niert. Bloß bei der den Kuli nur zum
um Kater Gourmet halten. Für heikle energiegeladenem schön weh auf den mehr Dynamik Kauqualität ... so Kauen verwendet
und seine Freunde Behördenwege Schreiben nichts Zähnen ... erwartet! ein sprödes Ding! ... Was das betrifft,
schreiben. daher sehr zu mehr im Weg! Da bekommt man ist er nämlich top.
empfehlen! direkt Angst vor
Rohrbruch!
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

26 New Media

FOTOS: WWW.MOBILEREAD.COM/FORUMS/SHOWTHREAD.PHP?T=38108
Neue Hoffnung
für eine geplagte
Branche? Tages-

Die Gerätchen-Frage
zeitungen experi-
mentieren eifrig
mit den digitalen
Lesegeräten.

E-Paper für Zeitungen Café und Couch, Bett und Bahn, WC und Wartezimmer haben etwas
gemeinsam: Hier wird gelesen. Sei es aus Langeweile oder aus Wissensdurst – bunte Hefte laden zum
Blättern ein. Der Inhalt der Zeitung ist naturgemäß nicht zeitlos, aber ist es denn ihre Form? Wird
für die E-Paper-Leser von morgen die Zeitschrift denselben nostalgischen Charme haben wie für die
iPod-Hörer von heute die Schallplatte oder für die E-Mail-Schreiber die Postkarte? Text: Iris Erber

D as Internet ist jetzt immer


dabei. In den letzten Jahren
war es zwar möglich, aber
nicht besonders attraktiv, mit
dem Handy auf der WWW-Welle zu surfen.
Mit iPhone und Co. ist das mobile Internet
in unserem Alltag angekommen. Schicke
Blogs oder Foren bereichern den Online-
Service. Gedruckte oder gemailte News-
letter überbrücken die Zeit zwischen dem
Erscheinen der Firmenmagazine. Die Crux
dabei ist die perfekte Abstimmung – zeit-
lich und organisatorisch, journalistisch und
technisch: Dasselbe Thema muss für Papier,
Hardware mit schnellen Rechnern, akzep- Monitor und mobile Displays völlig unter-
tabel großen Displays und Tausenden von schiedlich aufbereitet sein. Crossmedia-
Anwendungen erleichtert ihren Besitzern Kompetenz am Puls der Zeit ist nötig, damit
das Leben, versüßt es vielen sogar. Schon die Inhalte in jedem Medium richtig rüber-
heute ist jedes achte Handy ein sogenann- kommen.
tes Smartphone – ein Zwergcomputer, der Mit der Informationsflut aus allen Kanä-
mehr kann als so mancher Laptop, unter len steigen die Ansprüche der Adressaten.
anderem auch telefonieren. Nur brauchbares Wissen und willkommene
Unterhaltung wollen wir an uns heranlas-
„Software ist sehr flexibel und kann ein Ge- sen. Gefragt sind gut aufbereitete Inhalte
rät zu dem machen, was der Verbraucher in ansprechender Form, zugeschnitten auf
Umblättern auf Knopfdruck gerade möchte. Die Geräte, die wir künftig die spezifischen Bedürfnisse. Zielgruppen-
nutzen, werden nicht nur einen Zweck er- genaue Infos liefern etwa Newsletters oder
Kindle geht auf Zeitungen los füllen“, sagt Mark Rolston, Kreativchef von RSS-Feeds: Wer registriert ist, bekommt ak-
Frog Design in San Francisco. Mit den Mobi- tuelle Happen aus dem Internet direkt auf
Er ist so dünn wie ein Magazin, leichter als ein Taschen- le Devices haben wir schon jetzt Text, Foto, den Bildschirm serviert.
buch und hat Platz für tausende Dokumente. Seit Februar Audio, Video, Information, Kommunikation
2009 verkauft Amazon in den USA die neue Generation und Navigation im Griff. Laut Trendforscher Print wird schöner, Technik femininer
seines E-Book-Lesegeräts Kindle, demnächst den extra- Matthias Horx könnten in einigen Jahr- Nicht die Technik setzt den Medien Grenzen,
großen Kindle DX. zehnten „Lesefolien, die sich durch Licht sondern die Zielgruppe, meint der Gewinner
mit Energie versorgen, im Alltagsgebrauch des Deutschen Preises für Wirtschaftskom-
Dank E-Ink-Technologie liest es sich schwarz auf weiß wie sein“. Dennoch schwört er im Interview mit munikation, Jörg Carsten Müller-Dünow:
vom Papier, nicht wie vom Monitor. Bücher, Zeitschriften und der „Presse“ auf Papier als einfachen, bil- „Das Medienangebot muss sich nach dem
Weblogs kann der Kindle via Wireless-Internet innerhalb von ligen, recycelbaren Datenträger. „Manche Nutzungsverhalten der Leser richten, und
Sekunden aus der Luft holen und auf Wunsch sogar laut Zeitungen werden auch in hundert Jahren das kann bei ausgeprägten Online-Marken
vorlesen. Im Amazon-Shop wählt man aus derzeit 285.000 noch – oder wieder – auf Zellulose erschei- auch bedeuten, dass Print tabu ist.“ Von Un-
E-Books und zahlt dafür weniger als für die Printausgabe. nen. Es gibt ja auch noch Teller aus Porzel- ternehmensmedien wird Content und Ver-
Neben der „Mutterseite“ amazon.com funktionieren lan und Pflastersteine.“ fügbarkeit erwartet. „Morgen wird es eben-
auch Wikipedia und Google, außerdem speichert der so wie heute darum gehen, dem Leser einen
Kindle pdf- und mp3-Dateien. Blättern und browsen, Nutzen zu bieten, einen Grund, ein Medium
Die DX-Version mit 9,7-Zoll-Display hat vor allem die schmökern und surfen in die Hand zu nehmen und zu konsumie-
Tageszeitungsbranche hellhörig gemacht. Für New Bei der Kommunikation mit den Zielgrup- ren.“ Ob man dann Papier oder Plastik in der
York Times, Wall Street Journal und Co. ist der große pen geht also nicht um die Umstellung von Hand hat, scheint zweitrangig.
Kindle eine Chance, ihren Überlebenskampf an einer Print auf Digital, sondern um den idealen
neuen Front zu gewinnen. Medien-Mix. Im Zentrum stehen dabei viel- Jedes 100. Buch wird heute als E-Book ver-
fach Homepage und Zeitschrift. Podcasts, kauft. Amazon zeigt mit dem Kindle vor,
New Media 27
Steckbrief
Georg Bernhard ist Entwickler an der Akademie der bildenden
Künste Wien, Schwerpunkte: digitale Medien, Informations-
visualisierung und CMS. Er ist aktives Mitglied der Plone Community.
plone.org

„Keinesfalls
das Gewohnte
wegnehmen“
Interview mit Georg Bernhard. Warum auch
elektronische Medien ihre Grenzen haben und
Gedrucktes nicht so einfach zu ersetzen ist.

Werden elektronische Medien das Gedruck-


te ablösen?
schen den Medien ganz klar differen-
ziert werden.
E-Was?
Suchmaschinen und Online-Wörter- Neue Wörter für neue Medien
bücher sind ideale Internet-Anwen- Welche Chancen haben Printmedien mit
dungen. Es ist einfach effizienter, wenn und neben den digitalen Medien?
eine Maschine die Nadel im Heuhaufen Jedes Medium spricht andere Sinne an. E-Publishing
sucht – und in 0,22 Sekunden findet. Die neuen Hybridmedien bieten neben Veröffentlichung von Inhalten auf
Ausstellungskataloge hingegen werden Text und Bild auch Audio und Video, elektronischem Weg, z. B. Newsletter
nach wie vor lieber in gebundener Form Interaktion, Suchfunktionen usw. Doch
gekauft, auch wenn es gut aufbereitete Darstellungsfläche und Farbraum sind
virtuelle Rundgänge gibt. Vor einigen begrenzt. Im Gegensatz dazu sind die E-Journal
Jahren glaubte man noch an „pures E- physikalischen Eigenschaften von be- Digitale Zeitung/Zeitschrift, meist
Learning", doch es erwies sich als pro- druckbaren Materialien unerschöpflich. Onlineversion der Printausgabe, Auszüge
blematisch und nicht zukunftsfähig. Man sollte die kreativen Möglichkeiten oder Volltext, pdf oder HTML
Man wird Lernen nicht einfach auf ein des Drucks nicht unterschätzen. Für
neues Medium übertragen, sondern IT Printmedien ist es wichtig, ästhetisch
nur dort einsetzen, wo es sinnvoll ist. nicht zu stagnieren und sich gegenüber E-Zine
In der Publizistik wird es ähnlich sein. digitalen Medien zu redefinieren. Druck- auch M-Zine, Webzine, Onlinemagazin;
Selbst im printaffinen Verlagswesen und werke sind angenehm ruhig – viele meist reine Netzpublikation
in der Werbung geht der Trend zum Digi- schätzen das als Gegenpol zu Hypertext
talen, sowohl in der Produktion als auch und Multimedia. Interessante Printpro-
in der Publikation. Dass die Morgenzei- dukte können sich an typische digitale E-Book
tung bald aus E-Paper sein wird, glaube Strukturen anlehnen oder auch bewusst Digitale Buch-Edition als CD oder
ich allerdings nicht. Dass man sie am davon abgrenzen. Download für Computer und Lesegeräte
Notebook liest, schon eher.

Welche Gadgets haben Zukunft? E-Reader


wie Technik und Vertrieb in Amerika funk- Innovationen setzen sich meist dann Lesegerät für digitale Publikationen,
tionieren. Vermutlich wird die persönliche durch, wenn sie deutlich sichtbar und z. B. E-Book-Reader
Bibliothek im Taschenformat bald auch in leistbar werden. So hat der Trend zum
Europa viele Fans haben. Für 2020 wird den mobilen Telefonieren seit den ersten
elektronischen Büchern ein Anteil von 15 Autotelefonen in den 60er-Jahren enor- E-Paper
Prozent am Lese-Markt prognostiziert. Die me Ausmaße angenommen. Hardware Print-ähnliche Kunststoffoberfläche zur
Bücher werden also nicht verschwinden. ist heute billig herzustellen, so ist mehr elektronischen Anzeige von Text und Bild
Doch die digitale Konkurrenz lässt sie we- Funktion zum selben Preis drin. Durch
niger werden – und schöner! Die Tendenz den technologischen Fortschritt kom-
zu aufwendig gestalteten Bänden fällt im men immer leistungsfähigere Geräte E-Ink
Buchladen bereits auf und setzt sich bei mit vielfältigen und komplexen An- Technologie, die bedrucktes Papier nachahmt
den Magazinen fort. Die Zukunft sieht für wendungen auf den Markt. Multifunk- und dabei Augen und Akku schont
Matthias Horx „femininer“ aus. „Techno- tionsgeräte bieten immer ein besseres
logien müssen sich an menschliche Be- Preis-Leistungs-Verhältnis als Single-
dürfnisse anpassen, oder es geht ihnen Purpose-Geräte. Andererseits wünschen Podcast
wie vielen Arten: Sie sterben aus. Humane sich viele Menschen nur klare Funktion (iPod + broadcast) Audio-Dateien, die sich
Wünsche und Ängste funktionieren wie und einfache Bedienung – so könnte ne- online anhören und auf PC, mp3-Player,
Antriebskräfte, aber auch wie Bremsen für ben Netbooks und Smartphones auch Handy etc. überspielen lassen
Technik“, erklärte er dem Schweizer „Tages- eine Nische für simple Handys bestehen
anzeiger“. bleiben.
Im Urlaub hat er
George Orwells
Vodcast
Von der Begeisterung zum Übderdruss Sind die Zielgruppen online oder offline „1984“ vom iPhone Video-Podcast, digitale audiovisuelle Inhalte
Die Medienlandschaft ist in Bewegung. So besser erreichbar? gelesen: Georg zum Downloaden vom Internet
manchen Printmedien schnappt das In- Entscheidend sind die Neigungen der Bernhard
ternet ein Stück vom Werbekuchen weg. eigenen Zielgruppen zu bestimmten
Durchsetzen werden sich jene Titel, die sich Medien. Vielfalt und Alternativen anzu- RSS-Feed
auf ihre Qualitäten konzentrieren. Denn die bieten ist besser, als vorhandene Struk- Abo-Service, der neue Inhalte von einer
News aufs Smartphone können längst nicht turen aufzulösen. Keinesfalls sollte man Webseite (z. B. News, Podcasts, Postings)
alle Leser-Bedürfnisse erfüllen. Auf dem den Leuten das Gewohnte wegnehmen automatisch auf den Bildschirm liefert
Sofa und am Badestrand sind Hefte we- und sie zur Umstellung zwingen. Um „Man sollte
sentlich praktischer als Computer. Und am
Frühstücks- oder Kaffeehaustisch gehört die
das Nutzungsverhalten beobachten zu
können, eignet sich ein Parallelbetrieb
die kreativen Weblog, Blog
Zeitung einfach zur Alltagskultur. Zudem zwischen Print- und Online-Angeboten Möglichkeiten (Web + Logbuch) Online-Tagebuch im
werden Handys und Laptops aus immer
mehr Gaststuben verbannt. Manche Lokale
oder die schrittweise Einführung neu-
er Medien. Es wäre aber ein Fehler, zu
des Drucks nicht Internet oder Intranet, Blogger posten
regelmäßig Notizen, Leser können
wollen bewusst Orte der sozialen Begegnung glauben, dass man nur ein geeignetes unterschätzen.“ kommentieren
bleiben, nicht nur Individuen bewirten, die Content-Management-System braucht, Georg Bernhard
sich mit ihren elektronischen Begleitern be- um dann dieselben Inhalte in Print und
fassen. Stichwort Entschleunigung: Bei einer Web zu verbreiten. Denn so werden die
steigenden Zahl von Usern schlägt die Inter- Inhalte weder für Print noch für Web
net-Begeisterung bereits in digitalen Über- korrekt aufbereitet. Schon zu Beginn
druss um. Für mehr Lebensqualität schalten des Produktionsprozesses muss zwi-
sie ihre Geräte einfach ab.
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

28 New Media

Bewegte Bilder, die überall


in Szene gesetzt werden
können, auf Häusern,
„Mit dem Tagtool trägt der Zeichner sein
Menschen, Röcken, in
Landschaften ...
Instrument genau wie der Musiker mit
und mit ihrem Umfeld sich herum. Daraus ergibt sich die Möglichkeit,
interagieren.
relativ einfach live mit anderen Künstlern
zu interagieren.“
Markus Dorninger

Ein Zeichenbrett,
das Kunst und Wirtschaft bewegt
Projektionen in Bewegung Es muss nicht immer Print sein. Und auch nicht Internet. Tagtool ist ein interaktives Zeichen-
und Animationsgerät, für das die Firma OMA International rund um Mathias Fritz, Markus und Josef Dorninger in nur zwei Jahren
zahllose Preise einheimste und Projekte in zwölf verschiedenen Ländern umsetzte. Text: Renate Süß, Fotos: OMA International

T ief in der niederösterreichischen


Provinz fanden sich 2004 drei
Burschen mit kreativen Ideen,
technischem Verständnis und
Zeichentalent zu einer Wohngemeinschaft
zusammen. Man spann Ideen, probierte dies
und das aus … und kam irgendwie zu einem
Performance aus dem Koffer
2005 starteten Mathias Fritz, Josef und
Markus Dorninger die ersten Tagtool-
Gehversuche mit einem Computer, einem
Grafiktablett, einem Beamer und einem
umprogrammierten Drumcomputer. Mar-
kus Dorninger schrieb das erste Compu-
dem Gitarristen Karl Ritter oder der Jeu-
nesse-Künstlerin-des-Jahres Maja Osojnik.
Das Tagtool ist dabei in der Anwendung so
einfach, dass es sich auch für Workshops
mit Kindern und Jugendlichen, Behinder-
ten, Topmanagern … hervorragend eignet.
Denkbar wäre die Nutzung des Tagtool wei-
ersten Auftrag für ein Zeichentrickmusik- terprogramm selbst. „Der Teufel steckte im ters auch für Präsentationen jenseits von
video. Detail. Es ging unter anderem darum, die Flipchart und PowerPoint.
Strichführung auf ein ästhetisch hochwer-
Mehr Möglichkeiten für den Zeichner tiges Level zu bekommen“, erinnert er sich. Kunst statt Kommerz
Zunächst drehte sich die Zusammenarbeit Richard „Lordbike“ Radlherr stieß kurz da- In der Multimedia-Kunstszene hat OMA In-
der Künstler um das Thema Kindertheater. rauf als Programmierer zum Team. Auch in ternational sich mit dem Tagtool längst ei-
Drei Produktionen gingen über die Bühne, der Konstruktion gelang 2006 ein Durch- nen Namen gemacht – unter anderem mit
unter anderem mit Auftritten in der Philhar- bruch: Das erste Koffertagtool wurde gebaut. Installationen im Zuge der Eröffnung der
monie Luxemburg oder im Konzerthaus in Royal Festival Hall in London, der Teilnahme
Wien. Man arbeitete zwar multimedial, die OMA für die Organisation an Planet Process in Berlin oder der Expressi-
Möglichkeiten der Liveanimation genügten Das Ziel, dass der Zeichner sein Instru- on Session in Buenos Aires sowie Workshops
Mathias Fritz, Josef und Markus Dorninger ment zum Liveauftritt schnell und einfach im Museum Würth in La Rioja/Spanien. Auch
aber nicht. Man müsste, überlegten die Bur- mitnehmen kann, war erreicht. Intensive große Firmen wie Adidas, Levis, BASF oder
schen, ein Instrument entwickeln, das dem Vernetzungsarbeit brachte auch schnell die Mercedes buchen OMA International für
Zeichner mehr Möglichkeiten bietet, live mit ersten Erfolge. „Am Anfang haben wir für Events. Seit das Künstlerkollektiv den Öster-
anderen Künstlern zu interagieren. Dieses Fahrtgeld und Unterkunft performt, fuhren reichischen Staatspreis für E-Business und
Zeicheninstrument sollte einfach bedienbar in verschiedene Länder und luden umge- Multimedia in der Kategorie Förderpreis, den
und leicht zu transportieren sein. kehrt die Künstler zu uns ein“, erinnert sich Europrix Multimedia Award in der Katego-
Organisator Josef Dorninger. Ab Mitte 2007 rie Interactive Computer Graphics und den
nahmen die künstlerischen und auch die Mercur Innovationspreis der WKO in der
kommerziellen Aufträge massiv zu. Mathias Kategorie Kreativität gewonnen hat, wächst
Fritz, Josef und Markus Dorninger gründeten das Interesse aus der Wirtschaft ständig.
gemeinsam mit Daniela Fritz die Firma OMA Josef Dorninger balanciert den schmalen
International, die das Projekt Tagtool seither Grat zwischen Kommerz und Kunst gut aus:
betreut. „Die Firmenprojekte machen nur einen Teil
unseres Volumens aus. Sie dienen der Refi-
Vielseitig verwendbar nanzierung unserer künstlerischen Arbeiten
Das Tagtool ist vielseitig verwendbar. Man und sollen nicht überhandnehmen!“
kann damit Flächen aller Arten und Grö-
ßen Leben einhauchen, ein Fabrikgebäude Open Source ist keine Samaritertaktik
Alle weiteren Infos zum bunt gestalten oder den Rock einer Tänze- Tagtool ist ein reines Open-Source-Projekt.
Projekt und viele Beispiele rin. Die Animationen können mit Musikern, OMA International tritt zwar als Hauptak-
Tänzern, Erzählern und Schauspielern in- teur und -finanzier von Tagtool auf, mitt-
für die künstlerische teragieren. Besonders mit diesem Format lerweile gibt es aber weltweit schon 25 bis
Anwendung gibt es unter ist OMA International sehr erfolgreich und 30 Nachbauten des außergewöhnlichen
www.tagtool.org kooperiert unter anderem mit dem Kom- Gerätes. Über OMA International kann man
ponisten und Pianisten Philipp Zoubek, Konstruktionsworkshops buchen und auch
www.oma-international.com dem Sprachperformer Christian Reiner, im Internet findet man Bau- und Program-
mieranleitungen. „Open Source ist keine Sa-
maritertaktik“, versichert Markus Dorninger,
„sondern eine Strategie, um mit Leuten aus
Tagtool-facts unterschiedlichen Bereichen einen Ideen-
pool zu bilden.“ Um die Open-Source-Szene
Für visuelle Künstler gibt es eine ganze Bandbreite an digitalen Werkzeugen, jedoch stärker an das Projekt heranzuführen, ver-
wenige, die spontanem und künstlerischem Arbeiten in einer Live-Situation gerecht anstaltete OMA von 24. bis 27. April 2009 in
werden. Aus diesem Mangel ergab sich die Idee zum Tagtool. Das Tagtool ist ein Instru- der Kunstwerkstatt Tulln ein Open-Source-
ment zum Live-Zeichnen und Animieren. Es besteht aus einem Koffer, auf dem eine Zeichenfläche und Symposion mit internationaler Besetzung.
mehrere Regler untergebracht sind, und einem kabellosen Gamepad, mit dem die Zeichnungen bewegt Und demnächst, so versprechen die jungen
werden können. Bei Tagtool ist gemeinschaftliches Arbeiten gefragt. Ein Zeichner erstellt die Grafiken, die Multimediakünstler allen Open-Source-
in Echtzeit von einem Animator mittels eines Gamepads zum Leben erweckt werden. Fans, wird Tagtool endlich völlig unabhängig
von Windows werden.
Egger & Lerch-Team 29

Mag. Klaus Lerch Julia Stern Mag. Barbara Egger


Geschäftsführung, Konzeption Grafik Buchhaltung, Controlling
k.lerch@egger-lerch.at j.stern@egger-lerch.at b.egger@egger-lerch.at
„Der Magazin-Klassiker „Einfallsreich, individuell „Für mich das beste
schlechthin – inhaltliche und witzig gestaltet, in deutschsprachige
und grafische Qualität der Bandbreite satirischer Modemagazin für
mit klarer Linie.“ bis ernster Texte.“ Hobbyschneiderinnen.“

Kurt J. Egger Markus Vock


Geschäftsführung, IT Grafik
k.egger@egger-lerch.at m.vock@egger-lerch.at
„Ich liebe die Reduktion „Interessante Berichte,
auf das Wesentliche, tolle Grafiken und
kombiniert mit gutem ansprechendes Papier
Design.“ machen WIRED zu
einem der besten
populärwissenschaftlichen
Magazine.“

Mag. Renate Süß Mag. Dunja Radler


Redaktion Illustration, Bildbearbeitung
r.suess@egger-lerch.at d.radler@egger-lerch.at
„Das Südwind Magazin „Ich mag deutsche
ist für mich ein Fenster in Magazine. Und der Krapfen
die Welt der sogenannten am Cover hat mich auch
Entwicklungsländer. “ ziemlich fasziniert.“

11 Lieblinge
Andrea Höbarth Die Magazinfavoriten des Egger & Lerch-Teams
Leitung Grafik und Produktion 11 Köpfe, 11 Titel: Jedes Mitglied der Egger & Lerch-
a.hoebarth@egger-lerch.at
Stammcrew hat nicht nur seine einzigartigen
„Flott, selbstbewusst und
sichtbarer Spaß an der
Qualitäten, sondern auch seine ganz persönliche
Arbeit.“ Lieblingszeitschrift – abgesehen von den Heften
unserer Kunden, versteht sich.

Gabriel Moinat Sabine Peter


Grafik, Bildbearbeitung Grafik
g.moinat@egger-lerch.at s.peter@egger-lerch.at
„Das Layout reduziert, „DATUM – der österreichische
der Text im Vordergrund New Yorker!“
– und was für Text!“

Porträt
Karin Noichl
Seit November 2008 verstärkt Karin Noichl das Egger &
Lerch-Team. Die freiberufliche Grafikerin liebt grafische Grafik
k.noichl@egger-lerch.at
Experimente und mutige Layouts. Courage ist auch bei „Das Durchbrechen grafischer
ihrem liebsten Hobby gefragt: Mountainbiken – zum (auch inhaltlicher) Normen, wie
Beispiel quer über die Alpen. es Adbusters tut, liefert mir
Inspiration und neue Ideen.“
„Ich liebe das Gestalten an sich“, verrät die
31-jährige Tirolerin, warum sie Grafikerin
wurde: „Anders als Steuereintreiber ist haptischer Mensch. Ich will das Endprodukt angreifen können“, sagt sie. Am
es ein positiver Job für mich und für die Kunden.“ Hier kann Karin Noichl ihre schönsten findet sie Layouts, die gekonnt mit Regeln brechen. „Wir Grafiker
Kreativität ausleben, kann immer wieder etwas Neues machen. Und das ist sollten uns mehr trauen“, ist sie überzeugt: „Es gibt Kunden, denen man
der Freiberuflerin besonders wichtig. Sie liebt ihre Unabhängigkeit und die mutige Layouts durchaus präsentieren kann!“
Tatsache, immer an verschiedenen Projekten dran zu sein. „Ich war früher fix
in einem kleinen Grafikstudio. Schließlich aber wollte ich raus aus dem Korsett Mut und Aufgeschlossenheit sind Eigenschaften, die Karins Leben generell
und habe mich selbstständig gemacht!“ Diese Freiheit möchte sie nicht mehr prägen. In ihrer Freizeit sitzt sie am liebsten auf dem Mountainbike und
aufgeben. Neben verschiedenen Projekten für Egger & Lerch gestaltet sie wagt sich dabei auch an schwierige Touren wie beispielsweise Alpenüber-
unter anderem das Fachmagazin „Jazzzeit“ oder das Fernsehmagazin „Tele“. querungen. Auch einen Wechsel ins Ausland kann sie sich gut vorstellen.
„Ein Mountainbike-Magazin würde ich gern mal machen“, sagt sie. Sonst hat Ihr Bauchgefühl hat sie jetzt erst mal zu Egger & Lerch gebracht – und nicht
Grafikerin Karin Noichl: „Ich bin ein mo- sie wenig Präferenzen. „Solange es nicht immer das Gleiche ist, bin ich für enttäuscht. „Wir sind ein homogenes Team und ich genieße die flexiblen
biler Mensch und brauche immer wieder jede Produktion offen.“ Hauptsache Print, darauf ist Karin Noichl nämlich, Arbeitszeiten. Vor allem aber ist Egger & Lerch, im Unterschied zu den meisten
etwas Neues in meinem Leben.“ wie alle anderen Egger & Lerch-GrafikerInnen auch, spezialisiert. „Ich bin ein Agenturen, organisiert. Das minimiert den Stressfaktor und fördert den Spaß.“
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

30 Egger & Lerch-Kunden

Selberknipsen –
aber wie? Beim
Kundenworkshop
bei Egger & Lerch
gab es wertvolle
Tipps.

Kundenevent mit
starkem Fokus Knipstipps für Zeitungsmacher Nicht immer reicht das Budget für einen professionellen Fotografen.
Aber kann man nicht auch mit selbstgeknipsten Bildern Spannung, Pfiff und gute Qualität in einem Magazin erzeugen?
Egger & Lerch veranstaltete für einige Kunden einen Workshop zu diesem Thema. Text und Fotos: Renate Süß

E s ist erster Dienstag im Monat,


9 Uhr: bei Egger & Lerch die Zeit
für gezielten Gedankenaus-
tausch. Höhepunkt der monatli-
chen Sitzung ist die Manöverkritik. Ein oder
mehrere Magazine, oft solche, die wir schon
seit vielen Jahren im Portfolio haben, werden
Scharf, aber nicht treffend
Ja, ja, die lieben Fotos … Fotografen sind viel-
fach zu teuer, Agenturbilder zu unpersön-
lich. Also werden viele Fotos von den Mitar-
beiterInnen des jeweiligen Unternehmens
selbst geknipst. Und die sind natürlich kei-
ne professionellen Fotografen. Dementspre-
„Ich war über die
Einladung sehr
überrascht und
erfreut, habe viel
Fotografieren heißt neu sehen lernen
„Jeder kann knipsen. Auch ein Automat. Aber
nicht jeder kann beobachten“, sagte der Dich-
ter Friedrich Dürrenmatt. Schon wer einige
Grundregeln berücksichtigt, wie beispiels-
weise, dass man sein Motiv besser nicht mit-
tig platziert und dass Horizonte gerade sein
diskutiert. Ist noch alles so wie geplant? Was
ist beispielhaft, wo gehen wir mittlerweile
chend schauen dann auch die Ergebnisse
aus: technisch oft gar nicht so schlecht. Die
mitgeschrieben sollten, macht bessere Fotos. Und wer aktiv da-
rauf hingewiesen wird, worauf er schauen soll,
lieber neue Wege? Mehrere Mitarbeiter- und Automatikeinstellung der Digitalkamera und würde mir sowieso. Das menschliche Gehirn, so toll es ist,
Kundenmagazine aus dem Profit- und Non-
Profit-Bereich liegen auf dem Tisch. „Das Co-
schafft das mit der Belichtung so einiger-
maßen, und meist sorgt der Autofokus für
ein Follow-up sehr macht uns das Fotografieren nämlich nicht
unbedingt leicht. Es denkt sich Schatten auf
ver der Märzausgabe ist super. Schade, dass scharfe Aufnahmen. Warum sehen die End- wünschen.“ Gesichtern, störende Hintergründe und vieles
sich diese Bildqualität im Innenteil nicht fort- ergebnisse dann trotzdem nicht so aus, als Andrea Brummeier, mehr einfach weg. Aber nur live – am Bild wird
setzt!“, hört man da unter anderem. könnten sie ein Magazin aufpeppen? Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen dann umso deutlicher, was alles nicht passte.

links:
Hans Eder in seinem
Element. Wie man
Fotolaien praxisrele-
vantes Wissen beibringt,
weiß er aus jahrelanger
Erfahrung als Kursleiter.

rechts: Kaffee,
Krapfen und
Trzesniewski-Brötchen
sorgten in den kurzen
Pausen für Stärkung
... und schon wurde
wieder eifrig mitge-
schrieben.
Egger & Lerch-Kunden 31

„Ich habe meine


Kamera näher
kennengelernt
und werde mir
in Zukunft beim
Fotografieren
länger Zeit lassen,
anstatt nur
abzudrücken.“
Barbara Pirklbauer,
Generali Holding Vienna AG

rechts oben:
Mag. Dr. Gabriele
Frisch,
Hilfsgemeinschaft
der Blinden und
Sehschwachen

rechts: v. l. n. r.:
Simone Gross, MAS,
s IT Solutions,
Mag. Barbara
Pirklbauer, Generali
Holding AG,
Mag. Christine Pendl,
Care, Mag. Andrea
Brummeier, Diakonie

rechts unten:
Mag. Silke Ruprechts-
berger, Caritas

Workshop für Win-win-Situation mitmachen. Zwei mussten später aufgrund


„Warum veranstalten wir nicht einen Fo- von Terminkollisionen absagen. So trafen
toworkshop für unsere Kunden?“, kam da am 16. Jänner Silke Ruprechtsberger, Cari-
mitten ins Lamentieren ein konstruktiver tas, Andrea Brummeier, Diakonie, Bernhard
Vorschlag. Ja – warum nicht? Schließlich Zahrl, Barmherzige Brüder, Gabriele Frisch,
haben alle was davon: Unsere Kunden eine Hilfsgemeinschaft der Blinden und Seh-
kostenlose Weiterbildung und wir die Chan- schwachen, Simone Gross, s IT Solutions,
ce auf bessere Fotos und damit mehr Spaß Barbara Pirklbauer, Generali, und Christi-
am Arbeiten. Der passende Fotograf war ne Pendl, Care, im Egger & Lerch-Büro zu-
schnell gefunden. Hans Eder gibt seit Jah- sammen. Schon mit der Vorstellungsrunde
ren Kurse an Volkshochschulen. Er kennt die kamen die ersten Fragen: Kann man von
Probleme und Anliegen von Fotolaien. „Nicht Besprechungssituationen spannende Fotos
jeder will ja gleich ein Profi werden“, sagt er: machen? Wie rücke ich Produkte besser ins
„Das dauert Jahre. Aber schon mit ein biss- Licht? Welches Format wähle ich, wenn ich
chen Know-how schafft man brauchbare einen stehenden Arzt mit einem liegenden
Schnappschüsse. Und in manchen weckt Patienten knipse? Um eine Antwort ver-
das dann ohnehin die Leidenschaft auf legen war Hans Eder nur einmal. Wie man „Für mich war es
mehr!“ Hans Eder weiß, wovon er spricht.
Er ist selbst Autodidakt – heute aber sehr
Spendenscheckübergabesituationen span-
nender gestaltet, wusste auch er nicht – vor
ein Aha-Effekt, dass
erfolgreich vor allem als Konzertfotograf allem, weil ja der Spender selbst genau das es beim Fotogra-
(unter anderem als Hausfotograf der Do- Klischeefoto erwartet, das ihn und den Emp-
naubühne Tulln und Tourbegleiter der Seer), fänger mit dem Karton in der Hand zeigt. fieren gar nicht so
aber auch in der Werbung und vor allem im wahres Blitzfeuer regnete auf alle Beteilig- sehr um Technik
Bereich Kunstfotos. Die Auswahl der Kun- Fortsetzung erwünscht ten nieder. Jeder knipste jeden, und Hans
den gestaltete sich schon schwieriger. Wir Die Teilnehmer erfuhren, welchen Eindruck Eder gab praktische Tipps speziell zur jewei- und Ausrüstung,
entschieden uns für solche, die nicht fast
ausschließlich koordinieren, sondern selbst
ein Querformat, welchen ein Hochformat
beim Betrachter erweckt, wie man durch
ligen Kamera. Der Hauptfokus des Kurses
lag aber ganz entschieden auf der Theorie.
sondern um den
viel für ihr Magazin fotografieren. gedachte Linien Bilder komponiert und „Für beides wäre ein Nachmittag auch zu Blickwinkel und die
Auf fast alles eine Antwort
was absolute No-nos sind. Zahlreiche Bei-
spielbilder veranschaulichten das Gesagte.
kurz gewesen“, resümiert der Fotograf. Über
eine passende Location für ein Praxis-Fol-
Wahl des Stand-
Die erste Überraschung stellte sich schnell Während der Kaffeepause wurde dann das low-up wird im Egger & Lerch-Team jeden- ortes geht.“
ein. Alle, die wir kontaktierten, wollten auch Gelernte gleich in die Tat umgesetzt. Ein falls schon nachgedacht. Simone Gross, s IT Solutions

„Es war spannend,


vom Praktiker
Tipps zu be-
kommen. Von den
Beispielbildern
habe ich viel über
die Wirkung der
Bildkomposition
gelernt.“
Silke Ruprechtsberger,
Caritas Österreich
pe r i o d i c u m Ausgabe 3 | Sommer 2009

32 Schlussrechnung

Viel Platz
für wenig Geld
Echter Zeitungsdruck für Kunden- oder Mitarbeiter-
zeitschriften? Diese Option haben viele Unternehmen oder
deren Agenturen gar nicht ernsthaft ins Auge gefasst.
„Das ist nur etwas für Großauflagen!“ ist jedoch ein ebenso
überholtes Argument wie „Die Qualität ist viel zu schlecht.“

F aktum ist, dass eine echte Zei-


tung zwar qualitativ nicht mit
einem Hochglanzmagazin mit-
halten kann, aber eine Reihe
anderer Qualitäten hat (siehe unten) und
durchaus schon für Auflagen ab 5.000 Stück
infrage kommt. Die sogenannten Coldset-
Wenn Sie also der spezielle „look and
feel“ einer waschechten Zeitung grund-
sätzlich fasziniert, lohnt sich ein Blick auf
den untenstehenden Vergleich. Insbeson-
dere bei hohen Seitenumfängen und natür-
lich auch bei größeren Auflagen erhalten
Sie für Ihre Inhalte sehr viel Platz um wenig
Zeitungsrotationen der neuesten Gene- Geld. Einer großzügigen Gestaltung stehen
ration produzieren mit deutlich weniger damit die Druckkosten nicht mehr im Weg,
Makulatur als früher. Sie drucken meist und dank des leichten Papiers ist auch der
durchgehend vierfarbig und in einer an- Versand entsprechend preiswert.
ständigen Qualität.

Druckkosten am Beispiel dieser Zum Vergleich der Preis eines im


Ausgabe von periodicum Umfang vergleichbaren Hefts im
Preisbeispiel: OÖN Druckzen- Bogenoffset bei einer deutschen
trum, wo auch diese Zeitung Online-Discountdruckerei:
gedruckt wurde:
Zeitschrift 210 x 297 mm
Zeitung 300 x 450 mm • 64 Seiten (entspricht ca. 32 Seiten
• 32 Seiten 300 x 450 mm)
• Papier 55 g aufgebessertes • Papier 80 g Offset (dünnere Papiere sind im
Zeitungspapier Bogenoffset nur schwer verarbeitbar)
• Alle Seiten 4/4-farbig • Alle Seiten 4/4-farbig
• Keine Heftung • Rückenheftung
• Kein Umschlag • Kein Umschlag

€ 25.000
Zeitschrift
Zeitung
€ 20.000

€ 15.000

€ 10.000

€ 5.000

5.000 Stk 10.000 Stk 20.000 Stk 50.000 Stk


€ 3.756,– € 5.880,– € 10.127,– € 22.867,–
€ 2.300,– € 3.040,– € 4.520,– € 8.960,–

Vorteile: Nachteile:
Papiere mit bis zu 100 % Recyclinganteil Farben wirken etwas stumpfer und
sind Standard. kontrastärmer als bei anderen Verfahren.

Leichte, günstige Papiersorten ab Papierauswahl ist auf wenige,


ca. 45 g/m2 sind problemlos verwendbar. ungestrichene Sorten beschränkt.

Der Druck im Coldset erfordert vergleichsweise Das Produkt kann an manchen Stellen
wenig Energie, denn im Gegensatz zu etwas verschmiert oder schmutzig wirken,
Heatset ist keine Heißlufttrocknung nötig. weil die Farbe beim Falzen noch nicht ganz
trocken ist.
Die Lieferzeiten sind sehr kurz:
Zigtausend Zeitungen pro Stunde kommen
fertig aus der Druckmaschine.

Druck- und Papierkosten sind unschlagbar


günstig, insbesondere bei größeren
Seitenumfängen und/oder Auflagen.

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