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«noli me längere»

Die Anwendung unmittelbarer Gewalt:


Eine meta-ethische Diskussion*
Ulrich Kobbe

Zusammenfassung

Ausgehend von einer forensischen-psychiatrischen Alltagspraxis, in der sich Diskurse der


Politik, Justiz, Medizin und Psychologie treffen, mithin ergänzen und in Frage stellen,
werden Ethik und Praxis der „Absonderung" als Mittel der Gefahrenabwehr diskutiert.
Zunächst werden implizite Vorurteile in der expliziten Zuschreibung von „Gefährlichkeit"
und interaktioneile Determinanten skizziert. Für den Umgang mit der fremden und der
eigenen Gewalttätigkeit wird ein Konzept der „Selbstsorge" (Foucault) vorgestellt und hin-
sichtlich seiner Bedeutung für die Entwicklung einer ethischen Haltung diskutiert. Als kon-
krete soziale Praktik kann diese dazu dienen, die Freiheit des anderen - wieder - insofern
anerzukennen und zu respektieren, als sich hieraus einseitige Zuschreibungen von Schuld,
Krankheit, Gefährlichkeit versus Verantwortung, Kompetenz usw. aufheben und wechsel-
seitige, kongruente und komplementäre Interaktionsmöglichkeiten herstellen lassen.

Schlüsselwörter

Gefährlichkeit - Zwang - Ethik - Selbstsorge - Verantwortung

Summary

Ethics and the practice of Isolation äs a means of deflecting danger are discussed here
springing from the departure point of every day practice in the forensic-psychiatric field in
which discourses on politics, justice, medicine and psychology come together and therefore
complement or question each other. First of all the implicit prejudices in the explicit assignation
of "danger" and interactionary determinants are sketched. For dealings with personal and
external acts of violence a concept of "seif care" (Foucault) is presented and discussed with
regard to its significance for the development of an ethical attitude. As concrete social
practice this can serve in so far äs to show respect for and recognition of the freedom of
others, whilst also removing the one-sided accusations of guild, illness and danger versus
responsibility, competence etc. and allowing alternating, congruent and complementary
possibilites of interaction.

Key words and phrases


i
danger - force - ethics - self-care - responsibility

WsFPPS.Jg. (1998) H. l 139


Resume Wahrheit - Ethik - Erhabenes

En emanant de la pratique forenesique et psychiatrique de tous les jours, oü les discussions Zu diesen zentralen Topoi menschlicher Freiheit und individueller Wahl-
politiques, juridiques, medicales et psychologiques se rencontrent, par consequent se freiheit befragt man, will man in Bildern denken, am besten die antiken
completent et se mettent en question, la contribution presente discute l'ethique et la pratique Mythen. Doch ist dies nicht der einzige Grund, an dieser Stelle nach
de «l'isolement» pour exclure la dangerosite du malade pour la societe. D'abord, l'auteur
ebauche les prejuges implicites dans l'attribution explicite du critere de «dangerosite» et les
dem Rätsel der Sphinx im Mythos des Ödipus (Kobbe 1996d) erneut
determinants de l'interaction. En ce qui concerne le commerce avec la violence d'autrui et einen Mythos - die allegorische Erzählung von Amor und Psyche - als
sä propre violence, une conception de «soin de soi» (Foucault) est presentee et discutee par Bezugspunkt ins Spiel zu bringen: Die therapeutischen und die institu-
rapport ä son importance pour le developpement d'une attitude ethique. En tant que pratique tionellen Praxen der forensische Psychiatrie konfrontieren uns auf eine
concrete et sociale, celle-ci peut servir ä reconnaitre - de nouveau - et ä respecter la liberte
de l'autre dans la mesure oü des attributions unilateraux de culpabilite, de maladie et de
Art und Weise mit Verwicklungen, Entfremdungen und Verkettungen
dangerosite versus les questions de responsabilite, de competence etc. se compensent. Ainsi, (in) der Realität, mit der eigenen wie der fremden Borniertheit und Ver-
il est possible de realiser des possibilites d'interaction reciproques, congruentes et gänglichkeit, daß „ohne Zweck und ohne Interesse" versucht werden
complementaires. muß, eine innere Bewegung zu vollziehen, die „auf das Erkenntnis-
oder auf das Begehrungsvermögen bezogen" ist (Kant 1978, 138-139,
Mots-cle 24). Es handelt sich - philosophisch ausgedrückt - um das Erlebnis des
Erhabenen.
dangerosite - contrainte - ethique - soin de soi - responsabilite

„Kant erklärt, daß das Gefühl des Erhabenen eine Struktur habe, die jener des
sittlichen Gefühls der Achtung gleiche: Wenn ichAchtung für das moralische
„ Wenn man sein Gewissen dressiert, so küßt es uns zugleich, indem es beißt. "' Gesetz empfinde, unterwerfe ich mich ihm, und im Hinblick auf dieses Gesetz
(Nietzsche 1886, 66, Aphorismus 98) bin ich das Individuum, das sich bei seinen Handlungen darum sorgt, das Gesetz
nicht zu verletzen, ebenso wie derjenige handelt, der sich um das Leben eines
«noli me tangere» anderen sorgt [...] Diese besondere Verbindung von Unterwerfung, Abhängig-
keit, Furcht, Grausen, Verwunderung und Befreiung, Entlastung, Erleichterung,
Diese Arbeit beginnt mit einem Bibelzitat aus Johannes, Kap.20, Vers Aufschwung schafft dieStruktur des Erhabenen wie auch die der Achtung und
17. Dieses „Rühre mich nicht an" bezieht sich darauf, daß es in zwi- Würde" (Kosik 1997, 40).
schenmenschlichen Verhältnissen zwangsläufig unmöglich ist, sich nicht
berühren zu lassen. Hier verweisen uns die eigenen Fachdisziplinen Psy- Wie ersichtlich, handelt es sich um eine Thematik der zwischenmensch-
chologie und Psychiatrie auf den interaktiven Ursprung der Psyche, auf lichen Ethik, die insbesondere hinsichtlich der Aspekte von Unterwer-
die eigene Spiegelung im Auge des anderen, auf den von Kohut (1966, fung, Respekt und (Für-)Sorge im weiteren konkreter behandelt werden
569) so benannten „Glanz im Auge der Mutter". Entwicklungsgeschicht- sollen. Folgt man den Angaben Hegels zum Erhabenen, so kann der
lich markiert sich im Blick - noch eher als in der Sprache - die Differenz Rekurs auf eine mythologische Allegorie dazu dienen, in ihr ein Erhabe-
des anderen, der die Macht hat, das Selbst entweder zu bestätigen oder nes wiederzugewinnen, um sich - zumindest vorübergehend - aus der
ihm diese Anerkennung zu verweigern. Zwar befinden wir uns hier ei- wissenschaftlichen Arroganz, dem zweckrational-zielpragmatischen Miß-
nerseits im Raum des Imaginären, andererseits jedoch des durchaus Realen brauch der Vernunft als instrumenteller Vernunft (Kobbe 1991b, 12) zu
(Kobbe 1995a): Es geht um die fundamentale Einschränkung menschli- befreien und eine - u.U. antiquiert erscheinende - Fähigkeit interesselo-
cher Freiheit durch den intersubjektive Differenzierung bewirkenden bzw. sen Urteilens und Freiheit philosophischer Erkenntnis zu garantieren.
sie bestätigenden Blick des anderen, der zugleich fremdkontrolliert und
konfrontiert.

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Psyche und Bestie vermuten bzw. zu etikettieren, beinhaltet insofern ein erfahrungsunab-
hängiges Apriori, eine vorurteilshafte Befürchtung, die das auch intra-
Wer von uns Psychologen, Psychiatern, Psychotherapeuten aber kennt mural ausgrenzende Stereotyp nur noch verstärkt und unter Umständen
tatsächlich diese mythologische Erzählung von Amor und Psyche? Die gerade hierdurch die Gefahr mitbedingt, der sie zuvorzukommen beab-
Jungfrau Psyche war, heißt es in der Version des Apuleius von Madaura, sichtigt (vgl. Kobbe 1997a).
von derart „unvergleichlicher Schönheit" und solch „herrlichen An-
blicks", verführerisch also, daß dies den Zorn der Göttin Venus ent- „Wenn alles gefahrlich ist, dann haben wir stets etwas zu tun. ... Ich denke, daß
flammte und diese einen Orakelspruch bewirkte, nach dem Psyche nie die ethisch-politische Entscheidung, die wir täglich zu fällen haben, im Bestim-
einen Mann „von sterblicher Geburt" haben sollte, sondern ein Unge- men dessen besteht, worin die Hauptgefahr liegt" (Foucault 1984d, 72).
heuer, nämlich „jenes böse Schlangenwesen, vor dem die Götter zittern
und die Schatten des Styx sich fürchten" (Wyrwa 1990, 10). Wie problematisch diese Alltagsprozesse der subjektiven Wahrnehmung
und Beurteilung von Personen auf eine eventuelle Gefahr, Gefährlich-
Nimmer erwarte, dir werde zum Eidam ein sterblich Gebor'ner: keit, Gefährdung sein können, wird deutlich, wenn über das Subjekt ein
Grausam ist er und wild, giftig, ein böser Gesell. Netz wissenschaftlicher Rationalisierungen gezogen wird. In ihnen ist
Hoch zu dem Äther schwebt er, das All sucht heim er mit Plagen, der Bedeutungsakzent unter anderem so von der Fremdgefährlichkeit
Jegliches Wesen der Welt lahmt er mit Feuer und Schwert. zur Selbstgefährdung verschoben, daß nunmehr die - angenommene -
Jupiter erzittert vor ihm, und er schreckt die Dämonen, Gefahr nicht der Allgemeinheit oder dem geordneten Zusammenleben in
Furchtbar steigt er ins Meer und in die höllische Nacht. der Klinik, sondern dem Individuum selbst droht (Kobbe 1996b, 207).
(Apuleius, in Stoessl 1947, 225-226) Der Patient erscheint nicht mehr gefährlich, sondern durch Entweichung,
Suizid, Suchtmittelabusus gefährdet. Diese Wortwahl und -Verschiebung
Der Blick auf dieses Ungeheuer, das Erkennen seines eigentlichen We- führt fatalerweise zur erneuten Pathologisierung des ohnehin stigmati-
sens aber bleibt Psyche trotz (neu)gieriger Ungeduld, trotz triebhaften sierten Rechtsbrechers und ist als normalitätswissenschaftlicher Versuch
Drängens zunächst verwehrt. Sie sehen, es ist die ursprüngliche, begeh- zu verstehen, „das Konzept der Gefährlichkeit ohne Archaik des Bösen
rende Agressionsthematik von der Schönen und dem Biest (Jung 1968, zu denken, den Rechtsbrecher als reinen Kranken zu begreifen. Aber es
137-140), hier: von Psyche und Bestie. läßt sich nicht leugnen, - so Strasser (1984, 151) - daß diesem Versuch
etwas Hilfloses eignet". So wird hier das institutionelle Schutzinteresse
Gefährlichkeit - Gefährdung in Form scheinbarer Fürsorge durchgesetzt, ohne daß dies auf den er-
sten Blick moralisch vorwerfbar wäre. Dennoch ist in dieser institutio-
Wie verhält es sich da mit unserem prüfend-diagnostischen Blick auf nellen Dynamik nicht nur ein Abwehrvorgang, sondern auch eine gelun-
den gefährlich-devianten Rechtsbrecher, „der wie durch die Glaswand gene neutralisierende Sublimierung - reaktiver - aggressiver Impulse der
eines Aquariums zwischen zwei Lebewesen [...], die verschiedene Ele- Behandler zu sehen (Kobbe 1997).
mente bewohnen", getauscht wird? Dieser pannwitzsche Blick (Levi 1961,
128) befriedigt nicht nur eine von außen schauende, distanzierte Faszi- So hat übrigens Dittmann (1991, 129) während der 6. Eickelborner Fach-
nation der Furcht und des Schreckens: Er schreibt Gefährlichkeit - was tagung hierzu treffend festgestellt, Gefährlichkeit sei „kein Befund, son-
wesentlich erscheint - dem psychisch kranken/gestörten Individuum als dern bereits Ergebnis einer Güterabwägung". Offensichtlich mobilisiert
eine Eigenschaft zu, die es per se aber nicht 'hat' (Kobbe 1996b, 207- die wahrgenommene Gefährlichkeit des Verhaltens also bereits in den
233): Denn Gefährlichkeit existiert ausschließlich in Beziehungskontexten beschreibenden, erst recht in den diagnostischen und spezifisch in den
zu anderen, sodaß es kein prinzipiell gefährliches Individuum geben dürf- juristisch begründenden Diskursen ein angstreduzierendes, rationalisie-
te, sondern nur derart unaushaltbare Situationen, daß mehr oder weni- rendes Umgehen mit angsterregendem Verhalten, indem anstelle kon-
ger unausweichlich der Wechsel von der Geste oder dem Verhalten zur zeptualisierender Interaktionsanalyse eine klassifizierende Individualdia-
Handlung erfolgt (Chardin et al. 1980). Den anderen als gefährlich zu
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gnostik mit abgeleiteten defensive Forderungen und präventiven Maß- Mithin geht es um die Anwendung unmittelbarer Gewalt und um die dies
nahmen vorgenommen wird (Kobbe 1996a, 128-129). Halten wir fest: ermöglichende Entscheidungs- und Verfügungsgewalt. In diesem Zu-
Bereits das alltägliche Behandlungssetting ist als institutionelle Pragma- sammenhang führt Jervis (1979, 77) zur gesellschaftlichen Rolle des
tik davon geprägt, daß die sozialpsychiatrische Forderung nach einer an Psychiaters wie des Psychologen aus, dieser sei „keine Figur, kein Indi-
individueller Erfahrung, an Empfinden und Handeln, an Alltagskontext viduum [...], welches eine vom Rest des gesellschaftlichen Mechanis-
und Lebensgeschichte ansetzenden Rekonstruktion des Subjektiven nur mus losgelöste", sondern eine sich „nahtlos" in die anderen Gesellschafts-
bedingt eingelöst werden kann. Immerhin müßte diese rekonstruktive formen einfügende Aufgabe erfülle. Aufgrund dieser technisch-funktio-
Arbeit - wie Herzog (1980, 17) anmerkt - gegebenenfalls „quer zu den nalen Rolle komme ihm Macht über den Patienten als „objektive Seite
institutionellen Strukturen laufen". Dies aber legt die Untersuchung ak- der Autorität" zu, die auf ihre Werte und ihre Umsetzung hin zu befra-
tueller Machtausübung nahe (Kobbe 1996b; 1997a), können doch einer- gen sei. Denn jenseits der Professionalisierung von Interventionswissen
seits pragmatische Psychiatriereform und progressive Rechtsgarantien und kritischer Selbstbefragung macht gerade in der klinischen Praxis
die Verinnerlichung psychiatrischer Gewalt im Subjekt selbst nicht ver- „die Wahrnehmung des wirklichen Elends, der Beugung jeder Wahr-
hindern bzw. aufheben (Herzog 1980, 17). Andererseits sind auch sozial- nehmung durch die »tristen Leidenschaften«, d.h. die Anerkennung des
psychologisch-sozialpolitische Konzepte der Selbstverwirklichung und Realitätsprinzips, das das Elend verbürgt, [...] den starren, ausweglosen
Selbsthilfe darauf zu befragen, inwieweit sie als geforderte Selbstverant- Blick aus. Die kritische Praxis richtet sich im Elend ein, wird ihm ge-
wortung Formen internalisierter Gewalt im Gewand innerer Freiheit dar- recht, was doch nicht die Aufgabe der Kritik ist: Kritik verhält sich
stellen (Osterkamp 1988) und ob auch Selbstbestimmung nicht auch „im- ungerecht zum Elend", formulieren Negt und Kluge (1981, 486).
mer nur eine Form der Selbstdomestikation - der Verinnerlichung ge-
sellschaftlicher Repression - gewesen ist" (Bergfleth in Bataille 1985, Daher ist das in actu wirksame Handeln zu untersuchen, das - so Foucault
o.S.) (1996a, 21) - „aus Individuen Subjekte macht" und auf den zweifachen
Aspekt verweist, sowohl „vermittels Kontrolle und Abhängigkeit jeman-
Anwendung unmittelbarer Gewalt dem unterworfen" als auch „durch Bewußtsein und Selbsterkenntnis sei-
ner eigenen Identität verhaftet zu sein". Das heißt, das konkrete Han-
In diesem Bereich ist also die Kluft zwischen dem Krankenhaus als „Ein- deln muß daraufhin befragt werden, was aus dem sozialpsychiatrischen
richtung zur Heilung" und dem Krankenhaus als „Ort des Ausschlusses Ideal wird, der institutionellen Pragmatik eine radikale Stellungnahme,
und der Gewalt" zu erörtern (Basaglia & Basaglia-Ongaro 1980, 13). eine engagierte Sorge für das Subjekt entgegen zu stellen. Es bleibt zu
Essentiell erscheint dementsprechend die Untersuchung der ethisch-mo- prüfen, inwieweit therapeutische Parteinahme und sozialpolitische Ver-
ralischen Aspekte einer Verantwortungs- und Entscheidungsübernahme antwortungsübernahme für das gesellschaftlich verfemte Subjekt im
innerhalb einer - so Kernberg (1971) - um Gruppenprozesse mit wech- Krisenfall zum undialektisch erstarrten Entweder-Oder, zur Krisenfalle
selndem Strukturierungsgrad organisierten Struktur, die den Patienten ohnmächtiger Gewalttätigkeit versus gewaltausübender Ohnmacht gera-
wie den Behandler mit der Teilnahme an einem experimentellen Setting ten.
konfrontiert, das in unterschiedlichem Ausmaß die Aktivierung primiti-
ver Objektbeziehungen verstärkt. Damit bin ich nicht nur mit der "Absondern"
Indikationsstellung, Durchführung fachlichen Beratung, Supervision und
Sicherstellung qualifizierter Psychotherapie für diese Patienten befaßt, Die Verhältnisse der Fremdgefährdung, der aktuell zu erwartenden
sondern auch mit der Anordnung unmittelbaren Zwangs zur akuten Handlungsaggression sind keineswegs eindeutig: Wo denn fängt im kon-
Gefahrenabwehr konfrontiert. Konkret beinhaltet dies, daß selbst- und/ kreten individuellen Fall die erhebliche Störung des geordneten Zusam-
oder fremdgefährliche Patienten zur Abwehr der festgestellten oder - menlebens an? Wann ist der Patient als tatsächlich gefährlich zu beurtei-
wie es heißt - „begründet vermuteten" Gefahr für sich oder andere in len? Das heißt, wann stellt bereits die verbale Androhung von Gewalttä-
einem speziellen Raum „abgesondert" werden. tigkeit, sozusagen als verbale Geste ohne direktes gewalttätiges Han-
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dein, bereits eine manifeste Gefahr da? Weil nämlich bei diesem be- muß er sich vollständig entkleiden und als einziges Kleidungsstück ein
stimmten Patienten im Unterschied zu anderen dem Sprechen erfahrungs- sog. 'festes Hemd' aus Leinen anziehen, wird er zudem unter Umstän-
gemäß bereits Handlungscharakter innewohnt und nicht mehr der verba- den noch rektal untersucht. Insofern geht es nach wie vor im Krisenfall
lisierenden Selbstkontrolle dient. Und wann geht von einem zweiten auch in einem programmatisch (psycho)therapeutisch ausgerichteten
Patienten nach einer gewaltsamen Zerstörung eines Gegenstandes keine Maßregelvollzug „um jene ganze Technologie der Macht über den Kör-
weitere Gefahr mehr aus? Da bei ihm gerade durch die spontane Hand- per, die von der 'Technologie der Seele' - derjenigen der Erzieher, Psy-
lung der aufblitzende aggressive Impuls abgeführt wurde und die Situa- chologen und Psychiater - weder maskiert noch kompensiert werden
tion nunmehr wieder entspannt und besprechbar ist. kann, da sie ja nur eines ihrer Instrumente ist" (Foucault 1975, 43).

Wie ersichtlich, läßt die progressiv-regressive Abfolge von Pose - Geste Es ist eine von Mishima (1969, 343) literarisch verdichtet als peinliche Prozedur
- Verhalten - Handlung (Kobbe 1995b, 2-4) im individuellen Fall keine beschriebene Examinierung, bei der jener andere „alles abzulegen hatte, bis er
hinreichende Unterscheidung und verläßliche Prognose zu, handelt es splitternackt dastand. Man untersuchte seinen aufgerissenen Mund bis zum letz-
ten Backenzahn, und nachdem ihm gründlich in die Nasenlöcher, in die Ohr-
sich doch strukturell um eine Verwerfung des Symbolischen, d.h. - so
gänge, und nachdem man ihn bei erhobenen Armen von vorn geprüft, mußte er
Foucault (1975, 43) - „in Wirklichkeit [...] um eine Revolte auf der
auf allen vieren kriechen, um von hinten examiniert zu werden. Mit solcher
Ebene der Körper gegen den Körper des Gefängnisses", um ein ebenso Rücksichtslosigkeit behandelt, wurde einem der eigene Körper immer fremder,
reales wie imaginär determiniertes Geschehen. Und auch das Wissen um und man hatte schließlich das Gefühl, lediglich die Gedanken noch blieben einem
die Tatsache, daß die Verbalisierungs- und Kommunikationsfähigkeit als unantastbarer Besitz erhalten. Diese Vorstellung schon bedeutete ein Entrin-
für die intrapsychische Verarbeitung von Konflikten und die Beherr- nen aus all der Erniedrigung."
schung von Impulsen wesentlich sind (vgl. Kobbe 1996a, 299-301), stellt
keineswegs generell eine hinreichende Hilfe dar. Offensichtlich geht es Diese fraglos entwürdigende Prozedur soll suizidale Handlungen ver-
also nicht um das einfach als gefährlich identifizierbare Individuum, hindern. Benque (1996, 28), ehemaliger Abteilungsleiter der medizi-
sondern um - wie zuvor bereits behauptet - um intrapsychisch und nisch-psychiatrischen Abteilung einer Strafvollzugsanstalt, beschreibt den
interaktioneil derart unaushaltbare Situationen, daß mehr oder weniger Verantwortungs- und Entscheidungskonflikt wie folgt:
unausweichlich der Wechsel vom Verhalten zur Handlung erfolgt bzw.
zu erfolgen droht. Die Frage lautet also: Welche geringeren Mittel stän- „Die Realität kommt auf ihre Kosten, wenn ein Gefangener totaufgefunden wird,
den gegebenenfalls zur Verfügung, um dem Patienten eine andere erstickt, nachdem er seine Matratze angezündet hat. «Sie können sagen, was Sie
Verhaltensmöglichkeit zu verschaffen, ihm mehr subjektive Sicherheit, wollen, aber hätte man ihn nackt in der Zelle gelassen, hätte er sein Feuerzeug in
eine größere Distanzierungsmöglichkeit oder eben die benötigte perso- seiner Tasche nicht finden können!» Was die Vorschriften betrifft, verbietet die
nelle Nähe zu geben? Dies allerdings ist meist in der direkten Situation Strafvollzugsordnung Erniedrigungen, autorisiert jedoch auch, dem Getangenen
jeden für ihn oder für andere gefährlichen Gegenstand zu nehmen. Was gibt es
zu beurteilen, mithin nur selten verläßlich zu entscheiden und dürfte
Gefährlicheres als ein Kleidungsstück, mit dem man sich erhängt?".
erfahrungsgemäß zur 'sicherer' erscheinenden Wahl der Absonderung
führen.
Und der Kollege fügt an, in einer solchen, durch den institutionellen
Damit ist die konkrete Situation des Patienten in der Absonderung durch Rahmen bis zu diesem Punkt pervertierten Situation sei es wesentlich,
die Unterbringung im Intensivbehandlungsraum (IBR) bestimmt, der nicht in polarisierende Demagogie zu verfallen. Es müsse vielmehr dar-
nichts außer einer Bodenmatratze, einer Bettdecke und einer Naßzelle um gehen, dem Individuum seinen ursprünglichen Respekt zurückzuge-
enthält und in dem der Patient über eine elektronische Rufanlage mit ben bzw. zu garantieren, sprich, ihm seine Kleidung auszuhändigen.
Krankenpflegepersonal in Verbindung treten kann. Jedoch nicht nur das: Denn, so abermals Basaglia und Basaglia-Ongaro (1980, 60): „Der Dis-
Zu seiner - und seien wir wahrhaftig - auch zur eigenen Sicherheit wird kurs der Würde des Menschen beginnt und endet nicht am Ideenhimmel
dem Patienten nichts von seinem Besitz und seiner Kleidung gelassen, der Philosophen, sondern in der gesellschaftlichen Praxis".

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Meta-ethische Pro-Vokationen Keineswegs psychologisch verständnisvoll oder einfühlsam hingegen lei-
tete die zuständige Staatsanwaltschaft aufgrund der leichten Rauchver-
Einerseits also ist diese absondernde, zynisch2 ist man fast versucht zu giftung gegen den verantwortlichen Entscheidungsträger, in diesem Fall
sagen: 'aussondernde' Tätigkeit moralisch angreifbar, je nach Stand- mich, ein durchaus reales Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Kör-
punkt vielleicht gar unmoralisch, zweifelsohne normenorientiert und perverletzung ein. Nach Monaten traf an meiner privaten Wohnadresse
normativ. Unsere Praxis wird im Einzelfall unter Umständen niemals - wohlgemerkt, nicht in meiner Dienststelle im Krankenhaus - die lapi-
mit den Forderungen der Internationalen Erklärungen zur Ethik (Louzon dare Mitteilung ein, das Ermittlungsverfahren sei eingestellt. Andersaus-
1994, 47) übereinstimmen, doch verlangt sie Bescheidenheit und Mut gedrückt: Das In-Verantwortung-Nehmen war keineswegs mehr nur sym-
... Mut gelegentlich auch, um ein Eingreifen zu verweigern und sich in bolischer oder imaginärer Art und auf mich in meiner funktionalen Rol-
Widerspruch zu entsprechenden Forderungen zu setzen. Wie soll man le gerichtet, sondern in ihrer Ausdehnung auf mich als Gesamtperson,
denn Menschen behandeln, deren Körper fixiert, mitunter transportiert, im damit verbundenen Einbruch ins Private, ungemein real.
oft angeschaut, objekthaft behandelt wird (Lelandais & Proux 1996, 25)?
Wenngleich diese eigene Position, insofern sie auf die Garantie zwi- Die Untersuchung dieses Vorgangs ergab folgende Interpretation (Kobbe
schenmenschlichen Respekts, interaktive Regeleinhaltung und die Vor- 1996b, 6): Gewissermaßen ist diese staatliche Intervention analog zur
beugung der weiteren Schädigung Dritter abzielt, moralisch-ethisch 'sau- konkreten (para)suizidalen Handlung des Patientenen im Sinne eines sym-
ber' erscheint: Hüten wir uns, die Rolle des Gutseins einnehmen zu bolischen Tauschs, einer - erzwungenen - symbolischen Anerkennung
wollen: Weder ist eine Absonderung ausschließlich negativ, nur entwür- des anderen (Baudrillard 1982, 212), auf einer ebenso realen Ebene
digend, völlig unempathisch und generell gewaltsam noch ist deren Ver- sozialer 'Tötung' angelegt: „Das ist ein absolutes Gesetz: Verpflichtung
meidung uneingeschränkt positiv, ausnahmslos anerkennend, primär ein- und Gegenseitigkeit sind unübersteigbar" (Baudrillard 1982, 212). Wie
fühlsam und schlechterdings mitmenschlich. Dies im Bewußtsein, daß ersichtlich, divergieren juristische und ethische Verantwortungsdefini-
die eigene Tätigkeit mit nur abgeleiteter oder geborgter Autorität ausge- tionen, doch konvergieren sie insofern, als durch den „gesellschaftli-
stattet ist bzw. sich nur auf diese beruft. Versucht werden muß, die chen Tauschakt" eine gemeinsame soziale Beziehung (wieder)hergestellt
Gespaltenheit des Subjekts, seine Lebenskrise, seinen delinquenten Lö- wird, die den Gegensatz von Realem und Imaginärem auflöst: „Der Preis,
sungsversuch und das resultierende Elend in der Zwangsunterbringung den wir für die »Realität« des Lebens bezahlen, [...] ist das kontinuierli-
ohne Wertung als solches anzuerkennen. Denn: „Nur sanft sein, heißt che Phantasma des Todes" (Baudrillard 1982, 210). In dieser Wirklich-
noch nicht gut sein" (Bloch). keit ist das ethische Dilemma zwar individuell unlösbar, doch verliert
sie durch die dem Symbolischen inhärente Utopie (Baudrillard 1982,
Faktisch wird jedoch am konkreten Beispiel deutlich, daß und wie das 210 u. 211 Fn 9) ihre imaginäre, das andere ausschließende Realität.
Imaginäre ins Reale einbricht: Als wir vor einigen Monaten einem Pati-
enten in der Absonderung Kleidung und Feuerzeug Hessen, ihn also Foucaults Verantwortungsethik der Selbstsorge
nicht 'streng' absonderten, mithin seine Würde just nicht mehr als unbe-
dingt erforderlich anzutasten suchten, zündete dieser Kleidung und Bett- Ethik des Selbst
zeug an. Eine Dynamik, die als alloplastisch-autoplastisches Kippen ei- Hinsichtlich der faktischen Divergenz von juristischen und ethischen
nes fremdaggressiv unterlegten Begehrens in narzißtisch-selbstzerstöre- Verantwortungsdefinitionen entwirft Foucault die Vorstellung, das heut-
risches Agieren verstehbar wäre, da in seinem situativen Mangelerleben, zutage entwertete Konzept der Verantwortung durch das der Sorge für
dieser subjektiv erlebten Leere keine hinreichende Strukturierung und sich selbst und für andere zu ersetzen (Hadot 1996, 23). Es ist der Ver-
Angstbindung mehr verfügbar war und so die Projektion des gewalttä- such, eine „allgemeine Haltung" zu sich und den anderen, eine bestimmte
tigen Begehrens auf den abwesenden anderen, ins Nichts also, zur Form der Aufmerksamkeit und eine Umkehrung des Blicks i. S. selbst-
bumerangartig rückkehrenden Wendung dieser Wutaffekte gegen sich reflexiver Handlungs- und Seinsweisen (Foucault 1982, 32) zu entwik-
selbst geriet (Kobbe 1997c). keln3. Dieser „Ethik des Selbst" ist eine bestimmte philosophische Denk-
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Haltung eigen, da Foucault „das Subjekt nicht als Rechtssubjekt, son- sollen", impliziert (Foucault 1984a, 74). Anstelle „einer Moral des
dern als ethisches Subjekt ins Auge faßt" (Groll 1991, 133): 'Selbstverzichts' bzw. des 'Nichtegoismus'" (Groll 1991, 133) wird eine
eine antike griechische Moral der Selbstsorge skizziert:
Analog der Ontologie Heideggers skizziert Miklenitsch (1987, 69) diese Positi-
on des endlichen Subjekts dahingehend, daß es ihm zwischen den Polaritäten „Sich um sich kümmern ist keine Sinekure", sondern eine Sorge um sich, in der
eines Zwangs zum Leben und der „Exzessivität" (Miklenitsch) bzw. „Gewalt" „die Arbeit eines an sich selber und die Kommunikation mit dem anderen ver-
(Foucault) des Todes um seine Selbstsorge gehe. Von einer ursprünglich funda- bunden sind" (Foucault 1984e, 71). Insofern handelt es sich von der Haltung her
mental-ontologischen Problematik ausgehend (Foucault 1966, 339-341), ersetzt um einen „Grundsatz der Selbstzuwendung, aus der erst die Hinwendung zu den
Foucault diese nunmehr durch „die Perspektive einer, >etho-praktischen< Selbst- anderen erfolge" (Groll 1991, 133)4.
begründung", da am Anfang der Subjektwerdung keine freie „Entscheidung zur
Authentizität, sondern bestimmte Praktiken des Selbst, Schemata also" stehen Verantwortung
(Miklenitsch 1987, 69). In dieser Anknüpfung an Regeln antiker Ethik, einer Art Zu dieser Konzeption erläutert Ewald (1996, 25), der ethische Begriff
Lebenskunst als Kunst (techne) des Selbst, „gibt es eine andere Seite der Moral-
der Sorge sei dennoch ziemlich genau deckungsgleich mit dem der Ver-
vorschriften, die zwar meistens nicht als solche isoliert werden kann, aber m.E.
sehr wichtig ist: die Art der Beziehung, die man zu sich selbst hat, der Selbst-
antwortung: Wie Sorge beziehe sich Verantwortung auf das Feld der
bezug, den ich Ethik nenne und der bestimmt, wie das Individuum sich als ver- privaten und öffentlichen Machtbeziehungen. Wie Sorge beschreibe Ver-
meintlich moralisches Subjekt der eigenen Handlungen konstituiert" (Foucault antwortung die doppelte Beziehung sowohl zu sich selbst als auch zu den
1984d, 83). Die abgeleiteten individualethischen Normen werden einerseits von anderen. Allerdings sei die ethische Dimension der Verantwortung mit
politischen Gesetzen unterschieden, andererseits dabei als mit diesen gleichbe- ihrer Verrechtlichung regelrecht aufgelöst worden und Verantwortung
rechtigt begriffen: „Da die individuellen Entscheidungen genauso ernst genom- in ihrer heutigen Bedeutung wenn nicht als unmoralisch («immorale») so
men wurden, [...] mußten sie nicht in einen privaten Untergrund verschwinden, doch als a-moralisch («amorale») zu charakterisieren. Denn paradoxer-
in Heimlichkeiten verwandelt werden, sondern konnten öffentlich dargestellt wer- weise sei Verantwortung immer Angelegenheit der anderen, was jedem
den" (Erdmann 1995, 57). gestatte, niemals tatsächlich verantwortlich zu sein. Und mehr noch au-
torisiere Verantwortung sogar zur Ausübung moralisch verwerflicher
Wahrheitssorge Handlungen nach dem zynischen Motto 'Verantwortlich, aber nicht schul-
Hieraus entwickelt Foucault neben der zwangsläufigen Sorge des Sub- dig'. Das Konzept der Selbstsorge hingegen wird von Foucault (1984b)
jekts für sich - und andere - einen philosophischen Begriff der Sorge, die als in sich ethisch begriffen. Denn Selbstsorge impliziert bei ihm kom-
als selbstbewußte und selbstbestimmte Arbeit am (s)Ich einer speziellen plexe Beziehungen zu und mit anderen in dem Maß, in dem dieser «ethos»
Wahrheitssorge verpflichtet ist. der Freiheit auch eine Art und Weise darstellt, sich um andere zu sor-
gen. Dieses Verhältnis von Verantwortung und Sorge verhält sich ähn-
Neben den „Herrschaftstechniken" der (Selbst-)Beherrschung in Asylen, Gefäng-
lich wie das von Gerechtigkeit zu Freiheit:
nissen usw. seien die Techniken des Selbst mit einer Reihe von „Wahrheits-
verpflichtungen" in Betracht zu ziehen (Foucault 1980, 36), aus denen Wahrhaf-
tigkeit i. S. von Selbsterkenntnis, Selbstbewußtsein, Selbstzweifel möglich wer- „Wir haben natürlich nichts gegen Gerechtigkeit, dennoch halten wir es für legi-
de. Dieser Wahrheitssorge ist auch eine Ethik der Evidenz eigen, die die Relati- tim, darauf hinzuweisen, daß dieses Wort hier die grundlegende Wahrheit ihres
vität jeder Gewißheit focussiert, zwar „eine Ökonomie des Wahren und Fal- Gegenteils verdeckt, nämlich der Freiheit. Unter der Maske der Gerechtigkeit
schen" nicht etwa ausschließt, aber andererseits auch nicht in dieser aufgeht nimmt die allgemeine Freiheit allerdings das öde und graue Aussehen der den
(Foucault 1979, 131). Notwendigkeiten unterworfenen Existenz an: es ist eher eine Reduktion ihrer
Grenzen auf das rechte Maß, nicht die gefährliche Entfessselung - eine Bedeu-
tung, die der Begriff verloren hat. Es ist ein Schutz gegen das Risiko der Knecht-
Es handelt sich um demzufolge darum, eine „Grenz-Haltung" einzuneh-
schaft, nicht die Entschlossenheit, die Risiken einzugehen, ohne die es keine
men, die dem ethischen Subjekt eine Intensivierung der gesellschaftli-
Freiheit gibt" (Bataille 1967, 65).
chen Beziehungen dadurch ermöglicht, daß seine Sorge um sich auch
eine Anteilnahme an der Sorge, „die die anderen um sich selbst haben
150 WsFPPS.Jg.(1998) H. l WsFPP5.Jg. (1998) H. l 151
Sorge als konkrete soziale Praktik Mit einem solchen Selbstbewußtsein muß das selbstbestimmende 'Erkenne Dich
Mit einer derartigen Konzeption vertritt Foucault - neben der Sorge um selbst' über dem Apollo-Tempel Foucault zufolge verstanden werden als 'Sei Dir
sich = Selbstlenkung und der Sorge um die anderen = Lenkung der Deiner Fragen sicher, bevor Du das Orakel befragst'. Mithin geht es in einem
anderen - auch eine dritte Richtung der Sorge um die Wahrheit = sokratischen Dialog darum, daß das Individuum keineswegs seine Phantasmen,
Wahrheitsregime: Diese drei Sorge- oder Lenkungsrichtungen hängen Impulse oder Intentionen, sondern vielmehr seine Konzepte und deren Beziehung
zum konkreten Handeln untersucht (Dreyfus & Rabinow 1984, 350).
insofern miteinander zusammen, als man, um sich selbst fuhren zu kön-
nen, einen anderen benötigt, der einem als Referenz „die Wahrheit sagt"
In diesem Sinne ist Selbstsorge als konkrete soziale Praktik zu verste-
(Seiner 1996, 123).
hen, die die Freiheit des anderen insofern anerkennt und respektiert, als
Unter diesem Mut zur Wahrheit oder Wahr-Sagen versteht er eine Haltung, bei
damit einseitige Zuschreibungen von Schuld, Krankheit, Gefährlichkeit
das Erkenntnissubjekt sich keineswegs selbstabsichert, sondern sich in eine akti- versus Verantwortung, Kompetenz usw. aufgehoben und wechselseiti-
ven Auseinandersetzung mit einer Wahrheit begibt, zu der ein Zugang nur unter ge, kongruente und komplementäre Interaktionsmöglichkeiten wieder
der Bedingung bzw. um den Preis der eigenen Veränderung möglich ist (Seitter hergestellt werden könnten.
1996, 124). Denn „die langen Diskussionen über die Möglichkeit einer Wissen-
schaft vom Subjekt, die Gültigkeit der Introspektion, die Evidenz des Gelebten „Die Selbstpraktik impliziert, daß man sich in seinen eigenen Augen nicht schlicht
oder die Selbstpräsenz des Bewußtseins" seien - so Foucault (1976, 83) - insge- und einfach als unvollkommenes, unwissendes Individuum darstellt, der Besse-
samt problematische Wahrheitsdiskurse: Sie beinhalteten „Prozeduren des Ge- rung, Formung und Erziehung bedürftig, sondern als Individuum, das an gewis-
ständnisses und der wissenschaftlichen Diskursivität", also „eher zuviel als zu- sen Übeln leidet und sie in Pflege nehmen muß, sei's von eigener Hand sei's
wenig Diskurs". Dieser Wille zum Wissen ziele jedoch auf eine Wahrheits- durch jemand, der dazu berufen ist" (Foucault 1984a, 79-80).
produktion logischer, operationaler Aussagen als entscheidende Form des Macht-
Wissens hin, die sogar als Projekt einer Wissenschaft von Subjekt nur eine Funk- Mithin geht es Foucault um eine insgesamt kritische und selbstkritische
tion gesellschaftlicher Machttaktiken darstelle (Foucault 1976, 90). Die Sorge Haltung einer Ethik, in der Kritik als eine philosophische Denkbewegung
um die Wahrheit hingegen bedinge eine potentielle Infragestellung des Selbst,
verstanden wird, „in welcher sich das Subjekt das Recht herausnimmt,
Umkehrungen i. S. einer Wendung des Blicks und der Haltung:
die Wahrheit auf ihre Machteffekte hin zu befragen und die Macht auf
ihre Wahrheitsdiskurse hin. Dann ist die Kritik die Kunst der freiwilli-
Die Möglichkeit des Individuums, zugleich Subjekt und Objekt seiner eigenen
Erkenntnis zu sein, führt dazu, daß sich die Struktur der Endlichkeit im Wissen
gen Unknechtschaft, der reflektierten Unfügsamkeit" (Foucault 1990,
umkehrt. [...] Denn die Medizin hält dem modernen Menschen das hartnäckige 15). Insofern geht es um die Erlangung einer autonomen kritischen Po-
undberuhigende Gesicht seiner Endlichkeit vor; in ihr wird der Tod ständig be- sition des andererseits keineswegs souveränen und konstitutiven Sub-
schworen: erlitten und zugleich gebannt" (Foucault 1973, 208). Denn „im Bezugs- jekts (Foucault 1984c, 137), in der es eine verläßliche Vorstellung der
rahmen des Todes wahrgenommen, wird die Krankheit erschöpfend lesbar und Erkenntnis und ihrer Grenzen gibt (Foucault 1990, 17-18) und folglich
öffnet sich restlos der sezierenden Tätigkeit der Sprache und des Blicks. [...] Um versucht werden muß, eine moralische und politische Haltung, eine Den-
in seinen Augen zum Gegenstand der Wissenschaft zu werden, um in seiner kungsart zu entwickeln, die Foucault (1990, 12) als „Kunst nicht regiert
eigenen Sprache eine diskursive Existenz zu gewinnen, mußte sich der abendlän- zu werden" charakterisiert. Dieser Nexus von Macht, Wahrheit und Sub-
dische Mensch seiner eigenen Zerstörung stellen; aus der Erfahrung der Unver- jekt impliziert eine Transformation des Umgangs mit der Autorität ande-
nunft [...] ist selbst die Möglichkeit der Psychologie geboren worden" (Foucault
rer wie des Gesetzes, mit der eigenen - geborgten bzw. abgeleiteten -
1973, 207). „Man darf nicht vergessen, daß die »objektive« oder »positive« oder
»wissenschaftliche« Psychologie ihren historischen Ursprung und ihren Grund in
Macht und ermöglicht eine kritsch-autonome Haltung, eine Ethik, von
der pathologischen Erfahrung gefunden hat. [...] Anders gewendet: der Mensch der aus „sich die Akzeptanz eines Systems - sei es das System der Gei-
ist eine psychologisierbare Gattung erst geworden, seit sein Verhältnis zum Wahn- steskrankheit, der Strafjustiz, der Delinquenz, der Sexualität usw. - er-
sinn eine Psychologie ermöglicht hat, d.h. seit sein Verhältnis zum Wahnsinn fassen läßt" (Foucault 1990, 33). Mit diesem - zugegebenermaßen phi-
äußerlich durch Ausschluß und Bestrafung und innerlich durch Einordnung in die losophischen4 - Selbstverständnis könnten Situationen unausweichlicher
Moral und durch Schuld defmert worden ist" (Foucault 1954, 113). Verantwortungsübernahme ihre imaginäre Überdeterminiertheit verlie-
152 WsFPP5.Jg. (1998) H.l WsFPPS.Jg. (1998) H.l 153
ren, sodaß derartige Dilemmata situationsüberdauernd als intrapsychisch wie scheußlichen Straftaten aushallen, würden wir sie nicht auch - selbst-
aushaltbar phantasiert werden und situationspezifisch als interindividuell- sorgend und fürsorglich - in ihrer Ungeheuerlichkeit ambivalent begeh-
pragmatisch beherrsch- und verantwortbar erscheinen können. ren, wären wir also von ihnen nicht auch angerührt, damit aber auch
verletzt? Hierzu wurde an anderer Stelle versucht, die notgedrungen
Psyche - Amor - Lust distanzierte Position gegenüber unausweichlich-trostloser Entscheidungs-
und Verantwortungsübernahmen durch eine Haltung des 'Mit-Leidens'
Im (Spiegel-)Bild des Mythos gäbe es entsprechend eine Möglichkeit, im Affekt zu skizzieren (Kobbe 1996d, 135) bzw. in einem philosophi-
sich wie Psyche über das schlafende Ungeheuer zu beugen und ihm ins schen Gang eine Ethik zu entwickeln, die das in seiner unmittelbaren
Antlitz zu blicken. Um in ihm eben nicht nur eine Bestie zu fürchten Absolutheit unkommunizierbare Undenkbare des Horrors nicht im ex-
oder zu hassen, sondern zugleich sein eigentliches Wesen als gleicher- plikativen metasprachlichen Diskurs zu transzendieren sucht, sondern
maßen göttlicher Amor und dämonischer Cupido5 zu entdecken. sich als Handlung deskriptiv-distanzierten Sprechens der unabdingbaren
ethischen Konfrontation und Verstehensanstrengung unterzieht (Kobbe
Im ophischen Schöpfungsmythos heißt es, „daß die schwarzgeflügelte Nacht, 1997d, 3-4).
eine Göttin, vor der selbst Zeus in Ehrfurcht stand, vom Winde umwoben wurde,
und daß sie ein silbernes Ei im Schöße der Dunkelheit legte; und daß Eros [...] Wahrheit und Wahrhaftigkeit:
diesem Ei entschlüpfte und das All in Bewegung setzte. Eros war zweigeschlechtlich Zum Politischen einer Ethik des Selbst
und goldgeflügelt. Manchmal brüllte er mit seinen vier Häuptern wie ein Stier
oder ein Löwe, manchmal aber zischte er wie eine Schlange oder blökte wie ein
Die persönliche Wahrhaftigkeit, die i.S. der Sorge um die Wahrheit bei
Widder" (Ranke-Graves 1960, 25 Ziff. 2.b). Die frühen Griechen stellten Eros
(«Leidenschaft») „wie Alter oder Pest als Ker oder geflügelte «Bosheit» dar, da
Foucault (1981, 24) als Reflektieren über die eigene Beziehung zur Wahr-
unbezähmte Leidenschaft einen störenden Einfluß auf eine geordnete Gesellschaft heit, als Mut zur Wahrheit zu verstehen ist, ermöglicht damit anstelle
haben könnte" (Ranke-Graves 1960, 48, 15.1). der unmoralischen Entverantwortung eine liebevolle - quasi a-morali-
sche - Position der Selbstsorge, von der aus die Sorge um den anderen
Dieses als Chance, das aggressive Verlangen und unter Umständen de- entwickelt und praktisch werden kann: „Es ist eine Illusion zu glauben,
fensiv-gewaltsame Begehren des Patienten anzunehmen, sich den wider- daß der Wahnsinn - oder die Delinquenz oder das Verbrechen - von
sinnigen Prüfungen der in die Wüste und ins Totenreich verbannten Psy- einem absoluten Außen her zu uns spricht. Nichts ist unserer Gesell-
che zu stellen. Abschließend: Die mythologische Erzählung endet mit schaft und ihreren Machtwirkungen innerlicher als das Unglück eines
einer Versöhnung, mit einer Verzeihung des verletzend-konfrontativen Irren oder die Gewalttätigkeit eines Kriminellen" (Foucault 1976, 86).
Blicks der Psyche, die im anderen ungeheuerlicherweise nicht nur den Insofern bedarf einer eigenen, selbstbewußt-bescheidenen Position(ierung)
liebenswerten und verborgen liebenden Amor / Eros, sondern zugleich und einer praktisch-selbstkritischen Ethik, die dazu dient, „sich von sich
ihren eigenen erkennenden Blick6 als aggressiv verlangenden Blick der selber loszumachen", d.h. das eigene Denken zu modifizieren, sich ständig
Liebe und den bewundernden Glanz im Auge des Gegenüber entdeckt: instandzusetzen = in den Stand zu versetzen, auch unter dem Druck des
„So ward Psyche dem Amor feierlich getraut. Sie genas einer Tochter; Realen ethisch zu handeln, mithin sich und den Patienten in der Gefahren-
die heißt «Lust»" (Apuleius o.L, 280). situation oder der Absonderung anders zu beherrschen als mit „veralte-
ten Schlagwörtern und den kaum erneuerten Techniken der anderen"
Dieser Kontext von Psyche - Eros - Lust determiniert zugleich das von (Foucault 1984a, 29): „Ich möchte, daß es eine Erarbeitung seiner sel-
Foucault thematisierte Projekt der Subjektkonstitution und wird von ber durch sich selber sei, eine beflissene Umformung, eine langsame
Wolfstetter (1988) explizit anhand der antiken Konfrontation des Begeh- und langwierige Modifikation durch beständige Sorge um die Wahrheit"
rens mit der Wissens- und Selbstbeziehung bei Platon, Sokrates und (Foucault 1984a, 26). Hier finden sich Notwendigkeit wie Möglichkeit,
Epikur erläutert. Wie sollten wir es anders mit den devianten, aggressi- in einer philosophischen Selbstbescheidung7 das Erhabene (wieder) zu
ven, verletzenden Patienten und ihren zum Teil sadistischen Phantasien gewinnen, sodaß sein Gefühl - analog dem Ausgang des Mythos - i. S.
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Kants (1878, 134, 23) „eine Lust ist, welche nur indirekt entspringt, Fußnoten
[...] mithin als Rührung kein Spiel, sondern Ernst in der Beschäftigung
der Einbildungskraft zu sein scheint." 1 Diese selbstquälerische Eigenschaft ist offenbar eine inhärentes Spezifikum des Gewis-
sens: In der ersten mittelhochdeutschen Lehnübersetzung des bis dahin benutzten lateini-
schen Begriffes »consäenta« verwendet der unbekannt Autor den Neologismus »gewizzeni«
„Es bleibt nichts übrig, als so unbestechlich und unabhängig wie möglich die um das Jahr 1000 herum in folgendem Kontext: »diu mih pizzet in minero gewizzeni« =
Erkenntnis vorwärts zu trieben, sowohl nach der sogenannten objektiven wie „die mich in meinem Gewissen beißt" (Störmer-Caysa 1995, 7).
nach der subjektiven Seite hin, und dann auf Grund der Erkenntnis in allem Ernst 2 „Von Zynismus reden heißt, einen geistigen, einen moralischen Skandal der Kritik aus-
zu handeln. Dieses auf Grund der Erkenntnis heißt nicht, daß sie eindeutig ein setzen; im Anschluß daran werden die Bedingungen der Möglichkeiten des Skandalösen
Handeln vorschreibt. Theorie ist kein Rezept." Wie insbesondere in den oben entrollt. »Kritik« vollzieht eine Bewegung, die anfangs ihr positives und negatives Inter-
skizzierten Problemsituationen der Zuschreibung und Abwehr von Gefährlich- esse an der Sache auslebt, um zuletzt auf elementare Strukturen des moralischen Bewußt-
seins zu stoßen, die »jenseits von Gut und Böse« zur Sprache gebracht werden" (Sloterdijk
keit exemplifiziert, enthält Handeln „ein Moment, das in der kontemplativen
1983, 17).
Gestalt der Theorie nicht gan aufgeht. Und doch kann zwischen Theorie und 3 Diese antike Flexion des Blicks findet sich als alttestamentarisches 'Du sollst deinen
Praxis, zwischen Denken und Handeln, eine Art von Notwendigkeit bestehen", nächsten lieben wie dich selbst' im 3. Mose, Kap. 19, Vers 18, wieder. Es handelt sich
wie sich aus der theoretischen Begründung einer Ethik des Selbst, einer Erarbei- um ein biblisches Sozialgesetz, mit dessen Formulierung - und Anwendung - damals
tung persönlicher Wahrhaftigkeit als Bedingung für ethisches Handeln ergibt. „gerade für die sozial Gefährdeten am Rande der Großfamilie, für die Witwen und Wai-
Und dennoch: „Schon im täglichen Leben gibt es Situationen, deren Wahrneh- sen, für die Sklaven und Fremden ein geschärftes Rechtsbewußtsein entwickelt" wurde
mung uns, ohne den Rückgang auf abstrakte Normen und Vorschriften, ein Han- (Lutz et al. 1997, 63).
deln zwingend nahe legt. Je tiefer Theorie in die Wirklichkeit eindringt, um so 4 „Die Schule eines Philosophen ist eine Arztpraxis (iatreion); wenn man hinausgeht, soll
man nicht genossen, sondern gelitten haben" (Epiktet, Gespräche, III, 23, 30 und III, 21,
eindringlicher wird ihre Sprache auch im Hinblick auf umfassende Zusammen-
20-24 [zitiert bei Foucault 1984a, 77]).
hänge" (Horkheimer 1951, 45).
5 Amor, griech. Eros, ist in der Mythologie ein »daimon« = ein Mittelwesen zwischen
Gottheit und Mensch, teils guter, teils böser Natur, das zwischen dem Olymp und der
Gewissermaßen in Parallele zur Anmerkung Adornos, daß es kein wah- Erde vermittelt; »cupidatis« = lat. Leidenschaft, Verlangen.
res Leben im falschen gibt, fragt Foucault in seinem Projekt der Ethik 6 i.S. narzißtischer Bespiegelung im - auf französisch bezeichnenderweise «psyche» ge-
nannten - Dreh-Spiegel (Kobbe 1996c, 5).
nach den Vorstellungen und Maßgaben vom richtigen und vom falschen 7 „Philosophie ist jene Verschiebung und Transformation der Denkrahmen, die Modifizie-
Leben: „Nach welchem ärztlichen oder pädagogischen Wissen sollte [...] rung etablierter Werte und all der Arbeit, die gemacht wird, um anders zu denken und
gehandelt werden? Wie wird tatsächlich danach gehandelt? Abweichend anders zu werden als man ist" (Foucault 1981, 22).
oder den Vorschriften und Ratschlägen entsprechend? Und wie groß 8 vgl. Kobbe 1995c; 1996b; 1997b; d
darf die Abweichung sein? Welchen Status haben die Vorschriften?
Welche Konsequenzen haben ihre Mißachtung? Welchen Status haben
die Pädagogen, Ärzte und Philosophen?" (Erdmann 1995, 56). Damit Anmerkungen
markiert dieses Selbstverständnis in gewisser Weise einen Übergang von
* Überarbeiteter Vortrag während der 12. Eickelborner Fachtagung zu Fragen der Foren-
Politik und Ethik8, indem die Aufgabe des Psychologen, Psychiaters, sischen Psychiatrie. Westf. Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt, 05.-07.03.97
Psychotherapeuten usw. nicht darin besteht, anderen zu sagen, was sie
zu tun haben = ihre berufspolitischen Ansichten zu modellieren, son-
Literatur
dern - so Foucault (1984a, 27-28) - „durch die Analysen, die er in sei-
nen Bereichen anstellt, die Evidenzen und die Postulate wieder zu befra- APULEIUS (o.J.): Amor und Psyche. In: STOESSL, F. (1947) a.a.O., S. 219-280
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(in der er sein spezifisches Intellektuellenhandwerk ausübt) an der Bil- BATAILLE, G. 1985 (1967): Die Aufhebung der Ökonomie. Matthes & Seitz, München
dung eines politischen Willens teilzunehmen (in welcher er seine 1985
Staatsbürgerrolle zu spielen hat)."
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