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Willkommen,
bei der ersten Ausgabe 2010! Das letzte Jahr ging bewegt zu Ende und die nächsten Monate bleiben ebenso
spannend. Über die alternative Berichterstattung und die Verhaftung von zwei Kolleginnen in Kopenhagen
im Dezember, könnt ihr ab Seite 5 mehr erfahren. Ein Update über die verworrene finanzielle und medienpo-
litische Situation in Sachsen beschäftigt uns erneut auf den ersten Seiten. Die Radios brauchen nach wie vor
Unterstützung. Ebenso in Berlin, wo Radioinitativen gerade ein „Freies Kulturradio“ auf die Beine stellen. Im
März ist der BFR an der Linken Medienkademie in Berlin beteiligt. Radio CORAX versanstaltet eine Woche
später in Halle die Zukunftswerkstatt Bürgermedien und sucht auch noch Verstärkung im Team. Und im Mai
wird wieder das Radiocamp am Bodensee stattfinden. Zu all diesen Veranstaltungen gibt es hier im Heft schon
mal eine ausführliche Übersicht. 2010? War da nicht was? Medienpolitiker aus einigen Bundesländern wollten
uns jahrelang weismachen, daß dann analoges Radio Geschichte sei. Die Lese- und Diskussionsempfehlung ist
dazu ab Seite 9 einem „Stein in der Brandung“ gewidmet: dem UKW Radio.
Short Stories aus Sachsen Erst im November 2009 gab es das erste Treffen der
Apollo-Betreiber mit Vertretern der Freien Radios.
In Sachsen ist medientechnisch derzeit soviel los, dass Das Angebot kurz vor Auslaufen der bisherigen Ver-
der BFR-Rundbrief vollständig damit gefüllt werden träge lautete: „Verzichtet auf eure UKW-Lizenz [1],
könnte. Leider ist dies auch der Grund, dass die Zeit wir bezahlen euch den Wechsel ins Internet!“ Die
für einen umfassenden Überblick knapp ist. Und Verhandlung war sehr kurz. Beim zweiten Verhand-
erklären lässt sich das Geschehen in Sachsen auch lungstermin Anfang Dezember wurde uns die weitere
ganz schlecht. Ich versuchs trotzdem mal und beginne Übernahme der bisherigen Abstrahlkosten für ein
mit einer kleinen Beleuchtung der Szenerie. Jahr angeboten. Allerdings hätten wir im Gegenzug
wichtige Sendezeit abgeben müssen und nur noch von
Bis zum 31.12.2009 wurden die Sendekosten der drei 21 bis 4 Uhr senden dürfen.
Freien Radios in Sachsen zu zwei Dritteln (Radio Blau
und Radio T) oder komplett (ColoRadio Dresden) Inzwischen hatte eine Flut von Postkarten und
durch den privaten Mantelanbieter Apollo-Radio eMails zum Erhalt der Freien Radios eingesetzt. Mehr
übernommen. Apollo-Radio ist ein Gemeinschaftspro- als 4.000 haben sich inzwischen die Petitionslisten
dukt der fünf großen privaten Senderketten in Sach- unterzeichnet. Es gab Demonstrationen, Proteste-
sen. Ende September 2009 kündigten die Betreiber vents, Benefizpartys usw. Zahlreiche Prominente
von Apollo-Radio an, dass der Vertrag zur Übernahme aus Kultur und Politik schrieben böse oder bittende
der Sendekosten nicht verlängert wird und die Freien Briefe an die SLM, die Medien berichteten fast täg-
Radios nun ihre Sendekosten selbst tragen müssten. lich, überregionale Organisationen schalteten sich
Bis dahin gingen sowohl SLM (sächsische Landesme- ein (u.a. BFR und CFME) und zudem gab es eine
dienanstalt) als auch als auch die Optimisten in den Gesetzesinitiative von SPD, Linke und B90/Grüne
Freien Radios davon aus, dass der von außen gesetzte zugunsten von Radio Blau, coloRadio und Radio T.
Termin im Vertrag angepasst wird, da bei Vertragsab- So kam es am 21. Dezember beim dritten und letz-
schluss aller UKW-Rundfunk in Sachsen per Gesetz ten Verhandlungstermin, zum großen Showdown
bis zum 31.12.2009 beschränkt war. unter der Vermittlung von Prof. Kurt-Ulrich Mayer,
Danach sollte die Radio- Präsident des Medienrats
Übertragung im digitalen der SLM. Beide Parteien
DAB-Standard mit vollkom- legten noch einmal ihren
men neuen Rahmenbedin- Standpunkt dar, es gab ein
gungen fortgeführt werden. Kompromissvorschlag [2]
Das Gesetz zur Abschaltung von Mayer, der von keiner
des UKW-Rundfunks wurde der beiden Seiten angenom-
im Juli 2008 geändert und men wurde und das wars.
der neue Abschalttermin auf
den 31.12.2014 festgelegt. Erstaunlich war allerdings
Alle sofort einsetzenden das Protokoll zum Tref-
Bemühungen der Freien fen, das von der SLM ver
Radios mit Apollo-Radio fasst und an die sächsische
ins Gespräch zu kommen Staatskanzlei weiter gelei-
wurden allerdings abgeblockt. Obwohl die SLM das tet wurde (wir bekamen es erst auf Nachfrage). In ihm
(Finanzierungs)modell mit privaten Mantelbetreiber stand, dass es keine Einigung gab und die Freien Radios
konstruiert hat, fühlte sich nicht zuständig und ver- nun selbst bezahlen wollen. Upps. Dies hat keiner
lautbarte, dass die Vertragsparteien ihre Beziehungen der sechs Vertreter der Freien Radios gesagt. Unsere
unter sich ausmachen müssten. Pause. Beschwerde zum wahrheitswidrigen Inhalt wurde mit
[03]
[ bfr-rundbrief ] Berlin
dem Verweis „das ist nur ein internes Protokoll“ igno- Spendenaufruf für Freies Radio in Berlin
riert. Der Fortgang der Dinge klingt immer absurder,
denn das unveränderte und damit falsche Protokoll Wir haben es geschafft. Fast. Ab Mai 2010 können wir
tauchte natürlich bei der Ablehnung des Gesetzes- senden. Ein Freies Kulturradio in Berlin. Kontinuier-
antrags von SPD, Linke, B90/Grüne am 21.01.2010 lich für ein Jahr. Auf UKW 88,4 Mhz. Alles ist da. Nur
wieder auf. Die FDP und CDU-Fraktion waren sich das Geld für die Gebühren fehlt. 50.000 Euro. Wer
nicht zu peinlich den gemeinsamen Antrag zur Absi- soll das bezahlen? 300 ehrenamtliche Freie-Radio-
cherung der Sendetätigkeit der Freien Radios in Sach- Macher_innen schaffen das nicht. Schon gar nicht bis
sen unter Verweis auf das Protokoll abzuschmettern, 17. Februar 2010. Das ist der Stichtag für den Antrag
mit dem Argument „die wollen doch selbst bezahlen“. bei der Medienanstalt. Jetzt sind alle gefragt: Sen-
Auch das Protestschreiben des CMFE wurde von der demacherInnen, Veranstalter_innen, Hörer_innen.
Staatskanzlei mit dem falschen Hinweis beantwortet. 5000 Leute. Jede/r ein Zehner. :5000 x 10 Euro
Da gibt es noch einige Arbeit und vermutlich viel
Ärger, da wir klagen werden. Wenn 5000 Leute zusammenlegen, bekommt Radio
100 einen gebührenden Nachfolger, Herbstradio
Die aktuelle Lage sieht momentan so aus, dass die sendet weiter, und Berlin bekommt endlich ein Freies
Freien Radios in Dresden, Leipzig und Chemnitz erst Radio, das stadtweit über UKW empfangen werden
einmal weiter senden (alles andere ist Quatsch und kann. Wie sich ein Freies Kulturradio anhört? Nehmt
kostet die Lizenz). Wir bezahlen aber nicht. Dabei einen beliebigen Radiosender und lasst einfach drei
hilft uns die bisherige Vertragskonstruktion. Nach der Dinge weg: Hits, Profis, Spam. Bei uns suchen Sende-
zahlt Apollo-Radio erst einmal alles an den Anten- macher_innen noch selbst ihre Platten aus. Sie haben
nenmastbetreiber MediaBroadcast und bekommt von etwas zu sagen und behandeln Hörer_innen nicht wie
uns anteilig Geld zurück. Zur Zeit allerdings nicht. Kleinkinder. Information ja, Werbung nein. Humor
Wir versuchen den Druck aufrecht zu erhalten und ja, Comedy nein. Musik klar, Rotation weg. Ist doch
den rechtlichen Rahmen auszuschöpfen (da scheint total einfach.
noch einiges zu gehen). Es wird also bald wieder neue
Geschichten aus Sachsen zu hören geben. Jede_r kann mitmachen. Das war bei vergangenen
Jörg Braune (Radio T) Veranstaltungsradios wie Reboot FM, Funkwelle FM
oder Herbstradio der Fall, und das wird auch 2010 bei
einem Freien Kulturradio so sein. Ein Freies Kulturra-
dio Berlin hat bereits: einen gemeinnützigen Träger,
zwei bis vier Sendestudios, Technik, Mitarbeit, Rat
und Tat von mehr als 50 Personen, Radioinhalte von
mehr als 300 Personen/Gruppen/Veranstaltern und
die Erfahrung von neun Jahren Veranstaltungsradio
in Berlin. Das ist zum Radiomachen mehr als genug.
50.000 Euro übersteigen aber unseren Idealismus. Jetzt
helfen nur noch die Ameisen, die Wichtelmännchen,
die unteren Fünftausend – nennt es wie Ihr wollt.:
www.herbstradio.org
[1] unsere Sendelizenz war im Nachtrag der UKW-Verlänge-
rung angepasst worden Den aktuellen Kontostand findet Ihr auf der Seite.
[2] Auch der sogenannte Kompromissvorschlag war für uns
nicht tragbar: Beginn ab 20:00 Uhr, Finanzierungsdauer nur Übrigens: sollte unsere Aktion scheitern, dann macht
zwei Jahre wären der Tod auf Raten. Euch keine Sorgen um Euer Geld. Die Spenden gehen
[04]
Aktionsberichterstattung [ bfr-rundbrief ]
[05]
[ bfr-rundbrief ] Aktionsberichterstattung
von Protesten gewinnt durch die wiederholt prakti- onstage für die Sendung zur Verfügung stehen. Damit
zierte und weiter ausufernde Außerkraftsetzung von erhöhen wir die Beteiligung: alle Produzierenden sind
Grundrechten bei Demonstrationen und anderen so auch Teil des Projekts auch wenn sie nicht vor Ort
politischen Aktionsformen und -veranstaltungen an sind. Die MedienaktivistInnen vor Ort wiederum
Bedeutung und hilft willkürlichen Rechtsverletzun- können sich auf die Aktionen und der Gestaltung der
gen staatlicher Organe entgegenzuwirken. (siehe auch Sendungen konzentrieren. Das erhöht die Qualität der
die nachfolgende BFR-Stellungnahme zur Verhaftung und vermeidet, dass diese nicht als eine Art „Kriegs-
von zwei BFR-Reporterinnen in Kopenhagen) berichterstattung“ empfunden wird. Darüber hinaus
muss hier über weiterführende Möglichkeiten der
Mobilisierung nachgedacht werden. Trotz dieser Ein-
schränkung verlief das Projekt sehr gut, und unsere
Ziele wurden erreicht.
Wiederkehrende Besonderheit:
[06]
Repression [ bfr-rundbrief ]
[07]
[ bfr-rundbrief ] BOK-BFR Treffen
die bereits vom BFR scharf verurteilte massive Ein- es bisher lediglich Einzelfälle gab. Die bestehenden
schränkung der Presse- und Kommunikationsfreiheit BOK-Mitgliedschaften, mit einer Landesmedienanstalt
während des Gipfels. Der Verband fordert deshalb als Träger, seien aus den medienpolitischen Bedingun-
die Verantwortlichen und die dänische Öffentlichkeit gen gewachsen, erklärten die VertreterInnen des BOK.
erneut zu einer offiziellen Untersuchung auf. Man könne die Bedenken aber nachvollziehen und
Im Fall des Urteils bezüglich des Befreiungsversuches werde das auch verbandsintern diskutieren. Des wei-
zeigt der BFR zudem deutliches Befremden. „Gegentei- teren gab es Diskussionen zur Zugangsoffenheit zu den
lige Aussagen und Hinweise auf die Unschuld wurden Medien. Die Mitglieder beider Verbände ermöglichen
nicht hinreichend gewürdigt“, so Falk Schlegel. Zurzeit dies, sie wird jedoch je nach Modell unterschiedlich
bleibt allerdings noch unklar, ob Staatsanwaltschaft interpretiert und gehandhabt.
oder der Rechtsanwalt der Beschuldigten in Berufung
gehen werden. Gegenseitiges Interesse gibt es daran, sich künftig im
Sinne des Erhalts und Ausbaus der Medienvielfalt noch
Update: Die zu 10 Tagen Haft Verurteilte geht in Beru- stärker öffentlich zu Wort zu melden, besonders ange-
fung. Der Freispruch ist inzwischen rechtskraeftig, da sichts der Gefahr der Abschaltung einzelner Stationen
keine Berufung von Seiten der Staatsanwaltschaft ein- oder anderer bestehender Unsicherheiten in mehreren
gelegt wurde. Bundesländern, wie es vom BFR bereits praktiziert
wird. An den BFR wurde der Wunsch herangetragen,
das Modell des Offenen Kanals stärker anzuerkennen
und zu respektieren unabhängig von anderen Formen
BOK & BFR diskutierten strittige Fragen nicht-kommerziellen Hörfunks. Der BOK wurde gebe-
ten, sich deutlicher und politischer zur Stärkung und
CMFE holt deutsche Bundesverbände Freier Radios Unterstützung des dritten Sektors im allgemeinen und
und Offener Kanäle an einen Tisch insbesondere gegenüber den Freien Radios zu positio-
nieren.
Bei einem Treffen des Bundesverbandes Freier Radios Eine Mitgliedschaft des BOK in einer europäischen
(BFR) und dem Bundesverband Offener Kanäle (BOK) Organisation, in der auch der BFR Mitglied ist, wird
am 27. Januar 2010 in Berlin kamen erstmals Verant- vom BOK ausdrücklich gewünscht. Viele Bedenken
wortliche beider Organisationen zusammen, um strit- gegenüber dem BOK seien auch erst durch dieses
tige Fragen zu diskutieren. Initiiert wurde das Treffen Gespräch klar geworden. Eine Mitgliedschaft des BOK,
vom Community Media Forum Europe (CMFE), einer temporär zunächst ohne Stimmrecht, sei deshalb auch
europäischen Plattform von Organisationen, Ver- denkbar, müsste aber letztlich innerhalb des CMFE
bänden und Einzelpersonen zur Stärkung des dritten diskutiert und entschieden werden.
Mediensektors. Der BOK hatte die CMFE-Mitglied-
schaft beantragt, über die bis zum 5. Februar 2010 ent- Das CMFE begrüßte anschließend die Atmosphäre und
schieden werden soll. Der BFR hatte im vergangenen die Ergebnisse des Gespräches und bekräftigte erneut,
Jahr eine Entscheidung über einen Mitgliedsantrag für auch unterschiedliche Modelle nicht-kommerzieller
2010 angekündigt. Medien als Mitglieder aufnehmen zu wollen.
Diskutiert wurde bei dem Treffen unter anderem zu Anwesende: Bettina Wiengarn & Jürgen Linke (BOK),
Interessenskonflikten und den Einfluss staatlicher Viviana Uriona & Melanie Ott (BFR), Pieter de Wit &
Stellen und der Medienanstalten auf Strukturen des Stefan Tenner (CMFE)
BOK, die einer Definition von Community Media
entgegenstehen. Hier wurde seitens des BOK erklärt, Update: Seit 5.2.2010 ist der BOK Mitglied beim
dass diese Befürchtungen keine Grundlage haben und CMFE.
[08]
Digitalisierung [ bfr-rundbrief ]
Ein Stein in der Brandung: Das UKW-Radio entspräche dies auch der Forderung des BFR von 2001,
derartige Ausstrahlungstechniken zu erproben. Und
Nach mehr als 10 Jahren Auseinandersetzung um wahrscheinlich ist die Abbildung der bestehenden
den Digitalradio - Standard DAB sind sich heute die Radiolandschaft mittels einer derartigen individuellen
wichtigsten Beteiligten einig: Eine Digitalisierung Programmausstrahlung sogar frequenzökonomischer
des UKW-Hörfunks wird erst dann erfolgen, wenn als die Versorgung per DAB. DRM+ verdient also die
sichergestellt ist, daß den HörerInnen keine Nachteile volle Unterstützung der Freien Radios. Nur mittels
entstehen, d.h. die Radio-Versorgung der Masse der einer solcherart schmalbandiger Übertragungstechnik
HörerInnen gesichert ist und die Vielfalt der Radio- kann weiterhin eine individuelle Sendegebietsplanung
landschaft nicht beeinträchtigt wird. erfolgen und nur so kann eine Programmvergabe nach
Der in der Vergangenheit proklamierte Umstieg auf rein medienpolitischen Gesichtspunkten erfolgen.
DAB ist deshalb auf absehbare (lange!) Zeit ausge- Wir brauchen eine Technik die sich im Hintergrund
schlossen, weil sich DAB als Empfangsstandard nicht hält, die das umsetzbar macht, was medienpolitisch
durchsetzen konnte, und weil mit dessen breitban- erwünscht ist. Die breitbandig ausgelegten Übertra-
diger „Paket-Funk“-Technik (mehrere Programme gungstechniken DAB - oder gar DVB-T - leisten dies
werden als Paket gemeinsam gesendet) eine schritt- nicht.
weise Digitalisierung nicht möglich ist. Die Pläne der
DAB-Lobby, die Digitalisierung des analogen Radios Digitalradio - ein Fehlstart
per DAB bis 2010 oder 2015 umzusetzen, was in man- Seit den 1990er Jahren wurden mehr und mehr frei-
chen Mediengesetzen Niederschlag fand, ist längst von gewordene Fernsehfrequenzblöcke in Band III für den
der Geschichte eingeholt. Die Freien Radios können Hörfunk umgewidmet. Auf diese Weise sollte neben
aufatmen, wären sie doch von einer derartigen Digita- der digitalen Fernsehübertragung auch digitales Radio
lisierung mittels unzureichender Technik unmittelbar den Markt erobern. Obwohl DAB tatsächlich im
gefährdet gewesen. sogenannten „Regelbetrieb“ sendet, warten die Fre-
quenzen sowohl auf Sendende als auch auf HörerIn-
Individuelle Programmausstrahlung versus „Paket- nen. Da es sich in Band III um für den Hörfunk neue,
Funk“ zusätzliche Frequenzen handelt, bestehen hier völlig
Das „Problem“ ist die gewachsene und medienpolitisch andere medienpolitische Voraussetzungen als im Band
geordnete Radiolandschaft mit ihrer kleinräumlichen II, wo eine historisch gewachsene Hörfunklandschaft
Struktur der lokalen und regionalen Verbreitungs- besteht.
gebieten. Hieran scheiterten die bekannten digitalen
Übertragungstechniken DAB und DVB-T. Langfristig Doch die DAB-Lobby ist offensichtlich ihrer eigenen
ist die Digitalisierung des Hörfunks auf Band II - dem Vermaktungs-Strategie zum Opfer gefallen. Durch
klassischen UKW - kaum aufzuhalten und vielleicht die Fixierung auf den Vergleich mit analogem UKW,
auch durchaus geboten. Als neue Alternative ist dabei die angeblichen Vorteile der digitalen Übertragung
eine schrittweise Digitalisierung auf Basis von DRM+ und vor allem die Forderung nach einer schnellen
ins Gespräch gekommen. Das ursprünglich für Mit- Abschaltung des analogen Radios, hat sich DAB zu
telwelle entwickelte DRM („Digital Radio Mondi- lange abgekämpft. Ohne diese Konfrontation mit dem
ale“) hat für kleine Radiostationen klare Vorteile: es klassischen UKW-Radio wäre DAB als ergänzendes
ermöglicht die individuelle Ausstrahlung eines jeden Übertragungssystem wahrgenommen worden und
Radioprogramms. technikaffine HörerInnen hätten möglicherweise tat-
sächlich einen Mehrwert erkannt. Die Hörfunk-Welt
Angesichts der knappen Frequenzressourcen in Band sähe heute vielleicht längst anders aus. Aufgrund
II wird eine für UKW angepasste DRM-Variante den der Entwicklung in der Vergangenheit kann heute
Freien Radios am besten gerecht. Nebenbei bemerkt jedoch festgestellt werden, daß DAB nur noch wenig
[09]
[ bfr-rundbrief ] Schweiz
Chancen hat, sich als zukünftiger Digitalradio - Stan- 25 JAHRE LAUT – RADIO LORA AUF DVD
dard im Band III durchzusetzen. Daran ändern auch
die moderneren Formen DMB und DAB+ nur wenig. Seit nunmehr 26 Jahren ist Radio LoRa in Zürich mit
Welche Schlüsse daraus jedoch für die derzeitige DAB- einem vielfältigen Programm in über 20 Sprachen im
Sendepraxis in Band III zu ziehen sind, bedarf einer Äther. Aus Anlass seines 25-jährigen Bestehens hat
differenzierteren Betrachtung. das erste werbefreie Gemeinschaftsradio der Schweiz
seine Geschichte und sein Selbstverständnis auf zwei
DAB ist tot, es lebe DAB DVDs dokumentiert, die jetzt vorliegen. Die medi-
Es ist ein Desaster: Für den Hörfunk steht bis heute enpolitischen Akzente, die LoRa auf nationaler und
keine geeignete digitale Übertragungstechnik zur Ver- lokaler Ebene gesetzt hat und das breite Spektrum des
fügung. Nach 15 Jahre digitaler Radioübertragung, Programms werden multimedial präsentiert, ebenso
stehen wir heute wieder ganz am Anfang. Keines wie der Blick in den betrieblichen Alltag mit seinem
der bestehenden Übertragungssystemen hat derzeit Auf und Ab.
eine Chance als künftiger Standard durchzugehen. Es
besteht ein gewisser Zeitdruck: die Frequenzen sind
derzeit faktisch ungenutzt. Da diese neuen Frequenzen
auch für die Mobilfunk-Industrie und andere Wirt-
schaftszweige interessant sind, muß unsere Sorge dem
Verlust dieser Frequenzen gelten. Bis zur Etablierung
eines neuen, besseren Digitalradios muß es deshalb
unser Interesse sein, die Frequenzen für eine zukünf-
tige Rundfunk - Nutzung zu erhalten. Solange sich
DAB - möglicherweise auch nur aufgrund hartnäcki-
ger Lobbyisten - noch halten kann, bleiben die Fre-
quenzen dem Hörfunk zugewandt. Wir haben deshalb
aktuell keinen Grund dazu, DAB weiter zu schwächen,
denn sobald DAB vollends abgeschaltet wird, würden
die Frequenzen neu verplant - und die Begehrlichkei-
ten der Handy-Industrie u.v.m. sind bekannt. DAB am Eine reichhaltige Sammlung an Dokumenten und Sen-
Leben zu erhalten ist deshalb das kleinere Übel. Wir dungen aus über 25 Jahren kann per Mausklick abge-
benötigen die Zeit. rufen werden. Vom ersten LoRa-Info, das noch vor der
Konzessionserteilung zum Mitmachen aufruft, bis zur
Neue Strategien für Digitalradio entwickeln Herbstausgabe im Jubiläumsjahr 2008 ist die regelmäs-
Beim Thema Digitalradio decken sich die Interessen sig erscheinende Zeitschrift des Vereins Radio LoRa ein
der Freien Radios und des Bürgerfunks mit denen klei- Spiegel der externen und internen Auseinandersetzun-
ner kommerzieller Stationen. Auch die meisten Lan- gen in der wechselvollen Geschichte des Radios. Vor-
desmedienanstalten haben mittlerweile erkannt, daß gestellt werden darin Sendungen mit ihren Konzepten
die Fokusierung auf DAB in eine Sackgasse führt. Nur sowie Sendungsmacherinnen und Sendungsmacher in
mittels starker Bündnisse können die Interessen klei- ihrem politischen und persönlichen Selbstverständnis.
ner Stationen gewahrt werden - der BFR sollte seinen Die seit Beginn laufende Diskussion zu politischen,
Teil dazu beitragen und spezifische Bündnisse einge- strukturellen und inhaltlichen Fragen wird in ihrer
hen. Kandidaten sind dabei u.a. die fortschrittlicheren ganzen Breite sichtbar. Der Wechsel des inhaltlichen
Medienanstalten und die Verbände der Privatradios Schwerpunkte und der grafischen Aufmachung der
und Bürgerradios. Zeitung zeugt vom Wandel des LoRa-Erscheinungsbil-
Stefan Rein (Querfunk) des und des Zeitgeistes. Die Jahresberichte dokumen-
[10]
Visionen [ bfr-rundbrief ]
tieren das LoRa auf der institutionellen Ebene. Der * Streitpunkt Finanzierung – Konzepte und Modelle
Pressespiegel zeigt die widersprüchliche Sicht von * Internet & Web 2.0 – Möglichkeiten & Grenzen
aussen. * Bürger- und Alternativmedien in Europa
[11]
[ bfr-rundbrief ] Ausschreibung
seitig einzelne Leistungsparameter absolut setzt: etwa Deshalb suchen wir zum 1. April 2010 eine/-n
die Medienkompetenzförderung, die publizistische Projektkoordinator/-in für die Entwicklung, Planung,
Versorgung des Lokalraums oder gar die berufsorien- Finanzierung, Betreuung und Abrechnung von Projek-
tierte Ausbildung. Auch wenn all das zweifelsohne zu ten. Die/der Stelleninhaber/-in soll folgende Aufgaben
dem Leistungsspektrum von Bürgermedien zählt: Es wahrnehmen:
fehlt ein übergreifender, aus den Bürgermedien selbst
entwickelter Diskurs über Visionen, die den eigenen - Inhaltliche Akquise von Projekten, die zur weiteren
Sektor als innovativen und einzigartigen Akteur in der inhaltlichen Positionierung des Radios beitragen
Medienlandschaft wieder neu kenntlich machen und - Organisatorische Begleitung und Dokumentation der
dabei zugleich die Koordinaten bestimmen, innerhalb Projekte
derer Ansprüche und Kriterien medienübergreifend - Initiierung programmbezogener Projekte in enger
formulierbar sind. Höchste Zeit, Initiativen zu ergrei- Kooperation mit Vereinsmitgliedern und Sendungs-
fen, denn im Gegensatz zur überwiegenden politischen macher/-innen
Wahrnehmung sind partizipative und nichtkommerzi- - Projektbezogene Öffentlichkeits- und Pressearbeit
elle Rundfunkmedien bestens geeignet, ganz verschie- - Transfer der Projektinhalte und Schwerpunkte in das
dene gesellschaftlich relevante Leistungen zu erbringen Radioprogramm
und dabei auch noch hochinnovativ zu sein. Allerdings - Kommunikation mit externen Akteuren im soziokul-
kann das bedeuten, dass auch die Bürgermedien selbst turellen, künstlerischen und politischen Bereich auf
sich ändern werden und die nichtkommerzielle private lokaler, regionaler und überregionaler Ebene
Rundfunklandschaft perspektivisch ein neues Gesicht - Mitarbeit in Gremien, insbesondere im „Projekttref-
erhält. Als geeignete Form, gemeinsam und medien- fen“
übergreifend über Perspektiven und neue Initiativen
nachzudenken, bietet sich eine Zukunftswerkstatt an,
die auf Grundlage gemeinsamer Problemdefinitionen
und fachlicher Inputs vor allem Raum lässt für einen Wir suchen eine Person mit:
offenen Dialog und die gemeinsame Arbeit an Ideen.
- einem hohen Engagement für die Idee und Ziele von
Freiem Radio,
- Erfahrungen im Management von Projekten und
grundlegenden betriebswirtschaftlichen Kenntnissen,
- inhaltlichen Ideen, einer eigenen Verortung inner-
halb gesellschaftspolitischer Diskurse und Lust auf
neue Impulse von anderen,
ProjektkoordinatorIn gesucht - besonders ausgeprägten kommunikativen und sozi-
alen Fähigkeiten,
Radio CORAX, das Freie Radio in Halle, möchte seine - guten Computerkenntnissen,
regionale und überregionale Relevanz und sein inhalt- - guten Englischkenntnissen im mündlichen und
liches Profil weiter ausbauen und seine Verankerung schriftlichen Bereich,
in den lokalen und überregionalen Netzwerken stär- - Lust auf eine extrem selbständige, eigenverantwortli-
ken. Neben der „klassischen“ Radioarbeit sind Projekte che, kreative und zielorientierte Arbeitsweise.
auf lokaler und internationaler Ebene ein wichtiges
Standbein unserer inhaltlichen Arbeit. Schwerpunkte (Radio-)Journalistische, redaktionelle und radiotech-
sind dabei u.a. Radio- und Audiokunst, Medienpoli- nische Erfahrungen sind vorteilhaft, aber nicht zwin-
tik auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene und gend.
interkulturelle Projekte.
[12]
LiMa [ bfr-rundbrief ]
[13]
[ bfr-rundbrief ] Dynamo Effekt
mutter- und mehrsprachige Programme sowie musi- der herrschenden Öffentlichkeit die Verbreitung von
kalische Subkulturen sind auch an rund zwei Dutzend Gegeninformationen entgegenzustellen. Referentin
Standorten im Bundesgebiet via UKW hörbar. Nicht ist hier Viviana Uriona.
so in Berlin. Hier konnte bisher keine dauerhafte Sen-
delizenz durchgesetzt werden. Nun deutet sich aber Parallel zu den Radioveranstaltungen auf der LiMA ist
eine Änderung an: Ende 2009 wurde eine Frequenz auch eine Radio-Lounge geplant, die täglich mehrere
zur nichtkommerziellen Nutzung ausgeschrieben, Stunden live auf Sendung geht und mit den Teilneh-
die zumindest stundenweise Freies Radio in Berlin menden ins Gespräch kommen wird.
ermöglichen könnte. Dem Silberstreif in Berlin steht
die Dämmerung in Sachsen gegenüber. Dort droht den Mehr Infos zum Programm: http://www.linke-medi-
drei Freien Radios (in Dresden, Leipzig und Chemnitz) enakademie.de
aus finanziellen Gründen das akute ‚Aus‘. Hier fehlt
der politische Wille, demokratische Kommunikation
im Hörfunk durch Gebührenfinanzierung zu fördern.
Stattdessen heißt es, partizipative Medienarbeit könne Dynamo Effect
man auch im Internet machen. Was es bedeutet, ins
Web ‚abgeschoben‘ zu werden, hat Radio Flora in Han- Gibt es ein Leben nach der Erdölgesellschaft? Aktuelle
nover bereits vor einem Jahr erfahren müssen. In der politische Versuche, Energie einzusparen und Emis-
Podiumsdiskussion soll darüber gesprochen werden, sionen zu drosseln, geben kaum ausreichend Hoff-
in wie fern solche politischen Rahmenbedingungen nung. Sicher ist nur: verhandelt wird auf Hochtouren,
eine Beschneidung der Kommunikationsfreiheit sind emittiert auch, verbessert hingegen viel zu wenig. Der
und auch ob Freie Radios für linke Bewegungen noch in Kopenhagen gescheiterte „Green New Deal“ kann
zeitgemäß sind. Ist Gegenöffentlichkeit überhaupt die Frage, ob es ein Leben in einer Post-Erdölgesell-
machbar, wenn sie an öffentlicher (in diesem Fall schaft geben wird, noch bevor der Klimawandel die
der GEZ) Förderung hängt? Organisiert wird die Dis- Lebensgrundlagen ruiniert hat, nicht zu seinen Gun-
kussion von Steffen Käthner von Radio Unerhört aus sten entscheiden.
Marburg.
Dynamo Effect - Die Radiokampagne für eine klimage-
Außerdem wird es eine Präsentation zur Aktionsbe- rechte Gesellschaft ist eine Kombination aus Sendun-
richterstattung Freier Radios am Beispiel der COP15- gen, Podcasts, Zeitung, Fact Sheet und Event. In ihrem
Klimakonferenz in Kopenhagen geben (siehe auch Rahmen werden 210 Radiosendungen in Österreich,
hier Artikel im Rundbrief dazu). Seit Jahren begleiten Frankreich, Deutschland, Ungarn, Irland und Spanien
Freie Radios aus der ganzen Welt AktivistInnen, die von insgesamt 300 Radiosendern ausgestrahlt werden.
zu Demonstrationen und Events mobilisieren und/ Themen sind: Klimawandel, Ernährung und Land-
oder Aktionen durchführen. Damit machen alterna- wirtschaft, Wohnen, Heizen und Kühlen, ökostrom,
tive BerichterstatterInnen Informationen bekannt, die Strom sparen, Recycling, Mobilität und Fahrzeuge
über die Mainstreammedien kein Gehör finden und sowie Ökokapitalismus.
regen somit Diskussionen an. Freie Radios sind bei
antifaschistischen Demos ebenso dabei wie beim Anti- Ziel der Kampagne Dynamo Effekt ist es, das Gefälle
AKW-Protest oder beim G8 in Heiligendamm. Den zwischen den europäischen Ländern im Bereich
jüngsten Anlass für internationales Bewegungsradio der intelligenten Energienutzung und nachhaltigen
bot die COP-15-Klimakonferenz in Kopenhagen. An Mobilität zu verringern und „Best practices“ auszu-
diesem konkreten Beispiel wird der Versuch deutlich, tauschen.
sowohl eigenes Agenda setting im Sinne einer alterna-
tiven Berichterstattung zu betreiben, und gleichzeitig Mehr Infos: http://dynamoeffect.org
[14]
Alternativer Medienpeis [ bfr-rundbrief ]
Es kann pro Person lediglich ein Beitrag eingereicht Vom 12. bis 16. Mai 2010 werden unterschiedlichste
werden. Radioworkshops angeboten: ob nun redaktionell, tech-
Die eingereichten Beiträge sollten zumindest eines der nisch oder theoretisch interessiert, Neues zu Erfahren
folgenden Kriterien erfüllen: gibt es auf allen Gebieten. Und da die Workshops
noch mit kulturellem Programm, von verschiedenen
* ein Thema medienübergreifend darstellen, zum Bei- Freizeitaktivitäten und wunderschöner Umgebung
spiel Print / Online oder Radio / Online umschmückt sind, wird nicht nur die Wissbegier
* Print-, Audio-, Video- oder Online-Journalismus in von Radio-Neulingen und Radio-Fortgeschrittenen
innovativer Form umsetzen gestillt, sondern auch das Kontakte knüpfen, Neue-
* ein Thema bearbeiten, das von großen Medien ver- Leute-Kennenlernen, Spaß-Haben und Diskutieren
nachlässigt wird kommt nicht zu kurz.
* sich intensiv und kritisch mit gesellschaftlichen
Missständen auseinandersetzen In den vergangenen Jahren trafen sich hier Radioma-
* sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit cherInnen und GewerkschaftlerInnen allen Alters
und ihren Auswirkungen auf die Gegenwart beschäf und aus allen Ecken der Erde, so soll es auch dieses
tigen. Jahr werden.
[15]
[ bfr-rundbrief ] Radiocamp am Bodensee
Kreative Beitragsgestaltung
Viel läuft in Freien Radios über Interviews. Doch
Mehr Infos: spannender und schöner zum Zuhören sind Repor-
http://www.aff-bawue.org/radiocamp10.htm tagen, (Mini)Features, Hörspiele und Experimentelle
http://www.aff-bawue.org/campinfos10.htm Produktionen
Musikrecherche Freitagabend-Veranstaltung
Als Ausgangspunkt der Suche nach dem geeigneten Buchvorstellung:
Musikstück gibt der Workshop Einblicke in die Wir- Friedrich Burschel: „Stadt - Land - Rechts. Brauner
kungsweisen von Musik und zeigt Möglichkeiten auf, Alltag in der deutschen Provinz“
Open Music zu nutzen.
[16]
Freies Radio 2.0 [ bfr-rundbrief ]
[17]
[ bfr-rundbrief ] Adressen
[18]
Adressen [ bfr-rundbrief ]
[19]
Termine
12. - 14. März 2010 7. Linke Medienakademie in Berlin
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