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Verzockt!
Warum die Karten von Markt und Staat
neu gemischt werden müssen
Heide Simonis
Verzockt!
Warum die Karten von
Markt und Staat neu gemischt
werden müssen
ISBN 978-3-525-30002-2
© 2010, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich
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Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichts-
zwecke. Printed in Germany.
Layout und Satz: textformart, Daniela Weiland, Göttingen
Druck und Bindung: fgb freiburger graphische betriebe
INHALT
I n h a lt
Vorwort 7
»The party is over …« 9
Katerstimmung 11
Unordentliche amerikanische Verhältnisse … 13
… und verkehrte deutsche Verhältnisse 15
Erste Aufmunterung der Stimmungslage 18
Auf der Bühne nebenan: Sport und Moral 19
Gewitterlagen andernorts 20
Neu auf der Bühne: Indianer und Kavallerie 23
Erstes Aufflackern der Verteilungsfrage 25
Die Bonus-Szenerie 29
Remedur: Kurzarbeit, Transfers und Garantien 30
»Die neue Venus« – Tanz außer der Reihe 32
Schockwellen überfluten das Land … 33
… und dann rollt der HRE-Tsunami 34
Teufelsworte: Staatliche Beteiligung, Enteignung! 36
Krisenmanager im Hintergrund … 38
… und Abzocker im Vordergrund 39
Die große und die kleine Politik 41
Sprachkünstler und Schlauberger allüberall 44
Mit Bildern Stimmung machen und mit Prognosen 47
Manager im Spiegel der Kritik 49
Und die Ehre – wo ist sie geblieben? 53
Internationale Initiativen: starke Institutionen, mehr Geld 56
New Deal und »Green New Deal« 57
Kontrollverlust, Ratingagenturen und Latexhandschuhe 62
Ein spektakuläres Krisenexempel: die HSH Nordbank 67
Ein Montag in Deutschland – ein Dienstag in Amerika 70
Zurück in Deutschland – mit einem Blick auf Japan 73
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ANHANG
Finance ist kein Selbstzweck! Acht Thesen
zum Neustart nach der Krise von Bernhard Emunds 153
Die Philippika des Präsidenten. Auszüge aus
der »Berliner Rede« von Bundespräsident Horst Köhler 155
Das Alphabet der Krise von Hans Magnus Enzensberger 157
Danksagung 160
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Vorwort
Paralyse der Politik! Krise der Politik? »Krise« ist ein Substantiv
(ein anderes ist »Kritik«) zum griechischen Verb krinein, was so
viel wie trennen oder (unter-)scheiden bedeutet. Im Duden steht
Krise für »(Ent-)Scheidung« und »entscheidende Wendung«
und beschreibt eine schwierige Situation, den Höhe- und Wen-
depunkt einer gefährlichen Entwicklung. Typische Merkmale
von Krisen sind die Notwendigkeit von Handlungsentscheidun-
gen, eine von den Entscheidungsträgern wahrgenommene Be-
drohung, ein Anstieg an Unsicherheit, Dringlichkeit und Zeit-
druck – und die Erwartung, das Ergebnis sei von prägendem
Einfluss auf die Zukunft. Krisen bestehen in aller Regel aus einer
Ansammlung schwieriger Situationen, die vorhersehbar und ge-
plant sind oder aber völlig unerwartet eintreten. Aus einer spe
ziellen Krise kann eine andere, eine allgemeine Krise entstehen.
In diesem Buch geht es um die Finanzkrise, die zu einer
Wirtschaftskrise mutierte. Sie nahm ihren Anfang mit dem Zu-
sammenbruch einer privaten Bank und wurde zu einem öffent-
lichen Geschehen, das sich weltweit ausbreitete, historisch un-
geahnte Dimensionen annahm und fast alle Erdenbewohner
erfasste – die einen mehr, die anderen weniger – und sich noch
immer zu einer großen Sozialkrise ausweiten kann. Im Krisen-
verlauf entstanden Szenen höchst unterschiedlicher Art, solche
die kommuniziert wurden, die man sah und hörte, und solche,
die sich öffentlich abspielten, aber unerhört waren.
Mein Buch ist kein Tagebuch, auch keine Chronologie der
Ereignisse. Es zeichnet vielmehr charakteristische und zugleich
markante Szenen dessen, was geschah, und dessen, was zu ler-
nen ansteht für die Akteure auf der lokalen, der nationalen und
der internationalen Ebene. Profilierte Bestandsaufnahmen einer
Krise und pointierte politische Kritik, das ist der »rote Faden«,
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Katerstimmung
Langsam aber schälte sich heraus, dass die Banken eine spezielle
Lösungsstrategie verfolgten. Sie setzten auf das Konzept der Bad
Bank – ein englisches Wort, für das es in der deutschen Sprache
kein Pendant gibt und vor dem sich eigentlich auch jeder ver-
antwortungsvolle Banker schütteln müsste. Eine staatliche Bank
(oder mehrere solcher Banken) sollen den privaten Banken ihre
wertlos gewordenen Papiere abnehmen, für die es dann bald
ein ebenfalls befremdliches, aber plastisches Wort gab: toxische
Papiere.
Zu welchem Preis und zu welchen Konditionen, war in-
des schwer zu beziffern, weil das Wesen solcher Papiere ja ge-
rade darin besteht, dass sie nicht das sind, was draufsteht. Der
rasante Absturz in die finanzwirtschaftliche Bedeutungslosig-
keit beweist, dass diese Papiere, anders als die Bankenvorstände,
noch bis eben glaubhaft zu machen versuchten, eigentlich kei-
nen Wert mehr haben.
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Unordentliche
amerikanische Verhältnisse …
Der lange schon nagende Zweifel an der Fähigkeit der Bush-
Regierung, mit öffentlichen Geldern ordentlich umzugehen, war
hierzulande eher eine intellektuelle Spielerei geblieben, weil die
vielen Nullen, mit denen man Billionen schreibt, ja scheinbar
nur die Amerikaner betrafen. Dabei hätte die Beschäftigung mit
den US-Zahlen und ihren Folgen für die Weltwirtschaft durch-
aus eine spannende Angelegenheit sein können.
Von Oktober auf November 2008 steigt das amerikanische
Handelsbilanzdefizit um 7,7 % und erreicht mit 60,3 Milliarden
Dollar (neun Nullen!) den Höchststand aller Zeiten. Im Sep-
tember 2008 wird das Defizit für das abgelaufene Haushaltsjahr
mit 454,8 Milliarden Dollar angegeben. Hohe Ölimporte, stei-
gende Ausgaben für den amerikanischen Militäreinsatz in den
Kriegsgebieten Irak und Afghanistan, vor allem aber die geringe
Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft gelten als
Hauptursachen – neben einer niedrigen Sparquote, für die sich
Deutsche schämen würden.
Die US-Amerikaner lebten lange Zeit zufrieden und fröh-
lich mit ihren Kreditkarten, ihren Schulden und der Hoffnung
auf den Erfolg des nächsten Tages. Kreditkarten sind allerdings
nur solange ein Garant für schöne Shopping-Touren, wie man
davon ausgehen kann, dass die damit aufgebauten Schulden
auch zurückgezahlt werden. Ende April 2008 sieht das Bild dann
aber schon sehr getrübt aus: American Express, größter Karten
anbieter, teilt mit, dass die Ausfallrate im März auf 8,8 % gestie-
gen sei. Nach dem Platzen der Immobilienblase kommen jetzt
die Risiken im Kreditkartensektor auf die Liste der schwelen-
den Ängste.
Rund 55 % des globalen Zahlungsverkehrs werden über bar-
geldlose Zahlungen abgewickelt. Lange Zeit lief das alles mehr
oder weniger problemfrei, doch nun bleiben die Anbieter von
VISA, Mastercard und unzähligen anderen Karten auf riesigen
Schuldenbergen sitzen. Ein weiteres Debakel droht mit den plat-
zenden Kreditkarten-Geschäften. Banken, die in diesem Ge-
schäftsbereich besonders engagiert sind, melden sprunghaft sich
verschlechternde Zahlen. Einem Gewinn von 1,5 Milliarden
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Der Zusammenbruch der amerikanischen Lehman-
Bank im September 2008 war der Urknall der bisher
größten weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise.
Zehntausende verloren ihren Arbeitsplatz, Welt-
konzerne gerieten ins Wanken, ganze Staaten gingen
bankrott – Folgen hoch riskanter Geldgeschäfte
und hemmungsloser Spekulationen auf den Welt-
Finanzmärkten.
Heide Simonis, langjährige Finanzministerin und
Ministerpräsidentin, hat Szenen dieser Krise fest-
gehalten. Pointiert und scharfzüngig kommentiert
sie das Versagen des Marktes und die Reaktionen
von Politik und Staat. Gegen das »Weiter so!« der
Wirtschaft und der Banken setzt sie einen radikalen
Kurswechsel: einen nachhaltigen Strukturwandel
der Weltwirtschaft.
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