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nachrichten g 3336 27.2.2003 19. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
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Für den Frieden zu arbeiten heißt und Militärstützpunkten. Mit Mahnwa- hat keine vernichtenden Waffen? Wel-
heute: chen, Demonstrationen, Blockaden, ches Land ist wirklich demokratisch?
1. Sprechen wir den Regierenden die- Streiks, Ostermärschen und vielen ande- Warum versagt die internationale Ge-
ser Welt jede Legitimation zur Kriegfüh- ren Formen unseres Protestes. meinschaft, wenn die Resolutionen der
rung und Unterdrückung ab! Krieg darf Frieden ist nicht alles, aber ohne UNO im Palästina-Israel Konflikt nicht
Info:
kein Mittel von Politik sein! Frieden ist alles nichts! respektiert werden? All dies sind Fragen,
2. Verweigern wir der US-Regierung die die Völker im Nahen Osten mit Angst
die Gefolgschaft in Krieg und Gewalt! „Aus den gequälten Seelen entsteht und Verbitterung stellen.
Solidarität und Freundschaft mit dem Hass, Zorn und Wut“ Als Palästi-
friedliebenden Amerika, nicht mit den Von Sumaya Farhat-Naser nenserin ver-
Kriegstreibern im Weißen Haus! Verbunden mit Millionen Menschen in urteile ich den
3. Setzen wir die universelle Geltung der ganzen Welt stehen wir heute hier, geplanten
des Völkerrechts und der Menschenrech- um den Krieg nicht als Mittel der Kon- Krieg gegen
te durch! Kein Staat hat für sich das fliktlösung gelten zu lassen. Wir sind ver- den Irak, weil
Recht, ein fremdes Regime abzusetzen bunden mit allen Menschen, die sich ge- ich weiß, was
oder zu beseitigen; dieses Recht haben gen den Krieg erheben: in New York, Pa- ein Krieg ist.
nur die betroffenen Völker selber - auch ris, London, Baghdad, Tel Aviv, Teheran, Wir sind Op-
im Fall des Diktators Saddam Hussein im Nablos, Ramallah und mit allen Men- fer der vielen
Irak. schen, die nicht demonstrieren dürfen. Kriege im Na-
4. UN-Waffeninspektionen sollen nicht Krieg kann niemals eine Rettung, und hen Osten:
nur im Irak durchgeführt werden, son- Gewalt kann niemals Frieden schaffen. Die Vertrei-
dern weltweit Schule machen! Es gibt Krieg tötet und zerstört. Wer sorgt sich bung der Hälf-
Länder, die sich aufgrund der Anhäufung um die Menschen in Irak? Anscheinend te unseres
riesiger Arsenale konventioneller und bleiben sie bedeutungslos, denn es geht Volkes ist auf
atomarer Waffen und vermuteter biologi- um die Beherrschung der Region und ih- den Krieg von
scher und chemischer Waffenprogramme rer Ressourcen. 1948 zurück-
für solche Inspektionen geradezu anbie- Die globalen geo-strategischen Kräfte- zuführen.
ten. Also: Inspektionen auch in den USA, verhältnisse verleiten die Mächtigen, sich Über drei
in Großbritannien und bei uns in als die alleinigen Besitzer der Weisheit Millionen
Deutschland! zu sehen, als die, die allein über das Flüchtlinge
5. Jede weitere Aufrüstung und der Recht verfügen, über Leben und Tod an- leben seit über
Umbau der Bundeswehr in eine Interven- derer zu bestimmen. 50 Jahren im
tionsarmee gehen an unseren Lebensin- Wer vom Krieg profitiert, sucht Recht- Exil, im Ge-
teressen vorbei. Das Geld dafür ist in fertigung dafür im Namen der Religion fühl des erlit-
Schulen und Krankenhäusern sehr viel und der Demokratie, im Namen von Si- tenen Un-
besser angelegt. Von Deutschland darf cherheit und Frieden. Mit dem gemeinsa- rechts und der
kein Krieg, keine militärische Interven- men Entschluss der Mächtigen zum Unterdrückung. Die 35-jährige Besat-
tion mehr ausgehen. Europa darf keine Krieg, um gemeinsam vom Krieg zu pro- zung unseres Volkes in der Westbank und
Militärmacht werden! fitieren, setzt sich die Globalisierung im Gazastreifen ist eine Folge des sog. 6-
6. Bekämpfen wir die Ursachen von durch, ungeachtet der Schäden an Frei- Tage-Krieges. Im Krieg von 1973 wur-
Gewalt, Terror und Krieg in der Welt! heit, Menschlichkeit und Moral. den Hunderttausende von Palästinensern
Setzen wir uns ein für eine Wirtschafts- Für die Kriegsführung stehen unbe- erneut vertrieben. Seit April 2002 sind
und Lebensweise, die nicht länger ökolo- grenzte Ressourcen bereit. Planung, Vor- wir einem ungewöhnlichen Kriegszu-
gische Ressourcen verschwendet und bereitung, Durchführung sowie Medien- stand ausgeliefert, in welchem täglich
endlich die globalen Probleme löst. Be- arbeit sind in vollem Gange. Was wäre Menschen getötet werden, ohne dass die-
seitigen wir Hunger, Armut, Analphabe- möglich, wenn ein Bruchteil all dieser se Toten inzwischen noch eine Zeitungs-
tismus, soziale Ungerechtigkeit und poli- Bemühungen und Kosten dem Frieden meldung wert wären. Wir werden unserer
tische, ethnische, rassische, geschlechtli- gewidmet würde? Wenn der Irak militä- Würde als Menschen beraubt, unsere Ge-
che und religiöse Diskriminierung. risch bezwungen ist: Welches Land sellschaft wird zerstört, unsere Existenz-
„Täter des
Wortes“
„So ein herrlicher, sonniger Tag und ich
soll gehen. Aber wie viele müssen heut-
zutage auf den Schlachtfeldern sterben,
wie viel junges hoffnungsvolles Leben. besuchten, fungierte als mäßigender Be- genug sind, einen Freund zu finden, dann
Was liegt an meinem Tod, wenn durch rater der Widerstandsgruppe. Erst nach werde ich gern jeder einen von meinen
unser Handeln Tausende von Menschen der deutschen Niederlage von Stalingrad Adjutanten zuweisen“. Gewaltsam wurde
aufgerüttelt und geweckt werden“, notier- kann er sich dazu durchringen, dass der angetrunkene Gauleiter von Studen-
te Sophie Scholl am 22. Februar 1943. „nicht der militärische Sieg über den Bol- ten aus dem Raum gedrängt und auf den
Wenige Stunden nach ihrer Verurteilung schewismus“, sondern die Niederlage des Straßen ertönten Parolen gegen das Dritte
durch den Volksgerichtshof wurde die 21- Nationalsozialismus „die erste Sorge für Reich.
jährige Philosophiestudentin zusammen jeden Deutschen“ sein müsse. Das letzte Erschüttert durch die Niederlage der
mit ihrem Bruder Hans und ihrem Kom- Flugblatt der Weißen Rose stammt aus Wehrmacht in Stalingrad und ermutigt
militonen Christoph Probst wegen Hoch- seiner Feder. durch diese ersten öffentlichen Unmuts-
verrats durch das Fallbeil hingerichtet. Der erste Schritt zum Widerstand be- äußerungen der Studentenschaft be-
Als Mitglieder der studentischen Wider- stand 1941 im Abhören ausländischer schloss die Weiße Rose, ein neues Flug-
standsgruppe Weiße Rose wurden Profes- Rundfunksender sowie gemeinsamen blatt, das sich direkt an ihre Kommilito-
sor Kurt Huber und Alexander Schmorell Lese- und Diskussionsabenden. Sophie nen wendete, zu verfassen: „Der Tag der
am 13. Juli 1943 und Willi Graf am 12. Scholl bekannte, dass für sie „Bücher zu Abrechnung ist gekommen, der Abrech-
Oktober hingerichtet. ersten Spuren des Widerstandes wurden. nung unserer deutschen Jugend mit der
Bis auf Professur Huber waren alle ... Stimulieren konnten Bücher, Erkennt- verabscheuungswürdigsten Tyrannis, die
Mitglieder des inneren Kreises der Wei- nisse vermitteln, Lichter aufgehen lassen. unser Volk je erduldet hat. Im Namen der
ßen Rose nicht älter als 25 Jahre. Sie wa- Aber das Existentielle ergab sich erst aus ganzen deutschen Jugend fordern wir von
ren zumeist in nationalkonservativen, der Verwirklichung von dem, was man dem Staat Adolf Hitlers die persönliche
christlich geprägten Elternhäusern aufge- selbst als richtig erkannt hatte“. Als Freiheit, das kostbarste Gut der Deut-
wachsen. Die Begegnung mit kritischen Handlungsmaxime galt für Sophie Scholl schen zurück, um das er uns in der er-
Intellektuellen wie Professor Huber, dem eine Stelle aus dem Jakobusbrief: „Seid bärmlichsten Weise betrogen hat. ... Es
Schriftsteller Theodor Haecker und dem Täter des Wortes, nicht Hörer allein.“ gibt für uns nur eine Parole: Kampf gegen
Herausgeber der katholischen Monats- Mit Flugblättern, die sie per Post an die Partei! Heraus aus den Parteigliede-
schrift „Hochland“ Carl Muth trug eben- Multiplikatoren wie Studenten, Lehrer rungen, in denen man uns politisch weiter
so zu ihrer Bewusstseinsbildung bei, wie und Ärzte verschickten sowie Wandparo- mundtot halten will! Heraus aus den Hör-
ihr gemeinsames Interesse für Philoso- len zogen die Mitglieder der Weißen Rose sälen der SS-, Unter- oder Oberführer und
phie, Kunst und Literatur. Dazu kamen ab Sommer 1942 die Konsequenzen aus Parteikriecher! Es geht uns um wahre
erste Erfahrungen von Fronteinsatz und ihrer antifaschistischen Haltung. Dabei Wissenschaft und echte Geistesfreiheit!“
Reichsarbeitsdienst. gelang es, ein Umfeld von bis zu 100 Am 18. Februar – dem Tag, an dem
Auch die Traditionen der bündischen weiteren Schülern, Studenten, Lehrern, Goebbels im Berliner Sportpalast den
Jugendbewegung hatten einige Mitglieder Professoren, Buchhändlern, Künstlern „Totalen Krieg“ verkündete – legten Hans
der Weißen Rose geprägt. So war Hans und Ärzten in München, Hamburg, Ulm, und Sophie Scholl dieses Flugblatt vor
Scholl 1937 vorübergehend verhaftet Freiburg, Stuttgart, Saarbrücken und Ber- Vorlesungsbeginn in der Münchner Uni-
worden, da er versuchte bündisches Ge- lin aufzubauen, die bei der Verbreitung versität aus. Als sie die letzten Exemplare
dankengut in die Hitlerjugend einzubrin- der Flugblätter halfen. von der Brüstung in den Lichthof warfen,
gen. Seine Verhaftung brachte auch So- Die sechs bis Februar 1943 verfassten wurden sie von Hausmeister Jakob
phie, die eine Führungsfunktion innerhalb Flugblätter, die an Tausende von Men- Schmied beobachtet, der die Studenten so
ihrer BDM-Gruppe hatte, auf Distanz schen verschickt wurden, enthielten so- lange festhielt, bis sie die Gestapo verhaf-
zum Nationalsozialismus. wohl Appelle an das Gute im Menschen ten konnte. Über Adressen, die bei ihnen
Aus der bündischen Tradition des Wan- zur moralisch-sittlichen Umkehr, Buße gefunden wurden, konnte die Polizei auch
dervogels und der katholischen Jugend und Reinigung, als auch zum passiven die anderen Mitglieder der Weißen Rose
kam auch Willi Graf. 1934 schloss er sich Widerstand und zur „Sabotage in rüs- verhaften.
16-jährig dem illegalen „Grauen Orden“ tungs- und kriegswichtigen Betrieben, Über Helmuth von Moltke war das
an. Aus seinem Adressbuch strich er kon- Sabotage in allen Versammlungen, Kund- letzte Flugblatt der Weißen Rose nach
sequent alle Namen von Freunden, die im gebungen, Festlichkeiten, Organisationen England gelangt. Die Flieger der Royal
Gegensatz zu ihm der Hitlerjugend beige- ... zur Verhinderung des reibungslosen Airforce verbreiteten das „Manifest der
treten waren. Ablaufs der Kriegsmaschinerie“. Münchner Studenten“ massenhaft über
Alexander Schmorells Mutter war Rus- Genau zwei Wochen nach der Kapitu- Deutschland: „Wir werden den Krieg so-
sin. Schon von daher geriet er in Wider- lation von Generalfeldmarschall Paulus in wieso gewinnen. Aber wir sehen nicht
spruch mit der rassistischen Ideologie Stalingrad kam es in München zur ersten ein, warum die Vernünftigen und Anstän-
vom slawischen „Untermenschen“. Sei- offenen Revolte von Studenten gegen die digen in Deutschland nicht zu Worte
nen Fronteinsatz in Russland erlebte er Nazidiktatur. Gauleiter Paul Giesler hatte kommen sollen. Deswegen werfen die
als „Heimkehr“. die Studenten, die vielfach schon Front- Flieger der RAF zugleich mit ihren Bom-
Der 24-jährige Christoph Probst war einsätze hinter sich hatten, als Schmarot- ben jetzt dieses Flugblatt, für das sechs
als einziger der Studenten bereits verhei- zer am Volkskörper beschimpft und die junge Deutsche gestorben sind, und das
ratet und hatte drei Kinder. Studentinnen aufgefordert, dem Führer die Gestapo natürlich sofort konfisziert
Kurt Huber, dessen Philosophievorle- ein Kind zu schenken statt zu studieren. hat, in Millionen von Exemplaren über
sungen die Mitglieder der Weißen Rose „Und wenn einige Mädels nicht hübsch Deutschland ab.“ Nick Brauns ■