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Ideen und Entwürfe für die kirchliche Arbeit
anlässlich der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006™

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Weltmeister können Sie hier nicht werden ...

... aber wir sind gespannt darauf, wie die Fußball-Weltmeisterschaft in den Gemeinden und

Institutionen bedacht, begleitet und gefeiert wurde. Um die vielfältigen Aktionen im Nachhinein

dokumentieren zu können, bitten wir alle Mitmachenden, ihre realisierten Konzepte, Veranstaltungs-

unterlagen und Presseberichte an das Kirchenamt der EKD, z. Hd. Helga Meyer, Postfach 21 02 20,

30402 Hannover, zu senden.

Impressum

Verantwortlich für den Inhalt:


Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland
Dr. Thies Gundlach, Hans-Georg Ulrichs, Hans-Christof Vetter

Gestaltung und Produktion:


Hansisches Druck- und Verlagshaus GmbH, Hamburg
Reinhard Mawick | Redaktion & Projektleitung
Bettina Huchtemann | Art-Direktion & Design
Mirjam Madlung, Reinhold Schardt | Schlussredaktion &
Dokumentation
Picture Press, Solus Images, Elan Sun Star | Coverfoto

Druck:
Media-Print PerCom GmbH & Co.KG
24784 Westerrönfeld
Gedruckt auf 100 Prozent Recyclingpapier

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Mitarbeiter/-innen dieses Heftes

Johannes Barth | Großalmerode | Pfarrer

Vicco von Bülow | Hannover | theologischer Referent

Alfred Buß | Bielefeld | Präses

Wolfram Dawin | Kassel | Referent

Hans-Joachim Fischer | Flacht | Pfarrer

Dorothea Frank | Bad Schönborn | Pfarrerin

Traugott Giesen | Keitum | Pfarrer

Martin Grab | Flehingen-Zaisenhausen | Pfarrer

Thies Gundlach | Hannover | Oberkirchenrat

Dietrich Kurz | Bielefeld | Sportwissenschaftler

Ralf Ruckert | Homberg/Efze | Pfarrer

Claudia Rudolff | Kassel | Studienleiterin

Tobias Schart | Bad Boll | Pfarrer

Valentin Schmidt | Hannover | Präsident des Kirchenamtes

Peter Steinacker | Darmstadt | Kirchenpräsident

Volker Steinbrecher | Bad Boll | Studienleiter

Albrecht Thiel | Dortmund | Pfarrer

Hans-Georg Ulrichs | Karlsruhe | WM-Pfarrer der EKD

Hans-Christof Vetter | Hannover | Oberkirchenrat

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Bischof Dr. Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland

Sport ist „ein starkes Stück Leben“. In ihm verdich- „Fußball ist die schönste Nebensache der Welt“, soll ein
ten sich Hoffnung und Enttäuschung, Freude und Nie- berühmter Fußballspieler gesagt haben. So wollen wir
dergeschlagenheit, Gemeinsamkeit und Unterschei- Ihnen diesen Anlass ans Herz legen: Als Christinnen und
dungswille. Der Fußballplatz ist ein Lebensdrama auf Christen freuen wir uns auf die Fußball-WM. Wir hoffen auf
120 x 70 m. Mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 gute Ergebnisse für die deutsche Mannschaft. Wir betonen
wird es in Deutschland – wie schon jetzt zu spüren ist sportliche Fairness, gute Gemeinschaft und die Achtung vor
– zu einem Fußballfieber kommen, das wohl kaum je- den Leistungen der anderen. Auch im Rahmen eines sol-
manden ganz unberührt lassen wird. chen Festes wollen wir Raum schaffen für die Solidarität
mit den Armen. Deshalb setzen wir ein Zeichen für „fairen
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) freut Handel“.
sich auf die Fußball-Weltmeisterschaft. Sie hofft auf fried-
liche, faire und fröhliche Spiele in unserem Land. Mit ei- Ich wünsche allen, die dieses Buch in die Hand nehmen,
nem ökumenischen Gottesdienst zum Auftakt der Fußball- einen fruchtbaren Umgang mit den Anregungen, die hier
WM wollen wir diesen Wunsch auch vor Gott tragen und zusammengestellt sind. Auch die Fußball-Weltmeister-
seinen Segen für gelingende Spiele erbitten. Aber auch schaft 2006 ist ein Anlass, Gott zu loben. Und es ist eine
die einzelnen evangelischen Gemeinden wollen gute Gelegenheit dazu, Menschen daran zu erinnern, dass
Gastgeber und einladende Nachbarn sein. Deswegen Fußball ein starkes Stück Leben und ein wunderbares Spiel
hat der Rat der EKD dieses Materialheft zur Fußball-Welt- ist – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
meisterschaft 2006 in Auftrag gegeben. Es soll den
Gemeinden und damit allen Mitarbeiterinnen und Mit- Den kirchlichen Vorhaben zur WM 2006 wünsche ich
arbeitern der Kirche Anregungen dazu vermitteln, wie mit viel Resonanz und einen gesegneten Verlauf.
diesem großen Fußballfest geistlich und organisatorisch
gut umgegangen werden kann. Ob es nun besondere
theologische Themen sind, die in Predigten bedacht werden
können, oder Konfirmandenunterrichtseinheiten, die sich
im Umfeld der Fußball-WM nahe legen, ob es kur-
FOTO : CARSTEN M ATHAES

ze Andachten sind oder Vorschläge zur Arbeit mit


Gruppen – in diesem Heft finden Sie viele Hinweise,
Anregungen und Überlegungen, wie das Fußballfest für
eine Gemeinde lebendig werden kann.

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FOTO : PL AINPI C TU RE / POWELL, J.

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Inhalt

Einleitung 4 4. Herberger homiletisch 61


1. Was kommt und warum die Kirche dabei ist 4 5. Unfrommer Fußball 61
2. Was in diesem Materialheft geboten wird 5 6. Pech mit der Nr. 13 ? 61
7. Wahres Fairplay 62
A. Was Gemeinden tun können 6 8. Fairplay und Frieden 62
1. Gemeindeaufbau und öffentliche Kommunikation 6 9. Politik als Metaspiel 62
10. Zuschauer 62
2. Kinder und Jugendliche 9
11. Am Ende: Tränen 62
3. Evangelische Bildungsarbeit 9
12. Loslassen 62
13. Fußball (nebst Abart und Ausartung) 63
B. Gottesdienste 11
Einleitung 11 F. „Ein starkes Stück Leben“
1. Entwurf: Lob des Spiels 12 Theologische Wegmarken zum Verhältnis
2. Entwurf: Fußballhimmel und Teufelstechnik 15 von Protestantismus und Sport 64
3. Entwurf: Glaube und Fußball und Freiheit 18 1. Hauptsache, die Moral stimmt! Gemeinsame
4. Entwurf: Mut finden 22 Wertschätzung des idealistischen Sports 64
5. Weitere Möglichkeiten 24 2. Zusammenspiel aus einer massierten
6. Liturgische Bausteine | Textübertragungen | Defensive heraus. Sport und Kirche in der
Gebete | Lieder | Fußball-Lieder 24 gesellschaftlichen Kritik 66
7. Kindergottesdienst 32 3. Schnell von Abwehr auf Angriff umschalten!
Gemeinsame ethische Orientierungen 68
8. Schulgottesdienste – drei Entwürfe 37
4. Gepflegte Doppelpässe auf dem kulturellen
Spielfeld. Gegenseitige Anerkennung als
C. Andere Formen der Verkündigung lebensdienliche Phänomene 70
und der Öffentlichkeit 43
G. Verantwortung für Gegenwart
1. Beten für den Fußball? 44
und Geschichte 72
2. Fußball – eine neue Religion? 46
1. „Fair Play – Fair Pay“: Hinweise für die Beschäftigung
3. Fußball ist keine Religion 46
mit fairem Handel in den Gemeinden 72
4. Fußballplatz 47
2. Fußball für das Leben
5. Spielzeit 47 Kinder- und Jugendsozialarbeit in den Elendsvierteln
6. Ball 48 von San José, Costa Rica. Ein Projekt
7. Trikot (Ansprache zur Taufe) 49 von „Brot für die Welt“ (Kollektenempfehlung) 74
8. Singen 50 3. Gedenken, um nicht zu vergessen: eine Initiative
der Versöhnungskirche Dachau 74
9. Mensch, gib doch ab! 51
10. Krach am Ende der Vorrunde (Ein biblisches Rätsel) 53 H. Medien 76
1. Materialien 76
D. Bausteine für die Arbeit mit Jugendlichen (KU) 2. Fußball-Literatur 76
Einleitung 54
3. Zur Geschichte der deutschen Weltmeistertitel 77
1. Fairplay. Eine Unterrichtseinheit für den 4. Ausstellungskataloge 78
Konfirmandenunterricht anlässlich der WM 2006 54 5. Filme 78
FOTO : PL AINPI C TU RE / POWELL, J.

2. Aktiv ins WM-Jahr 2006: Der „Konfi-Cup“ 58 6. Internetadressen 78

E. Bausteine für verschiedene Anlässe 60 I. Über das Finale hinausdenken 79


1. Sportplatz und Gottesdienst 60
2. Christentum und Spiele 60 J. Mitarbeiter/-innen
3. Protestantische Weltauswahl 60 dieses Materialheftes 81
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Einleitung Auch in der evangelischen Kirche begannen nach der
Vergabe der FIFA-Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland
1. Was kommt und warum die Kirche dabei ist Überlegungen, ob und wie die Kirche die WM und ihre Vor-
bereitungen begleiten kann: Nicht weil „König“ Fußball „unser
„And the winner is – Deutschland.“ Mit diesen Worten Leben ist“ oder gar „die Welt regiert“ (wie die deutsche Na-
des FIFA-Präsidenten Sepp Blatter am 9. Juli 2000 tionalmannschaft 1974 sang), sondern weil die Menschen in
um kurz nach 14 Uhr in Zürich erhielt Deutschland diesem Land und auch viele Glieder unserer Kirchengemein-
den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußball-Welt- den von diesem Sport und der kommenden WM fasziniert
meisterschaft 2006. Gerade nach den gescheiterten sind, wird auch das kirchliche Leben mit seinen spezifischen
Olympia-Bewerbungen von Berlin und Leipzig hat Formen und Inhalten an diesem gesellschaftlichen Thema nicht
die Fußball-WM 2006 für unser Land noch einmal an vorbeigehen wollen. Vielfältig ist die Faszination des Fußballs
Bedeutung gewonnen. Die WM ist eine besondere bereits beschrieben worden. Für viele stellt der Fußball ein-
Möglichkeit, sich global positiv zu präsentieren. schließlich seines gesamten Umfeldes (Zuschauermassen, Me-
Es wird enorme wirtschaftliche und kommunale dien, Wirtschaft, Politik, Kunst) eine Art verdichtetes Leben dar.
Entwicklungsmöglichkeiten geben. Körperlichkeit und Emotionen, Grunderfahrungen des Lebens
wie Erfolg und Misserfolg, Gelingen und Scheitern, Freude
Der Confederations-Cup im Juni 2005 stellte für die und Trauer, Stärke und Schwäche, Miteinander und Konkur-
Fußball-Organisatoren in Deutschland die Generalprobe für renz, Zufriedenheit und Aggression u. v. a. m. werden vom
die WM dar. Spätestens mit dem Anpfiff zur Bundesligasai- Individuum oder vom Kollektiv im Zusammenhang eines sport-
son 2005/2006, der Saison vor der WM, begann der Count- lichen Spieles erlebt. Dieses „starke Stück Leben“ findet seinen
down für die WM. Im Frühjahr 2006 und besonders nach Ort auch in den theologischen Bemühungen der Kirche. Was
dem Osterfest wird die öffentliche Aufmerksamkeit für die ist die Würde des Spiels, und welche Weltverantwortung er-
WM steigen: Viele Kulturträger, Museen, Theater, Hoch- gibt sich aus diesen großen Ereignissen? Wozu leitet – auch
schulen und Bildungseinrichtungen werden sich des Themas aufgrund der Beobachtung und der Teilnahme am Fußball-
Fußball annehmen. Die Menschen in Deutschland werden geschehen – die christliche Gegenwarts- und Zukunftsver-
bewegt sein und sich bewegen lassen von diesem global antwortung an? Ob mit dem Fußball im Besonderen Werte
beachteten Ereignis und seinen Themen. zu vermitteln sind, die gut zur christlichen Tradition passen?
Auch das Motto der WM „Die Welt zu Gast bei Freunden“
kann in seinen drei Bestandteilen theologisch bedacht wer-
den. In den Gemeinden sollte man sich um eine theologisch
sachgemäße, aber besonders um eine ihrer Sache, nämlich
des Evangeliums, gemäße Klärung dieser Fragen bemühen.
Deshalb werden Themen, die zum Fußball gehören, in diesem
Materialheft theologisch aufgegriffen. Das gesellschaftliche
Phänomen Fußball wird in seinen unterschiedlichen Facetten
FOTOS: PLAINPICTURE / AMI / BITTER, A.

von Spiel und Sport, in seiner kulturellen und globalen Bedeu-


tung, als wirtschaftlicher Faktor und wissenschaftliches Thema
beleuchtet. Spezifische und traditionell kirchliche Themen wie
Gerechtigkeit, Gewalt, Frieden und ethische Orientierungen
(Welthandel und Fairness usw.) werden im Kontext des Fuß-
balls und der kommenden Weltmeisterschaft bedacht.

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2. Was in diesem Materialheft geboten wird können. Öffentliche Kommunikation und lokale Kooperationen
mit anderen Gruppen und Institutionen stärken die eigene
In der Kirche und den Gemeinden werden viele die Freude Position. Durch ein attraktives Programm und die Hinwendung
an der WM teilen und das Geschehen vor Gott bringen zur Öffentlichkeit bietet die WM Chancen für den Gemeinde-
wollen. Wie kann die Zeit vor und während der WM in den aufbau und für missionarische Bemühungen. Deshalb stehen
Kirchengemeinden und kirchlichen Institutionen gestaltet Formen der Verkündigung auch an zentraler Stelle:
werden? Mit dem Materialheft der EKD werden Vorschlä- Das Kapitel B bietet Vorschläge für Gottesdienste, ausgeführte
ge für viele kirchliche Handlungsfelder gemacht. Es muss Predigten mit ihren theologischen Klärungen, Zielgruppen-
nicht Ziel sein, aus der Vielzahl der folgenden Anregun- gottesdienste und liturgische Bausteine; das Kapitel C schließt
gen möglichst viel in jeder Gemeinde zu realisieren. Viel- mit kleineren und offeneren Formen der Verkündigung an.
mehr möge man das den Personen und Umständen vor Ort Begleitendes und lehrendes Arbeiten mit Jugendlichen prägt
Entsprechende heraussuchen oder eigene Ideen anhand das Kapitel D. Die Bausteine im Kapitel E sind sowohl für
der Vorschläge entwickeln und realisieren. Nüchtern gilt es Verkündigungsformen wie auch für Unterricht und Öffent-
auch zu prüfen, was die ehren- und hauptamtlichen „Res- lichkeitsarbeit gedacht. Das Kapitel F zeigt den Weg auf,
sourcen“ vor Ort bewältigen können, denn der kirchliche den der deutsche Protestantismus im zurückliegenden halben
„Alltag“ mit seinen wichtigen Themen geht weiter. Viele Jahrhundert mit dem Sport gegangen ist; grundlegende
FOTOS: PLAINPICTURE / AMI / BITTER, A.

Vorschläge sind nicht ausschließlich an die WM-Zeit im und wegweisende Texte sind dort ausführlich wiedergegeben.
Sommer 2006 gebunden, sondern können auch später Im Kapitel G folgen drei Beispiele, wie die sozialethische
noch realisiert werden. Dimension des Fußballs berücksichtigt werden kann. Da die-
Zunächst wird unter dem folgenden Abschnitt A eher ses Materialheft sich als Serviceleistung an die Gemeinden
überblicksartig und einleitend gezeigt, wie die WM-Aktivitäten und an die dort Tätigen versteht, soll das Kapitel H helfen,
im Gemeindeleben aufgenommen und integriert werden gute Medien und Materialien aufzufinden.

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A. Was Gemeinden tun können • Die Arbeit von „Kirche und Sport“ ist von Anfang an über-
1. Gemeindeaufbau und öffentliche Kommunikation wiegend ökumenisch geprägt. Deshalb wären Überlegungen
anzustellen, ob eine lokale ökumenische Zusammenarbeit sinn-
Der Fußball und die Weltmeisterschaft können ein Anlass sein, voll ist. Große Aktionen wie Fußballpartys mit Liveübertragun-
dass die Kirchengemeinden (oder auch die Kirchenbezirke, gen auf Großbildleinwand werden besser von vielen Schultern
Landeskirchen und kirchlichen Einrichtungen) ihre Bemühun- getragen, und zeitlich direkte Parallelveranstaltungen sind nicht
gen um öffentliche Kommunikation des Evangeliums und Koo- immer ratsam.
perationen mit anderen Institutionen in der Region verstärken. • Kontakte ließen sich auch zum Rathaus, zu den Sport- oder
Gemeinden sind Orte, an denen die Themen vorkommen sollten, Fußballvereinen, zu den Schulen, zu anderen Kulturträgern, zu
für die sich die Menschen interessieren und begeistern. Manche den am Thema interessierten örtlichen Geschäften, zu anderen
der genannten Vorschläge können durchaus in Kooperation mit politischen und gesellschaftlichen Gruppen usw. herstellen, um in
den örtlichen Sportvereinen, den Sportbünden oder anderen bestimmten Bereichen zu kooperieren.
kommunalen Gruppen realisiert werden. Es können Plattformen
öffentlicher Einrichtungen entstehen. Ein Dorf oder eine Stadt Der öffentlichen Kommunikation und dem Gemein-
könnte sich zusammenfinden, um gemeinsam die WM vorzu- deaufbau können helfen:
bereiten und zu feiern: Lesungen, Podiumsdiskussionen, ein vom
Sportverein organisiertes Hobby-Fußball-Turnier usw. Natürlich • Gemeinsame Interessen und Probleme von Kirchengemein-
wird es von den örtlichen Gegebenheiten und von den Perso- de und Sport- bzw. Fußballverein sollten angesprochen werden.
nen abhängen, ob solche Kooperationen zu Stande kommen, Was erwarten beide Seiten voneinander? Wo und wie kann
und nicht jede (Kirchen-)Gemeinde muss ihren Schwerpunkt auf die Kirche dem Sport helfen? Kontakte, die während der „heißen
den Sport und die Fußball-WM legen. Aber dort, wo es geraten Phase“ der Fußball-WM aufgebaut werden, können sich nach-
zu sein scheint und die Gemeindeverantwortlichen es wünschen, haltig auswirken auf die ehrenamtliche Mitarbeit in den Kirchen-
sollten Kontakte aufgebaut werden. Vermutlich können damit gemeinden und die Zusammenarbeit mit den Ganztagsschulen.
auch Menschen angesprochen werden, die sich bislang noch Durch eine Podiumsdiskussion kann das Gespräch zwischen
nicht von kirchlichen Angeboten angesprochen gefühlt haben. Fußball, Sport und Kirche eröffnet werden. Einladung an Lokal-
Neue Aktionen erfordern auch neue Mitarbeitende. Neue The- politiker und ehrenamtliche Trainer, Betreuer und Funktionäre
men bieten auch die Chance, andere Menschen als bislang an- steigern die öffentliche Wahrnehmung dieses Dialogs.
zusprechen, gerade auch zur aktiven Mitarbeit. Neben Veran- • Kulturelle Veranstaltungen, etwa eine Lesung mit literarischen
staltungen mit vielleicht überraschenden Themen und durchaus und dokumentarischen Fußballtexten, eventuell mit Musikpro-
erwünschtem Presseecho sollten die entstehenden Kontakte nach- gramm im Gemeindehaus, können die theologische Auseinan-
haltige Wirkungen für die kommunale und regionale Koopera- dersetzung mit dem Phänomen Fußball stützen.
tion haben. Konkurrierende Angebote zu anderen Organisatio- • Denkbar sind Planungen zu einer Ausstellung zum Thema
nen sollten vermieden werden; vor allem sollte keine Konkurrenz Fußball und Religion. Lokale und regionale Sportphotographen
zu den Sportvereinen entstehen: So sollte die Kirchengemeinde könnten um eine Auswahl eigener Photos gebeten werden. Man
keine Sportveranstaltungen für die allgemeine Öffentlichkeit an- kann auch eine Zusammenarbeit mit den Schulen vor Ort anstre-
bieten, wenn hier die lokalen Sportvereine bereits aktiv sind. Es ben, z. B. durch einen Malwettbewerb für Kinder zum Thema
muss auch bei den Angeboten und bei der öffentlichen Präsenz Fußball oder durch einen gymnasialen Leistungskurs Kunst, der
deutlich werden, dass Sport und Kirche keine Konkurrenten, sich kritisch mit diesem Thema auseinander setzt und die Ergeb-
sondern in zahlreichen Bezügen Partner sind. nisse der kommunalen Öffentlichkeit im Gemeindehaus vorstellt.

FOTO: PLAINPICTURE / MANASSE, G.

Grundsätzlich wäre Folgendes zu bedenken: Kein großes technisches Problem stellen die Live-Übertragun-
• Ist es sinnvoll und machbar, ein eigenes WM-Begleitprogramm gen der Spiele („public-viewing“) da. Es gibt genügend Jugend-
zu entwickeln? Neben allgemeinen Fußballthemen sollten dann liche und andere Gemeindeglieder, die sich auf die Installation
vor allem spezifische kirchliche Angebote kommuniziert werden von Empfangsgeräten, Beamern und anderem Gerät verstehen.
und Einladungen zu „thematisch überraschenden“ Gottesdiens- Für nicht kommerzielle Anbieter sind die TV-Übertragungen kos-
ten und anderen kirchlichen Formen ausgesprochen werden. tenfrei; die EKD bietet ihren Gemeinden den Service, durch die

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Registrierung auf der Homepage (www.ekd.de/wm) an den
kostenfreien Übertragungsrechten teilzuhaben. Ein Rahmen-
programm wird vom Profil und den Möglichkeiten der Gemein-
de bestimmt sein. Ein solches Angebot, das einige Vorbereitung
erfordert (kostenlose Registrierung auf www.ekd.de, technische
Realisierung, Planung des Rahmenprogramms , Gestaltung des
Raumes, Pressearbeit u. a.), könnte folgende „Liturgie“ haben:
Musik, Begrüßung mit geistlichem Auftakt (vgl. die Anregungen
im Abschnitt B und C , gemeinsames Anschauen des Spiels, Un-
terhaltung wie Musik, Quiz o. Ä., Einladung bzw. Hinweise auf
das Gemeindeleben und ein abschließendes Segenswort.
• Wenn keine eigenen Liveübertragungen im oder am Ge-
meindehaus geplant sind, sondern zentrale Veranstaltungen
anderenorts stattfinden (Marktplatz, Vereinsgelände etc.), dann
könnte die Kirchengemeinde ihre Mitarbeit anbieten und so
öffentliche Präsenz zeigen. Auch Kommunen und andere
Nonprofit-Organisationen können kostenlos die Übertragungs-
rechte erhalten.
• Mit dem Slogan „Sport tut gut“ werben die Sportverbän-
de. Kirchliche Aktionen können mit einem Fußballspiel berei-
chert werden. Ein Kirchenteam könnte gegen Kommunalpoli-
tiker oder Vereinsvorstände antreten. Ist das landeskirchliche
Pfarrerfußballteam schon einmal zu einem Benefizspiel vor Ort
gewesen? Ein „Konfi-Cup“ könnte im Kirchenbezirk organisiert Gottesdienst mit einem Kirch-Kaffee. Und in Universitäts-
werden (vgl. D. 2.). Als Trikots können zum Beispiel die T-Shirts städten könnte Kontakt zu den ausländischen Studierenden
von „Brot für die Welt“ genommen oder Sportkleidung über gesucht werden.
die Transfair-Organisationen bezogen werden. • Vor allem sollten Gottesdienste zum Thema gefeiert werden
• Der Countdown für die WM könnte begleitet werden. (vgl. die Vorschläge unter B), auch ökumenisch, z. B. zu Beginn
Dazu können Gelegenheiten für kleine Formen der Verkün- der WM oder kurz davor (etwa am Pfingstmontag).
digungen (Andachten in mündlicher [Gruppen, Gremien, • Und falls kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen noch
öffentliche Auftritte] und schriftlicher Form [Gemeindebrief, motiviert werden müssen: Die Pfarrkonferenz oder die Synode
Sonntagsbesinnungen in den Tages- und Sonntagszeitun- könnte ein Stadion der 1. oder 2. Bundesliga besuchen oder ein
gen]) wahrgenommen werden, um auf das aktuelle Thema (Ex-)Profi, ein Trainer oder ein Funktionär könnte zur Tagung /
Fußball einzugehen. Kurztexte finden sich unter C und Bau- Sitzung des kirchlichen Gremiums eingeladen werden – das ist
steine unter E. bestimmt auch ein interessanter Termin für die lokale Presse.
• Im Internetauftritt kann für die letzten Wochen vor und Fußball in all seinen Bezügen ist mehr als David Beckham
während der WM eine feste Rubrik eingerichtet werden, die und Co., mehr als Champions League und Weltmeisterschaft.
allerdings regelmäßig aktualisiert werden muss. Besonderes Interesse verdient zum Beispiel auch die 4. INAS-
• Vielleicht ist eine regionale Sportzeitung daran interessiert, FID Fußball-Weltmeisterschaft vom 26. August bis 17. September
FOTO: PLAINPICTURE / MANASSE, G.

den Sportpfarrer oder die Sportpfarrerin oder einen anderen 2006 in Deutschland, wo Menschen mit Lernbehinderung und
kirchlichen Mitarbeiter als Kolumnisten zu gewinnen. geistiger Behinderung um den Titel spielen werden. 1
• Vielleicht wohnen in der Gemeinde Menschen aus meh-
reren WM-Teilnehmerländern, die im Rahmen einer Vortrags- „Die Welt zu Gast bei Freunden“
oder Gesprächsreihe über die Kirchen ihrer Länder berichten „A time to make friends“ (WM-Slogans)
können, vielleicht als Sonntagsvorträge im Anschluss an den 1 Näheres unter www.inas-fid.org.

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FOTO: PLAINPICTURE / TIAN BERG

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2. Kinder und Jugendliche 3. Evangelische Bildungsarbeit

Bewegung und Spiel machen Kindern Freude. 2 Schon früh Fußball als gesellschaftliches, kulturelles (literarisches!) und his-
lassen sie sich auch von der Faszination des Zuschauersports torisches Phänomen ist ein mögliches Thema für evangelische
begeistern. Berühmte Sportler sind ihre Idole. Kinder und Ju- Bildungsarbeit. Anders als noch vor wenigen Jahren gibt es
gendliche sind das Gros der Kunden für Fantrikots und andere mittlerweile viele interessante Fußballfilme, die in der Arbeit mit
Merchandising-Produkte der „Fußballindustrie“. Wie keine ande- Erwachsenen gut einzusetzen sind (vgl. H 5.). Zahlreiche Hoch-
re Altersgruppe werden Kinder und Jugendliche auf das Großer- schulen und andere Bildungsträger werden öffentliche und inter-
eignis Fußball-Weltmeisterschaft gespannt sein. Im Bereich der disziplinäre Vortragsreihen zur WM anbieten.
Kinder- und Jugendarbeit wird der Fußball Thema sein können Auch wenn die FIFA-Weltmeisterschaft 2006 der Wettbe-
im Religions- und Konfirmandenunterricht, die Stunden der Jung- werb der Männer ist, greift das Thema weit darüber hinaus.
schar- und Jugendgruppen können entsprechend gestaltet wer- Und doch ist die WM nicht zuletzt eine große Chance für die
den, Konfirmanden- und Jugendfreizeiten könnten sich diesem kirchliche Arbeit mit Männern. Die o. g. Themen für die Bil-
Thema stellen. Der Kindergottesdienst kann in den Wochen vor dungsarbeit können aufgegriffen bzw. Themenabende mit Titeln
oder während der WM das Spiel aufgreifen. Im Kapitel mit den wie „Fußball – Ritual – Religion“4, „Heilige Räume: Kirchen und
Gottesdienstvorschlägen finden sich Entwürfe für eine Kindergot- Stadien“5 gestaltet wie auch Themen am Beispiel Fußball (globa-
tesdienstreihe (B. 7) und für Schulgottesdienste (B. 8). le Gerechtigkeit, Gewalt, Medienmacht, Körperinszenierungen
Interessant ist der Kinder- und Jugendbereich sicherlich auch etc.) erläutert werden. Oder man(n) gönnt sich einen Fußballfilm.
für Kooperationen auf lokaler Ebene: Alle in der Arbeit mit Interessant wäre es, Erinnerungen auszutauschen: Wo waren
Kindern und Jugendlichen Engagierten könnten etwa am wir 1990, 1974, 1954, oder was haben unsere Väter von 1954
Pfingstmontag oder zum Eröffnungsspiel (Freitag, 9. Juni) ein erzählt – statt eines Films kann auch der Roman von Friedrich
gemeinsames großes Fußballfest feiern („X-Dorf freut sich Christian Delius, „Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“,
gemeinsam“ oder „Y-Stadt macht mit“). Die Jugendabteilungen vorgelesen werden. Solche Männerabende könnten mit einer
vieler Vereine werden sich mit WM-Themen beschäftigen und geistlichen Betrachtung von in der Fußballszene gesungenen
Fußball spielen. Schulen werden fächerverbindenden Unterricht Liedern wie „You’ll never walk alone“6, „Football is comin’ home“,
und fächerübergreifende Projekte zur WM anbieten. Und da „We’re the champions“ etc. beginnen. Fußballwissen spielerisch
sollte der Religionsunterricht mitmachen – sicherlich auch abfragen geht immer noch sehr gut in Form des „Großen Preises“
kritisch-betrachtend, aber doch nicht nur ablehnend. 3
(mögliche Rubriken: Regeln, WM-Highlights, Geschichte, Spie-
Ein Klassiker der Fußball-Literatur für Kinder ist Sammy ler, Kuriositäten, WM 2006). Und bestimmt haben die Männer
Drechsels „Elf Freunde müßt ihr sein“ (Erstauflage: 1955). vor oder nach dem Theorieabend Lust, einmal gemeinsam ins
Modern sind „Die wilden Fußballkerle“ von Joachim Masannek Stadion zu gehen oder selbst zu kicken. 7
(13 Bände), deren weibliches Pendant bei Masannek „Die Die Frage, ob Fußball auch ein Sport der Frauen ist,
biestigen Biester“ heißt. Das Motto lautet: „Alles ist gut, ist spätestens seit den Erfolgen der deutschen Frauennational-
solange du wild bist.“ mannschaft unumstritten. Frauenfußball ist in Deutschland so
erfolgreich wie nie und findet immer mehr Anhänger und
Unterrichtsentwürfe finden sich in:
Anhängerinnen. Das Thema „Frauen im Fußball“, als Spielerin-
• FAIR spielen – FAIR handeln (2004) nen und als Zuschauerinnen, könnte auch Frauen ansprechen,
• Der Ball ist rund (2005) die sonst keinen Zugang zum Fußball finden.
• konfernormal 70 (2002) Eindrücklich beschreibt der Film „Adelante Muchachas!“
• www.brot-fuer-die-welt.de von Erika Harzer (www.adelante-muchachas.de) die Ge-
FOTO: PLAINPICTURE / TIAN BERG

• entwurf 1-2006 schichte vierer Mädchen aus Honduras, die von ihrer
(Genaue Literaturangaben siehe ab Seite 76) sozialen Herkunft her sehr unterschiedlich sind, aber eines

2 Das hat auch Dietrich Bonhoeffer, an dessen 100. Geburtstag am 4. Februar für Wald und Natur vorhanden ist, so begeistern sie sich doch an Kletterpar-
2006 der deutsche Protestantismus erinnert, erfahren. Bonhoeffer fuhr mit einer tien . . . und am Fußball auf der Wiese.“ In: Eberhard Bethge, Dietrich Bonhoeffer.
Gruppe (teils sehr schwieriger) Jugendlicher in das Landhaus seiner Eltern Theologe, Christ, Zeitgenosse, München 6. Auflage 1986, S. 275.
und berichtete am 28. März 1932 davon: „Ich bin sehr froh, dass ich mit den 3 So könnte es die Lehrplaneinheit 9.8 „Was uns fesselt“ des Bildungsplanes
Konfirmanden hier oben sein kann; wenn auch noch nicht besonders viel Verständnis für die Hauptschulen in Baden-Württemberg nahe legen

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FOTOS: ACTIONPRESS/ EVERETT COLLECTION · PICTURE PRESS / WARTENBERG, FRANK P.
gemeinsam haben: ihre Leidenschaft für Fußball. Sie setzen deutsch-deutsche Begegnung, das Sparwasser-Tor und den
gemeinsam durch, dieses Spiel zu spielen, auch wenn die zweiten deutschen Titelgewinn, an die WM 1990 und den
Machismoumwelt Frauenfußball ablehnt. Der Film ist ein damals überragenden Lothar Matthäus. Medien zu diesen
Beitrag des Kunst- und Kulturprogramms der FIFA-WM 2006. 8
Weltmeisterschaften und zur Fußballgeschichte finden sich
Ein wichtiger Aspekt von Seniorenarbeit ist es, dass unter Abschnitt H.
die Älteren selbst aktiv bleiben und partizipieren. Das gilt 4 Literaturhinweise in der Bibliographie unter H.
5 Vgl. Hartmut Rupp, Sportstadien als heilige Räume, in: Hans-Georg Ulrichs,
gerade auch dann, wenn sie ihr Leben erinnern. Ältere und Thilo Engelhardt, Gerhard Treutlein (Hg.), Körper, Sport und Religion. Interdis-
ziplinäre Beiträge (Forschen, Lehren, Lernen 17), Idstein 2003, S.121–132.
6 Vgl. im Heft des Medienpakets „Fair spielen – fair handeln“, S. 26–29,
alte Leute erzählen gerne. Ein Nachmittag der Erinnerungen vgl. auch die CD-ROM.
7 Aktuelle Informationen zur kirchlichen Arbeit mit Männern finden sich unter
könnte durch Medien angeregt werden: zum Beispiel Erinner- www.maennerarbeit-ekd.de.
8 Literatur: Beate Fechtig, Frauen und Fußball. Dortmund 1995; Nicole Selmer,
ungen an die WM 1954 und das „Wunder von Bern“ am Watching The Boys Play. Frauen als Fußballfans, Kassel 2004
Förderung des Frauenfußballs in Afghanistan, Projekt mit Holger Obermann,
4. Juli 1954 vor Ort und anderswo, an die WM 1966 und ein Bericht darüber in: Fair Play for Fair Life. Aktionszeitung 2004 von
„Brot für die Welt“, S. 8
das Wembley-Tor, an die WM 1974, an die einzige Es gibt eine Zeitschrift über Frauenfußball: FF-Magazin. www.ff-magazin.com

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B. Gottesdienste übergängen, Bahnhöfen, Flughäfen, Autobahnkirchen. Da
Einleitung die Ladenöffnungszeiten und die Polizeistunde während der
WM regional aufgehoben sein werden, sollten Gottesdienste
Gottesdienste zu feiern ist das Beste, was christliche Gemeinden
und andere geistliche Angebote auch in der Öffentlichkeit auf
tun können, weil sie das Leben in allen Dimensionen vor Gott
der „Agora“, den Markt-, Dorf- und Stadtplätzen und an an-
tragen und bedenken – auch das „starke Stück Leben“, das sich
deren öffentlichen Orten, stattfinden. Schließlich gilt es, das
mit der Fußball-WM verbindet. Gottesdienste und Andachten
Evangelium „auszurichten an alles Volk“.
sind darum der wichtigste Dienst, den die Kirche an der WM und
Während die Gottesdienste zu Beginn der WM nicht zuletzt
für die WM tun kann. Deshalb stehen Hinweise zur Gottes-
von den Fürbitten und der Segensbitte für eine friedliche und fai-
dienstgestaltung und für andere geistliche Anlässe im Zentrum
re WM, für die hoffenden Mannschaften und die engagierten
dieses Heftes. Niemand wird wochenlang über Fußball predi-
Gäste geprägt sein sollten, könnte ein möglicher geistlicher
gen wollen. Also werden in der Regel die Perikopentexte in den
Akzent für einen WM-Schlussgottesdienst (4.Juli) auf dem Dank
Gottesdiensten bedacht werden. Nur wenn es sich tatsächlich
für das Erlebte liegen – dort könnte auch bereits der WM 2010,
nahe legt, sollte man im Anschluss an diese vorgeschriebenen
die in Südafrika stattfinden wird, fürbittend gedacht werden.
Texte die Geschehnisse bei der WM aufgreifen, jedoch nicht
jeden Bibeltext um jeden Preis auf die WM zu deuten versuchen.
Von den Perikopentexten der Reihe IV für Pfingstsonntag
„ Fußball ist unser
(1. Korinther 2,12–16) und Pfingstmontag (Epheser 4,11 –15. 16),
für den ersten Sonntag der WM am 11. Juni 2006 (Trinitatis:
Leben“ WM-Schlager, 1974

Epheser 1,3–14) sowie die folgenden vier Sonntage Der erste Predigtentwurf „Lob des Spiels“ von Pastor Traugott
(1. S. n. Tr.: Jeremia 23,16–29; 2. S. n. Tr.: 1. Korinther 14,1–3. Giesen passt mit seinem grundsätzlichen Bedenken des Spiels
FOTOS: ACTIONPRESS/ EVERETT COLLECTION · PICTURE PRESS / WARTENBERG, FRANK P.

20–25; 3. S. n. Tr.: 1. Johannes 1,5–2,6; Finaltag, 4. S. n. Tr.: im menschlichen Leben und gerade auch wegen seines leichten,
1. Petrus 3,8–15a. 15b–17) bieten sich wohl nur drei Texte für spielerischen Tons an den Anfang der WM. Die beiden folgen-
direkte Bezugnahmen an: Am Pfingstmontag könnte vom Text den Entwürfe von Thies Gundlach und Peter Steinacker können
her eine Parallelisierung von den differenzierten Funktionen während aller WM-Wochen verwendet werden; der zweite Ent-
innerhalb der Gemeinde zu den Aufgaben der unterschiedli- wurf „Fußballhimmel und Teufelstechnik“ mit seinen beziehungs-
chen Spieler und Spielertypen möglich sein und auch der eben- reichen Anspielungen hat seinen Ort wohl eher in einem
falls an anderen Stellen des Neuen Testaments aufgeführte Leib- besonders gestalteten Fußballgottesdienst in der Gemeinde,
Gedanke mit einem Fußballteam verknüpft werden (vgl. die während der dritte Entwurf „Glaube und Fußball und Frei-
Textübertragung zu 1. Korinther 12 in Abschnitt 6.1.). heit“ aufmerksame Zuhörer und Zuhörerinnen beispielsweise
Am 25. Juni 2006 (2. S. n. Tr.) könnte anhand des Fußballs ge- während eines Gottesdienstes beim Sportverein (zum Vereins-
zeigt werden, dass eine gemeinsame Begeisterung auch eine fest oder im Zusammenhang mit der WM) oder in anderen
eigene Sprache hervorbringt, wobei hier auch genau auf die Open-Air-Gottesdiensten in der Öffentlichkeit finden dürfte.
Grenzen des Vergleichs geachtet werden muss. Schließlich Der vierte Entwurf von Alfred Buß hilft, aus dem christlichen
könnte man am 4. Sonntag nach Trinitatis am Ende einer Glauben „Mut finden“ zu können, und gehört deshalb – aber
gelungenen und friedlichen WM mit dem 1. Petrusbrief 3 nicht ausschließlich – in eine Situation der Niederlage und des
ausführen, dass auf dem Tun des Guten Segen liegt. Um die- Neubeginns.
sen Segen für die Welt zu bitten („segnet“!, V. 9), wenn diese Die vier stark profilierten Predigten laden dazu ein, sie als
„bei Freunden zu Gast“ gewesene Welt ihre Blicke wieder von Vorlagen frei zu verwenden, sich von ihnen anregen zu lassen
unserem Land abwendet, scheint ein gutes Ende zu sein. und je nach den eigenen Bedürfnissen der Personen, des Ortes
MöglichsindspezifischeFußballgottesdienstevorderWMam und der Zeit den konkreten Gegebenheiten anzugleichen.
Pfingstsonntag (4. Juni), vor allem am Pfingstmontag (5. Juni, Für die Gottesdienste anlässlich der WM bietet sich eher eine
möglicherweise auch ökumenisch) oder am ersten Sonntag der schlichte liturgische Form an. Ein Gospelchor, eine moderne
WM: Trinitatis (11. Juni). Diese und andere Gottesdienste können Band, eine Tanzgruppe könnte gebeten werden, den Gottes-
an besonderen Orten gefeiert werden: beim lokalen Sportver- dienst mitzugestalten. Zu den „WM-Gottesdiensten“ vor Ort
ein, beim sommerlichen Gemeindefest oder auch an Grenz- sollten auch, ja gerade, die Vereine eingeladen werden.
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1. Predigtentwurf Himmel, sorget nicht, zersorgt euch nicht. Euer himmlischer
Lob des Spiels Vater weiß, was ihr braucht, eh ihr ihn bittet“ (Matthäus 6,
(Traugott Giesen) 25 f). Nein, Fußball spielend oder surfend, so kann ich mir
Jesus nicht vorstellen, aber dass er mit seinen Jüngern Brotzeit
Singet und spielt dem Herrn in eurem Herzen. hält im Schatten eines Baumes und sich einen Grashalm durch
(Epheser 5,19) die Zähne zieht, so schon, oder dass er Schach spielt mit
Ein richtiges Anpfiffwort für Gedanken vor den großen Tagen seinem Lieblingsjünger, doch.
der Weltmeisterschaft. In der Bibel hat Spielen keinen guten Menschen haben immer gespielt, mit Murmeln oder
Ruf – es hat kaum ein Vorkommen. Ganz zauberhaft aber „Mensch ärgere dich nicht“ oder Flöte oder sie haben gebolzt,
ist folgende Stelle: Gott schuf die Walfische, um damit zu getanzt oder Theater gespielt. Sie haben als Hirten genug Zeit
spielen (Psalm 104,26). Hochgelobt ist das Spiel in Verbindung gehabt, ein Spielchen zu machen, haben als Bauern, wenn
mit Singen, Tanzen, Musizieren auf der Harfe. Aber auch ab- es früh dunkel wurde, doch genug Zeit gehabt für die Liebe
fällig wird vom Spiel gesprochen: „Als das Goldene Kalb ge- – „Brot (auch) der Armen“. Und standen oft genug auf dem
gossen war, da aß und trank Israel und stand auf zu tanzen Markt herum, weil keiner sie einstellte – da war jede Abwechs-
und zu spielen.“ Bis Mose den Fetisch zerschlägt. Klar, dass lung willkommen. Spiel ist Abwechslung von der Hauptauf-
da Spielen etwas Gottabgewandtes beschreibt. Spiel hat was gabe, sich und andere durchzubringen. Ja, Spiel hilft auch,
Unernstes, Oberflächliches. 1. Chronik 15,27: „David trug den Fähigkeiten zu entwickeln, überschüssige Kräfte zu entladen,
leinenen Priesterschurz, als sie die Bundeslade hinaufbrach- auch überschüssige Freizeit zu gestalten. Und Unschädlichma-
ten nach Jerusalem mit Jauchzen und Pauken und Trompeten. chen von Aggression; früher ging man Holz hacken, heute
Da schaute Davids Frau Mikal zum Fenster hinaus, und als schickt eine den anderen: „Lauf mal 'ne Runde.“
sie den König David tanzen und spielen sah, verachtete sie Sport ist auch Lust am Körper, sich fit fühlen hat was. Dazu
ihn in ihrem Herzen.“ die Lust, sein Geschick zu messen im Wettbewerb. Gut sein
Die Griechen, heidnisch-fröhlich, hatten zu Ehren der wollen, besser sein wollen als der andere, das ist doch eine
Götter die Olympischen Spiele erfunden. In Israel lernte man menschliche Anlage; wenn sie im Spiel gelebt wird, kann das
dagegen immer strenger und körperferner von Gott zu denken, Kriege verhindern – man sagt, dass der Kalte Krieg zwischen
die Anbetung war von höchstem Ernst, Sache einer geschulten China und den USA beim Tischtennisspiel zum Tauen kam.
Priesterkaste, jenseits alles Beliebigen. Aber klar ist: Spiel ist Ausnahme. Alltag ist Ernst, Notwen-
Bei der Urkirche kam noch eine ganz andere Tendenz digkeit. Dass man mit dem Spiel Geld verdienen kann, ist eine
hinzu: „Kaufet die Zeit aus – es ist böse Zeit“ (Epheser 5,16). Sonderform: Spiel als Unterhaltungsware. Wir lassen spielen
Sogar zum Heiraten hatte man nach Paulus keine Zeit. Hinter – sie spielen für uns, wie Söldnerheere früher die Kriege der
dem Ziel, das Evangelium auszubreiten, hatten alle irdischen Zahlenden führten. Mit dem Unterschied: Sie wurden damals
Dinge zurückzustehen. Anders aber doch Jesus: „Sehet die gepresst und brachten Leid. Die Sportler heute spielen aus
Lilien auf dem Felde in ihrer Pracht; seht die Vögel unter dem freien Stücken und bringen Freude.
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„Gott ehrt uns,


wenn wir arbeiten,
aber er liebt uns,
wenn wir spielen“
Rabindranath Tagore

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Spiel ist Ausnahme vom Ernst des Lebens und ahmt den Ernst
des Lebens doch nach: aus Stofffetzen Puppen bauen,
mit Puppen ein Abbild der Gesellschaft spielen, Vater,
Mutter, Kind. Ein Lumpenknäuel, vier Stangen – und los geht
die wilde Jagd. Fußball als das Spiel des Lebens, überschau-
bar, mitspielbar, jeder ist Fachmensch, weil man’s ja selbst
gespielt hat.
Spiel ist noch kein Sport – Sport fordert Leistung. Auf
den Ausgang von Pferderennen wurden Wetten abgeschlos-
sen – vielleicht liegt in dieser Verbindung von Kampfspiel und
Geschäft der Ursprung des modernen Sports. Hinzu kommt:
Boxen wurde in England ein Mittel, Ehrenhändel auszutragen,
über Klassenunterschiede hinweg, so wurde Sport ein Mittel Die Begeisterung, mitzuspielen – die Dramatik der Zwei-
zur Demokratie, weil jedem die gleichen Chancen zugebilligt kämpfe wie am eigenen Leib erleben, die halsbrecherischen
sind – was ja auch Doping so verachtenswert macht. Jede, Paraden, die blitzgescheiten Spielideen, die Gewandtheit,
jeder, wenn sein Talent reicht – Abstammung, Geld zählt gar das Sichaufrappeln, immer und immer wieder, das Weg-
nichts –, kann ins Rampenlicht treten. Und der Sport brach- stecken von Enttäuschung, das Fieswerden aus Verzweiflung,
te auch Fairness als eine Form von burschikos verkleideter nicht gut genug zu sein – die Pulswerte steigen ins Ungeheure.
Nächstenliebe. Gerade langes berufliches Stillsitzen züchtet Aggression
Vor allem Fußball ist wie im richtigen Leben: Etwas ganz und staut sie. Diese Stauung macht Sport so beliebt, wenn
Rares muss dem Rivalen abgejagt werden und in dessen die Kampfform drastisch ist – also Boxen und Fußball, wie
Kasten versenkt werden, den er so gerne sauber hielte. man da, gebändigt von Regeln, seine Dynamik loslässt.
Die Regeln sind übersichtlich, ein Schiri passt auf und hundert- Und – anders als die Geheimnisse im Inneren eines Com-
tausend oder Millionen Augen via TV. Da lohnt sich Anständig- puters: Das hier auf dem Feld versteht man. Hier gedeiht
keit schon, da ist wenig Betrug möglich, da gibt es gelbe und Kameradschaft, ein Schicksal wird geschmiedet – der eine
rote Karten, wie wir sie uns ja auch zeigen. Da ist wirklich einer putzt den Fehler des anderen mit einem Foul aus, besser noch
für den anderen da, da ist Aufbruch zu sehen. Da ist Gemein- mit einem genialen Schuss. Einer fällt unglücklich, das macht
schaft, die den Einsatz der Einzelnen braucht, und Gegner- die Gasse frei für des anderen Glück. So spielen die von allen
schaft braucht Verabredung, wie Verstöße zu ahnden sind, das verstehbaren Dramen, die das Leben schreibt. Und wir dürfen
Spiel muss doch weitergehen, hier ist Versöhnung manchmal sagen: Wir sind dabei gewesen. Und werden hoffentlich se-
schon mit einem Klaps auf die Schulter gewährt. Das Schönste hen, wie die Unseren auch gute Miene machen, sollten sie sich
ist: Wir können uns Lieblinge suchen, mit denen wir mitfiebern. doch mal beugen müssen.
Und die sagen auch: „Wir spielen für euch.“ Es ist da eine Die Spieler, die Mannschaft, wir Zuschauer – wenigstens
Stellvertretung. für kurze Zeit sind wir wie ein Leib, es ist ein Traum, ein Vor-
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Sie leben ihre Möglichkeiten, wir bewundern das, sehen


schmerzlich unsere Schwachheit und nehmen uns doch auch
vor, je die eigenen Möglichkeiten noch mal auszuschöpfen. Es
geht ein Ruck durchs Land, bei solchen großen Spielen.

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„Sinnloser als Fußball ist nur noch
eins: Nachdenken über Fußball“
Martin Walser, Schriftsteller

geschmack von einer ganzen, guten Menschheitsfamilie. Wie der Menschlichkeit die Kür eingeräumt des Dekorativen, der
Sieger die Besiegten in die Arme nehmen und sie als eine Freude am Eigenen. Neben der Notdurft des Essens gibt es
Mannschaft vor dem Publikum sich verbeugen, das hat doch die Kochkunst und schönes Eindecken, Blumen; vor dem Essen
was von Frieden. Bei einer früheren WM, während die Fußball- sich waschen, vielleicht festliche Kleidung, und der Ritus des Dan-
begeisterten noch jubelten, war oben an der Stadionbalustra- kes, was allemal besser ist als einfach loszumampfen. Und spei-
de ein riesiges Tuch ausgehängt mit der Aufschrift: „Wir haben sen, nicht schlingen und würgen wie in der Urhorde, die immer
noch Hunger.“ Das sagt doch: Alles hat seine Zeit, jetzt, wo das auf der Flucht war, sondern gelassen genießen unter munteren
Spiel aus ist, fängt die Arbeit an. Was im Spiel dargestellt war, Reden, mit Nächsten.
das gemeinsame, gleichberechtigte, schöne Miteinander, jetzt Auch das Gespräch mit Gott hat neben der Not des
muss es durch gerechtes Teilen Wirklichkeit werden. Bittens und Klagens die Freiheit des Lobens, des Dankens.
Es gibt noch viel zu tun, darum ist Spiel Ausnahme. Solange Auch ist Ernst und Spiel bei der Liebesumarmung: wir sind
Millionen Kinder nicht spielen dürfen, sondern Ziegel schleppen bedürftig und hoffentlich auch spielerisch. Das Liebesspiel über-
oder dauervergewaltigt werden, ist aus Hungersnot kein Erwach- steigt den Automatismus bloßer Instinkthandlungen, es sucht
sener freigestellt zum verspielten Leben. Er bliebe zu viel schuldig dem fliehenden Augenblick Dauer zu verleihen. „Der Mensch ist
an Begabung, die das Leben braucht, dass es gedeihe. „Sechs nur da ganz Mensch, wo er spielt“ (Friedrich Schiller) – das gilt
Tage sollst du arbeiten“, vernahmen die vor uns, „und am sieb- besonders auch für Liebende.
ten Tage sollst du ruhen von deinen Werken“ (2. Mose 20). Die Wir Menschen sind mit Spielraum gewollt; mit Spielraum,
Entdeckung des Sabbats ist eine der ersten sozialen Großtaten die eigene Person zu entwickeln. Spielen ist Freiheit, frei von Not,
Israels: ein Tag der Arbeitsruhe, auch für den Fremdling, sogar frei von Zwecken, frei zum Überflüssigen. Gott lässt dir Überfluss
für das Tier. Ja, in aller Daseinsnot ist uns ein Raum der Freiheit – also lache, erfreue, genieße, beschaffe Chancen. Mache dein
gelassen auch fürs Spiel. Spiel, bring dich ins Spiel, biete dich an. Die Zeit ist begrenzt,
Manchmal blitzte dies schon an den ungewöhnlichsten dann nimmt uns Gott wieder aus dem Erden-Spiel, sicher für
Orten auf: an Weihnachten 1914 in den Gräben des „Schlacht- ein anderes. Aber das Spiel des Lebens ist kein Spaß: „Wenn es
feldes“ in Frankreich, und die Soldaten, die sich gegenüberlie- köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen“ (Psalm
gen, verlassen ihre Schützengräben und spielen gegeneinan- 90), das Gebrauchtwerden ist wohl nah am wahren Glück.
der, nein, miteinander Fußball – bis die Kriegsherren dies zu Köstlich soll dir das Leben gewesen sein, du sollst mal gern du
unterbinden wissen. Im Krieg, in Stalingrad, in all den Bomben selbst gewesen sein. Suchst du noch Deins? Tändelst du, ver-
eine Ruine mit einem heil gebliebenen Klavier. Und ein Sol- suchst dir alle Möglichkeiten offen zu halten? Bist du einer, von
dat spielt Mozart – und die Waffen verstummen für eine Zeit. dem Kierkegaard sagte, dass er „verzweifelt nicht er selbst sein
Mit Fingerfarben die Gesichter anmalen auf der Kinderkrebs- wollte“? Oder ist die Maske deiner Pflichtrollen so an dir fest-
station – einen Luftsprung weit sich über das Schicksal erheben. gewachsen, dass du noch mal ganz neu Kind werden musst:
Auch um aus uns herauszugehen. Dem Menschen ist mitge- „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht ins Him-
geben „die Zweieinheit von Erzwungenem und Spielerischem, melreich kommen“ (Matthäus 18,3) sagt Jesus. Übersetzt von
von Daseinsnot und freier Gestaltung“ (H. Plessner). Wir ha- Rabindranath Tagore: „Gott ehrt uns, wenn wir arbeiten, aber
ben einen Spielraum, uns zu geben, Figur zu machen, wir er liebt uns, wenn wir spielen“.
FOTO: PLAINPICTURE / LANGER, M.

können die Rollen des Lebens so oder so spielen: Vater, Mut- Aus Vertrauen, aus Sorglosigkeit, dürfen wir die Freiheit
ter, Frau, Mann, wie das sein? Es gibt Erwartungen, es gibt an- der Kinder Gottes leben und dem Augenblick gehören: Sor-
erzogene Muster und genetisch uns weitergegebene, es gibt get nicht für morgen, es ist genug, dass jeder Tag seine eigene
aber auch Raum, man selbst zu sein. Du eben keine typische Plage habe. Es ist Gottes Welt, in der wir zur Arbeit gerufen
Schwiegermutter, du kein typischer Mann. Uns ist zur Pflicht sind – und zum Spiel.

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2. Predigtentwurf Europameisterschaft, Champions League, DFB-Pokalfinale, Bun-
Fußballhimmel und Teufelstechnik desliga-„Endspiele“, das sind Feiertage, die das Leben rhythmi-
(Thies Gundlach) sieren und den Alltag unterbrechen, die die Sinnfrage neu for-
mulieren und die Antwort auf die Füße des Schützen legen. Denn
Gott ist rund, die Kurie trägt das kleine Schwarze mit der Triller- existentiell, also auf dem Rasen, helfen dann auch nicht die
pfeife, und die Diakone stehen abseits vom Heiligtum, um auf Priester, diese charismatisch begnadeten „Ballologen“ deren
Abseits zu achten. Fußball ist Pseudoreligion, denn die Epi- Rang zwischen Engel und Teufel pendelt. Die Trainerpriester
phanie des Heiligen geschieht in Zeit und Raum, in der Regel sind der öffentlichen Gerichtsbarkeit freigegeben, sie sind
samstags zwischen 15.30 und 17.15 Uhr, gedrängt auf bum- entweder genial oder blind, blöd und faszinierend. Sie sind
meligen 120 x 55 Metern, unter freiem Himmel, mit begeis- die hochbezahlten Sündenböcke, die stellvertretend geopfert
terten Gesängen aus der Gemeinde. Die Kulthandlungen des werden, wenn der runde Gott unversöhnlich scheint.
Fußballs haben festgelegte Zeremonien: Rituale des Ankom- Und natürlich gibt es beim Fußball – wie in jeder Hochreli-
mens, der Einstimmung und der Gebetskonzentration durch gion – Konfessionen, kenntlich an ihren Sonntagsanzügen, mal
das Erklingen von national bedeutsamer Musik. Erst dann ist schwarz-gelb, mal grün-weiß, kenntlich auch an ihren spezifi-
die Gemeinde reif für diese geheimnisvolle Verwandlung der schen Gesängen, an ihren Heiligen und an ihren Feindbildern,
Leiber in ein größeres, anderes ihrer selbst, in eine Transsubs- die in der Regel bei den anderen Vereinen zu finden sind. Und
tantiation der Körper in ein Ganzes aus Schönheit und Funkti- es gibt natürlich auch Abspaltungen unter den Gläubigen, emo-
onalität. Ein gelungener Spielzug, ein gekonnter Doppelpass, tionale Ausreißer, Sektenbildungen.
ein begnadet vorgetragener Konter aus der Tiefe des Rau- Was in den Hochreligionen die Fundamentalisten, sind im
mes, das und vieles andere mehr erfüllt den Tatbestand des Fußball die Hooligans, also missbrauchte Begeisterung, fehl-
Wandlungswunders. geleitete Gewissensbildung, die sich in Gewalt, Hass und Selbst-
Durchschnittlich begabte Jungs zwischen 20 und 30 zerstörung ausdrückt. Aber ein wahrhaft Gläubiger der fairen
FOTO: PLAINPICTURE / LANGER, M.

Jahren werden durch Zeichen und Wunder zu Heiligen, Sorte beweist allwöchentlich seine vorbildliche Frömmigkeit:
zu Gesandten der Götter, zu Botschaftern eines Friedens, Denn in welcher Religion sonst würden die Menschen bei ka-
der höher ist als alle fußballerische Vernunft. Auch die- tastrophal schlechtem Wetter einer mittelmäßig kickenden
se Pseudoreligion hat Fest- und Feiertage, die die Jünger Mannschaft ohne Torerfolg zusehen und dafür auch noch Ein-
in Andacht, Gebet und Hoffnung versammeln: Welt- oder tritt zahlen? Kein Papst, kein Pastor, auch kein Charismatiker

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könnte sich solch einen miserablen Service leisten. Nun müsste eigentlich – theologisch korrekt – die Sünden-
Zur großen Verwunderung der Glaubenden dieser Gemein- lehre kommen, man müsste als protestantischer Prediger mit
de gibt es auch ungläubige Thomasse, Zweifler und Nörg- der Dauersorgenfalte in der Halskrause nun die kritischen, miss-
ler, zuerst natürlich und wie immer bei den Intellektuellen, die ratenen, gottfernen Seiten des Fußballs benennen. Und da gäbe
Skepsis zu ihrem Beruf machen und mit Ironie ihr Geld ver- es ja manches zu sagen: Man könnte über die gnadenlose Leis-
dienen. Aber dass es keinen Roman gibt wie „Die Suche nach tungsausbeutung von Körper, Kopf und Knorpel reden. Man
dem verlorenen Ball“ oder „Das Match ohne Eigenschaften“, könnte über die vollendete Kommerzialisierung des Ballsports
dies demonstriert letztlich die Niveaulosigkeit der schreiben- reden, über die Käuflichkeit eines jeden Menschen bis hin zum
den Zunft. Und der einzig vermeintlich große Fußballtext, Schiedsrichter, ab einer bestimmten Ablösesumme versteht sich.
Peter Handkes „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, il- Man könnte auch von dem totalen Besitzanspruch der Medien
lustriert auf seine Weise die tiefe Ahnungslosigkeit der klugen über diese nicht immer ausgereiften Jungstars reden, und man
Köpfe, denn natürlich hat nicht der Tormann, sondern der Schüt- könnte über den für eine freie Gesellschaft beschämenden mo-
ze die Angst vor dem Elfmeter. ralischen Druck reden, der auf den jungen Kickern lastet: Da hat
Schlimmer aber ist die andere Gruppe von Zweiflern, die doch einer von ihnen eine neue Freundin, das erfüllt fast den
sich zunehmend in Gestalt versprengter, fehlgeleiteter Männer Tatbestand des Landesverrates! Und die Wohlverhaltenserwar-
präsentiert. Denn das vermeintlich fußballschwache Geschlecht tung, die früher auf dem Lebenswandel der Pastoren ruhte, wird
findet ja mittlerweile schneller den Weg zur Weltmeisterschaft heute auf die Kicker projiziert: Nirgends sonst sind so junge Leu-
als die ebenso vermeintlichen Herren des Rasens. Im Blick auf te so früh so brav verheiratet wie hier.
die ungläubigen Geschlechtsgenossen muss man wohl die Kate- Aber all dies will ich nur andeuten, liebe Gemeinde, denn
gorie der Scham einführen: Denn solange es noch Männer gibt, wichtig ist mir die Erlösungslehre dieser vermeintlichen Religi-
die mit leicht entrüstetem Unterton mitten in einem Endspiel den on. Welche Verheißung, welchen Trost, welchen Segen bietet
Hinweis geben, von ihnen aus könne jeder der Jungs einen eige- sie? Ein kluger Kopf hat einmal geschrieben, Fußball sei „die
nen Ball haben, solange sollte man über die Wiedereinführung Inszenierung von Zufall in einem nicht zufälligen Rahmen“. Und
der Exkommunikation nachdenken. Denn an und für sich bie- darin ist das Spiel Spiegel und Abbild des wirklichen Lebens,
tet Fußball gerade den Männern Freiräume, die sie nach einer das wir alle kennen: Denn es geht in unserem Leben ja wirklich
Generation Feminismus nirgends sonst noch finden: Wo sonst nur zum Teil um Leistung, Kraft und Können. Gerade un-
darf ein Mann so unverblümt von Angriff und ter gleichstarken Bedingungen gewinnen keineswegs
Verteidigung, von Torjäger und Bomber immer die Besseren, sondern eher die Glücklicheren.
reden? Wo kann er so ungeniert schrei- Wahrlich nicht jeder Sieg einer Mannschaft ist verdient
en: „Schiebt das Ding doch rein!“? und erarbeitet, es gibt die schmerzhaftesten Pechsträh-
Und wo kann er noch öffentlich nen und die absurdesten Glücksfälle, die ein Spiel ent-
fachsimpeln über die Latte, scheiden. Und eben dies ist genauso wie im richtigen
die getroffen ist, oder über Leben: Viele Menschen haben Kraft und Können, Ver-
Ballack, der von hinten stand und Einsatzbereitschaft, aber dazu muss noch jenes
FOTOS: BONGARTS / GETTY IMAGES · PICTURE PRESS / DIGITAL VISION

gedeckt wird? Kurz: Nir- Quäntchen Glück kommen, das wir als Kinder den Schutzen-
gends sonst darf der geln zugetraut haben und das wir als Erwachsene hoffentlich
Mann so sexistisch und einem unerzwingbaren Segen zubilligen. Im Fußball inszeniert
militaristisch sein wie sich nicht der „Homo Faber“, der Machermensch, sondern der
beim Fußball. „Homo ludens“, der Spielermensch, und deswegen übt Fuß-
So weit zur ball ein in den rechten Umgang mit Glück und Segen. Und
Phänomenologie eben daran kann auch ein ansonsten kritischer christlicher
dieser Pseudo- Glauben anknüpfen. Denn allzu oft rechnen wir uns ja selbst
religion Fußball, jeden Erfolg zu, wir haben gewonnen, sagen wir, dabei hatten
liebe Gemeinde. wir doch nur Glück gehabt. Wir loben „unsere Jungs auf dem
Platze“, wir bewundern den Bundestrainer, wir klopfen uns auf

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die Schultern und halten uns und die Unseren für
bravouröse Kerle. Aber im Kern schmücken wir
uns immer auch mit geliehenen Federn, denn was
wie Leistung aussieht, ist oft nur blindes Glück,
und was wie Können auftritt, ist oft schadenfreies
Unvermögen. Da macht das Bekreuzigen, das man
bei manchen Spielern sieht nach einem gelunge-
nen Torschuss, schon mehr Sinn: als Zeichen des
Dankes, des Empfangens, als Schutzzeichen vor
dem ungedeckten Größenwahn, der alles Glück im
Spiel dem eigenen Konto ‚Können’ gutschreibt.
Und diese geistlich bescheidene Haltung der Leistung Doch hinter diesen beiden existentiellen Grunddimensionen,
gegenüber bewährt und bewahrheitet sich dort, wo dem Umgang mit Fluch und mit Segen, taucht beim Fußball
der Segen ausbleibt. Denn Fußball ist ja zugleich die als Drittes die symbolische Verdichtung einer grundsätzlichen
inszenierte Reduktion des Körpers auf atavistische Grob- Lebensverheißung auf, die uns aus dem Alltag reißt und uns
mechanik. Jede Hand kann sich sensibler und präziser befreit aus unserer durchrationalisierten Normalität. Denn das
bewegen als die Füße. Fußball lebt von der Benutzung der gibt es ja auch immer mal wieder: Innerhalb einer dichten
zweitbesten Möglichkeit; es ist so, als wenn Schnecken den Phase der Spielzeit – oft kurz vor dem Ende einer wichtigen
Sprint oder Elefanten Hochsprung zu ihrem Lieblingssport Partie – ist mehr über Glück und Angst, über Hoffnung und
auserwählten. Deswegen ist Fußball auch Erinnerung an die Verzweiflung, über Scheitern und Aufbruch erkennbar als
Grenzen des Menschen: an und für sich kann Fußball nur in manchen Lebensjahren zusammen genommen. In unserer
enttäuschen, Spieler sind „Heroen des Scheiterns“, Leute, die verwalteten Welt, in der die Existenzdimensionen oft nur noch
in aller Öffentlichkeit zu tun versuchen, was sie eigentlich nicht in dosierter Scheiblettenform dargereicht und alle Lebensa-
können, nämlich Meister der Materie, Beherrscher der Physik, benteuer locker vom gepolsterten Sessel aus wahrgenommen
Konkurrenten der Ballbeweglichkeit zu werden. So aber mu- werden können, hat ein gutes, spannendes Fußballspiel eine
tet der Fußball sich selbst und den Fans immer wieder die Dramatik, die uns daran erinnert, dass unser Leben eigentlich
Einübung ins Versagen zu. Die Grenzen, Unmöglichkeiten, weder langweilig noch rationalistisch gemeint ist.
Vergeblichkeiten sind – aufs Ganze eines Fußballspieles ge- Hier schlummert die letzte religiöse Tiefenschicht des
sehen – ungleich höher als das Gelingen und Können. Wenn Spieles, das Geheimnis des Fußballsportes: die wohl seltene,
unsere moderne Technik in Auto, Flugzeug und Fahrrad die aber doch immer wieder eintretende Epiphanie des Schönen
Fehlerquote aufweisen würde wie ein durchschnittliches Fuß- vor dem Hintergrund einer spielerischen Dramatik. Bei den
ballspiel, würden wir längst alle wieder zu Fuß gehen. Fuß- alten Griechen war Sport deswegen eine Form von Gottes-
ball übt daher ein in das Leiden und Mitleiden, in die Solida- dienst, eine Feierstunde der Schönheit in einer hässlichen Welt.
rität mit dem Scheitern, in die Niederlagenbewältigung und Und tatsächlich, dass unsere Welt Teil eines geschaffenen Kos-
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die Trauerarbeit als Grundform der Gemeindebeteiligung: mos ist und darin eine Mischung aus Ordnung, Schönheit und
Man weint und klagt, man zetert und schimpft, Fremde fallen Schmuck spiegelt, dass unsere rationalistisch leere und gna-
sich in die Arme und trösten sich, tapfer werden anfeuernde denlos leistungstaumelige Welt mitunter doch voller Sinn und
Siegesgesänge zelebriert, obwohl der Rückstand beträchtlich Schönheit, voller Glanz und Gelingen ist, das erahnen wir
ist. Wer mit seinem Lieblingsverein schon einmal in die 2. Liga manchmal, wenn wir einen faszinierenden Spielzug auf dem
abgestiegen ist, dem muss man nichts mehr erzählen von Ver- Rasen verfolgen. Große Fußballspiele erinnern daran, dass
zweiflung, Ohnmacht und Sinnleere, der hat eine lebenslan- die Frage nach Gott dort anfängt, wo ein gelungenes Fuß-
ge Vorstellung davon, was Spott, Angst und Hohn ist. Wenn ballspiel aufhört: bei dem Staunen darüber, dass es neben
irgendwo, dann wird beim Fußball die Erlösungsbedürftigkeit Zweck und Berechnung, neben Funktion und Verwaltung immer
auch des modernen Menschen regelmäßig erinnert, und das auch Schönheit und Kosmos gibt. Beides wird uns geschenkt,
ist nicht das Schlechteste an diesem Sport. auch wenn wir manchmal ganz schön dafür laufen müssen.

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3. Predigtentwurf Zuschauer beeinflusst auch die Leistungsfähigkeit der Spieler –
Glaube und Fußball und Freiheit und umgekehrt: Die Spieler beflügeln auch ihr Publikum. Eine
(Peter Steinacker) Mannschaft ist ein kompliziertes Gebilde. Wenn alles stimmt,
wenn die Mischung aus Konkurrenz und Gemeinschaft, aus
Zur Freiheit hat uns Christus befreit; darum steht fest und lasst Freiheit und Einordnung stimmt, dann geht ein Ruck durch die
euch nicht wieder unter das Joch der Knechtschaft bringen. Mannschaft, und plötzlich wachsen einer Mannschaft Kräf-
(Galater 5,1 – Monatsspruch Juni 2006) te zu, die man ihr nie zugetraut hätte. Im Fußball kann man
Es ist unter heutigen Bedingungen nicht leicht, den Menschen erleben, dass die einen die anderen mitreißen, ja man selber
unserer säkularen Gesellschaft mit Leben und Denken zu zei- plötzlich durch die Begeisterung der anderen mehr kann, als
gen, dass das Hauptmerkmal von uns Christinnen und Christen man gedacht hat, über sich hinauswächst. Aber dazu muss die
die Freiheit ist. Meistens meint man, Christsein würde einen eher Mischung eben stimmen. Jeder muss seine Individualität entfalten
am Leben hindern und einschränken, weil es von uns verlangt, können und doch sich selber einbinden in die Gemeinschaft der
sich mit Dingen zu befassen, die entweder völlig abwegig sind Mannschaft. Und die Mannschaft muss dem einzelnen Spieler
oder niemanden interessieren. Bestenfalls kann man dann Freiheiten einräumen, sonst passieren keine Überraschungen,
manchmal hören: Na, der christliche Glaube wolle einem doch und das Spiel wird monoton und langweilig. Wenn der eine
alles verbieten, was im Leben überhaupt Spaß macht. mal durchhängt, dann müssen die anderen eben für ihn mit
Aber Freiheit? Um zu erklären, was uns bewegt, wor- kämpfen, und das Mitkämpfen erträgt auch eine vorüber-
auf wir uns verlassen wollen im Leben und im Sterben, hat gehende Schwäche der anderen.
schon die Bibel, nämlich z. B. Paulus, Bilder aus dem Sport Es ist wichtig für ein Team: Nicht alle machen alles gleich.
gebraucht, und deshalb ist es vielleicht gar nicht so abwegig, Ein Abwehrspieler muss anders spielen als ein Stürmer. Der
wenn wir anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen frühere Libero muss einen völlig anderen Spielstil haben als
Land versuchen, am Beispiel des Fußballs ein wenig von dem der Spieler in der Spitze. Wenn ein Verteidiger plötzlich
zu vermitteln, was uns in Bezug auf die Freiheit wichtig ist. Torwart spielt, gibt es natürlich Elfmeter, weil er genau das
Welch eine Faszination geht vom Fußball aus: Das Spiel, Falsche macht, selbst wenn er genauso gut fangen kann oder
das runde Leder, die Atmosphäre, das Fairplay und das Foul, es könnte wie ein Torwart. Der Torwart braucht besondere Frei-
zieht Spieler, Trainer und Zuschauer in seinen Bann. Zum Fuß- heit, weil so viel Verantwortung auf ihm ruht. Nicht jeder braucht
ball gehört irgendwie, dass es einem in den Beinen zuckt, wenn alles zu können, aber alle zusammen: Sie müssen gewinnen
man einen Ball sieht. Als Spieler muss man hungrig nach dem oder auch verlieren können. Sie müssen und kön-
Ball sein, als Trainer sich immer neue Strategien, Taktiken aus- nen etwas bewegen, Siege, auch Niederlagen erleben
denken, um den Ball dahin zu befördern, wo er hin soll, nämlich und über beidem nicht zerbrechen, sondern zusammenhalten.
ins gegnerische Tor. Ein Spieler, der nicht (mehr) hungrig nach So geht es auch mit uns in der Gemeinde. Kein Christ lebt
dem Ball ist, braucht, das weiß jeder erfahrene Trainer, min- allein, fasziniert von Christus, nur seinem eigenen und nur sich
destens eine Pause, und er sitzt auf der Bank. selbst zugewandten Glauben, sondern Christus bindet uns
So, wie der Fußball von der Faszination lebt, die das runde zu-sammen. Beim Fußball sieht man die Verbindung durch die
Leder ausübt, so leben wir Christinnen und Christen von der gemeinsamen Farben, durch die gemeinsamen Trikots und die
Faszination, die von Jesus ausgeht. Denn in ihm stellen und gemeinsamen Lieder. Wir Christen und Christinnen sind ver-
FOTO: PLAINPICTURE / ALT-6 / JEAN-FRANCOIS GRATTON

lösen sich die Fragen, die wir so gern verdrängen, weil sie bunden durch die Taufe. Sie ist sozusagen unser Trikot, weil
uns vielleicht anstrengen, weil sie uns nicht passen und uns quer sie ein Geschehen ist, das mit Gottes Gabe der Freiheit von
kommen, nämlich die grundsätzlichen Fragen: „Wozu bin ich der Sünde an uns beginnt und dann die freie Antwort unseres
eigentlich auf der Welt und wohin geht die Reise?“ So, wie Lebens fordert. Auch bei uns besteht die fruchtbare Spannung
die Faszination des Fußballs glücklich und aufgeregt machen zwischen dem Einzelnen und der Gemeinde. Keiner von uns
kann, so macht es auch der Glaube. glaubt ganz gleich und wir haben alle unterschiedliche Gaben.
Jedoch: Fußball kann man nicht alleine spielen, Faszina- Aber alleine sind wir genauso verloren wie ein Fußballspieler,
tion hin oder her, Fußball geht nur mit mehreren. Es ist ein der keinen Halt und keine Verbindung zu seinen Nebenleuten
Gemeinschaftsspiel, ein Mannschaftsspiel, und die Menge der findet. Zusammen jedoch bekommen wir Flügel, können mit-

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einander weinen und lachen – zusammen leben, in Freiheit, welcher Bundesligaverein kommt heute ohne einen afrikanischen
aber eben nicht vereinsamt. Grund zur Traurigkeit gibt es ge- Spieler noch aus? Schon immer haben uns die Südländer und die
nug im Leben. Muss man nicht weinen, wenn Menschen wei- Brasilianer beflügelt und mit ihrer Ballbehandlung begeistert.
nen und sterben, wenn Ungerechtigkeit in der Welt Kinder ver- Wer bewundert nicht die Eleganz, mit der Farbige meist Fußball
hungern lässt, wenn Hass und Feindschaft dazu führen, dass spielen? So kann der Fußball Schranken zwischen Rassen und
Menschen einander abschlachten? Aber Gründe zur Heiterkeit, Völkern überspringen, und genau das kann auch unser Glaube.
Gelassenheit und Humor gibt es ja auch. Lachen vor Glück und Der Glaube ist wie der Fußball international und Jesus wird
über komische Situationen, lachen darüber, dass das Leben ge- verraten, wo man Schranken der Rasse, des Geschlechts oder
lingt, sich freuen, wenn junge Menschen in Freiheit aufwachsen der Nation aufrichtet, um andere zu benachteiligen und zu
und das Glück der anderen in die eigene Lebenssehnsucht inte- diskriminieren. Die Freiheit, die Christus schenkt, ist universal,
grieren. Wenn Alte nicht resignieren und ohne Bitterkeit auf ihr rückt alle diese Unterschiede ins zweite Glied. Gerade darum
Leben zurückblicken. Damit eine Gemeinde leben kann, muss können wir Christen Parolen gegen Ausländer so schwer er-
auch die Mischung stimmen, so wie in einer Fußballmannschaft. tragen, auch wenn wir die Probleme, die manchmal entstehen,
Eigene Freiheit und die Freiheit des anderen achten, weil er ja genau sehen. Die Gemeinschaft der Kirche eint alle Menschen
auch von Christus gerufen ist, das macht den Duft und die At- im Blick auf einen Christus. In den Stadien konnte und kann
mosphäre einer Gemeinde aus. Dies spürt man in den Gottes- man schlimme Parolen gegen farbige Spieler hören, bei uns
diensten einer Gemeinde. und auch in anderen europäischen Ländern. So genannte
Die Faszination des Fußballs umfasst auch verschiedene „Fans“ benutzen den Fußball als Ventil für ihre Brutalität. Ras-
Rassen und Völker. In allen Erdteilen wird Fußball gespielt. sismus und Nationalismus toben sich aus, Ausländerfeindschaft
Auch wenn bisweilen diese auf Nationalitäten bezogene Struk- sucht sich ein Ventil. Wirkliche Fans und wir Christen können
tur des Fußballs zu furchtbaren Ausschreitungen führt, ist es zusammenstehen und solchen Tendenzen widerstehen.
z. B. bei der vergangenen Fußball-Weltmeisterschaft in Japan und Aber auch wir sind belastet. Durch unsere Geschichte, durch
Korea – zwei früher stark verfeindeten Ländern! – gelungen, die Geschichte der Kirche, zieht sich der Rassismus, ziehen sich
ohne die in manchen europäischen Ländern üblichen Schlägerei- Kriege und Ausbeutung von Schwachen. Aber im Gegensatz zu
en und Verwüstungen auszukommen. Es geht auch ohne Gewalt. den Hooligans tut uns das Leid, und wir sehen unsere Schuld,
Und wer von uns ist nicht entzückt, wenn die Spieler einer Mann- wollen uns ändern und haben uns geändert. Freiheit heißt auch,
schaft aus einem Land, in dem der Fußball noch nicht die Tradi- sich ändern zu können. Für diese Änderung haben wir Vorbilder
tion hat wie bei uns, auf einmal aufspielen wie die „Löwen“ aus – so wie im Fußball. Vorbilder, die die jüngeren Generationen
Kamerun bei der WM 1990 in Italien oder die Koreaner bei der prägen: Unsere Vorbilder in neuerer Zeit heißen Martin Luther
WM 2002 und auch bisweilen die Chinesen. In meiner Jugend King, Mutter Teresa, Dietrich Bonhoeffer und andere.
hat man noch behauptet, Fußball sei kein Sport für Afrikaner – Zum Fußball gehört auch das Foulspiel. Jedem unterläuft
es, jeder macht es auch einmal bewusst. Dieses Foulspiel heißt
im Christsein Sünde. Dieser theologische Begriff ist sogar in die
FOTOS: DPA · DAVID BURNETT / CONTACT PRESS IMAGES / AGENTUR FOCUS

Fußballsprache übergegangen und darin lebendig. Jeder weiß,


was ein „Gelb- oder Rot-Sünder“ ist. Am Fußballspiel und seinem
Foulspiel, das auch dem fairsten Spieler unterläuft, kann man
wie bei uns im Christsein lernen, dass Fehlermachen zum Leben
gehört, selbst wenn es keiner will. Fairness in diesem Sinne ist
auch ein Akt der Freiheit, dass man eben ein Foulspiel nicht nötig
hat. Gleichwohl wird es uns immer wieder auch unterlaufen. In
unserem Glauben ist es so, dass Christus uns in die Freiheit ruft,
in die Freiheit auch von neuen Fehlern. Gott liebt dich so, wie du
bist, du kannst ihm alles sagen, auch das, was du falsch gemacht
hast. Er befreit dich von deiner Gier nach Leben, die andere
einfach fertig macht, von deinem unstillbaren Drang, dich nur

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alleine durchzusetzen, ohne Rücksicht auf die anderen. Er nimmt
dir auch die Angst vor dem Versagen, er sagt dir, wo du ge-
braucht wirst und was wichtig ist in deinem Leben. Das wissen
wir. Zu diesem Leben, in das er uns ruft, gehören Fehler eben
dazu. Es kommt aber darauf an, wie man damit umgeht. Sich
selber eingestehen zu können, dass man etwas falsch gemacht
hat – das ist ein Ausdruck menschlicher Reife. Dass man zum Foul
auch stehen kann, ohne zu versuchen es zu vertuschen – das ist
ein Ausdruck spielerischer Reife und fußballerischen Könnens.
Ich habe ein Anliegen, das mir, je älter ich werde, umso
wichtiger wird: So viele, auch prominente Fußballer stehen
einfach nicht mehr dazu, dass sie ein Foul begangen haben.
Ein Gegner wird rücksichtslos umgemäht, krümmt sich vor
Schmerzen, und der Foulspieler breitet unschuldig die Arme
aus, so, als habe er doch gar nichts gemacht. Diese unfaire Hal-
tung ist nicht nur so unsportlich, weil sie die anderen verletzen
kann, sondern weil sie nicht bereit ist, Schuld zu übernehmen.
„Fußball bedeutet
Weil auch ihre Vorbilder so handeln, machen das schon die
jungen Spieler nach, treten und tun so, als hätten sie es nicht
Freiheit“
getan. Dabei ist ganz klar, dass die wirklich Großen des Fuß- Bob Marley, Reggaemusiker
balls so etwas nie nötig hatten. Habt also auch im Fußball
die Freiheit zur Fairness, so wie wir von Christus die Freiheit abschlaffen zu lassen. Nein, das Spiel ist begrenzt wie das
bekommen, zu unserer Schuld zu stehen! Leben, beide sind endlich. Der Schiedsrichter pfeift und das
Das Leben ist nicht immer schön, es gibt Konflikte Spiel ist aus. Was danach kommt, das hängt auch davon ab,
und oft sind wir auch Verlierer. Ich finde Menschen, die nicht was im Spiel geschehen ist. Insofern wirkt das Spiel über sich
verlieren können, immer ein wenig bedrohlich. Die Einsicht, selbst hinaus. Hat jeder sein Bestes gegeben, dann wirft einen
dass man nicht immer gewinnen kann, gehört zur Reife eines eine Niederlage nicht um, im Gegenteil. Wenn alle schlecht
Menschen. Beim Fußball kann man diesen Reifeprozess waren, sind alle unzufrieden. Manchmal gibt es auch Streit,
spielerisch durchmachen. Keine Mannschaft kann immer gewin- wenn der eine nicht das gegeben hat, was er eigentlich hätte
nen, und es gibt Niederlagen, die man nicht vergisst. Der Trai- geben können.
ner der ungarischen Supermannschaft von 1954 hat noch auf Aber einmal dann pfeift der große Schiedsrichter, der Herr
dem Totenbett über das Endspiel in Bern gesagt: „Wir haben über Leben und Tod, für jeden von uns das „Spiel“, unser Leben,
verloren!“ Aber auch in der Niederlage zusammenzustehen ab. Hier treten dann Spiel und Ernst des Lebens, also auch Fuß-
FOTOS: DPA · DAVID BURNETT / CONTACT PRESS IMAGES / AGENTUR FOCUS

und nicht unterzugehen – hat es nicht als Hintergrund die re- ball und unser Glaube und seine Freiheit auseinander. Denn
formatorische Einsicht von der Trennung zwischen Person und egal, ob du ein Superspieler warst oder nicht, ob du ein Erfolgs-
Werk? Ist nicht der Wille, unbedingt gewinnen zu wollen, dann trainer warst oder nicht, ob du ein guter Pfarrer warst oder nicht,
gutzuheißen, wenn er mit der Freiheit verbunden ist, auch in hier wird aus dem Auf und Ab des Lebens, das auch ein Spiel
der Niederlage nicht zerstört zu werden? ist, der unwiderrufliche Ernst. Jesus möchte auch diesen Ernst
Ist nicht mancher Sieg in die vermeintliche Niederlage ver- mit uns teilen. Die Freiheit, in die er uns ruft, ist auch die Freiheit
woben – so wie das Kreuz unseres Herrn eben Niederlage vom Tod, denn da, wo Gott wirklich ist, da hat der Tod
und Sieg miteinander verknüpft? seine Macht verloren, auch wenn immer noch gestorben wird.
Schließlich, zum Schluss muss gesagt werden, dass nach Gebe uns Gott, dass wir in seinem Herzen geborgen sind,
den Regeln jedes Spiel einmal ein Ende nimmt. Die Weisheit dann, wenn es so weit ist, und von dieser Gewissheit lasst
Sepp Herbergers: „Ein Spiel dauert 90 Minuten“, hat nicht uns leben auf dem grünen Rasen und auf der schönen und
nur die Absicht, Motivation und Ehrgeiz nicht vorschnell schwierigen Erde!

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4. Predigtentwurf es noch? Erreichen wir noch unser eigenes Herz, dieses real-
Mut finden symbolische Zentrum unserer Lebensbewegung? Versuchen
(Alfred Buß) wir es einmal.
Was berührt mein Herz? Was hält es besetzt? Was dringt
Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie. da heran aus Freundschaft, Familie, Beruf? Aus Kirche, Gesell-
Saget den verzagten Herzen: Seid getrost, fürchtet euch nicht. schaft und Sport? Wer oder was beansprucht zu viel Platz in
Seht, da ist euer Gott. (Jesaja 35,3 f.) meinem Herzen? Wer oder was bekommt zu wenig Raum?
Die Zeit der großen Vision sei vorbei, heißt es. Pragmatis- Was sollte besser draußen – vor der Herzenstür – bleiben?
mus scheint angesagt. Auf dem Boden der Tatsachen bleiben, Was kann nicht eindringen? Was nimmt mein Herz sich nicht
nüchtern rechnen, statt großen Träumen zu folgen. Zählen statt zu Herzen? Was erfüllt mein Herz? Was scheucht es auf?
erzählen. Zögerlich, halbherzig, blass erleben wir Fußball wie Was macht es gleichgültig und leer? Ist es heute ganz hier?
Politik und Kirche in Deutschland – ohne Vision. Die so ge- Ist es gleich wieder ganz auf dem Platz?
nannten deutschen Tugenden – Kampfkraft, Einsatz, Grät- Ich wüsste gern mehr von den zerbrochenen Träumen der
schen bis zur letzten Sekunde, Siegeswillen, handwerkliche Herzverscheuchten damals, heimgekehrt aus dem babylonischen
Solidität – scheinen nicht mehr zum gewohnten Erfolg zu Exil. Welche Wünsche und Träume hatten sie mitgebracht?
führen. In Politik und Kirche erschrecken wir über das Ausmaß Waren es erwachsene Hoffnungsbilder oder Schlaraffenland-
des demographischen Wandels, realisieren erst nach und Illusionen? Unser Text schweigt dazu. Aber er setzt angesichts
nach, welche Folgen diese Entwicklung für das Zusammenle- von Desillusionierung, Resignation und Apathie weder auf
ben im Land und das Gestalten in Gemeinden und Kirchen- Kopfhoch-Appelle noch auf nüchternen Pragmatismus nach
kreisen haben wird. Der Grauschleier lähmt. Uns fehlt der dem Motto: So isset eben.
Mut zum großen Wurf, wir sind ohne Courage, aber voller Lar- Er singt ein altes Hoffnungslied. Warum singt er dieses Lied?
moyanz. Schlaffe Hände, wankende Knie, wo wir hinschauen. Es sind wohl weit weniger die Tatsachen, die unsere Wirklichkeit
Fußballexperten pflegen zu sagen, ein Spiel werde im Kopf bestimmen, als die Bedeutung, die das Herz ihnen gibt. Erst
entschieden. Wer mental nicht gut drauf sei, dem nütze auch durch die Bedeutung, die das Herz ihnen gibt, werden sie zur
keine körperliche Fitness. Ich ahne, was uns da nahe gebracht bestimmenden Wirklichkeit. Erlöst von lähmender Verzagtheit,
werden soll, habe aber Schwierigkeiten mit der Metapher Kopf. bekommt das Herz Flügel . . .
Ich kann ja im Kopf völlig klar sein, das Spielsystem, die Taktik Darum erhielten wir bei der Konsultation zum Reform-
des Trainers, Spieleröffnungen ganz genau verstanden, ja prozess der westfälischen „Kirche mit Zukunft“ vor zwei Jahren den
internalisiert haben und bekomme trotzdem nichts gebacken. Rat des Konstrukteurs der Brücke von San Francisco:
Müde Hände, wankende Knie. Und spüre: Meinen Mitspielern Macht keine kleinen Pläne . . . Hoffnungslieder singen vom
geht’s genauso. Eins greift nicht ins andere, eine lähmende Kommen Gottes. Es ist ein Neuwerden der Sinne, wenn
Spirale zieht die ganze Mannschaft nach unten. Und nach dem Gott kommt. Dann werden die Augen der Blinden aufgetan
Spiel soll – der Körper ist noch völlig außer Atem – der Kopf und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann werden die
erklären, woran es gelegen hat, etwa von der Güte: Ja, eeeh, Lahmen springen wie ein Hirsch und die Zunge der Stummen
wir haben alles versucht, eeeh, nichts unversucht gelassen, eeh, wird frohlocken (Jesaja 35,5 f.). Alles kommt in Bewegung.
der Gegner hat die Räume eng gemacht, eeh, so dass wir nicht Lebendigkeit sprudelt und prickelt in allen Sinnen . . .
zu unserem Spiel kamen. Wir hatten uns, eeeeh, viel vorge- Dank solcher Propheten, die mitten in den Mühen
nommen. Leider hat’s, eeh, nicht geklappt. Alles andere müssen der Ebene Hoffnungslieder neu singen, hat die Hoffnung
Sie, eeh, den Trainer fragen. Was soll sein Kopf auch sagen. Enttäuschungen immer wieder überlebt.
FOTO: PLAINPICTURE / SCHNEIDER, R.

Der Kopf weiß doch gar nicht, woran es gelegen hat. Wer hofft, sieht hin, hat Elie Wiesel einmal formuliert und
Erschlaffte Hände, wankende Knie, saget den verzag- hinzugefügt: Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht Verzweif-
ten Herzen . . . Buber/Rosenzweig übersetzen: Sprecht zu lung, sondern Gleichgültigkeit. Sprachbilder, Metaphern gegen
den Herzverscheuchten. Geht’s nicht um viel mehr als um den Gleichgültigkeit und Resignation eröffnen einen Raum, in dem sich
Kopf – geht’s nicht um das Herz? Haben wir verzagte, ver- Perspektiven eröffnen. Metaphern und Träume führen in neues
scheuchte Herzen? Wissen wir das überhaupt? Merken wir Land, manchmal bringen sie uns nach Haus.

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Im heutigen Athen, so habe ich gehört, heißen die kommu- erzählen, gerade wir Pfarrerinnen und Pfarrer, von erschlafften
nalen Verkehrsmittel Metaphern. Um zur Arbeit zu fahren Händen, die wieder Leben fassten, und von wankenden Knien,
oder nach Hause zurückzukehren, nimmt man eine Metapher, die wieder Halt bekamen, wie viele . . .
einen Bus oder einen Zug. Jeden Tag durchqueren und orga- Seht, da ist euer Gott. Du bist nicht allein auf der Strecke.
nisieren die Metaphern die Orte und verbinden sie und die Schau hin, die Quelle des Lebens sprudelt immer wieder her-
Menschen miteinander, überwinden Wegstrecken und eröffnen vor, befreit dich zu neuer Wahrnehmung, macht dich beweg-
Perspektiven. Neuerdings wohl auch im Fußball . . . (Europa- lich, löst dich aus der Erstarrung.
meister Griechenland 2004!) Die Welt erscheint in einem neuen Licht. Es liegt nicht
Wie ein Traumweg verbindet Jesaja 35 zerstörte Vergan- alles an dir. Seht da, euer Gott. Macht keine kleinen Pläne.
genheit mit befreiter Zukunft. Es ist ein Gegentraum gegen er- Der große Gott will zu tun haben mit deiner kleinen Geschichte.
fahrene Realität. In der Hoffnung der Wegträume und Traum- Der Herzverscheuchte zweifelt: Ist das nicht alles eine Illusion?
wege von Jesaja 35 meldet sich das reale Leid derer, die dem Als gebürtiger Ostfriese kenne ich den Blick aufs Meer aus
Elend – das ist das alte deutsche Wort für Exil – einstweilen nur Sommertagen. Wenn ich am Strand stehe und der Sonne
im Traum zu entrinnen vermögen. In der Sehnsucht gewinnt nachblicke, dann läuft der Lichtweg, den sie übers Wasser
der Schmerz Konturen. Schmerz und Sehnsucht sind die Eltern aussendet, geradewegs auf mich zu. Der Lichtweg, dem das
der Utopie. Warum ist es denn nicht so, wie es sein soll, sein Meer ein Bett bereitet, kommt mir in einer geraden Linie ent-
kann? Die Gewissheit, dass das, was ist, nicht alles ist, nimmt gegen, nur mir. Welch ein Glück, dass ich auf der Sonnenseite
dem, was ist, nichts von seiner Realität. Aber die Gewissheit, stehe, denke ich für einen Moment. Aber dann wird mir klar:
dass das, was ist, nicht alles ist, nimmt dem, was ist, den Cha- Jeder, der, von wo auch immer, die auf- oder untergehende
rakter des unausweichlichen Schicksals. Sonne beobachtet, hat solch einen Lichtweg, der geradewegs
Die Hoffnungsbilder sind bis heute nicht einfach greifbar über das Meer auf ihn zuläuft. Die Quelle des Lichtwegs ver-
umgesetzt in Realität. Und doch sind die Hoffnungsbilder ge- zehrt sich nicht. Sie will zu allen kommen. Davon ist keiner
blieben, was sie von Anfang an waren: befreiende Erzählun- ausgeschlossen, der sich dafür öffnet. Macht keine kleinen
gen in düsterer Wirklichkeit. Wie viele Geschichten können wir Pläne. Seht, da ist euer Gott.
FOTO: PLAINPICTURE / SCHNEIDER, R.

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5. Weitere Möglichkeiten 20 Nun aber sind es viele Spieler, aber die Mannschaft ist eine.
21 Die Nr. 10 kann nicht sagen zum Stürmer: Ich brauche
Spannend könnten Predigten über „Fußball-Hits“ (We are the dich nicht; oder auch der Mittelstürmer zu den Verteidigern:
champions, You’ll never walk alone , Fußball ist unser Leben
9
Ich brauche euch nicht.
etc.) sein, vor allem bei Zielgruppen-Gottesdiensten oder bei 22 Vielmehr sind die Spieler der Mannschaft, die uns die
Gottesdiensten an ungewöhnlichen Orten.10 Eine gelungene schwächsten zu sein scheinen, die nötigsten;
Symbol-Predigt zum „Ball“ für einen Konfirmationsgottesdienst 23 und die uns am wenigsten glanzvoll zu sein scheinen,
liegt bereits vor. 11
die bekleiden wir mit einem besonderen Trikot; und bei den
unfairen achten wir besonders auf Fairness;
9 Bausteine dazu finden sich im Info-Heft zum Medienpaket „Fair spielen –
Fair handeln“, S. 22 – 29. 24 denn die fairen brauchen’s nicht. Aber der Trainer hat
10 Vgl. auch den Entwurf „Der Ball ist rund und fair“, in: Fair spielen – Fair
handeln, S. 30 – 32. die Mannschaft zusammengestellt und dem unscheinbareren
11 Eckhard Langner, Predigt zur Konfirmation. Was ein Fußball uns zu sagen
hat, in C. Möller / H.-G. Ulrichs (Hg.), Fußball und Kirche, a. a. O., Spieler höheres Ansehen gegeben,
S. 77 – 80.
25 damit in der Mannschaft keine Streitigkeiten seien, son-
dern die Spieler in gleicher Weise füreinander spielen.
26 Wenn ein Spieler leidet, so leiden alle Spieler mit, und
Mögliche (alternative) Predigttexte
wenn ein Spieler geehrt wird, so freuen sich alle Spieler mit.
1. Korinther 9,25–27; 1. Korinther 12; Philipper 3,7–14;
27 Ihr aber seid die Mannschaft des Trainers und jeder von
2. Timotheus 4,7–8.
euch ist einer seiner Spieler.
Hans-Georg Ulrichs 12
6. Liturgische Bausteine
6.1. Textübertragungen 12 Eine Predigt zu dieser Übertragung: Hans-Georg Ulrichs, „Mensch, Aki,
spiel ab!“, in: Kasualblätter. Praxishilfe für den seelsorgerlichen Alltag,
herausgegeben von Pfarrer Gerhard Engelsberger, Lieferung IV/2000,
Sonstiges Nr. 23, Stuttgart 2000.
Ein Team (nach 1. Korinther 12)
12 Wie die Mannschaft eine ist und doch viele Spieler hat,
alle Spieler der Mannschaft aber, obwohl sie viele sind, doch Preis der Fairness (nach 1. Korinther 13)
eine Mannschaft sind: so auch wir. Wenn ich um den höchsten Sporttitel kämpfte,
13 Denn wir sind durch einen Teamgeist alle zu einer und meine ganze Energie
Mannschaft verbunden, wir seien Einheimische oder Zuge- für den Sieg einsetzte,
reiste, Arme oder Reiche, und wir sind alle von einem Team- und da wäre kein Mensch, der mich liebt,
geist durchdrungen. und keiner, den ich liebe,
14 Denn auch die Mannschaft ist nicht ein Spieler, sondern viele. dann wäre ich nur ein funktionierendes Muskelpaket,
15 Wenn aber der Verteidiger spräche: Ich bin kein Stürmer, ein Sportroboter.
darum bin ich nicht Spieler der Mannschaft, sollte er
deshalb nicht Spieler der Mannschaft sein? Wenn ich alles Denken und Tun
16 Und wenn der Vorstopper spräche: Ich bin nicht der nur auf den Sport ausrichten würde,
Spielmacher mit der Nr. 10, darum bin ich nicht Spieler also der Leibesübung
der Mannschaft, sollte er deshalb nicht Spieler der Mann- mein ganzes Leben opferte,
schaft sein? und es wäre nirgendwo Liebe im Spiel,
17 Wenn die ganze Mannschaft Spielmacher wäre, wo was sollte mir das alles nützen?
bliebe dann der Vorstopper? Wenn sie aber ganz Vor-
FOTO: PLAINPICTURE / RIETSCHEL, S.

stopper wäre, wo bliebe dann der Torwart? Wenn ich die perfektesten Spielregeln beachtete,
18 Nun aber hat der Trainer die Spieler eingesetzt, einen die Fehlerquellen für Unparteiische
jeden von ihnen in der Mannschaft, so wie er gewollt hat. durch perfekte Technik beseitigte,
19 Wenn aber alle Spieler ein Spieler wären, wo bliebe wenn ich mich stets für Gesundheit
die Mannschaft? und Wohl aller im Spiel einsetzte,

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und ich gäbe keine Liebe her, Seligpreisungen

dann wäre alles vergebens. Glücklich,


Wenn alle Athleten und Mannschaften wer seinen Sieg dankbar feiert,
endlich mit den Regeln statt gegen sie anträten, ihn annimmt wie ein Geschenk.
und wenn sie auf Fouls, Täuschungen und Lüge verzichteten, Glücklich,
und es wäre keine Liebe in den Menschen, wer verlieren kann,
dann brächte aller guter Wille zum Fairplay nichts. ohne den Kopf zu verlieren.
Und wenn wir uns darauf verlassen könnten, Glücklich,
dass alle Sportler und Schiedsrichter ihr Bestes dafür geben, wer in Sport und Spiel Freiheit spürt.
dass es den Siegern und Verlierern gut geht, Glücklich,
sie unabhängig vom Resultat akzeptiert werden wer sich ganz einsetzen kann,
und immer wieder antreten können, ohne sich im Ehrgeiz zu verzehren.
und gäbe Gott Akteuren und Zuschauern Glücklich,
keine Liebe ins Herz, wer ein gutes Team erlebt –
ein solcher Sport wäre kein Segen. beim Spiel und im Leben.
Glücklich,
Ich brauche also Kondition wer im anderen immer den Menschen sieht,
zu jedem fairen Wettkampf, nicht nur den Gegner.
Glaube, Hoffnung und Liebe. Glücklich,
Die Liebe ist dabei aber das Größte. wer sich erholen kann bei Sport und Spiel.
Heinz Schindler 13
Glücklich,
wer beim Training des Körpers

13 In: FAIR spielen – FAIR handeln, S. 23.


die Seele nicht vergisst.
Glücklich,
wer mit Körper und Seele
Gott, den Schöpfer, lobt.
M. Bender 14

14 In: FAIR spielen – FAIR handeln, S. 23 (hier gekürzt).


FOTO: PLAINPICTURE / RIETSCHEL, S.

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6.2. Gebete Gott, wir danken Dir für den Sport
Guter Gott,
Psalm (als Eingangsgebet des Gottesdienstes) es sind nicht immer nur die großen und tiefen
Danket dem Herrn und rufet an seinen Namen; Probleme des Lebens,
verkündigt sein Tun unter den Völkern! die uns bewegen.
Singet und spielet ihm, In diesen Tagen denken viele von uns
redet von seinen Wundern! vor allem an die Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft.
Rühmet seinen heiligen Namen; Wir genießen die Spannung beim Zuschauen,
es freue sich das Herz derer, die Begeisterung beim Siegen,
die den Herrn suchen! und wir sind gerührt von den Tränen der Verlierer.
Psalm 105,1–3 Hilf, dass die weltweite Übertragung der Wettkämpfe
uns auch weltweit miteinander verbindet;
Für den Eingangsteil eines Gottesdienstes sind dass die sportlichen Begegnungen dazu beitragen,
ebenfalls geeignet: Vorurteile zu überwinden
Psalm 24 Die Erde ist des Herrn | 33 Die Erde ist voll der und Verhärtungen im Verhältnis der Völker aufzulösen.
Güte des Herrn | 47 Gott regiert über die ganze Erde | Verhindere, dass aus der Trauer über Niederlagen
66 Alle Lande sollen Gott loben | 67 Die Völker danken Aggression wächst.
Gott | 96 Singt dem Herrn, alle Welt | 100 Jauchzt dem Gott, Dir sei gedankt,
Herrn, alle Welt | 150 Lobe den Herrn dass uns aus so vielen Ereignissen Lebensfreude zuwächst.
Dir sei heute einmal für den Sport gedankt.
Ein afrikanisches Fußball-Gebet Amen. 16
Jetzt wollen wir unseren Körper bewegen.
Wir wollen Fußball spielen. 16 In: Reformierte Liturgie. Gebete und Ordnungen für die unter dem Wort
versammelte Gemeinde, Wuppertal/Neukirchen 1999, S. 270 f.
Behüte uns vor Unfall und Gefahr,
gnädiger Gott.
Gib uns genug Luft in die Lungen
und lass uns nicht herumschreien,
wenn einer mal nicht so spielt,
wie er eigentlich spielen sollte.
Lass uns nicht für uns spielen,
sondern für unsere Mannschaft.
Lass uns fair spielen,
lass uns fair spielen,
lass uns fair spielen.
Wir bitten Dich besonders darum,
das ist so schwer.
Lass uns so spielen,
dass Dein Name
und Deine Ehre
und Deine Güte
FOTO: PLAINPICTURE / KLAMMT, A.

durch dieses Spiel gepriesen werden.


Amen. 15

15 In: Fritz Pawelzik (Hg.), Ich liege auf meiner Matte


und bete. Afrikanische Gebete, Wuppertal 3.Auflage 1962,
S. 32 (hier gekürzt wiedergegeben).

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Gott, hilf uns zu einem fairen Leben Fürbittengebet
Herr, unser Gott, a) vor und während der WM
das Leben kommt uns oft wie ein großes Spiel vor: Herr, unser Gott!
Da suchen viele von uns nach den Spielregeln, Du weißt um die Schicksale, die mit dem
mit denen das Spiel des Lebens sinnvoll ist und Spaß macht. Fußball verbunden sind.
Hilf uns, Deine Gebote als die guten Regeln des Lebens Wir bitten Dich für alle die,
zu begreifen. die frustriert und enttäuscht sind.
Hilf uns, mit diesen Regeln das Leben zu bestehen. Wir bitten Dich für die Spieler,
die durch Fehler zum Misserfolg ihrer Mannschaft
Viele von uns suchen in dem Spiel des Lebens nach dem Tor. beigetragen haben,
Sie wissen nicht mehr, was das Ziel sein könnte. lass sie nicht verzweifeln und
Hilf uns, einander Dein Reich, Deine neue Welt als das nicht angefeindet werden,
größte Ziel nahe zu bringen. sondern lass sie erfahren,
Hilf uns zu begreifen, dass durch Deine Liebe das Tor zum dass ihr Wert nicht von ihrem Erfolg abhängt.
Leben für alle offen ist. Wir bitten Dich für das nächste Spiel:
Lass die Provokation und Brutalität auf dem Platz
Herr, unser Gott, nicht überhand nehmen,
alle von uns foulen in dem Spiel des Lebens, lass die Männer einander nicht kränken und verletzen,
ob willentlich oder einfach so im Eifer. sondern schenk ihnen,
Lass uns miteinander gute Schiedsrichter sein, dass sie einander auch nach dem Spiel
dass wir Fouls anzeigen und pfeifen. noch in die Augen sehen können
Lass uns selbst die eigenen Fouls einsehen und bereuen. und mit einem guten Gewissen heimfahren können,
Lass uns aber auch Verständnis und Vergebung aufbringen, ob sie nun gewonnen oder verloren haben.
wenn wir gefoult werden. Hilf den Profi-Fußballern,
dass ihre Seele am schnellen Auf und Ab von Ruhm und
Lieber Gott, Reichtum keinen Schaden nimmt und ihre Familien daran
in unsere Welt hast Du Deinen Sohn Jesus aufgestellt. nicht zerbrechen.
Er hat uns gezeigt, wie ein faires und erfolgreiches,
ein segensreiches und erfülltes Spiel funktioniert. b) am Ende der WM
Lass uns auf seine Ratschläge hören und seinem Wenn nun dieses große Fußballturnier zu Ende ist,
Mannschaftsgeist folgen. dann lass alle, die Spieler, die Betreuer, die Fans,
die Journalisten,
Lieber Gott, alle, die sich auf den weiten Weg gemacht haben,
von Dir haben wir die Verheißung, sicher nach Hause zurückkehren.
dass durch die Taufe alle von uns einen Platz in der Halte deine schützende Hand über die,
Mannschaft Jesu haben. die nach dem Spiel ihren Freudentaumel ausleben werden.
Wir dürfen und sollen alle mitspielen auf Gottes neue Welt hin. Halte sie vom Alkohol fern, wenn sie sich in ihre Autos setzen.
Keiner ist zweitrangig. Den Gewaltbereiten impfe deinen Frieden ein.
Wir alle sollen aufsteigen. Wir bitten dich für unser Land,
Lass uns dieser Verheißung folgen und aus ihr die dass wir die schöne Zeit,
FOTO: PLAINPICTURE / KLAMMT, A.

Motivation für ein gutes und faires Spiel finden. Amen. 17


in der die Welt zu Gast bei uns, bei Freunden war,
nutzen können als einen Meilenstein
17 Nach einem Fürbittengebet von Johannes Barth. für ein brüderliches Miteinander zwischen
Einwanderern und Deutschen.

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Segensworte 6.3. Lieder

„Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch und be- Die Lieder in den Gottesdiensten anlässlich der WM sollten
wahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig naheliegende Themen wie Schöpfungslob, Frieden unter den
für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.“ Völkern, Bitte um Segen u. a. aufgreifen.
(1. Thessalonicher 5,23)
Aus dem Evangelischen Gesangbuch:
„Geht mit der Kraft,
Schmückt das Fest mit Maien | EG 135
die euch aus der Botschaft
Laudate omnes gentes | EG 181.6
unseres Gottes zuteil wurde.
Sonne der Gerechtigkeit | EG 263
Geht mit der Erkenntnis,
Ich lobe meinen Gott | EG 272
dass alle auf dem Spielfeld Gottes
Nun jauchzt dem Herren, alle Welt | EG 288
ihre Rolle spielen.
Lobe den Herren | EG 316 (v. a. mit den
Geht in dem Vertrauen,
fremdsprachigen Strophen)
dass vor Gott
Nun lasst uns Gott dem Herren | EG 320
jedes Lebensspiel gelingen kann.“ 18
Lobet und preiset, ihr Völker, den Herrn | EG 337
Vertraut den neuen Wegen | EG 395
Liturgische Texte und Anregungen für Gottesdienste,
FOTOS: PLAINPICTURE / B.O. A. · HEXX

Es wird sein in den letzten Tagen | EG 426


die die weltweite Ökumene bedenken, finden sich in:
Komm in unsre stolze Welt | EG 428
Sinfonia Oecumenica. Feiern mit den Kirchen der Welt,
Gott gab uns Atem | EG 432
Gütersloh/Basel 2. Auflage 1999 (alle Texte in Englisch,
Hevenu schalom alejchem | EG 433
Deutsch, Französisch und Spanisch).
Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht | EG 506
18 In: FAIR spielen – FAIR handeln, S. 24.

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Aus landeskirchlichen Anhängen Du bist da, wo Menschen leben
und anderen Liedsammlungen: Steh auf, bewege dich!
Ausgang und Eingang, Anfang und Ende Masithi Amen
Jeder Teil dieser Erde Cantai ao Senhor / Singt Gott, unserm Herrn
Freut Euch, wir sind Gottes Volk Segne uns, dass wir ein Segen sind
Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer Thuma mina
Du hast vereint in allen Zonen We shall overcome
Damit aus Fremden Freunde werden
Unser Leben sei ein Fest Besonders für Kinder:
Preisen lasst uns Gott, den Herrn Schwarze, Weiße, Rote, Gelbe, Gott hat sie alle lieb
Der Himmel geht über allen auf Ja, Gott hat alle Kinder lieb, jedes Kind in jedem Land
He’s got the whole world in his hands Alle Kinder dieser Erde
Die Völker spielen Völkerball Kindermutmachlied
Ich sing Dir mein Lied Wir singen vor Freude

„ Fußball ist Fußball“


Vujadin Boskov, Fußballtrainer
FOTOS: PLAINPICTURE / B.O. A. · HEXX

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6.4. Fußball-Lieder
von Dietrich Lohff und Peter Schütze.
Notensätze zu den Liedern sind kostenlos unter:
www.dietrichlohff.de zu finden

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7. Kindergottesdienst dass sich auch die Kirchengemeinde für den Fußballverein
interessiert. Der aufgebaute Kontakt wird von Seiten des Sports
Das große Spiel – lange erinnert werden: Es tut gut, wenn man merkt, dass „die
und wir sind mittendrin, statt nur dabei! Kirche“ an einem ehrlich interessiert ist.
Bausteine für eine Kindergottesdienst-Reihe Dass der Fußball ernst genommen wird, könnte auch darin
zur Fußball-WM (Martin Grab) seinen Ausdruck finden, dass wie zu Erntedank und anderen
Festen der Kindergottesdienst-Raum dem Anlass entsprechend
Es wird im Juni 2006 in Deutschland nur wenige Kinder geschmückt wird. Vielleicht haben die Kinder Lust, Fußball-
geben, die nicht mitbekommen, dass in unserem eigenen Deko von zu Hause mitzubringen und den Raum zu gestalten.
Land die Fußball-WM stattfindet. Ob die Kindergottesdienst- Es muss ja keine Ruhmeshalle daraus entstehen.
Verantwortlichen nun selbst vom „Fußballfieber“ gepackt wer- Zu der Kindergottesdienst-Reihe als Ganzes: Zentrale Erleb-
den oder nicht, ist zweitrangig, wenn der Kindergottesdienst nisse beim Fußballspielen sind Erfolg und Misserfolg sowie
von der Befindlichkeit der Kinder ausgehen soll. Was nicht gut die Spannung zwischen dem eigenen Können (und „Glänzen
wäre: Die Fußball-WM könnte im Kindergottesdienst nur als Wollen“) und dem Eingebunden-Sein in einem Team. Um diese
Aufhänger benutzt werden, also von oberflächlichen Beschrei- zentralen Themen des Fußballs geht es in den vier Vorschlägen
bungen oder Bildern aus der Welt des Fußballs sehr rasch zu zum Kindergottesdienst.
dem gelangen, was viele als „das Eigentliche“ des kirchlichen Jeder der vier Kindergottesdienste besteht aus den
Auftrages ansehen: Gottes Wort. Aber dann wäre der Fußball acht Bausteinen:
instrumentalisiert, ein bloßer Aufhänger.
Wenn man aber das Thema Fußball ganz bewusst und A Lied
über einen längeren Zeitraum in den Mittelpunkt des Kinder- B Einstieg
gottesdienstes stellt, werden die Kinder interessiert zuhören und C Lokaler Experte
gerne mitmachen. Keine Bange – für Gottes Wort bleibt D Biblische Erzählung
noch Raum genug, für Singen und Beten auch! Aber dem E Lied
Fußball soll in den hier vorgestellten Kindergottesdienst- F Vertiefung
Bausteinen jeweils die erste Stelle eingeräumt werden. Und er G Gebet
soll anschließend auch nicht unter der liturgischen Decke ver- H Lied
schwinden, sondern den Kindergottesdienst mittragen. Diese
Kindergottesdienst-Reihe zur WM könnte gut beworben wer- Wem das zu stereotyp erscheint, möge das in aller Frei-
den, so dass neue Kinder gewonnen werden; dieses Thema heit variieren. Und wem vier Kindergottesdienste zum Thema
stellt auch eine „missionarische Gelegenheit“ für den Kinder- Fußball-WM des Guten zu viel erscheinen, der oder die kann
gottesdienst dar. den vorliegenden Vorschlag beliebig kürzen. Denn die vier
Um die Präsenz des Fußballs im Kindergottesdienst zu un- Kindergottesdienste sind zwar als Einheit komponiert,
terstreichen, wird im Folgenden vorgeschlagen, in jeden Kinder- können aber auch unabhängig voneinander und einzeln gefei-
gottesdienst einen oder mehrere lokale Experten einzuladen: ert werden. Wenn vier Kindergottesdienste gefeiert werden,
Das können Fußballer aus der örtlichen „Ersten Mannschaft“ könnte man bei den größeren Kindern an den Sonntagen
sein oder jugendliche Fußballer oder Jugendtrainer, die die visualisieren, dass die ganze Welt nach Deutschland kommt:
Kinder die Woche über eh schon treffen. Die lokalen Experten Welche Nationen kommen aus dem Osten? (1. Sonntag), wel-
haben eine doppelte Aufgabe: Sie sind gleichermaßen An- che aus dem Süden? (2. Sonntag), welche aus dem Westen?
wälte und Zeugen des Fußballs. Es wird Verwunderung aus- (3. Sonntag), welche aus dem Norden? (4. Sonntag).
lösen, wenn solche Experten vor Ort bezüglich ihrer Mitarbeit Ein durchgehendes, die vier Wochen begleitendes „Give-
FOTO: PLAINPICTURE / HEXX

im örtlichen Kindergottesdienst angefragt werden. Aber damit away“ würde die Einheit der Reihe unterstreichen, etwa
wird man mehrheitlich auf viel Entgegenkommen stoßen, wenn eine kleine Weltkarte, auf der man dann nach und nach
rechtzeitig und angemessen gefragt wird. Rechtzeitig heißt: gut die Teilnehmerländer des Osten, des Südens, des Westens und
ein Vierteljahr im Voraus; angemessen bedeutet, zu vermitteln, des Nordens originell markiert.

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Die Gottesdienste können zeitgleich zur WM (möglich: 2. Sonntag
11. / 18. / 25. Juni, 2. / 9. Juli) gefeiert werden oder aber Gewinnen – ja! Aber den anderen leben lassen!
zur Vorbereitung, so dass der letzte auf Pfingstsonntag Siegen ist schön, aber was ist mit dem Verlierer?
(4. Juni) fällt, wodurch eine Einheit zwischen Ostern und Biblischer Text: 1. Mose 37.39–50 (oder: 1. Samuel 24)
Pfingsten entsteht. Man könnte die Spielergebnisse in einen
großen Plan eintragen. 3. Sonntag
Und so können die Kindergottesdienste aussehen, wenn Es zählen nicht nur erste Plätze im Leben
sie über vier Sonntage gefeiert werden: Was wirklich zählt.
Biblischer Text: Matthäus 10,35–42
1. Sonntag
FOTO: PLAINPICTURE / HEXX

Ich gehöre zu einem Team 4. Sonntag


Ohne Zusammenspiel läuft nichts. Die Weltauswahl Gottes ist kunterbunt
Biblischer Text: 1. Korinther 12,12.20–26 In Gottes Mannschaft spielen alle mit.
(siehe die Textübertragung auf Seite 24) Biblischer Text: Apostelgeschichte 2,1–13

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1. Sonntag 2. Sonntag
Ich gehöre zu einem Team Gewinnen – ja! Aber den anderen leben lassen!
Ohne Zusammenspiel läuft nichts. Siegen ist schön, aber was ist mit dem Verlierer?
A A
Lied: „Wenn einer sagt: Ich mag dich, du“ Lied: „Volltreffer“ (Text unter: www.schlummertricks.de)
B B
Einstieg: Wir spielen miteinander in einer ersten Runde ganz Einstieg: Wir hören miteinander den Anfang von „We are
normal Fußball (zwei Minuten). Danach wird jemand be- the Champions“ (Queen) und fragen danach die Kinder,
stimmt, der nicht abspielen darf. Anschließend tauschen wir ob und bei welcher Gelegenheit sie dieses Lied schon ge-
unsere Beobachtungen aus; vor allem der „Alleinspieler“ hört haben. Anschließend stellen wir – wenn möglich mit
sollte dabei zu Wort kommen. Bildern – einen Siegertypen aus einer erfolgreichen Fußball-
C mannschaft vor: Wie ist sein Tagesablauf? Welche Hobbys
Lokaler Experte erzählt von sich und seinen Mannschafts- hat er? Wie viele Fan-Mails bekommt er am Tag? Was macht
kameraden sowie von seinen eigenen Stärken und Schwä- er mit seinem vielen Geld? Usw. (Literatur findet sich in fast
chen. allen im Vorfeld der WM erscheinenden Sportillustrierten.)
D C
Biblischer Text: 1. Korinther 12,12.20 –26 Lokaler Experte erzählt von seinen schönsten Siegen
Wir erzählen von den Menschen in Korinth. Paulus hat ih- und Siegesfeiern und stellt gängige Siegesgesänge vor (die
nen klar gemacht, dass in jeder Gruppe von Menschen jede erstaunlich viele Kinder kennen werden).
und jeder etwas besonders gut kann – und dass niemand D
alles können muss. Biblischer Text: 1. Mose 37. 39–50 (oder: 1. Samuel 24)
E Wir erzählen, wie Josef in Ägypten zum Siegertypen wurde
Lied: „Einsam bist du klein“ und seinen Brüdern vergab.
F E
Vertiefung: Wir versuchen, mit den Füßen zu greifen, uns Lied: „Wie ein Fest nach langer Trauer“
mit dem Bauch auf dem Kirchenboden zu bewegen, mit den F
Händen am Boden, Fußball zu spielen usw. Danach überle- Vertiefung: „Shooting Stars“ wie Josef tauchen immer wieder
gen wir: Wo überall gehören wir zu einem Team? Was im Fußball auf. Sie geben Autogramme, werden von Fans
können wir dort besonders gut? Was tun andere dort für uns? bejubelt, tauchen oft in Interviews auf. Sie sind „wichtig“.
G Wie gehen sie mit ihren Gegnern um? Machen sie sie fertig
Gebet oder bleiben sie fair? Verändern sie sich durch steigende
Lieber Gott, Erfolge (und Bankkonten)? Oder bleiben sie menschlich?
es gibt vieles, das können wir selber ganz gut, Was bedeuten unsere kleinen und großen Siege für uns selbst?
sogar besser als die meisten anderen. Und manches Besiegen wir andere? Triumphieren wir über andere?
können wir überhaupt nicht. Oder lassen wir den anderen auch noch Raum zum Leben
Da sind fast alle anderen viel besser als wir selbst. und Freuen? Vielleicht wäre es möglich, ein kleines Tippkick-
Deshalb danken wir Dir, dass wir nicht für uns selber leben oder Tischkicker-Turnier durchzuführen.
müssen. Lass uns miteinander zusammenleben – G
so wie die Fußballer miteinander zusammenspielen. Gebet
Sei bei uns in der neuen Woche. Amen. Lieber Gott, natürlich wollen wir alle gewinnen,
H immer wieder: beim Sport, beim Spielen zu Hause
Lied: „Komm,Herr, segne uns“ (EG 170, 1.2) und überall.
Manchmal, wenn wir gewinnen, freuen wir uns darüber,
dass andere verloren haben und sich ärgern.
Und manchmal, da ärgern wir uns selbst,

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wenn wir nicht vorne dabei sind. einzelne dieser Voten wird abgeschlossen mit dem gemein-
Lass uns daran denken, sam gesprochenen Psalmvers: „Ich danke dir, dass ich
dass für Dich alle Menschen auf dem ersten Platz stehen, wunderbar gemacht bin.“
weil Du uns alle liebst. G
Sei bei uns in der neuen Woche. Amen. Gebet
H Lieber Gott,
Lied: „Gib uns Frieden jeden Tag“ (EG 425) wenn wir morgens aufwachen, vergessen wir manchmal,
wie schön es ist, dass wir da sind.
3. Sonntag Du hast uns dieses Leben geschenkt,
Es zählen nicht nur die ersten Plätze im Leben und es gibt so vieles, über das wir uns freuen können:
Was wirklich zählt. über unsere Eltern und Geschwister,
A über unsere Freundinnen und Freunde,
Lied: „Gott gab uns Atem“ (EG 432) und auch darüber, dass Du uns selbst wunderbar
B gemacht hast.
Einstieg: Wir bringen Zeitungsausschnitte mit Bildern Dafür wollen wir Dir danken.
von unterlegenen und/oder bereits ausgeschiedenen Mann- Sei bei uns in der neuen Woche. Amen.
schaften mit. Wir überlegen: Was haben sie gefühlt? Was H
haben sie in den Tagen erlebt, nachdem sie wieder in ihre Lied: „Dass ich springen darf“
Heimat zurückgekehrt waren?
C 4. Sonntag
Lokaler Experte erzählt von Niederlagen, Mittelmaß, Be- Die Weltauswahl Gottes ist kunterbunt
deutungslosigkeit, aber auch vom Spaß am Spiel, von Ge- In Gottes Mannschaft spielen alle mit.
sundheit und (wieder verheilten) Verletzungen. A
D Lied: „Er hält die ganze Welt in seiner Hand“
Biblischer Text: Psalm 139,1–5.14 B
Ein Psalm sagt uns: „Ob du gewinnst oder nicht – du bist ein Einstieg: Wir unterhalten uns darüber, wo überall auf der
wunderbares Geschöpf!“ Welt Fußball gespielt wird. Wir schreiben Länder auf, die an
E der WM teilnehmen/teilgenommen haben. Wir versuchen,
Lied: „Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich ruft“ die Namen von mindestens 15 nichtdeutschen Fußballern
F aufzuschreiben.
Vertiefung: Wir denken darüber nach, wovon selbst die C
(erfolg)reichsten Fußballer weniger haben als wir selbst (z. B. Lokaler Experte erzählt von ausländischen Mitspielern
Zeit für Freunde, Ruhe, freie Wochenenden und vieles mehr). bzw., wenn er nicht in Deutschland geboren wurde, woher
Danach fragen wir uns, warum wir von uns selbst sagen kön- er stammt und wo und wie er mit dem Fußballspielen ange-
nen: „Ich bin reich.“ fangen hat. Gibt es Unterschiede in Sachen Fußball zwischen
Wir sitzen im Kreis. Jede/r sagt ihrem/seinem Nachbarn seinem Herkunftsland und Deutschland?
etwas, was sie/er besonders gut an ihm/ihr findet. Jedes D
Biblischer Text: Apostelgeschichte 2,1–13

„ Kein Drama ist so Gottes guter Geist kann bewirken, dass auch fremde Men-
schen einander verstehen.

übersichtlich wie E
Lied: „Der Himmel geht über allen auf“

ein Fußballspiel“ F
Vertiefung: Wir denken an Kinder aus anderen Ländern,
Marcel Reich-Ranicki, Literaturkritiker aus Peru, aus dem Iran, aus Australien, aus Mexiko und aus

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FOTO: PLAINPICTURE / WOLFF, M.

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Nigeria (gutes Hilfsmittel: bunt bebilderte Karte aus einem 8. Schulgottesdienste – drei Entwürfe
Kinder-Weltatlas). Auch ihre Länder spielen bei der WM in (Tobias Schart)

Deutschland mit. Wie leben diese Kinder? Wie sprechen sie?


Die Fußball-Weltmeisterschaft kann altersstufengemäß im
Wie sehen dort Kindergärten, Schulen und Bolzplätze aus?
Religionsunterricht aufgenommen werden. Zum Thema Sport
Worüber freuen sie sich? Was macht ihnen Angst?
liegen genauso wie zu den Themen Fairness und globale
G
Gerechtigkeit einige Entwürfe vor (vgl. unter Abschnit H
Gebet
Medien), weitere werden in den Fachpublikationen im Win-
Lieber Gott,
ter 2005/2006 folgen. In vielen Gebieten ist der RU auch
Deine ganze Welt ist so riesengroß,
der Ort, an dem Schulgottesdienste geplant und vorbereitet
und überall in den vielen Ländern leben Menschen.
werden. Es folgen hier drei Entwürfe aus dem württembergi-
Viele sehen anders aus als wir.
schen Bereich.
Sie reden anders als wir.
Sie leben anders als wir.
1. Die Klasse als Fußballmannschaft
Aber sie und wir – wir alle – sind Deine Geschöpfe.
a) Thema
Wir gehören zusammen.
So, wie für den Erfolg einer Fußballmannschaft eine gute Ka-
Lass uns daran denken, wenn wir Menschen aus anderen
meradschaft untereinander wichtig ist, so sollten auch wir in
Ländern sehen.
einer Klasse zu einer guten Gemeinschaft finden, damit die
Sei bei uns in der neuen Woche. Amen.
Schule mehr Freude macht und wir gemeinsam „erfolgrei-
H
cher“ sind. Jesus kann uns Vorbild sein und Kraft schenken,
Lied: „Freut Euch, wir sind Gottes Volk“
dass wir untereinander mehr Verständnis haben.

Zum Thema des letzten Sonntags finden sich zahlreiche


Materialien und Lieder in „Fans, Fairplay und Fußballfieber“ b) Gestaltungselemente

aus dem Kontakte-Musikverlag. Aktion der Schüler und Schülerinnen:


Schüler und Schülerinnen tragen vor:

„Der Zaubertrank, 1. Was ist vergleichbar zwischen einer Fußballmannschaft


und einer Klassengemeinschaft?

der keinen Preis Die Ideen sollten vorher im Religionsunterricht zusammen-


getragen werden. Beispiele könnten sein:

hat, heißt • So wie bei einer Fußballmannschaft, so kann man auch


als Klasse gemeinsam mehr erreichen. Obwohl die Spie-

Enthusiasmus. ler und Schüler ganz unterschiedlich sind, wichtig ist der
Zusammenhalt.

In der Sprache • Um sich die Freude am Fußballspiel zu erhalten, ist es


wichtig, fair miteinander zu spielen. Gleiches gilt vom Um-

der alten Griechen gang untereinander in der Klassengemeinschaft. Vgl. auch


den dritten Vorschlag, s.u.

bedeutet • Wenn Fouls vorkommen, sollte man sich gegenseitig


wieder aufhelfen. Auch in der Klassengemeinschaft gibt es

Enthusiasmus: manchmal „Fouls“. Wichtig sind dann Gesten der Versöhnung.


• Jeder hat in der Fußballmannschaft eine bestimmte
FOTO: PLAINPICTURE / WOLFF, M.

die Götter in Position und Aufgabe. Auch in der Schulklasse gibt es


verschiedene Aufgaben (Klassensprecher und Stellvertre-

sich tragen“ ter, Tagebuchordner, jemand, der andere aufheitern kann,


der helfen kann…).
Eduardo Galeano, Schriftsteller, Uruguay Jeder sollte sich mit seiner Begabung in die Klassengemein-
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schaft einbringen. Vgl. auch 1. Korinther 12 und die Textüber-
tragung unter B in diesem Materialheft (Seite 24).
„ Nur Begeisterte
• Wie beim Fußballspiel sollte man sich auch in der Klasse
an bestimmte Regeln halten.
können
• Wie es im Fußballspiel einen Schiedsrichter gibt, der dar- Begeisterung
auf achtet, dass die Regeln eingehalten werden, achten in der
Schule die Lehrenden oder besser die Schüler und Schülerin-
weitergeben“
nen untereinander (!) darauf. Hans Lenk, Olympiasieger und (Sport-)Philosoph
• „Schwalben“ (Täuschungen) sollten im Fußballspiel wie in
der Klassengemeinschaft unterbleiben. Vorsicht: Es ist durch-
aus möglich, dass hier andere Meinungen geäußert werden. Natürlich gehen wir dann viel lieber in die Schule, wenn wir
Etwa: Wenn es den eigenen Interessen nützt, dann darf man im Unterricht mitkommen und gute Noten schreiben, wenn wir
schon ein wenig „foulen“ oder „betuppen“. uns mit den Lehrerinnen und Lehrern gut verstehen und wenn
• Für den Fußballer ist Trainieren wichtig. Auch Schüler wir uns im Schulgebäude wohl fühlen. Ganz entscheidend ist
müssen „trainieren“, was das Lernen des Unterrichtsstoffes, aber auch, ob wir in der Klasse, der wir angehören, eine gute
aber auch, was das Miteinander angeht. Gemeinschaft haben oder nicht.
• Im Fußball wie in der Schule ist jeweils ein Trainer/Klas- Ihr selber wisst es am besten: Wie gut tut es, in der Klasse
senlehrer hilfreich, um gemeinsam voranzukommen. nette Mitschülerinnen und Mitschüler zu finden und wie sehr
kann uns jeder Morgen Angst und Bauchweh bereiten, wenn
Möglich wäre eine zweite Frage, zu der die Schüler etwas wir in der Klasse geärgert und gemobbt werden.
vortragen könnten: Was ist nicht vergleichbar zwischen Lehrer tun sich viel leichter mit Klassen, die sich unterein-
einer Fußballmannschaft und einer Klassengemeinschaft? ander gut verstehen, und umgekehrt ist ein schlechtes Klima
Hier kommen vielleicht auch witzige Antworten zustande. in der Klasse meist verbunden mit schlechten Leistungen der
• Bei Klassenarbeiten darf man nicht zusammen spielen! Schülerinnen und Schüler.
• Bei einer Fußballmannschaft kann ausgewechselt werden. Bei einer Fußballmannschaft, die erfolgreich sein will,
• Frauen- und Männerfußball sind getrennt. kommt es nicht nur darauf an, dass alle Spieler technisch
• In der Klasse gibt es keine Zuschauer (oder doch?). versiert sind und gut mit dem Ball umgehen können. Großen
• In der Klasse kann man sich nicht die weltbesten Spieler Erfolg gibt es eigentlich nur, wenn ein gutes Miteinander in
zusammenkaufen. der Mannschaft herrscht. Das baut auf und trägt dazu bei,
dass auch das Zusammenspiel auf dem Rasen besser gelingt.
c) Bibeltexte Kameradschaft ist ein wichtiger Motor für den Erfolg.
Apostelgeschichte 2,42: Die erste Gemeinde legte Wert auf Und so macht auch Schule viel mehr Spaß und führt für
eine gute Gemeinschaft. alle eher zum Erfolg, wenn man sich in der Klasse gut versteht
Lukas 19,1–10 (Zachäus): Wie ein Ausgestoßener durch Jesus und gegenseitig hilft.
neue Gemeinschaft erfährt. Jesus war es immer wichtig, dass die Menschen zu ei-
1. Korinther 12: Alle Glieder haben eine wichtige Aufgabe. ner guten Gemeinschaft zusammenfanden: Zu denen, die
1. Petrus 4,10: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die ausgestoßen waren, den Kranken, Zöllnern und Sündern ist
er empfangen hat.“ er gegangen, hat sie geheilt und ihnen vergeben, damit sie
an die Gemeinschaft wieder Anschluss hatten. Er hat uns ein
d) Ansprache Beispiel gegeben, damit auch wir aufeinander zugehen, Ver-
FOTO: PLAINPICTURE / KUTTIG, S.

Wann gehen Schülerinnen und Schüler gerne in die Schule? ständnis füreinander haben, uns gegenseitig helfen und ein-
Abgesehen davon, dass wir alle natürlich lieber Ferien als ander vergeben.
Schulunterricht haben, zeigt sich doch, dass es Unter- Damit ihr auch (im neuen Schuljahr) zu einer guten
schiede in der Motivation gibt, sich morgens auf den Weg Klassengemeinschaft zusammenfindet, schenke Gott euch
zur Schule zu machen. seinen Segen und seine Kraft. Amen.

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FOTO: PLAINPICTURE / KUTTIG, S.

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e) Gebet und ebenfalls in einem Kreis aufgestellt. Es ist möglich, dass
Herr, Jesus Christus, Mitschüler mit nicht-deutscher Herkunft etwas über ihre Hei-
Du unser Bruder und Freund, mat sagen, womöglich auch mit einer Äußerung zu der Frage:
Du verbindest unterschiedliche Menschen Welche Bedeutung hat der Fußball in meinem Herkunftsland?
zu einer Gemeinschaft und ermöglichst,
dass die, die ausgestoßen waren, c) Bibeltext
in die Gemeinschaft zurückfinden können. Apostelgeschichte 2,1-13 Das Pfingstwunder
Wir bitten Dich:
Hilf uns, dass wir einander ohne Vorbehalte begegnen d) Ansprache
und offen sind für die anderen. Wir erleben es leider immer und immer wieder in aller Welt:
Schenke uns den Mut aufeinander zuzugehen Wo Menschen verschiedener Länder, Kulturen und Religionen
und bei Enttäuschungen nicht gleich aufzugeben. aufeinander stoßen, gibt es Streit, bis hin zu mörderischen
Hilf uns in der Klasse und in der Schule, Kriegen. Wie kommt es dazu? – Das liegt oft an Vorurteilen,
dass wir zu einer guten Gemeinschaft zusammenfinden. Vorbehalten und Ängsten vor dem Fremden.
Amen. Wenn wir ehrlich sind, kennen wir solche Ängste und Vor-
behalte gegenüber Menschen anderer Nationen auch bei uns.
f) Lieder Aber wie wohltuend ist es auch, wenn wir diese überwinden!
Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt Das können sicherlich alle von unserer Schule bestätigen, die
Einsam bist du klein Bekannte und Freunde unter denen haben, die aus anderen
Jeder knüpft am eignen Netz Ländern stammen. Und wir entdecken es ja auch, wenn wir
in andere Länder fahren: Es erweitert unseren Horizont und
2. Fußball-WM und Schule: tut uns Menschen gut, andere Kulturen und Menschen unter-
Viele Nationen vereint schiedlicher Nationen kennen zu lernen.
a) Thema Als der Heilige Geist, nämlich Gottes Kraft der Liebe,
So, wie die verschiedenen Nationen der Fußball-WM das den Jüngern damals geschenkt wurde, da geschah es, dass
Turnier bereichern, so bereichern Mitschüler verschiedener
Nationalitäten die Schule. Die Idee einer Weltmeisterschaft
entspricht der Idee der Einheit der Menschen. Das ist ein
Gedanke, der in unserem christlichen Glauben sehr stark ist:
Christus ist für alle Menschen (sogar für die ganze Schöp-
fung) gestorben und auferweckt worden.

b) Gestaltungselemente
Aktion der Schüler und Schülerinnen:
Es werden einige/alle Fahnen der Länder, die an der Fußball-
WM teilnehmen (und die von den Schülern und Schülerinnen
selbst angefertigt wurden), in den Gottesdienstraum gebracht
und als Zeichen der Verbundenheit in einem Kreis aufgestellt.
Es können natürlich auch Schüler und Schülerinnen mit den
betreffenden Trikots einziehen. (Bitte beachten: Es wird auch
FOTO: PLAINPICTURE / DURA LUX

zahlreiche nicht-christliche Länder geben, die sich qualifizie-


ren. Nehmen vielleicht auch die türkischen Schüler am Got-
tesdienst der Schule teil?)
Danach werden die Fahnen von Nationen von Schülern,
die an der jeweiligen Schule vertreten sind, hereingetragen

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sich die Menschen verschiedener Nationen untereinander 3. Fairplay im Fußball und in der Schule
„verstanden“, so dass eine große Gemeinschaft entstand. a) Thema
Wir sollten uns von diesem Geist, der verbindet, anste- Für ein Fußballspiel sind Regeln wichtig sowie die Bereitschaft,
cken lassen. Wir sollten Ängste überwinden und aufeinan- fair, nämlich mit Rücksicht auf den anderen, zu spielen. Auch
der zugehen. Das Motto der Fußball-Weltmeisterschaft heißt: sonst braucht es für das Zusammenleben Regeln. Gott hat die
„Die Welt zu Gast bei Freunden“. Lasst uns diese Freundschaft Gebote für ein gutes Miteinander gegeben. Fairness bedeutet,
in unserem Land wie auch an unserer Schule leben. Amen. konsequent und aus Überzeugung die für alle geltenden Regeln
auch unter schwierigen Bedingungen einzuhalten und im Geg-
e) Gebet ner des Wettkampfs keinen Feind, sondern einen Partner und
Herr, Jesus Christus, Freund zu sehen. Vgl. auch den Entwurf für eine Einheit im Kon-
Du Freund aller Menschen. firmandenunterricht unter D in diesem Materialheft (Seite 54).
In diesem Jahr ist die Welt durch die Fußball-
Weltmeisterschaft bei uns zu Gast. b) Gestaltungselemente
Lege Deinen Segen auf alle Veranstaltungen der Aktion der Schüler und Schülerinnen:
Fußball-Weltmeisterschaft, dass sich unser Land Schüler und Schülerinnen tragen vor:
als guter Gastgeber erweist und von dem Turnier Schüler sollen eigene Erfahrungen mitteilen bzw. sich aus-
ein Geist der Völkerverständigung ausgeht. malen, was es bedeutet, wenn im Fußball die Regeln nicht
Hilf uns, dass auch wir uns in unserer Schule mehr eingehalten werden und nicht fair gespielt wird.
gegenseitig als Freunde verstehen. Diese Beispiele sollten vorher im Religionsunterricht
Amen. zusammengetragen worden sein und dann im Gottesdienst
vorgetragen werden.
f) Liedvorschläge Eine andere Möglichkeit wäre, eine Radioübertragung
Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen eines Fußballspiels zu gestalten, bei dem die Regeln immer
Damit aus Fremden Freunde werden wieder missachtet werden (und der Schiedsrichter keine
Der Himmel geht über allen auf Handhabe hat einzuschreiten).
Danach könnte ein von den Schülern und Schülerinnen
selbst gestaltetes, großes Bild gezeigt werden, das gelingen-
des Miteinander darstellt. Motive könnten sein: Einer hilft
einem anderen auf, Spieler beider Mannschaften lie-
gen sich in den Armen. Auch ist eine Collage zum Thema
„Miteinander ist besser als Gegeneinander“ denkbar, die
die Schüler und Schülerinnen dann im Gottesdienst erklä-
ren. Die Schüler und Schülerinnen können grundlegende
Fußballregeln und grundlegende ethische Regeln
(Dekalog, Doppelgebot der Liebe) visualisieren (im
Unterricht vorbereitet).

c) Bibeltext
2. Mose 20,1-17 Die Zehn Gebote
Matthäus 22,37-39 Das Doppelgebot der Liebe
Matthäus 7,12 Die Goldene Regel

Zusätzlicher Text-Baustein:
eine Definition von Fairness (selbst erarbeiten
oder nachschlagen lassen)

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d) Ansprache Ja, es ist wichtig und es lohnt, sich an die Regeln im Fußball
Uns wurde sehr anschaulich gemacht: Ohne Regeln und wie im Leben zu halten, denn wenn wir das nicht tun, gerät
ohne die Bereitschaft, Rücksicht aufeinander zu nehmen, gäbe unser Leben aus den Fugen und das schadet nicht nur den
es bald ein Chaos. Das wäre im Fußball so wie in unserem anderen, sondern auch uns selber. Lasst uns aus Gottes Liebe
Zusammenleben. Regeln sind also in erster Linie nicht dafür leben und die Gebote halten.
da, uns einzuengen und unserer Freiheit zu berauben, son- Amen.
dern sie sind zu unserem Schutz gegeben. Regeln machen
Sinn, denn ohne sie wären kein Fußballspiel und kein Zusam- e) Gebet
menleben möglich. Herr, Jesus Christus,
Gott hat uns Menschen für unser Zusammenleben und zu Du liebst alle Menschen,
unse-rem Wohlergehen die Zehn Gebote gegeben, also unter Dir ist jede und jeder wichtig.
anderem, dass wir nicht stehlen, töten oder lügen sollen, aber Du möchtest, dass wir in Frieden miteinander leben.
auch, dass wir uns Ruhe gönnen und den Feiertag heiligen Schenke uns die Kraft, dass wir Deine Liebe
sollen – wir alle kennen diese Gebote aus den Gottesdiensten in unserem Leben umsetzen,
und aus dem Unterricht. Er möchte, dass die Welt nicht im dass wir zueinander fair sind und uns helfen,
Chaos endet, sondern dass wir in Frieden miteinander leben. dass wir zur Vergebung und Versöhnung bereit sind.
Freilich, wir wissen, manchmal ist das gar nicht so einfach, Amen.
die Regeln einzuhalten und in unserem Leben fair zu spielen,
besonders dann, wenn wir sehr verärgert oder aufgebracht f) Liedvorschläge:
sind. Aber dann bietet Gott uns seine Kraft der Liebe und Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen
Versöhnung an, so dass wir Konflikte gelassener sehen und Du bist da, wo Menschen leben
vergeben können. Nehmt einander an

FOTOS: PLAINPICTURE / HASENGOLD / LOBSTER

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C. Andere Formen der Verkündigung
und der Öffentlichkeit

Für andere Formen der Verkündigung (Andachten im


Ältestenkreis, bei der Erwachsenenbildung, in Männer-,
Frauen- und Seniorengruppen, im Gemeindebrief, als Bau-
steine für Predigten) und der Öffentlichkeit (Ansprache bei
Sportvereinen, bei kommunalen WM-Kooperationen etc.)
bietet es sich an, neben biblischen Texten oder anderen
traditionellen Stücken an „Dinge“ rund um den Fußball
anzuknüpfen. Das gilt besonders, wenn Gemeinden sich
für das Angebot des „Publicviewing“ mit einem Rahmen-
programm entscheiden (s. o. beim Abschnitt A).
Möglich sind Meditationen zum Beispiel zu folgenden
Stichworten:

p der Ball
p das Spielfeld
p die Spielzeit
p der Körper
p der Trainer
p der Schiedsrichter
p der Fan
p das Spiel(en)
p Gewinnen und Verlieren
p Angreifen und Verteidigen
p das Trikot
p Hand und Fuß
p die Fußballschuhe
p die „Kutte“
p der Fanschal
p der Gesang
p „Fußballgott“
p Beten für den Fußball?
p der Slogan der WM 2006
p Abseits
p die Mannschaft und der Einzelspieler
p Abspielen
FOTOS: PLAINPICTURE / HASENGOLD / LOBSTER

p die Eintrittskarte
p Konkurrenz, Sieg und Niederlage

Zu den Stichworten Fans, Spieler, Schiedsrichter, Geld


liegen Radioandachten von Manfred Josuttis vor. 19
Einige Stichworte sind im Folgenden exemplarisch ausgeführt.

19 In Möller/Ulrichs (Hg.), Fußball und Kirche, a. a. O., S. 101–109.

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1. Beten für den Fußball?
Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn
laufe und gepriesen werde wie bei euch und dass wir erlöst
werden von den falschen und bösen Menschen; denn der
Glaube ist nicht jedermanns Ding.
(2. Thessalonicher 3,1–5)
Zufällig traf ich eine Frau, von der ich wusste, dass sie
sehr krank ist. Nach einem kurzen Gespräch über Hoffen und
Bangen vor der nächsten Untersuchung habe ich zum Ab-
schied gesagt: „Ich drücke Ihnen die Daumen.“ Die Frau hat
geantwortet: „Beten Sie für mich, das ist besser.“
Peinlich!
Wie beim Glauben – beten ist auch nicht jedermanns Ding.
Mein Ding schon. Aber warum sag ich's dann nicht, son-
dern sage: „Ich drücke dir die Daumen“? Wer zu jemandem
sagt: „Ich bete für dich“, oder wer wie unser Text jemanden
bittet: „Betet für uns“, der setzt sich der Gefahr aus, dass der
andere betroffen schweigt und sich seinen Teil denkt. „An was
für einen Superfrommen bin ich denn da geraten?“ Ist das
nicht zu viel Nähe? „Wenn du aber betest, so geh in dein
Kämmerlein“ (Matthäus 6,6), hat Jesus einmal gesagt. Beten
ist doch wohl Privatsache, zu intim, um einfach so drüber zu
sprechen.
Beten ist nicht jedermanns Ding.
Die Lokalredakteurin hat mich angerufen und nach mei-
nem Tipp für den Ausgang des Endspiels gebeten. Und dann
noch die Frage, die dann auch in der Zeitung stand: „Beten
Sie für die deutsche Mannschaft?“ – Warum fragt die Zei-

FOTOS: PICTURE PRESS / GRAPHISTOCK / NANCY COHEN · PICTURE PRESS / GRAPHISTOCK / JOHN WEBER
tung das uns Pfarrer? Weil auch die Zeitung genau weiß: Der
Glaube ist nicht jedermanns Ding. Die Pfarrer kann man so
was fragen. Die sind zuständig. Otto Normalverbraucher be-
lästigt man in der deutschen Öffentlichkeit nicht mit religiösen
Fragen.
„Beten Sie für die deutsche Fußballnationalmannschaft?“
Und die einhellige Antwort der in der Zeitung versammelten
Geistlichkeit lautet: „Nein!“ – Natürlich nicht! Das gehört da
nicht hin! Fußball ist so wichtig nicht!

„Ist der deutsche Noch während ich telefoniere, beginnt es in mir zu ar-
beiten: Dass der Glaube nicht jedermanns Ding ist, das sieht

Fußball nicht doch man doch gerade auch bei den Fußballern. Da gibt es die
einen, die nach dem verdienten Ausgleichtreffer auf die Knie

eine Religion?“ fallen und sich bekreuzigen. Und dann gibt es die, die kühl
und berechnend sich am liebsten auf ihr persönliches Kön-
nen, ihre Hochform verlassen. Am Fußball kann man’s se-
Ludwig Harig, Schriftsteller hen: Glaube und Gebet sind – obschon für manchen ganz

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wichtig – nicht jedermanns Ding. Und im internationalen Ver-
gleich der Fußballfrömmigkeit rangiert die deutsche Mann-
schaft ziemlich weit unten.
Und was machen wir, statt für sie zu beten?
Wir halten uns raus. Wir resignieren nicht. Weder nen-
nen wir die Fußballfans schlechte Menschen, weil sie zwar ins
Stadion, aber nicht in die Kirche gehen, noch beten wir für
die Fußballer, denn: Sooo wichtig ist Fußball nicht, dass unser
Gebet da hingehörte.
Wir, die Pfarrer, die diese Frage der Redakteurin beantwor-
tet haben, haben aber etwas übersehen: Nämlich das, womit
unser 2. Thessalonicherbrief Probleme hat: Millionen Menschen
würden sagen: „Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Fußball
ist mein Ding. Sooo wichtig ist mir der Glaube nicht.“
Und woher nehmen wir die Gewissheit, dass diese Leute
unsere Gebete nicht nötig brauchen?
Im Nachhinein bedaure ich die abgeklärte Nüchternheit,
mit der meine Kollegen und ich an die Frage herangegangen
sind. Vielleicht ist Fußball nicht so wichtig. Aber der Glaube ist
mir so wichtig, dass ich keinen Bereich des Lebens davon aus-
klammern will. Wenn der Glaube an Jesus Christus nichts mit
unserem Alltag zu tun hat und nicht mit unserer Freizeit und
nicht mit Fußball, womit – um Himmels willen – denn dann?
Fußball ist mehr als nur ein rundes Leder, das im richti-
gen Moment zwischen den richtigen Pfosten hindurchfliegen
soll. Und ich werde bestimmt nicht dafür beten, dass unsere
Mannen die Brasilianer oder wen auch immer in Grund und
Boden stampfen. Aber:
FOTOS: PICTURE PRESS / GRAPHISTOCK / NANCY COHEN · PICTURE PRESS / GRAPHISTOCK / JOHN WEBER

• Am Fußball hängen Schicksale von Spielern und von Fans.


• Am Fußball hängen Arbeitsplätze.
• Es hängen daran Emotionen.
• Fußball ist gefährlich: auf dem Platz beim bösen Foul
und nach dem Spiel auf der Straße, wenn der Mob tobt.
Das alles ist wichtig und des Betens würdig – und wenn es
auch nur Fußball ist.
Ralf Ruckert

„Das Geheimnis
des Fußballs ist
ja der Ball“
Uwe Seeler, Ehrenspielführer

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2. Fußball – eine neue Religion? 3. Fußball ist keine Religion
Es gibt offenbar eine neue Religion in Deutschland. Mit der Bis vor einer Generation fand nur der idealistisch betriebene
Arena „AufSchalke“ ist ein „Fußballtempel“ entstanden. Ein Sport Gnade vor den Augen der Kirche. Erst seit etwa 1970
paar Kilometer weiter haben wir es im Dortmunder Westfalen- wurde das gesellschaftliche Phänomen Sport, das die Massen
stadion mit einem „heiligen Rasen“ zu tun. Und „wenn Bayern bewegt, gesehen: erst kritisch, dann beobachtend, und seit
auf Real trifft“, so war kürzlich in der Zeitung zu lesen, „wird geraumer Zeit durchaus wohlwollend. So wird der Sport in
das Hochamt des europäischen Fußballs verlesen“. Fußball, den jüngeren EKD-Denkschriften nicht mehr nur ethisch ge-
eine neue Religion? Nachdem es mit den traditionellen Reli- sehen, sondern als Teil des kulturellen und gesellschaftlichen
gionen, den Kirchen und ihren Angeboten nicht mehr so weit Lebens wertgeschätzt.
her ist in unserem Land? Manche wittern hier eine gefährliche „Kirche und Sport“ ist ein Arbeitszweig in den Kirchen,
Konkurrenz. Andere wiegeln ab: Man könne das ganze re- der sich verlässlich und kompetent mit dem Sport befasst.
ligiöse Getue doch auch einfach einmal humorvoll abhaken. Auch von dort werden Literatur und praktische Tipps für die
Wenn es denn ganz so harmlos wäre. „Borussia ist eine Re- Gemeindearbeit angeboten. Zu den zurückliegenden großen
ligion für mich. Das ist für mich alles. Man hat ja sonst nichts Turnieren gab es zahlreiche kirchliche Aktivitäten. Zur Fuß-
anderes“, sagt Dortmund-Fan Steffi. ball-WM 2006 im eigenen Land hat die evangelische Kirche
Mehr und mehr scheint eine Grenze überschritten zu zum ersten Mal eigens eine Projektstelle eines WM-Beauftrag-
werden. Eine Grenze, die nicht einfach nur harmlos, sondern ten geschaffen.
womöglich gefährlich ist. Nicht so sehr für die Kirche, die All dieses ist eigentlich gar nicht so überraschend, weil
sich hier einer neuen Konkurrenz ausgesetzt sieht. Gefährlich sich in den Kirchen viel sportlicher Sachverstand findet. Über-
vielmehr für die Menschen selbst, denen diese Art von reli- raschend ist vielmehr, dass auch in der Theologie und den
giöser Überhöhung den Blick für ihre tatsächliche Situation Kirchen an Sport und besonders an Fußball ein ihnen fremder
zu verstellen droht. Fußball als Religion ist gefährlich, weil er Maßstab angelegt wird. Gerne wird dann behauptet, dass
verschleiert, narkotisiert und politisch verdummt. Weil er einen Fußball „Religion“ sei. Es mag sein, dass vor allem das weitere
Lebenssinn, eine Perspektive vorgaukelt, die anderswo nicht soziale Umfeld des gesamten Fußballgeschehens teils religi-
mehr da zu sein scheint. „Meine Hilfe kommt vom Herrn, der onsähnliche Züge trägt und dass einige Parallelen zur Praxis
Himmel und Erde gemacht hat“ (Psalm 121,2). Lapidar lenkt des christlichen Glaubens festzumachen sind. Aber dennoch
die Bibel mit diesen Worten unseren Blick in eine andere Rich- ist Vorsicht mit dieser religionsphänomenologischen Analyse
tung: weg von den selbst gemachten leblosen Göttern – hin zu geboten: Die Theologie sollte nicht so vermessen sein zu mei-
dem einen, unverfügbaren, lebendigen Gott. Allein mit dieser nen, sie könnte einen menschlichen Lebensbereich „tiefsinni-
geänderten Blickrichtung leistet die Bibel einen unschätzbar ger“ interpretieren als es diejenigen tun, die diesen Lebensbe-
wertvollen Beitrag zur heilsamen Entgötterung und Entzau- reich gestalten und in ihm leben. Die Fans wollen in der Regel
berung unserer Welt – und, wenn man so will, eben auch keine Religion praktizieren, sondern sie drücken ihre Begeis-
eines Fußballs, der sich selbst zur Religion hochjubelt. Fußball terung aus. Und „Religion“ ist ohne das subjektive Wollen zur
ist Fußball. Um Himmels willen nicht auch noch Sinnstiftung, Religion nicht gut denkbar.
Trost, Lebensperspektive ... Vor allem fehlt aber in der unterstellten „Fußball-Religion“
Fußball ist Fußball. Ein – vielleicht – menschliches Vergnü- – bei aller, teils auch kritikwürdigen Verehrung der Stars – die
gen, an dem wir uns freuen dürfen. Ein – vielleicht – sinnvoller Ausrichtung auf ein „höheres Wesen“, also ein Transzendenz-
Zeitvertreib zum Mitjubeln und Mitbangen, zum Mitfeiern und bezug. Fußball ist keine Religion. Fußball hat einen eigenen
Mit-Enttäuschtsein, vielleicht auch hier und da einmal hoffent- – einen relativen und „vorletzten“ – Wert, für ihn gilt wie für
lich zum Selber-Mitmachen. Aber eben: mehr nicht. Fußball andere Phänomene menschlicher Kultur: Fußball ist Fußball ist
ist Fußball. Gott sei Dank: mehr nicht. Fußball. Und wir in den Kirchen freuen uns an ihm – mit den
Okko Herlyn Menschen in unserem Land.
Hans-Georg Ulrichs
Fußball ist Fußball (Predigt zu Psalm 121,2), in: Ders., „Weil da noch
etwas aussteht“. Widersprechende Predigten, Bielefeld 2003, 83-85.
Hier stark gekürzt wiedergegeben.

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4. Fußballplatz 5. Spielzeit
Kennen Sie das richtige Maß? Oder jedenfalls die Maße Ich entsinne mich noch genau, wie anstrengend es für mich als
eines Fußballplatzes 20 ? Die Maße beschreiben die Grenzen Kind war, ein ganzes Fußballspiel im Fernsehen anzuschauen.
von innen und außen und sind wichtige Angaben für das, Bei gewonnenen UEFA-Cup-Spielen erschienen mir die Wo-
was innerhalb des Spieles möglich ist. chen bis zur nächsten Partie unvorstellbar lang; bei verlorenen
Auf dem Fußballplatz kann man spielen und kann man Spielen und dem Ausscheiden meiner Lieblingsmannschaft
kämpfen, kann man zaubern und kann man arbeiten. Es gibt hatte ich einen Kloß im Hals und unterdrückte die Tränen, weil
besondere Zonen, die anzeigen, dass man gelegentlich An- mir die lange Dauer bis zur neuen UEFA-Cup-Runde schier
deren Freiraum gewähren muss, nämlich Abstand zu halten unendlich erschien – und wenn sich meine Mannschaft dann
hat: am Mittelkreis, am Viertelkreis, am 16er. Geschützte, fast vielleicht gar nicht für die neue Runde qualifizieren würde?
heilige Räume sind der 16er und der 5-Meter-Raum: Im einen Fußball ist wie viele andere Sportarten zeitlich begrenzt:
werden Fouls besonders hart bestraft, im anderen genießt der von WM zu WM, von Saison zu Saison, von Spiel zu Spiel.
Torwart einen besonderen Schutz. Es gibt die eigene Hälfte und Es gibt immer nur einen „amtierenden“ Welt-, Europa- oder
die der anderen Mannschaft, in der spezielle Regeln (Abseits!) Deutschen Meister, und der Sieger des vergangenen Wo-
gelten. Es gibt geometrische Grundformen: gerade Linien, 90- chenendes kann sieben Tage später ein Verlierer sein. „Ein
Grad-Ecken bzw. rechte Winkel, den Kreis. Alle Begrenzungen Spiel dauert 90 Minuten“ – das ist eine eherne Regel, bei der
sind zweidimensional (auch wenn die Linien als Begrenzun- die Ausnahmen (oder besser: Abweichungen) wie das Cham-
gen auch nach oben hin gelten: Außenlinien etc.), mit einer pions-League-Finale der Bayern gegen Manchester United
bzw. zwei Ausnahmen: die Tore, das Ziel des Spiels. Eine 1999 in Barcelona oder der Finaltag der Bundesligasaison
Dimension sozusagen bleibt unbedacht, weil sie unbegrenzt 2000/2001 als besonders tragisch empfunden werden.
ist, ja unbegrenzbar zu sein scheint: oben, dort, wo wir Es gehört zur Gerechtigkeit des Spiels, dass es zeitlich be-
Menschen keine Macht mehr haben: es gibt theoretisch grenzt ist. Alle Teilnehmer wissen, dass nach 90 Minuten ab-
(und praktisch!) keine Höhenbegrenzung beim Fußball, gepfiffen wird; nur Ausnahmespiele müssen mit Verlängerung,
kein „Aus“ nach oben. Golden Goal oder Elfmeterschießen entschieden werden. Es
Außerhalb des Raumes, außerhalb des Spielfeldes sind ist gerecht, dass das Spiel in zweimal 45 Minuten eingeteilt ist
wieder andere Regeln angesagt. Und das ist auch gut so. und die Seiten gewechselt werden, so dass eventuelle Vor- und
Auch wenn Fußball sehr wichtig ist – er gehört zum soge- Nachteile der äußeren Gegebenheiten ausgeglichen werden
nannten Vorletzten und hat seine Grenze, seine eigenen und können.
spezifischen Grenzen. Fußball begrenzt sich selbst. Er lädt ein Jedes Spiel ist begrenzt. Auch alles Lebende ist begrenzt,
zum Mitspielen, so wie der Fußballplatz ja vier Seiten hat: Es begrenzt an Möglichkeiten und begrenzt in zeitlicher Dimen-
mögen alle kommen, die aus Norden und Süden und die aus sion. So ist das Spiel also ganz Teil des Lebens. Man muss die
Osten und Westen. Zeit auskaufen (vgl. Kolosser 4,5) und nutzen, die einem zur
Grenze und Freiheit gehören zusammen. Das weiß jeder Verfügung steht: Carpe diem. Der christliche Glaube weiß die
Fußballer – und viele andere Sportler auch. Es ist gut, wenn Zeit aus Gottes Händen geschenkt. Deshalb ist sie so wertvoll,
wir unser Leben gestalten. Es ist gut, wenn wir spielen. Es ist deshalb ist sie auch Aufgabe zu einer vernünftigen Lebensge-
sehr gut, wenn wir unser Tun begrenzt wissen und das richtige staltung. Aber eines ist im Leben anders als im Spiel: Nach
Maß kennen. Das ermöglicht Freiheit, die eigene wie auch dem Spiel, nach der Saison, nach der Weltmeisterschaft wird
die Freiheit des anderen. Der Glaube an Gott und Freiheit es wieder eine neue Chance geben. Es ist nicht alles aus, auch
gehören auch zusammen. Die grundlegenden Maße, unser wenn sich für den einzelnen Spieler durchaus unwiederbring-
Spielfeld sozusagen, gibt Gott vor. Und damit wir die Maße lich Chancen und Möglichkeiten zerschlagen haben. Es war
und Grenzen auch als solche wahrnehmen, ist eine Dimension auch für Südafrika nicht alles aus, als die WM 2006 nach
ohne Begrenzung: die nach oben. Deutschland vergeben wurde, nein, Südafrika wird die an-
Hans-Georg Ulrichs schließenden Spiele 2010 haben. Spielzeit ist, bei aller Ein-
maligkeit, wiederholbare und zweckfreie Zeit, während die
20 Die aktuellen Regeln sind unter www.dfb.de einsehbar. Lebenszeit ganz einmalig ist. Das Leben in Gottes Gegenwart

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ist zeitlich begrenzt und doch umfangen von seiner Ewigkeit. die Hand zu benutzen, ist genau das (mit einer – wie man-
Ein Fußballspiel kann sehr wichtig sein und große Bedeutung che sagen: „heiligen“ – Ausnahme!) beim Fußball verboten.
für eine Mannschaft, ja für eine ganze Nation bekommen, Fuß und Ball gehören eigentlich gar nicht zusammen, wer-
aber das Spiel bleibt vorläufig, nie endgültig; es gehört zu den aber beim Fußball geradezu miteinander versöhnt. Und
den „vorletzten Dingen“, wie die Theologie sagen würde. Da- diejenigen, die besonders kunst-, ja liebevoll mit dem runden
durch wird das Spiel aber nicht gering geachtet, sondern er- Leder umzugehen wissen (wie Netzer, Zidane und Beckham),
hält seine eigene und dadurch seine besondere Würde. genießen besondere Verehrung.
Hans-Georg Ulrichs Als ein Fußballspiel in den Schlussminuten immer dramati-
scher wurde, soll ein brasilianischer Rundfunkreporter einmal
6. Ball ins Mikrofon gebrüllt haben: „Gott ist rund“. Man zuckt zu-
„Das Geheimnis des Fußballs ist ja der Ball“, hat Uwe Seeler sammen bei dieser – Gotteslästerung? Sicherlich wäre es nicht
einmal gesagt. Was Seeler vielleicht ahnte: Der Ball – oder gut, wenn wir statt um das „Goldene Kalb“ (2. Mose 32) um
die Kugel – hat überhaupt große Bedeutung für das Leben. das „runde Leder“ tanzten und es wie von Sinnen anbeteten.
Abgesehen davon, dass sich unser Leben auf einem (fast) run- Aber Recht gebe ich dem Rundfunkreporter doch darin: Gott
den Planeten abspielt, ist die Kugelform in der Natur die voll- ist vollkommen und faszinierend. Der Glaube sieht in ihm den
kommene Form: Wenn Flüssigkeiten fallen, nehmen sie nach Schöpfer und den Grund von allem, was lebt (Psalm 104).
einiger Zeit Kugelform an, weil sich durch diese Formgebung Er umspannt alles und alle, er hält die Welt im Innersten zu-
das günstigste Verhältnis von Oberflächenspannung und In- sammen und führt wieder alles zusammen. Der Völkerapostel
halt herausbildet. Auch Religionen scheinen von der Kugel Paulus konnte dies in einer Missionspredigt so ausdrücken: „In
fasziniert gewesen zu sein: Im alten Ägypten galt der Mist- Gott leben, weben und sind wir.“ (Apostelgeschichte 17,28)
käfer deshalb als heiliges Tier, weil er die vollkommene Form Diese Predigt hat auch bei dem angeknüpft, wovon die
der Kugel vor sich herrollte. Vollkommen vielleicht auch des- Menschen damals fasziniert waren. Die Perspektive des Paulus
halb, weil die Form der Kugel zwar wie alles Leben begrenzt gipfelt in dem Satz: „Gott wird sein alles in allem.“ (1. Korin-
ist und einen begrenzten Inhalt hat, aber dennoch über eine ther 15,28) Auch wenn ich mir kein Bild von Gott machen
unendliche Oberfläche zu verfügen scheint – wenn man es kann und darf: In unserem Leben könnte der Ball so etwas
nicht besser wüsste. wie ein Hinweis auf Gott sein, der im Gegensatz zu allem,
Nun ist der Fußball natürlich nicht die einzige Sportart mit was lebt, vollkommen ist und deshalb uns fasziniert. Ich spiele
Ball. Aber statt den evolutionären Vorteil auszuspielen und gerne Fußball – und ich glaube gerne an Gott.
Hans-Georg Ulrichs

FOTOS: WWW.GRI MM-PHOTO. DE

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7. Trikot (Ansprache zur Taufe)
„Kleider machen Leute“ ist nicht nur der Titel eines Werkes von
Gottfried Keller, sondern ein alltägliches Sprichwort. Wir er-
fahren oft die Wahrheit dieses Satzes. Der erste Anzug, zum
Beispiel zur Konfirmation oder zur Hochzeit: Das macht was
her, und derjenige, der in dieser Kleidung steckt, scheint fast
ein neuer Mensch zu sein. Durch Kleidung kann aber auch
eine bestimmte Zugehörigkeit und eine Funktion signalisiert
werden: die staatliche Uniform oder eine bestimmte Berufsbe-
kleidung wie die des Kochs.
Auch beim Fußball (wie in vielen anderen Sportarten) gibt
es ein besonderes Textil: das Trikot. Ist es nicht der Wunsch-
traum aller Fußball spielenden Kinder, einmal das Trikot mit
dem DFB-Emblem überstreifen zu dürfen? Und wenn die Leis-
tung unserer Spitzenkicker nicht genügt, dann wird häufig an
die „Ehre“ erinnert, in diesem bestimmten Trikot spielen zu
dürfen. Als Kind und Jugendlicher war ich jeden Samstag im-
mer ein wenig stolz, wenn ich das Trikot überstreifte: Ich durfte
jetzt in dieser Mannschaft und für unseren Verein spielen.
Mit einem Trikot bin ich aber am glücklichsten: mit dem
Trikot des „1. FC Christus“. Ich darf dieses Trikot tragen, weil
ich in diese Mannschaft berufen worden bin. Jetzt mögt Ihr
sagen, dass Ihr weder dieses Trikot noch diesen Verein kennt. gibt so manche Zeichen, die bekannt sind und wo Christen sich
„Ihr alle, die Ihr in Christus getauft seid, habt Christus ange- freuen, wenn sie sie irgendwo entdecken: das Kreuz an allen
zogen.“ So sagt es Paulus im Galaterbrief (3,27). Christ wer- möglichen Orten, im Straßenverkehr etwa auch das Fischzei-
den, getauft werden, das ist wie neu eingekleidet zu werden, chen (ichthys), das an vielen Autohecks klebt. Das Trikot der
zu einem neuen Team dazuzugehören, für einen bestimmten Getauften ist, dass sie zur Gemeinde Christi dazugehören,
Verein spielen und in ihm leben zu dürfen: Christus anziehen, dass sie einen besonderen Namen tragen (Apostelgeschichte
mit ihm überkleidet zu werden, zu ihm zu gehören, mit ihm in 11,26): Christen. Wir heißen nach Christus. Und wir leben
Berührung zu stehen. Aus diesem Paulus-Wort und anderen nach Christus. Wir leben mit Christus in seinem „Verein“, in
biblischen Stellen entstand in der Kirche der Brauch, nach der seiner Gemeinde.
Taufe ein weißes Kleid, ein Kleid des Lichts und der Reinheit, Meinen Fußballverein habe ich jetzt schön öfter gewech-
anzuziehen und einige Wochen zu tragen. So war es sichtbar, selt, habe Trikots getragen von verschiedenen Teams und mit
zu welchem „Verein“ man gehörte. Wir kennen den Brauch, verschiedenen Nummern – und ich habe sie alle mit Stolz
unseren Kindern für die Taufe ein besonderes Taufkleid anzu- getragen. Ein Trikot aber trage ich immer: mein Christus-
ziehen – und denken daran, dass sie mit der Taufe Christus Trikot – denn ich bin getauft. Es geht nicht um die Alternative
anziehen. Dieser Brauch des Taufkleids scheint erfreulicher- „Taufkleid oder Trikot“, auch nicht um die Vereinbarkeit von
weise wieder im Kommen zu sein. „Taufkleid und Trikot“, sondern es geht um das tiefere Ver-
Nun ist dieser angezogene Christus im übertragenen Sin- ständnis der Taufe, das mit Galater 3,27 und dem Taufkleid
ne, spirituell zu verstehen. Christen rennen ja nicht ständig wie ausgedrückt wird, es geht also um das „Taufkleid als Trikot“.
FOTOS: WWW.GRI MM-PHOTO. DE

beim Torjubel im Fußball mit hochgezogenem Pulli durch die Wir freuen uns, dass wir die Täuflinge (hier die Namen nen-
Gegend, so dass die Menschen neben bzw. unter dem Trikot nen!) heute in der Mannschaft Christi begrüßen können.
auch noch irgendein Bekenntnis auf dem T-Shirt lesen können. Hans-Georg Ulrichs
Wir Christen sind auch nicht an einer einheitlichen Kleidung
erkennbar, so wie etwa unsere Pfadfinder an ihrer Kluft. Es Der Liedvers EG 349,3 passt zu dieser Taufansprache.

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8. Singen Bayern München. „You only sing when you are winning“ ist
Wer singt denn noch? Natürlich die immer noch zahlreichen als englische Fußballweisheit bekannt. Es wird gesungen: in
Chöre unterschiedlicher Couleur. Aber auch die klagen über Dur, mit begrenztem Tonumfang, Lieder im Umfang von vier
Nachwuchsmangel. Oder gar Singen mit Konfis? bis neun Takten. Glatte, runde Lieder ohne Ecken und Kanten.
Singen – bin ich Heino? So sagten früher die Konfirman- Gibt es schwierige Stellen in den Liedvorlagen, werden diese
den. Und doch ist das alles nicht wahr: Denn eben in jenen herausgefiltert. Und nicht zu hoch! Höher als g’ geht es nicht
Jahren, in denen viele den Niedergang des Singens in Kirche im Fußballstadion.
und Gesellschaft beklagen, eben dann ist eine riesige Singe- Warum ich das alles aufzähle? Weil ich denke: Vom Sta-
bewegung entstanden: in den Stadien. In Deutschland seit dion lernen heißt singen lernen. Vielleicht bremsen wir das
Ende der 60er Jahre. Vorher gab es als eine Art Vorform: die Singbedürfnis der Gottesdienstbesucher mit unseren Gesang-
skandierten „Schlachtrufe“ der Fans. Seitdem singen sie und buchliedern, die im Sitzen gesungen werden? Warum eigent-
werden seit gut zehn Jahren musikwissenschaftlich beobach- lich? Am Ende des Gottesdienstes an Heiligabend singt die
tet. Darum weiß man auch, wo das Singen seine Ursprün- Gemeinde „O du fröhliche“: im Stehen, ohne Textblatt. Inter-
ge hat: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde vor essant ist auch, dass die Gesänge auf den Rängen gar nicht
den englischen Cup-Finals im Wembleystadion „Abide with unbedingt zum Spielgeschehen passen. Die Fan-Blocks kom-
me“ gesungen. Das steht nicht nur im New English Hymnal, munizieren auch untereinander: „Bayern, wir hören nichts!“,
sondern auch in deutscher Übertragung im Evangelischen oder – von den Noten her unglaublich kompliziert: „Wir sin-
Gesangbuch unter Nr. 488: „Bleib bei mir, Herr“. Durch die gen Gladbach, Gladbach, zweite Liga, o wie ist das schön,
Fußball-WM 1970 in Mexiko kamen verstärkt südamerikani- euch nie mehr zu sehn.“ Fis-Dur mit sechs Kreuzen!
sche Einflüsse nach Europa. Die sangen dort nämlich schon Die Fans drücken Hoffnung und Lobpreis aus, sie verarbei-
länger. Und natürlich die Mutter aller Schlachtengesänge: die ten im Singen die eigenen Emotionen, geben ihnen eine
Liverpooler Fans von der Anfield Road mit dem Lied „You’ll eigene Sprache. Sie singen gegen den Gegner und oft
never walk alone“. Was zwar ein altes Spiritual ist, aber in gegen den „bösen“ Schiedsrichter an. Sie haben – gerade im
diesem Fall auf das Jahr 1963 und die Gruppe „Gerry and Singen – eine gemeinsame Identität, sie sind „ein Leib“. Es
the Peacemakers“ datierbar ist. ist ja wahrscheinlich auch kein Zufall, dass mit dem Aufkom-
Wie kommt es zum Singen im Stadion? Auf jeden Fall men der Stadiongesänge auch die einheitliche Fan-Tracht
nicht durch einen Befehl von oben. Das funktioniert nicht. Es aufgekommen ist.
müssen gewisse äußere Bedingungen da sein: große Grup- Es gibt Berührungspunkte, Überschneidungen. Es gibt
pen etwa, die Ecke oder Kurve eines Stadions, damit die jede Menge Lernerfahrungen vom Singen im Stadion her.
Singenden miteinander kommunizieren können. Das Spiel Denn: Es sind dieselben Menschen, die ihr Leben inszenie-
darf nicht zu schnell sein, das Singen braucht seine Zeit und ren. Mit wesentlichen Unterschieden zu kirchlichem Singen
seinen Raum. Und Stehplätze! Von Sitzplätzen kommt nicht und Glauben allerdings. Wir inszenieren nicht uns selbst, der
viel. Oft gibt es einen Chantleader, auf Kirchendeutsch: einen Lobpreis richtet sich auf den, der nicht Teil der Kirche ist, son-
Kantor. Der animiert, der hat ein größeres Repertoire als die dern ihr Herr. Der Gottesdienst als Siegesfeier nach dem Sieg
anderen, der gibt Responsorien vor. Dabei muss eine gewisse über den Tod feiert die größere, die unvergleichlich größere
Matrix aus Pop oder Schlager vorhanden sein, das Volkslied Perspektive als den Sieg eines Vereins. Aber wenn wir den
hatte recht schnell ausgedient. Kontrafaktur heißt das: Auf Vorgeschmack feiern, und zwar mit Herzen, Mund und Hän-
eine bekannte Melodie einen anderen Text. Kennen wir auch den – dann kann es gut sein, an diesen Formen dieses unmit-
aus der Reformationszeit. Und: Es wird prinzipiell auswendig telbaren Erlebens besser nicht vorbeizugehen. Ein bisschen
gesungen. Oral tradition. Gäbe es ein Fan-Gesangbuch, mehr Ekstase, ein bisschen weniger Steuerung. Luther konnte
FOTO: PLAINPICTURE / GRIMM, T.

wäre das ein Indiz für nachlassende Lebendigkeit. Dabei ist kräftige Formulierungen wählen. Manch trutzige Melodie ist
das Repertoire erstaunlich. Ein Fan, der richtig dazugehören harmonisiert worden. Ich finde, wir tun gut daran, dahin zu
will und in der Stadionliturgie mitmachen will, muss zwischen blicken, wo die Kraft und das „wilde Denken“ ist statt „Gib uns
40 und 50 verschiedene Rhythmen, Rufe und Lieder beherr- Frieden jeden Tag“.
schen. Über das größte Repertoire verfügen die Fans von Albrecht Thiel

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9. Mensch, gib doch ab! bei verkrampfe ich mich in der Vorstellung, alles selber tun zu
Wenn wir sonntags mit dem Rad unterwegs sind und wir wollen. Bis es dann irgendwann zu viel wird. Ich spüre, ich
kommen an einem Fußballplatz vorbei, steige ich gerne ab, muss meine Strategie überdenken. Noch einmal neu meinen
bleib am Zaun stehen und schaue eine Weile dem Spiel zu. Einsatz planen.
Ich bekomme mit, wie ein Opa seinem Enkelkind das Spiel Abgeben – zusammenspielen ...
erklärt. Mich begeistert, wenn die ganze Familie auf den Fuß- Das gilt nicht auf dem Fußballplatz und auf dem Spielfeld des
ballplatz kommt und schreit und anfeuert, weil der Jüngste Lebens, von Mensch zu Mensch. Ich glaube, das gilt auch im
jetzt in der E-Jugend spielt. Zusammenspiel von Gott und seinen Menschen.
Als Zaungast hab ich bei so einem Spiel den Zuruf aufge- Abgeben. Mensch, gib doch ab. Das klingt wie eine mo-
schnappt: „Abgeben. Abgeben. Mensch, gib doch ab!“ derne Übertragung des altes Psalmverses: Wirf dein Anliegen
Abgeben. Das gehört zum guten Spiel. Wenn einer alles auf den Herrn, der wird dich versorgen. Ich stelle mir vor,
alleine machen will, dann läuft nichts, dann geht es schief. Gott steht manches Mal auf dem Spielfeld des Lebens und ruft
Abgeben. Mensch, gib doch ab. mir zu: Abgeben! Mensch, gib doch ab! Deine Fragen kannst
Ein toller Satz. Nicht nur beim Fußball. Sondern auch im du mir lassen und für deine Sorgen hab ich ein offenes Ohr.
Leben. Abgeben: andere einbeziehen, seinen Part gut aus- Wenn du müde bist und keinen Mut mehr hast zum Weiter-
führen und dann abspielen. Den anderen auch etwas über- gehen, dann schick ich Dir einen Engel so wie dem Elia, der
lassen. Sie beteiligen am Spiel, eben: zusammenspielen. brachte ihm, was seine Lebensgeister wieder wachrief.
Aber manchmal schaffe ich es nicht, loszulassen, kann So kann ich Kraft schöpfen und mich mit frischer Energie
meine Sorgen nicht abgeben, will das Spiel selbst bestimmen, ins Spiel einbringen. Dabei will ich dann den Zuruf nicht über-
die Gegenspieler in Schach halten, mit den Herausforderun- hören: Abgeben! Mensch, gib doch ab!
gen alleine fertig werden. Ich alleine – aus eigener Kraft. Da- Dorothea Frank
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10. Krach am Ende der Vorrunde dem letzten Spiel die Spreu vom Weizen zu trennen (22). Und
( Ein biblisches Rätsel) 22 denen, die hier ständig meckern und mit ihrer Kritik gleich
Die Mannschaft hatte unbedingt die Vorrunde überstehen und an die Presse gehen, sage ich ganz klar: Haltet Eure Zunge
ins Achtelfinale einziehen wollen. Nach den beiden enttäu- im Zaum (23)! Wer Wind sät, wird Sturm ernten.“ (24) Kein
schenden Unentschieden muss nun im letzten Gruppenspiel Wunder, dass die Spieler Blut schwitzen (25), hatten sie ihren
ein Sieg her. Im Mannschaftsquartier schlagen die Wogen Trainer doch noch nie so energisch erlebt!
hoch. Der Verbandspräsident droht dem Trainer, ihn in die Der Spieltag beginnt dann mit einer Hiobsbotschaft (26):
Wüste zu schicken (1). Aber dass nun ausgerechnet er zum Der direkte Konkurrent um den Einzug ins Achtelfinale hat
Sündenbock gemacht werden soll (2), überrascht den Mann vorgelegt und sein Spiel zwar knapp, aber doch gewonnen.
so stark, dass er zunächst praktisch zur Salzsäule erstarrt (3). Nun muss also mindestens ein Sieg mit vier Toren Vorsprung
Doch dann geht er seinerseits in die Offensive: „Ich will nicht her. Und: Es geschehen noch Zeichen und Wunder (27)!
zu allem, was an Kritik laut geworden ist, Ja und Amen sa- Durch die Gardinenpredigt des Trainers fällt es den Spielern
gen (4). Nicht wenige meiner Spieler sind ständig mit Spon- wie Schuppen von den Augen (28). Vor allem die direkt an-
sorenterminen und anderen Verpflichtungen abgelenkt, so gesprochenen Stürmer nehmen sich diese Worte zu Herzen,
dass ihre Konzentration leidet – das ist doch allein die Wurzel während einige alte Hasen sich ins Fäustchen lachen (29).
alles Übels.“ (5) Bei diesem auch von den Verbandsgewalti- Aber der Ausnahmetrainer muss ja nun wirklich sein Licht
gen geduldeten Tanz ums Goldene Kalb (6) stünden ihm als nicht unter den Scheffel stellen (30). Vor allem die „jungen
Trainer die Haare zu Berge (7). „Man kann nicht zwei Herren Wilden“ der Mannschaft zeigen im letzten Gruppenspiel eine
dienen“ (8), ruft er wutentbrannt aus. Diesen Vorwurf hört überzeugende Leistung und stellen damit unter Beweis, dass
der Präsident natürlich gar nicht gerne. „Sie wollen ja bloß sie die Zeichen der Zeit (31) erkannt haben. Gerade in der
ihre Hände in Unschuld waschen (9)! Sie haben ja schließlich zweiten Halbzeit ist klar, dass kein einziger Spieler sein Pfund
die ganze bisherige Entwicklung mitgetragen. Prüfen Sie sich vergraben will (32), und auch die zahlreich mitgereiste Fan-
einmal auf Herz und Nieren (10), dann müssen Sie einse- Gemeinde trägt durch ihre Gesänge zum Erfolg ihr Scherflein
hen, dass Sie die Jungs nicht im Griff haben. Statt auf die bei (33). Nach dem Spiel, das haushoch mit 7:1 gewonnen
Verhältnisse zu schimpfen, sollten Sie deshalb lieber in Sack wird, sind alle wieder ein Herz und eine Seele (34), die Mann-
und Asche gehen.“ (11) Er sei nun an ihm, sich den Spielern schaft und der Trainer und auch der Präsident. Die Presse in
zuzuwenden, Einzelgespräche zu führen und die Mannschaft der Heimat überschlägt sich mit Lob. Das kommentiert der
wie seinen eigenen Augapfel zu hüten (12). Der Trainer lenkt Trainer wie immer lapidar: „Ehre, dem Ehre gebührt!“ (35)
ein, weil er gemerkt hat, dass sein Vorwurf an die Adresse des Nun gilt es, im Achtelfinale ein Neues zu pflügen (36).
Verbandes ein zweischneidiges Schwert gewesen war (13). Er
(1) 3. Mose 16,10 (2) 3. Mose 16,1–10 (3) 1. Mose 19,26 (4)
verspricht Besserung und betont, dass er auf keinen Fall Stein
5. Mose 27,14–26 (5) 1. Timotheus 6,10 (6) 2. Mose 32,4–6.19
des Anstoßes sein wolle (14) und nicht am Stuhl klebe. Trainer
(7) Hiob 4,15 (8) Matthäus 6,24 (9) Psalm 26,6 und Matthäus
und Präsident kommen überein, zunächst weiterhin auf Treu
27,24 (10) Psalm 7,10 (11) Ester 4,1 (12) 5. Mose 32,10 (13)
und Glauben (15) zusammenzuarbeiten. Am Abend sucht der
Sprüche 5,4 und Hebräer 4,12 (14) Jesaja 8,14 und 1. Petrus
Trainer Rat bei seiner Frau und schüttet sein Herz aus (16).
2,8 (15) 2. Könige 12,16 (16) 1. Samuel 1,15 (17) 1. Korinther
Am nächsten Tag lädt der Trainer zur Mannschaftsbe-
13,1 (18) Jesaja 6,10 (19) Matthäus 7,6 (20) Jeremia 32,44
sprechung und spricht mit Menschen- und mit Engelszungen
(21) Haggai 2,6 (22) Matthäus 3,12 (23) Jakobus 1,26 (24)
(17). „Leute, es ist sehr ernst. Ich möchte nicht wie bisher
Hosea 8,7 (25) Lukas 22,44 (26) Hiob 1,14 (27) Apostelge-
tauben Ohren predigen“ (18), sagt er seinen Spielern. „Seit
schichte 2,43 und oft im AT und NT (28) Apostelgeschichte
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Wochen habe ich den Eindruck, dass ich Perlen vor die Säue
9,18 (29) Sirach 12,19 (30) Matthäus 5,15 (31) Matthäus 16,3
werfe (19). Wenn Ihr so weiter kickt, dann blamieren wir uns
(32) Matthäus 25,18 (33) Markus 12,42 (34) Apostelgeschichte
hier bis auf die Knochen, darauf gebe ich Euch Brief und Sie-
4,32 (35) Römer 13,7 (36) Jeremia 4,3 und Hosea 10,12
gel (20). Vor allem die Torflaute muss beendet werden. Wenn
der Sturm nicht ab sofort auch im Training Himmel und Erde 22 Nach einem Text aus der Broschüre „Der Glaube kann Berge versetzen“. Ge-
flügelte Worte aus der Bibel, mit einem Bericht „Streit im Fußballclub“, Deutsche
in Bewegung setzt (21), dann bin ich gezwungen, noch vor Bibelgesellschaft, Stuttgart 1991.

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D. Bausteine für die Arbeit in ein Gleichgewicht zu bringen, den Gegner als Partner zu
mit Jugendlichen (KU) achten und der Menschenwürde einen Raum innerhalb und
außerhalb des Spiels zu geben, weil die Achtung der Würde
Einleitung des Menschen die Grenzen des Spiels überschreitet. Regeln
Die Arbeit mit Jugendlichen sollte versuchen, erlebnisorientiert können dem gemeinschaftlichen Leben dienen; im Bereich
zu sein. Gerade sportliche Elemente können sehr gut ange- des Sports wird dies unmittelbar klar. Insofern kann der Sport
nommen werden. Dazu ist es nicht notwendig, gleich ganze als Medium eingesetzt werden.
erlebnispädagogische Wochenenden anzubieten. Wichtiger An diese Definition der Fairness kann theologisch in
scheint zu sein, insgesamt „Bewegung“ stärker in die norma- vielfacher Weise angeknüpft werden, ohne die Unterschiede
len Angebote zu integrieren. zu überspielen und Grenzen zu verwischen. Der analoge Be-
Andererseits gehören auch Medien zur Lebenswirklichkeit zugspunkt ist die menschliche Würde. Theologisch – das ist
junger Menschen – und zwar in einem ganz anderen Aus- der Unterschied – ist der Mensch als Geschöpf und Sünder
maß, als das für die erwachsenen Begleitpersonen ihrerseits im Sein und im Verhalten abhängig von der Gnade Gottes im
normal ist. Jugendliche bewegen sich selbstverständlich und Rechtfertigungsgeschehen. Darum ist seine Würde, im theo-
selbstständig in den virtuellen Räumen. Man kann sich den logischen Begriff des Ebenbildes gefasst, neben der Rechtfer-
Phänomenen des Sport auch durch Medieneinsatz nähern. tigung des Gottlosen das Zentrum der theologischen Anthro-
Mit Google, Altavista, web.de oder der christlichen Suchma- pologie. Der Mensch ist für Gott das höchste Lebewesen. Er
schine crossbot lassen sich unzählige Fußballseiten finden, kann sich seine Würde nicht selber geben, auch nicht durch
die über Kultur, Lieder, Fans, Religion u. v. a. m. informieren (sportliche) Leistungen. Genau deshalb kann er sie auch nicht
(vgl. auch die Internetadressen unter H Medien, Seite 78). verlieren, selbst wenn er sie selber mit Füßen tritt. Die Bibel
lehrt, dass Gott den Menschen Regeln des Zusammenlebens
1. Fairplay gegeben hat, die lebensdienlich sind. Diese Regeln müssen
Eine Unterrichtseinheit für den Konfirmanden- inhaltlich immer wieder neu überprüft und bestimmt werden,
unterricht anlässlich der WM 2006 was zum Leben gut und nützlich ist. Die „Goldene Regel“
Erarbeitet von einer Arbeitsgruppe während des EKD- („Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut
Studienkurses „Kirche und Sport“ in Sils Maria im Februar ihnen auch“, Matthäus 7,12) eröffnet den Freiraum, bei ge-
2005, eingeleitet von Peter Steinacker und redigiert von änderten Bedingungen im Blick auf das Heil und das Glück
Claudia Rudolff der Menschen die Regeln neu zu formulieren. Das ist der
Sinn der christologisch definierten Liebe, die im Doppelgebot
Theologische Einleitung der Liebe als von Gott geschenkte, sich auf den Nächsten und
Das Ziel der Einheit besteht darin, in der Anknüpfung an den mich selbst bezieht (Matthäus 22,35–40). Sie macht selbst
Sport und die Lebenswirklichkeit der Konfirmanden und Kon- vor dem Feind nicht Halt (Matthäus 5, 43 f.). Das ist eine Ana-
firmandinnen Einsicht in die christliche Sicht des Menschen logie zum Fairplay, die produktiv sein kann, insofern sie den
und seiner Welt unter der Perspektive Gottes zu vermitteln. Lebenswillen des anderen Menschen in den eigenen Lebens-
Weiter soll Verhalten im Sinn des Fairplay und der Agape willen integriert: „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.
eingeübt, anderes Verhalten verändert werden. Die Ergeb- So ist die Liebe des Gesetzes Erfüllung“ (Römer 13,10).
nisse der Arbeit mit den Konfirmanden und Konfirmandinnen
können in die Gemeinde und die Öffentlichkeit der Sport- Erste Einheit
szene hinein vermittelt werden. Dauer: 2,5–3 Stunden
Im Sport definiert man Fairplay in drei Hinsichten: 1.) Fair Vorbereitungen für diesen Nachmittag: einen Schiedsrichter
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verhält sich jemand, der Regeln einhält. 2.) Fair verhält sich, oder eine Schiedsrichterin bestellen, gemeinsames Essen und
wer die Würde und die Unverletzlichkeit des Gegners achtet. Getränke organisieren.
3.) Fair verhält sich, wer auf jeden ungerechtfertigten Vorteil Setting: Die Konfirmandengruppe trifft sich auf dem
im Sinn der Chancengleichheit verzichtet. Durch diese drei Sportplatz ihrer Gemeinde zu einem Fußballspiel.
Hinsichten gelingt es dem Sport, Ungleichheit und Gleichheit Der Gruppenleiter oder die Gruppenleiterin teilt die

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Gruppe in zwei Mannschaften, wobei darauf zu achten ist, den Fragen zu notieren: „Was habt ihr beobachtet?“, „Was
dass die Mannschaften in etwa gleich stark sind und dass ist euch aufgefallen?“ Anschließend werden die Eindrücke
sich der Anteil der Geschlechter die Waage hält. Es erscheint vorgelesen und auf einem Plakat festgehalten. Die Aufgabe
nicht sinnvoll, die Konfirmanden und Konfirmandinnen zwei des Gesprächsleiters oder der Gesprächsleiterin ist, die
Mannschaften bilden zu lassen oder dass zwei Jugendli- Eindrücke und Aussagen zu ordnen. Mögliche Rubriken:
che abwechselnd eine Mannschaft wählen. Für die, die bei Spielverlauf, Teamstimmung, Schiedsrichter/Schiedsrichterin.
einer solcher Teamwahl zum Schluss übrig bleiben, ist es Hinweis: Wenn aus der Gruppe auf die o. g. Fragen nur
bitter. Wenn der Gruppenleiter oder die Gruppenleiterin die wenige Äußerungen kommen, können die Unterrichtenden
Mannschaften zusammenstellt, wird die Zusammensetzung konkreter nachfragen: „Wie beurteilt ihr den Spielverlauf?“,
eher akzeptiert. „Wie hat sich der Schiedsrichter verhalten?“, „Wer hat den
Zum Spiel: Die Mannschaften spielen zwei Halbzeiten Ball behalten?“, „Wie hoch waren die Spielanteile der Mäd-
von je 20 Minuten nach den üblichen Fußballregeln. 23
In der chen und der Jungen?“ 24 Im Gespräch ist es wichtig her-
ersten Halbzeit spielen sie ohne Schiedsrichter oder Schieds- auszubekommen, ob die Gruppen lieber mit Schiedsrichter
richterin und achten selbst auf die Einhaltung der Regeln. In der oder Schiedsrichterin oder ohne gespielt hätten. Gehen die
zweiten Halbzeit regelt ein Schiedsrichter oder eine Schieds- Jugendlichen z. B. besser miteinander um, wenn sie selbst auf
richterin das Spiel. die Einhaltung der Regeln achten müssen?
Auswertung: Nach dem Spiel setzt sich die Gruppe im Hinweis: Die Anwesenheit des Schiedsrichters bewirkt,
Kreis auf den Rasen; in der Mitte liegen viele Zettel und Stif- dass die Spieler und Spielerinnen die Verantwortung für ihr
te. Der Gruppenleiter oder die Gruppenleiterin leitet nun die Verhalten auf dem Platz sozusagen der Trillerpfeife überant-
Reflexionsphase ein und bittet darum, einzeln oder zu zweit worten („Foul ist, wenn der Schiri pfeift!“). Ohne Schiedsrich-
auf beliebig vielen Zetteln jeweils eine Antwort auf die folgen- ter hingegen bemühen sie sich nicht nur, ihr eigenes Verhal-
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ten entsprechend der Regeln zu kontrollieren, sondern auch den Konfirmandenstunden. Wählt dann eine Situation aus
das der Mitspieler und Mitspielerinnen und des Trainers oder und stellt dar, wo es eurer Meinung nach unfair zugeht und
der Trainerin. was euch stört. Dazu könnt ihr unter verschiedenen Darstel-
Nach der ersten Phase folgt ein zweiter Gesprächsgang: lungsformen wählen: Entweder übt ihr ein Rollenspiel ein oder
„Was wünscht ihr euch für ein gutes Spiel und für einen guten ihr malt eine Bildergeschichte.“
Umgang miteinander?“ Mögliche Antworten: „Jan soll keinen Hinweis: Wenn für diese Einheit mehr Zeit zur Verfügung
anmachen, wenn ein Abspiel nicht geklappt hat oder jemand steht, bieten sich folgende Alternativen: Die Gruppen foto-
zu langsam reagiert hat.“ „Nach Fouls soll sich entschuldigt grafieren mit einer Digitalkamera einzelne Szenen ihres Kon-
werden.“ „Jeder soll mal an den Ball kommen.“ fliktes, die anschließend mit dem Computer ausgedruckt und
Nach der ersten Sammlung von Aussagen werden diese auf eine Pappe aufgeklebt werden. Kurze Texte unter den
als Regeln formuliert und auf einem Plakat festgehalten. Als Fotos erläutern diese. Falls eine Konfirmandengruppe
verbindlich werden dann nur die Regeln festgehalten, die alle nicht gewohnt ist, selbstständig und kreativ zu arbeiten,
akzeptieren können. kann der Leiter oder die Leiterin jeder Gruppe zu ihrem
Hinweis: Beabsichtigt man mit diesen Gruppen noch häu- Bereich „Dilemmageschichten“ geben. In diesen Geschich-
fig Fußball nach diesen Regeln zu spielen, dann ist es nötig, ten wird jeweils ein Konflikt geschildert und die Konfir-
auch gemeinsam Sanktionen zu formulieren, wenn die Regeln manden und Konfirmandinnen sollen gemeinsam nach
nicht eingehalten werden. Sanktionsmöglichkeiten für einzelne einer Lösung suchen.
Spieler und Spielerinnen einer Fußballmannschaft: ein Spiel
aussetzen, Getränke für die Mannschaft mitbringen, Kabine 2. Präsentation der Ergebnisse (30 Minuten)
säubern, soziale Tätigkeit im Verein oder in der Gemeinde. Die Gruppen präsentieren ihre Ergebnisse. Nach jeder
Nach einer Pause folgt ein zweites Fußballspiel, in dem die Darstellung wird im Plenum darüber gesprochen, welche
Spieler gemeinsam auf die Einhaltung der für einen guten
Umgang im Sport formulierten Regeln achten.

23 Die aktuelle Fassung findet sich unter www.dfb.de;


Buchausgaben können dagegen veraltet sein.
24 Überhaupt wäre „Mädchen und Fußball“ ein interessantes Thema,
an dem sich Grundlegendes exemplifizieren ließe.
Vielleicht könnte man kurz den koedukativen KU verlassen und
eine Mädchen- und eine Jungengruppe bilden.
„ Fußball ist
Zweite Einheit
eine der
Dauer: 90 Minuten
1. Gruppenarbeit (30 Minuten)
wichtigsten
Setting: Die Konfirmandengruppe sitzt in ihrem Gruppenraum
im Stuhlkreis. In der Mitte liegen 4 Pappstreifen. Auf jedem
Aktivitäten,
steht einer der folgenden Begriffe: Eltern, Schule, Clique, Kon-
firmandenunterricht.
die Menschen
Gesprächseingang durch den Gruppenleiter oder die
Gruppenleiterin: „Nicht nur der Sportbereich spielt für viele
zusammen-
von euch eine große Rolle. Es gibt in eurem Leben noch andere
Bereiche, in denen ihr viel Zeit verbringt und mit anderen zu-
zubringen“
sammenlebt: eure Eltern, die Schule, eure Freunde, eure Clique
FOTO: WWW.GRI MM-PHOTO. DE

und unser Konfirmandenunterricht. Teilt euch nun in vier gleich Nelson Mandela, Friedensnobelpreisträger
große Gruppen. Jeder Gruppe wird ein Bereich zugeteilt. Be-
sprecht in euren Gruppen, welche Konflikte es in eurem Bereich
gibt und geben kann, z. B. zwischen Eltern und euch, zwischen
Lehrenden und Lernenden oder in eurer Clique oder hier in

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Lösungsmöglichkeiten es für diesen Konflikt gibt bzw. welche
Verhaltensweisen zu einem fairen und guten Umgang mit-
einander führen können.
Hinweis: Dieser zweite Teil der Einheit wurde schon mit
Gruppen durchgeführt. Folgende Konfliktsituationen wurden
dargestellt: aus dem Bereich „Eltern“: Taschengelddiskussion,
Ausgehbeschränkung, häufig auf jüngere Geschwister auf-
passen; aus dem Bereich „Schule“: Witze machen über Mit-
schüler, zu viel Hausaufgaben in Wochen mit großer Arbeits-
belastung; aus dem Bereich „Clique“: Gruppenzwang zum
Rauchen, Lästern, wenn einer sich anders verhält; aus dem
Bereich „Konfirmandenunterricht“: Zwang zu Gottesdienstbe-
suchen, zu viel Auswendiglernen.

3. Erneute Gruppenarbeit (15 Minuten)


Die Konfirmanden und Konfirmandinnen werden nun gebe- ren Miteinander während der Konfirmandenzeit beitragen.
ten, erneut in ihre Gruppen zu gehen und aus den Verhal- Auf ein Plakat werden aber nur jene geschrieben, auf die sich
tensweisen, die zur Lösung „ihres“ Konflikts beitragen und alle Teilnehmer einigen können. Das Plakat wird im Gruppen-
zu einem fairen Umgang miteinander führen, Regeln zu for- raum aufgehängt. Mit ihrer Unterschrift verpflichten sich alle
mulieren. Diese Regeln schreiben sie auf Pappstreifen (pro auf diese Regeln und überlegen gemeinsam Sanktionen, wenn
Streifen eine Regel). jemand eine Regel verletzt.
Beispiele für Regeln, die die Gruppen erarbeitet haben:
Weitere Bausteine zur Einheit:

• Rede mit den Eltern über deine Probleme und sage ehrlich,
was dich stört. • Gestaltung eines Gottesdienstes mit den
• Alle sollen zu Kompromissen bereit sein. Ergebnissen der KU-Einheit
• Du sollst dich rechtzeitig wehren und nicht erst dann, • Gestaltung eines Elternabends zum Thema
wenn die Wut zu groß ist. • Besuch eines Fußballspiels
• Du sollst anderen helfen, wenn sie Hilfe brauchen. • Präsentation der Ergebnisse bei einer
• Du sollst Freundschaften aufbauen und pflegen, Sitzung des Kirchenvorstands
denn jede und jeder braucht Freunde.
Zum oben ausgeführten Thema vgl. auch Gunter A. Pilz, Fair-
4. Plenum (15 Minuten) ness oder die Moral des „Fairen Fouls“, in: fair spielen – fair han-
Die Gruppen stellen ihre Regeln vor und legen sie in die Mitte deln, Ideenheft zum Medienpaket, S. 13–16
des Stuhlkreises. Nachdem alle Regeln verlesen sind, legt der/
die Leiter(in) in einen Pappstreifen in die Mitte, auf der die Andere Themen für den KU:
„Goldene Regel“ steht: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute Globale Gerechtigkeit und „Eine Welt“
tun sollen, das tut ihnen auch.“ (Matthäus 7,12) • Steffen Marklein, „Spielt Gott im Himmel Fußball?“
Gemeinsam wird darüber gesprochen, wie diese Regel zu Nachdenken mit Konfirmandinnen und Konfirmanden
den anderen passt. In diesem Gesprächsgang soll gemeinsam (oder in der Schule) über Gott, Gerechtigkeit und
FOTO: WWW.GRI MM-PHOTO. DE

erarbeitet werden, dass jeder und jede einen Teil zu einem Fußballwelt, in: FAIR spielen – FAIR handeln, S. 4 f.
fairen Miteinander beitragen muss und dass die „Goldene • KonferNormal 70 (04/2002)
Regel“ alle Regeln zusammenfasst. Zum Abschluss der Ein- • Gebet und religiöse Rituale
heit können aus den Regeln auf den Pappstreifen gemeinsam • Geschlechterverhältnis/Gender
diejenigen ausgewählt werden, die zu einem guten und fai- • Erfolg und Niederlage

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2. Aktiv ins WM-Jahr 2006: Durchführung
„Der Konfi-Cup“ Gespielt wird auf Kleinfeldern (halber Fußballplatz) mit fünf
Feldspielern und -spielerinnen und einem Torhüter oder einer
Schon seit Jahren finden in vielen Landeskirchen auf verschie- Torhüterin. Die Austragungsart des Turniers richtet sich nach
denen Ebenen Fußballturniere für Konfirmandengruppen statt. der Zahl der angemeldeten Teams. Gespielt werden kann
Ziel dieses „Konfi-Cups“ ist es, die zwischenmenschlichen Be- entweder im K.- O.- System (bei sehr vielen Mannschaften),
ziehungen der Jugendlichen in der Gruppe zu stärken und in Gruppen (9–16 Teams) oder im „Jeder gegen Jede“-Sys-
den Gedanken des Fairplay im Spiel und im täglichen Mit- tem (bei weniger als neun Teams). Die Spielzeit sollte je Spiel
einander zu verdeutlichen (soziale Dimension des Sports). mindestens 2 x 7 Minuten betragen. Weitere Informationen
Dieser Grundgedanke des Sports lässt sich leicht mit Themen zum Spielmodus sind unter den Internetadressen auf dieser
des Konfirmandenunterrichts (Nächstenliebe, Zehn Gebote) Seite unten zu finden.
verbinden (vgl. auch die oben stehende KU-Einheit). Der Abschluss der Veranstaltung kann ein Spiel der
Siegermannschaft gegen eine Pfarrer- oder Prominenten-
Vorbereitung auswahl sein. Der Erlös kann beispielsweise dem Sportverein
Die Konfirmandengruppen sollten möglichst bereits in die und einer karitativen Einrichtung (vgl. die Kollektenempfehlung
Vorbereitung des Turniers miteinbezogen werden. Sie kön- unter F) zu gleichen Teilen zukommen.
nen T-Shirts als Mannschaftstrikots entwerfen und bemalen;
Plakate und Urkunden können gemeinsam entworfen und Fairplay-Pokal
vervielfältigt werden; eine Cheerleader-Gruppe (diejenigen, Neben der Siegermannschaft sollte auch das fairste Team
die nicht aktiv Fußball spielen wollen) kann sich verschiedene ausgezeichnet werden und einen (Wander-)Pokal oder Preis
Aktionen zur Unterstützung des Teams ausdenken. Die Eltern erhalten, der sich nur wenig oder gar nicht vom Siegerpokal
der Konfirmanden und Konfirmandinnen können bei der Or- bzw. -preis unterscheidet. Weiter können der beste Torhüter,
ganisation der Verpflegung helfen. Es muss ferner festgelegt die originellsten Trikots, die besten Fans usw. ausgezeichnet
werden, wer die einzelnen Konfiteams während des Turniers werden. Ein toller Preis wäre sicher auch der gemeinsame
betreut und ob es ein Rahmenprogramm gibt (Informationen, Besuch eines Bundesligaspiels.
Unterhaltung, Sport und Spiel).
Das Turnier findet an einem Samstag oder Sonntag (nach Der Konfi-Cup im Weltmeisterschaftsjahr 2006
der ortsüblichen Gottesdienstzeit!) statt. Weniger geeignete Beim Jugendkirchentag der Evangelischen Kirche in Hes-
Termine sind im November und Dezember und natürlich die sen-Nassau, der an vier Tagen während der Fußball-WM
Wochenenden im Frühjahr, an denen die Konfirmationen stattfindet, wird der Fußball eine zentrale Rolle spielen. Beim
stattfinden. Zu klären ist, ob das Turnier draußen oder besser Turnier (über zwei Tage) sollen wie bei der Weltmeisterschaft
in der Halle durchgeführt werden soll. Die örtlichen Sport- 32 Mannschaften antreten, die die Teilnehmerländer repräsen-
vereine stellen ihre Plätze in der Regel gerne kostenlos zur tieren. Im Rahmenprogramm sollen die Jugendlichen Informa-
Verfügung, soweit die Staffelspielpläne dies zulassen. Wenn tionen über die gesellschaftspolitischen (und kirchlichen) Gege-
möglich sollte die Veranstaltung zusammen mit dem Verein benheiten in den einzelnen Ländern erhalten oder selbst erar-
organisiert werden. Der Verein kann die Turnierleitung über- beiten (z. B. als Quiz).
nehmen und stellt eventuell auch den oder die Schiedsrich-
ter/-innen. Der kirchliche Veranstalter kann sich somit auf das Weitere Informationen unter
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„Rahmenprogramm“ (Andacht zu Beginn und verschiedene www.konficup.de.vu


Aktionen während des Turniers) konzentrieren. Auf alle Fälle www.bayern.kirche-und-sport.de
muss ein Sanitätsdienst verständigt werden und am Turniertag Hans-Joachim Fischer
vor Ort präsent sein.
Der Konfi-Cup kann natürlich mit Bällen und T-Shirts aus
fairem Handel stattfinden (siehe unter G 1.).

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„ Fußballspielen ist eine Kunst,
man kann aus dem Fußballspiel aber
auch Kunst machen“
Karl Riha, Literaturwissenschaftler

„ Was besagt ein Shakespeare'scher


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Theatertod gegen das entscheidende


Kopfballtor in der 92. Minute?“
Helmut Böttiger, Publizist

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E. Bausteine für verschiedene Anlässe 3. Protestantische Weltauswahl
Die folgenden Kurztexte sind als Bausteine „Meine Damen und Herren! Ein stahlblauer Himmel wölbt sich
für Ansprachen, Texte, Kommentare und über dem Visser’t-Hooft-Stadion in Genf, das der Schauplatz
Glossen für verschiedene Anlässe gedacht. des ersten ökumenischen Fußballspieles zwischen der katholi-
schen und der evangelischen Theologie ist ... Die Protestanten
1. Sportplatz und Gottesdienst spielen mit Friedrich Schleiermacher von Idealismus Berlin im
„Auf dem Sportplatz ist es meist spannender als in der Kirche. Tor. In der linken Verteidigung, und diese Nominierung hat
Denn in der Kirche wird im Grunde immer nur das eine ge- auch überrascht, mit Emil Brunner von Ratio Zürich. In der
sagt: Du hast gewonnen, Gott hat alles für dich getan, es kann rechten Abwehrposition steht Johann Quenstedt von Justifi-
dir trotz allem gar nichts passieren. Das klingt manchmal sehr catio Wittenberg, ein harter Abwehrspieler, wie sich bisher
langweilig, und deshalb ist ein Fußballspiel meist aufregen- gezeigt hat. Im linken Mittelfeld als Aufbauspieler Nikolaus
der als ein Gottesdienst. – Manchmal freilich begreife ich: Ich Zinzendorf von der Kickerunität Herrnhut, und der rechte Mit-
brauche auch die Gewissheit, die im Gottesdienst laut wird. telfeldspieler ist Philipp Melanchthon von Justificatio Witten-
Ich muss sicher sein, dass mein Leben beschützt ist und dass berg. In der Mitte, d. h. als Libero und Doppelstopper mit
ich letzten Endes niemals verlieren kann. Ich kann nur leben, der speziellen Aufgabe betraut, die katholische Sturmspitze
und ich kann nur kämpfen in dem Vertrauen, dass die Ent- Thomas von Aquin messerscharf zu decken und gleichzeitig
scheidung über mein Leben schon gefallen ist. Deshalb gehe den Ausputzer vor dem protestantischen Tor zu machen, spielt
ich nicht nur sehr gern auf den Sportplatz. Deshalb gehe ich Johannes Calvin von Praedestinatio Geneva. Er ist übrigens
hin und wieder auch in den Gottesdienst.“ der Einzige, der hier im Visser’t-Hooft-Stadion so etwas wie
Manfred Josuttis 25
ein Heimspiel bestreitet ... Und schließlich der evangelische
Sturm! Die Protestanten stürmen auf Rechtsaußen, und diese
25 In: Möller/Ulrichs (Hg.), Fußball und Kirche, a. a. O., S. 102
Aufstellung war nie zweifelhaft, mit Karl Barth von Offenba-
rung Basel. In der halbrechten Position steht Huldrych Zwingli
2. Christentum und Spiele von Ratio Zürich. Die eigentliche Sturmspitze bei den Protes-
Vor 1600 Jahren erhob der römische Kaiser Theodosius das tanten natürlich als Mittelstürmer Martin Luther26 von Justifica-
Christentum zur Staatsreligion; zugleich verbot er die Olym- tio Wittenberg, der als evangelischer Bomber unentbehrlich
pischen Spiele, weil er in ihnen die Verehrung anderer Göt- ist. In der halblinken Position stürmt Rudolf Bultmann von der
ter erkannte. Das war damals durchzusetzen, weil die Spiele 1. Existenz Marburg und ganz links außen Herbert Braun
ohnehin am Ende waren. Heute käme damit kein Papst und von der Anthropologischen Spielvereinigung Mainz.“
keine Synode durch. Denn die festlich inszenierten Spiele um Joachim Staedtke 27
Gewinnen und Verlieren gehören zu den auffälligsten Phäno-
menen unserer Zeit. Sie ziehen regelmäßig Massen in ihren Einen Bericht über das Spiel „Iwania Göttingen gegen Lila-
Bann wie nichts anderes. Das lässt sich nicht nur an den Ein- Weiß EKD“ im Amsterdamer „Unionsstadion“ verfassten The-
schaltquoten von Fernsehsendungen ablesen, sondern auch ologiestudenten des Göttinger Stifts im Stumpfebiel im Win-
an den Bauten unserer Städte. In den meisten Ländern der tersemester 1948/49, also unmittelbar nach der Amsterdamer
Welt, auch in Deutschland, sind die größten Versammlungs- Weltkirchenkonferenz 1948. Abgedruckt ist der Text bei
stätten heutzutage Arenen, Wettkampfplätze also für Fußball, Vicco von Bülow, Der Mann mit dem „Bombenschuss“. Hans
Autorennen, Leichtathletik, Tennis. Diese Bauten sind so groß, Joachim Iwand (1899–1960) – Lutherforscher und Theolo-
weil Zigtausende live miterleben wollen, wie um Sieg oder ge im Widerstand der Bekennenden Kirche, in: Wort und
Niederlage gekämpft wird. Dürfen wir uns glücklich schät- Dienst. Jahrbuch der Kirchlichen Hochschule Bethel 26 (2001),
zen, dass wir die größten Plätze nicht mehr für politische S. 249–269, hier: 262–269.
Kundgebungen, Aufmärsche und Exerzierübungen brauchen,
sondern für Freizeitvergnügungen? Oder sollte es uns eher 26 Gerd Müller wurde gelegentlich als „Bomber“ bezeichnet.
27 Die vollständige Reportage dieses dogmengeschichtlichen Fußballspiels
bedenklich stimmen, dass regelmäßig mehr Menschen zum findet sich in Chr. Möller / H.-G. Ulrichs (Hg.), Fußball und Kirche,
S. 82–94. – Es wäre sicherlich eine reizvolle Aufgabe, eine aktuelle
Fußball gehen als in die Kirche? Dietrich Kurz Mannschaftsaufstellung der evangelischen Theologie zu finden.

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4. Herberger homiletisch thek des nahe gelegenen Praktisch-theologischen Seminars in
Immer wieder wird an den legendenumwobenen Sepp Her- Heidelberg führt von seinem reichhaltigen schriftlichen Werk
berger erinnert. Besonders sein 100. Geburtstag sowie das lediglich den kleinen Aufsatzband „Der Talar ist schwarz“.
Jubiläum „50 Jahre Wunder von Bern“ bewogen die Medien, Stefan Hamann 28
in vielen Berichten und Reportagen an den ehemaligen Trainer 5. Unfrommer Fußball
der deutschen Nationalmannschaft zu erinnern. Kaum einer Deutschland ist Fußball-Land. Und Fußball ist bäh. Selbst wenn
außerhalb Mannheims erinnert sich jedoch noch an Herber- Pfarrer den Talar an den Nagel hängen und stattdessen ins Tri-
gers jüngeren Bruder Karl. Er schlug eine andere Laufbahn kot schlüpfen, selten einfach aus Gaudi, meistens für einen gu-
ein als sein als Fußballphilosoph gerühmter Bruder und wurde ten Zweck und gegen eine Auswahl von – sagen wir – Lehrern
evangelischer Pfarrer. Er wirkte auf mehreren Pfarrstellen im oder Landespolitikern oder Lokalredakteuren antreten, dann ist
Mannheimer Raum, darunter auch 15 Jahre auf dem Waldhof. ihnen der Spott sicherer als das Lob. Da schaut die Pressemeute
Karl Herberger war in Kirchenkreisen weit über Mannheim hi- ganz genau hin, ob so ein frommer Mann nicht ganz unfromm
naus bekannt und beliebt. In Fachkreisen schätzte man seine foult, und sie hämt wahlweise über Kurzatmigkeit, weil Überge-
Begabung, wichtige Erkenntnisse der Praktischen Theologie in wicht, über die Grätsche in die gegnerischen Beine, über den
prägnanten Sätzen auf den Punkt zu bringen. So rief er seine vergeigten Elfer. Und lass den geistlichen Herrn gar Schieds-
Pfarrerkollegen dazu auf, mit der Predigtvorbereitung schon richter sein, dann ist alles zu spät. Der kriegt die Gebote der
früh (Sonntagabends) zu beginnen und nicht bis Samstag zu Nächstenliebe um die Ohren gehauen, dass es nur so rauscht.
warten, denn: „Nach der Predigt ist vor der Predigt“ und „Der Fußball, da beißt die Maus keinen Faden ab, Fußball ist brüllen-
nächste Predigttext ist immer der schwerste“. Die Klarheit sei- de Horde auf den Rängen, ist Buntschal um den Hals und Bier
nes homiletischen Denkens gipfelte in dem Satz: „Die Kanzel in der Hand, ist dümmliches Liedgut mit holperndem Versmaß,
ist rund.“ Manches an Karl Herbergers Predigttheorie blieb al- ist pseudoreligiöses Ritual: das Kreuz schlagen vor dem Schuss,
lerdings umstritten, so etwa sein viel zitierter Satz „Eine Predigt niederknien nach verwandeltem Elfmeter, Choräle („Und wir
dauert 90 Minuten.“ (So noch in der 1. Auflage von 1953; in steigen wieder auf, halleluja!“). Fußball ist die schönste Neben-
der 7. Auflage 1958 wurden daraus 50 Minuten, in der 11. sache der Welt mit unübersehbaren Folgen.
Auflage 1962 änderte er die Aussage in 30 Minuten ab.) Ger- Barbara Kamprad / Hans-Albrecht Pflästerer 29
ne predigte er über einen apokryphen Satz Jesu, den dieser
bei seinem Abschied zu den übrig gebliebenen Aposteln ge- 6. Pech mit der Nr. 13?
sprochen hatte: „Elf Freunde müsst ihr sein!“ (Dieser Ausspruch Ein transfair-Handelspartner hat neben Bällen auch Fußball-
findet sich in dem apokryphen Werk „Weisheiten Josepps“.) Bei trikots im Angebot. Das Torwarttrikot trägt die Nummer 1, die
einer Visitation im Herbst 1954 musste Karl Herberger aller- anderen 13 Trikots die Nummern 2 bis 12 und 14 und 15. Auf
dings deutliche Kritik von Seiten des Dekans einstecken. In dem die Anfrage, warum im Trikotsatz die Nummer 13 fehle, lau-
aufschlussreichen Visitationsbericht wird bemängelt, „dass der tete die Antwort: Diese Nummer würde standardmäßig nicht
Amtsinhaber mehrfach statt vom Heiligen Geist vom ‚Geist von ausgeliefert, da manche Besteller abergläubisch seien. Gott sei
Spiez’ gesprochen hat“. (Visitationsbericht, S. 23) Nur geteilten Dank (!), war Gerd Müller nicht abergläubisch, sondern wur-
Beifall fand auch eine liturgische Neuerung, die Herberger in de mit dieser Nummer Torschützenkönig bei der WM 1970 in
dieser Zeit in seinen Gottesdiensten eingeführt hatte. Vor dem Mexiko und erzielte später in seinem letzten Spiel in der Nati-
Loblied wurde folgender Wechselgesang eingeschoben: „Aus onalmannschaft das 2:1 im Finale gegen Holland bei der WM
dem Hintergrund müsste Rahn schießen“, worauf die Gemein- 1974 in Deutschland. Michael Ballack, gerade im Hinblick auf
de mit „Rahn schießt und Tor!“ antwortete. Immerhin vermerkt die WM 2006 der deutsche Führungsspieler, trägt die Nr. 13.
der Bericht, das nachfolgende Loblied habe man sonst in ganz Ich habe in meiner Jugend auch gerne mit der Nummer 13
Mannheim nirgends mit solcher Inbrunst singen hören. gespielt, aber genutzt hat die Nummer 13 leider auch nichts.
Liegt es an den Ecken und Kanten in seinem Werk oder da- Hans-Georg Ulrichs
ran, dass er im Schatten seines berühmten Bruders stand, dass
diesem Mannheimer Homiletik-Philosophen bis heute nicht die 28 Zuerst abgedruckt in: Badische Pfarrvereinsblätter. Mitteilungsblatt des
Evangelischen Pfarrvereins in Baden e.V. 1997, S. 127 f. (hier leicht gekürzt).
ihm gebührende Stellung eingeräumt wurde? Selbst die Biblio- 29 Grupe / Huber, Zwischen Kirchturm und Arena, S. 300.

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7. Wahres Fairplay „Passive“, wie oft unterstellt oder gesagt wird, sondern ak-
Was meint Fairplay? Zunächst einmal: sich an die Regeln hal- tiv Mitgestaltende, daher mit verantwortlich dafür, ob es ein
ten, und zwar auch in den Situationen, die der Schiedsrichter gutes Spiel wird oder nicht ... Sportzuschauer sind kritisiert
nicht kontrollieren kann oder übersehen hat. Die Zuschau- worden, seit es sie in Massen gibt. Sie seien ungebildet,
er, in großen Spielen unterstützt durch das allgegenwärtige irrational, unpolitisch – sie sollten ihre Zeit doch besser
Fernsehauge und die Zeitlupe, können dabei mitwirken. Aber verwenden, wenn schon nicht für Bildung und politische Arbeit,
wahres Fairplay geht darüber hinaus. Eine typische Situati- dann wenigstens für aktiven Sport. Aber: Wer wird Museums-
on: Ein Spieler hat sich verletzt. Ein Mitspieler seines Teams besucher oder das Publikum eines Konzerts deshalb kritisieren,
schlägt den Ball ins Aus, damit der Arzt aufs Spielfeld kommen weil sie nicht selbst malen oder musizieren? Sicher finden sich
kann. Der Spieler wird versorgt, das gegnerische Team erhält auf den Rängen eines Stadions mehr aktive Sportler als auf
regelrecht den Ball zugesprochen, schlägt ihn aber absicht- den Rängen eines Theaters aktive Schauspieler.
lich ins Aus. Was steckt dahinter? Die körperliche Unversehrt- Dietrich Kurz
heit jedes Einzelnen ist ein höheres Gut als irgendein Vorteil
im Spiel. Einen Vorteil im Spiel, der uns zugefallen ist, weil 11. Am Ende: Tränen
unser Spielgegner ein höheres Gut schützen wollte – einen Nach einem guten Spiel kann es sein, dass Tränen fließen,
solchen Vorteil geben wir zurück, auch wenn keine Regel das auf beiden Seiten, bei Siegern und Verlierern, sogar auf den
verlangt. Im Fairplay zeigt sich damit, ob die Spieler bei al- Zuschauertribünen und an den Bildschirmen. Tränen vor
lem Einsatz für den Sieg eine höhere Moral anerkennen, eine Glück und Enttäuschung, das liegt so dicht beieinander.
Moral, die nicht aus dem Sinn des Spiels allein, sondern aus Aber warum Tränen? Weil alle spüren, dass sich da etwas
der Achtung vor der Person des Gegners erwächst. ereignet hat, das bei allem guten Willen letztlich doch nicht
Dietrich Kurz ganz in unserer Macht stand. Vielleicht auch, weil manche
denken: So sollte unser Leben auch sonst sein. Konflikte,
8. Fairplay und Frieden Konkurrenz, Gegnerschaft – die schaffen wir nicht aus der
(Der Sport) eröffnet ... einen internationalen und universellen Welt. Aber wir können mitmenschlicher, christlicher mit ihnen
Horizont; er kann partnerschaftliche Beziehungen zwischen umgehen. Was für ein Traum!
Menschen unterschiedlicher Lebensverhältnisse, Nationen Dietrich Kurz
und Rassen knüpfen und leistet durch Fairplay und Chan-
cengleichheit einen wichtigen Beitrag zu Frieden und Völker- 12. Loslassen
verständigung. Das Spiel ist anders als das gewöhnliche Leben; große Spiele
sind festliche Abwechslungen im Alltag. Der gute Zuschauer
Evangelischer Erwachsenenkatechismus (6. Auflage, 2000), S. 460
weiß das und genießt und feiert das Spiel, kehrt aber dann
in den Alltag zurück. Er weiß zu unterscheiden, und er ge-
nießt diesen Unterschied. „Kein Schritt mehr ohne Fußball“
9. Politik als Metaspiel
empfiehlt ein Handy-Anbieter seinen Informationsdienst, mit
Mannschaften bei einer WM repräsentieren Nationen. Die
dem ich überall und jederzeit aktuelle Ergebnisse und Spiel-
Spiele auf dem Rasen können aufgefasst werden als Probe
stände aus allen Stadien abrufen kann. Das mag eine witzige
auf die Leistungsfähigkeit der Nationen, deren National-
Werbung sein, und ich weiß nicht, wie viele Menschen es gibt,
mannschaften dabei sein dürfen. Das wird auch 2006 so
die nach dieser Devise leben – aber den Bestattungsunter-
sein, und es wird Auswirkungen haben auf das Verhältnis der
nehmer, der Särge in Vereinsfarben und Urnen in Form eines
Nationen nach dem Ereignis, auf ihr Ansehen in der Welt und
Fußballs verkauft, den gibt es wirklich und er scheint seine
FOTO: PLAINPICTURE / SANDER, J.

die Stimmung in der Bevölkerung.


Produkte gut zu verkaufen.
Dietrich Kurz
Dietrich Kurz

10. Zuschauer
Zuschauer gehören zum Spiel, sind für viele Spiele kaum
verzichtbar. Sie sind auch nicht einfach „Konsumenten“ oder
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13. Fußball (nebst Abart und Ausartung)
Der Fußballwahn ist eine Krank-
heit, aber selten, Gott sei Dank!
Ich kenne wen, der litt akut
an Fußballwahn und Fußballwut.
Sowie er einen Gegenstand
in Kugelform und ähnlich fand,
so trat er zu und stieß mit Kraft
ihn in die bunte Nachbarschaft.
Ob es ein Schwalbennest, ein Tiegel,
ein Käse, Globus oder Igel,
ein Krug, ein Schmuckwerk am Altar,
ein Kegelball, ein Kissen war,
und wem der Gegenstand gehörte,
das war etwas, was ihn nicht störte.
Bald trieb er eine Schweineblase,
bald steife Hüte durch die Straße.
Dann wieder mit geübtem Schwung
stieß er den Fuß in Pferdedung.
Mit Schwamm und Seife trieb er Sport.
Die Lampenkuppel brach sofort.
Das Nachtgeschirr flog zielbewusst
der Tante Berta an die Brust.
Kein Abwehrmittel wollte nützen,
nicht Stacheldraht in Stiefelspitzen,
noch Puffer, außen angebracht.
Er siegte immer, 0 zu 8, Kartoffeln spritzten und Zitronen.
und übte weiter frisch, fromm, frei Man duckte sich vor den Melonen.
mit Totenkopf und Straußenei. Dem Krautkopf folgten Kürbisschüsse.
Erschreckt durch seine wilden Stöße, Dann donnerten die Kokosnüsse.
gab man ihm nie Kartoffelklöße. Genug! Als alles dies getan,
Selbst vor dem Podex und den Brüsten griff unser Held zum Größenwahn.
der Frau ergriff ihn ein Gelüsten, Schon schäkernd mit der U-Boots-Mine
Was er jedoch als Mann von Stand besann er sich auf die Lawine.
aus Höflichkeit meist überwand. Doch als pompöser Fußballstößer
Dagegen gab ein Schwartenmagen fand er die Erde noch viel größer.
dem Fleischer Anlaß zum Verklagen. Er rang mit mancherlei Problemen.
Was beim Gemüsemarkt geschah, Zunächst: Wie soll man Anlauf nehmen?
kommt einer Schlacht bei Leipzig nah. Dann schiffte er von dem Balkon
Da schwirrten Äpfel, Apfelsinen sich ein in einen Luftballon.
FOTO: PLAINPICTURE / SANDER, J.

durchs Publikum wie wilde Bienen. Und blieb von da an in der Luft,
Da sah man Blutorangen, Zwetschen verschollen. Hat sich selbst verpufft. –
An blassen Wangen sich zerquetschen. Ich warne euch, ihr Brüder Jahns,
Das Eigelb überzog die Leiber, vor dem Gebrauch des Fußballwahns!
ein Fischkorb platzte zwischen Weiber. Joachim Ringelnatz (1923)

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F. „Ein starkes Stück Leben“ und -experten; so konnte etwa Carl Diem auch in kirchlichen
Theologische Wegmarken zum Verhältnis von Zeitschriften vor der „Versumpfung ins Passive“ warnen. Sport
Protestantismus und Sport (Hans-Georg Ulrichs) als weites kulturelles Phänomen einschließlich seines Charak-
ters als Massenunterhaltung und seiner ökonomischen Zusam-
„Sport und Spiel“ erfahren in den 1999 publizierten Über- menhänge war noch nicht im Blick – oder wurde gerade darin
legungen „Zum Verhältnis von Protestantismus und Kultur im negativ eingeschätzt. Der Schriftsteller Friedrich Christian De-
neuen Jahrhundert“ eine bis dahin nicht erreichte Würdigung lius hat in seinen Erinnerungen an den „Sonntag, an dem ich
durch die evangelischen Kirchen. Zwar gab es schon längst Weltmeister wurde“ eindrücklich beschrieben, welche Atmos-
zuvor kirchliche Sportarbeit, Kooperationen zwischen Kirche phäre im deutschen Protestantismus der 50er Jahre herrsch-
und Sport 30 sowie theologische Überlegungen und kirchliche te und wie Fußball darin (nicht) gesehen wurde. 33 Der Sport
Stellungnahmen, aber die Einsicht, dass Sport zu den elemen- wurde, wenn er von der Kirche überhaupt wahrgenommen
taren Formen menschlichen Lebens und in seiner Praxis als wurde, in seiner Bedeutung für die Persönlichkeitsbildung und
ein eigenständiger kultureller Bereich ein bedeutendes und für das Erlernen von Regeln und Ordnungen wertgeschätzt.
lebensdienliches Phänomen darstellt, ist ein bemerkenswerter Karl Zeiß, der 1961 in den Sportbeirat des DSB berufen wur-
Fortschritt. Der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang de, hatte 1960 erklärt: „Wir bejahen den sauber betriebenen
Huber, sagte im Hinblick auf die Weltmeisterschaft: „Fußball Sport, weil wir erstens nicht leibfeindlich eingestellt sind, zwei-
ist ein starkes Stück Leben.“ Und wo Leben gleichsam so kon- tens, weil wir Freude am Spiel und an der Leistung haben, und
zentriert wie im Sport gelebt wird, ist auch der Glaube als drittens, weil im sauber betriebenen Sport der Mensch sich in
Orientierung und Horizont wichtig. einer guten Weise entspannen und entkrampfen kann.“ 34

1. Hauptsache, die Moral stimmt!


Gemeinsame Wertschätzung des Sports
Im CVJM (bzw. seiner globalen Organisation YMCA) spielte
„ Um Fußball
der Sport als Element kirchlicher Jugendarbeit von Anfang
an eine große Rolle. 1925 wurde im CVJM mit dem „Eichen-
zu stoppen,
kreuz“ die evangelische Sportarbeit auch vereinsmäßig etab- muss die
liert. Mit dieser Gründung „trat der vaterländische Gedanke in
der Sportarbeit hinter die religiösen Ziele zurück“. 31 Im 1928
Sintflut
veröffentlichten Eichenkreuz-Katechismus von Gerhard Kunze
werden die jungen Christen aufgerufen, ihren Körper in den
kommen“
Dienst der Heiligung zu stellen und sich vor den geistlichen Gerd Müller, „Bomber der Nation“
Gefahren einer Verabsolutierung des Sports zu hüten. 32

Seit 1945 sind es nicht zuletzt die Evangelischen Akade-


mien, die auf Seiten der Kirche politische und gesellschaftliche Eine „idealistische“ Anschauung von Sport, freilich
Themen aufgreifen; besonders die Evangelische Akademie schon erweitert um die sportlichen Zuschauer, hat der holländi-
Bad Boll war immer wieder Ort bedeutender Sporttagungen. sche Philosoph F. J. J. Buytendijk auch für den Fußball formuliert:
Innerhalb des Protestantismus waren es zunächst eher einzel- „Das Fußballspiel gehört zu den sozialen Sportspielen. Das
ne Personen wie etwa Pfarrer Karl Zeiß, die den Sport beglei- bedeutet: Jeder Spieler ist ein Mit-Spieler, und will dies auch als
teten, aber in ihm gab es doch nicht so prägende Gestalten Gegen-Spieler bleiben ... Das Ziel ist ausschließlich, ein gutes
FOTO: PLAINPICTURE / SIGMUND, M.

wie den katholischen Prälaten Ludwig Wolker, der maßgeb- Spiel zu spielen durch einen ehrlichen Kampf um den Sieg.
lich zum Aufbau eines einheitlichen Sports in Deutschland Hat man einmal begriffen, dass in den sozialen Sport-
beitrug. Zeiß und andere kirchliche Vertreter waren Sport- spielen der Gegner zugleich der Mitspieler ist, dann versteht
idealisten, die unter Sport in erster Linie den aktiv betriebenen man die Grundlage der ‚Moral’, die auch der Fußballsport zu
und „sauber“ ausgeführten Sport verstanden. Darin gingen entwickeln und aufrechtzuerhalten bemüht ist. Diese ‚Moral’
sie durchaus überein mit der Mehrheit der Sportfunktionäre äußert sich im Respektieren der Spielregeln, in der Bejahung

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der Disziplin und folglich der eventuellen Strafen; vor allem „anthropologische Wende“ bei den theologischen Überle-
aber äußert sie sich im ‚fair-play’ und in einem ‚guten Humor’ gungen zum Sport steht, befasst sich umfangreich in seiner
[engl.: good humour]. (...) Will man den sozialpädagogischen Ethik damit, verfasst aber auch eigenständige Abhand-
Wert des Fußballspiels erhalten, dann muss die Moral die- lungen zum Thema.38 Insgesamt aber resümiert Rüdiger
ses Sports auf einem hohen Stand gehalten werden. Dies ist Schloz 1972: „(Der) Sport wurde theologisch kaum
nicht nur abhängig vom Geist in den Vereinen, sondern in reflektiert ... Eine Durchsicht der protestantischen
gleichem Maße von der Haltung des Publikums bei den Wett- Ethiken bestätigt eindrücklich die marginale Stellung der
spielen. Es ist wichtig, dass die Zuschauer das Spiel als ein Sportproblematik in der theologischen Reflexion.“ 39
Zusammenspiel zweier Parteien auffassen und nicht als einen
30 Vgl. Norbert Wolf, Zeittafel: Kirche und Sport. Entwicklungen der Zusammen-
Kampf einer Anzahl von Freunden, Stadt- und Landgenossen arbeit von 1945 bis 2000 aus evangelischer Sicht – Strukturen, Veranstaltun
gen,Verlautbarungen, in: Grupe /Huber, Zwischen Kirchturm
gegen einen ‚Feind’.“ 35 und Arena, S. 318–326.
31 Sternberg, 22. Zum CVJM / Eichenkreuz vgl. Sternberg, S. 21–63; Rolf Müller,
Buytendijk ist später oft zitiert worden, etwa von Zwischen Eigenständigkeit und Fremdbestimmung. Die Geschichte des Sports
im CVJM in Deutschland von den Wurzeln bis zum Ende des 20. Jahrhunderts,
Martin Hörrmann (1968), der 1970 der erste Sportpfarrer 2 Teile, Kassel 2002.
32 Sternberg, S. 23, Anm. 8.
der EKD36 wurde. Ähnliche Wege geht Manfred Hausmann, 33 Friedrich Christian Delius, Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde.
Erzählung, Reinbek bei Hamburg 1994.
der in seinem Vortrag zum 60. Jahrestag der Gründung des 34 Zit. n. Sternberg, S. 89.
35 F.J.J. Buytendijk, Das Fußballspiel. Eine psychologische Studie, zit. nach:
DFB im Fußball einen „Spiegel des Lebens“ sieht, von dem 60 Jahre DFB. Eine Festschrift zum 60jährigen Bestehen des deutschen
Fußball-Bundes, Köln 1960, S. 224–230, hier: 226 f.
sich für das soziale Leben lernen lässt. In systematisch- 36 1975 übernahm H. Döring diese Aufgabe, 1981 Siegfried Mentz, 1990
Klaus-Peter Weinhold (bis 2005). Karl Zeiß war seit 1952 nebenamtlich
theologischen Werken begegnet uns der Sport bis in die beauftragt gewesen.
37 Karl Barth, Kirchliche Dogmatik III/4, S. 406 ff.
FOTO: PLAINPICTURE / SIGMUND, M.

38 Helmut Thielicke, Theologische Ethik II/1, S. 462–464, III/3, 815 ff., ders.,
Gegenwart eher selten; die meisten Erwähnungen finden Sport und Humanität, Tübingen 1967; vgl. auch Abschnitt bei M. Hörrmann,
S. 52–59. Es war auch ein offener Brief des damaligen Hamburger
sich dann wohl bei Ausführungen über den ersten Glau- Universitätsrektors Thielicke, der 1961 Uwe Seeler bewog, trotz eines Millionen-
Angebotes aus Italien in Hamburg zu bleiben. Vgl. Uwe Seeler, Danke, Fußball!
bensartikel im Zusammenhang mit der leiblichen Verfasstheit Mein Leben, Reinbek bei Hamburg 2003, S. 52–54, 62.
39 Rüdiger Schloz, Probleme und Ansätze in der protestantischen Theologie, in:
des Menschen. So behandelt etwa Karl Barth, der ethische Sport im Blickpunkt der Wissenschaften. Perspektiven, Aspekte, Ergebnisse,
im Auftrage des Organisationskomitees für die Spiele der XX. Olympiade
Ausführungen in seine Dogmatik integriert, Sport v. a. in der München 1972, hg. von H. Baisch u.a., Berlin/Heidelberg /New York 1972,
S. 64; 72. Der badische Landesbischof Hans-Wolfgang Heidland hat als
Schöpfungslehre.37 Helmut Thielicke, dessen Name für eine früherer Hochleistungssportler später im Bischofsamt den Sport reflektiert.

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2. Zusammenspiel aus einer „Kritische“ Philosophen und Soziologen hatten nicht nur
massierten Defensive heraus
das baldige Ende von Religion und Kirche behauptet,
Sport und Kirche in der gesellschaftlichen Kritik sondern dem Sport, besonders dem Fußball, vorgeworfen,
1964 kam es zur Gründung des Arbeitskreises „Kirche und von den bedrückenden Lebensverhältnissen abzulenken
Sport“, Mitte der 60er Jahre zur Gründung der entsprechen- und Defizite an Lebenschancen zu kompensieren.
den Landesarbeitskreise. Ein immer wiederkehrendes Problem Mit den Olympischen Sommerspielen 1972 44 kam
zwischen Kirche und Sport ist die Frage des Sonntags und sei- zum ersten Mal ein Sportereignis von globalem Rang in die
ner angemessenen Beachtung. Auch aus diesem Konflikt heraus Bundesrepublik Deutschland. Ein großer Kongress gab auch
entstand ein Briefwechsel zwischen Kurt Scharf, Julius Kardinal der evangelischen Theologie die Möglichkeit, sich zu arti-
Döpfner und Willi Daume (1965–67) 40, der auch die gesell- kulieren. Rüdiger Schloz berichtet über die „Probleme und
schaftliche Partnerschaft der beiden großen Bürgerbewegun- Ansätze in der protestantischen Theologie“. Nach kritischer,
gen in den Blick nahm. In der „Charta des Deutschen Sports“ gerade auch funktionaler Sicht auf Kirche und Theologie im
vom Deutschen Sportbeirat (1966) werden die Kirchen als Part- Verhältnis zu Leiblichkeit, zu Spiel und Sport, resümiert er und
ner erwähnt. Im Folgenden beschäftigte sich der Sport mit den argwöhnt prospektiv, dass der theologische Beitrag zum Sport
kirchlichen Partnern, die Kirche mit dem Sport, wie etwa beim „in nur vagen Konturen erkennbar geworden“ ist. Theologi-
Stuttgarter Kirchentag 1969. Eine „Entschließung“ nach der Ver- sche Anthropologie und Soziallehre müssten, wollten sie hier
anstaltung über Fragen des Sports lautete: „Die Veranstaltung kompetent Stellung beziehen, ihre Traditionen kritisch sehen,
hat erneut die Notwendigkeit einer kritischen Solidarität von Kir- kontextuell lernen und sich mit den modernen Sozialwissen-
che und Sport bewiesen. Diese muss auch in der Alltagspraxis schaften auf den Weg begeben.
wirksam werden.“ Man bittet deshalb, ein „Programm der Part- Die 1972 erschienene Denkschrift „Sport, Mensch und
nerschaft“ zu erarbeiten .“
41
Gesellschaft“ greift diese Themen auf, freilich mit positiverem
Dieser Bitte wurde 1971 mit dem von der evangeli- Tenor und in produktiver Absicht. „
schen und katholischen Kirche gemeinsam mit dem DSB er- „10. (...) Weil Sport scheinbar nicht notwendig,
arbeiteten „Programm einer Partnerschaft“ unter dem Titel sondern überflüssig und zwecklos ist, sollte sportliches Spiel
„Kirche und Sport“ entsprochen. Im gleichen Jahr erklärte den Menschen als ein Wesen sichtbar werden lassen, das
die EKD-Synode: „Wir unterstützen eine Partnerschaft von zur Freiheit bestimmt ist. Sie ist umso wichtiger, als Menschen
Kirche und Sport im Bildungswesen. Aus der Verantwortung heute gezwungen sind, ihr Leben in der Arbeitswelt in ge-
des Menschen für seine Leiblichkeit ergeben sich – insbesondere normten Rollen zu verbringen.
angesichts der heutigen Bewegungsarmut und des vorhande- 11. Sport und Spiel können das Leben durch ihre
nen Nachholbedarfs – Chance und Verpflichtung zu Spiel und spezifische Art von Entrückung in den jeweils bestehenden
Sport, die in allen Bereichen von Schule und Gesellschaft wahr- gesellschaftlichen Bedingungen erträglicher machen. Sie
genommen werden sollten.“ 42
schaffen Distanz zu den sonstigen Anforderungen und
Diese Kooperationen sind durchaus auch auf dem Umständen des Lebens. Die dabei gemachten Erfah-
Hintergrund des abnehmenden gesellschaftlichen Einflusses rungen von Freiheit und Glück können Einsichten und Kräf-
beider Gruppen zu sehen. Zwei eben nicht mehr unange- te freisetzen, die dann in anderen Bereichen für ein freieres
fochtene gesellschaftliche Großgruppen suchen in der Defensi- und erfüllteres Leben wirksam werden. Sport und Spiel sind
ve nach neuen Kooperationsmöglichkeiten. „Die Tatsache, dass darum wichtige Beiträge zu einem menschlicheren Leben in
diese Koalition sich ausgerechnet in einer überaus kritischen einer freieren Gesellschaft.
Phase beider Parteien abzeichnet, legt allerdings das Bedenken 12. Angesichts dieser Bedeutung und der Probleme,
FOTO: PLAINPICTURE / GÖRLICH, S.

nahe, ob ihre Tendenz nicht eher defensiv, konformierend und die im Sport enthalten sind, muss es als Versäumnis betrachtet
auf Selbsterhaltung gerichtet ist, als dass sie in der Absicht, sich werden, dass der Sport in der kirchlichen Arbeit und
den sozialen Herausforderungen nunmehr zu stellen, emanzi- der theologischen Wissenschaft bisher nur unzureichend
pativ die ekstatischen, eschatologischen, kritischen, systemverun- behandelt worden ist. Über Spiel und Sport wurde dort
sichernden und -verändernden Momente, die in beiden Parteien weit weniger nachgedacht als über andere Lebensbereiche
angelegt sind, zur Geltung brächte.“ 43
der Gegenwart.“ 48

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„ Fußball ist eine Funktion der seelischen und gesellschaftlichen Entlastung
erfüllen. Er kann eine wichtige Ergänzung gegenüber einer
ein starkes Stück einseitigen beruflichen Inanspruchnahme und einer unbefrie-

Leben“ digten Lebenserfüllung darstellen. Er darf aber weder inhu-


mane soziale und politische Verhältnisse durch spektakuläre
Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der EKD
Veranstaltungen verschleiern, noch soll ihm selbst die Aufgabe
„53. Der heutige Hochleistungssport ist auf der ganzen gestellt werden, politische Veränderungen herbeizuführen.
Welt zu einem Mittel der Politik geworden. Sport erscheint 55. Diese Gefahren vermindern aber nicht die po-
als eine Möglichkeit, Prestige für den Staat und sein gesell- sitive Bedeutung des Sports. In dem Maße, in dem sich die
schaftliches System zu gewinnen. Das Interesse von Staaten Nationen zu einer Weltgesellschaft entwickeln, kann auch
an diesem Prestige wirkt sich in einer intensiven Förderung der Sport eine zunehmende Bedeutung im Rahmen einer
des Hochleistungssports aus. Durch diese Umstände können Weltfriedenspolitik gewinnen. Die Begeisterung für ihn und
zugleich Nationalismus und Chauvinismus geweckt und das sein international geltendes Regelwerk schaffen Möglich-
Zusammenleben der Völker vergiftet werden. Das gilt beson- keiten der friedlichen Begegnung zwischen Nationen und
ders dort, wo die Sporterziehung nur das eigene Prestige und Rassen. Diese gilt es bewusster und sorgfältiger zu pflegen
nicht die Achtung des Gegners im Auge hat. und zu nützen als bisher.“ 49
54. Wird der Spitzensport für die Gesellschaft zu ei- „90. In vieler Hinsicht steht der Sport heute vor ähn-
nem Fetisch, dann führt die Sportbegeisterung vielfach zu ei- lichen Fragen und Problemen wie die Kirchen. Oft entsteht dort
FOTO: PLAINPICTURE / GÖRLICH, S.

ner Flucht vor notwendigem politischem und sozialem Enga- die beste Zusammenarbeit, wo man sich die eigenen Verlegen-
gement. Man vergisst die grundlegenden politischen und so- heiten gegenseitig eingesteht und gemeinsam die Nöte und
zialen Probleme und beruhigt sich angesichts der sportlichen Bedürfnisse der Menschen ins Auge fasst. Die Not des heuti-
Erfolge und der dafür gemachten Aufwendungen. Sie können gen Menschen wird durch eine Trennung oder gar Konfronta-
zu einem ‚Opium des Volkes’ werden. Diese Gefahr teilt der tion von Kirche und Sport nur vergrößert und das, obwohl
Sport mit anderen Vorgängen in der Freizeit. Sport soll zwar beide das menschliche Leben bereichern wollen.“ 50

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Jürgen Moltmann rief zu Beginn der 70er Jahre gleicher- 3. Schnell von Abwehr auf Angriff umschalten !
maßen gegen die konservativ-traditionelle wie gegen die Gemeinsame ethische Orientierungen
progressiv-ethisierende Werkgerechtigkeit die Freiheit des
Spiels in Erinnerung. „Können (...) Glaubende spielen? Die verabredeten Kontakte zwischen Kirche und Sport haben
Haben sie nicht Wichtigeres zu tun? Nun, das Spiel hat Bestand. 1975 fand das erste „Spitzengespräch“ 52
statt, auf
immer Unschuld zur Voraussetzung. Nur Schuldlose, dem die sich 1976 konstituierende „Kontaktkommission“ be-
nämlich Kinder, oder von der Schuld Befreite, nämlich schlossen wurde, die seitdem regelmäßig aktuelle Probleme
Geliebte, können spielen.“ bespricht und die „Spitzengespräche“ vorbereitet. Der Sport
Das fröhliche Spiel in dieser ernst zu nehmenden Welt ist war seit den 70er Jahren neuen Problemen ausgesetzt: Die
deshalb auf dem Hintergrund des Ausganges der Geschichte Dopingproblematik wird in den 70er Jahren virulent, die
Jesu (Ostern) dem Glaubenden gemäß.51 (welt)politische Instrumentalisierung des Sports bedroht sei-
ne Freiheit (Fußball-WM 1978 in Argentinien, die Olympia-
40 Deutscher Sportbund (Hg.), Kirche und Sport. Bestandsaufnahme und
Zukunftsperspektive, Frankfurt a.M. 1968, 86 –99. Vgl. Sternberg, 90 f. Boykotte Moskau 1980 und Los Angeles 1984). Die Kirchen
41 Deutscher Evangelischer Kirchentag Stuttgart 1969. Dokumente,
Stuttgart/Berlin 1970, 817. bemühen sich um ethische Orientierung und um grundsätz-
42 Zit. n. Sternberg, 96.
43 Schloz, 72. liche unterstützende Weisung, wie etwa 1988 mit dem Wort
44 Vgl. Sternberg, 98.
45 Schloz, 64–83; 93–97. Schloz blickt 1999 zurück, vgl. ders.,
Zwischen „Unverhältnis“ und Partnerschaft. Fünfzig Jahre Kirche und Sport,
„Fairness im Sport“ von Martin Kruse und Bischof Karl Leh-
in: Grupe/Huber, Zwischen Kirchturm und Arena, 53–71.
Vgl. auch Sternberg, 305–308. mann. Nicht zuletzt aufgrund der Analyse einer veränderten
46 Schloz, 81.
47 Eine sozialethische Studie der Kammer für soziale Ordnung der Wertorientierung und aufgrund von Bitten aus dem Bereich
Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 1972.
Vgl. Sternberg, 96–98, 130 ff. des Sports entstand 1990 „Sport und christliches Ethos. Ge-
48 Sport, Mensch und Gesellschaft, 12.
49 Sport, Mensch und Gesellschaft, 27 f. meinsame Erklärung der Kirchen zum Sport.“ 53
50 Sport, Mensch und Gesellschaft, 40.
51 Jürgen Moltmann, Die ersten Freigelassenen der Schöpfung.
Versuche über die Freude an der Freiheit und das
Wohlgefallen am Spiel, München 1971. „1.8. Politisierung im Sport
Aufgrund der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung und
der vermehrten Präsentation in den Medien gewinnt der Sport

„ Worin ähnelt der Gewicht – auch im politischen Bereich. Das zeigt sich in der
Einflussnahme von Politikern und politischen Gremien auf den

Fußball Gott? Sport: etwa zur Darstellung der Überlegenheit eines Gesell-
schaftssystems oder als Mittel des politischen Protests (z. B.

In der Ehrfurcht, Boykottempfehlung). Insbesondere totalitäre Staaten nehmen


den Sport als politische Agitationsgrundlage in Anspruch.

die ihm viele Umgekehrt darf der Sport die politischen Realitäten nicht
übersehen (z. B. Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen).

Gläubige 1.9. Kommerzialisierung im Sport


Die Einflussnahme der Wirtschaft und besonders der Werbung

entgegenbringen, auf den Sport und den Sportler hat sich in den letzten Jahren
in vielen Sportarten verstärkt und findet ihren Höhepunkt in

und im Misstrauen, der Vermarktung von Meisterschaften und Olympischen Spie-


len. Zwar können politische Einflussnahmen durch die damit

mit dem ihm viele verbundene, relative finanzielle Unabhängigkeit zurückge-


drängt werden, der Sport gerät aber dadurch in größere Ab-

Intellektuelle hängigkeiten von Wirtschaftsinteressen. Dies gilt inzwischen


auch für den Freizeit- und Breitensport, wie zum Beispiel die

begegnen“ Entwicklung der kommerziellen Fitnessstudios zeigt.


1.10. Sport – (k)eine Ersatzreligion
Eduardo Galeano, Schriftsteller, Uruguay Eine Wurzel des Sports ist im Kult zu sehen. Die Kultstätten der

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griechischen Antike sind dafür herausragende Beispiele. Auch zum ideellen Anspruch sind jedoch in einer auf Erfolg ausge-
heute finden wir bei großen Sportveranstaltungen, insbeson- richteten Gesellschaft zunehmend Fehlentwicklungen im Sport
dere bei den Eröffnungs- und Schlussfeiern der Olympischen zu beobachten. Die Achtung vor der Unversehrtheit und der
Spiele, rituelle Gestaltungsformen, die einerseits die religiös- geschöpflichen Würde des Gegners wird dem Erfolg
kultische Dimension des Sports ausdrücken und andererseits geopfert. Dies hat verschiedene Ursachen: Das Konkur-
den Eindruck von Religionsersatz erwecken. renzprinzip hat schärfere Züge bekommen; die Bereitschaft
Der Sport kann keine Ersatzreligion sein. Für viele zur Gewalt hat zugenommen; die Ehrfurcht vor dem Leben
Menschen ist er jedoch zu einem Religionsersatz geworden. aber hat nachgelassen.
Sie erleben die Dimension des Religiösen und Transzendenten In dieser Situation sind die Sportler und alle, die sie
auch bei sportlichen Aktivitäten, meist in Verbindung mit der bei ihrem Streben nach Sieg und Rekord begleiten (Trainer,
Natur (beim Waldlauf, Skiwandern, Klettern, Wassersport). Funktionäre, Sponsoren, Ärzte, Journalisten, Zuschauer) auf-
Manche Menschen räumen dem Sport so viel Zeit ein, dass gerufen, immer wieder über ihre Einstellung zum Sport, ins-
kaum oder überhaupt keine Zeit für ein Engagement in ge- besondere über ihr Verhalten untereinander, nachzudenken.
meinsamen religiösen und kirchlichen Vollzügen bleibt. (...) Die Verantwortlichen im Sport sollten prüfen, ob in der Aus-
1.11. Sport und Ethos bildung der Sportlerinnen und Sportler, der Jugend- und
Wenn die Kirchen die Verantwortlichen im Sport fragen, ob im Übungsleiter, der Trainer, Funktionsträger und Sportpäda-
Blick auf Leistung und Erfolg alles getan werden kann und soll, gogen auf die Tugend der Fairness in ausreichendem Maße
was technisch, methodisch und medizinisch möglich ist, dann hingewiesen und sie immer wieder neu eingeübt wird. Faire
wollen sie dies nicht als außenstehende Kritiker tun. Wenn sie Haltung kommt nicht von selbst.
dem Sport vorschlagen, wo er seine Arbeit verstärken möge, 3.5. Sport als Dienst am Frieden
dann sind sie sich zugleich bewusst, dass damit auch Defizite Fairness als Gesinnung und Praxis ist ein wichtiger Beitrag
(...) bei ihnen selbst benannt werden. Sie möchten diejenigen zum Frieden. Sport bewirkt nicht automatisch Frieden. Erst
Verantwortlichen stärken und ermutigen, die nach verbindli- wenn der einzelne Sportler bei nationalen und internatio-
chen Orientierungen für ihre Entscheidungen suchen. Sie tre- nalen Begegnungen, bei Meisterschaften und Olympischen
ten an die Seite derer, die Mittel und Methoden ablehnen, die Spielen für persönliche Friedensanstrengungen sensibilisiert
der Würde des Menschen entgegenstehen. Sie unterstützen ist und dazu ermutigt, kann ‚Völkerverständigung durch
alle, die durch die Erarbeitung eines klaren Werteprofils zur Sport’ erwachsen.“ 55
humanen Prägung der Gesellschaft beitragen wollen.“ 54
„3.4. Fairness – die sportliche Tugend Immer wieder tauchte auch die Frage auf, ob Sport ein ei-
Durch den Sport ist ein bedeutsamer ethischer Impuls in die genes Ethos habe. Im katholischen Bereich wurde dies auf-
Gesellschaft hineingetragen worden, denn ‚Fairness’ meint grund der Tradition verneint. Aber auch Sportwissenschaftler
ja nicht nur das Beachten von Regeln, sondern steht für eine und Sportpädagogen haben vor einer ethischen Überfor-
Grundhaltung des Menschen: die unbedingte Achtung des derung des Sports gewarnt und vielmehr nicht zuletzt die
Gegners und die Wahrung seiner körperlichen und seelischen Kirchen aufgefordert, Anregungen für ein lebensdienliches
Unversehrtheit. Auch der Gegner ist Mensch, der seine Anla- Verhalten auch im Sport zu geben (so Ommo Grupe). Ein
gen entfalten möchte. Er ist immer auch der Partner, ohne den entsprechendes Nachschlagewerk heißt deshalb auch
der Wettkampf nicht zustande kommen kann. eher bescheiden „Lexikon der Ethik im Sport“ – und nicht
Sportlerinnen und Sportler haben mit der Fairness einer „des Sports“.
Tugend Ansehen verschafft, die weit über den Sport hinaus- Eilert Herms ist bestrebt, dass Kirche und Sport in
reicht in Politik und Wirtschaft, in Straßenverkehr und mensch- einem qualifizierten Gespräch stehen, es pflegen und sich als
liches Miteinander. Partner verstehen lernen. Er regt an, „darüber nachzuden-
Die Fairness hat biblische Grundlagen in der sogenann- ken, dass Sport und Kirche nun einmal Großorganisationen
ten „Goldenen Regel“: „Alles, was ihr von anderen erwartet, in ein und derselben Gesellschaft sind“. 56 Der Sport müsse
das tut auch ihnen.“ (Matthäus 7,12) Fairness setzt eine Gesin- als anthropologisches Phänomen begriffen werden. „Das
nung voraus, die der Bergpredigt Jesu entspricht. Im Gegensatz Wirklichkeitsverständnis des christlichen Glaubens, seine

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Sicht von der Existenz des Menschen in der Welt coram deo, können. Bejaht werden kann die Kultur des Sports so lange,
schließt selbst ein Wissen um die wesentliche Leibhaftigkeit wie seine Grenzen beachtet werden und er sich nicht zum
des Menschen ein. Daher kann der Glaube gar nicht anders, Kult des Körpers, des Siegens und der Gewalt verkehrt.“ 62

als auch ein spezifisches Verständnis und Interesse für denjeni-


gen Einsatz und Genuss des Leibes zu entwickeln, das für den 7.1. Eine Wurzel des Sports ist im Kult zu sehen. Spät-
Sport wesentlich ist.“57 Allerdings gäbe es noch theologischen wirkungen dieser kultischen Herkunft lassen sich bis in heutige
Nachholbedarf: „‚Wettkampf’ und ‚Leistung’ sind Themen, zu Sportveranstaltungen verfolgen. Die Verbindung einer ersatz-
denen die evangelische Theologie heute schlechterdings kein religiösen Funktion mit einem hohen Maß an Kommerziali-
Verhältnis hat. Das ‚Talent’ ist unbegriffen, seine Ansprüche, sierung macht die Zwiespältigkeit mancher sportlicher Groß-
sein Gebrauch und Missbrauch. Und seit ihren Anfängen hat veranstaltungen aus. Doch der Sport enthält zugleich eine
die evangelische Theologie ein eher kritisches Verhältnis zum Kraft in sich, die seinen Deformationen trotzt. Er ist Teil
Spiel. Als im Glauben geschehendes ‚gutes Werk’ hat sie es des kulturellen Lebens der Einzelnen, und er ist ein unauf-
bisher nicht durchdacht.“ 58
gebbarer Teil gesellschaftlicher Kultur im Ganzen. Sport-
liche Betätigung ist eine elementare Form, in welcher der
52 Sport, Mensch und Gesellschaft, 12.
53 EKD-Texte 32. Vgl. Sternberg, 114f.
54 Sport und christliches Ethos, 6f.
Mensch für sich selbst, für seinen Körper, seinen Geist und
55 Sport und christliches Ethos, 12f.
56 Herms, 47. seinen Charakter etwas Gutes tun kann. Im Sport begeg-
57 Herms, 10.
58 Herms, 67. net der Mensch auf eine besondere Weise sich selbst in
seiner Leiblichkeit; der sportliche Wettkampf ist zugleich
4. Gepflegte Doppelpässe auf dem eine besonders intensive Form der Begegnung mit ande-
kulturellen Spielfeld ren. Sportliche Wettkämpfe mobilisieren die Kräfte und die
Gegenseitige Anerkennung als Einsatzbereitschaft bis zum Äußersten; bei den Zuschauern
lebensdienliche Phänomene können sie eine Beteiligung auslösen, die in der ganzen
Wolfgang Huber hat sich als Sozialethiker mehrfach zu Spannweite zwischen Vergnügen und Empörung, zwischen
Themen des Sports geäußert; als Bischof der berlin- Enttäuschung und Triumph kaum eine Parallele kennt.
brandenburgischen Kirche sowie als Ratsvorsitzender der 7.2. Der Sport gehört zu denjenigen menschlichen
EKD bleibt er am Ball. Hubers Beschreibungen des Sports Aktivitäten, die ihrem Wesen nach zweckfreies Spiel sind,
als „agonal“ und „konvivial“ 59
sind genauso Gemeingut ..., Teil menschlicher Muße. Arbeit und Muße gehören, wie
geworden wie seine Wertschätzung des „Sports als Vehikel die biblische Urgeschichte unterstreicht, miteinander zum
von Werten“. menschlichen Leben. Dass sie in der Balance bleiben, ist eine
Die eingangs erwähnte Positionsbestimmung „Ge- besonders wichtige Aufgabe menschlicher Lebensführung.
staltung und Kritik“ 60 formuliert die evangelische Sichtweise Zu dieser Balance beizutragen ist der Sinn allen Spielens.
des Sports: „In seiner Funktion als ersatzreligiöse Sinnstiftung Es ist auch die Aufgabe des Sports. In ihm verknüpft sich ein
hat der Sport an Bedeutung gewonnen. Der Körper wird Bündel von Intentionen, die auf eine ganzheitliche Erfahrung
zur Quelle von Grenzerfahrungen, das Stadion zur Kultstät- menschlichen Lebens gerichtet sind:
te, und die Fangemeinde erlebt sich in tiefer Kommunion.“ 61 • Sport hat eine naturale Dimension. Er ist eine Hand-
„In Fußballstadien oder bei Popkonzerten versammeln sich lungsform, in der Menschen dem eigenen Körper begeg-
‚Fans’ (‚Fan’ leitet sich vom lateinischen ‚fanum’ – das Hei- nen; er vollzieht sich in aller Regel als ein Bewegungshan-
ligtum ab; zugleich klingt der ‚fanaticus’, der Verrückte an), deln in Raum und Zeit. In Gesundheit und körperlicher
um ihren Stars zuzujubeln und sie nach ganz bestimmten Unversehrtheit hat dieses Bewegungshandeln einen wich-
‚Liturgien’ zu verehren.“ 62
tigen Maßstab und ein wichtiges Ziel.
„Der Sport gehört zu denjenigen menschlichen Aktivitäten, • Sport hat eine personale Dimension. Er dient der
die ihrer Natur nach zweckfrei und Teil der menschlichen Entfaltung der persönlichen Würde, er ist Ausdruck
Muße sein sollten. Er ist eine elementare Form, in der Men- menschlicher Kreativität und Gestaltungskraft. Im Sport be-
schen sich selbst als leibseelische Einheit erfahren und zu- gegnet der Mensch sich selbst in der Einheit von Körper,
gleich einander in Kooperation und Konkurrenz begegnen Seele und Geist.

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• Sport hat schließlich eine soziale Dimension. Im Sport gelischen Kirche in Deutschland zurück. 64 Die evangelische
begegnen Menschen einander. Das Zusammenspiel ist für Kirche anerkennt die Selbstständigkeit der kulturellen Phäno-
ihn ebenso wichtig wie der Wettkampf. Kooperation und mene und beansprucht keine interpretatorische Hegemonie
Konkurrenz gehören in ihm zusammen. durch die Theologie. Kulturelle Phänomene begründen und
7.3. Der Sport, der in diesen drei Dimensionen in interpretieren sich selbst. 65 Vielmehr sind in der Analyse und
den Dienst menschlicher Würde zu treten vermag, kann in der Kritik durchaus eventuell vorhandene religiöse Wurzeln
diese Würde auch bedrohen und gefährden. Das geschieht, zu erinnern und zu beschreiben, eine gesellschaftliche Koope-
wenn die kulturelle Gestaltung des Sports misslingt und er ration aber ist aufgrund von gemeinsamen Anliegen möglich,
zum Kult verkehrt wird. die sich nicht zuletzt durch anthropologische Diskurse ergeben
So kann die naturale Dimension des Sports in einen Kult können. Der aktuelle Diskurs fokussiert die gemeinsamen Her-
des Körpers verkehrt werden. Die Steigerung der körperli- ausforderungen in gesellschaftspolitischen Fragen, besonders
chen Leistungsfähigkeit gilt dann als höchster Wert. Wie die der Kultur und der Bildung.
sich am Beispiel des Dopings und des gesundheitsgefähr-
Literatur:
denden Sports vor allem in Kindheit und Jugend zeigt, kann
das zur dauerhaften Schädigung des eigenen Körpers füh-
• Geldbach, Erich, Sport und Protestantismus.
Geschichte einer Begegnung, Wuppertal 1975.
ren. Die personale Dimension des Sports kann in einen Kult
des Siegens verkehrt werden. In ihm zählt nur noch die Über-
• Grupe, Ommo / Huber, Wolfgang (Hg.), Zwischen
Kirchturm und Arena. Evangelische Kirche und Sport,
legenheit über den andern. Der Sieg gilt als allein seligma-
Stuttgart 2000.
chend; die Rangliste wird zur Bibel. Die soziale Dimension
des Sports schließlich kann in einen Kult der Gewalt ver-
• Heidland, Hans-Wolfgang, Der Geist des Sports.
Vorträge und Ansprachen, Stuttgart 1968.
kehrt werden. In exzessiven Formen des Sporttreibens wird
Gewalt gegen den eigenen Körper ausgeübt; in manchen
• Herms, Eilert, Sport. Partner der Kirche und Thema der
Theologie, Hannover 1993.
Mannschaftssportarten verstärken sich die Angriffe auf die
körperliche Integrität des Gegners. Im Zusammenhang mit
• Hörrmann, Martin, Religion der Athleten, Stuttgart 1968

solchen Entwicklungen entlädt sich Gewalt während des


• Sternberg, Torsten, Sport mit Leib und Seele.
Bestandsaufnahme und Perspektiven evangelischer
Spiels auf den Rängen oder vor und nach dem Wettkampf
Sportarbeit (Erfahrung und Sport 3), Stuttgart 1993.
auf den Straßen. Sport als Beispiel für zweckfreies Spiel
wird dann zum Anlass brutaler Gewalt. Kirchliche Schriften:
Wenn die Kultur des Sports bewahrt werden soll, • Sport, Mensch und Gesellschaft. Eine sozialethische
dann muss solchen kultischen Verzerrungen entgegenge- Studie der Kammer für soziale Ordnung der Evangeli-
treten werden. Darin liegt die entscheidende sportpoliti- schen Kirche in Deutschland, Gütersloh 1972.
sche Verantwortung der Gegenwart. Darin liegt zugleich • Sport und christliches Ethos. Gemeinsame Erklärung
einer der wichtigen Gründe dafür, die Verbindung zwi- der Kirchen zum Sport, Nürnberg 1990.
schen Sport und Kirche zu stärken und weiterzuentwi- • Gestaltung und Kritik. Zum Verhältnis von Protestan-
ckeln. Bewahrt werden kann die Kultur des Sports nur, tismus und Kultur , EKD-Texte 64, 1999
solange die Grenzen des Sports beachtet werden. In ei-
nem Wort Jesu heißt es: ‚Was nützt es einem Menschen,
59 Vgl. Sternberg, S. 112 f.
wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst 60 Zum Verhältnis von Protestantismus und Kultur im neuen Jahrhundert, EKD-Texte 64.
61 Gestaltung und Kritik, S. 24.
verliert und Schaden nimmt?’ (Mt 16,26) Gerade im 62 Gestaltung und Kritik, S. 39 f.
63 Gestaltung und Kritik, S. 54–56.
Blick auf den Sport kann es lebenswichtig sein, das, was 64 Vgl. den von O. Grupe und W. Huber herausgegebenen Sammelband
Zwischen Kirchturm und Arena.
65 Einen originellen Entwurf hat jüngst vorgelegt Hans Ulrich Gumbrecht, Lob
Menschen selbst leisten und gewinnen können, von dem des Sports, Frankfurt a. M. 2005. Für den Fußball hat mit Bestimmtheit
die Sporthistorikerin Christiane Eisenberg festgestellt, dass „sich
zu unterscheiden, was nur Gott ihnen schenken kann.“ 63 der moderne Fußball im Verlauf seiner mehr als hundertjährigen Geschichte
längst zu einem Kulturgut sui generis entwickelt hat. Eine Verstärkung
durch außersportliche Sinnzusammenhänge benötigt er nicht mehr, weil er
für seine Anhänger selbst einen Sinnzusammenhang darstellt.“
In demselben Jahr 1999 schaute man auf ein halbes Jahr- Dies., Fußball als globales Phänomen. Historische Perspektiven,
in: Aus Politik und Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament),
hundert des gemeinsamen Weges von Sport und der Evan- 21. Juni 2004, B 26/2004, S. 7–15. hier: 15.

71

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G. Verantwortung für Gegenwart und Hier gibt es Bälle aus fairem Handel:
Geschichte
Fußball ist ein gewichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen WerbeDienst-Vertrieb
Lebens und wird in Politik, Medien, Kunst und Kultur wahrge- Arbeitshilfen und Informationen für eine
nommen. Fußball mit seinem gesamten Umfeld ist damit ein werbende Kirche
Lebensbereich, der verantwortlich gestaltet werden muss. Mit Heinrich-Baumann-Straße 7
Fußball ist es aber auch möglich, „öffentliche Verantwortung“ 70190 Stuttgart
zu übernehmen. Wie diese sozialethische Dimension des Fuß- Telefon: 0711 – 6404139
balls ausgefüllt werden kann, zeigen die drei folgenden Hin- E-Mail: Ruwe.Stuttgart@t-online.de
weise auf verschiedene Projekte, die sich auf Gegenwart und
Geschichte beziehen. Bälle mit Logo der EKD:
www.komm-webshop.de
1. „Fair Play – Fair Pay“
Hinweise für die Beschäftigung mit gepa Fair Handelshaus
fairem Handel in den Gemeinden Bruch 4
„Fair Play“ – das kennt jeder. Da ist klar, worum es geht: um 42279 Wuppertal
einen fairen Umgang miteinander im Sport. Aber: Was hat Telefon: 02020 – 266830
Sport mit „Fair Pay“ zu tun? „Fair Pay“ – da geht es um Fuß- E-Mail: marketing@gepa.org
bälle aus fairem Handel. Wer sein Handeln nach den Spielre- Internet: www.gepa3.org
geln Gottes ausrichten will, kann mit Bällen aus fairem Handel
einen aktiven Beitrag zum Schutz von Kindern z. B. in Pakistan
leisten. Zwar werden inzwischen auch die Bälle der großen
Hersteller nicht mehr von Kindern genäht, aber die Löhne rei-
chen für eine Familie immer noch nicht aus. So müssen die
Kinder in anderen Branchen Arbeit annehmen, um Geld zu
verdienen. Die Kinderarbeit besteht also nach wie vor.
Bei Bällen aus fairem Handel werden Stücklöhne gezahlt, die
es zwei Erwachsenen ermöglichen, ihre Familie zu ernäh-

FOTOS: BROT FÜR DIE WELT · PFR. MOGGERT-SEILS · WOLFGANG SCHMIDT-AMMERBUCH / BROT FÜR DIE WELT
ren. So steht auch dem Schulbesuch der Kinder nichts mehr
im Wege. Außerdem wird aus den Mehreinnahmen eine
medizinische Grundversorgung der Näher und ihrer Familien
finanziert.
Der Erfolg dieses zukunftsweisenden Projektes liegt nun
auch in der Hand derer, die in Deutschland für Schulen,
Vereine und Freizeiteinrichtungen Fußbälle kaufen. Um sich
für Bälle aus fairem Handel zu entscheiden, muss man diese
Alternative kennen. In den Gemeinden kann es einen Aktions-
und Infostand geben mit:

• Tafeln mit Bild und Text zur Ballproduktion

• einer Aktion „an Bällen selbst nähen“

• einem Quiz

• Banner für die Spielfeldbegrenzung

• einem Konzept zur Arbeit mit dem Stand

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72

Innenseiten_RZ.indd 72 19.10.2005 17:30:36 Uhr


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FOTOS: BROT FÜR DIE WELT · PFR. MOGGERT-SEILS · WOLFGANG SCHMIDT-AMMERBUCH / BROT FÜR DIE WELT

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Arbeitsmaterial: konfernormal 4/2002 „Am Ball bleiben“

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Innenseiten_RZ.indd 73 19.10.2005 17:30:40 Uhr


2. Fußball für das Leben FC Bayern München, hat sich bereit erklärt, die Schirmherrschaft
Kinder- und Jugendsozialarbeit in den für dieses Projekt zu übernehmen.
Elendsvierteln von San José, Costa Rica • Für das Projekt in Costa Rica gibt es eine „Mitmachaktion
32 + x = das Spiel geht weiter!“ Mit einer Spenden-
„Über Sport- und Freizeitaktivitäten können wir Kinder und faltschachtel aus 32 Waben – wie den 32 Lederflicken des
Jugendliche ansprechen. Mit dem Programm ‚Fußball für Fußballs – können Spendengelder für „Brot für die Welt“
das Leben’ bieten wir den Jugendlichen Möglichkeiten, neue gesammelt werden (www.brot-fuer-die-welt.de/32+x).
Perspektiven zu entwickeln“, sagt Melvin Jiménez. Er ist • Spenden und Kollekten bei kirchlichen Fußball-Aktivitäten
Präsident der Lutherischen Kirche Costa Ricas und Mit- könnten für die Fußball-Aktivitäten von BROT FÜR DIE WELT
begründer des Programms. zur Verfügung gestellt werden.
Costa Rica gilt in Mittelamerika als vergleichsweise rei-
Weitere Informationen über zahlreiche Fußball-Aktivitäten und Materialien unter
ches Land. Trotzdem gibt es krasse soziale Unterschiede, die www.brot-fuer-die-welt.de. BROT FÜR DIE WELT stellt ein umfangreiches Materi-
alangebot zu den Themen Fußball und WM zur Verfügung.
besonders in den Stadtrandvierteln der Hauptstadt San José Die offizielle Charity-Kampagne der FIFA zur WM 2006 heißt „6 Dörfer für 2006“
und unterstützt die Organisation „SOS-Kinderdörfer weltweit“. Es sollen sechs neue
deutlich werden. Hier leben Familien in heruntergekommenen SOS-Kinderdörfer errichtet werden (Brasilien, Mexiko, Nigeria, Südafrika, Ukraine
und Vietnam), in denen 800 Kinder ein neues familiäres Zuhause finden können.
Blechhütten auf engstem Raum zusammen, ohne Wasseran- Näheres unter www.sos-kinderdoerfer.de oder www.fifaworldcup.com.

schluss und Stromversorgung. Viele Menschen sind arbeitslos.


Es herrscht ein Klima von Gewalt, geprägt von Drogen, Alko-
3. Gedenken, um nicht zu vergessen
hol und Prostitution. Kinder und Jugendliche besuchen oft nur
Eine Initiative der Versöhnungskirche Dachau
zwei bis vier Jahre die Schule und haben in diesem Umfeld
kaum Zukunftsperspektiven. Das Programm „Fußball für das
Die Versöhnungskirche Dachau, Kirche und Gedenkstätte der
Leben“ richtet sich vor allem an diese Jugendlichen.
Evangelischen Kirche in Deutschland auf dem Gelände des frü-
Mitarbeiter der Kirche und engagierte Personen aus
heren KZ Dachau, hat 2005 der Deutschen Fußball-Liga (DFL)
außerkirchlichen Bereichen mit Erfahrungen in Kinder- und
vorgeschlagen, auch in den Stadien und in den Vereinen am
Jugendarbeit gründeten im April 2004 den Verein OIKOS
staatlichen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus
(Institut für Bildung und Entwicklung). In persönlichen Gesprä-
(27. Januar) teilzunehmen. Folgender Text sowie eine Kurzfas-
chen und mit Plakaten motivierten sie Kinder und Jugendliche.
sung als Stadiondurchsage wurden zur Verfügung gestellt:
Schon nach einer Woche hatten sich 120 begeisterte Jungen
„Der 27. Januar ist der Gedenktag für die Opfer des Na-
und 30 Mädchen gemeldet. In einem angrenzenden Stadt-
tionalsozialismus. Vor 60 Jahren, am 7. Januar 1945, wurde
teil wurde ein Fußballplatz von der Gemeinde angemietet.
das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Soldaten der UdSSR
Hier trainieren nun die Jugendlichen dreimal in der Woche.
machten dem Morden in diesem Lager ein Ende. Auschwitz
Die Jüngsten, acht bis zehn Jahre alt, spielen in gemischten
steht für Mord in bis dahin unbekanntem Ausmaß. Im Namen
Gruppen, die anderen bilden Mädchen- und Jungenteams.
des deutschen Volkes wurden dort und in anderen Lagern die
Die sportliche Seite des Programms wird von einem professi-
Juden Deutschlands und der eroberten Gebiete Europas sys-
onellen Trainer aus Costa Rica betreut, der auch die Jugend-
trainer ausbildet.
Das Programm reicht aber weit über den Sport hinaus.
Jugendsozialarbeiter bieten den Jugendlichen weitere Unter-
stützung an. Sie helfen bei familiären Problemen, versuchen
sie wieder in die Schule zu integrieren und vermitteln Aus-
FOTOS: BROT FÜR DIE WELT · JOKER

bildungskurse. Auf dem Spielfeld werden vor allem soziales


Verhalten wie Fairness und Gemeinschaftssinn gefördert, um
über den Sport hinaus das Selbstbewusstsein der Jugendli-
chen und ihr Verantwortungsgefühl zu stärken. Die Mitarbei-
ter bemühen sich, Lehrkräfte, Eltern und Gemeindevertreter in
die Aktivitäten mit einzubeziehen. Felix Magath, Trainer beim

74

Innenseiten_RZ.indd 74 19.10.2005 17:30:44 Uhr


tematisch umgebracht, aber auch andere Menschen, die den wurden, verschwanden später in den Konzentrationslagern. Dort
Machthabern nicht ins Bild passten: Sinti und Roma, Kommunis- wurden sie wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihrer Über-
ten, Gewerkschaftler, Homosexuelle, Kranke. Schon wer nicht im zeugung ermordet.
Gleichschritt mitmarschieren wollte oder gar Fragen stellte, lief Für die Vereine bedeutet dieses Gedenken gleichzeitig
Gefahr, im Konzentrationslager zu verschwinden: Wer abgeholt eine Aufforderung zu handeln, unsere Verantwortung, unsere
wurde, hatte keine Chance mehr, keine Rechte, keine Identität. Aufgaben aktiv umzusetzen: die Integration ausländischer
Auschwitz ist für uns heute ein Mahnmahl des Erinnerns und Mitbürger zu fördern sowie Propaganda, Gewalt und fremden-
eine Aufforderung, aktiv zu werden für Völkerverständigung feindliches Verhalten zu ächten.
und gegen Hass und Gewalt. Unser Gedenken an die Opfer Dieses Bekenntnis zur Völkerverständigung und gegen Ge-
ist gleichzeitig ein Bekenntnis zu Demokratie und Toleranz, zur walt soll gleichzeitig auch eine Botschaft sein, ein Willkommens-
Würde jedes Menschen, zum Wert des Lebens und für das Le- gruß an die Besucher der Weltmeisterschaft 2006.“
ben in Freiheit und Selbstbestimmung. Wir gedenken, um nicht
zu vergessen, was geschehen ist und wie es dazu kommen konn- Informationen zur Versöhnungskirche unter
te. Wir stellen damit all jenen, deren Botschaft Ausgrenzung, www.versoehnungskirche-dachau.de.
Hass und Gewalt ist, ein lautes und deutliches „Nein“ entgegen.
Dem Sport fällt dabei eine besondere Verantwortung zu: • Nils Havemann, Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB
Sport als gemeinsame Sprache verbindet Menschen, überwin- zwischen Sport, Politik und Kommerz, Frankfurt / Main 2005
det Grenzen und Ausgrenzung. Wir lernen fremde Menschen • Weitere Literatur zur Geschichte in der Bibliographie von
kennen, wir erleben neue Gemeinsamkeiten, Fan-Freundschaf- J. Schiffer, Fußball als Kulturgut (vgl. Literaturliste unter H).
ten entstehen. Um den Menschen diese gemeinsame Sprache Das damalige Unrechtsregime in Argentinien nutzte
FOTOS: BROT FÜR DIE WELT · JOKER

zu nehmen, wurden in der Zeit des Nationalsozialismus die die Fußball-Weltmeisterschaft 1978 auch dazu, sein Image
Sportvereine gleichgeschaltet und mit getreuen Funktionären in der Welt zu verbessern.
besetzt. Wer sich dem widersetzte, wer für Freiheit und Selbst- • Vgl. dazu die deutsche Initiative „Koalition gegen
bestimmung der Vereine eintrat, wer den Machthabern nicht Straflosigkeit. Wahrheit und Gerechtigkeit für die deutschen
ins Bild passte, wurde ausgeschlossen – ungeachtet seiner Verschwundenen in Argentinien“, Nürnberg
Verdienste um den Sport. Die, die zuerst nur ausgeschlossen www.menschenrechte.org

75

Innenseiten_RZ.indd 75 19.10.2005 17:30:47 Uhr


H. Medien 2. Fußball-Literatur

1. Materialien • Schiffer, Jürgen, Fußball als Kulturgut. Geschichtliche,


soziologische, ökonomische, rechtliche, politische und
• Fair Play – fair Life: Der Ball ist rund. Arbeitsmateriali- philosophische Aspekte. Eine kommentierte Bibliographie.
en und Informationen für Unterricht und Jugendarbeit, Bundesinstitut für Sportwissenschaft. Wissenschaftliche
Herne 2005 (umfangreicher Ordner mit zahlreichen Berichte und Materialien. Band 6, Köln 2004 (820 Seiten!)
Vorschlägen und Materialien für die Arbeit in Gemeinden
Aktualisierte Bibliographien finden sich im Internet, u. a.
und Schulen). Infos unter www.fairplay-fairlife.de
auf den Homepages von Hochschulen, z. B. vom Institut für
• Medienpaket „FAIR spielen – FAIR handeln“. Ein Pro-
Sportwissenschaft der Universität Münster
jekt der hannoverschen Landeskirche zum 30. Deutschen
www.academic-soccer.de oder
Evangelischen Kirchentag (mit umfangreichem Ideenheft,
www.uni-kiel.de/medien/sport.html
CD-ROM, Video und einem fair gehandelten Ball), zu
bestellen beim Haus kirchlicher Dienste, Archivstraße 3, • Anstoß. Die Zeitschrift des Kunst- und Kulturprogramms
30169 Hannover, Telefon: 0511 – 1241590, zur FIFA–WM 2006. Ein Projekt von André Heller,
dov@kirchliche-dienste.de Wien/Berlin 2004 ff. Es erscheinen sechs deutsch-
• Über zahlreiche WM-Materialien von „Brot für die Welt“ englische Ausgaben bis zum Herbst 2006
informiert www.brot-fuer-die-welt.de • Arnold, Martin (Hg.), Abenteuer Fußball. Auf den
• Adveniat, Missio u. a., „Aktion Volltreffer“ – Auf Bolzplätzen dieser Welt, Göttingen 2005
Tore schießen statt auf Menschen. Kein Krieg mit Kin- • Biermann, Christoph / Fuchs, Ulrich, Der Ball ist rund,
dern, Materialheft, Aachen 2005 damit das Spiel die Richtung ändern kann. Wie

• Das Ideenheft kickoff2006 und weitere Medien moderner Fußball funktioniert, 2. überarbeitete und
(s. Homepage), bestellung@kickoff2006.de erweiterte Auflage 2002 (ein Glanzstück der Fußball-
• konfernormal 70 (4/2002), Am Ball bleiben – Fußball- literatur, ohne dessen Kenntnis die globalen
WM 2002 (Autor: Wolfram Dawin) Veränderungen von Taktik und Strategie kaum dechif
• Scheidhammer, Franz Josef, Kicker, Kutten und Choräle. friert werden können)
Fußball und Religion – eine Praxismappe, Mülheim an • Delius, Friedrich Christian, Der Sonntag, an dem ich
der Ruhr 2001 Weltmeister wurde. Erzählung, Reinbek 1994

• BRU. Magazin für die Arbeit mit Berufsschülern 28, • Deutscher Fußball-Bund (Hg.), 100 Jahre DFB. Die
1998: Fußball gut – alles gut? Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes, Berlin 1999
• Schmidt-Rhaesa, Hans Jürgen, So preiset Gott an eu- • Eisenberg, Christiane (Hg.), Fußball, soccer, calcio.
rem Leibe. Sport als Thema des Religionsunterrichts. Ein englischer Sport auf seinem Weg um die Welt,
Ein Unterrichtsmodell in 7 Einheiten für die BBS, SEK I München 1997
und SEK II, Reliprax 1 (1992), Nr. 2 • Fanizadeh, Michael u. a. (Hg.), Global Players. Kultur,
• entwurf 1 - 2006, Themen-Heft zur WM Ökonomie und Politik des Fußballs, (Historische Sozial-
• Praktische Theologie 1/2006, Themen-Heft zur WM kunde 20), Frankfurt a. M., 2. Auflage 2005
• Spirit of Sports, hg. v. Ivo de Jong und Kees Tinga für • FIFA (Hg.), 100 Jahre Weltfußball, Göttingen 2004
„Kerk en Sport”, NL-Zwolle 2000 • Galeano, Eduardo, Der Ball ist rund und Tore lauern
• EKD-Plakat „Sind Fußballer unsere wahren Götter?“ (2002) überall, Wuppertal, 2. Auflage 1998

• Grupe, Ommo / Huber, Wolfgang (Hg.), Zwischen


FOTO: PLAINPICTURE / NORMAL

Kirchturm und Arena. Evangelische Kirche und Sport,

„ Jedes Spiel fängt Stuttgart 2000


• Guttmann, Allen, Sports spectators, New York 1986
bei null an“ • Hausmann, Manfred, Spiegel des Lebens. Gedanken
Lothar Matthäus, deutscher Rekordnationalspieler über das Fußballspiel, Zürich 1966

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3. Zur Geschichte der deutschen Weltmeistertitel

1954
• Jessen, Christian u. a., Fußballweltmeisterschaft 1954
Schweiz, Kassel 2003

• Heinrich, Arthur, 3:2 für Deutschland. Die Gründung


der Bundesrepublik im Wankdorf-Stadion zu Bern,
Göttingen 2004
• Frei, Alfred Georg, Finale Grande. Die Rückkehr der
Fußballweltmeister 1954, Berlin 1994 (minutiöse
Schilderung der Bahnfahrt und der Auftritte der
Weltmeister nach dem 4. Juli)
• Im Jubiläumsjahr 2004 ist eine schier unübersehbare
Literaturmenge zum „Wunder von Bern“ erschienen.
Neben den historischen Büchern sind vor allem die
Erzählung von Friedrich Christian Delius und Sönke
Wortmanns Film zu empfehlen.

1974
• Havekost, Folke / Stahl, Volker, Fußballweltmeister-
• Herzog, Markwart (Hg.), Fußball als Kulturphänomen. schaft 1974 Deutschland, Kassel 2004
Kunst – Kult – Kommerz (Irseer Dialoge 7), Stuttgart 2002 • Schön, Helmut, Fußball. Erinnerungen, Frankfurt/
• Hütig, Andreas / Marx, Johannes (Hg.), Abseits denken. Berlin/Wien 1980 (die unaufgeregte und ehrliche
Fußball in Kultur, Philosophie und Wissenschaft, Kassel Autobiographie des heute wohl unterschätzten großen
2004 Fußballers und Fußballlehrers)
• Jäger, Uli, Zum Beispiel Fußball, Göttingen 1998 • Blees, Thomas, 90 Minuten Klassenkampf. Das Länder-
• Jütting, Dieter H. (Hg.), Die lokal-globale Fußball- spiel BRD-DDR 1974, Frankfurt a. M. 1999 (die einzige
kultur – wissenschaftlich beobachtet, Münster 2004 fußballerische Begegnung beider deutscher Staaten)
• Kadel, David, Fußball Gott. Erlebnisberichte vom heili- • Der Rauch vieler Jahre. Deutsch-holländische Wahr-
gen Rasen, Asslar 2002 heiten über das WM-Finale 1974/ Zij waren beter:
• Kistner, Thomas / Weinreich, Jens, Das Milliardenspiel. 1974 (Hardgras. Voetbaltijdschrift voor lezers Nr. 39,
Fußball, Geld und Medien, Frankfurt a. M. 1998 Juni 2004), Amsterdam/Göttingen 2004 (eine sehr
• Martínez, Matías (Hg.), Warum Fußball? Kulturwissen- gelungene deutsch-holländische Kooperation für wahr-
schaftliche Beschreibungen eines Sports, Bielefeld 2002 heitsliebende Fußballkenner)
• Möller, Christian / Ulrichs, Hans-Georg (Hg.), Fußball und • Kuper, Simon, Football against the enemy,
Kirche. Wunderliche Wechselwirkungen, Göttingen 1997 London 1994
• Morris, Desmond, The Soccer Tribe, London 1981 • Kok, Auke, 1974, Wij waren de besten,
• Noss, Peter (Hg.), fußball ver-rückt: Gefühl, Vernunft Amsterdam 2004
und Religion im Fußball. Annäherungen an eine • Der Triumph von München. Die Fußballweltmeister-
besondere Welt, Münster 2004 schaft 1974, 2 DVDs, ARD-Video 2004
• Schümer, Dirk, Gott ist rund. Die Kultur des Fußballs,
FOTO: PLAINPICTURE / NORMAL

Berlin 1996 1990


• Theweleit, Klaus, Tor zur Welt. Fußball als Realitätsmodell, • Schulze-Marmeling, Dietrich (Hg.), Die Geschichte der
Köln 2004 Fußball-Nationalmannschaft, Göttingen 2004

• Ulrichs, Hans-Georg, Fußball in der protestantischen • Ders. (Hg.), Die Geschichte der Fußball-Weltmeister-
Öffentlichkeit seit 1950, Wuppertal 1998 schaft 1930–2006, Göttingen 2004

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4. Ausstellungskataloge 6. Internetadressen

• Satanische Fersen. Kritisches, Abseitiges und Komisches • www.wm2006.de


rund um den Fußball, Kassel 1994 • www.dfb.de

• KunstFußball & FußballKunst. Eine Ausstellung zur • www.fi fa.com


schönsten Nebensache der Welt, Deutsches Sport- und • www.fi faworldcup.com
Olympia-Museum, Köln, 14. Januar bis 19. März 2000 • www.kirche-und-sport.de

• Der Ball ist rund. Katalog zur Fußballausstellung im • www.fussball-gott.com


Gasometer im CentrO anlässlich des 100-jährigen Be- • www.fairplay-fairlife.de
stehens des Deutschen Fußball-Bundes vom 12. Mai • www.weltlaeden.de
bis 15. Oktober 2000, Essen 2000 • www.fair-spielen-fair-handeln.de

• Kultort Stadion, Basel 2004 • www.friedenspaedagogik.de

• Am Ball der Zeit. Deutschland und die Fußball-Welt- • www.streetfootballworld.org


meisterschaften seit 1954, Historisches Museum der • www.wmschulen.de
Pfalz, Speyer, 31. Mai bis 17. Oktober 2004, Speyer 2004 • www.brot-fuer-die-welt.de

• www.global-gang.de

• www.global-lernen.de
5. Filme • www.kickoff2006.de

• www.ekd.de

• Leuchte auf, mein Stern, Borussia • www.bmi.bund.de

• The Soccer Tribe (Desmond Morris) • www.kickitlikebeckham.de

• Das Wunder von Bern (Sönke Wortmann) • www.play-das-buch.de

• Die Helden von Bern (Lego-Animationsfilm,


www.wm54.de.vu)
• Helden 06 (zweiter Lego-Animationsfilm,
www.helden06.de)
• Adelante Muchachas! (Erika Harzer)



Bando und der goldene Fußball (Cheik Doukoure)
Kick it like Beckham (Gurinder Chadha)
„ Was ich über


Spiel der Götter (Khyentse Norbu)
„Fußball ist unser Leben“ (Komödie)
Moral und
• Balljungs – Woher kommen unsere Fußbälle?
(Svea Andersson /Anke Möller)
Verpflichtungen
• Fußball Gott. Das Tor zum Himmel
(David Kadel/Christian Roth)
auf lange Sicht
• Die Welt ist rund (DVD mit fünf Kurzfilmen),
Vertrieb und Verleih EZEF, Stuttgart (www.ezef.de)
am sichersten
weiß, verdanke
ich dem Fußball“
Albert Camus, Philosoph
FOTOS: DPA

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I. Über das Finale hinausdenken

Es gehört zum Wesen des Spiels, nämlich zu seinem Charakter


als etwas „Vorletztem“, dass es Fortsetzung und Neuanfang gibt.
„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, hat Sepp Herberger ein-
mal zutreffend gesagt. Auch die Fußball-Weltmeisterschaft 2006
in Deutschland, so groß ihre Bedeutung für viele Beteiligte sein
mag, ist nichts Absolutes oder Abschließendes. Es wird vor und
neben der WM auch andere wichtige Themen in den Sommer-
wochen des Jahres 2006 geben – und auch die Geschichte des
Fußballs wird ihre Fortsetzung finden: in jedem Spiel, aber auch
in der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika.
Mit großer Hoffnung schaut die Welt des Sports auf das Land am
Kap der Guten Hoffnung, das zum ersten Mal für den schwar-
zen Kontinent ein globales Sportereignis ausrichten kann. Viele
evangelische Christen und Christinnen in Deutschland fühlen sich
Südafrika verbunden. Seit Jahrzehnten gibt es kirchliche Partner-
„ Pelés gibt es auch
schaften; die Jahre des Anti-Apartheidkampfes haben enge Ver-
bindungen entstehen lassen. Viele Gemeinden in Deutschland
auf dem schwarzen
unterstützen diakonische Projekte in Südafrika.
Durch langjährige Kontakte weiß sich auch der DFB dem süd-
Kontinent und
afrikanischen Fußball verbunden. Es wird eine ehrenvolle Aufga-
be des Ausrichters der WM 2006 sein, den Ausrichter der WM
eines Tages wird
2010 zu unterstützen.
der afrikanische
„Fußball ist eine der wichtigsten Aktivitäten, die Menschen zu-
sammenzubringen.“
Fußball der beste
Nelson Mandela, Friedensnobelpreisträger
der Welt sein“
„Im Augenblick (kommen) wirklich neue und interessante Impulse Pelé, brasilianische Fußballlegende
für den Fußball aus Afrika ... Es ist ein neuer Fußball-Kontinent.
Er hat viel Zukunft, wenn die Unbekümmertheit, mit der dort häu-
fig gespielt wird, nicht verloren geht und mit noch mehr Taktik
gekoppelt werden kann ... Ich glaube, dass in Kürze der nächste
Weltmeister aus Afrika kommt.“
Marcel Reif, TV-Sportkommentator
FOTOS: DPA

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FOTO: PLAINPICTURE / KUTTIG, S.

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