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Skript Saeure Base 1
Skript Saeure Base 1
Säure-Base-Gleichgewichte
5. Säure-Base-Gleichgewichte
5.1. Grundlagen
ACHTUNG: In den Kapiteln 5 - 8 dieses Skripts werden - ausser wenn explizite etwas Anderes erwähnt
ist - Gleichgewichtskonstanten immer in empirischer Form angenommen, d.h. in den MWG's werden
Ionenaktivitäten durch Konzentrationen ersetzt. Der Einfluss der Ionenstärke auf die Gleichge-
wichtslage wird vernachlässigt.
Fluorwasserstoff HF
δ+
B H δ− H-A H
HB+ + F F F + A-
H
+
Die Protonierung zu HF2 ist nur möglich in wasserfreien Medien (Wieso?)
Aminosäure (Alanin)
H H
H2N O H2N O
CH C CH C
O H3C O
H3C
In der Aminosäure wird das Proton intramolekular übertragen, dadurch entsteht ein sog. Zwitterion.
Da die Amingruppe viel die stärkere Base ist als die zur Carbonsäuregruppe (COOH) konjugate Base,
liegt das Gleichgewicht vollständig auf der Seite des Zwitterions. Deshalb sind Aminosäuren im Allge-
meinen sehr gut wasserlöslich (Polarität!).
Der wichtigste Ampholyt ist das Wasser, da es in unserer Umwelt allgegenwärtig ist, und da sich fast alle
biologischen, bzw. biochemischen Vorgänge in wässerigem Medium oder mit Wasser als Reaktionspartner
abspielen.
Oxonium Hydroxid
Wasser ist aber sowohl eine sehr schwache Säure wie eine schwache Base (pKS = pKB = 15.74), deshalb
liegt das obige Gleichgewicht kaum auf der rechten Seite; die Konstante des zugehörigen MWG beträgt
-18
bei 25°C nur 3.24∙10 .
c(H3O+ ) ⋅ c(OH− )
MWG der Autoprotolyse von H2O: K25°C = 3.24 ⋅ 10−18 = (G37)
c2 (H2O)
In verdünnter wässeriger Lösung ist c(H2O) praktisch konstant, da nur ein verschwindend kleiner Teil aller
Wassermoleküle an den Reaktionen teilnimmt, sie entspricht jener des reinen Wassers:
n(H2O) m(H2O) m(H2O) ρ(H2O) 1000g / l
c(H2O) = = = = = = 55.56 mol/l (G38)
V M(H2O) ⋅ V M(H O) ⋅ m(H2O) M(H2O) 18g / mol
ρ(H2O)
2
+ -
einander unabhängig variieren: Steigt c(H3O ), dann muss c(OH ) sinken, und umgekehrt.
Definitionen:
Definitionen:
pH:= - log c(H3O+ ) pOH:= - logc(OH- )
pH + pOH = 14 (25°C)
pH 0 7 14
pOH 14 7 0
Sauer
Sauer Neutral
Neutral Basisch
Basisch
Eine Ausdehnung der Skala über pH 14, bzw. pH 0 hinaus ist nicht sinnvoll, da dort der Einfluss der Io-
nenstärke übermächtig wird (I > 1 mol/l !) und KW stark ändert. Auch die direkte Messung mit Sensoren,
z.B. einer pH-Elektrode, wird in diesen Bereichen unmöglich.
Eine Verschiebung des pH-Wertes weg von 7.0 in einem wässerigen System ist einerseits möglich, wenn
zusätzliche Oxoniumionen/Hydroxide, die nicht aus der Autoprotolyse des Wassers stammen, zugeführt
werden, z.B. durch Zugabe einer sehr starken Säure wie Salzsäure, bzw. Base wie Natronlauge.
Als zweite Möglichkeit kann das Autoprotolyse-Gleichgewicht (G37) gemäss dem Le Châtelier-Prinzip ver-
schoben werden, indem eine Brönstedbase oder -säure zugegeben wird:
• Zugabe einer Base: Diese reagiert mit dem Oxonium (= Produkt in G37), wodurch das Gleichgewicht
-
nach rechts "gezogen" wird, und mehr OH entstehen -> der pH steigt
• Zugabe einer Säure: Diese reagiert mit dem Hydroxid, durch die Gleichgewichtsverschiebung entste-
+
hen mehr H3O -> der pH sinkt.
Hat eine Probe einen tiefen pH, reagiert die Base Carbonat (Edukt!) mit den anwesenden Oxoniumionen, das Fäl-
lungsgleichgewicht wird nach links verschoben, die Fällung ist nicht mehr vollständig. Als Folge werden systema-
tisch zu tiefe Strontiumwerte gefunden.
B. Komplexometrische Titration von Ca2+ (Wasserhärtebestimmung):
(Vorbemerkung: Titrimetrische Analysenmethoden werden um so unsicherer, je weniger vollständig die zu Grunde
liegende Gleichgewichtsreaktion abläuft). Calcium kann quantitativ mit DihydrogenEDTA ("Komplexon III" H2EDTA2-)
umgesetzt werden, allerdings erst, nachdem die Säure EDTA 2 Protonen abgegeben hat:
+ 2− 2− +
Ca2(aq) + H2EDTA(aq) + 2H2O R CaEDTA(aq) + 2H3O(aq)
Diese Reaktion läuft um so schlechter, je tiefer der pH-Wert ist, weil dadurch die Konzentration des Produkts Oxoni-
um steigt. Erschwerend kommt dazu, dass während der Titration laufend Oxoniumionen produziert werden und der
pH zwangsläufig immer tiefer sinkt.
C. Trennung von Aminosäuren mit Gel-Elektrophorese:
In einem elektrischen Feld haben Aminosäuren je nach Molekülgrösse und Ionenladung in einem Polymergel unter-
schiedliche Wanderungsgeschwindigkeiten und können so aufgetrennt, bzw. aufgrund ihrer Retentionszeiten identi-
fiziert werden. Je nach pH liegt eine Aminosäure aber als Anion, als Zwitterion oder als Kation vor (Beispiel Glycin):
O O O
H3N H3N H2N
CH C CH C CH C
OH O O
H H H
Je nach Ladungszustand wandern die Teilchen verschieden schnell, bleiben stehen (Zwitterion!) oder bewegen sich
sogar in die umgekehrte Richtung.
Soll ein pH-abhängiges Gleichgwicht also immer im gleichen Ausmass ablaufen, muss gewährleistet wer-
den, dass der pH immer gleich bleibt. Dies geschieht mit Hilfe von Puffern (vgl. Kap. 5.3).
Eine sehr wichtige Rolle spielt die pH-Pufferung auch in der Biochemie, z.B. bei Stoffwechselvorgängen:
Zum Beispiel verschieben schon kleinste Veränderungen des pH-Wertes im Humanplasma viele lebens-
wichtige und zudem komplex untereinander verkoppelte Gleichgewichte, was fatale Folgen haben kann.
c(A − ) ⋅ c(H3O+ )
Definition der Säurekonstanten: KS (HA):= (G40)
c(HA)
[KS] = mol/l
pKS := -log KS
Analog lässt sich eine für die Base B eine Basen- oder Assoziationskonstante KB definieren:
c(HB+ ) ⋅ c(OH− )
B + H2O R HB+ + OH− K=
c(B) ⋅ c(H2O)
c(HB+ ) ⋅ c(OH− )
Definition der Basenkonstanten: KB (B):= (G41)
c(B)
[KB] = mol/l
pKB := -log KB
Gesetzmässigkeiten:
Je stärker eine Säure, desto ........................ gibt sie ein Proton an eine Base ab
........................ ist KS
Je stärker eine Base, desto ........................ reisst sie einer Säure ein Proton aus
........................ ist KB
Da die Grössenordnungen von KB und KS in wässerigen Lösungen sich über mehr als 15 Zehnerpotenzen
erstrecken, wird meistens der handlichere pKS-Wert tabelliert. Auf der nächsten Seite sind die wichtigsten
Säuren und Basen, geordnet nach absteigender Säurestärke, aufgelistet.
+
Beispiel: pKS-Wert von H3O
c(H2O) ⋅ c(H3O+ )
• Reaktion mit Wasser: H3O+ + H2O R H2O + H3O+ K= =1
c(H3O+ ) ⋅ c(H2O)
•
-16
KS(H2O) = K∙55.56 = 1.8∙10 mol/l ⇒ pKS = − logKS =15.76
-
HClO4 Perchlorsäure ClO4 Perchlorat -9*
-
HCl Salzsäure Cl Chlorid -6*
-
H2SO4 Schwefelsäure HSO4 Hydrogensulfat -3*
+
H3O Oxonium-Ion H2O Wasser -1.74
-
HNO3 Salpetersäure NO3 Nitrat -1.32
-
HClO3 Chlorsäure ClO3 Chlorat 0
- 2-
HSO4 Hydrogensulfat SO4 Sulfat 1.92
-
H2SO3 Schweflige Säure HSO3 Hydrogensulfit 1.96
-
H3PO4 Phosphorsäure H2PO4 Dihydrogenphosphat 1.96
3+ 2+
[Fe(H2O)6] Eisen(III)-Hexaquoion [Fe(OH)(H2O)5] 2.2
-
HF Flussäure F Fluorid 3.14
-
HCOOH Ameisensäure HCOO Formiat 3.7
-
H3CCOOH Essigsäure H3CCOO Acetat 4.76
3+ 2+
[Al(H2O)6] Al(III)-Hexaquoion [Al(OH)(H2O)5] 4.9
-
H2CO3 Kohlensäure HCO3 Hydrogencarbonat 6.46
H2S Schwefelwasserstoff HS- Hydrogensulfid 7.06
- 2-
HSO3 Hydrogensulfit SO3 Sulfit 7.2
- 2-
H2PO4 Dihydrogenphosphat HPO4 Hydrogenphosphat 7.21
-
HClO Unterchlorige Säure ClO Hypochlorit 7.25
+
NH4 Ammonium NH3 Ammoniak 9.21
-
HCN Blausäure CN Cyanid 9.4
2+ +
[Zn(H2O)6] Zn(II)-Hexaquoion [Zn(OH)(H2O)5] 9.66
- 2-
HCO3 Hydrogencarbonat CO3 Carbonat 10.4
-
H2O2 Wasserstoffperoxid HO2 Hydrogenperoxid 11.6
2- 3-
HPO4 Hydrogenphosphat PO4 Phosphat 12.3
- 2-
HS Hydrogensulfid S Sulfid 12.9
-
H2O Wasser OH Hydroxid 15.74
- 2-
OH Hydroxid O Oxid 24**
* Sehr starke Säure, verdünnte Lösung in H2O vollständig dissoziiert, effektiv vorhandene Säure ist
+
H3O (Nivellierungseffekt)
–
** Sehr starke Base, wird in H2O sofort protoniert, effektiv vorhandene Base ist OH
Konjugierte Säure-Base-Paare
Durch die Abgabe eines Protons geht eine Brönsted-Säure in die zu ihr konjugierte Base über:
HA + H2O R A- + H3O+
Säure HA Konjugierte
-
Base A
Analog geht durch die Umkehrung dieser Reaktion eine Base in die zu ihr konjugierte Säure über.
Beispiele von konjugierten Säure-Base-Paaren:
O O
H3C C H3C C
OH O
Essigsäure Acetat
N H N
Pyridinium Pyridin
• Je stärker eine Säure ist, desto schwächer ist die zu ihr konjugierte Base (und umgekehrt)
• Eine Base trägt immer eine um eins negativere Ladung als die konjugierte Säure
• Bei 25°C ist die Summe von pKS + pKB = 14
-
Beweis zum 3. Merksatz (S/B-Paar HA/A ):
c(A− ) ⋅ c(H3O+ ) c(HA) ⋅ c(OH− )
KS (HA) = ; KB (A− ) =
c(HA) c(A− )
c(A− ) ⋅ c(H3O+ ) c(HA) ⋅ c(OH− )
⇒ KS (HA) ⋅ KB (A − ) = ⋅ = KW = 10−14 mol 2 ⋅ l −2
c(HA) c(A − )
⇒ − logKS (HA) + {− logKB (A − )} = pK S (HA)+pKB(A- ) = − log10−14 = 14
c(A- )▪c(H3O+)
Reaktion A: HA + H2O A- + H3O+ KS(HA) =
c(HA)
c(HB+)
Reaktion B: H3O+ + B H2O + HB+ 1/KS(HB+) =
c(B)▪c(H3O+)
c(A- )▪ c(HB+)
Totalreaktion: HA + B+ H3O+ A- + HB+ + H3O+ Ktot=
c(HA) ▪ c(B)
Die Gleichgewichtskonstante der Gesamtreaktion ist also der Quotient der Säurekonstanten der Eduktsäu-
re und der zur Eduktbase konjugierten Säure, d.h die Reaktion läuft gut (= Ktot > 1), wenn HA die stär-
+
kere Säure ist als HB :
K (HA)
K tot = S + (G42)
KS (HB )
Wird G42 logarithmiert findet man
+
log Ktot = pKS(HB ) - pKS(HA) (G43)
+
Aus G43 wird sofort erkennbar, dass ein Ktot > 1 resultiert, wenn pKS(HB ) grösser als pKS(HA) ist. Ob
eine Reaktion abläuft, kann also sehr schnell aus der pKS-Tabelle auf Seite 6 ermittelt werden:
Wie stark sich der pH beim Auflösen eines Protolyten in reinem Wasser ändert, hängt ab -
- von der Stärke des Protolyten (pKS, bzw. pKB)
- von der Gesamtkonzentration an Protolyt (Ctot)
c(HB+ )
Einprotonige Base B: α := (G43b)
C tot (B)
Beispiele zu Ctot:
A. Auflösen von 0.1 mol/l Phosphorsäure: C tot (PO4 ) = 0.1mol / l = c(H3PO4 ) + c(H2PO−4 ) + c(HPO24− ) + c(PO34− )
Reaktionsgleichungen:
B. Lösen von 10-3 mol/l NaHCO3 ("Natron"): C tot (CO23− ) = 10−3 mol / l = c(H2CO3 ) + c(HCO3− ) + c(CO23− )
Reaktionsgleichungen:
Der Protolysegrad α kann nur Werte zwischen 0 (Keine Protolyse) und 1 (vollständige Protolyse) anneh-
men:
0 ≤ α ≤ 1
schwache starke
Säure/Base Säure/Base
Abhängigkeit des Protolysegrades von Ctot und der Säurestärke KS (Basenstärke KB):
(Beispiel reine wässerige Lösung der einprotonigen Säure HA)
− +
a) Reaktionsgleichung: HA + H2O R A(aq) + H3O(aq)
c(A− ) ⋅ c(H3O+ )
b) MWG: KS =
c(HA)
c) Reine Lösung von HA (Keine andere Quelle für H3O !): c(H3O ) = c(A ) = α∙Ctot(A)
+ + -
-
d) Massenbilanz für HA: Ctot(A) = c(A ) + c(HA)
⇒ c(HA) = Ctot(A) - α Ctot(A)=(1-α) Ctot
α2 ⋅ C2tot (A) α2
c) und d) einsetzen in b): KS = = Ctot (A) ⋅ (G45)
(1 − α) ⋅ Ctot (A) (1 − α)
(G45) nach α auflösen: ⇒
KS
Näherung für schwache Säure (α << 1): α≅ (G47)
Ctot
Ctot
Näherung für starke Säure (α ≅ 1): α ≅ 1− (G48)
KS
Für die Berechnung des Protolysegrades von Basen muss in den Formeln
einfach KS durch KB ersetzt werden.
Schlussfolgerungen:
• Je grösser KS (KB), desto höher der Protolysegrad
• Je verdünnter die Säure (Base), desto stärker protolysiert sie
Beispiel
Im Abgas einer Bio-Deponie soll die Konzentration von Ammoniak NH3 gemessen werden. Dazu wird das Gas durch
genau 1 Liter Wasser geleitet, welches den Ammoniak absorbiert. Mit einem Ammonium-Sensor (zu NH3 konjugierte
Base) wird in dem Wasser c(NH4+) = 1.7∙10-4 mol/l gemessen. Wieviel Ammoniak wurde total in dem Wasser absor-
biert?
1. Protolysereaktion: NH3 + H2O R NH4+ + OH-
c(NH+4 ) ⋅ c(OH− )
2. MWG: KB = = 10−4.79 mol / l ( pKB(NH3) = 14- pKS(NH4+) = 4.79 )
c(NH3 )
3. Wahl der Näherung für die Berechnung des Protolysegrades: NH3 ist eine schwache Base, α wird also nahe bei 0
sein -> (G47) verwenden:
KB 10−4.79
α(NH3 ) ≅ =
C tot Ctot
c(NH+4 ) 1.7 ⋅ 10−4
Der Protolysegrad von NH3 ist aber wie folgt definiert (G43b): α(NH3 ) = =
Ctot C tot
Werden die beiden Gleichungen gleichgesetzt und dann nach Ctot aufgelöst, findet man:
c2 (NH4+ ) (1.7 ⋅ 10−4 )2
Ctot (NH3 ) = = = 1.78 ×10-3 mol/l
KB 10−4.79
c(NH4+ ) 1.7 ⋅ 10−4
4. Kontrolle, ob die Näherung in 3. korrekt war: α(NH3 ) = = = 0.095 -> Näherung ok
Ctot 1.78 ⋅ 10−3
pH = -log(α∙Ctot(HA)) (G49a)
Analog gilt für Basen: pOH = -log(α∙Ctot(B)) (G49b)
Beispiele
A. pH-Wert einer 0.1 molaren Essigsäure: HAc hat einen pKS von 4.76, ist also eine schwache Säure. Für die Berech-
nung von α wird deshalb Näherung (G47) benutzt:
KS 10−4.76
α(HAc) ≅ = = 0.013 , die Essigsäure ist also nur zu 1.3% protolysiert, die Näherung ist ok.
C tot 0.1
B. pH-Wert einer 0.001 molaren Essigsäure: Es wird wie die gleiche Näherung wie bei Beispiel A. benutzt:
KS 10−4.76
α(HAc) ≅ = = 0.13 , hier genügt die Näherung α << 1 offensichtlich nicht mehr, der Protolysegrad
Ctot 0.001
muss über die exakte Lösung der quadratischen Gleichung (G46) berechnet werden:
C. pH-Wert einer 0.2molaren Sodalösung (Soda = Na2CO3): Carbonat ist eine starke Base (pKB = 14 - pKS(HCO3-)= 3.6),
deshalb wird hier die Näherung (G48) benutzt:
C 0.2
α ≅ 1 − tot = 1 − −3.6 = − 795 ! Offensichtlich ist diese Näherung unbrauchbar, es wird zu (G47) gewechselt:
KB 10
KB 10−3.6
α(CO23− ) ≅ = = 0.035 (Frage: Wieso ist der Protolysegrad dieser starken Base so klein?)
Ctot 0.2
⇒ pOH = − log(α ⋅ Ctot ) = − log(0.035 ⋅ 0.2) = 2.15; pH = 14 − pOH = 11.85
Verteilungsfunktionen βi
Diese Funktionen beschreiben die Abhängigkeit des Protolysegrades von mehrprotonigen Protolyten vom
pH- Wert und zwar für jede Protolysestufe separat.
Definition von βi: βi(pH) ist der relative Anteil jener Protolysestufe einer mehrprotonigen Säure HnA, wel-
che i Protonen abgegeben hat, bezogen auf Ctot(A), bei einem bestimmten pH-Wert.
c(Hn− i A)
βi := ; pH fix (G50)
Ctot (HnA)
Für einen bestimmten pH-Wert können die Verteilungsfunktionen folgendermassen berechnet werden
(Herleitung der Formel vgl. Kunze, Kap. 9.2):
u =1
Der Nenner in (G51) ist unabhängig von i, d.h. von der Protolysestufe, für welche β berechnet werden
soll.
• β0 misst den relativen Anteil von überhaupt nicht deprotonierter Säure an der Gesamtkonzentration:
c(HnA)
β0 =
Ctot (A)
• In einer einprotonigen Säure entspricht β1 dem Protolysegrad α, in einer einprotonigen Base ist dies
β0 der zu ihr konjugierten Säure
Auf der AnC-Homepage steht Ihnen eine EXCEL-Datei zur Verfügung, mit der Sie Verteilungsfunktionen für
bis zu vierprotonige Protolyte berechnen sowie deren pH-Abhängigkeit grafisch darstellen können.
1.0
Hilfsgrössen:
+
c(H3O )=
0.8 1.00E-05
Ks1= 1.00E+20 b0
0.6 Ks2= 1.10E-02 b1
Ks3= 7.59E-08 b2
βi
0.4 Ks4= b3
4.79E-13
b4
0.2 N = 1.11E+08 pH exp.
Nenner
0.0
0 2 4 6 8 10 12 14
pH-Wert
=
(10 )−6 3
=
10−18
(10 ) + (10 )
−6 3 −6 2
⋅ 10−2 + ( 10 ) ⋅ 10
−6 −2
⋅ 10−7.2 + 10−2 ⋅ 10−7.2 ⋅ 10−12.3 10−18 + 10−14 + 10−15.2 + 10−21.5
β0 = 0.000094
c(H2PO−4 ) c2 (H+ ) ⋅ KS1 10−12 ⋅ 10−2
H2PO4-: β1 = = 3 + =
C tot (PO4 ) c (H ) + c2 (H+ ) ⋅ KS1 + c(H+ ) ⋅ KS1 ⋅ KS2 + K S1 ⋅ K S2 ⋅ K S3 10−18 + 10−14 + 10−15.2 + 10−21.5
β1 = 0.94
c(HPO24− ) c(H+ ) ⋅ KS1 ⋅ KS2 10−6 ⋅ 10−2 ⋅ 10−7.2
HPO42-: β2 = = 3 + =
C tot (PO4 ) c (H ) + c2 (H+ ) ⋅ KS1 + c(H+ ) ⋅ KS1 ⋅ KS2 + K S1 ⋅ K S2 ⋅ K S3 10−18 + 10−14 + 10−15.2 + 10−21.5
β2 = 0.059
c(PO34− ) KS1 ⋅ KS2 ⋅ KS3 10−2 ⋅ 10−7.2 ⋅ 10−12.3
PO43-: β3 = = 3 + =
Ctot (PO4 ) c (H ) + c2 (H+ ) ⋅ KS1 + c(H+ ) ⋅ K S1 ⋅ K S2 + KS1 ⋅ KS2 ⋅ KS3 10−18 + 10−14 + 10−15.2 + 10−21.5
β3= 0.00000003
Resultat: In einem wässerigen System, das einen pH von 6 aufweist, liegt 94% des Phosphates als H2PO4- vor und
6% als HPO42-. Die beiden andern Protolysestufen können dem gegenüber vernachlässigt werden.
Diese Anteile sind unabhängig von der Form, in welcher das Phosphat ursprünglich ins System eingebracht wurde
(z.B. als Phosphorsäure oder als Na3PO4)!
P.S. Wie gross ist der Protolysegrad von Phosphorsäure bei pH 6 ?
5.3. Existenzgebiete
Die im vorhergehenden Kapitel besprochenen Verteilungsfunktionen bieten ein einfaches Werkzeug zur
Berechnung der Verteilung der Gesamtmenge einer Säure oder Base auf ihre verschiedenen Protolysestu-
fen. Sie sind aber wegen der komplexen mathematischen Struktur nicht sehr übersichtlich und ihre Her-
leitung komplex. Für die schnelle Beurteilung wässeriger Systeme und des Einflusses ihres pH-Wertes ist
die sog. Puffergleichung besser geeignet. Diese Gleichung ensteht, wenn das MWG der Protolysereaktion
einer Säure teilweise logarithmiert wird:
c(A− ) ⋅ c(H3O+ )
R KS =
- +
HA + H2O A + H3O
c(HA)
c(A− )
⇒ logKS = logc(H3O+ ) + log
c(HA)
c(A − )
⇒ − logc(H3O+ ) = − logKS + log
c(HA)
c(A − )
Puffergleichung: pH = pKS + log (G52)
c(HA)
Die Puffergleichung kann auch mit dem Protolysegrad αS der Säure HA formuliert werden:
c(A − ) = α S ⋅ Ctot ⎫⎪ αS
⎬ ⇒ pH = pKS + log (G53)
c(HA) = (1 − α S ) ⋅ Ctot ⎪⎭ 1 − αS
Existenzdiagramme
Wird das Verhältnis der Gleichgewichtskonzentrationen eines konjugierten S/B-Paares als Funktion des
pH-Wertes aufgezeichnet, gelangt man zum Existenzdiagramm, das dank seiner Einfachheit und Ueber-
sichtlichkeit eine schnelle halbquantitative Beurteilung von pH-abhängigen Gleichgewichten erlaubt.
Ausgezeichnete Punkte des Existenzdiagramms:
100 1
HA
α(HA)
% A-
50 A- 0.5
0 0
0 7 14
pKS pH-Wert
100 1
α(Säure)
% Base
0 0
0 7 pH-Wert 14
pKS1 pKS2
+2pH
-2pH
Nur im pH-Bereich pKS2-2 bis pKS1+2 sind alle drei Protolysestufen zu mehr als 1% präsent.
Liegen die pKS-Werte mehr als 4pH auseinander, sind die beiden Protolysereaktionen nicht
verkoppelt (Unsicherheit 1%).
Soll die Sicherheit der Aussage (Reaktionen nicht verkoppelt) auf 0.1% verbessert werden, müssen die
beiden pKS-Werte mindestens 6 pH-Einheiten auseinander liegen.
Beispiel
Ein "Mineralwasser" wird durch Aufpressen einer bestimmten Menge CO2-Gas in 500 ml Wasser hergestellt. Das Gas
löst sich im Wasser unter Bildung von Kohlensäure:
CO2(g) + H2O(l) R H2CO3(aq)
Zur Kontrolle wird anschliessend der pH-Wert des Wassers gemessen: er liegt bei 4.5. Wieviele g Kohlendioxid haben
sich in dem Wasser gelöst?
Reaktionsgleichungen: H2CO3 + H2O R HCO3− + H3O+ pKS1 = 6.5
− 2− +
HCO + H2O R CO
3 3 + H3O pKS2 = 10.4
Existenzdiagramm:
100%
0
pKS1=6.46 pKS2 = 10.4
0 14
pH-Wert
Die beiden pKs-Werte liegen 4 Einheiten auseinander, die für die Auflösung von CO2 relevante erste Protolysereakt-
ion wird kaum durch die zweite Stufe beeinflusst und kann isoliert betrachtet werden. Es kann also die Näherungs-
formel (G47) für den Protolysegrad einprotoniger schwacher Säuren verwendet werden:
KS1
α(H2CO3 ) ≅
Ctot
In der Massenbilanz für das gelöste CO2 kommt das Carbonat nicht vor:
Ctot (CO2 ) = c(H2CO3 ) + c(HCO3− )
Weiter stimmt die Ladungsbilanz c(HCO3-) = c(H3O+), da nur die erste Reaktion abläuft, (G49a) kann ebenfalls ver-
wendet werden:
pH = -log(α∙Ctot(H2CO3))
Werden diese Gleichungen kombiniert und nach Ctot aufgelöst, findet man
10−2⋅pH 10−2⋅4.5
Ctot (CO2 ) = = −6.46 = 2.88 ⋅ 10−3 mol /l ,
KS1 10
was in 500ml Totalvolumen gerade 0.0635 g gelöstem CO2 entspricht.
5.3.3 pH-Indikatoren
Wenn die Partner eines konjugierten Säure/Base-Paares unterschiedlich gefärbt sind, können sie für die
grobe Abschätzung des pH-Wertes in einer Lösung verwendet werden:
Liegt der Indikator zu mehr als 50% in der sauren Form vor, überwiegt die saure Farbe, im umgekehrten
Fall jene der konjugierten Base. Da das Konzentrationsverhältnis saure zu basische Form vom pH abhängt
(Puffergleichung!), kann je nach Farbe sofort ausgesagt werden, ob der pH unterhalb oder oberhalb des
pKS des Indikators liegt.
COO
COO
HInd Ind-
0
pKS=5.3 7 14
0 pH-Wert
Faustregel: Das Auge erkennt Farbunterschiede, wenn der relative Anteil der 2. Komponente mehr als
10% beträgt.
⇒ Umschlagsgebiet von Indikatoren (Mischfarbe) geht ca. von pKS-1 bis pKS+1
⇒ Die Unsicherheit der pH-Messung mit Farbindikatoren liegt bei ca. ±1 pH
Achtung: Wird zuviel Indikator in eine Probe gegeben, verändert sich deren pH-Wert, da ja der Indikator
selber eine Säure oder Base ist!
⇒ Wenn schon Indikator in eine Probe hinein gegeben muss (z.B. bei einer Titration), so
nur in vernachlässigbaren Mengen (der Indikator muss also intensiv gefärbt sein!). Besser
ist es, einen Tropfen Probe herauszunehmen und auf ein Indikatorpapier zu bringen.
Eine Tabelle von gebräuchlichen pH-Indikatoren mit ihren Umschlagsgebieten ist im Kunze oder in der
Datensammlung Chemie zu finden.
100%
Rot Gelb
Methylrot
0
pKS=5.3
100%
5.3.4 Pufferlösungen
Wie in den vorangegangenen Abschnitten gezeigt wurde, ist die quantitative Beurteilung von wässerigen
Säure/Base-Systemen sehr viel einfacher, wenn deren pH-Wert bekannt ist und sich während den analyti-
schen Messungen nicht ändert. Andererseits wird der pH-Wert von fast neutralen Lösungen schon durch
Einbringen von sehr kleinen Säure- oder Basenmengen drastisch verschoben (vgl. z.B. das Ergebnis von
-6
Test 5f: 10 mol Indikator verschieben den pH von 100ml Probe von 7 bis 9!).
Das Problem kann behoben werden, wenn der Probe eine Substanz zugegeben wird, welche evtl. auftre-
tende Protolysereaktionen mit Wasser (welche ja den pH-Wert verändern!) abfängt ("abpuffert"). Dies
wird erreicht durch Zugabe vergleichbarer Mengen eines schwachen konjugierten Säure/Base-Paares
+
HP /P. Die Puffersubstanz darf natürlich nicht irgendwelche unerwünschten Reaktionen mit Systembe-
standteilen eingehen oder die analytische Messung auf andere Weise stören.
HA B
P H22O HP+
pH sinkt pH steigt
Pufferbase (P) muss stärkere Base sein als Wasser
-1.74 < pK
pKSS(HP
(HP++/P)
/P) < 15.74
15.74
Puffersäure (HP+) muss stärkere Säure sein als Wasser
Aus der Puffergleichung (G52) folgt, dass das Verhältnis der beiden Gleichgewichtskonzentrationen eines
"Pufferpaares" den pH-Wert einer Lösung bestimmt. Wie kann man aber Gleichgewichtskonzentrationen
einmessen, wenn doch beim Lösen der Substanzen in Wasser die Möglichkeit der Protolyse besteht? Weil
– wie in der obigen Abbildung dargelegt – die Puffersubstanzen sowohl eine stärkere Base wie auch eine
+
stärkere Säure als Wasser sind, werden bei einer eventuellen Protolyse H nicht auf Wasser übertragen,
sondern auf das konjugierte Teilchen, und damit ändert sich nichts an den beiden Gleichgewichtskon-
zentrationen:
R
+ +
HP + P P + HP
Es können also analytische Mengen der beiden konjugierten Teilchen eingewogen werden, und die
resultierenden Gleichgewichtskonzentrationen werden genau gleich gross sein.
c(Base) c(CO23− )
Einsetzen in die Puffergleichung: pH = pKS + log , bzw. 10.0 = 10.4 + log
c(Säure) c(HCO3− )
c(CO23− )
⇒ = 10pH− pKS = 10−0.4 = 0.398
c(HCO3− )
Das Pufferkonzentrat soll insgesamt 1 mol/l Carbonat enthalten, d.h. C tot (CO23− ) + C tot (HCO3− ) = 1mol / l
Durch Kombination der letzten beiden Gleichungen und Auflösen nach Ctot (CO23− ) findet man:
0.398
Ctot (CO23− ) = = 0.285mol / l
1 + 0.398
⇒ Ctot (HCO3− ) = 1 − Ctot (CO23− ) = 0.715mol / l
Diese Konzentrationen können erreicht werden, indem äquivalente Mengen der entsprechenden Natriumsalze einge-
wogen werden. Für 1 Liter Konzentrat wären dies
0.715mol NaHCO3 (M = 84g / mol) = 60.1g NaHCO3
Das im obigen Beispiel hergestellte Pufferkonzentrat kann nun portionenweise zu irgendwelchen Proben
gegeben werden, deren pH auf 10 eingestellt werden soll. Dadurch wird der Puffer zwar verdünnt, aber
am Verhältnis der beiden Konzentrationen, das ja den pH bestimmt, ändert sich nichts!
Steht bei einem Pufferpaar nur die eine Komponente in wägbarer Form zur Verfügung, kann, wie das fol-
gende Beispiel zeigt, das korrespondierende Teilchen durch quantitative Reaktion mit der passenden
Menge einer sehr starken Base (z.B. NaOH) oder Säure (HClO4) in situ hergestellt werden.
H O O
C C
Na
O O
Für 100 ml Puffer entspricht dies 0.026 mol Benzoat. Dies kann in situ produziert werden, indem 0.026 mol OH-
zugegeben werden, z.B. 26 ml einmolare NaOH.
Pufferkapazität
C
Ctot ( 1 )) > C
tot ( Ctot
tot
( 2 ))
0 pH-Wert
0 14
pKS(Puffer)