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Abteilung. In Zeiten von Internet und E-Mail liegen solche Infor- daran, den ungeordneten Haufen von E-Mails nach verräterischen
mationen elektronisch vor, so Weinbergers Argumentation, die ideale Spuren zu durchforsten. Dazu entwickelten sie Softwareprogramme,
Voraussetzung also, um sie automatisiert und Kosten sparend durch die diese Arbeit automatisiert durchführen sollten. Jeffrey Heer von
Computer zu verarbeiten. der University of California in Berkeley gelang es hierbei, einen der
wichtigsten Drahtzieher des Betrugsskandals, den damaligen Enron-
Doch bisher fehlte es an geeigneter Software, um das soziale Ökosys- Handelschef Timothy Belden, anhand seines Mailverkehrs zu identifi-
tem eines Unternehmens beispielsweise aus der Analyse seines zieren. Das eingesetzte Analyse-Tool durchsuchte das Mailarchiv nach
E-Mailverkehrs zu destillieren. Das Problem dabei: Der Hinweis, wie Mitarbeitern, die die Knotenpunkte und Multiplikatoren im Mail-
wertvoll beispielsweise ein Mitarbeiter in einem Projekt ist, kann sogar verkehr darstellten. So zeigte Heers Software, dass Handelschef Belden
der expliziten Aussage in einer E-Mail widersprechen. Soziale Informa- laufend von wichtigen Leuten innerhalb des Konzerns informiert
tionen verstecken sich in der Regel zwischen den Daten. Aufgrund der wurde. Von ihm selbst jedoch fanden sich überhaupt keine Mails in
Schwierigkeiten bei ihrer elektronischen Verarbeitung dominieren in den freigegebenen Daten. Sprachverarbeitungs-Experte Heer publi-
Intranets, Portalen und Geschäftsberichten aber nach wie vor struktu- zierte daraufhin seinen Verdacht, dass Beldens Mails vorsorglich ver-
rierte und ausdrückliche Informationen, die auch ohne verborgenen nichtet worden seien und brachte so die Ermittlungsbehörden auf die
Kontext verständlich sind. So lassen sich Umsatzzahlen oder Budget- Spur des Managers.
pläne deshalb so gut handhaben, weil sie in Tabellen aufgereiht von
jedem Entstehungszusammenhang befreit sind. Das heißt, Anleger Informationsverlust durch zu viel Ordnung
oder Wirtschaftsprüfer müssen nicht Hunderte von Mails lesen, bevor Im Enron-Fall erwiesen sich die E-Mails als kriminalistischer Glücksfall.
sie eine Bilanz lesen können. Explizite Daten jedoch können manipu- Die Forschungsarbeiten ergaben, dass sich das Miteinander im
liert werden, wie der Finanzskandal um den texanischen Energie- Unternehmen vor allem in solchen unstrukturierten Daten ablagert.
konzern Enron im Jahr 2001 gezeigt hat. Gerade ihre Unstrukturiertheit ermöglicht, dass Informations-
fragmente sozialer Interaktion in den Daten zurückbleiben. Anstatt die
Enron-Skandal als Lehrstück Daten gewissermaßen zu reinigen und ihre Inhalten aufzubereiten,
Um die Wahrheit hinter den offiziellen Zahlenwerken zu erhellen, ver- plädiert David Weinberger dafür, den Datenschmutz nicht wegzuwi-
öffentlichte die oberste amerikanische Regulierungsbehörde für Energie- schen – vergleichbar einem Archäologen, der Artefakte in der Erde für
fragen im Mai 2002 den kompletten sicher gestellten Bestand an Enron- kommende Forschergenerationen zurücklässt. Denn später könnten
Mails, insgesamt 517.431 Dokumente. Sofort machten sich Forscher sich vermeintlich wertlose Informationen gerade als nützlich erweisen.
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