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Rechtliche Rahmenbedingungen der elektronischen Vergabe VergabeR 3/2001
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und VOF 2000 [25] anzuwenden, auf die die den sind [32]. Danach ist es Sache der Mit-
§§ 4¼7 VgV verweisen. gliedstaaten, ob sie digitale Angebote im Ver-
gabeverfahren zulassen wollen oder nicht.
Die neue Vergabeverordnung enthält selbst § 15 VgV beschränkt sich im wesentlichen
keine inhaltlichen Grundsätze über die Ver- darauf, diese Entscheidungsfreiheit auf die
gabe öffentlicher Aufträge, sondern beläßt es öffentlichen Auftraggeber zu übertragen. Die
insoweit bei den §§ 97¼101 GWB und den Regelung erschöpft sich in einer ¹Weiterga-
Verdingungsordnungen. Sie präzisiert ledig- beª dieser Möglichkeiten auf die Vergabestel-
lich den Anwendungsbereich des Vergabe- len. Rechtliches Neuland wollte die Bundes-
rechts oberhalb der europäischen Schwel- regierung nicht alleine betreten.
lenwerte und stellt eine Reihe zusätzlicher
verfahrensrechtlicher Regeln auf. In der sich
a) Zulassung im Einzelfall
aus Vergabeverordnung und Verdingungs-
ordnungen zusammensetzenden unterge- Daraus ergibt sich zugleich die erste Voraus-
setzlichen Rechtskaskade finden sich ein- setzung der digitalen Angebotsabgabe, die
zelne Bestimmungen zur digitalen Vergabe ¼ auch in den neuen Verdingungsordnungen
genauer: zur Abgabe von Angeboten in digi- 2000 wiederkehrt [33]: Bieter können nicht
taler Form ¼, die allerdings über punktuelle von sich aus Angebote in digitaler Form ab-
Regelungen nicht hinausgehen, ganz augen- geben, sie können der Vergabestelle nicht di-
scheinlich lediglich experimentellen Charak- gitale Angebote aufoktroyieren. Vielmehr ob-
ter haben und sich nur auf einzelne Ab- liegt es der Vergabestelle zu entscheiden, ob
schnitte eines mehrstufigen und komplexen
Vergabeprozesses fokussieren. Eine Rechts- [25] BAnz. Nr.173 a vom 13. 9. 2000.
sicherheit herbeiführende umfassende Rege- [26] Die Bestimmung hat folgenden, im Verordnungsverfahren un-
veränderten, durch das neue Signaturgesetz modifizierten Wortlaut:
lung der elektronischen Vergabe gibt es auch ¹Soweit die Bestimmungen, auf die die §§ 4 bis 7 verweisen, keine
Regelungen über die elektronische Angebotsabgabe enthalten, kön-
seit der mit der neuen Vergabeverordnung nen die Auftraggeber zulassen, dass die Abgabe der Angebote in
vollendeten letzten Reformphase der wettbe- anderer Form als schriftlich per Post oder direkt erfolgen kann, so-
fern sie sicherstellen, daß die Vertraulichkeit der Angebote gewahrt
werbsrechtlichen Lösung nicht. ist. Digitale Angebote sind mit einer qualifizierten elektronischen Sig-
natur im Sinne des Signaturgesetzes zu versehen und zu verschlüs-
seln; die Verschlüsselung ist bis zum Ablauf der für die Einreichung
Zentralnorm für die elektronische Auftrags- der Angebote festgelegten Frist aufrechtzuerhalten.ª
[27] BR-Drucks. 455/00, S.19.
vergabe in der Vergabeverordnung ist § 15 [28] Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. 6.1993 über die Koor-
VgV, der die Abgabe elektronischer Angebote dinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, ABl.
EG Nr. L 199/1 (sog. Lieferkoordinierungsrichtlinie [LKR]); Richtlinie
regelt [26]. Der experimentelle Charakter die- 93/37/EWG des Rates zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe
ser Bestimmung wird auch an der äußerst öffentlicher Bauaufträge, ABl. EG NR. L 199/54 (sog. Baukoordinie-
rungsrichtlinie [BKR]); Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom
kurzen, rein deskriptiven und zurückhalten- 18. 6.1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffent-
licher Dienstleistungsaufträge, ABl. EG Nr. L 209/1 (sog. Dienstlei-
den amtlichen Begründung der Verordnung stungskoordinierungsrichtlinie [DKR]).
durch die Bundesregierung deutlich, die sich [29] Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. 6.1993 zur Koordinie-
rung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Was-
mit dem Hinweis begnügt, daß ¹die enormen ser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikati-
Fortschritte bei der elektronischen Übermitt- onssektor, ABl. EG Nr. L 199/84 (sog. Sektorenkoordinierungsrichtli-
nie [SKR]).
lung von Informationen [...] auch eine Anpas- [30] Sie lauten übereinstimmend: ¹Die Angebote werden schriftlich
sung der Vergabevorschriftenª erforderten, auf direktem Wege oder mit der Post übermittelt. Die Mitgliedstaaten
können zulassen, daß die Angebote auf andere Weise übermittelt
um dann den Verordnungswortlaut nochmals werden, sofern gewährleistet ist, daß
¼ jedes Angebot alle für seine Bewertung erforderlichen Angaben
in eigenen Worten wiederzugeben [27]. Mit enthält;
§ 15 VgV nutzt die Bundesregierung die ihr in ¼ die Vertraulichkeit der Angebote bis zu ihrer Bewertung gewahrt
bleibt;
den europäischen Vergaberichtlinien einge- ¼ die Angebote umgehend schriftlich oder durch Übermittlung einer
beglaubigten Abschrift bestätigt werden, soweit dies aus Gründen
räumten Experimentiermöglichkeiten. Die drei des rechtlichen Nachweises erforderlich ist;
¹klassischenª Richtlinien zum öffentlichen ¼ die Öffnung der Angebote nach Ablauf der für ihre Einreichung
festgelegten Frist erfolgt.
Auftragswesen [28] und die Sektorenrichtlinie (Gleichlautend Art. 23 Abs. 2 Richtlinie 92/50/EWG, Art.15 Abs. 3
Richtlinie 93/36/EWG, Art.18 Abs. 2 Richtlinie 93/37/EWG und
[29] enthalten Öffnungsklauseln für die elek- Art. 28 Abs. 6 Richtlinie 93/38/EWG).
tronische Angebotsabgabe [30], die im Rah- [31] Beschluß 94/800/EG, ABl. EG Nr. L 336/1. Das GPA enthält
selbst keine Vorschriften zur elektronischen Vergabe.
men der Anpassung der Richtlinien an das [32] Fußn. 20 und 21.
Beschaffungsübereinkommen der Welthan- [33] Mosbacher, DÖV 2001, 573; zu § 21 Nr.1 VOB/A Kratzenberg,
delsorganisation von 1994 (General Procure- NZBau 2000, 265, 266, und ders., in: Ingenstau/Korbion, VOB,
14. Aufl. 2001, A § 21 Rdnr. 2 d; zu § 21 Nr. 3 VOL/A Byok/Troost, Be-
ment Agreement [GPA] [31]) eingefügt wor- hördenspiegel 1/2001, B V.
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sie von der gesetzlich zugelassenen Option Auslegung indessen nicht [37]. Insbesondere
Gebrauch machen will. Hierbei handelt es das Diskriminierungsverbot des § 97 Abs. 2
sich um eine Ermessensentscheidung im Ein- GWB erfordert keine dahingehende Ausle-
zelfall. Da der Staat Staat bleibt, auch wenn gung. Man wird nicht ernsthaft annehmen
er nicht in Uniform, sondern in Zivil geht [34], können, daß ein zumindest mittelständisches
spricht vieles dafür, daß dieses Ermessen in- oder ausländisches Unternehmen, das
pflichtgemäß auszuüben ist und die im Ver- sich am grenzüberschreitenden Wettbewerb
waltungsrecht entwickelte Lehre von Ermes- beteiligt ¼ nochmals: § 15 VgV gilt nur ober-
sensfehlern [35] für die Überprüfung der Ent- halb der weit über Bagatellwerte liegenden
scheidung herangezogen werden kann. Aus europäischen Schwellenwerte ¼ nicht über
§ 15 Satz 1 VgV wird man keinen Anspruch die erforderliche Technik verfügt, um ein digi-
von Bietern ableiten können, daß sich die tales Angebot abzugeben. Völlig zu Recht
Vergabestelle mit der erforderlichen Technik hebt die Kommission der Europäischen Ge-
zur Entgegennahme und Bearbeitung digita- meinschaften in ihrem Vorschlag für eine
ler Angebote ausstattet. Unklarer ist die neue Richtlinie über die Koordinierung der
Rechtslage, wenn die Vergabestelle über Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferauf-
diese Technik (nachweislich) verfügt und träge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträ-
gleichwohl in der Bekanntmachung oder den ge vom 30. 8. 2000 [38] hervor, daß ¼ selbst
Verdingungsunterlagen ohne sachlichen wenn befürchtet werde, daß einige Unterneh-
Grund digitale Angebote nicht zugelassen men auf Grund ihres informationstechni-
werden. In diesem Fall ist kein Grund dafür schen Rückstands von elektronisch verge-
ersichtlich, warum ein oktroyiertes elektroni- benden Aufträgen ausgeschlossen sein
sches Angebot, das die übrigen Vorausset- könnten ¼ die Entwicklung nicht mehr aufzu-
zungen des § 15 VgV erfüllt, ausgeschlossen halten sei und ein Übergangszeitraum, in
werden darf und bei der Wertung nicht be- dem die gleichzeitige Verwendung herkömm-
rücksichtigt werden muß. Die rechtswidrige licher und elektronischer Kommunikations-
Nichtzulassung digitaler Angebote macht also mittel vorgeschrieben wäre, nicht nötig sei
das Vergabeverfahren nicht fehlerhaft, son- [39]. Eine Auslegung von § 15 Satz 1 VgV, die
dern führt dazu, daß ein gleichwohl online ab- zu einem Parallelverfahren zwingt, ist also
gegebenes Angebot berücksichtigt werden zwar möglich, (zumindest mittelfristig) aber
muß. Wettbewerbsvorteile dieses Bieters nicht zwingend geboten. Entscheidet sich
dürften nicht zu erkennen sein. hingegen ein Bieter, seine Offerte auf elektro-
nischem Wege abzugeben, dann muß es alle
für seine Bewertung erforderlichen Angaben
b) Parallelität von analogen und digitalen enthalten, wie dies auch die Änderungsricht-
Verfahren linie 97/52/EG [40] vorsieht. ¼ Er kann nicht
Anders als beim Wortlaut von § 21 Nr.1 VOB/ ¹splittenª und einen Teil in analoger, den an-
A, wo es dem Auftraggeber verwehrt ist, die deren Teil in digitaler Form unterbreiten. Dies
digitale Angebotsabgabe als alleinige Mög- folgt unmittelbar aus dem Wortlaut des § 15
lichkeit vorzugeben [36], läßt sich § 15 Satz 1 Satz 1 VgV, der ¼ wie auch sonst bei der An-
VgV nicht eindeutig entnehmen, ob die Ver- gebotsabgabe ¼ ein einheitliches und voll-
gabestelle die Abgabe ausschließlich digita- ständiges Angebot vor Augen hat. Diese
ler Angebote verlangen kann. Sinn macht Rechtsfindung kann zusätzlich durch eine
dies zum Beispiel ohne weiteres schon heute richtlinienkonforme Auslegung gestützt wer-
bei Ausschreibungen von IT-Leistungen, aber den [41].
auch in allen anderen Bereichen ist hieran zu
denken, sobald die Vergabestellen über die
erforderliche Technik verfügen. Dem experi- [34] Malmendier, DVBl. 2000, 963, 964 f., m. w. N.
[35] Siehe hierzu statt vieler Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungs-
mentellen Charakter der Vorschrift und dem recht, Band 1, 11. Aufl. 1999, Rdnr. 31¼56 zu § 31.
verwendeten Begriff ¹zulassenª statt ¹vor- [36] Dazu nachfolgend III 2 a.
schreibenª dürfte am ehesten eine Auslegung [37] A. A. Mosbacher, DÖV 2001, 573.
[38] KOM 2000 (275) endg. = BR-Drucks. 488/00.
entsprechen, die ¼ wie bei § 21 Nr.1 VOB/A ¼ [39] Begründungserwägung II 2.2.
von einer Parallelität analoger und digitaler [40] Fußn. 20.
Angebote ausgeht. Zwingend ist eine solche [41] So Höfler, NZBau 2000, 449, 453.
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gnaturrichtlinie mit der Einführung des neuen um werden sich an noch nicht existierende,
Gesetzes über Rahmenbedingungen für elek- aber angedachte Verwaltungsvorschriften ¼
tronische Signaturen und zur Änderung wei- insbesondere einer Neuauflage des Vergabe-
terer Vorschriften Rechnung [48]. Das Ziel handbuchs des Bundes (VHB) ¼ halten [52].
des Bundeswirtschaftsministeriums, daß das Die gesetzgeberische Zurückhaltung, durch
neue Gesetz im Mai 2001 in Kraft tritt [49], die das Rechtswidrigkeitsrisiko bei der Ver-
konnte eingehalten werden, was sich, wie die gabestelle belassen wird, schafft alles andere
Erfahrung lehrt, bei der Umsetzung des Ge- als Rechts- und Investitionsunsicherheit und
meinschaftsrechts in Deutschland nicht von dürfte auch durch normenkonkretisierende
selbst versteht. Mit Inkrafttreten hat sich das Verwaltungsvorschriften kaum behoben wer-
dargestellte Signaturverfahren nicht grundle- den, da diesen eine abschließende Regelung
gend geändert. Gleichwohl bringt das neue kaum gelingen dürfte. Nichts anderes gilt für
Signaturgesetz einige grundlegende Neue- die entsprechenden Bestimmungen der neu-
rungen. Weggefallen ist die in Deutschland en Verdingungsordnungen.
bislang bestehende Genehmigungspflicht für
Zertifizierungsstellen [50], statt dessen wird
d) Subsidiarität der Vergabeverordnung
ein freiwilliges Akkreditierungssystem einge-
führt [51]. Auch die Terminologie ändert sich; § 15 VgV kommt nur zur Anwendung, wenn
statt von digitalen Signaturen wird künftig von die Verdingungsordnungen keine spezielle-
elektronischen Signaturen die Rede sein. Die ren Bestimmungen enthalten. Diese aus-
Signaturrichtlinie kennt dabei insgesamt vier drücklich hervorgehobene Subsidiarität ge-
verschiedene Signaturformen, die sich in ih- genüber den Verdingungsordnungen wird
rer Qualität unterscheiden: Die elektronische zur Folge haben, daß sich die praktische Be-
Signatur (§ 2 Nr.1 SigG), die fortgeschrittene deutung der Norm stark in Grenzen halten
elektronische Signatur (§ 2 Nr. 2 SigG), die und nur für Liefer- und Dienstleistungsaufträ-
qualifizierte elektronische Signatur (§ 2 Nr. 3 ge oberhalb der Schwellenwerte Anwendung
SigG) sowie die qualifizierte elektronische Si- finden wird. Europaweite Ausschreibungen,
gnatur, die von einer akkreditierten Zertifizie- für die § 15 VgV lediglich gilt, machen ohne-
rungsstelle erteilt wurde und den höchsten hin nur etwa 7,62 % des gesamten Auftrags-
Sicherheitsstandard bietet (§ 15 SigG). Schon volumens in Deutschland aus [53]. Gerade in
wenige Monate nach seinem Inkrafttreten hat dem wirtschaftlich wichtigsten Bereich der
Art. 3 Abs.1 des Gesetzes über Rahmenbe- Bauaufträge hat der für die Neufassung der
dingungen für elektronische Signaturen § 15 VOB zuständige Verdingungsausschuß von
Satz 2 VgV geändert und sieht für den Be- der Möglichkeit Gebrauch gemacht, abwei-
reich öffentlicher Beschaffungen vor, daß chende Regelungen zu treffen. Die digitaler
eine qualifizierte elektronische Signatur erfor- Abgabe ¹verhandelter Angeboteª für freibe-
derlich wird. Die Erteilung einer qualifizierten rufliche Leistungen im Verfahren nach der
Signatur durch eine akkreditierte (inländi- VOF wird kaum praktische Bedeutung erlan-
sche) Zertifizierungsstelle i. S. des § 15 SigG gen, so daß für § 15 VgV nur der VOL-Bereich
wird nicht vorgeschrieben, obwohl gerade oberhalb der Schwellenwerte als Anwen-
diese Möglichkeit durch § 1 Abs. 3 SigG im dungsfeld verbleibt. Im Grunde hat § 15 VgV
Einklang mit Art. 3 Abs. 2 der Signaturrichtli- lediglich die Bedeutung, im Sinne einer
nie für den Bereich der öffentlichen Verwal- Unterermächtigung ¹Inhalt, Zweck und Aus-
tung vorgesehen ist; die Gefahr, daß sich maߪ der Verdingungsordnungen in dieser
ausländische Bieter diskriminiert fühlen, wird Hinsicht näher zu bestimmen, denen ober-
dadurch von vornherein unterbunden. halb der Schwellenwerte bereits im Zeitalter
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fahren die fehlende Verschlüsselung nicht unterlagen an die Bieter versandt wird. Ge-
zum zwingenden Ausschluß führt (§ 23 Nr.1 mäß § 10 Nr. 5 Abs. 2 lit. h VOB/A sind ggf. die
lit. a) VOL/A), dies aber bei VOB-Verfahren Zulassung digitaler Angebote sowie Verfah-
anders sein soll. ren zu ihrer Ver- und Entschlüsselung im An-
schreiben anzugeben; nach § 10 Nr. 5 Abs. 2
c) Bekanntmachung öffentlicher lit. j VOB/A ggf. die Anschrift, an die digitale
Bauaufträge, § 17 VOB/A Angebote zu richten sind. Die Formulierung
¹ggf.ª ¼ die auch in § 17 Nr.1 Abs. 2 lit. j ver-
Neben § 21 Nr.1 Abs.1 VOB/A enthält die
wendet wird ¼ unterstreicht wiederum den fa-
VOB weitere punktuelle Vorschriften, die für
kultativen Charakter des digitalen Verfahrens.
ein elektronisch durchgeführtes Vergabever-
§ 10 Nr. 5 Abs. 2 lit. i VOB/A regelt schließlich,
fahren Bedeutung erlangen können, etwa
daß die genaue Aufschrift der schriftlichen
§ 17 VOB/A, wonach öffentliche Bauaufträge
Angebote oder Bezeichnung der digitalen An-
bekanntzumachen sind. Auf welche Weise
gebote anzugeben ist.
dies geschieht, läßt § 17 Nr.1 Abs.1 VOB/A je-
doch offen; die erwähnten Veröffentlichungs-
arten ¼ in Tageszeitungen, amtlichen Veröf-
f) Submissionstermin, § 22 VOB/A
fentlichungsblättern oder Fachzeitschriften ¼
sind ausdrücklich nur Beispiele. Detailliertere § 22 VOB/A regelt das Verfahren beim Sub-
Vorgaben enthalten die Ausführungsvor- missionstermin. Nach § 22 Nr.1 Satz 2 VOB/A
schriften zu den Landeshaushaltsordnungen; sind die schriftlich oder direkt eingereichten
in Berlin etwa sind öffentliche Ausschreibun- Angebote bis zum Eröffnungstermin unter
gen und öffentliche Teilnahmewettbewerbe Verschluß zu halten; entsprechend sind digi-
gemäß der Ausführungsvorschrift Nr.1.2 zu tale Angebote zu kennzeichnen und ver-
§ 55 LHO mindestens im Amtsblatt für Berlin schlüsselt aufzubewahren. Der Verhand-
bekanntzumachen. Die Bekanntmachung lungsleiter stellt sodann fest, ob der Ver-
übers Internet ¼ die in der Praxis schon lange schluß der schriftlichen Angebote unversehrt
auf Europäischer Ebene öffentlich und auf ist und die digitalen Angebote verschlüsselt
nationaler Ebene zumindest durch Verlage sind (§ 22 Nr. 3 Abs.1 VOB/A).
praktiziert wird ¼ ist weder in der VOB noch in
den haushaltsrechtlichen Ausführungsvor-
schriften geregelt. Europaweite Ausschrei- g) Sonstige Bestimmungen
bungen müssen gemäß § 17 a Nr. 2 Abs. 2
Gemäß § 18 Nr. 3 VOB/A können Angebote
VOB/A dem Amt für Amtliche Veröffentlichun-
bis zum Ablauf der Angebotsfrist schriftlich,
gen der Europäischen Gemeinschaften über-
fernschriftlich, telegrafisch oder digital zu-
mittelt werden; anschließend werden sie im
rückgezogen werden; an weitere Formvor-
Supplement des Amtsblatts der EG veröffent-
schriften ist die digitale Angebotsrücknahme
licht. Ob diese Übermittlung auch via e-mail
nicht geknüpft. Die Rücknahme dürfte durch
erfolgen kann, läßt § 17 a Nr. 2 Abs. 2 VOB/A
einfache e-mail möglich sein, da auch ein
offen, dürfte aber ohne weiteres zu bejahen
Fax keine größere SIcherheit verschafft.
sein und ist auch schon gängige Praxis. In
der Bekanntmachung ist nach § 17 Nr.1
Nach der Kostenvorschrift des § 20 Nr.1
Abs. 2 lit. i neben der Anschrift der Stelle, bei
Abs.1 VOB/A kann der Auftraggeber bei öf-
der die Verdingungsunterlagen angefordert
fentlichen Ausschreibungen jetzt vom Bieter
und eingesehen werden können, auch an-
die Kosten der Vervielfältigung der Vergabe-
zugeben, ob die Unterlagen auch digital an-
unterlagen und der postalischen Versendung
gefordert und eingesehen werden können.
verlangen; gemäß § 20 Nr.1 Abs. 2 Halbs. 2
Gegebenenfalls ist die E-mail-Adresse der
VOB/A gilt dies auch auch bei digitaler Über-
Vergabestelle bekanntzugeben (§ 17 Nr.1
mittlung, obwohl die Selbstkosten des Auf-
Abs. 2 lit. l).
traggebers in diesem Fall eher fiktiv sind. Die
Bestimmung dürfte so zu verstehen sein, daß
e) Vergabeunterlagen, § 10 VOB/A
hinsichtlich des Entgelts eine Gleichstellung
§ 10 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A bestimmt den Inhalt zwischen herkömmlichen und digitalen Ver-
des Anschreibens, das mit den Verdingungs- dingungsunterlagen gewollt ist. In der Be-
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Auftraggeber es den Bietern ermöglicht, die frist entfalten, sondern schon nach Inkrafttre-
Verdingungsunterlagen kostenlos online ab- ten durch Bekanntgabe im Amtsblatt der Eu-
zurufen [77]. ropäischen Union beachtet werden müssen
und Mitgliedstaaten keine Vorschriften mehr
Indessen wird bereits heute ganz überwie- erlassen dürfen, die geeignet sind, die Errei-
gend ¼ etwas vorschnell ¼ angenommen, § 15 chung des in der Richtlinie vorgeschriebenen
VgV und die darauf aufbauenden neuen Be- Ziels ernstlich in Frage zu stellen. Allerdings
stimmungen der Verdingungsordnungen wird man zur Zeit nicht ernstlich behaupten
2000 seien aus europarechtlicher Sicht be- können, daß die neue Vergabeverordnung
denklich, müßten zumindest europarechts- und die Verdingungsordnungen 2000 geeig-
konform dahingehend ausgelegt werden, daß net sind, das in der E-Commerce-Richtlinie
die Vergabestelle im Einzelfall grundsätzlich vorgeschriebene Ziel ¼ den elektronischen
elektronische Angebote als gleichberechtigte Vertragsschluß mit dem herkömmlichen nor-
Alternative neben der herkömmlichen Schrift- mativ gleichzustellen ¼ ernstlich in Frage zu
form zulassen müsse, ihr Ermessen also in stellen. Im Gegenteil, die Experimentierklau-
der Regel dahingehend reduziert sei [78]. seln der Vergabeverordnung und Verdin-
Dies wird nicht aus den Vergaberichtlinien, gungsordnungen stellen geradezu sicher,
sondern aus der Richtlinie 2000/31/EG des daß das mit der E-Commerce-Richtlinie vor-
Europäischen Parlaments und des Rates vom geschriebene Ziel mit Ablauf der Umset-
8. 6. 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte zungsfrist erreicht werden kann, indem der
der Dienste der Informationsgesellschaft, ins- Verordnungsgeber erste Erfahrungen sam-
besondere des elektronischen Geschäftsver- meln, daraus Schlüsse ziehen und normative
kehrs, im Binnenmarkt [79] (sog. E-Commer- Präzisierungen vornehmen kann.
ce-Richtlinie) geschlossen. Art. 9 Abs.1 der
Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten si- Ungeachtet der den deutschen Normgeber
cherzustellen, daß ihr Rechtssystem den Ab- noch (schützenden) Umsetzungsfrist spre-
schluß von Verträgen auf elektronischem We- chen de lege lata eine Reihe weiterer Ge-
ge ermöglicht und daß elektronische Ver- sichtspunkte gegen die Anwendung der E-
tragsabschlüsse im Vergleich zu herkömmli- Commerce-Richtlinie auf staatliche Beschaf-
chen durch den Rechtsrahmen nicht diskri- fungsvorgänge. Zwar ergibt sich aus den Be-
miniert werden. gründungserwägungen und aus Art.1 der
Richtlinie weder ausdrücklich, daß das öffent-
Die E-Commerce-Richtlinie regelt die soge- liche Auftragswesen vom Anwendungsbe-
nannten Dienste der Informationsgesellschaft reich dieser Richtlinie umfaßt ist, noch aus-
in der Europäischen Union. Rechtlich unge- drücklich, daß es davon ausgeschlossen ist.
klärt ist allerdings das Konkurrenzverhältnis Für den Bereich der öffentlichen Verwaltung
dieser Richtlinie zu den europäischen Verga- gilt hingegen die E-Commerce-Richtlinie ¼
berichtlinien [80]. Umgesetzt werden soll anders als die Signaturrichtlinie ¼ eindeutig
diese Richtlinie vorwiegend durch ein Gesetz nicht [85]. Der staatliche Beschaffungssektor,
über rechtliche Rahmenbedingungen für den in Deutschland traditionell dem Privatrecht
elektronischen Geschäftsverkehr (EGG), das zugeordnet, wird nicht nur auf europäischer
seit dem 14. 2. 2001 als Regierungsentwurf
vorliegt und dem Bundestag am 16. 5. 2001 [77] Art. 37 Nr. 6 Richtlinienentwurf KOM 275 (2000).
[78] So insbesondere Byok/Troost, Behördenspiegel 1/2001, B V,
durch die Bundesregierung zur Beschlußfas- und Höfler, NZBau 2000, 449, 455.
sung zugeleitet wurde [81]. Aus der erst am [79] ABl. EG L 178/1.
17.1. 2002 ablaufenden Umsetzungsfrist der [80] Für die Anwendbarkeit der E-Commerce-Richtlinie auf Be-
schaffungsvorgänge (implizit) die in der Fußn. 78 Genannten.
E-Commerce-Richtlinie [82] wird man aller- [81] BT-Drucks. 14/6098 = BR-Drucks. 136/01. Dazu Härting, DB
dings nicht per se schließen können, daß 2001, 80¼82.
[82] Art. 22 Abs.1.
diese bis dahin nicht berücksichtigt werden [83] Urteil v. 18.12.1997 ¼ Rs. C-129/96 ¼, (Inter-Environnement
müsse. Spätestens seit dem ¹Wallonie-Urteilª Wallonie ASBL/Région wallonne) ¼, Slg. 1997, I-7411 = DVBl. 1998,
600 L = EuZW 1998, 167 = EWS 1998, 67 = NVwZ 1998, 385 = WRP
des Europäischen Gerichtshofes [83] und 1998, 290 = ZUR 1998, 26.
dem ¹Racket-Urteilª des Bundesgerichtshofs [84] BGHZ 138, 55 = BB 1998, 2225 = EuZW 1998, 474 = NJW
1998, 2208 = RIW 1998, 956.
[84] ist geklärt, daß Richtlinien Bindungswir- [85] Eifert/Schreiber, MMR 2000, 340, 341, Fußn.11; Maennel, MMR
kung nicht erst mit Ablauf der Umsetzungs- 1999, 187, 188; Spindler, ZUM 1999, 775, 776.
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schen Vergaberechts nicht mehr stellen, weil wicklung, alle diese Stufen eignen sich für di-
solche Angebote schon nach Bürgerlichem gitale Kommunikationsformen. Die Abbildung
Recht zulässig sein werden. auf Seite 189 verdeutlicht einen denkbaren
elektronisch unterstützten work flow. Teilwei-
se gestattet die geltende Rechtslage schon
V. Ausblick heute diese Beschaffungsstufen elektronisch
auszugestalten. Um auch für diese Stufen
Bei der aktuellen Diskussion um die elektro- Rechtssicherheiten für Vergabestellen zu
nische Unterstützung staatlicher Beschaf- schaffen, empfehlen sich gleichwohl nach er-
fungsvorgänge darf nicht verkannt werden, sten Erfahrungen in der Praxis entsprechen-
daß § 15 VgV und seine Pendants in den Ver- de Regelungen. Das Legislativpaket der Eu-
dingungsordnungen nur einen bescheidenen ropäischen Union [89] wird in den kommen-
Ausschnitt aus einem digital abbildbaren Be- den Jahren ohnehin für weiteren normativen
schaffungsprozeß regeln. Nicht nur Angebote Ergänzungsbedarf sorgen, nachdem § 15
sind der digitalen Kommunikationstechnik VgV durch das neue Signaturgesetz schon
zugänglich. Angefangen von der Bedarfser- jetzt geändert wurde, so daß hinreichende
mittlung über die Ausschreibung und Aus- Anlässe für gebotene Komplementierungen
wertung der Angebote bis zur Information der bestehen werden.
nicht berücksichtigten Bieter, zum digitalen
Zuschlag und zur elektronischen Vertragsab- [89] Fußn. 72.
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