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Das Factoring

Weiterführende Literatur: Bette; Das Factoring-Geschäft; Canaris, Verlängerter Eigentumsvorbehalt und


Forderungseinzug durch Banken, NJW 1981, 249; Hagenmüller/Sommer (Hrsg.), Factoring-Handbuch; Marti-
nek, Moderne Vertragstypen, Bd. I: Leasing und Factoring.

1. Begriff und wirtschaftliche Wirkungsweise

Factoring bedeutet den laufenden Ankauf von Forderungen aus Lieferungen o-


der Leistungen des Factoringkunden (= Unternehmer) durch den Factor (engl.=
Agent, Kommissionär; i.d.R. ein spezialisiertes Finanzierungsinstitut, meist eine
Bank) auf vertraglicher Grundlage. Je nach vertraglicher Ausgestaltung kann der
Factoringkunde dabei dem Factor seine gesamte Debitorenbuchhaltung, ein-
schließlich Inkasso- und Mahnwesen sowie den gerichtlichen Forderungseinzug
übertragen. Vereinbart werden kann auch, dass der Factor das Delkredere (Ü-
bernahme des Bonitäts- und Ausfallrisikos) für die Forderungen (ggf. im Rah-
men eines vereinbarten Limits) übernimmt. Dementsprechend können -je nach
Ausgestaltung- dem Factoring folgende Funktionen zukommen:

• Finanzierungsfunktion (durch Ankauf und Kreditierung der Forderungen);


• Dienstleistungsfunktion (Debitorenmanagement);
• Delkrederefunktion (Forderungsausfallrisiko).

Der Factor schreibt den jeweiligen Forderungskaufpreis sofort (advance facto-


ring) oder zum individuellen bzw. durchschnittlichen Fälligkeitszeitpunkt der
Forderung (maturity factoring) dem Factoringkunden unter Abzug seiner Provi-
sionen (Factoringgebühr) sowie eines 10 bis 15 % igen Sicherungseinbehaltes
für Skontoabzüge oder Mängeleinbehalte durch den Abnehmer gut. Mit Zahlung
durch den Abnehmer (oder bei Fälligkeit) wird dem Factoringkunden der Siche-
rungseinbehalt ausgezahlt.

2. Der Factoringvertrag

Das Factoring ist gesetzlich nicht geregelt. Jedoch ergibt sich aus dem Grund-
satz der Vertrags- und Gestaltungsfreiheit des § 311 Abs. 1 BGB die grundsätz-
liche Zulässigkeit dieses Vertragstypes. Kern des in aller Regel vom Factor vor-
gelegten Mustervertrages ist die Verpflichtung des Factoringnehmers, alle in
seinem Geschäftsbetrieb entstandenen und künftig noch entstehenden Forderun-
gen dem Factor anzubieten (Globalzession = Abtretung aller bestehenden und
zukünftigen Forderungen). Der Factor läßt sich i.d.R. gleichzeitig das Recht ein-
räumen, unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bei mangelnder Bonität des
Abnehmers) oder auch ohne besonderen Grund vom Erwerb von Einzelforde-
rungen Abstand nehmen zu können.

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Daneben können noch die Übernahme der Verwaltung des Forderungsbestandes
und/oder der Delkrederefunktion vereinbart werden. Als Gegenleistung erhält
der Factor pro übernommener Funktion eine Provision (Factoringgebühr).

Je nach Umfang der vom Factor übernommenen Funktionen und Ausgestaltung


des Vertrages im Einzelnen lassen sich folgende Formen unterscheiden:

• Beim Full Service Factoring (auch Standardfactoring genannt) fallen Fi-


nanzierungsfunktion, Dienstleistungsfunktion und Delkrederefunktion zu-
sammen.
• Beim Bulk Factoring (auch Eigenservice- oder Inhouse-Factoring ge-
nannt) nutzt der Factoringkunde die Finanzierungs- und Delkrederefunk-
tion, verzichtet jedoch darauf, dem Factor die Dienstleistungsfunktion zu
übertragen. Er führt die Debitorenbuchhaltung -treuhänderisch für den
Factor- selbst durch.
• Beim Fälligkeitsfactoring nutzt der Factoringkunde zwar die Dienstlei-
stungs- und Delkrederefunktion, verzichtet aber auf die sofortige Regulie-
rung der Forderung (Finanzierungsfunktion).
• Beim stillen (oder nicht notifizierten) Factoring zeigt der Factoringkunde
die erfolgte Abtretung seinen Kunden nicht an. Dementsprechend können
die Abnehmer gemäß § 407 BGB weiterhin mit schuldbefreiender Wir-
kung an den Factoringkunden bezahlen.
• Beim halboffenen Factoring erfolgt zwar keine Abtretungsanzeige, je-
doch wird die Factoring Bank als Bankverbindung auf der Rechnung an-
gegeben.
• Beim offenen (oder notifizierten) Factoring zeigt der Factoringkunde
hingegen die Abtretung (meist in Form eines Rechnungsaufdrucks) an.
Parallel dazu zeigt häufig auch der Factor dem Abnehmer den Forde-
rungseingang bei ihm an. Der Abnehmer kann damit schuldbefreiend nur
an den Factor leisten. In Deutschland wird vorwiegend das offene Facto-
ring betrieben.
• Unechtes Factoring (auch recourse-factoring genannt) liegt vor, wenn
das Forderungsausfallrisiko beim Factoringkunden bleibt.
• Von echtem Factoring (auch non-recourse-factoring oder old line facto-
ring genannt) wird gesprochen, wenn der Factor hingegen die Forderun-
gen regresslos ankauft, also die Delkrederefunktion übernimmt. Die meis-
ten Factoringverträge in Deutschland sehen den Forderungskauf vor.

Rechtlich gesehen ist der Factoringvertrag i.d.R. ein gemischter Vertrag. Ist das
Debitorenmanagement (z.B. Buchhaltung, Forderungseinzug) vereinbart, enthält
er Elemente der Geschäftsbesorgung i.S.d. §§ 675 ff BGB. Ob es sich beim ei-
gentlichen Kerngeschäft um einen Forderungskauf oder um ein Darlehen han-
delt, hängt von der rechtlichen Ausgestaltung der Vertragsbeziehung im Einzel-
fall ab:

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• Beim echten Factoring liegt ein Kauf vor (BGHZ 69, 257; 72, 20). Ge-
mäß § 435 BGB haftet der Factoringkunde dem Factor jedoch nur für den
rechtlichen Bestand, nicht hingegen für die Durchsetzbarkeit der Forde-
rung.
• Beim unechten Factoring trägt hingegen der Factoringkunde das Risiko,
dass der Abnehmer nicht zahlt. Im Falle der sofortigen Gutschrift der For-
derung gewährt der Factor also ein Darlehen, zu dessen Besicherung er
die Forderungsabtretung lediglich erfüllungshalber annimmt (BGHZ 58,
367).

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