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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.........................................................................................................................................2

2. Die Sachsen......................................................................................................................................2

3.Die Sachsenkriege Karls des Großen................................................................................................5

4. Alkuin und die Sachsenmission.................................................................................................15


4.1. Alkuin......................................................................................................................................15
4.2. Alkuins Kritik an der Mission Karls.......................................................................................16
4.2.1 Der Brief Alkuins von 796...............................................................................................16

4.2.2 Zusammenfassung von Alkuins Position ........................................................................20

Reaktion Karls...................................................................................................................................22

6. Zusammenfassung und Ausblick....................................................................................................22

7. Literaturverzeichnis........................................................................................................................24

7.1 Quellen.....................................................................................................................................24
7.2 Sekundärliteratur......................................................................................................................24
Anhang 1: Karte Sachsenkriege.........................................................................................................25

Anhang 2: Übersetzung des Briefes Alkuins an Karl.........................................................................26


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1. Einleitung

Karl der Große gilt als die große Herrschergestalt des Frühmittelalters. Nachdem er gemeinsam mit
seinem Bruder Karlmann die Königswürde im fränkischen Reich erlangt hatte, sollte er nicht nur als
erster fränkischer Herrscher die Kaiserwürde erlangen, sondern vergrößerte sein Reich um ein
Vielfaches1. Das fränkische Kerngebiet ist vor allem im heutigen Frankreich und Belgien zu finden,
reichte aber durchaus schon bis an den Rhein 2. Karl jedoch schaffte es, unter anderem das
Langobardenreich und vor allem Sachsen zu erobern und dem fränkischen Reich anzugliedern.
Während er recht rasch die langobardische Krone trug, sollte sich der so genannte Sachsenkrieg
,oder Sachsenmission, über viele Jahrzehnte hinziehen3. Gerade die Eroberung dieses heidnisches
Gebietes verlangte eine besondere Vorgehensweise, denn als christlicher König oblag ihm nicht nur
die Eroberung, sondern auch die Christianisierung des Gebietes 4. Wie zu zeigen sein wird, stieß
diese allerdings nicht nur auf Zustimmung. Einer seiner engsten Vertrauten, der Angelsachse
Alkuin, sollte sich als einer der schärfsten Kritiker erweisen5.
Im Folgenden soll gezeigt werden, auf welche Art und Weise Karl der Große den Krieg und
insbesondere die Mission durchführte. Anschließend wird ausführlich dargelegt, wie Alkuin seine
Kritik formuliert. Zu Beginn soll eine kurze Beschreibung des sächsischen Volkes vor den Kriegen
stehen.

2. Die Sachsen

Die Sachsen werden in der Literatur ausführlich behandelt. Sie gelten einigen als ein Eroberervolk,
das im 3. Jahrhundert nach Christus in das Gebiet der Elbe einwanderte und sich sukzessive bis zum
Rhein ausbreitete. Sie sollen die Thüringer teils durch Überredung, teils durch Kämpfe verdrängt
haben, so dass sie zur Zeit Karls des Großen ein sehr großes Gebiet vom Rhein bis über die Elbe,
angrenzend an die Friesen im Norden, begrenzt durch die Hessen im Süden, bewohnten 6.

Da die Sachsen an das fränkische Reich grenzten, kam es im Laufe der Zeit immer wieder zu
Kontakten, aber das Gebiet kam auch in das Blickfeld von Missionaren. Während der
Friesenmission der Angelsachsen Willibrord und Bonifatius kam es vermutlich zu vereinzelten
1 Riché, Pierre: Die Karolinger - Eine Familie formt Europa, Düsseldorf 2003, S. 114 - 115.
2 Mackay, Angus: Atlas of Medieval Europe, New York 2002, S. 11.
3 Schneider, Reinhard: Das Frankenreich, München/Odlenbourg 2001, S. 27 - 29.
4 Hägermann, Dieter: Karl der Große - Herrscher des Abendlandes, Berlin 2006, S. 137.
5 Wallach, Luitpold: Alcuin and Charlemagne: Studies in Carolingian History and Literature, Ithaca 1959, S. 26 - 27.
6 Hägermann, Karl der Große, .97 - 98.
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Versuchen, die Sachsen zu missionieren – jedoch ohne großen Erfolg7.

Der Vita Lebuinii des Missionars Lebuin verdanken wir einen gewissen Einblick in die Gesellschaft
der Sachsen. Sie waren kein Volk, das von einem König regiert wurde 8 und gliederten sich in
gentes, verschiedentlich als „Schwärme“ „Stämme“ oder gar „Völker“ 9 übersetzt. Obwohl sie also
nicht unter einem König lebten, gab es durchaus ein bestimmtes Zusammengehörigkeitsgefühl.
Vorgeblich soll sich dieses bei jährlichen Versammlungen bei „Marklo“ gezeigt haben, wo sich die
„Anführer“ der einzelnen gentes, die in der Vita als Satrapen bezeichnet werden, getroffen haben
sollen. Allerdings gibt es durchaus andere Meinungen zu der Struktur – es kann auch gut sein, dass
der „Marklo“ nicht, wie häufig behauptet, ein Ort gewesen sei, sondern einfach der Name für
„Versammlungsort“, es also mehr als einen Ort gegeben haben soll 10.
Relativ sicher ist es, dass es für die gentes die (Fremd-) Bezeichnungen „Westfalen, Ostfalen und
Engern“ gegeben hat11. Ferner gehörten noch die „Transalbingier“ („die jenseits der Elbe“) dazu,
allerdings sollten sich diese als weniger bedeutend erweisen während der Sachsenkriege. 12
Die Gesellschaft an sich war strukturiert in Edelinge, Frilingen und Laten. Die Edelinge stellten die
sächsische Oberschicht da, vielleicht waren dies die Nachfahren der einwandernden sächsischen
Menschen von der britischen Insel. Die anderen Schichten waren wohl die ursprüngliche
Bevölkerung. Unfreie werden nicht erwähnt13.
Es gab nicht nur friedliche Kontakte. So gab es schon früh immer wieder einmal kleinere
Kriegsscharmützel. Pippin, der Vater Karls, schaffte es auch, Teile der Sachsen zu Tributzahlungen
zu zwingen14.

Die Sachsen huldigten einer Naturreligion. Sie beteten im Freien, an Quellen und waren sehr stark
involviert in die Natur. Ihre Art der Religion stand teilweise diametral dem Christentum entgegen,
welches ihnen verschiedene Missionare nahe bringen wollten 15. Das erste Problem einer christlichen

7 Hägermann,Karl der Große, S. 99.


8 Springer, Matthias: Die Sachsen, Stuttgart 2004, S. 144 – 146.
9 siehe beispielsweise Hägermann, Riché, Schieffer und andere.
10 Springer, Sachsen, S. 135 ff.
11 Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, Cap. 14; Schneidmüller, Bernd und Rotter, Ekkehardt (Hrsg.) S. 50 -
51; Zeile 23 - 24.
12 Springer, Sachsen, S. 250.
13 Hägermann, Karl der Große, S. 101.
14 Schieffer, Die Karolinger, München 20064, S. 66.
15 Hägermann, Karl der Große, S. 99 - 100.
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Mission bestand darin, dass die stark in ihren uralten Sitten und Gebräuchen verwurzelten Sachsen
sich schwer taten, ihre Mythen und Traditionen aufzugeben. Die Sachsen waren geprägt auf
irdisches Wohl und Glück, ganz im Gegensatz zum Christentum, welches auf das jenseitige Wohl
ausgelegt war16. Erschwerend trat hinzu, dass sich die Kulturen fundamental unterschieden. Das
hellenistisch – orientalische Christentum war und ist vor allem eine Buchreligion. Obwohl diese
Religion eine Dreieinigkeit hatte, lehnten sie doch eine Götterwelt ab, eine Tatsache, die für die
Sachsen nur sehr schwer verständlich war. Sie dürften der Auffassung gewesen sein, dass die
Dreieinigkeit doch auch ähnlich mehrerer Götter sei und der theologischen Diskussion auf dem
nötigen Level nicht folgen können17. Die christliche Ethik lehnte alles ab, was die Sachsen von
Alters her schätzten und kannten, zerriss das Band der Lebenden zu den Toten 18 und zerstörte das
Empfinden der eigenen Raum – und Zeitvorstellungen19. Das Christentum verlangte von ihnen nicht
weniger als der Bruch mit der Vergangenheit. Für sie muss es ein Unrecht gewesen sein,dass sie mit
der Taufe gleichzeitig alles das als Irrtum anzusehen hatten, was sie gelernt hatten20.
Ein anderes Problem waren die Übersetzungs- und Interpretationsprobleme. Um das Christentum zu
verbreiten, musste man die sächsische Sprache beherrschen. In dieser Sprache gab es aber für einige
zentrale Themen des Christentums weder Konzept noch Wort, beispielsweise Sünde, Schuld und
Vergebung21.
Eine reine Wortmission schien so kaum erfolgversprechend zu sein. Die Sachsen verstanden nur
Zeichen ihres eigenen Lebensumfeldes. Auch bei anderen Naturreligionen sorgte nur ein sichtbares
Zeichen dafür, dass sie verstanden, dass der Christengott stärker sei. So fällte Bonifatius auf seiner
Mission die Donareiche, ohne dass ihm etwas geschah. Für das Christentum war die Bekehrung der
Heiden wichtig, denn für sie existierten die heidnischen Götter durchaus, allerdings als Dämonen22.

Lebuin soll auf seinem Missionsversuch bei einer der Versammlungen der Satrapen eine Art

16 Nonn, Ulrich: Zwangsmission mit Feuer und Schwert? Zur Sachsenmission Karls des Großen; in: Felten, Franz J. :
Bonifatius - Apostel der Deutschen. Mission und Christianisierung vom 8. bis ins 20. Jahrhundert, Mainzer Voträge
9, Stuttgart 2004, S. 68.
17 Springer, Sachsen, S.153 ff.
18 Überliefert ist die Geschichte eines friesischen Fürsten, welcher das Christentum empört ablehnte, da seine
Vorfahren, die Heiden waren, nun nicht mit ihm im Jenseits sein würden, sondern in der Hölle. Hägermann, Karl der
Große, S. 100 - 101.
19 Hägermann, Karl der Große, S. 101.
20 Nonn, Zwangsmission, S. 59.
21 Hägermann, Karl der Große, S. 100.
22 Hägermann, Karl der Große, S. 101 - 103.
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programmatische Rede gehalten haben. Die Sachsen sollten sich dem christlichen Gott unterwerfen,
der ihnen Gutes tun werde. Ansonsten stünde ein christlicher König bereit, der in ihr Land
eindringe, raube, verwüste, deren Besitzungen anderen übergebe, sie ins Exil führe, enterbe und
töte23. Dies nimmt quasi die Sachsenkriege vorweg, daher wird angezweifelt, dass Lebuin sich so
geäußert hat. Auch dürfte eine solche Rede auf einer derartigen Versammlung nicht auf Gegenliebe
gestoßen sein24. In der Vita heißt es daher, Lebuin sei „unsichtbar“ geworden und so den Sachsen
entkommen.

3. Die Sachsenkriege Karls des Großen

Um die Kritik an den Sachsenkriegen verständlich zu machen, muss man sich zunächst
vergegenwärtigen, was Karl der Große getan hatte.

771 wurde der junge Karl König der Franken. Er wurde schon früh mit dem Problem konfrontiert,
dass die Grenzen im Nordosten des Reiches sehr unruhig waren und es immer wieder zu kleineren
und größeren Kämpfen kam25. Dort grenzte das Gebiet der Sachsen an das fränkische Reich.
In Worms wurde 772 ein Feldzug gegen die Sachsen beschlossen. Die Motive für diesen Feldzug
werden insbesondere durch die Vita Karls des Großen erschlossen, welche noch immer die
Hauptquelle für den Sachsenkrieg darstellt26 . Dort wird beschrieben, dass „...die Sachsen, die wie
fast alle Völker auf dem Boden Germaniens wild von Natur, dem Götzendienst ergeben und gegen
unsere Religion feindselig waren, hielten es nicht für unehrenhaft, göttliches und menschliches
Recht zu schänden und zu übertreten“27.
Offensichtlich stand das christliche Motiv durchaus zur Diskussion. Für den Schreiber der
Karlsvita, Einhart, ist dieses sogar das Hauptmotiv für den Feldzug. Da Karl ein christlicher König
ist, muss er schon alleine aus diesem Grund dafür sorgen, dass „Heiden“ zurückgedrängt werden.
Allerdings verrät Einhart weiter, was denn der eigentlich Grund gewesen sein mochte:
„Dazu kamen noch besondere Umstände, die jeden Tag eine Störung des Friedens verursachen
konnten: die Grenze zwischen uns und den Sachsen verlief fast überall in der Ebene[...]; hier nahm

23 Aus der Vita Lebuini, siehe Padberg, Diskussion, S. 130.


24 Springer, Sachsen, S. 135 ff.
25 Hägermann, Karl der Große, S. 97.
26 Einhard: Vita Karoli Magni In: Reinhard Rau (Hrsg.) Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des
Mittelalters (Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe), Bd. 5, Darmstadt 1955, S. 157-211.
27 ...quia Saxones, sicut omnes fere Germaniam involentes nationes et natura feroces et cultui daemonum dediti
nostraeque religioni contrarii neque divina neque humana iura vel polluere transgredi inhonestum arbitrabantur.
Einhard, Vita Karoli Magni, Ausgewählte Quellen, S. 174 - 175,
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dann Totschlag, Raub und Brandstiftung auf beiden Seiten kein Ende. Dies erbitterte die Franken
so, dass sie nicht mehr bloss "Gleiches mit Gleichem heimzahlen, sondern offen Krieg mit ihnen
führen wollten.“28
Als eigentlichen Grund für den Krieg kann man hiernach annehmen, dass in dem Grenzgebiet,
welches nicht sehr klar abgegrenzt gewesen zu sein scheint, sehr häufig Scharmützel stattgefunden
haben. Bemerkenswert ist, dass Einhart hier die Schuld nicht ausschließlich bei den Sachsen sucht,
sondern sehr deutlich macht, dass auch die Franken an den Kämpfen eine Mitschuld getragen
haben29.

Karl der Große beschloss, diesen Teil der Reichsgrenze zu befrieden. Es ist sehr unwahrscheinlich,
dass er geahnt hat, dass dieser Krieg sich über 32 Jahre hinziehen würde. Der ursprüngliche Plan
dürfte eher auf eine Art Strafexpedition abgezielt haben, um zu demonstrieren, wer der Stärkere ist.
Der König zog mit seinem Heer in das Diemelgebiet, eroberte die Marsburg und hinterließ dort eine
Besatzung30. In der Nähe dieser Burg wurde ein sächsisches Heiligtum zerstört, der so genannte
„Irminsul“31 . Die Literatur ist sich uneins über die Bedeutung dieses Heiligtums. Während es
teilweise als „identitätsstiftend“32 bezeichnet wird, meint Springer, dass derartige Heiligtümer in
ganz Sachsen existiert haben sollen und der Irminsul an dieser Stelle nur eines von vielen gewesen
sei33. Es erscheint auch mir eher unwahrscheinlich, dass es nur ein Naturheiligtum gegeben haben
soll.

Karl der Große zerstörte den Holzblock nicht nur, sondern ließ auch die (vermutlichen) Weihgaben
aus Gold und Silber plündern34. Aus seiner Sicht war diese Expedition zunächst ein voller Erfolg:
seine Männer konnten sich an den Schätzen bereichern, er selbst konnte sich als erfolgreicher
Heeresführer in Szene setzen35 und er konnte die Sachsen aus diesem Gebiet dazu bringen, Geiseln
28 Suberant et causae, quae cotidie pacem conturbare poterant, termini videlicet nostri et illorum poene ubique in plano
cintigui, praeter pauca loca, in quibus vel silvae maiores vel montium iuga interiecta utrorumque agros certo limite
disterminant, in quibus caedes et rapinae et incendia vicissim fieri non cessabant. Einhard, Vita Karoli Magni,
Ausgewählte Quellen, S. 174 - 175,
29 Nonn, Zwangsmission, S. 56.
30 Schieffer, Karolinger, S. 75.
31 Der Irminsul soll ein Baumstamm beziehungsweise Holzblock gewesen sein, der senkrecht wie eine Säule in den
Himmel ragte, siehe Hägermann S. 105.
32 Nonn, Zwangsmission, S. 59.
33 Springer, Sachsen, S. 165.
34 Hägermann, Karl der Große, S. 105 - 106
35 Ein wichtiges Moment für Karl war es, dass er durch ein berichtetes Mirakel (Wassermangel des fränkischen Heeres
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zu stellen. Die Sachsen scheinen überrascht gewesen zu sein und konnten dem fränkischen König
wenig entgegensetzen36.

Deutlich wird, dass mit keinem Wort von einer Missionierung oder angedachten Christianisierung
nicht nur nicht gesprochen wurde, sondern auch nicht dementsprechend gehandelt wurde. Die
Zerstörung des Heiligtums war zwar eine Machtdemonstration und sollte durchaus zeigen, dass der
Christengott stärker war37. Das fränkische Heer zog jedoch einfach ab, es gibt keinerlei Berichte
darüber, dass Karl Geistliche zur Unterweisung in das Christentum schicken wollte. Karl der Große
mochte unterschätzt haben oder einfach nicht gewusst haben, dass die Sachsen nicht als Königtum
regiert wurden, und er somit nur mit einem kleinen Teil der Sachsen einen Frieden geschlossen
hatte38.

773 oder 774 kommt es zu einem Rachefeldzug der Sachsen. Karl der Große hatte nach Italien
ziehen müssen, um dort Unruhen niederzuringen. Seine Abwesenheit wurde ausgenutzt, um
fränkische Siedlungen und Kirchen im nördlichen Hessen zu überfallen. In den Augen der Sachsen
war die Zerstörung und Plünderung des „Irminsuls“ mit Sicherheit ein unerhörter Frevel gewesen,
für den sie sich rächen mussten. Die sächsischen Verbände waren zunächst auch sehr erfolgreich.
Karl kam allerdings 774 wieder zurück. Er sammelte bei Düren ein Heer und eroberte die Sigiburg
an der Ruhr (Hohensyburg) und gewann die Eresburg wieder zurück. Bei Höxter überquerte er mit
seinem Heer die Weser. Schlussendlich gelangte er bis zu Oker bei den Ostfalen39.
Dieser Aufstand einiger sächsischer Verbände soll Karl im Winter 774/775 nun veranlasst haben,
eine Art „Vernichtungskrieg“ gegen die Sachsen zu beginnen. Dazu gibt es allerdings nur eine
Quelle, die zu den Reichsannalen später hinzugefügten Einhardsannalen aus dem frühen 9.
Jahrhundert40:

...den ungläubigen und vertragsbrüchigen Stamm der Sachsen mit Krieg zu überziehen und solange

wird durch einen Sturzbach beseitigt ähnlich dem Wasserwunder des Mose) ein besonderes Charisma erhielt; siehe
auch Schieffer, Karolinger, S. 75.
36 Riché, Karolinger, S. 134.
37 Die Vorstellung, dass ein Gott stärker ist als ein anderer, ist schon seit der Antike überliefert (zum Beispiel die
Bekehrung Konstantins bei der Schlacht an der Milvischen Brücke). Auch Missionare bedienten sich der
Vorstellung, z.B. Bonifatius beim Fällen der Donareiche. Siehe Nonn, Zwangsmission, S. 68.
38 Hägermann, Karl der Große, S. 102.
39 Nonn, Zwangsmission, S. 60 - 61.
40 Rau, Reinhold, Quellen zur karlongischen Reichsgeschichte, S. 3 - 4.
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durchzuhalten, bis sie entweder besiegt und der christlichen Religion unterworfen oder aber
gänzlich ausgerottet seien41.

Dieser Abschnitt legt nahe, dass Karl der Große seit dieser Zeit ein Programm gehabt habe, unter
dem Stichwort „Taufe oder Vernichtung“42. Die Reichsannalen von 774 allerdings legen eher nahe,
dass es sich um eine erneute Strafexpedition handelte:

Dann, nachdem er die Geiseln erhalten, reiche Beute an sich gebracht und dreimal ein Blutbad
unter den Sachsen angerichtet hatte, kehrte der genannte König Karl mit Gottes Hilfe heim nach
Francien43.

Wenn die Einhardannalen Recht haben, dann hatte Karl der Große schon früh beschlossen, die
politische Unterwerfung seiner Gegner auch daran zu messen, dass sie den christlichen Glauben
annahmen – die politische Unterwerfung sollte sich also im Glauben manifestieren. Allerdings sind
gerade die späteren Zusätze eher umstritten44
Man darf diese Handlungen keinesfalls mit heutigen Maßstäben beurteilen. Für Karl den Großen
waren die Sachsen eidbrüchig geworden und mussten bestraft werden, denn diese hatten mit ihm
einen Vertrag abgeschlossen und Treue geschworen45. Allerdings dürfte er nicht richtig beurteilt
haben, dass er nicht mit allen Sachsen diese Verträge hatte, sondern nur mit einem Teilschwarm.
Ferner ist es wahrscheinlich, dass sich eben nicht nur dieser Teil der Sachsen von der Zerstörung
des Irminsuls betroffen gefühlt haben, so dass eben ein Teil der Sachsen gegen fränkische
Besitzungen zog. Leider ist es kaum möglich herauszufinden, welche sächsischen Verbände
existiert haben und wer von ihnen an welchen Kämpfen beteiligt gewesen war 46. Es war jenseits der
intellektuellen Fähigkeiten der christlichen Menschen des Mittelalters, andere Kulturen
differenziert zu betrachten und ihnen gegenüber tolerant aufzutreten47. Für Karl den Großen war es
keine Frage, ob er denn den Sachsen das Christentum bringen solle, sondern eher die, wie dies zu

41 Annales Regni Francorum zitiert nach Hägermann, Karl der Große, S. 137.
42 Padberg, Lutz: Die Diskussion missionarischer Programme zur Zeit Karls des Großen, in: Godman, Peter u.a.: Am
Vorabend der Kaiserkrönung. Das Epos "Karolus Magnus et Leo papa" und der Papstbesuch in Paderborn 799,
Berlin 2002, S. 131.
43 Annales Regni Francorum, Ausgewählte Quellen, S. 33.
44 Hägermann, Karl der Große, S. 137 - 138.
45 Nonn, Zwangsmission, S. 64.
46 Springer, Sachsen, S. 178 ff.
47 Nonn, Zwangsmission, S.68.
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geschehen hatte. Inwiefern er nun bereits zu dieser Zeit den Entschluss zur Missionierung gefasst
hat, bleibt fraglich. Fakt ist allerdings, dass in der Folgezeit zu dem Mittel der Zwangstaufe
gegriffen wurde, um die Sachsen als Christen gelten zu lassen. Massentaufen waren ein nicht
unumstrittenes, aber anerkanntes Mittel, um Heiden zum Christentum zu bekehren48.

Nach seinem Feldzug konnte Karl eine Art Grenzmark im Hellweg und Diemelgebiet errichten,
sowie mit Teilen der Ostfalen, Engern und Westfalen 775 Verträge abschließen. Allerdings sollte es
weiterhin keine Ruhe in diesem Gebiet geben. Kaum war Karl der Große 776 in Italien, gab es
einen erneuten Aufstand49.

Karl der Große bekam Nachricht von den Überfällen der Sachsen und zu deren Überraschung war
er persönlich mit einem Heer im Herbst 776 in Sachsen. Die Schnelligkeit und vor allem seine
persönliche Anwesenheit scheint die Sachsen derart beeinflusst zu haben, dass sie ohne großen
Widerstand im Quellgebiet der Lippe mit dem König zusammenkamen50. Dort schlossen sie mit ihm
einen Vertrag ab, der nach den Reichsannalen folgendes beschloss:

Die Sachsen übergaben ihnen zu Händen ihr Heimatland zum Pfand und versprachen, dass sie
Christen werden und begaben sich unter die Gewalt des Herren und Königs Karl und der Franken.
Und dann baute der Herr Karl die Eresburg wieder auf, aber [es gab] eine andere Burg jenseits
der Lippe, und dort sind viele der ankommenden Sachsen gemeinsam mit den Ehefrauen und
unzähligen Kindern in großer Zahl getauft worden und sie gaben Geiseln, so viele wie der Herr
König schon lange von ihnen verlangte51.
Hier nun wird von Massentaufen berichtet. Darüber hinaus scheinen sie schon hier die
Oberherrschaft von Karl dem Großen und den Franken anerkannt zu haben. Damit hatte Karl der
Große ein Sanktionsrecht im sächsischen Raum, die anwesenden Sachsen banden sich in
persönlicher Weise an den König und das fränkische Volk. Für den Fall eines Treuebruchs räumten
sie gewisse Rechte an ihrem Eigentum ein. Wichtig war ebenfalls, dass festgehalten wurde, dass sie

48 Hägermann, Karl der Große, S. 148.


49 Nonn, Zwangsmission, S. 60 - 61.
50 Riché, Karolinger, S. 134.
51 Saxones reddiderunt patriam per wadium omnes manibus eorum et spoponderunt se esse christianos et sub dicione
domni Caroli regis et Francorum subdiderunt. Et tunc domnus Carolus...reaedificavit Eresburgum...at alium castrum
super Lippiam, ibique venientes Saxones una cum uxoribus et infantibus innumerabilis multitudo baptizadi sunt et
obsides, quantos iamdictus domnus rex eis quaesivit, dederunt. Annales Regni Francorum, Quellen zur
karolingischen Reichsgeschichte, S. 34 - 37.
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die Einführung des Christentums versprachen - und offensichtlich wurden Sachsen getauft52.

777 wurde erstmals eine Reichsversammlung auf sächsischem Boden abgehalten, in Paderborn 53. .
Karl dem Großen und seinen Söhnen wurde laut den Reichsannalen explizit das Recht zugestanden,
die Sachsen festzusetzen und ihr Eigentum einzuziehen, wenn sie sich gegen die Franken und das
Christentum erheben würden54.

Die Missionierung wurde weiter vorangetrieben durch Einteilungen in Missionssprengel und


Planungen für weitere Gotteshäuser. Karl der Große konnte mit den Ergebnissen dieser
Reichsversammlung zufrieden sein55. Ein unbekannter Dichter hat vermutlich um diese Zeit das
Carmen de conversione Saxonum geschrieben, welches recht euphemistisch annimmt, dass der
Krieg vorbei sei und das sächsische Volk christianisiert:
...der große Herrscher, der die Sachsen mit blitzendem Schwert unterworfen und die Waldbewohner
zur Phalanx der Himmelsherrschaft herangezogen und bald die wilden Wölfe in sanfte Schafe
verwandelt...56
Kurze Zeit später trat jedoch der sächsische Adelige Widukind ins das Licht der Geschichte. Er
versammelte einige Sachsen unter sich. Unter seiner Führung kam es immer wieder zu heftigen
Aufständen gegen die Franken und gegen den Zwang des Christentums. Karl der Große trat der
Herausforderung Widukinds entgegen. Es sollte sich ein wechselhafter und zäher Kleinkrieg
entwickeln57.
Trotz der immer wieder aufflammenden Kämpfe konnte Karl der Große 780 und 782 zu
Reichsversammlungen58 auf sächsischem Gebiet bei Lippspringe einladen. Dort setzte er Grafen ein
und bestimmte Missionssprengel. Rechtlich gesehen bedeutete dies, dass Sachsen wahrscheinlich
nun auch formell zum fränkischen Reichsgebiet gehörte59. Widukind war allerdings nicht Willens,
52 Hägermann, Karl der Große, S.
53 Riché, Karolinger, S. 134.
54 ...und sie gaben, wie es ihre Art ist, ihre ganze Freiheit und ihr Eigentum seinen Händen zum Pfand, wenn sie sich
wieder nach ihren üblen Gewohnheiten änderten, wenn sie nicht in allem am Christentum und ihrer Ergebenheit
gegenüber dem genannten König Karl und seinen Söhnen oder den Franken festhalten sollten. Annales Regni
Francorum, Quellen, S. 36 - 37.
55 Hägermann, Karl der Große, S. 151 ff
56 Carmen de conversione Saxonum, MGH Poetae Latini medii aevi I, S. 380 ff.
57 Schieffer, Karolinger, S. 80.
58 Bei Reichsversammlungen wurden die Adeligen des Reiches (weltliche und kirchliche) geladen, um Beschlüsse zu
fassen. In diesem Fall waren ebenfalls sächsische Adelige anwesend.
59 Hägermann, Karl der Große, S. 168 ff.
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die fränkische Herrschaft anzuerkennen. Er war bei keiner Reichsversammlung anwesend 60,
sondern hatte sich zu den Dänen geflüchtet. Von dort organisierte er auch einen erneuten Aufstand
und im Weserbergland wurde nicht nur eine sächsische Streitmacht aufgerieben, sondern es kamen
auch königliche Hofleute ums Leben. Der fränkische König setzte sofort eine Strafexpedition gegen
die aufrührerischen Sachsen an61. Bei Verden an der Aller kam es dann zu dem so genannten
"Blutgericht von Verden". Es wird berichtet, dass Karl die Herausgabe der Rädelsführer erzwang
und sie hinrichten ließ. Die Reichsannalen berichten von "bis zu 4500 Mann"62 , die hingerichtet
worden seien. Diese Zahl, die in der Literatur immer wieder zitiert worden ist, dürfte allerdings viel
zu hoch sein. Zu einen ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Sachsen dermaßen viele führende
Männer gehabt hatten, die als Rädelsführer hätten gelten können. Zum anderen ist es eine
logistische Unmöglichkeit, so viele Menschen an einem Tag hinzurichten 63. Die zeitgenössischen,
gut unterrichteten Annales Petaviani dürften den Vorgängen sehr nahe kommen, wenn sie melden:
"Die Franken erschlugen eine Menge Sachsen, und viele besiegte Sachsen führten sie in die
Francia."64
Der Aufstand war für Karl den Großen Hochverrat an ihm selbst, da er die Sachsen mittlerweile als
dem Reich angegliedert betrachtete. Nach fränkischem Recht musste dafür die Todesstrafe verhängt
werden. Es gilt als wahrscheinlich, dass er auch persönlich recht verbittert über den erneuten
Aufstand gewesen war65. Er erließ geradezu drakonisch anmutende Gesetze, die Capitulatio de
partibus Saxoniae. Das Capitular enthält 11 Regelungen für Kapitalverbrechen, die mit dem Tode
zu bestrafen sind, sowie 20 weitere Regelungen für leichtere Vergehen. Interessant für den
missionarischen Kontext sind vor allem Bestimmungen, die im Zusammenhang mit dem
Christentum stehen. So sind in den Capitulatio die Tötung von Geistlichen, Raub und Brandstiftung
in Kirchen, Verstöße gegen christlich rituelle Vorschriften66 und Verweigerung der Taufe als
Kapitalverbrechen verzeichnet. Auch einige als "typisch heidnisch" angesehene Verhaltensweisen
waren mit dem Tod bedroht, so wie Opferung von Menschen, Kannibalismus und Menschenraub 67.
Sicherlich sind einige dieser Vorschriften verständlich und unter "Mord" zu subsumieren. Allerdings

60 Anwesenheit und Nichtanwesenheit bei einer solchen Versammlung war nach dem Brauch der Zeit bereits ein
Anzeichen, wie diese Person zu dem Herrscher stand.
61 Hägermann, Karl der Große, S. 169.
62 "...ad quattuor milia quingenti" Regni Annales Francorum, Quellen, S. 44
63 Nonn, Zwangsmission, S. 63.
64 Annales Petiaviani, zitiert nach Hägermann, Karl der Große, S. 170.
65 Schieffer, Karolinger, S. 80.
66 Zum Beispiel Verstoß gegen das Fastengebot oder auch nach heidnischer Sitte die Totenverbrennung
67 Nonn, Zwangsmission, S. 63 - 64.
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wird sehr deutlich, dass alle diese Gesetze eindeutig auf das Verbot des Heidentums abzielen, und
der Wille zur Durchsetzung des Christentums mit staatlichen Zwangsmitteln wird auf einen
Höhepunkt getrieben68. Karl setzte hier Aufstände gegen ihn selbst als König und einen Aufstand
gegen das Christentum gleichsam als Hochverrat, der mit dem Tod bestraft werden soll 69. In den
Augen des fränkischen Königs fiel jeder Verrat gegen einen König, ob nun einem weltlichen oder in
abstrakter Weise Christus als den "König der Könige", unter dieses Gesetz. Der französische
Historiker Louis Halphen hat diese Bestimmungen auf "Annahme des Christentums oder Tod"
zugespitzt. Allerdings gab es auch mildernde Bestimmungen. So wurden alle todeswürdigen
Verbrechen, die nicht in der Öffentlichkeit geschehen, in eine Kirchenbuße umgewandelt. Damit
dürfte Karl vor allem an die heidnischen Rituale gedacht haben, die keine Person direkt zu Schaden
kommen ließen. Weiterhin wird die clementia regis betont sowie das Asylrecht der Kirchen. Der
König konnte und sollte mit Milde begnadigen, und dabei ebenfalls beachten, dass er keine Person
verfolgte, die Schutz bei der Kirche gesucht hat.
Für die Sachsen mussten diese Bestimmungen eine gewaltsame Aufnötigung des christlichen
Glaubens und eines fremden Rechts bedeuten. Auch wenn es eine gewisse Milderung durch die
zuletzt genannt Bestimmungen gab, so waren die Gesetze ungewöhnlich hart. Zusätzlich zu diesen
Gesetzen kam, dass der Kirchenzehnt strikt eingefordert wurde. Von dem "Poeta Saxo" aus dem
späten 9. Jahrhundert heißt es, dass es fast ein Jahrhundert dauern werde, bis man zwischen einem
Tribut als Zeichen der Unterwerfung unter einer fremden Macht und dem Kirchenzehnt als
Unterhaltung der geistlichen Einrichtungen nach biblischem Vorbild unterscheiden könne 70. Das
Ganze erschwerte natürlich die Annahme des Christentums, welche Karl mit seinen
Zwangsmaßnahmen erreichen wollte. Unter der Führung Widukinds versuchten Teile des
sächsischen Volkes, die Herrschaft des christlichen Königs abzuschütteln. Allerdings hatten sie
diesem in der Feldschlacht nichts entgegenzusetzen und erlitten 783 bei Detmold und an der Hase
große Verluste71.

785 kam es zu einem Ausgleich zwischen dem fränkischen König und Widukind. Karl konnte den
sächsischen Adeligen mit militärischen Mitteln nicht endgültig besiegen und setzte auf
Verhandlungen. Widukind wusste im Gegenzug, dass die Franken ihm überlegen waren. Er stimmte
68 Riché, Karolinger, S. 135.
69 X. Wenn jemand sich mit den Heiden gegen die Christen berät oder mit jenen in Feindschaft verharren will, soll
getötet werden. Wer auch immer einem solchen Frevel gegenüber dem König oder dem Christenvolk zustimmt, soll
getötet werden. Siehe z.B. Nonn, Zwangsmission, S. 64.
70 Nonn, Zwangsmission, S. 64.
71 Schieffer, Karolinger, S. 80.
13

einem Frieden zu und wurde in Attigny getauft 72. Damit setzte ein mehrjähriger Frieden ein. In
dieser Zeit wurde die Organisation Sachsens sowie die Missionierung spürbar vorangetrieben. Es
wurden Missionen errichtet, die später teilweise in Bistümer umgewandelt wurden. Bremen war das
erste Bistum auf sächsischem Boden im Jahre 787, es folgten Paderborn, Minden, Münster und
Osnabrück. Alle diese Orten liegen in Westfalen, ostfälische Bistümer kamen erst später hinzu73.

Der Friede dauerte nur bis 792. Karls Versuch im Jahr 791, die Awaren zu besiegen, war einerseits
durchaus erfolgreich, wie Hägermann sagt74. Andererseits schien der Gegner eher ausgewichen zu
sein, so dass echte Kämpfe gar nicht stattfanden. Fakt ist, dass Karl in Sachsen nicht selbst
anwesend war und dies wurde von der unzufriedenen Bevölkerung ausgenutzt 75. Nicht nur die
bereits erwähnte Capitulatio von 782 machte ihnen zu schaffen, auch der Kirchenzehnt stieß noch
immer nicht auf Gegenliebe76. Nun schien es, dass der Gott des fränkischen Königs doch nicht so
viel stärker war, denn Karl der Große verzeichnete Niederlagen gegen die Heiden im Osten. Sein
Königsheil schien ihn zu verlassen. Die persönliche Abwesenheit wurde nun dazu genutzt,
fränkische Verbände zu überfallen, auf Gotteshäuser und Priester Anschläge zu verüben und
provokant offen ihren eigenen heidnischen Glauben auszuüben77.
Die Franken mobilisierten wieder und bis 804 kam es zu einigen Heerfahrten sowie
Relokalisationen von Sachsen in das alte Gebiet der Franken. Diese eher radikale Maßnahme und
die Heerzüge schwächten den Widerstand.78 Aber Karl setzte nicht nur auf Gewalt. Viele der
vorgesehenen Todesstrafen der Capitulatio von 782 wurden in der Capitulare Saxonicum in
Geldbußen umgewandelt. Diesem zweiten Capitular stimmten sächsische Adelige aus Westfalen,
Ostfalen und Engern ausdrücklich zu. Vergleicht man diesen Text nun mit dem fränkischen Recht,
fällt auf, dass sich die Bestimmungen sehr ähneln. Man kann durchaus behaupten, dass man es hier
mit einer rechtlichen Angleichung der Sachsen an die Franken zu tun hat 79. Warum Karl nun nicht
nur gewaltsame Maßnahmen ergriff, sondern dem sächsischen Volk jetzt ein wenig entgegenkam,
ist nicht bekannt. Eine mögliche Antwort wäre, dass er selbst oder seine Berater am Hof erkannt
hatten, dass nur durch einen Krieg und Zwang schwer zu gewinnen sei. Karl setzte sich

72 Riché, Karolinger, S. 135.


73 Hägermann, Karl der Große, S. 228 - 229.
74 Hägermann, Karl der Große, S. 316.
75 Schieffer, Karolinger, S. 86 - 87.
76 Nonn, Zwangsmission, S. 70 - 71.
77 Schieffer, Karolinger, S. 87.
78 Riché, Karolinger, S. 136 - 137.
79 Nonn, Zwangsmission, S. 71.
14

schlussendlich durch. Auch wenn immer wieder Kämpfe aufflackerten, galt Sachsen ab 804 dem
fränkischen Reich in jeder Hinsicht angegliedert80.

Lutz von Padberg hat für diese Art der Mission den Begriff "Imperialmissionarisch" geprägt. Der
fränkische König war die treibende Kraft hinter einer Mission 81. Diese war allerdings ebenfalls
verknüpft mit dem Ziel, das Gebiet der Sachsen zu erobern. Karl setzte auf Zwang und
Unterwerfung, die Mission war für ihn eher ein Mittel zum Zweck. Zwangstaufen stellten für ihn
kein Problem dar, denn auch solche Taufen waren gültig.82
Jedoch muss man sich ebenso vor Augen halten, dass die Sachsen lange Widerstand leisteten. Zwar
hatte Karl einige Adelige relativ schnell unterworfen und überzeugt, jedoch hat er vermutlich nicht
gewusst oder unterschätzt, wie sich die sächsische Gesellschaftsstruktur auf einen Krieg auswirken
würde83. Weiterhin standen die Sachsen seit 777 de iure unter dem Abtrünnigenrecht der Franken,
denn sie wurden aufgrund der Zwangstaufen als Christen gesehen. Was das Christentum allerdings
bedeutete, konnten sie kaum erfassen. Sie selbst hatten traditionell einen polytheistischen
Naturglauben gepflegt, der mündlich tradiert wurde und auf das diesseitige Heil ausgerichtet war.
Ihnen wurde mit dem Christentum eine monotheistische Buchreligion aufgezwungen, das auf die
individuelle Erlösung nach dem Tod ausgerichtet war. Die alten Götter wurden dem Teufel
gleichgestellt, sie mussten ihnen abschwören. Für die Sachsen musste dies einem Frevel
gleichkommen. Sie konnten kaum nachvollziehen, warum nun alles woran sie glaubten, schändlich
sein sollte. Erlösung und Vergebung, zentrale christliche Begriffe, hatten nicht einmal eine
Entsprechung in ihrer Sprache. Da sie durch die Zwangstaufe auch nicht unterwiesen worden
waren, oder nur sehr knapp, musste ihnen die Mission als reiner Zwang und Frevel vorkommen84.

4. Alkuin und die Sachsenmission

4.1. Alkuin

Alkuin gilt als einer der großen Hofgelehrten Karls des Großen. Er wurde um 732 in Northumbria
geboren. Er trat 740 als Schüler in die Kathedralschule in York ein, welche zu jener Zeit die

80 Schieffer, Karolinger, S. 89.


81 Padberg, Dis Diskussion, S. 130.
82 Nonn, Zwangsmission, S. 69 - 70.
83 Schieffer, Karolinger, S. 79 - 80.
84 Nonn, Zwangsmission, S. 69 - 70.
15

berühmteste Bildungsstätte gewesen war. Nach seiner Ausbildung wurde er dort Lehrer und 766
sogar Leiter der Schule. Auch war er dort zeitweise Bibliothekar, was er selbst als seine glücklichste
Zeit bezeichnete85.

Er war ein hochgelehrter Mann, der über viele unterschiedlichste Themen Schriften verfasste, zum
Beispiel über Grammatik, Adoptionismus, Zeitrechnung, Heiligenviten, um nur einige wenige zu
nennen86. Auch seine Briefwechsel zeugen von einem scharfen Verstand, der es auch wagt, mit dem
fränkischen König zu disputieren87. Alkuin wurde nie Priester, sondern blieb immer Diakon88.

Karl der Große hat Alkuin an den Hof geladen, nachdem er diesen angeblich persönlich getroffen
hatte. Da es schwer möglich war, sich dem Ruf des Königs zu entziehen, ging Alkuin - mit
Unterbrechung - von 782 bis 796 an den Hof Karls. Dort stieg er zu einem der einflussreichsten
Berater des Königs auf und leitete die Palastschule 89. Alkuin gilt als maßgeblich beteiligt an der
karolingischen Minuskel und vertrat die Auffassung, dass das vulgarisierte Latein wieder in eine
klarere Form gebracht werden müsse. Ab 796 bis zu seinem Tod im Jahre 804 war er Abt von
Tours90.

Alkuin war auch einer derjenigen, die am deutlichsten Karls Art der Mission kritisierten. Als
Northumbrier vertrat er eine eher friedliche Sichtweise. York stand in der Tradition der
angelsächsischen Missionsschule, die vor allem eine Individualmission betrieben hatte. Einer der
großen Vertreter war Bonifatius, und auch Alkuin schloss sich der in York herrschenden Meinung
über Missionierung an91.

4.2. Alkuins Kritik an der Mission Karls

Das northumbrische Umfeld hatte Alkuin geprägt. Anstelle von Zwang setzte er eher auf
Überzeugung. Diese Sicht der Angelsachsen wurde nicht nur durch Alkuin deutlich. Ein namentlich
nicht bekannter northumbrischer Annalist prägte die Aussage, Karl "predige mit eiserner Zunge"
und "sei im Kampfesrausch wohl völlig verrückt geworden". Ob diese Meinung den fränkischen

85 Allott, Stephen: Alcuin of York c. A.D. 732 to 804 – his life and letters, York 1974, S. 1 - 2.
86 W. Heil, 'Alkuin, I. Leben und Wirken', in Lexikon des Mittelalters, 10 vols (Stuttgart: Metzler, [1977]-1999), vol. 1,
cols 417-419, in Brepolis Medieval Encyclopaedias - Lexikon des Mittelalters Online)
87 Stephen Allott stellt in seinem Buch eine Reihe von Briefen vor, die diese These stützen. Siehe auch Heil, Alkuin,
col. 417.
88 Bullough, Donald: Alcuin - Achievement and Reputation, Leiden/Boston 2004, S. 30.
89 Schieffer, Karolinger, S. 92.
90 Heil, Alkuin, col. 417.
91 Padberg, Duskussion, S. 137ff.
16

König je erreichte, bleibt rein spekulativ92.

Auch wenn Alkuin ein reiner Theoretiker war und nie selbst missionierte 93, hielt er mit seiner
Meinung nicht hinter dem Berg. Einer seiner längeren Briefe an Karl den Großen zeigt seine
Sichtweise und er äußert sehr deutliche Kritik. Anlass für den folgenden Brief war die
Awarenmission. Geschrieben wurde der Brief wohl erst nach 796, also viele Jahre nach Beginn der
Sachsenkriege. Zu dieser Zeit wusste man also schon von den Auswirkungen der Methode Karls.
Es ist durchaus möglich, dass Alkuin mit diesem Brief vor Wiederholung der Fehler warnen
wollte94.

Der Brief wird in einem Anhang vollständig übersetzt wiedergegeben. Die nun folgende
Ausarbeitung basiert auf der Übersetzung Stephen Alllots' 95. Der Brief wurde gekürzt und auf das
Wichtigste beschränkt.

4.2.1 Der Brief Alkuins von 796

Der Brief wurde editiert und veröffentlicht in den MGH eppistolae Karolini aevi secundum No 110.
Bei Stephen Allottt ist er als Brief No. 56 zu finden.

1. Zunächst gibt Alkuin eine angemessene Anrede zum Besten. Der König wird hoch gelobt und
seinem Rang entsprechend angeredet.

An Karl, König Deutschlands, Galliens und Italiens, der höchst vortreffliche und streng gläubige
Herr, und an die heiligen Prediger von Gottes Wort sendet Alkuin, ein geringer Diener, christliche
Grüße.

2. Anschließend wird Karl aufs Höchste ob seiner Taten und seiner Intentionen gelobt. Der König
wird vor allem daher gelobt, weil er das Reich Gottes erweitert. Daher attestiert Alkuin ihm, dass er
beim jüngsten Gericht dafür belohnt werden wird und schon jetzt habe er viele Menschen vom
Heidentum abgebracht und in das Christentum geführt.

... durch gute Intention und im festen Glauben an die Macht des heiligen Geistes das christliche

92 Padberg, Diskussion, S. 132.


93 Padberg, Diskussion, S. 141.
94 Wallach, ALcuin and Charlemagne, S. 26 - 27.
95 Allott, Alcuin of York, S. 72 ff.
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Königreich und das Wissen über den wahren Gott verbreitet. Du hast vielen Menschen nah und fern
von den Wegen des Irrtums des Heidentums zu dem Weg der Wahrheit gebracht. Welcher Ruhm
wird dir beschieden sein, höchst glücklicher König, wenn all diese, die vom Götzendienst sich
abwendeten zum wahren Gott, weil du dich gekümmert hattest, welcher dir folgen wird wenn du
glücklich vor dem Richterstuhl unseres Herren Jesu Christi stehen wirst und deine Belohnung
ewiger Freude wird erhöht durch sie alle. [Damit sind die bekehrten Sachsen gemeint].

3. Im dritten Abschnitt argumentiert Alkuin ähnlich, aber diesmal spricht er konkret Sachsen an. Ob
er mit unglücklich meint, dass die Sachsen weiterhin im Unglauben verharren oder ihre Situation,
die er direkt anschließend beginnt zu kritisieren, bleibt dahingestellt. Alkuin stellt zunächst fest,
dass einige der Sachsen noch immer nicht dem wahren Glauben folgen, sondern noch immer im
Unglauben verharren.

Mit welch großzügiger Ergebenheit hast du gearbeitet um das verhärtete Herz der unglücklichen
Sachsen zu erweichen, mir Rat standest du zur Seite um sie zur wahren Erlösung zu führen, und um
den Namen Christi zu verbreiten. Aber göttliche Auserwähltheit scheint ihnen noch nicht zuteil
geworden zu sein, somit bleiben viele im Schmutz ihrer teuflischen Wege um des Teufels
Verdammung zu teilen.

[4. kleiner Lobeinschub zu den Awaren]

5. Er lobt den fränkischen König zwar wieder, aber hier wird Alkuins Kritik deutlicher: er fordert
Karl auf, den „neuen Menschen“ gute Prediger zu schicken. Hier wird nun mit dem ersten
Korintherbrief argumentiert96. Alkuin steht für ein „sanftes Lehren“ ein, nicht für einen Zwang. Er
vergleicht das Gemüt der Sachsen mit einem kleinen Kind, das nur Milch verträgt, aber keine festen
Speisen. Das bedeutet, dass es notwendig ist, vorsichtig zu predigen und nicht mit aller Gewalt, da
die Predigt ansonsten abgelehnt wird.

Nun, in deiner weisen und göttlichen Besorgnis mögest du gute Prediger für die neuen Leute
bereitstellen, sicher im Verhalten, gelehrt im Glauben, und erfüllt von der Lehre des Evangeliums,
bedacht darauf, den Aposteln zu folgen um das Wort Gottes zu predigen. Denn sie gaben den
Zuhörern Milch, das ist sanfte Predigt, als sie Anfänger im Glauben waren, wie der Apostel Paulus

96 Milch habe ich euch zu trinken gegeben, und nicht feste Speise; denn ihr vertruget sie nicht, ja ihr vertraget sie jetzt
noch nicht; Kor. 1 - 3 - 2.
18

sagte: „Milch gab ich euch zu trinken statt fester Speise,.. unmündige Kinder in Christus“, was
bedeutet, dass neue Konvertierte im Glauben erst mit behutsamen Predigten gefüttert werden
müssen wie Babies mit Milch, genau wie diese speien die Gemüter die zu schwach sind für harte
Lehren alles wieder aus was sie bekamen.

6. Nun folgt eine sehr konkrete Beschwerde an Karl und die Bitte, das der Kirchenzehnt nicht
eingezogen werden solle. Alkuin sagt, dass es wichtiger ist, dass sich der Glaube erst einmal festigt,
man könne nicht erwarten, dass die neu Konvertierten die Notwendigkeit des Zehnts verstehen
würden. Auch den fränkischen Christen, die ja hinein geboren wurden und damit aufwuchsen, fällt
es schwer, von ihrem Besitz den 10. Teil abzugeben. Da aber der Glaube der Sachsen nicht einmal
annähernd so stark sei, müsse man mit der Einführung einer solchen Zahlung warten, denn
ansonsten werde der ganze Glaube abgelehnt.
Der Kirchenzehnt war theoretisch schon seit Papst Damasus verpflichtend, aber Jahrhunderte lang
nicht wirklich praktisch umsetzbar. Er war eine Abgabe des zehnten Teils des Besitzes in
Naturalien. Die Abgaben waren dafür gedacht, den Kultus zu stützen und den Armen zu helfen.
Vermutlich wurde der Zehnt im 8. Jahrhundert Pflicht. Die Begründung wird in einer Anordnung
Gottes gesehen. Wer den Zehnten verweigert, wird mit Kirchenbann bestraft. 97 Alkuin gibt in
seinem Brief den Hinweis, das der Zehnt zu seiner Zeit noch nicht konsolidiert war, es war auch
eine längere Entwicklung bis er tatsächlich auch praktisch gesehen überall erhoben war.

Aus diesem Grund solltest du in deiner Weisheit überlegen, ob es richtig ist, das Joch des Zehnten
auf einfache Leute zu laden, die Anfänger sind im Glauben. Wir sollten fragen, ob die Apostel, die
vom Herrn selbst gelehrt und ausgesandt wurden um in der Welt zu predigen, überall die Zahlung
des Zehnten als notwendig erachteten. Wir wissen, dass es gut ist für unseren Besitz den Zehnten zu
nehmen, aber es ist besser den Zehnten zu erlassen als das der Glaube zerstört wird. Selbst wir, die
im katholischen Glauben geboren worden sind und in ihm aufwachsen, finden es schwer, einer
vollen Zehntbestimmung auf unserem Besitz zuzustimmen, um wie viel härter ist es dann für ihren
empfindlichen Glauben, ihrem kindlichen Gemüt und gierigen Geist. Wenn ihr Glaube erstarkt und
sie verankert sind im christlichen Leben, mögen sie, wie Erwachsene, eine härtere Lehre haben,
welche sie nicht abweisen, das ihr Geist fest im Christentum verankert ist.

7. Alkuin geht noch weiter im nächsten Abschnitt. Er kritisiert sehr deutlich die herrschaftliche
Praxis, dass es juristisch gesehen schon ausreicht, einfach getauft zu sein ohne eine vorherige

97 Puza, Richard: Art. Zehnt, col. 499 – 501, LexMa IX.


19

Ausbildung, was das Christentum ist, um auch als Christ bestraft zu werden. Den Sachsen fehle das
tiefere Verständnis, um das Christentum vorbehaltlos annehmen zu können. Es gebe eine
Anordnung, wie man vorgehen müsse, basierend auf das Matthäus Evangelium. Ein Gelehrter
früherer Zeit erkläre, dass der Geist erst einmal den Glauben annehmen müsse, erst dann mache das
Wasserbad einen Sinn.

Man muss sich gründlich Gedanken machen, um die richtige Methode der Predigt und der Taufe,
das die Waschung des Körpers in der Taufe nicht unnütz gemacht wird durch das Fehlen des
Verständnisses des Glaubens in der Seele. Der Herr sagte seinen Schülern im Evangelium: „Geht,
lehrt alle Völker, tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.“ Der heilige
Jerome erklärt die Anordnungen der Anweisungen so: „Zunächst lehren sie alle Völker, dann
tauchen sie sie in Wasser. Der Körper kann das Taufsakrament nicht bekommen wenn die Seele
nicht zuerst die Wahrheit des Glaubens erhalten hat...“

8. Im letzten Abschnitt erklärt Alkuin sehr ausführlich, wie man bei der Mission vorgehen müsse. Er
basiert seine Ausführungen auf Augustinus und zeigt Schritt für Schritt auf, was man genau lehren
müsse und in welcher Reihenfolge, wenn man einen erwachsenen Menschen bekehren will.
Deutlich wird, dass er will, dass die Sachsen eine gründliche Unterweisung in die christlichen
Lehren bekommen sollen, und erst nachdem sie wirklich wissen, was das Christentum ist, sollen sie
offiziell getauft werden. Man kann sagen, dass er es ablehnt, dass jemand nur dem Namen nach
Christ sei, aber nicht der seelischen Verfassung nach.

Ich glaube, dass wir vorsichtig sein müssen und die Reihenfolge für das Belehren der der
Erwachsenen einhalten sollte, wie Augustin in seinem Buch „Über das Lehren des Katechismus für
die Ungebildeten gesagt hatte. Ein Mann muss zunächst über die Unsterblichkeit der Seele und des
zukünftigen Lebens und das Entgelt für Gutes und Böses belehrt werden, weiterhin über die Arten
der Ewigkeit, später die einzelnen Sünden für die er auf ewig Strafe erleidet mit dem Teufel und die
guten Taten für die er vielleicht ewig die ewige Herrlichkeit mit Christus genießen wird. Dann muss
der Glaube an die Dreifaltigkeit sorgfältig gelehrt werden, weiter muss das Kommen unseres Herrn
Jesu Christi in unserer Welt um die Menschheit zu retten erklärt werden, zusammen mit dem
Martyrium der Passion, der Wahrheit über seine Auferstehung und seinen Aufstieg zum Himmel.
Auch die Auferstehung unserer Körper und die ewige Verdammnis für die Bösen und die Belohnung
für die Guten muss später in den Geist der Novizen gefestigt werden. Nach dieser Vorbereitung und
der Festigung des Glaubens soll er getauft werden. Die Lehre des Evangeliums muss häufig zu
20

angemessenen Zeiten gepredigt werden, bis er zu einem perfekten Menschen heranwächst und ein
angemessenes Gehäuse für den heiligen Geist ist und ein perfekter Sohn Gottes im Gnadentum, so
wie unser himmlischer Vater perfekt ist, der in perfekter Dreieinigkeit und Union lebt und herrscht,
Gott und Herr, Welt ohne Ende, Amen. Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi wird immer mit dir
sein.

Der Brief endet mit einer typischen Grußformel.

4.2.2 Zusammenfassung von Alkuins Position

In einem weiteren Brief98 an den Schatzmeister Karls des Großen, ebenfalls aus dem Jahr 796,
wiederholt er seine Einstellung sehr klar und sagt, dass der Glaube keine Angelegenheit des
Zwangs sei, sondern des Willens. Ein Mensch könne nur durch den Glauben an sich angezogen
werden, aber könne nicht mit Gewalt zum Glauben gezwungen werden. Er könne zwar mit Gewalt
zur Taufe gezwungen werden, allerdings bringe das nichts für den Glauben. Nur in frühester
Kindheit mache dies Sinn. Ein Mann sollte selbst sagen, was er glaubt und wünscht. Wenn er sich
falsch zum Glauben bekennt, werde er nicht die wahre Erlösung erhalten.

Seine Kritik ist vor allem dann am schärfsten, wenn es um den Kirchenzehnt geht, den er eindeutig
ablehnt für neu gewonnene Christen:
Wenn das leichte Joch und die leichte Bürde des Christus gepredigt werden würden zu der
hartherzigen sächsischen Rasse so scharf wie der Zehnt eingetrieben wurde und die Strafe des
Gesetzes [das erste Capitular mit den drakonischen Strafen] niederfährt für die kleinsten Vergehen,
vielleicht würden sie dann nicht gegen die Taufe rebellieren
Dies kann echte humanitas sein, zumindest ist der Geistliche sehr besorgt über die Möglichkeit,
dass, nur weil man sich den Sachsen falsch nähert, sie in die ewige Verdammnis geschickt werden –
inwiefern es ihm allgemein darum geht das niemand dort hingehören solle oder ob er tatsächlich so
weit schauend ist und echte Menschlichkeit predigt um der Menschlichkeit Willen oder einfach nur
um den Gewinn der Seelen für Gott ist umstritten99.

Alkuin zeigt in diversen Briefen immer wieder, dass für ihn die clementia des Königs sehr wichtig
ist und bittet ihn, milde gegenüber seinen Gegner zu sein. Allerdings wird auch deutlich, dass
immer wieder einmal auch Alkuin durchaus für einen Krieg gegen heidnische Menschen ist,

98 Allott, Alcuin, S. 56. Im Weiteren finden sich eine Reihe anderer Briefe, die sich in ihrem Inhalt ähneln.
99 Padberg, Diskussion, S. 137ff.
21

allerdings rät er auch dazu, dass man warten solle, denn Gott richte am Ende alle100.

Alkuin ist immer wieder sehr bestürzt darüber, dass die Sachsen noch immer nicht den Glauben
Gottes angenommen haben – in einem Brief an Arno 799 meint er, dass der Grund für den Verlust
der Awaren daran liege, dass man sich noch immer mit dem verfluchten Stamm der Sachsen
beschäftige, die immer noch von Gott verachtet seien – die Awaren seien wesentlich ansprechbarer
für den Gottesglauben101.
Es scheint, dass in den Jahren einiges vorfiel, was sogar den Angelsachsen Alkuin daran zweifeln
liess, ob die Sachsen überhaupt missioniert werden können102.

Alkuin sah in Karl dem Großen einen neuen David, dem Idealkaiser nach Augustinus. Er sei
derjenige, der das Imperium Christianum unter sich haben solle. Er sah Karl als einen großartigen
Herrscher und wohl auch als Freund, aber dennoch, oder gerade deswegen, nahm er sich gern
heraus, Karl auch zu kritisieren und seine ehrliche Meinung zu äußern, was vermutlich nur sehr
wenige Leute, zumindest offiziell, um Karl taten103.
Ganz besonders stark kritisiert wurde Karl in Bezug auf die Art und Weise, wie er den Sachsenkrieg
führte, seine wilde Weise und die erzwungenen Bekehrungen zum christlichen Glauben. Alkuin hat
wieder und wieder, quasi unermüdlich gegen die Methodik der Zwangsmission gesprochen.
Der Autor des Buches meint, dass Alkuins Protest sich gegen den Missbrauch der königlichen
Gewalt richte, die Behandlung der eroberten Gebiete sei schlecht – eine Kritik, die es eher selten
gegeben haben dürfte. Er war der Einzige, der lautstark für Humanität für die Heiden predigte. Nach
seinem Lehrer im Geiste Augustin meinte er „Fides...res est voluntaria, non necessaria“ - der
Glaube ist eine Sache der Freiwilligkeit, keine des Zwangs. Da er eher an die Friedensidee des
Augustin glaubte, zweifelte er an der Notwendigkeit der nicht endenden Kriege Karls des
Großen104.
Alkuin meint dennoch, Karl habe uneingeschränkte Autorität, aber er stehe nicht über dem Gesetz
Die Notwendigkeit des Krieges, die Alkuin durchaus sieht, steht ein wenig im Widerspruch zu
seinem Ideal der Friedensidee. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Krieg zu diesen Zeiten
durchaus der Normalität entsprach105.
100Wallach, Alcuin and Charlemagne, S. 27.
101Allott, Alcuin, S. 78 ff.
102Hägermann, Karl der Große, S. 379.
103Wallach, Alcuin and Charlemagne, S: 26 - 27.
104Padberg, Diskussion, S. 128.
105Wallach, Alcuin and Charlemagne, S. 26 - 27.
22

Reaktion Karls

Alkuin hatte bis zu diesem Zeitpunkt den König schon mehrfach ermahnt, milder gegenüber den
Sachsen zu sein, allerdings ist es fraglich ob Karl der Große auf seinen alten Lehrer gehört hatte
oder ob es nicht eher so war, dass er zur Überzeugung gelangt war, dass der widerspenstige Stamm
so gut wie niedergerungen war106

Zumindest entstand 797 die „Capitulare Saxonicum“ , die viele der extrem harten Bedingungen des
vorherigen Kapitulars deutlich abmilderte, wie bereits gezeigt worden ist. Es ist durchaus möglich,
dass Karl bewusst wurde, dass seine Art und Weise des Zwanges nur zu weiteren Aufständen führen
könnte, und er sah, dass er den Sachsen ein wenig entgegenkam. Allerdings muss man auch sagen,
dass es sein Ziel war, Sachsen ins Frankenreich einzugliedern und die Sachsen den Franken
gleichgestellt werden mussten.

Zumindest einen gewissen Einfluss möchte ich Alkuin einräumen, man darf durchaus davon
ausgehen, dass Alkuin hin und wieder Karl ermahnt hatte. Zu beweisen ist das allerdings nicht,
würde jedoch ins Bild passen.

6. Zusammenfassung und Ausblick

841 und 845 gab es den Stellingaaufstand, der allerdings nicht von den adeligen Sachsen getragen
wurde, sondern von den „niederen“ Sachsen, die nicht in das Adelsgeflecht eingebunden worden
waren107.
Einhart sieht die nicht enden wollenden Probleme vor allem im Charakter der Sachsen selbst, die
"wild seien" und "lieber Götzen verehren würden als den christlichen Glauben annehmen zu
wollen", dabei sehen sie es als "nicht ehrlos an, göttlicher und menschliche Gesetze zu missachten.“
Für ihn ist dies die schlimmste Form der Treuelosigkeit. Das sächsische Verhalten ist aber erklärbar
aus der Tatsache, dass den Sachsen das Christentum sowie Anerkennung der fränkischen
Oberhoheit auferlegt und abgepresst worden waren, dem sie sich entziehen wollten, weil dies alles
ihrer eigenen alten Lebensweise so fundamental widersprach. Zu Beginn standen auch die
unsicheren Grenzgebiete und die folgenschweren gegenseitigen Überfälle, so dass der König den
Sachsen in offener Schlacht entgegentreten wollte, um ein Exempel zu statuieren und die Grenzen
für die Franken zu sichern.

106 Hägermann, Karl der Große, S. 373 - 374.


107 Springer, Die Sachsen, S. 262.
23

Ein Chronist nannte Karl allerdings "den Prediger mit der eisernen Zunge". Die Einführung der
Zehntpflicht wird als großer Fehler beim Glaubenswerk gesehen, was auch Alkuin in seinem Brief
796 aus Tour anprangerte. Was Alcuin explizit nicht kritisiert, ist die Tatsache, dass es überhaupt
einen Krieg gegen die heidnischen Völker gab. Dies schien er durchaus bejaht zu haben108.
Mit Niederwerfung des militärischen Widerstandes kam es für Karl alleine auf die äußere Annahme
des Christentums , weniger auf das begriffene Christentum. Es gab in den Gebieten kaum genügend
geistiges Personal, und ad hoc konnte ohnehin ein alteingesessenes Volk nicht bekehrt werden. Dies
ist der Hauptkritkpunkt Alkuins, der meinte, dass der Zehnt die Bekehrung erschwert habe.
Mit der Zeit konnte die für die Sachsen neue Religion reifen und die alten Rituale, Bräuche und
Feste des alten Kultes integrieren und umwandeln.109 Zunächst wollte König und Kirche, dass die
Menschen äußerlich dem Christentum anhingen und heidnische Rituale nicht mehr öffentlich
abgehalten wurden. Die spätere sächsische Historiographie sah in Karl den Apostel der Sachsen und
führte deren Annahme des Christentums auf ihre intellektuelle Überlegenheit zurück, nicht aber auf
Zwang durch den König110.

Die Sachsenkriege oder Sachsenmission Karls des Großen sollten schließlich zum Erfolg führen,
die christianisierten Sachsen waren ein Teil des Frankenreiches und den Franken gleichgestellt. Im
Laufe von nur wenigen Jahrzehnten waren sie vollständig integriert. Im 10. Jahrhundert sollte dann
ein sächsisches Geschlecht die Königswürde übernehmen: die Ottonen. Die Methodik Karls jedoch
wurde von Alkuin dezidiert kritisiert: nicht der Krieg an sich, sondern die Art und Weise der Taufe
und vor allem die Einsicht, dass der Kirchenzehnt die Sachsen in den Widerstand getrieben hatte.

108 Wallach, Alcuin and Charlemagne, S. 27.


109 Sehr häufig der Fall im Christentum, z.B. das Osterfest. Vermutlich wurde ja auch Weihnachten deswegen auf den
Termin gelegt, da zu der Zeit die heidnische Wintersonnenwende ist.
110 Springer, Sachsen, S. 199 – 200.
24

7. Literaturverzeichnis

7.1 Quellen
Alcuin, Epistolae, MGH epp. Karolini aevi (II), ed. Ernst Dümmler, Berlin 1895.
Carmen de conversione Saxonum, MGH Poetae Latini medii aevi I, S. 380 ff.
Annales Regni Francorum, Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte 1, Neu bearbeitet von
Reinhard Rau (Freiherr von Stein Gedächtnis Ausgabe V), S. 9 - 156.

Einhard, Vita Karoli Magni, Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte 1, Neu bearbeitet von
Reinhard Rau (Freiherr von Stein Gedächtnis Ausgabe V), S. 163 - 212.

Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit.
Herausgegeben von Reinhold Rau und Albert Bauer, Darmstadt 1971 (Freiherr von Stein
Gedächtnisausgabe - Augewählte Quellen zur Geschichte des Mittelalters B. 8) S. 1 - 183.

7.2 Sekundärliteratur

Allott, Stephen: Alcuin of York c. A.D. 732 to 804 – his life and letters, York 1974.
Bullough, Donald: Alcuin - Achievement and Reputation, Leiden/Boston 2004.
Hägermann, Dieter: Karl der Große - Herrscher des Abendlandes, Berlin 2006.
Lexikon des Mittelalters, Norbert Angermann u.a. [Hrsg.], Stuttgart 2002.
Mackay, Angus: Atlas of Medieval Europe, New York 2002.
Nonn, Ulrich: Zwangsmission mit Feuer und Schwert? Zur Sachsenmission Karls des Großen; in:
Felten, Franz J. : Bonifatius - Apostel der Deutschen. Mission und Christianisierung vom 8. bis ins
20. Jahrhundert, Mainzer Voträge 9, Stuttgart 2004, S. 55 - 74.
Padberg, Lutz: Die Diskussion missionarischer Programme zur Zeit Karls des Großen, in: Godman,
Peter u.a.: Am Vorabend der Kaiserkrönung. Das Epos "Karolus Magnus et Leo papa" und der
Papstbesuch in Paderborn 799, Berlin 2002, S. 125 - 144.
Riché, Pierre: Die Karolinger – Eine Familie formt Europa, Düsseldorf 2003.
Schieffer, Rudolf: Die Karolinger, München 20064.
Schneider, Reinhard: Das Frankenreich, München/Odlenbourg 2001
Springer, Matthias: Die Sachsen, Stuttgart 2004.
Wallach, Luitpold: Alcuin and Charlemagne - Studies in Carolingian History and Literature, Ithaca
1959.
25

Anhang 1: Karte Sachsenkriege

aus: Nonn, Zwangsmission, S. 60.


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Anhang 2: Übersetzung des Briefes Alkuins an Karl

Edition aus: MGH epp. Karolini aevi (II), ed. Ernst Dümmler, Berlin 1895, S. 156 – 159.

Dem überaus hervorragenden und in allem Christus ehrenden und höchst ergebenen Karl, König
Germaniens, Galliens und Italiens, und den heiligen Predigern der Worte Gottes, ich, Alkuin,
kleinster Sohn der heiligen Mutter Kirche, grüsse demütig, in ewiger Herrlichkeit Christi.

Ehre und Lob Gott dem Herrn und unserem Herrn Jesu Christi, da er durch die Gnade des heiligen
Geistes und durch eure Hingabe und Dienst an dem heiligen Glauben und durch euren guten Willen
das Reich der Christenheit und den Willen des wahren Gottes erweitert hat und viele Völker fern
und nah von den Irrtümern der Gottlosigkeit auf den Weg der Wahrheit führte.

Fürwahr, du hast alles daran gesetzt durch so große Ergebenheit und Wohlwollen für die
Verbreitung des Namens Christi, die Hartherzigkeit des unglücklichen Volkes der Sachsen durch
einen wahrhaften Heilsplan zu erweichen.
Es scheint aber, dass sie noch immer nicht die Wahl für jenes Heil getroffen haben.
Viele von jenen bleiben bis jetzt mit dem Teufel in Verdammnis in gewohnter schlechter
Niedertracht.

Es fand Beifall, dass du dennoch in bester Absicht viele als Freund der Wahrheit und Wohl mit
großen Ruhm und Lob Christus beschenktest.
Die Stämme und Völker der Hunnen [Awaren], lang gefürchtet durch alte Wildheit und
Unerschrockenheit, von dir für seine Ehre mit Kämpfen unter das eure Szepter unterworfen und es
beugten sich die so lang zögernden Hälse der Hochmütigsten der Gnade des heiligen Glaubens und
in die Gemüter, blind von derer alten Zeit, drang das Licht der Wahrheit ein.

Aber nun möge er in äußerster Weisheit und Gott wohl gefallener Weise eurer Ergebenheit dem
gläubigen Volk neue Prediger geben:
Ehrenhafte in der Moral, Gelehrte in der Wissenschaft des heiligen Glaubens, und Erfüllte durch die
Evangelien, auch auf die Beispiele der heiligen Apostel in der Lehre des Wort Gottes eifrig bedacht.
Diese waren gewohnt, Milch - das sind sanfte Lehren - ihren Zuhörern am Anfang des Glaubens
darzubieten.
Vom Gesagten des Apostel Paulus:
Und ich, Brüder, ich konnte nicht wie vom heiligen Geist erfüllt zu euch sprechen, aber wie vom
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Irdischen.
So wie ich euch von frühester Jugend an im Namen Christi Milch gab, ich gab keine Speisen.
Ihr konntet es nämlich nicht einmal vertragen, jedoch auch jetzt könnt ihr es noch nicht.
Dadurch sind auf der ganzen Welt Prediger, die Christus durch sich sprechen lassen, der zeigte, dass
das neue Volk die Bekehrung zum Glauben durch sanfte Lehren gleich wie ein Kleinkind durch
Milch genährt werden müsse, dass nicht durch strenge Lehren das fragile Gemüt das ausspeit, was
es trinkt.
Und weshalb der Herr selbst im Evangelium antwortete, durch Fragen, nach dem die Schüler jenes
nicht hungerten, folgendes sagend:
Niemand schickt neuen Wein in alte Schläuche, andernfalls werden die Schläuche zerrissen und der
Wein wird sowohl verschüttet als werden auch die Schläuche verloren gehen.
Das andere ist, wie nämlich der heilige Hieronymus sagt:
Die Reinheit des jungfräulichen Geistes, durch keinerlei vorherige Sünden lasterhaft durch
schlechten Einfluß, und welcher dem Schmutz von anderen und den vielen Leidenschaften
ausgeliefert sein wird.

Wenn dies so sorgfältig geprüft worden ist, möge eure höchst heilige Frömmigkeit durch klugen
Ratschluß vorsehen:
Ob es besser sei, unerfahrenen Völkern im Anfangsglauben das Joch des Zehnten anzulegen, so daß
durch Einziehung der Steuer von jenen einzelne Häuser gefüllt werden.

Oder haben etwa die Apostel, nachdem sie von Christus selbst unterrichtet worden waren und zum
Lehren in die Welt geschickt worden waren, die Erhebung des Zehnten gefordert oder irgendwo
empfohlen diesen zu geben; das muss bedacht werden.
Wir wissen, dass der Zehnte für unseren Reichtum sehr gut ist; aber es ist besser jenen einzubüßen,
als den Glauben zugrunde zu richten.
Wir aber, die im katholischen Glauben geboren, genährt und belehrt wurden, stimmen kaum
überein, für unseren Reichtum den Zins voll zu zahlen, um wie viel mehr kann der kindliche sowie
unersättliche Geist von ihnen im zarten Glauben nicht der Zahlung zustimmen?

Nachdem der Glaube gestärkt worden ist und nach Art des Christentums bestätigt worden ist, dann
müssen gleichsam den fertigen Menschen stärkere Lehren gegeben werden, welche den gestärkten
Geist nun durch die christliche Religion nicht mehr abschrecken.
Dieses muss mit höchster Sorgfalt bedacht werden, dass die Predigt und das Taufsakrament
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sorgfältig durchgeführt werden, nichts nützt der Heiligkeit die Taufe am Körper, wenn im Geist
nicht die Erkenntnis des Nutzens des katholischen Glaubens vorangeht.
Daher sagt der Apostel: "Alle eure Ehre wird ordentlich gemacht werden" und selbst der Herr im
Evangelium bejaht seien Schülern vorher Gesagtes:
"Geht, lehrt allen Völkern, tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes."

Diesem aber geht voraus die Reihenfolge, die der heilige Hieronimus in seinen Kommentaren,
welche im Evangelium des heiligen Matthäus geschrieben wurden, so darlegte:
Zuerst lehren sie alle Völker, dann tauchen sie die Belehrten ins Wasser.
Es kann nämlich nicht geschehen, dass der Körper die Taufe empfängt, wenn nicht vorher der Geist
die Wahrheit des Glaubens aufgenommen hat.
Es wird aber getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, dass von ihnen
zugleich göttlich ist, zugleich Geschenk sei, und ist der Name der Dreieinigkeit eines Gottes.
Gelehrt retten sie alle, wohin auch immer ich euch befahl.

Die beste Reihenfolge:


Er befahl den Aposteln, dass sie zuerst allen Völkern lehren, dann lehren sie, dass sie berührt vom
Glauben durch das Sakrament und später dem Glaube und die Taufe, diese sehr schätzten.
Und wir glauben nicht, dass es unbedeutend ist, was ihnen befohlen worden ist, und nur wenig fügte
er dazu:
Wohin immer ich euch alle schickte: dass, die glauben werden, die in der Dreieinigkeit getauft
wurden, alles machen würden, was ihnen gelehrt worden ist.

Daher können kleine Kinder - den Verstand nicht gebrauchend, von anderer Menschen Sünden
gefährdet - von anderen durch Glauben und Bekenntnis durch die Taufe gerettet werden, wenn die
Bekennenden für sich den Glauben lange befolgen und halten – bis zur Ankunft im Himmel.
Aber der Apostel sagt: Durch Glauben des Herzens und durch den Mund wird er zur Gerechtigkeit
geführt, aber durch Bekenntnis wird er zur Erlösung gebracht.
Jene solche Menge durch Lippenbekenntnis dient nicht zur Erlösung, welche noch stärker durch ein
grausames Herz festgehalten wird.
Daher muss jene Reihenfolge beim Lehren des Menschen ,im Alter vollendet, sorgfältiger beachtet
werden, wie ich meine, was der heilige Augustinus in seinem Buch regelte, das er "Über das
Unterrichten des Christentums für die Heiden" betitelte.
Zuerst ist der Mensch zu unterrichten über die unsterbliche Seele und über das zukünftige Leben
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und über die Rückzahlung der guten und der schlechten Taten und über die Unsterblichkeit beider.
Später: für welche Sünden und Verbrechen ewige Strafen mit dem Teufel erlitten werden und für
welche guten Taten oder Verdienste ewiger Ruhm mit Christus genossen wird.

Daher muss der Glaube an die heilige Dreifaltigkeit äußerst sorgfältig gelehrt werden, und die
Ankunft des Gottessohnes, unseres Herrn Jesu Christi, für die Erlösung der Menschheit in dieser
Welt dargelegt werden:
Und über das Mysterium der Passion von jenem und über die Wahrheit der Auferstehung und über
den Ruhm des Auffahrens in den Himmel und über die zukünftige Ankunft dessen zum Richten
aller Völker und über die Auferstehung unserer Körper und über die Ewigkeit der Strafen wegen der
schlechten Taten und des Lohnes für die Guten, alsbald - wie wir es vorhergesagt haben - muss der
neue Geist bestätigt werden.

Und der so durch den Glauben sowohl vorbereitete als auch bereite Mensch muss getauft werden.
Und so müssen zu einem günstigen Zeitpunkt häufiger vorgeschriebene Lesungen aus den
Evangelien gegeben werden ,durch emsige Predigten der Kleriker, solange, bis er heranwächst zu
einem vollendeten Menschen und würdiger gemacht sein wird als Wohnsitz des heiligen Geistes
und möge er dann vollkommener Sohn Gottes sein im Werk der Barmherzigkeit, gleichsam wie
unser Vater im Himmel vollkommen ist.

Der lebt und herrscht in vollkommener Dreieinigkeit und gesegneter Einheit, Gott und Herr, durch
alle Ewigkeit. Amen!

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit Euch in Ewigkeit.

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