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Gesellschaft Nationalismus und Popmusik

Foto: p.flug
Pop-Band “Mia”: “Eine weitere prominente Stimme [...]
für ein entspannteres Verhältnis zur eigenen Nation”

Von Thomas Bose

Krise, Quote, Leidkultur


Nationalismus und Popmusik

“Deutsch ist in Mode” titelte unlängst die extrem rechte “Junge Weltkriegs, die Flut von ausländischer Musik und von aus-
Freiheit”1 anlässlich der Diskussion um die Einführung einer Radio- ländischem Schund besonders widerstandslos
quote für “deutsche Popmusik”. Die “Deutsche Stimme”, Parteizei- geschluckt”6 werde. Da solche rechten Phrasen in der Pop-
tung der NPD, attestierte der Berliner Popband “Mia” aufgrund ihres welt nicht unbedingt massenkompatibel waren, schien das
Songs ‘Was es ist’, dass “sich hier also eine weitere prominente Thema im neuen Jahrtausend eigentlich erledigt zu sein.
Stimme der deutschen Popkultur für ein entspannteres Verhältnis zur Nur einige wertkonservative Vereinigungen, wie etwa der
eigenen Nation”2 stark mache. “Verein deutsche Sprache e.V.” (VDS), wehrten sich
Auf der “Popkomm”, der größten Fachmesse der Musikindustrie, gegen eine angeblich zunehmende Beeinflussung mit
wurde Ende 2004 die Forderung nach einer Radio-Quote für “deut- “angloamerikanischem Sprach- und Kulturgut”. Die CSU
sche Musik” lautstark inszeniert. Die Initiative “Musiker in eigener scheiterte mit einer Quoten-Initiative 2003 im bayrischen
Sache” hatte einen Aufruf mit rund 600 Musikerinnen und Musikern, Landtag.
darunter Wolfgang Niedecken, Anne Haigis, Konstantin Wecker,
Xavier Naidoo, Max (“Freundeskreis”) und Jan Eißfeld (“Absolu- Krise der Musikindustrie
te Beginner”) präsentiert. Die Initiative bejammert , “dass die deut-
sche Musikszene in den Medien kaum noch vorkommt”3, und Eingebettet wurden die Forderungen nach einer Quotie-
behauptet, “immer weniger weltumspannende Firmen setzen auf rung immer in eine ökonomische Argumentation. Von der
einen immer kleineren Nenner von Musik aus ihrem dominanten an- Krise der Musikindustrie und Umsatzeinbußen durch pri-
glo-amerikanischen Repertoire”4. Mit solchen nationalistischen For- vate “Raubkopien” und MP3-Downloads war die Rede.
derungen fand die Initiative auch Unterstützung von Politikern, die Doch diese ‘Krise’ ist lediglich der Entwicklung neuer
“gerade in Zeiten der Globalisierung […] die kulturelle Vielfalt vor Produktionsverhältnisse und Absatzwege geschuldet. Sie
Ort […] schützen”5 wollen. Dieses Zitat stammt nicht von einem Po- relativiert sich, wenn man den Betrachtungszeitraum ein
litiker der so genannten “Neuen Rechten”, sondern von Antje Voll- wenig vergrößert: Zwar ging in den letzten fünf Jahren der
mer, kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Tonträger-Umsatz um vierzig Prozent zurück (2002: 2,2
Ende September 2004 gab es dann im Bundestag eine Anhörung. Milliarden Euro, 2003: 1,64 Milliarden Euro). Durch-
Als Ergebnis legte man den öffentlich-rechtlichen und privaten schnittlich wurden in Deutschland pro Kopf zwei CDs
Rundfunksendern eine “Selbstverpflichtung” ans Herz, etwa 35 % verkauft und vier für den privaten Gebrauch kopiert. Doch
deutschsprachige beziehungsweise in Deutschland produzierte allein mit der Einführung der CD in den achtziger Jahren
Musik zu spielen. konnte die Musikindustrie ihre Umsätze verfünffachen.
Und eine ähnliche Entwicklung spielt sich aktuell ab: Seit
Deutschland sucht den Quotenstar einem halben Jahr werden mehr Handyklingeltöne als
Singles verkauft und der Umsatz von Live-Konzerten ver-
Schon in den neunziger Jahren gab es ähnliche Versuche, eine doppelte sich auf 2,8 Milliarden Euro.
Radioquote einzuführen. Vornehmlich abgewirtschaftete Musiker
wie Udo Lindenberg, Peter Maffay oder Heinz Rudolph Kunze Standortnationalismus
versuchten, in nationalistischen Gefilden zu fischen. Von Kunze
konnte man Statements vernehmen, wie beispielsweise, “dass gerade Ist also die Forderung nach der Quote nur ein Versuch
in Deutschland und Japan, in den Verlierernationen des Zweiten des nationalen Kapitals, über ein wenig Deutschtümelei

4  Lotta Nr.19 | Winter 2004/2005 


Nationalismus und Popmusik Gesellschaft

den Absatzmarkt für nationale Produkte zu sichern? Ästhetischer Revisionismus


Schaut man sich die Aufteilung des Gesamtumsatzes in
Deutschland an, scheint sich dies nicht zu bestätigen: 2003 Doch es geht auch direkter: Der DJ Paul Van Dyk produzierte
betrug der Anteil nationaler Produktionen in den deut- 2004 zusammen mit Peter Heppner12, dem Sänger der Band
schen Albumcharts 54,7 Prozent, 2002 noch 42,72 Pro- “Wolfsheim”, den Song “Wir sind Wir”. Textlich geht es um Nach-
zent7. Nur um reine Umsatzsicherung über die Radioquo- kriegsdeutschland: “Aufgeteilt, besiegt und doch, / Schließlich leben
te scheint es den Musikerinnen und Musikern nicht zu wir ja noch (...) Doch bleiben viele Fenster leer, / Für viele gab es
gehen. keine Wiederkehr.” Betrauert werden die fehlenden Deutschen, über
Wenn Künstlerinnen und Künstler für die Quote argu- den Nationalsozialismus und die Shoa spricht man im Text explizit
mentieren, offenbart sich häufig ein verquerer Nationalis- nicht. Stattdessen singt Heppner: “Wir sind wir! Wir stehen hier! …
mus. Inga Humpe, Sängerin der Band “2raumwohnung”, Das ist doch nur ein schlechter Lauf. / So schnell geben wir doch
hält “die Forderung, sich in der eigenen Sprache auszu- jetzt nicht auf.”
drücken …auch kulturell gesehen für etwas sehr Heilsa- Das Video dazu unterstreicht diesen Nationalismus im seichten
mes”8. Sie halluziniert einen drohenden “Verlust der kul- Pop-Gewand: Zuerst der Reichstag, ein Bild von 1945, dann ein
turellen deutschen Identität” angesichts einer angeblich humpelnder Wehrmachtssoldat, Trümmerfrauen, WM 1954, Aufbau
einprozentigen Abspielquote deutscher Musik. Dagegen Ost, Mauerbau, Luxus West, Deutsche waschen ihren Volkswagen.
liegt die Quote nach ARD-Angaben zwischen 10 und Die Inspiration zum Song lieferte laut Eigenbekunden der Film “Das
20%. Das stört die typisch deutsche Leid-Kultur wenig. Wunder von Bern – Die wahre Geschichte” des ZDF-Haushistorikers
Ex-”Nena”-Manager und “Musiker in eigener Sache”- Guido Knopp, der bekannt ist für seine unkritischen “Dokumentar-
Initiator Jim Rakete bringt das Anliegen der 600 Künstle- filme” zum NS und seinen “Ästhetischen Revisionismus”13. Das
rinnen und Künstler auf den Punkt: “Hunderte Musik- Video wurde von der gleichen TV-Produktionsfirma hergestellt, die
schaffende in diesem Land aber sehen in einem festge- auch für Knopp diverse Filme abdrehte.
schriebenen Anteil hiesiger Musik die einzig mögliche
Sicherung ihrer kulturellen Identität”.9 Too sexy for the Führerbunker? [1] “Junge Freiheit”, 42/04,
Popmusik, bisher als seichtes, beliebiges, urbanes Un- 8.10.2004
terhaltungsprodukt verstanden, soll nationalistisch aufge- Erregten die Teutonenrocker “Ramm- [2] “Deutsche Stimme”, Januar
2004
laden und zum Bollwerk gegen die amerikanische Kultur- stein” mit ihrer unkritischen Übernahme [3] “FÜR EINE QUOTE FÜR
industrie aufgebaut werden. von Filmszenen Leni Riefenstahls im MUSIK AUS DEUTSCH-
Video zu “Stripped” noch die Gemüter, LAND”. www.the-
Rot-Grün goes Nation scheint der Damm gebrochen. “Wir sind berliner.com/musiker_in_
eigener_sache/aufruf.pdf
Wir” und “Was es ist” waren Hits und die [4] ebd.
Bereits Anfang 2004 machte die Pop-Band “Mia” mit Videos liefen auf allen Kanälen. “Deut- [5] Presseerklärung von Antje
Ihrem Song “Was es ist” von sich reden. In diesem geht es scher Pop” wird zu dem, als was er Vollmer, Berlin 17.12.2004
um Liebe – nicht zu einer Person, sondern zu Deutschland. gedacht ist: nationalistische Mobil- [6] Kunze im Interview mit dem
“Spiegel” 1996, www.live-
Die Identifikation mit der Nation sei vorbelastet, dies wol- machung. Die Demarkationslinie ver- magazin.de/rubriken/
le die Band ändern. “Das ging zum teil soweit, dass, wenn läuft nicht mehr zwischen Underground whoswho/who0307.htm
man mich im ausland fragte woher ich komme, ich immer und Mainstream, sondern zwischen [7] Vgl. “Nationalmusik”, in:
schnell berlin gesagt hab, weil ich mich schämte zu sagen, Deutschland und Amerika. Eine ganze “Junge Welt” vom
29.9.2004
ich bin aus deutschland. das hatte einen zu negativen Reihe von Schwarz-Rot-Gold-farbenen [8] Vgl. Vens, Hartwig: “Noie
touch”10, so Mieze, Sängerin der Band. Deutschland stehe Deutsch-Pop-Samplern mit Titeln wie Werte”, in: Konkret 11/2004
seit dem Irak-Krieg für Frieden, deshalb gelte es auch, “Heimatkult-New German Liedgut” [9] ebd.
deutsche Identität neu zu füllen, oder, wie es in ihrem Son- überschwemmen zur Zeit den Markt. [10] Vgl.
www.angefangen.de/artists/
gtext heißt, “neues deutsches Land” zu betreten. Passend mia/mia_wasesist.html
dazu initiierten sie das Kunstprojekt “Angefangen”, das Who’s left? [11] Vgl. Freudenschuss, Max,
genau dieser Intention folgte. “Mia” trug auf Konzerten in: “Intro” #116, 26.2.2004
die schwarz-rot-goldene Kollektion einer Modedesignerin Nur die üblichen Verdächtigen, wie die [12] Peter Heppner hatte bereits
in Joachim Witts sozialdar-
aus dem Projekt. Auf Kritik reagierten sie empört und Band “Blumfeld”, distanzieren sich von winistischem Video zum
erschrocken, schließlich sei man “links” und trete für dieser Entwicklung: “…[Wir]haben wir Song “Die Flut” mitgewirkt.
“Respekt, Toleranz, Mut und Liebe” ein. Dass sie mit ihrer es stets abgelehnt, uns in die heimatduse- [13] Siehe hierzu den Artikel
schwarz-rot-goldenen Schwammigkeit dabei “einer ent- lige Front all derer einzureihen, die es für von Günter Born in dieser
Ausgabe, S. 14
ideologisierten Sozialdemokratie, dem Magazin ‘blond’ angebracht halten, sich in ihrem Denken, [14] vgl. “Blumfeld” zum Thema
und Sönke Wortmann die Hand […] zum rebuilding Ger- Fühlen, Singen und Handeln positiv auf “Deutschland. Nation. Hei-
many”11 reichen, wie das Musikmagazin “Intro” richtig Deutschland […] zu beziehen.”14 mat und Popmusik”.
kommentiert, stört sie dabei nicht. Das “links-alternative” Der Autor hält es da noch eher mit der skyeyeliner.endorphin.ch/
hallo.html
Publikum soll Deutschland sexy & chic finden, und die Band “Superpunk”: “Wir verabscheuen [15] siehe: Interview mit “Super-
Deutschpopper liefern dazu die passende Musik. Deutschland und wünschen der Nation punk”, in: “Plastic Bomb”
die Pest an den Hals.”15 #40, www.plasticbomb.de/
interview014.htm

 Lotta Nr.19 | Winter 2004/2005  5

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