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Feuilleton

F R A N K F U R T E R A L L G E M E I N E S O N N TAG S Z E I T U N G

2 5 . NOV E M B E R 2 0 1 8 NR. 47 SEITE 41

NACHRICHTEN
Wie lässt sich angemessen mit dem
„Spätdienst“ eines renommierten

NICHTS DISKRIMINIERT
Autors umgehen, fragte am vergan-
genen Dienstag der Literaturwissen-
schaftler Christian Metz in seiner
Besprechung des neuen Buchs von
Martin Walser in der F.A.Z., wenn
der seine Leser „bei genauer Lektü-
re provokativ mit der Bagatellisie-

MEHR ALS ARMUT


rung von Auschwitz“ konfrontiere?
Zumal, wenn dieses Buch von Sei-

Nichts diskriminiert mehr als Armut


ten des Rowohlt-Verlags als „die
Summe, ja das Resultat der Poetik
Martin Walsers“ präsentiert werde?
Metz zeigte in seiner Analyse sehr
präzise, wie Walser an einer be-
stimmten Stelle von „Spätdienst“
Was ist heute links? Ein Gespräch mit Bernd Stegemann, dem Vordenker der Bewegung Auschwitz als eine tödliche Katastro-
phe unter vielen darstellt – und wies
„Aufstehen“: über Identitätspolitik und Klassenkampf, Moral als Luxus – und die Frage, ob darauf hin, wie extrem schwer es
fällt, ernsthaft behaupten zu wollen,
die Linke und die Rechte sich verbünden dürfen dass dies dem Autor einfach so un-
terlaufe. Vielmehr stehe Walsers
„Bekenntnis“ in direktem Zusam-
menhang mit seiner Paulskirchen-
rede, in der er 1998 mit seiner For-
mulierung von der „Geißel Ausch-
witz“ exakt jener Relativierung der
Schoa das Wort redete, um sich
dann darauf zurückzuziehen, es
Sie sind Mitinitiator der Bewegung Überbau erkannt werden können, ist habe sich um ein Missverständnis
„Aufstehen“, die im September ge- das die passende Ideologie für den Kapi- gehandelt. Walser macht also ein-
gründet wurde. Wie ist das Feedback talismus. Die fatale Folge ist, dass mit fach immer weiter. Und wie reagiert
bisher? diesem Theorieduktus Kritik fast un- die Kritik insgesamt? „Ein schönes
Der Zuspruch ist nachhaltig gut: möglich ist. Die Postmoderne kann den und bewegendes Buch“, las Ulrich
165 000 Menschen haben sich angemel- Leuten immer nur ein Rezept an die Greiner, überlas die prekäre Stelle
det, mehr als hundert lokale Gruppen Hand gegeben: Optimiere dich selbst! einfach und behauptete in der
wurden gegründet. Zu unseren Veran- Das ist natürlich für viele Menschen in „Zeit“: „Nun ist es wahr, dass Wal-
staltungen kommen viel mehr Leute, als prekären Lagen eine völlig sinnlose An- ser seit seiner Paulskirchenrede 1998
wenn die Politiker im Namen ihrer Par- sage, weil sie gar keine Hebel dafür in mit dem haltlosen Vorwurf leben
tei einladen. Aber aufgrund des schnel- der Hand haben. muss, er sei ein Revisionist und Anti-
len Wachstums gibt es auch organisatori- In Ihrem vorherigen Buch „Das Ge- semit. Das ist Quark, und zwar breit
sche Probleme, weil wir kein Geld und spenst des Populismus“ vertreten Sie getretener. Da kann man schon bit-
noch keine Strukturen haben. Wir ma- die Forderung, eine Bewegung zu ter werden.“ Gerrit Bartels fand es
chen das ja alle ehrenamtlich. schaffen, die Rechte und Linke zu- zwar im „Tagesspiegel“ problema-
„Aufstehen“ bezeichnet sich als sammenbringt, um die reiche Elite zu tisch, „einfach Golgatha, Verdun
„Sammlungsbewegung“, das Ziel ist bekämpfen. Jede populistische Bewe- und Auschwitz“ zu reihen, „aber
ein überparteiliches linkes Bündnis. gung, egal ob rechts oder links, habe ihn nun gleich wieder als Ge-
Danach sieht es zurzeit aber kaum eine positive Wirkung, weil sie die schichtsrevisionisten und Holo-
aus: Von der SPD ist kaum jemand Eliten aufschrecke. Wie weit ist es caust-Relativierer zu entlarven, wie
dabei, die Grünen finden sich darin von einer solchen These zur Quer- es die ,F.A.Z.‘ prompt getan“ habe,
noch weniger wieder, und auch inner- front? war ihm dann doch zu viel. „Nichts
halb der Linken kritisieren viele, dass „Querfront“ ist ein Begriff des bürger- ist ohne sein Gegenteil wahr, könn-
das Projekt vor allem zu einer Spal- Der Dramaturg Bernd Stegemann Foto Andreas Müller lichen Liberalismus, der jede Art von te man walseresk anfügen“, so Bar-
tung geführt hat. Was ist da schiefge- Kritik, die von den Rändern kommt, tels. Arno Widmann schwärmte in
laufen? diskreditieren will. Leider ist dasselbe der „Frankfurter Rundschau“: „Wal-
Sie beschreiben die Perspektive der Par- Das merkt man zurzeit etwa an dem zen entsteht der Eindruck, dass Sie Aber Ihr Fokus liegt ja auch nicht dar- Milieu, wenn es um die Verteilung des ser zeigt uns, dass Schreiben immer
teien und nicht der vielen Menschen, Hashtag #unten. Es gibt viele Kritiker, gerade dadurch punkten wollen. Das auf, die Sozialsysteme zu stärken, son- Reichtums geht, wesentlich weniger ein Sich-etwas-Vormachen ist. Der
die sich bei uns engagieren. Manche in die sagen – ich spitze das mal zu: „Es ist geht so weit, dass manche Sie für dern zu sagen: Wir schaffen das sensibel. Die 45 reichsten Haushalte Autor ist ein Vorturner. Er zeigt
den Parteien mögen sich davon bedroht eine Unverschämtheit, dass Deutsche an- eine „national sozialistische“ Bewe- nicht! Also müssen wir Migration be- besitzen in Deutschland so viel, wie die uns, wie ein Felgumschwung funk-
fühlen, dass sich Menschen in einer fangen, rumzujammern. Die wissen gung halten. grenzen. gesamte ärmere Hälfte, also 40 Millio- tioniert und dass wir ihn können,
überparteilichen Organisation zusam- doch gar nicht, was Diskriminierung ist! Die Angriffe kommen aus verschiede- Das Hauptanliegen von „Aufstehen“ ist nen Menschen. Das ist eine krasse wenn wir trainieren und unseren
menfinden. Aber sehr viele Menschen Armut kann nicht so schlimm wie Rassis- nen Richtungen. Der eine kommt er- die Stärkung des Sozialstaates, insofern Fehlentwicklung, der gegenüber die Bauch abtragen. Das ist der Walser-
kommen eben gerade zu uns, weil es mus und Sexismus sein.“ wartbar aus der neoliberalen Richtung stimmt Ihre Aussage nicht. In einer De- regierenden Politiker offensichtlich weg. Wir sind ihn gegangen, ob wir
eine Bewegung ist und keine Partei. und lautet, da wollen Leute wieder den mokratie muss es jedoch möglich sein, ohnmächtig sind. Also müssen demo- es wissen oder nicht.“ Und genauso
Aber warum muss man diese morali- kratische Mehrheiten her, die daran kam es einem beim Lesen vor: Wal-
Mehr als achtzig Prozent der Men- schen Kämpfe gegen die sozialen ab- deutschen Sozialstaat schützen. Dies ver- über die Frage, wie viel Migration realis-
schen, die sich angemeldet haben, sind brüdert sich auf eine wirkungsvolle Wei- tischer Weise zu schaffen ist, eine politi- etwas ändern wollen. Welche Art von ser turnt vor, und die Kritik turnt
wägen? Gerade in den Schichten, die Populismus es dafür braucht, gilt es ihm nach. Schließlich ist er ja der an-
parteilos. Die werden nicht irgendwo ab- finanziell benachteiligt sind, ist der se mit einer moralischen Invektive, die sche Debatte zu führen, ohne dass eine
gezogen, sondern beteiligen sich erstma- sagt, man muss ganz grundsätzlich für solche Frage schon für moralisch ver- herauszufinden. geblich so große Walser. Um ihm,
Anteil von Migranten und Frauen den manche für den letzten Großen
lig an einer politischen Bewegung. Es offene Grenzen sein, sonst ist man auto- werflich gehalten wird. Aber was seit Hätten Sie keine Bedenken, diese
überdurchschnittlich hoch. Es ist halten, zu gefallen, machen sie ihm
gibt ein riesiges Nichtwählerpotential matisch Rassist. Da vermengt sich ein 2015 passiert, ist, dass es ein moralisches Mehrheiten mit Hilfe von
doch nicht nur ein Projekt linkslibera- alles nach, statt genau hinzuschau-
von dreißig bis vierzig Prozent in moralischer Auftrag mit einer ökonomi- Verdikt gibt: „Wir schaffen das!“ Im Sin- Kapitalismuskritikern von rechts zu
ler Akademiker, sich dafür einzuset- schen Ideologie. Parteipolitisch bildet en. In solchen Momenten ist die
Deutschland, in den unteren Einkom- zen, dass Frauen gleiche Löhne be- ne von: „Ihr schafft das schon.“ Das ist gewinnen? Es ist ja eine Sache, die
mensklassen ist das noch höher. Das sich das in der Nähe zwischen den Ha- Bevormundung. Die Entscheidung ist Abgehängten zu überzeugen, die Kritik tatsächlich am Ende. Wir ge-
kommen und Menschen anderer Her- beck-Grünen und der Merkel-CDU ab, hen nicht den Walserweg. jia
sind die Menschen, die sich angespro- kunft auf dem Arbeitsmarkt nicht dis- doch nicht: Wollen wir die Grenzen ge- durch ökonomische Verhältnisse zur
chen fühlen. Es ist wohl eher die Angst oder wie es Winfried Kretschmann so nerell dicht machen oder generell offen AfD getrieben werden. Aber die AfD
kriminiert werden. entlarvend gesagt hat: Die Grünen sind * * *
aus einer Parteiinnensicht, wenn man halten. Nicht einmal die Grünen for- wird auch von gutbürgerlichen Zweieinhalb Jahre ist es her, dass
das für gefährlich hält. Gerade deshalb ist es albern zu sagen, für die Moral zuständig, die CDU für
dass es Diskriminierung nur auf ethni- dern, dass wir jedes Jahr eine Million Rassisten gewählt. ein Großaufgebot der Polizei in das
die Wirtschaft. Eine solche Politik Menschen aufnehmen sollen, zugleich
Viele können auch deshalb nichts mit scher oder sexueller Ebene gibt. Der schließt aber die Teile der Gesellschaft Es gibt einen Kern von Hardcore-Rassis- Berliner Bordell „Artemis“ stürm-
„Aufstehen“ anfangen, weil sich die größte Diskriminierungsfaktor der Welt halten sie aber an der Forderung nach ten, die sind für einen demokratischen te, alles durchsuchte und die Prosti-
aus, die erstens den Sozialstaat brau- offenen Grenzen fest und wollen die
Bewegung im Streit zwischen Identi- ist Armut. Das muss wieder klar wer- chen, weil sie in prekären Verhältnissen Konsens verloren, aber das sind viel- tuierten unter „unwürdigen Bedin-
tätspolitik und Klassenpolitik, dem den, denn vor allem Frauen und Men- Gründe für Asyl immer weiter auswei- leicht fünf Prozent. Der Aufschwung gungen“ vernahm. Die beiden Be-
leben, und die sich zweitens diese Moral
derzeit zentralen Konflikt innerhalb schen mit Migrationshintergrund würde ten. So vermeiden sie eine konkrete Aus- dieser Partei kommt vor allem von Pro- treiber, Hakki und Kenan Simsek,
gar nicht leisten können, weil sie im All-
der Linken, ganz klar auf eine Seite eine andere Sozialpolitik deutlich mehr sage über die Steuerung von Migration, testwählern – oder von denen, die be- sowie vier Angestellte wurden am
tag mit Problemen konfrontiert werden,
stellt. Auch in Ihrem neuen Buch helfen als nur Anerkennungspolitik. die auch etwas mit den Folgen der Mi- indem sie die Fahne der Moral hochhal- fürchten, abzurutschen. Die Angst vor Abend der Razzia festgenommen
„Die Moralfalle“ äußern Sie heftige gration zu tun haben. Diese Folgen wür- ten. Prekarisierung wächst exponentiell, und kamen für vier Monate in Un-
Es gibt viele Menschen, bis in die Mit- wenn die, die noch Arbeit haben, sehen, tersuchungshaft. Die Staatsanwalt-
Kritik an identitätspolitischen Positio- den sie wenigstens gerne benennen dür- Die Probleme, die Sie beschreiben,
telschicht, die die Kritik am Neolibera- was mit denen passiert, die arbeitslos schaft warf ihnen Beteiligung an
nen. Wer sich für Gleichberechtigung fen, ohne gleich als Rassisten bezeichnet sind globale Probleme. Muss man sie
lismus teilen; die aber die Idee der werden und nach zwölf Monaten Zwangsprostitution, Steuerhinterzie-
und gegen Diskriminierung einsetzt, zu werden. Je reflexhafter sie dafür je- nicht auch global lösen? Mit „interna-
Emanzipation und Weltoffenheit nicht Hartz IV bekommen. Diesen Menschen
ohne die sozialen Fragen einzubezie- doch moralisch abgekanzelt werden, des- tionaler Solidarität“, um es pathe- hung und Sozialabgabenbetrug vor.
aufgeben wollen und sich deshalb in to eher führt das dazu, dass sie beim muss man Angebote machen.
hen, den halten Sie für Teil einer nai- tisch zu sagen? So wie die Behörden es tags darauf
„Aufstehen“ nicht wiederfinden. nächsten Mal ihr Kreuz bei der AfD
ven, heuchlerischen und hypermorali- Ja, gut, aber wer soll denn da solidarisch Die Frage ist, wie groß die Versu- öffentlich darstellten, klang es, als
schen Elite. Ich erlebe eher, dass sich die Mittel- machen. sei ihnen der große Wurf gelungen:
schicht jetzt ganz erleichtert den Ha- sein? Solidarität ist als Wert und als ge- chung ist, mit rechtsextremen Partei-
Es gibt ein Ungleichgewicht zwischen Aber die Vorstellung, man könnte die- lebte Erfahrung planmäßig zerstört wor- en gemeinsame Sache zu machen. Die Frauen im „Artemis“ seien in
beck-Grünen zuwendet, und ich würde Abhängigkeit gehalten und ausge-
diesen beiden Richtungen. Ursprünglich se Probleme lösen, indem man weni- den, weil die Menschen global in einem Nach dem Motto: Hauptsache gegen
nicht sagen, dass die links sind. Das ist beutet worden, um größtmöglichen
sollte das mal ein Dreiklang sein: Gen- ger Flüchtlinge aufnimmt, entspricht Wettbewerb gegeneinander antreten den Kapitalismus! Bei vielen linkspo-
eher eine Spielart der klassischen bürger- Gewinn zu erwirtschaften. Von
der, Race, Class sind die drei verschiede- doch genau den Parolen der AfD. Es müssen. Bei der Zerstörung der Solidari- pulistischen Parteien ist man sich da
lichen Selbstrettungsstrategie: Man ver- Menschenhandel war die Rede, von
nen Arten von Diskriminierung und Aus- ist doch keine linke Politik, soziale tät und des Klassenbegriffs hat der Neo- nicht so sicher.
sucht, mit ein bisschen schlechtem Ge- Verbindungen zu den Hell’s Angels.
grenzung. Das Problem ist, dass Gender Ungleichheit durch härtere Einwande- liberalismus ganze Arbeit geleistet. Um Da besteht bei uns keine Gefahr. Wenn
wissen und einem „bewussten Umgang“ Der Medienwirbel war gewaltig.
und Race in den letzten zwanzig Jahren rungsgesetze zu bekämpfen, statt beides wieder zu einer politischen Kate- man sich nur die Biographien anschaut:
mit sich und der Welt innerhalb eines Viele reagierten erleichtert, dass im
einen massiven Aufschwung erlebt ha- etwa den Sozialstaat zu verbessern. gorie zu machen, muss man bei null an- Sahra Wagenknecht, Ludger Vollmer,
komplett falschen Systems so wenig Berliner Sex-Gewerbe aufgeräumt
ben, Class dagegen zu einem uncoolen Aber es ist nicht gleich rassistisch, auf fangen. Wolfgang Streeck . . .
Schaden wie möglich anzurichten. Das wird. Andere wunderten sich. Unter
Objekt geworden ist. Natürlich gibt es die Probleme hinzuweisen. Man kann
ist als politisches Programm letztlich Sie machen in Ihrem Buch auch die Niemand will Ihnen eine ideologische Prostituierten galt das Bordell sogar
keine Klassen mehr im Sinne der alten doch erst einmal feststellen, dass es in
konservativ, und es sind vor allem sym- Theorien der Postmoderne für diese Nähe zu rechtem Denken unterstel- als bevorzugter Arbeitsplatz (F.A.S.
Industriearbeiterschaft. Aber es gibt glei- Stadtteilen mit hohem Migrationsanteil
bolpolitische Dinge, die da ausgehandelt Zerstörung verantwortlich. Aber die len. Die Frage ist, ob Sie aus strategi- vom 25. März). Am Dienstag hat
che Diskriminierungserfahrungen auf- andere Probleme gibt als vielleicht in
werden. Und dazu gehört natürlich Machttechniken, die Sie als „postmo- schen Gründen damit flirten. nun das Berliner Landgericht ent-
grund von ökonomischen Verhältnissen. Hamburg-Blankenese. Denn sonst kann
auch die Frage: Wie stehe ich zur Mi- dern“ beschreiben, die Selbstoptimie- schieden, auch in den übrigen Punk-
Das heißt, man muss dringend einen man auch nicht darüber nachdenken, Es gibt eher umgekehrt Annäherungs-
gration? Ich halte es für Doppelmoral, rungsstrategien und Entsolidarisie- ten keine Anklage zuzulassen. Die
neuen Klassenbegriff erarbeiten, um den wie der Staat da helfend eingreifen versuche der Rechten. Das Lob von
wenn man sich aus einer sehr privilegier- rungseffekte, die den Neoliberalis- Simsek-Brüder seien vielmehr für
Kampf zwischen Kapital und Menschen kann, indem man die Frage stellt, ob es Alexander Gauland für „Aufstehen“ war
ten Position heraus moralisch für offene mus kennzeichnen – all das wurde die erlittene Freiheitsentziehung zu
wieder zum politischen Konflikt zu ma- in solchen Stadtvierteln nicht zum Bei- der Inbegriff einer Unverschämtheit. Er
Grenzen einsetzt und gleichzeitig in sei- doch von den postmodernen Den- entschädigen, die millionenteure Po-
chen. Das ist die Hauptagenda von „Auf- spiel sehr viel mehr Lehrer und Sozialar- weiß, wie er uns am meisten schaden
ner alltäglichen Lebenswelt – durch Ab- kern nicht erfunden oder gar propa- lizeiaktion hätte man sich sparen
stehen“, und ich finde es entlarvend, beiter geben müsste. Migration ist doch kann, so schlau ist er ja leider. Wenn es
grenzung des eigenen Milieus, des Ar- giert, sondern in erster Linie kritisch können. Das Gericht hielt fest, dass
dass sich das identitätspolitische Lager zuerst einmal Migration in die Sozialsys- eine Alternative für alle, nicht nur für
beitsmarktes, der Schulen – alles dafür analysiert. die sexuellen Dienstleistungen der
davon angegriffen fühlt. Sie behaupten, teme. Man muss darüber sprechen, was Deutsche gibt, hat er ein großes Pro-
tut, dass man eigentlich gar nicht in Be- Prostituierten nicht kontrolliert
als Lippenbekenntnis, immer, es sei ein das bedeutet und wie man als Staat da Ich behaupte keine Kausalität, aber na- blem. Ich glaube, er hat Angst vor uns.
rührung damit kommt. oder überwacht worden seien. Die
Dreiklang. Aber in dem Moment, in gegensteuern kann. Und dann muss türlich ist die Dekonstruktion von Be-
Interview Harald Staun
dem der dritte Ton plötzlich wieder an- Sie sagen, das Ziel von „Aufstehen“ man natürlich die Frage stellen, wie sich griffen etwas, was dem Neoliberalismus Frauen im „Artemis“ hätten frei ent-
fängt zu klingen, sagen sie: „So haben sei, die soziale Frage wieder in den ein entwickelter Sozialstaat wie Deutsch- als Werkzeug sehr zupasskommt. Wenn Bernd Stegemann: „Die Moralfalle. Für eine Befreiung scheiden können, wie oft sie ihre se-
wir das aber nicht gemeint. Das Wich- Mittelpunkt zu stellen. Aber durch land mit offenen Grenzen vereinbaren alles zum Einzelfall erklärt wird und kei- linker Politik“. Matthes & Seitz, 205 Seiten, 18 Euro. xuellen Dienstleistungen anbieten
tigste ist schon die Identitätspolitik.“ Ihre explizite Kritik an offenen Gren- lässt. ne Zusammenhänge mehr in einem Erscheint am 30. November. wollten. kkr

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