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Market Trends

Die Auswirkungen
von MiFID II auf
die Verfügbarkeit
von Research
Informationen für Emittenten
MiFID II und die Verfügbarkeit von Research 3

Market Trends

Die Auswirkungen von MiFID II auf die


Verfügbarkeit von Research

Informationen für Emittenten

Herausgegeben von der Deutsche Börse AG


in Zusammenarbeit mit dem deutschen Fondsverband BVI, dem Deutschen Aktieninstitut,
dem DIRK – Deutscher Investor Relations Verband und der DVFA – Deutsche Vereinigung für
Finanzanalyse und Asset Management
4 MiFID II und die Verfügbarkeit von Research

Inhalt

Vorwort 5

Umbruch auf desm Markt für Research-Dienstleistungen 6

Was ändert sich durch MiFID II? 6


Herausforderungen für börsennotierte Unternehmen 7

Definitionen und Anwendungsbereich: Analyse und Corporate Access 8

Wer muss künftig für welche Research-Dienste zahlen? 8


Analysen 9
Corporate Access 9
Regeln auch für den Bezug von außereuropäischem Research gültig 10

Umgang mit den neuen Regeln in der Investor Relations-Arbeit:


Anregungen 11

Emittentenbezahltes Research und direkte Investorenansprache 12


Auswahl des richtigen Dienstleisters 12
Auswirkungen auf Emittenten unterschiedlicher Größenklassen 14

Fazit 17

Literaturverzeichnis 18
MiFID II und die Verfügbarkeit von Research 5

Vorwort

Sehr geehrte Emittenten, In diesem Dokument finden Sie Antworten auf fol-
liebe Leserinnen und Leser, gende Fragen:

ab 3. Januar 2018 wird die überarbeitete Richtlinie  Welche Dienstleistungen werden von den
über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in neuen Regelungen erfasst?
Financial Instruments Directive, MiFID II) EU-weit  Welche Auswirkungen auf Emittenten sind ab-
angewendet. Sie zielt u. a. darauf ab, Transparenz sehbar?
und Anlegerschutz zu erhöhen. Davon sind auch  Welche Handlungsoptionen lassen sich hie-
börsennotierte Gesellschaften betroffen, denn die raus ableiten?
Anforderungen an ihre Investor Relations-Arbeit
werden deutlich steigen. Die Anregungen richten sich insbesondere an die
CEOs, CFOs und IR-Verantwortlichen der Unterneh-
Neue Offenlegungsvorschriften gelten künftig nicht men an der Frankfurter Wertpapierbörse, v. a. in
nur für bislang nicht erfasste Finanzinstrumente den Börsensegmenten Prime Standard, General
und Handelsplätze, sondern auch für das Erbringen Standard und Scale. Der Fokus liegt auf Emittenten
und Vergüten von Dienstleistungen im Bereich der von Aktien, da in dieser Wertpapierklasse die größten
Anlageberatung. Dazu gehören Vorgaben zum Um- Umbrüche und damit verbunden die größten Heraus-
gang mit Provisionen sowie monetären und nicht- forderungen für die Emittenten zu erwarten sind.
monetären Vorteilen im Kontext von Research- Das Dokument ist das Ergebnis der Zusammenarbeit
Dienstleistungen wie Analysen und Corporate zwischen der Deutsche Börse AG, dem deutschen
Access. Im Ergebnis werden die Kosten von Re- Fondsverband BVI, dem Deutschen Aktieninstitut,
search-Leistungen klar ausgewiesen, die dann den dem DIRK – Deutscher Investor Relations Verband
Mechanismen von Angebot und Nachfrage unter- und der DVFA – Deutsche Vereinigung für Finanz-
liegen. MiFID II setzt damit einen Prozess der Neu- analyse und Asset Management. Den Anstoß gab
ordnung der Beziehungen zwischen Research- das Issuer Market Advisory Committee (IMAC) der
Anbietern, Emittenten und Investoren in Gang. Gruppe Deutsche Börse. Es setzt sich aus Emitten-
Eine der Herausforderungen wird sein, kleineren ten, Investoren, Beratern, Investmentbanken und
Emittenten, die weniger im Blickpunkt von Analys- Verbänden zusammen und berät die Deutsche
ten und Investoren stehen, auch in Zukunft die Börse AG zu relevanten Themen im Primärmarkt.
Aufmerksamkeit zu verschaffen, die notwendig ist,
damit sie sich am Kapitalmarkt finanzieren können. Im Namen der Deutschen Börse bedanke ich mich
bei allen an der Erstellung dieses Dokuments be-
Mit diesem Papier möchten wir Emittenten helfen, teiligten Organisationen und ihren Vertretern für
die Vorgaben aus MiFID II mit dem konkreten In- das Wissen, die Erfahrung und die Zeit, die sie
formationsbedürfnis ihrer Investoren abzugleichen, eingebracht haben. Wir möchten diesen konstruk-
und Orientierungspunkte aufzeigen. Denn Transpa- tiven Austausch fortführen, damit Research-
renz – und damit die generelle Verfügbarkeit von Dienstleistungen auch künftig zu einem liquiden
Research – ist eine zentrale Voraussetzung dafür, Kapitalmarkt beitragen.
dass Investoren auf Emittenten aufmerksam werden
und informierte Anlageentscheidungen treffen kön-
nen, um letztlich in Ihr Unternehmen zu investieren. Mit freundlichen Grüßen

Hauke Stars
Mitglied des Vorstands, Deutsche Börse AG
6 MiFID II und die Verfügbarkeit von Research

Umbruch auf dem Markt für Research-


Dienstleistungen

Mit Geltung der überarbeiteten Finanzmarktricht- Teilweise haben Banken mit Vermögensverwaltern
linie MiFID II Anfang 2018 werden sich die Re- und Fondsgesellschaften auch sog. Commission
geln für die unterschiedlichen Research-Dienst- Sharing Agreements abgeschlossenen. Nach die-
leistungen (Analysen, Corporate Access, Orga- sen verteilt die Bank, die die Transaktionen aus-
nisation von Roadshows usw.) ändern. Hiervon führt, den auf Research entfallenden Teil der
betroffen sind nicht nur Banken oder Investoren Commissions an die angeschlossenen Research-
wie Vermögensverwalter1) und Fondsgesellschaf- Anbieter.
ten als Anbieter oder Bezieher der Dienstleistung,
sondern auch börsennotierte Gesellschaften. Ab 2018 müssen Vermögensverwalter Research-
Diese müssen die Auswirkungen der neuen Dienstleistungen entweder aus eigenen Mitteln
Regeln auf ihre eigene Analysten-Coverage prüfen oder aus einem sog. Analysekonto (Research Pay-
und entsprechende Maßnahmen ergreifen. ment Account, RPA), das durch Kundengelder ge-
speist wird, zahlen. Die Entgelte der Banken dür-
fen dann nur noch die Kosten für die Ausführung
Was ändert sich durch MiFID II? von Wertpapiertransaktionen nicht aber für weitere
Dienstleistungen umfassen. Research-Dienstleis-
Bisher ist es üblich, dass Banken Vermögensver- tungen von Banken müssen separat ausgewiesen
waltern und Fondsgesellschaften Research-Dienst- werden.
leistungen in Verbindung mit dem Brokerage der
entsprechenden Wertpapiere bereitstellen. Dabei Auf Fondsgesellschaften ist die Regelung dagegen
ist die schriftliche Abfassung der Analyse eines nur in bestimmten Bereichen anwendbar, bei-
Unternehmens meist das Research-Instrument spielsweise wenn sie für einen Kunden Vermögen
schlechthin. Aber auch Corporate Access spielt ohne Fondshülle verwalten. Durch den separaten
eine wichtige Rolle, also die Möglichkeit für Emit- Ausweis der Entgelte für Research, der künftig für
tenten, Investoren unter Rückgriff auf geeignetes alle Banken gilt, sind sie jedoch indirekt betroffen.
Material – dazu zählen insbesondere Analysen – Viele Marktteilnehmer rechnen damit, dass sich
das eigene Geschäftsmodell zu erläutern. Bezahlt die gesamte Investmentbranche in Bezug auf An-
werden diese Research-Dienstleistungen bisher gebot und Nachfrage von Research anpassen wird.
aus dem Kunden- oder Fondsvermögen. Die Kos- Obwohl noch große Unsicherheit darüber besteht,
ten für Research-Dienstleistungen sind also in den wie sich die Preise für Research-Dienstleistungen
Kosten für die Ausführung der Wertpapierorder entwickeln werden, gibt es erste Anzeichen dafür,
enthalten (sog. Dealing Commissions).

1) Für detaillierte Informationen zum erwarteten Umgang


mit den verschiedenen Zahlungsoptionen für Research siehe
CFA Institute (2017).
MiFID II und die Verfügbarkeit von Research 7

dass die neuen Regeln die Nachfrage nach Re- renansprache zu gehen, z. B. verstärkt den direk-
search verändern werden: Investoren werden ten Kontakt zu den Investoren zu suchen.
künftig stärker auswählen, für welche Unterneh-
men sie weiterhin Research von den Brokern
beziehen – und bezahlen – werden. Die Zahl der Herausforderungen für börsennotierte
Analysten, die ein Unternehmen betreuen, wird Unternehmen
deshalb voraussichtlich sinken. Aussagen über
das exakte Ausmaß dieses Rückgangs sind bislang Börsennotierte Unternehmen sollten sich auf das
allerdings nicht möglich. veränderte regulatorische Umfeld vorbereiten und
proaktiv handeln. Gegenwärtig befinden sich In-
Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die veränderte vestoren und Broker noch in einer Phase des ge-
Nachfrage zu einer höheren Qualität der künftigen genseitigen „Abtastens“, weil die Produkte zum
Research-Dienstleistungen am Markt führen wird. Bezug von Research noch nicht ausreichend diffe-
Voraussichtlich wird sich auch das Angebot von renziert sind. – Angebot und Nachfrage haben sich
Research, das nicht vom Investor, sondern vom noch nicht abschließend unter den neuen Regeln
Emittenten bezahlt wird, erhöhen. von MiFID II gefunden.

Zudem wird die Bereitstellung von Research künftig Nach einer Differenzierungsphase werden sich die
von den Ertragsmöglichkeiten des Brokers aus den Effekte der neuen Regelungen voraussichtlich erst
Handelsumsätzen abgekoppelt. Für Unternehmen in ein bis zwei Jahren vollumfänglich im Markt
mit einem attraktiven Geschäftsmodell erhöht dies zeigen. Dennoch sollten Unternehmen bereits jetzt
die Chancen auf eine Analysten-Coverage, selbst mit ihren Analysten über die Auswirkungen der
wenn das Handelsvolumen der Aktie (noch) gering neuen Regeln für das eigene Unternehmen spre-
ist. Schließlich ist der Umbruch auf dem Markt für chen. Auf Grundlage dieser Gespräche sind ggf.
Research-Dienstleistungen eine sehr gute Gelegen- neue Handlungsoptionen zu prüfen. Dazu zählen
heit für Unternehmen, neue Wege in der Investo- die in diesem Papier vorgestellten Anregungen.
8 MiFID II und die Verfügbarkeit von Research

Definitionen und Anwendungsbereich:


Analyse und Corporate Access

Das von Brokern bisher bereitgestellte Research Wert der Informationen lediglich geringfügig3), ist
entspricht i.d.R. der „Research“-Definition gemäß der Bezug dieser Informationen kostenfrei zulässig.
MiFID II. Research in diesem Sinne trägt zur Mei- Solche sog. geringfügigen nichtmonetären Vorteile
nungsbildung über Finanzinstrumente oder Emit- müssen vertretbar und verhältnismäßig sein; sie
tenten bei. Es enthält explizit oder implizit eine müssen sich in einer Größenordnung bewegen,
fundierte Meinung zum aktuellen oder künftigen die es unwahrscheinlich macht, dass sie das
Wert der entsprechenden Aktien2) oder es werden Verhalten des Vermögensverwalters in einer Weise
anderweitig eine Analyse und neuartige Erkennt- beeinflussen, die den Interessen des Kunden ab-
nisse vermittelt und Schlussfolgerungen gezogen, träglich ist.
die für Anlagestrategien oder -entscheidungen von
Nutzen sein könnten. Unter den Begriff Research Ein zentrales Kriterium bei der Bewertung der
fallen sowohl die Bereitstellung von Analysen – Frage, ob Research kostenpflichtig ist, ist also
auch im Rahmen von Börsengängen – als auch seine „Werthaltigkeit“. Research wird werthaltig
bestimmte Leistungen im Zusammenhang mit aufgrund der enthaltenen Information oder der
Corporate Access, d.h. dem Arrangieren von für die Erstellung genutzten Ressourcen.
Treffen zwischen Investoren und insbesondere
der Vorstandsebene der Emittenten. Grundsätzlich gilt: Das Format, in dem Research-
Informationen bereitgestellt werden, spielt bei der
Nach MiFID II sind Research-Leistungen künftig Beurteilung, ob sie kostenpflichtig sind oder nicht,
für Investoren grundsätzlich kostenpflichtig. In den keine Rolle: Es kann sich um schriftliches Research
folgenden Abschnitten wird erläutert, welche kon- wie sog. Morning Letters handeln, aber auch um
kreten Informationen bzw. Dienstleistungen unter den telefonischen bzw. allgemeiner: mündlichen
welchen Bedingungen kostenpflichtig oder kosten- Austausch. Der von einem Broker erhobene Preis
frei bereitgestellt und abgerufen werden dürfen. darf jedoch nicht von der Höhe der Preise für die
Ausführung von Transaktionen abhängig gemacht
werden.
Wer muss künftig für welche Research-
Dienste zahlen? Inwieweit die neuen Regeln neben der Bereitstel-
lung von Analysen auch für Corporate Access-
Vermögensverwalter müssen künftig für Research- Dienstleistungen von Banken/Brokern gelten,
Dienstleistungen bezahlen. Denn nach MiFID II hängt maßgeblich davon ab, ob die Dienstleistung
sind Research-Dienstleistungen, die nicht aus als eine Research-Leistung zu qualifizieren ist.4)
eigenen Mitteln oder dem RPA bezahlt werden,
Zuwendungen an den Vermögensverwalter. Ist der

2) Vgl. MiFID II Durchführungsrichtlinie Nr. 2017/593, Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDVerOV) gibt


Erwägungsgrund 28 Beispiele an.
3) Geringfügige nichtmonetäre Vorteile sind gesetzlich nicht 4) Vgl. ESMA (2017a)
explizit definiert; § 6 Abs. 1 Verordnung zur Konkretisierung
der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für
MiFID II und die Verfügbarkeit von Research 9

Analysen Corporate Access

Kostenfreie Analysen Corporate Access ohne Research-Leistung


Beauftragt ein Emittent einen Broker mit Research Wenn ein Broker ein Treffen zwischen Emittenten-
und bezahlt ihn dafür („issuer sponsored“), so vertretern und Investoren arrangiert, ohne eigenes
können Investoren dieses weiterhin kostenlos be- inhaltliches Research wie Analysematerial oder
ziehen. In diesem Fall sollten Emittent und Broker eine inhaltliche Beurteilung des Treffens bereitzu-
ihre kommerzielle Beziehung zueinander im Ana- stellen, stellt dies einen sog. Concierge Service dar.
lyse-Dokument offenlegen. Zudem müssen Emit- Für diesen gelten nicht die besonderen Research-
tent oder Broker das Informationsmaterial, das der Regeln, sondern die allgemeinen Regeln für Zu-
Emittent dem Broker für die Erarbeitung der Ana- wendungen. Vermögensverwalter dürfen solche
lyse zur Verfügung stellt, allen interessierten Inves- Dienstleistungen nur dann ausnahmsweise kosten-
toren zugänglich machen bzw. es veröffentlichen frei annehmen, wenn sie als geringfügige nicht-
unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglich- monetäre Vorteile einzuordnen sind. Hierunter
keiten bzw. Rahmenbedingungen des Emittenten). können nach der europäischen Wertpapierauf-
Sobald die Informationen veröffentlicht wurden, sichtsbehörde ESMA (European Securities and
können die Broker diese den Vermögensverwaltern Markets Authority) beispielsweise Roadshows fal-
im Vorfeld von Kapitalmaßnahmen, etwa einem len, die von Emittenten gezahlt und für Analysten
Börsengang, bereitstellen.5) Beispiele für weitere und Investoren frei zugänglich sind.
kostenfreie Analysen sind:
Hingegen wäre der Umkehrschluss unzutreffend,
 Öffentlich verfügbares Research dass das Organisieren eines Treffens, für das der
 Kurzfristige Marktkommentare zu ökonomischen Emittent nicht zahlt oder zu dem kein öffentlicher
Statistiken oder Unternehmenszahlen Zugang besteht, automatisch als nicht geringfügige
 Kurze Markt-Updates mit kleineren Anteilen an Zuwendung zu werten ist. Nicht jedes Treffen, das
Kommentaren oder Meinungsäußerungen ein Broker zwischen einem Emittenten und einem
 Material, das öffentliche Informationen wieder- Vermögensverwalter organisiert, rechtfertigt es,
holt oder zusammenfasst die gegenüber dem Vermögensverwalter erbrachte
 Marktinformationen im unmittelbaren Order- Leistung des Brokers als nicht geringfügigen Con-
zusammenhang cierge Service zu qualifizieren. Auch wenn der
Nutzen des Service für den Emittenten in diesem
Kostenpflichtige Analysen Zusammenhang durchaus größer einzuschätzen
Kostenpflichtig sind künftig alle Research-Informa- sein mag.
tionen, die nicht als geringfügiger nichtmonetärer
Vorteil gelten. Darunter fallen: Es bleibt festzuhalten, dass die Beurteilung der
Frage, ob eine Dienstleistung als ein geringfügiger
 Makroökonomisches Research nichtmonetärer Vorteil anzusehen ist, grundsätz-
 Aktien-Research lich dem Vermögensverwalter obliegt. Concierge
 Fixed-Income Research Services des Brokers, die nicht zweifelsfrei als
 Währungs- und Rohstoff-Research

5) Vgl. ESMA (2017)


10 MiFID II und die Verfügbarkeit von Research

geringfügige nichtmonetäre Vorteile einzuordnen Will der US-Broker/Dealer für EU-Anleger die
sind, darf der Vermögensverwalter nicht kostenfrei Dienstleistungen Handel und Research getrennt
annehmen. Das kann etwa bei exklusiven Veran- anbieten und abrechnen, benötigt er nach US-
staltungen oder Unternehmensbesuchen („field Recht eine Zulassung als Anlageberater (Invest-
trips“) der Fall sein.6) ment Adviser). Die US-Broker/Dealer scheuen den
Aufwand einer weiteren Zulassung, da diese Kos-
Corporate Access als Research-Leistung ten verursacht und zusätzliche Treuhandanforde-
Inhaltliche Dienstleistungen des Brokers, die im rungen an das Handelsgeschäft nach sich zieht.
Zusammenhang mit dem Arrangement eines Um den Bezug von US-Research für EU-Investoren
Treffens zwischen Emittenten und Investoren sicherzustellen, hat die Securities Exchange Com-
erbracht werden, stellen Research dar, wenn der mission (SEC, US-Wertpapieraufsichtsbehörde) mit
Broker eine Anlagestrategie empfiehlt oder eine ihren Auslegungsentscheidungen ermöglicht, dass
Meinung zur Beurteilung von Vermögenswerten US-Broker/Dealer unter bestimmten Voraussetzun-
oder Emittenten verfasst. Diese Leistungen bieten gen für einen Zeitraum von 30 Monaten Zahlun-
den Empfängern werthaltige Informationen und gen erhalten dürfen, ohne sich als Investment
müssen daher bezahlt werden. Das gilt auch, Adviser registrieren lassen zu müssen.
wenn der Anbieter solcher Treffen wertvolle
Ressourcen aufwendet. In Abstimmung mit der SEC hat die EU-Kommis-
sion etwa zeitgleich in kurzen Fragen und Antwor-
ten festgehalten, dass Wertpapierdienstleister
Regeln auch für den Bezug von Research und Transaktionen in einer Summe
außereuropäischem Research gültig begleichen können, solange der Gebührenanteil
für Research identifizierbar ist.
Vermögensverwalter müssen die neuen Vorgaben
auch beachten, wenn sie Research von Anbietern Erstellt ein Broker aus einem Drittstaat keine sepa-
außerhalb der EU nutzen wollen. Das gilt insbe- rate Rechnung für Analysedienstleistungen, muss
sondere für die in der EU tätigen relevanten Wert- der Wertpapierdienstleister (bzw. dessen Berater
papierhandelsfirmen (sog. Broker/Dealer) aus den im jeweiligen Drittstaat) diesen Gebührenanteil
USA. Die von MiFID II geforderte Trennung der selbst ermitteln. Hierfür kann er den Broker aus
Kosten stößt hier auf rechtliche Hürden beim dem Drittstaat konsultieren. Dabei darf die Gebühr
Bezug von Research- und Handelsdienstleistungen: für Research jedoch nicht von der Höhe der Zah-
Broker/Dealer sind nach dem US-amerikanischen lungen für Ausführungsdienstleistungen beeinflusst
Investment Advisers Act von 1940 grundsätzlich werden oder von diesen abhängen. Nach Wirk-
verpflichtet, Handel und Research gebündelt ab- samwerden des Brexit wird auch Großbritannien aus
zurechnen. Dies widerspricht den neuen euro- der Sicht deutscher Unternehmen zu einem Dritt-
päischen Regeln, die genau diese Bündelung staat, für den die entsprechenden Regeln gelten.
verbieten.

6) Vgl. ESMA (2017b)


MiFID II und die Verfügbarkeit von Research 11

Umgang mit den neuen Regeln in der Investor


Relations-Arbeit: Anregungen

Auch wenn sich die Auswirkungen von MiFID II künftig Berücksichtigung finden sollte: Mehr Anla-
auf die Kapitalmarktteilnehmer bislang noch nicht gen werden vermutlich passiv verwaltet und auf
in ihrem ganzen Ausmaß erfassen lassen, werden weniger Anlageziele konzentriert werden. Weitere
sich die Emittenten mit folgenden Veränderungen Informationen hierzu finden sich bei Oliver Wyman
bzw. Effekten beschäftigen müssen: (2017).

1. Geringere Research-Coverage: Insgesamt bedeutet dies: Weniger Coverage führt


Die bislang bestehende Coverage mit Research- zu weniger Liquidität, die wiederum zu weniger
Dienstleistungen wird sich verringern. Dies hat Coverage führt. Es empfiehlt sich daher für börsen-
unterschiedliche Auswirkungen, die von der Größe notierte Unternehmen, im Gespräch mit ihren je-
des Unternehmens abhängen (siehe den Ab- weiligen Analysten/Brokern die Auswirkungen der
schnitt „Auswirkungen auf Emittenten unterschied- neuen Regeln auf die eigene Research-Coverage
licher Größenklassen“). zu ermitteln (siehe hierzu die Grafik „Orientie-
rungsfragen zur individuellen Situationsanalyse“).
2. Selektion der Broker-Liste bei Investoren:
Bestehende Broker-Kontakte könnten künftig über Aus diesen Gesprächen können börsennotierte Un-
eine geringere Anzahl von Investorenkontakten ternehmen ihren Handlungsbedarf ableiten. Erge-
verfügen. ben diese Gespräche, dass die Research-Coverage
weiterhin als ausreichend erachtet wird, gibt es
3. Selektivere Nachfrage nach Corporate Access: keinen Grund, aktiv zu werden. Dies dürfte i.d.R.
Roadshow-Möglichkeiten könnten für Emittenten der Fall für große Unternehmen (Large Caps) sein.
eingeschränkt sein, da Investoren voraussichtlich
stärker selektieren werden, zu welchen Unterneh- Wer allerdings feststellt, dass künftig die Research-
men sie Kontakt aufnehmen. Coverage nicht mehr ausreichend sein wird, um
eine Finanzierung über die Börse zu gewährleisten,
4. Passivierung der verwalteten Vermögen: sollte unbedingt tätig werden. Dies dürfte v. a. auf
Unabhängig von den MiFID-Regelungen ergibt mittlere und kleinere Unternehmen (Mid und Small
sich noch folgender Effekt, der in der IR-Arbeit Caps) zutreffen. Für viele kleinere Emittenten

Orientierungsfragen zur individuellen Situationsanalyse – für Emittenten relevante Handlungsfelder


12 MiFID II und die Verfügbarkeit von Research

stellt sich dann die Frage, woher sie künftig ihr Beide Optionen, d.h. der Erwerb von Analysen
Research beziehen sollen, wenn der Markt nur in durch den Emittenten und die direkte Investoren-
einzelnen Fällen Analysen ohne ihr eigenes Zutun ansprache, ergänzen einander. Die Analyse bildet
bereitstellen wird. die Basis des Dialogs mit bereits bestehenden oder
potenziellen Investoren. Sie ist Voraussetzung da-
für, dass die Investoren überhaupt das Gespräch
Emittentenbezahltes Research und aufnehmen. Allerdings ist die Analyse nutzlos,
direkte Investorenansprache wenn sie nicht verbreitet und den Investoren im
Dialog erläutert wird.
In bestimmten Fällen ist es möglich, dass eine
ausreichende Research-Coverage nur dann gelingt,
wenn Emittenten die Bereitstellung von Analysen Auswahl des richtigen Dienstleisters
selbst in Auftrag geben. Dieses emittentenbezahlte
Research ist bereits jetzt bei vielen kleineren bör- Zahlt der Emittent das Research künftig selbst,
sennotierten Unternehmen üblich. Generell steht muss er darauf achten, die hierfür benötigten
das Auftrags-Research heutzutage häufig in dem finanziellen Mittel effizient einzusetzen: Neben
Ruf, nicht ausreichend objektiv zu sein. Es ist der Frage, welche Dienstleister adäquates Finanz-
jedoch davon auszugehen, dass sich das Thema Research anbieten, sollten folgende Aspekte bei
„bezahltes Research“ aufgrund der veränderten der Research-Beauftragung beachtet werden.
rechtlichen Situation weiterentwickeln wird.
Mögliche Bezugsquellen sind Investmentbanken,
Bereits heute werden (z.B. bei der Emission von Designated Sponsors, unabhängige Analysehäuser
Unternehmensanleihen) Ratingleistungen von oder der Handelsplatzbetreiber, unter bestimmten
Emittenten beauftragt und vergütet, ohne dass Umständen auch ein Broker. Unternehmen, die Re-
deren Qualität oder Bedeutung von Investoren search-Dienstleistungen zukaufen, sind gut beraten,
in Frage gestellt würde. Dies kann sich auch bei eine Coverage durch den Research-Dienstleister an-
der Bereitstellung von Analysen im Aktienbereich zustreben und nicht nur eine Unternehmensbewer-
entwickeln. tung einzukaufen.

Wer als Research-Dienstleister langfristig am Dabei gibt es Research heute schon in vielen ver-
Markt bestehen möchte und dementsprechend schiedenen Darreichungsformen. Einige Investoren
die eigene Reputation als seriöser Anbieter von halten beispielsweise eine Entkopplung von Inhalt
Analysen festigen will, sollte daran interessiert und Kaufempfehlung in Research-Paketen für
sein, objektives Research zur Verfügung zu stellen, sinnvoll. Insbesondere Basisbeschreibungen des
das frei von Interessenkonflikten ist. Unternehmens, seines Geschäftsmodells, der
Kennzahlen sowie ggf. von Szenarien und Kurszie-
In Bezug auf Corporate Access ist zu befürchten, len könnten Akzeptanz bei den Investoren finden.
dass die durch Broker vermittelte Investorenbetreu-
ung gerade für Mid und Small Caps weiter sinken Es ist davon auszugehen, dass sich durch MiFID II
wird. Auch werden nicht alle Research-Dienstleis- und die damit einhergehende Kosten- und Nutzen-
ter bezahltes Research für Emittenten anbieten. Sensibilisierung der Käufer (d.h. der Investoren)
Eine Alternative ist deshalb der direkte Investoren- für Research noch weitere Spielarten und Formen
kontakt: Emittenten sprechen (potenzielle) Investo- am Markt etablieren werden. Die Deutschen Grund-
ren direkt an, um diese von den Vorteilen des eige- sätze für Finanzresearch (DGFR) bieten hierzu
nen Geschäftsmodells zu überzeugen. einen guten Überblick. Sie bilden den herkömm-
MiFID II und die Verfügbarkeit von Research 13

lichen Umfang von Research-Dienstleistungen ab  Über welche einschlägigen Kontakte zu Anleger-


und spezifizieren Qualitätsmerkmale. Die DGFR gruppen verfügt der Dienstleister bzw. der Ana-
werden im Zuge von MiFID II aktualisiert und um lyst? Kann der Dienstleister für das beauftragende
Varianten von Research ergänzt, die am Markt zu- Unternehmen potenzielle Anleger ansprechen
nehmend eine größere Rolle spielen, wie die Be- bzw. akquirieren? Wer sind die zehn größten Ab-
reitstellung von Daten oder reduzierte Formen von nehmer des Research des Dienstleisters? Verfügt
Unternehmensanalysen (z.B. die Research Reports der Dienstleister über Kundenkontakte (Abneh-
im Freiverkehrssegment Scale der Frankfurter Wert- mer) in unterschiedlichen Zielgruppen wie insti-
papierbörse). tutionellen Anlegern, Family Offices und Vermö-
gensverwaltern? Oder ist die Klientel des Dienst-
Unabhängig davon sollten sich Unternehmen vor leisters beschränkt auf einige wenige Zielgruppen?
der Beauftragung selbst bezahlter Analysen fol-  Ist der Dienstleister bei Brokern gelistet, die sein

gende Fragen hinsichtlich der Qualität und des Research im Rahmen eines Commission Sharing
Services des Dienstleisters stellen: Agreement zukaufen und abrechnen können?
 Kann der Dienstleister bzw. der Finanzanalyst

 Über welche Qualifikation und Erfahrung (z.B. das Unternehmen gegenüber Presse, Telemedien
in Jahren Berufstätigkeit) verfügen die Finanz- oder Anlegermedien vertreten, z. B. mit Kurz-
analysten bzw. der die entsprechende Branche Statements oder Interviews?
beobachtende Finanzanalyst?  Kann der Dienstleister bzw. der Finanzanalyst die

 Welche Wettbewerber des beauftragenden Unter- Eckdaten des Unternehmens und der Finanzana-
nehmens beobachtet der Research-Dienstleister lyse in gängige Medien wie Bloomberg, Thomson
aktiv bzw. welche Unternehmen hat der Analyst Reuters einspeisen bzw. dem Unternehmen die
in den vergangenen Jahren gecovert? Eckdaten in elektronisch lesbaren Formaten zur
Verfügung stellen?

Voraussichtliche Auswirkungen auf unterschiedliche Unternehmensgrößen

Large Caps Mid Caps Small Caps


Analysen
Pre MiFID II > 20 Analysten; indirekt vergütet > 10 Analysten; indirekt vergütet < 10 Analysten; indirekt vergütet
aus Dealing Commission aus Dealing Commission aus Dealing Commission
Post MiFID II < 15 Analysten; bezahlt von Buy < 5 Analysten; bezahlt von Buy Voraussichtlich – wenn überhaupt –
Side (teilweise auf eigene Gewinn- Side (teilweise auf eigene GuV, sehr geringe Sell Side-Coverage
u. Verlustrechnung (GuV), teilweise teilweise Weiterbelastung an
Weiterbelastung an Endkunden) Endkunden)
Corporate Access
Pre MiFID II Sehr viele Roadshows und One-on- Viele Roadshows und One-on-Ones Wenige Roadshows und One-on-
Ones (von Brokern vermittelt); (von Brokern vermittelt); indirekt Ones (von Brokern vermittelt);
indirekt vergütet aus Dealing vergütet aus Dealing Commission indirekt vergütet aus Dealing
Commission Commission
Post MiFID II Viele Roadshows und One-on-Ones, Wenige Roadshows und One-on- Keine Sell Side-Roadshows und
bezahlt von Buy Side (teilweise auf Ones, bezahlt von Buy Side One-on-Ones
eigene GuV, teilweise (teilweise auf eigene GuV, teilweise
Weiterbelastung an Endkunden) Weiterbelastung an Endkunden)
Quelle: DIRK (2017)
14 MiFID II und die Verfügbarkeit von Research

Zu ist beachten schließlich auch, dass einige Ziel- Der DIRK – Deutscher Investor Relations Verband
gruppen wie große Vermögensverwalter und geht von teilweise unter 15 je Unternehmen aus.
Fondsgesellschaften nicht unbedingt eine Analyse Diese Anzahl ist aber immer noch ausreichend,
zu einem Unternehmen fordern, da sie über Da- um detaillierte und aussagefähige Bewertungen
tenbanken verfügen, die Eckdaten von Emittenten dieser Unternehmen zu ermöglichen. Zudem ist
abbilden. Dies bringt zwei Konsequenzen für Emit- zu erwarten, dass die Investoren aufgrund der
tenten mit sich: reduzierten Bereitstellung von Research durch die
Broker ihre eigenen Research-Aktivitäten weiter
Allein ein Research-Bericht (z. B. als PDF) reicht ausbauen werden. Des Weiteren kann angenom-
möglicherweise bei großen Vermögensverwaltern men werden, dass durch den künftigen Verkauf
und Fondsgesellschaften nicht aus. Hier sollte von Research der Wettbewerb unter den Brokern
der Emittent als Auftraggeber von Research darauf steigen wird. Investoren werden nur noch selektiv
achten, dass die Daten der Analyse auch vom und für „gutes“ Research bezahlen. Daher ist da-
Finanzanalysten in die einschlägigen Datenbanken von auszugehen, dass sich die Qualität der Ana-
eingestellt werden. lysen verbessern wird („less is more“).

Corporate Access wird in diesem Fall noch bedeu- Im Ergebnis ist ein Bedarf an weiterem Research
tender, denn Teil des Investmentprozesses bei zu Large Caps nicht zu erwarten. Veränderungen
großen Vermögensverwaltern und Fondsgesell- in der Investor Relations-Arbeit dieser Unterneh-
schaften ist das persönliche Gespräch mit dem men werden wahrscheinlich nicht erforderlich sein.
Vorstand des Emittenten. Falls Corporate Access
nicht Bestandteil der Dienstleistung ist, die der Corporate Access
Emittent zukauft, sollte es von entsprechenden Ähnlich sieht es beim Corporate Access in Form
Dienstleistern erworben werden oder durch die von Roadshows und Gesprächen zwischen Inves-
Teilnahme an unabhängigen Investorenkonferen- toren und wichtigen Entscheidungsträgern der
zen wie dem Deutschen Eigenkapitalforum, orga- Emittenten („One-on-Ones“) aus. Es ist zu erwar-
nisiert von Deutscher Börse und KfW, oder der ten, dass die Nachfrage nach dieser Dienstleistung
Frühjahrskonferenz der DVFA sichergestellt werden. seitens der Investoren – wenngleich in abnehmen-
den Maße – weiterhin ausreichend groß sein wird
und von ihnen (direkt) vergütet wird. Denkbar ist
Auswirkungen auf Emittenten zudem, dass sich im Zuge der Umsetzung der
unterschiedlicher Größenklassen neuen Regeln zum Research die Zahl der direkten
Kontakte zwischen Investoren und Emittenten
Large Caps noch erhöhen wird. Bereits jetzt sind zunehmend
Analysen sog. Reversed Roadshows zu beobachten, im Rah-
Unternehmen mit hohem (Börsen-)Umsatz und men derer die Investoren die für sie interessanten
Marktwert werden heute von einer sehr großen Unternehmen besuchen.
Zahl von (Sell Side-)Analysten beobachtet. DAX®-
Unternehmen werden derzeit in der Regel von Auch im Bereich „Corporate Access“ ist eine Erhö-
20 bis 40 Analysten gecovert.7) Mit der Anwen- hung des Drucks auf Investor Relations-Abteilun-
dung von MiFID II ab Anfang 2018 ist davon aus- gen von großen Unternehmen nicht zu erwarten.
zugehen, dass die Zahl der von den Brokern zur
Verfügung gestellten Analysen deutlich sinken wird.

7) DIRK (Hrsg). (2017a)


MiFID II und die Verfügbarkeit von Research 15

Mid Caps Corporate Access


Analysen Ebenso ist davon auszugehen, dass die Bereit-
Mid Caps werden bereits heute von spürbar weni- schaft der Banken, Corporate Access-Dienst-
ger Analysten beobachtet als Large Caps (ab ca. leistungen anzubieten, mit abnehmender Unter-
zehn Analysten8)). Nach Einführung der neuen nehmensgröße teilweise weiter sinken wird.
Regeln werden die Investoren voraussichtlich noch Eine denkbare Handlungsalternative für Emitten-
deutlich selektiver im Hinblick auf den Bezug von ten mittlerer Größe ist daher, mit Brokern darüber
bislang kostenfreiem Research vorgehen. Dement- zu verhandeln, ob sie ihre Dienste gegen Zahlung
sprechend schätzt der DIRK, dass die Anzahl der einer angemessenen Vergütung weiterhin
Analysten im Regelfall auf unter fünf sinken wird. erbringen.

Eine Antwort auf diese Entwicklung kann darin Eine Alternative zur Vermittlung durch den Inter-
liegen, die Coverage des Unternehmens durch die mediär ist für die Investor Relations-Abteilung
Beauftragung von selbst bezahlten Research zu eines Unternehmens der direkte Investorenkontakt
steigern. Dabei sollten Unternehmen sorgsam ab- über die Inhouse-Organisation von Roadshows.
wägen, ob und wenn ja, von wem sie derartigen Der damit verbundene personelle und finanzielle
Research beziehen sollten (siehe den Abschnitt Mehraufwand wird dabei durch eine zielgenauere
„Auswahl des richtigen Dienstleisters“). Ansprache von (potenziellen) Investoren ausgegli-
chen. Im optimalen Fall führt dies sogar zu einer
Neben den Fragen zum Inhalt des Research ist höheren Effizienz der Roadshows.9)
auch die Distribution des Research zu beachten:
Research ist immer nur so gut, wie es aktiv vertrie- In jedem Fall werden Unternehmen mittlerer Größe
ben werden kann. Ein vom Emittenten bezahltes nicht umhinkommen, ihre IR-Aktivitäten weiter
Research fällt nicht unter die Zuwendungsthematik auszubauen und besonders solche Leistungen, die
von MiFID II und kann grundsätzlich unentgeltlich bislang von Brokern kostenlos erbracht wurden,
an Investoren verteilt werden (siehe hierzu den selbst zu erbringen. Sie sollten überlegen, ihr
Abschnitt „Kostenfreie Analysen“). Das hat den Investor Targeting intern auszubauen oder sich
Vorteil, dass alle Investoren auf das Informations- vermehrt Dritter zu bedienen. Dabei können sie
material zugreifen können, ohne mit dem Emitten- ihre „härteste“ Währung, nämlich die verfügbare
ten eine Kundenbeziehung gemäß MiFID II haben „C-Level-Zeit“ (d.h. die Verfügbarkeit von CEO und
zu müssen. Die Herausforderung für Emittenten CFO), als Verhandlungsmasse einsetzen.
besteht darin, eine möglichst hohe Reichweite bei
der Verteilung zu erzielen. Daher ist es wichtig, Small Caps10)
bei der Wahl des Dienstleisters darauf zu achten, Am stärksten von den Änderungen durch MiFID II
dass dieser über ein ausreichendes Netzwerk und werden kleinere börsennotierte Unternehmen be-
freien Zugang zu Investoren verfügt, zu denen er troffen sein, wobei „klein“ hier in einem weiten
eine Kundenbeziehung aufweist. Die bislang von Sinne zu verstehen ist. Wurden diese Unterneh-
Brokern erbrachte Leistung – viele institutionelle men bereits in der Vergangenheit nur sehr spärlich
Investoren über das Ausweiten ihres Angebots an von Brokern abgedeckt, so ist zu befürchten, dass
Ausführ-Services zu erreichen – dürfte nicht ein- diese Coverage künftig mangels Investoreninteresse
fach zu ersetzen sein. gänzlich ausfallen kann.

8) DIRK (Hrsg). (2017a) 10) Die Angaben in diesem Abschnitt können auch für Mid
9) Vgl. Bommer, Hoffmann (2014) Caps Gültigkeit haben.
16 MiFID II und die Verfügbarkeit von Research

Analysen Neben diesen klassischen Kanälen positioniert


Kleine Unternehmen werden nicht umhinkommen, sich seit einiger Zeit eine Reihe von Anbietern neu-
Research selbst zu bezahlen – wenn sie das nicht artiger Dienstleistungen. Dazu gehören Online-
bereits tun. Die Frage, wen (nicht: ob) sie beauf- Plattformen, die Investoren und Emittenten ohne
tragen, wird im Mittelpunkt der Überlegungen Zwischenschaltung von Brokern zusammenbrin-
stehen (müssen), da diese Unternehmen sonst gen. Zudem wird sich voraussichtlich das Angebot
Gefahr laufen, von Investoren nicht mehr wahrge- speziell auf Small Caps zugeschnittener Konferen-
nommen zu werden. Siehe hierzu den Abschnitt zen ausweiten.
„Auswahl des richtigen Dienstleisters“.
Darüber hinaus sollten kleinere Emittenten ihre
Corporate Access IR-Aktivitäten in den maßgeblichen Bereichen wie
Wie für die Analysen gilt auch im Bereich Corpo- Investor Identification, Investor Targeting, Road-
rate Access für kleine Unternehmen, dass mit show-Organisation u. a. verstärken – ggf. auch
einer sehr geringen Nachfrage seitens der Investo- unter Zuhilfenahme Dritter. Die Zahl der Anbieter,
ren zu rechnen ist. Gerade hier müssen Emittenten von klassischen IR-Agenturen bis hin zu spezia-
selbst aktiv werden und direkt Investoren anspre- lisierten Dienstleistern, wächst stetig.
chen. Übliche Kanäle zur Verbreitung des
Research sind: Letztlich gilt festzuhalten: Die Suche nach geeigne-
ten Investoren setzt neben einer guten Marktkennt-
 Etablierte Anbieter zur Verbreitung von nis und verlässlichen Kontakten auch laufende,
Corporate News nicht unerhebliche personelle und finanzielle Res-
 Versenden von Zusammenfassungen an die sourcen voraus. Entsprechendes trifft auch auf die
Presseverteiler der Unternehmen logistische Organisation von Roadshows in Eigen-
 Einstellen von Zusammenfassungen auf der regie zu. Diese müssen die Unternehmen bereit-
eigenen Website stellen, wollen sie im neuen Marktumfeld bei der
 Nutzung aller anderen Investorenverteiler Investorenansprache erfolgreich sein.
MiFID II und die Verfügbarkeit von Research 17

Fazit

Die Funktion von Research besteht darin, die schiedliche Medien zum Anleger transportiert wer-
Visibilität des Unternehmens als Investment bei den. Auch muss er Anlegergruppen aktiv auf die
unterschiedlichen Zielgruppen – z. B. institutionellen Analysen aufmerksam machen. Außerdem haben
Investoren, Privatanlegern, Family Offices oder Ver- Unternehmen häufig noch weiter führende Infor-
mögensverwaltern – zu sichern bzw. zu erhöhen. mationen bereitzustellen, z.B. zu ihrem Geschäfts-
modell, ihren Alleinstellungsmerkmalen im Ver-
Die Regelungen von MiFID II werden Auswirkun- gleich zu Wettbewerbern oder anderen maßgeb-
gen auf die Bereitstellung von Research-Dienst- lichen Einflussfaktoren.
leistungen haben. Vielen Marktteilnehmern ist
möglicherweise nicht bewusst, dass neben der Insgesamt ist festzuhalten, dass die Auswirkungen
Bereitstellung von Analysen auch Corporate Access von MiFID II auf die Emittenten von der Größen-
von den neuen Regeln betroffen ist. Bislang haben klasse abhängen. Für große Unternehmen (Large
Broker hier eine wichtige Rolle als Vermittler zwi- Caps) wird sich nicht sehr viel ändern. Für Mid
schen Emittenten und Investoren gespielt, weil und Small Caps ist jedoch damit zu rechnen, dass
sie im Rahmen des Brokerage kostenlos Corporate die „Relations“-Arbeit, also der Aufbau persön-
Access zur Verfügung gestellt haben. Künftig fällt licher Beziehungen und deren Pflege, für IR-Mana-
dieser allerdings in bestimmten Fällen unter die ger in Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen
MiFID-Regeln und ist für Investoren kostenpflichtig. wird. Sie stehen künftig vor der Herausforderung,
im Hinblick auf die erforderliche Qualität und ihre
Für den Emittenten ergibt sich hieraus, dass er Ressourcen abzuwägen und zu entscheiden,
künftig nicht nur sicherstellen muss, dass die Ana- welche Research-Dienstleistungen sie Investoren
lyse erfolgt, sondern auch der Corporate Access selbst (mit internen Ressourcen) anbieten, welche
gewährleistet ist. Darüber hinaus muss der Emit- sie von externen Dienstleistern erbringen lassen
tent dafür sorgen, dass die Analysen über unter- und bei wem sie ggf. eigens bezahltes Research
zukaufen.
18 MiFID II und die Verfügbarkeit von Research

Literaturverzeichnis

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Herausgeber
Deutsche Börse AG
60485 Frankfurt am Main

Dezember 2017
Bestellnummer 9100-4757

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Haftungsausschluss
Das vorliegende Papier soll eine unverbindlich Ein-
schätzung seitens des Herausgebers und seiner Mit-
autoren zu den möglichen Implikationen aus MiFID II
auf die Verfügbarkeit von Research zu börsennotierten
Gesellschaften geben. Die enthaltenen Einschätzungen
und Anregungen sowie der diesen zugrunde liegende
Sachverhalt können sich im Laufe der Einführung und
Implementierung von MiFID II ändern. Der Herausge-
ber und seine Mitautoren übernehmen keine Gewähr
für die Richtigkeit und Vollständigkeit der wiedergege-
benen Informationen.

Das vorliegende Papier ist nicht dazu geeignet, als


unmittelbare Grundlage für Strategieentscheidungen
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