Der Weg auf die Bühne
Joana Pekari, Stefan Man
Ein bisschen Schminke und Verkleidung und
schon ist die Oper vorführbereit. Nein, ganz
im Gegenteil… Damit eine Aufführung statt-
finden kann, braucht es enorm viel Engage-
ment von verschiedenen Personen und Berei-
chen. Doch was genau braucht es alles, damit
eine Oper aufgeführt werden kann? Und was
muss eine Opernsängerin auf sich nehmen?
Mit Brigitte Gautschi, die Führungen im Opern-
haus Zürich macht, haben wir über die verschie-
denen Personen und Bereiche gesprochen, die
es braucht, damit eine Oper aufgeführt werden
kann.
Wir führten zudem noch ein Interview mit der
Opernsängerin Marion Ammann, einer ehema-
ligen Schülerin der EMS Schiers, um Einsicht
in das Leben als Künstlerin zu erhalten und zu
erfahren, was alles von ihr gefordert wird.
Eine Vorstellung braucht Teamarbeit
Um eine Aufführung auf die Beine zu stellen
braucht es viele Personen, einer davon ist der
Regisseur*. Er inszeniert und setzt seine Ideen
durch die Darsteller um. Er ist der Hauptverant-
wortliche der Oper. Dann gibt es neben den
Bild 1: Backstage. Blick in Publikumsraum
Sängern Bühnenbildner, Kostüm- Designer und
Lichtdesigner, die entweder vom Opernhaus
selbst angestellt sind oder von ausserhalb kom-
men. Ebenfalls gibt es verschiedene Werkstätte,
die die Entwürfe der Bühnenbildner und Kos-
tümbildner umsetzen. Im Opernhaus Zürich
sind das z.B. eine Schlosserei, Schneiderei,
Schreinerei und Bühnenmalerei.
Der Lichtbereich wird wahrscheinlich am meis-
ten unterschätzt, laut Brigitte Gautschi, da man
so viel herausholen kann, jedoch nie so viel
Aufmerksamkeit bei einer Inszenierung be-
kommt wie zum Beispiel der Regisseur oder der
Bühnenbildner.
Die ganze Inszenierung ist eine Teamarbeit.
Das Orchester und die Sänger fangen mit dem
Regisseur etwa sechs Wochen vor der Premiere
an zu proben. Während die Bühnenbildner,
Kostümbildner und die vielen Werkstätten,
schon ein halbes Jahr, wenn nicht sogar ein gan-
zes Jahr davor mit Vorbereitungen beginnen.
Aus der Sicht einer Opernsängerin
Wir haben uns in die Schritte einer Sängerin
vom Auftrag bis zur Aufführung vertieft. Ma-
rion Ammann erzählt uns aus ihrem Künstlerle-
ben und ihren Erfahrungen.
Bei Opernsängern kommt der Auftrag einer
Rolle zwei Jahre vor der Premiere. Danach be-
reitet sie ihre Partie vor, indem sie Aufnahmen
hört und mit einem Pianisten übt. Ebenfalls ana-
lysiert sie die Rollen und deren Verhalten und
achtet auf die Bewegungen von anderen Dar-
stellern in Filmen. Dazu gehört auch das Aus-
wendiglernen. Für Ammann ist dies eine Sache
von einem Jahr. Ihr fällt es nämlich nicht so
leicht und sie kann es in der letzten Aufführung
immer noch nicht auswendig. Deshalb benötigt
sie einen Maestro Suggeritore, der sie bei den
Passagen unterstützt. Ihrer Meinung nach, kön-
nen die jungen Sänger viel schneller auswendig
lernen und brauchen somit nur 2 Monate und
das nerve sie kolossal, sagt sie humorvoll.
Maestro Suggeritore
Der Maestro Suggeritore ist etwas Ähnliches wie
ein Souffleur, nur, dass er auch noch musikalisch
beteiligt ist und nicht nur den Text sagt. Er ist eine
Person, die während einer Oper den Sängern bei
Unsicherheiten weiterhilft. Das heisst, er sitzt vor
der Bühne unter einer Klappe und hat die ganze
Partitur vor sich. Im Falle eines Aussetzers des
Sängers dirigiert er mit und sagt die Wörter so,
dass es nur der Sänger hört und nicht das ganze
Publikum. Er besitzt meistens gute Fremdsprach-
kenntnisse und kann Partituren lesen. Im Theater
übernimmt dies der Souffleur.
Die szenischen Proben beginnen etwa fünf Wo-
chen vor der Premiere. Diese finden auf Probe-
bühnen statt. Im Opernhaus Zürich zum Bei-
spiel, gibt es eine im Haus und eine im Toni-
Areal.
Dies hängt von der Kapazität des Opernhauses
ab. Die Probepläne sind sehr unberechenbar.
Man muss an diesen Tagen grundsätzlich alle
Termine blockieren, auch wenn man nicht die
ganze Zeit am Proben ist. Manchmal reist Ma-
rion Ammann am Montag an und probt eine
Stunde. Danach erfährt sie am Nachmittag, dass
sie die nächste Probe erst in einer Woche hat.
Da muss man das Hotel stornieren und nach
Hause reisen. Falls sie für den Dienstagnach-
mittag zum Singen gebucht wird, kann sie erst
am Montagnachmittag zusagen. Deshalb ist es
sehr schwer, ihr Privatleben neben den Proben
zu balancieren.
Die verschiedenen Proben
Die szenischen Proben bestehen daraus, dass sie
ihre Arie vorsingt und gleichzeitig die Anwei-
sungen des Regisseurs ausführt, wie z.B. zwei
Schritte nach links machen, auf einen Baum
klettern usw. In der letzten Woche stehen dann
die finalen Proben an. Zuerst kommen die Or-
chesterproben, die auch Italienne oder Sitzpro-
ben genannt werden. Danach folgen die BO
(Bühnen Orchesterproben) bei denen üblicher-
weise der Dirigent die Führung hat und die An-
weisungen gibt. Später kommen die KHP, wel-
ches für Klavier Hauptproben steht. Der Regis-
seur leitet diese Proben und schaut vor allem auf
die Kostüme und Requisiten, ob diese passen o-
der nicht. Auch farblich, da man auf der Probe-
bühne kein Licht hat. Die letzten Proben sind
die OHP (Orchester Hauptproben) und die Ge-
neralproben, bei denen es eigentlich wie bei der
Premiere sein sollte.
Sitzprobe, Italienne
Die Sitzprobe, auch Italienne genannt, heisst so,
weil dort die Opernsänger, wie die Orchestermu-
siker, auf Stühlen sitzen, ihre Noten vor sich ha-
ben und so das erste Mal mit dem Orchester pro-
ben. Sie ist sehr wichtig, weil es das erste Aufei-
nandertreffen von Sänger und Orchester ist.
Diese Proben werden vom Dirigenten geleitet
und nicht vom Regisseur.
Schein ist nicht gleich Sein
Ammann erzählt, dass es ihrer Meinung nach,
viele dunkle Seiten in der Schauspielbranche
gibt. Sängerin sein ist wie ein Spitzensportler zu
sein.
Sie ist der Meinung, dass Opernsängerin der Be-
ruf der grössten Lüge sei. Man dürfe nie sagen
was man denkt, sondern sollte immer ein «smi-
ling face» aufsetzen. Dazu noch pünktlich,
freundlich und fröhlich sein, dem Regisseur die
Türe öffnen und ihm direkt noch einen Kaffee
in die Hand drücken.
Bild 2: Marion Ammann inszeniert ihre Figur voller
Emotionen.
Sie kritisiert auch, dass in diesem Business ma-
fiöse Strukturen gelten würden. Dass Agenturen
Deals machen würden, bei Künstler, die fair
vorgehen, keine Chancen haben. Ebenfalls wür-
den sich viele Sängerinnen nach oben schlafen.
Jedoch ist durch die «me too»-Bewegung etwas
verändert worden, trotzdem ist es bei den
Opernsängern kaum besser geworden. «Es
würde sich nichts ändern, da kein Mensch daran
glauben würde», meint Ammann auf unsere
Frage, ob sich etwas ändern würde, wenn man
diese dunkle Seite an die Öffentlichkeit bringen
würde. Deshalb empfiehlt sie auch nicht Opern-
sängerin zu werden, da das was wir sehen nicht
das ist, was sie erleben. Trotzdem ist das Singen
ihr Traumberuf. Damit Geld verdienen und her-
umreisen ist toll, aber alles was mitkommt wäre
schwierig. Sie habe viele Kollegen, die aus sol-
chen Gründen aufgehört haben und deshalb
würde Sie es auch niemanden empfehlen, ausser
man wäre absolut exhibitionistisch veranlagt.
*alle Berufsbezeichnungen einfachheitshalber nur in männlicher
Form
Quellen- und Bildnachweise:
Information durch Interview mit:
Brigitte Gautschi (Opernhaus Zürich)
Marion Ammann (Opernsängerin)
Bild 1: Stefan Man
Bild 2: zVg durch Marion Ammann