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Installation »The Water« in den Zisternen von Frederiksberg

“The Water“ Installation in the Cisterns of Frederiksberg

Fotos:
S. 22—25, 26, 27: Jens Markus Lindhe;
S. 27 oben: Andreas Ordon

Mitten im Schlosspark von Frederiksberg in Dazu ließ er die alten Zuleitungen öffnen und
Kopenhagen führen zwei unscheinbare Trep- flutete die Räume. Auf überdachten Stegen
pen in die Unterwelt. Sie erschließen der Öf- aus japanischem Zypressen- und Zedernholz
fentlichkeit einen Ort, wie er in vielen Städten wandeln die Besucher knapp über den spie-
existiert, aber meist im Verborgenen bleibt: gelnden Wasserflächen. Gleich zu Beginn des
Die Zisternen von Frederiksberg wurden im Rundgangs führt sie ein Korridor durch die
18. Jahrhundert ursprünglich als offenes Was- Dunkelheit. Am Ende des 80 m langen Gangs
serbecken für das Schloss angelegt und vor schimmert ein heller Lichtfleck auf, der lang-
rund 150 Jahren in ­den Untergrund verlegt, sam größer wird (C). Es ist Tageslicht, das
um nach der Demokratisierung auch die Be- Sambuichi geschickt mithilfe mehrerer Spie-
völkerung mit Trinkwasser zu versorgen und gel durch zwei Lüftungsöffnungen in die hin-
vor Seuchen zu schützen. In den 1980er-Jah- terste der drei Hallen lenkt. Durch die Spiegel,
ren wurden sie schließlich trockengelegt. das Licht und das Wasser entstehen einerseits
Seit 1996 sind sie Kopenhagens ungewöhn- Sichtbeziehungen, die den Raum für den Besu-
lichster Ausstellungsraum bestehend aus drei cher zunehmend wahrnehmbarer machen (D).
großen Sälen fast ohne Tageslicht, durchzo-
gen von langen Reihen mächtiger Pfeiler und
Ziegelbögen. Die Temperatur liegt hier ganz-
jährig um die 9 °C, die Luftfeuchtigkeit beträgt
A 100 % und der CO2-Gehalt der Luft ist fünf- bis
zehnmal höher als im Freien.
Architekten / Architects:
Sambuichi Architects,
Für traditionelle Kunstausstellungen sind die-
Hiroshima se Bedingungen eine Herausforderung. Für
Hiroshi Sambuichi Hiroshi Sambuichi waren sie der perfekte Aus-
Alex Hummel Lee (Partner)
Standort / Location:
gangspunkt, um seine künstlerische Vision zu
Cisternerne, Søndermarken verwirklichen: »In meiner Arbeit als Architekt
2000 Frederiksberg, Kopen- versuche ich immer die Schönheit eines be-
hagen (DK), cisternerne.dk
stimmten Ortes hervorzuheben. Dafür unter-
suche ich die sich bewegenden Materialien ei-
A — G nes Ortes — das sind vor allem Sonne, Luft und
Die einzelnen Bildmotive
sind im Haupttext erläutert. Wasser.« Für dieses Studium der Naturphäno-
Die jeweiligen Standorte mene brauche man Zeit, sagt Sambuichi: Vier
des Fotografen sind in der Jahreszeiten der Beobachtung seien erforder-
Grundrisszeichnung auf der
folgenden Heftseite markiert. lich, bis man einen Ort wirklich verstanden hat.
Die enge Verbindung zwischen Naturphiloso-
A — G phie, Spiritualität und Ästhetik bewegt sich in
The subject of each individu-
al photo is explained in the einer jahrtausendealten japanischen Tradition.
main text. The photogra- In der traditionellen japanischen Kunst war nie
pher‘s respective locations die Schaffung künstlicher Welten das höchste
are marked in the floor plan
on the following page. Ideal, sondern die perfekte Ordnung natür­
licher Elemente und eine gesteigerte Natur-
wahrnehmung. Um sie zu erreichen, braucht
es mitunter nur wenige ästhetische Mittel.
­Einige davon hat Sambuichi aus der traditio-
nellen japanischen Landschaftsarchitektur
­entlehnt und in seine Installation integriert,
die sich mit den Jahreszeiten stets verändert.
Der Architekt entschloss sich, den unterirdi-
schen Ausstellungshallen zwei der Elemente
zurückzugeben, die dort lange ausgeschlos-
sen waren: Wasser und Tageslicht.

22 projects ∂inside 02/17


Andererseits experimentiert Sambuichi in
­dieser Halle auch mit den Eigenschaften des
Wassers: Je nach Intensität des Lichteinfalls
verdunstet es, steigt auf und verwandelt sich
an den kühleren Decken in feinen Sprühre-
gen, in dem sich wiederum das Sonnenlicht in
allen Regenbogenfarben bricht. Während der
Sommersonnenwende trifft das Licht auf ein
sonst unscheinbares Element: Per Boot kön-
nen Besucher einen Schrein ansteuern und
die Ausstellung aus der Wasserperspektive
­erleben. Zusammen mit einem Torbogen aus
Schilf, dem sogenannten chinowa, themati-
siert Sambuichi hier Motive und Rituale aus
der shintoistischen Religion (B).

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a 2 a
3
4 5

2 14 2 2 2
9
8
b b
13 12 8 8 2 2 7 8

10
2 2 11

aa

bb

1
2

a 2 a
3 C
4 5

2 14 2 2 2
9
8
b b
13 12 8 E 8 G 2 2 7 8

10 B
2 2 11 A

6
D
H 2

2
Omote Naka Oku
Vordere Halle / first hall Mittlere Halle / middle hall Hintere Halle / rear hall

24 projects ∂inside 02/17


In der mittleren der drei Kavernen bezieht sich
Sambuichi auf für ihn persönlich wichtige Orte
seiner Heimat. Eine hölzerne Bogen­brücke, 2
die von Lampions erhellt wird, überspannt das
Wasser. Sie ist von der Kintai-­Brücke im Süden
Japans inspiriert, die als ­eines der schönsten 15
Brückenbauwerke des ­Inselstaats gilt. Auch
die 40 m2 große, moos­bewachsene Insel ­(F, G) 16
hat ihre gedanklichen Wurzeln in seiner ja­
panischen Heimat an der Seto-Inlandsee mit E
­ihren Inselarchipelen. ­
Schnitte, Grundriss
Direkt über der Insel öffnet sich eine weitere
14 Maßstab 1:500
Tageslichtöffnung und schafft die Vorausset- Schnitt Camera Obscura
zung für das Moos, um wachsen zu können. Maßstab 1:100
Auch dieser Teil der Installation hat einen 2
 1 Eingang
­tieferen philosophischen Hintergedanken, 13  2 Spiegel (blau)
denn er verweist auf die lebenserhaltende  3 Steg
 4 Seitenverkleidung Netz
Sym­biose zwischen Menschen und Pflanzen.  5 Sprühregen
Ein G ­ laskubus thront auf der Mooslandschaft  6 Chinowa (Tor aus Schilf)
und macht mithilfe von CO2-Messgeräten den  7 Schrein
 8 Wasserzuleitung
Einfluss der Pflanzen auf das unterirdische  9 Moosinsel
­Klima ablesbar. In the middle of the park surrounding Fred- 10 Glaskubus
Im letzten der drei Säle, kurz vor dem Verlas- eriksberg Palace in Copenhagen, two unre- 11 Bogenbrücke
12 Veranstaltungsbühne
sen der Ausstellung, blicken die Besucher markable flights of steps lead into the under- 13 Wasserbecken
­gewissermaßen in die Vergangenheit. Vor world. They open up to the public a place that 14 Leinwand
­ihnen scheint ein Bild des Schlosses Frederiks- exists in many cities but that usually remains 15 Camera Obscura
16 Kameralinse
berg im Halbdunkel auf (siehe Seite 21). Eine concealed. The Cisterns of Frederiksberg
Camera Obscura (E) projiziert es mithilfe zwei- were built in the 18th century as an open wa- Sections, floor plan
er großer Umlenkspiegel in den Untergrund. ter reservoir for the palace. After the democra- scale 1:500
Section camera obscura
Es gehe ihm darum, den Menschen die tisation about 150 years ago they were moved scale 1:100
Schön­heit der Orte, an denen sie leben, neu underground for the drinking water supply of 1 1
vor Augen zu führen, sagt Sambuichi. Diesem the population and to prevent pandemic dis-  1 3
Entrance 3
 2 Mirror (blue)
Prinzip folgt er nicht nur mit dieser sehr per- eases. In the 1980s they were finally drained.
2  3 Footbridge 2
sönlichen Rauminstallation, sondern mit all Since 1996 they have been Copenhagen's  4 Net side panel
seinen Gebäuden. AO/JS most unusual exhibition space and consist of  5 Rain mist
 6 Chinowa (arch of reeds)
three large halls that have almost no daylight  7 Shrine
14 and are filled with rows of heavy pillars and  8 Water supply line
elaborate brickwork arches. The4 temperature  9 Moss-covered island
10 Glass cube
here is around 9 °C all year round, while the 11 Arched bridge
13 humidity is 1007 % and the amount of CO2 in 12 Performance stage
11 the air is five to ten times higher5 than it is out 13 Water basin
14 Projection screen 2
12 in the open above ground. 6 10
8 8 15 Camera obscura
In a traditional art exhibition these conditions 16 Camera lens 9
would be a daunting challenge but, for Hiroshi
Sambuichi, they were the perfect starting
point for the realisation of his artistic vision.
“In my work as an architect I always try to bring
out the beauty of a specific place. That’s why
I spend a lot of time exploring the moving ma-
terials — above all the sun, the air and water.”
This study of natural phenomena needs time
says Sambuichi; four seasons of observation
are required until a place can really be under-
stood. With this close connection between
natural philosophy, spirituality and aesthetics,
Sambuichi is operating within a Japanese tra-
dition that is thousands of years old. In tradi-
tional Japanese art it wasn’t the creation of
­artificial worlds that were the highest ideal;
it was the perfect arrangement of natural ele-
ments and the aesthetically enhanced percep-
tion of nature. This can be achieved with very
few means. Sambuichi has borrowed some of
them from traditional Japanese landscape ar-
D chitecture and integrated them into his instal-

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1 1
3 3

2 2

14
4

7
13
11 5
2
12 6 10
8 8
9

26 projects ∂inside 02/17


lation; the latter changes constantly with the Schnitt
Maßstab 1:100
seasons. The architect decided to give back to
the exhibition halls two natural elements that  1 Tageslichtöffnung
they had long been deprived of: water and  2 Spiegel
 3 beweglicher Spiegel
daylight. To this end he opened the old sup-   4 Treppenaufgang
ply lines and flooded the rooms. Visitors stroll (Bestand)
on canopied footbridges made of Japanese  5 Moosinsel
  6 Unterkonstruktion
cypress and cedar wood above reflective bod- ­Moosinsel: Leinentuch
ies of water. Right at the beginning of the ex- auf Sandsäcken
perience the visitor is led down a darkened   7 Glaskubus
1380/1380 mm
corridor. At the end of the 80-meter-long cor-  8 CO2-Messgerät
ridor a bright spot of light flashes and slowly   9 Steg Douglasienholz
grows (C). With the help of several mirrors 28 mm
10 Pfosten Zedernholz
Sambuichi transmits daylight down through 90/90 mm
two ventilation openings in the rear of the 11 Handlauf Seil schwarz
three halls. As a result of the mirrors, light 12 Brüstung unten:
jap. Zypressenholz
and water, visual connections are created that 60/40 mm horizontal
make the room increasingly perceptible to jap. Zypressenholz
the visitor (D). On the other hand Sambuichi is 45/45 mm vertikal
13 Stütze Zedernholz
­also experimenting with the characteristics of 90/90 mm
G water in this hall: depending on the intensity 14 Dachaufbau:
of the ­incidence of light the water evaporates, Dachdeckung japani-
sches Zypressenholz
rises, and transforms into a fine mist on the 105/10 mm
cool ceilings; here the sunlight turns it into Sparren Zedernholz
all the colours of the rainbow. During the mid- 45/45 mm
Pfetten Zedernholz
summer the light reaches an otherwise unre- 90/90 mm
markable element: a shrine that visitors can
reach by boat and in the process experience section
scale 1:100
the e ­ xhibition from the perspective of the
­water. With this and the Arch of Reeds, the so-   1 daylight opening
called Chinowa, Sambuichi is exploring motifs   2 mirror
  3 moveable mirror
and rituals from the Shinto religion (B).   4 staircase (existing)
In the middle one of the three caverns Sam-   5 moss-covered island
buichi references places in his homeland that  6 moss island substruc-
ture: linen cloth on sand
are important to him personally. A wooden bags
arched bridge, lit up by lanterns, stretches  7 1380/1380 mm glass
across the water. It was inspired by the Kintai cube
 8 CO2 measuring instru-
Bridge, which is regarded as one of the most ment
beautiful bridge structures in the entire island  9 28 mm douglas fir
nation. The 40 m2 moss-covered island (F, G) ­timber footbridge
10 90/90 mm cedar wood
also has its conceptual roots in Sambuichi's posts
southern-Japanese homeland of island archi- 11 black rope handrail
pelagos on the Seto Inland Sea. 12 balustrade below
japanese cypress wood
­Directly above the island, there is a further 60/40mm horizontal
opening that lets in daylight from above, thus japanese cypress wood
allowing the moss to flourish and grow. This 45/45mm vertical
13 90/90 mm cedar wood
part of the installation also has a deeper philo- pillars
sophical significance as it points to the life- 14 roof structure:
sustaining symbiosis between human beings 105/10 mm japanese
­cypress wood roof clad-
and plants. A glass cube is perched on the ding
mossy landscape and uses CO2 measuring 45/45 mm cedar wood
­devices to demonstrate the influence of the rafters
90/90 mm cedar wood
plants on the subterranean climate. beams
In the last of the three halls, just before visitors
leave the exhibition, Sambuichi allows them
a hint of a glimpse into the past. An image of
Frederiksberg Palace appears in front of them
in the semi-darkness (see page 21). A camera
obscura (E) projects it into the underground
space with the help of two large mirrors and
a lens. The aim is to get people to see the
­beauty of the places where they live, says
Sambuichi. The architect hasn’t just followed
this principle in the case of this very personal
installation, he does so with all his buildings.

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