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S o kôn n en wir also d avo n au sgeh en , daB in


d er tachyonischen T elegesellsch aft eine P erson versch ieden e
T àtigk eiten an versch ieden en O rten gleichzeitig o d e r gleiche
T àtigk eiten an versch ieden en O rten zu versch ieden en Z eiten
m ach en kann , w as im elektronischen Sim u l-B ild h eu te schon
reprâsen tiert ist.

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ZUR TROPIK VON POLYCHROMIE c „ >
UNDPOLYTOPIË f
1 /.
M arey un d M u ybridge verw endeten bereits fotografisch e
A u fn ah m en , die m it m ehreren (p leo, p o ly ) K a m e ra s au s ver-
> schiedenen Blickw inkeln gleichzeitig gésch ossen wurden.
D ie se r m ultiple B lick d er «in stan tan eou s p h o tograp h y »
i (1 8 8 2 ) setzte sich in K u bism u s u n d Fu tu rism u s fort, die die
; au s M areys Sim ultan eitât entstehende Ü b erb len d u n g un d
; au s M uybridges Su k zessio n fo lgen d e M o n tag e zu reifen
- polytropischen Techniken der P leom orph ie (V ielgestalt), der
Polychrom ie (V ielfarbigkeit), Polychrom e (m ehrere Z eiten ),
; P olytop ie (m ehrere R à u m e ) entwickelten. Fotografisch e,
bildn erische u n d kin em atograph isch e T echniken w ie Ü b e r­
blen dun g, M on tage, C o llage, A sse m b la g e sind die ersten
| pleiotropisch en T echniken d er M ultiplikation d er O rte im d
| Z eiten . E s ü b erlag e m (!) sich R â u m e u n d Z eiten. D ie Syn-
| chronisation heterogener u n d p leom o rp h er E le m e n te betrifft
nicht nur die Sinne, die B ild e r u n d T ô n e , son dern auch R à -
| chen, R à u m e u n d Z eiten. D e r vielseitige B lick zerbricht
! sch on von A n fa n g an die R à c h e n u n d den R au m . A u s der
Synchronitàt u n d den polytropischen Techniken der
B esch leunigung, w elche ja die R au m - u n d Zeitverkürzun-
! gen, R au m - u n d Z eitü berlageru n gen darstellen, entstehen
versch ieden e F orm en der Schichtung u n d V ertikalitàt, von
d er vertikalen T o n -B ild M o n tag e E isen stein s bis zur fotogra-
fischen V ertikalitàt d es B licks. Su k zessio n u n d M on tage,
Sim ultan eitât un d Ü berblen d u n g, Synchronisation u n d V er­
tikalitàt (als E n tfesselu n g ) gehoren von A n fa n g an zur Tropik
der T echn o-Z eit, die eine P leotropik, P olytropik ist.
^B eschleunigte K ô rp er, beschleunigte Perspektive, beschleu-
*n ig te r BHck, beschleunigte B ild er sind d ie Station en dieses
polytropen D isk u rses in d er K unst. D ie in der F otografie,
M alerei u n d im Film vorh an den en A n sà tz e der Polytropik
des P leochronen un d P leo to p en w erden ab er erst in der digi-
talen K u n st zum B lü h en gebracht; die T o p o i d er B esch leu n i­
gung w erden dort zur E k sta se entfesselt. D ie beschleunigte
P erspektive wird zur losgesch leuderten P erspektive des
U nendlichen, au s d em die B ild er w irbeln. D e r beschleunigte

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B lick w ird zum orbitalen B lick, der d ie Skalieru n g entfesselt.
D ie Sim u ltan eitàt wird zur T eleprâsen z m ehrerer B ilder, zur
P leo-Ik o n o grap h ie, zur m ultiplen u n d sim ultanen S im u la­
tion von O bjekten, R àu m e n , Z eiten, B ild e m , d ie aufeinan-
dergeh âu ft u n d geschichtet w erden in einer D iachron isation,
d ie eigentlich eine ent-fesselte Synchronisation ist. D ie
Sim ultan eitàt zersplittert sich, die V erd o pp elu n g (d e s Seins
im B ild , d as D o u b le ) m ultipliziert sich, w ird zur Pleiokratie.
D ie stroboskop isch e, beschleunigte W ah m ehm ung d er K in e-
m atograp h ie, die eine unterbrechende W ah m eh m un g ist, au s
der d ie L eerstellen , von den Intervallen zu den interstellaren
L eerrâu m en , entspran gen , sch u f je n e n virtuellen R au m , der
ein unsichtbarer L e e r-R au m ist, in dem d as elektronische
B ild sein e P râsen z, seine H eim at, seinen O rt gefu n d en hat,
w enn auch in F o rm der sim ulierten T eleprâsen z. D ie se r
R au m , d er m it d em T ach yskop geôfÊnet w urde, h at sich zum
m athem atischen R a d a r-R a u m (-Sch irm ) entw ickelt u n d von
d a zum m athem atischen, digitalen R a u m d er algorithm i-
schen C o m p u terb ild er (-Sch irm ). B esch leu n igtes B ild
bed eu tet also nicht schneller Schnitt, W irbel von B ildern ,
so n d ern K ulm in ation je n e r zeit- u n d rau m raffen d en V erfah-
ren von d er Ü b e rb le n d u n g bis zur C o llage, d ie als A n sà tz e
von P leoch ron ie u n d -to p ie in den vorh ergeh en den M ed ien
sch on an gelegt w aren. A llein im elektronischen B ild h aben
sich d iese R au m v erm eh m n gen u n d Z eitverm ischungen,
d iese beliebigen O bjektverw andlun gen u n d freien M aB stabs-
v eràn deru n gen , d iese T ro pik von Sim ultan eitàt, Sim ulation,
Sim ilaritât, von Synchronie, Syn topie u n d Synâsth esie
extrem gesteigert u n d vollen det, in ihrem eigentlichen W esen
erst zur A n sch au u n g gebracht. D ie s w ar m ôglich aufgrun d
der avancierten T ech n ologie der m aschinellen B ild p ro d u k -
tion, die j a zum T eil ein N eben p rod u kt d er m aschinellen
B esch leu n igu n g ist, w ie sie vom R a d a r bis zu selbststeuern-
den G esch ü tzen im 2.W eltkrieg entw ickelt w urden. A n der
spezifisch en U n tersu ch u n g einer eingeschrânkten polytropi-
schen Strategie, nàm lich an d er E ntw icklung von d er Ü b e r ­
blen d u n g zur Ü b e rlag e ru n g (L ay erin g), ist d as gut h erausar-
beitbar. D ie Ü b e rb le n d u n g v o n zw ei B ild e m h at ja m it gan-
zen Flâch en gearbeitet. D e r m ultiple B lick p u n k t d es K ubis-

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m us hat schon fragm entarisch e u n d partielle Form en erzeugt.
S o ist d ie Id e e einer Ü b erb len d u n g m it nur partiellen F orm en
un d B ild fiàch en entstanden, sow ohl in d er M alerei (b e iP ica-
bias «T ra n sp a re n c e s») als auch in der F o to g rafîe u n d im Film .
B egren zte U berblen d u n gen von versch ieden en B ild e m au f
partiellen B ildfiàch en - Ü b erb len d u n gen d es G leich en zu
anderen Z eiten, d es A n d eren zu gleichen Z eiten etc. - führ-
ten zu K a p p - u n d A usschnitt- Techniken, schlieBlich zum
digitalen C h ppin g (K a p p e n ) u n d W indow ihg (Fen steraus-
schnittbildung). M it H ilfe des W indow ing k an n m an m ehrere
R au m - u n d Z eitschichten ü berein an der la g e m (layerin g).
E in e ràum üch e u n d zeitliche Schichtenbildung (âhnlich wie
bei in d a s Süizium kristall verlagerten integrierten Schaltkrei-
sen ) entsteht im B ild selbst, virtuell bis in d ie perspektivisch e
T ie ie d es U nendlichen.
In der fotografisch en C o llag e w erden die R aum -Schichtun-
gen m eist a u f drei besch rànkt als F o lg e d es m alerischen E rb e s
der klassischen R au m ein teilu n g von H intergrund, V order-
grund, M ittelgm n d. G em isch t m it falsch en Skalierungen
k an n es ab e r auch d a zu im aginàren R àu m e n kom m en , siehe
Fterbert B ay e rs F o to p lastik «K n o ch e n m it M e e r» (1 9 3 6 ), w o
v o r einer Ftolzw and, au f der K n o ch en liegen, extrem verklei-
n erte W olken schw eben u n d w o durch zwei L ô ch e r im Bret-
terzau n d as M e e r zu sehen ist, dort, w o die W olken sein müB-
ten. D ie fotografisch e C o llag e h at sich ohnehin gànzüch zur
elektronischen C o llage, zur bew egten C o llag e weiterentwik-
kelt. D a s L o c h in der H olzw an d b ei B a y e r ist m it der M asken-
technik d es F ilm s vergleichbar. In « A s y l» (1 9 7 5 ) betonierte
K u rt K ren die a u f eine L an d sch aft gerichtete K a m e ra fur
m ehrere W ochen ein. D a n n plazierte er erstm als einen K ar-
ton m it einem L o ch v or die K a m e ra u n d film te die herbstliche
L ân d sch aft kaderw eise, also extrem zeitkom prim iert. D an n
spu lte er den F ilm in der K a m e ra zurück, m ach te d as alte
L o c h in der M ask e zu u n d schnitt ein n eu es auf, durch d as er
w iederum einige Z e it die nun winterliche L a n d sch aft filmte.
D a n ach spu lte er den F ilm w ieder zurück, bed eck te d as alte
L o ch , schnitt ein n eu es L o ch , film te eine zeitlich verân derte
L a n d sch aft usw. D e r siebenm inütige F ilm kom prim iert m eh ­
rere M o n ate landschaftlicher V eràn derun gen in winzigen

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R au m segm en ten , zeigt gleichzeitig versch ieden e Z eitph asen
der L an d sch aft (Polychrom e). D e r n àch ste Schritt in der
Schichtungs- Strategie d es piktorialen R au m e s w ar die
M atrix. D ie M atrix ist eine geordnete Struktur von F en stem ,
B ildanssch nitten .
S ie k an n au s vier o d e r neun o d er m ehr F enstern bestehen.
E in e W and von T V -A p p ara te n , eine V ideo-W all, ist heute
d ie belieb teste V erw irklichung d er M atrix, die als âsthetische
O rgan isation sform im A van tgardefilm entw ickelt w urde.
Z b ign iew R ÿbczinski h at 1975 « D a s n eu e B u c h », einen per- !
fekten M atrix-F ilm gem acht, w o in n eu n F e ld e m , n eu n ver- f
sch ieden e S ch au p lâtze einer Stad t, synchrone u n d sim ultan é I
A k tiv itâten gezeigt w erden. In « T a n g o » (1 9 8 0 ) h at er einen
R a u m virtuell en d los m it im m er n eu hereintretenden P erso- ;
nen üb erlagert, w elche die alten nicht lôschten, so d aB sich der
R a u m zuerst überfüllte (in im m er w iederholenden A n sât-
zen ) u n d sich w ieder entleerte. D ie M atrix kan n also eine
Sérié, eine W iederh olun g der gleichen E lem en te sein o d er in
je d e m F e ld an d ere E le m e n te synchron o d e r asynchron zei-
gen. S ie kan n ab e r auch eine overall structure haben , w o d as
G a n z e selbst in die T eile des M atrix -R asters zerfâüt. E in e
W and v o n T V - A p p a r a te n ist die einfachste M atrix. In den
bspw . 20 M on itoren k an n 2 0 m al d asselb e B ild lau fen o d er
ein einziges B ild ist ü b e r die 2 0 M on itore fragm entarisiert
o d e r es lau fen 20 versch ieden e B ilder.
A u s den T afelb ild -F en stem von d e Chririco h at sich ü b er die
F o to g rafîe d ie M atrix-T ech nik des F ilm s entwickelt. E in Fil-
m em ach er w ie P eter R o s e h at in A rb eiten wie «S tu d ie s in d ia ­
chronie m o tio n » (1 9 7 5 ) o d er «A n a lo g ie s: Stu d ies in the
m ovem en t o f tim e » (1 9 7 7 ), d ie sich im T itel sch on a u f d as
fo to grafisch e u n d futuristische E r b e beziehen, die E n tfaltu n g
d es R a u m s in d er Z e it m odellh aft abgehandelt. E r errichtet
z .B . eine M atrix v o n 20 F e ld e m , w o rechts un ten ins erste
F e ld d a s B ild in sein er ersten B ew egu n gsp h ase projiziert
wird. D ie w eiteren B ew egu n gsp h asen erfolgen dann diago n al
o d e r sp iralen fôrm ig ü b er d ie restlichen F eld er d es B ild e s. D ie
F e ld e r d er M atrix sin d w ie viele B ild e r im B ild. D a s B ild (im
F e ld ) gérât in B ew egu n g durch seine B ew egu n g ü ber die
M atrix. W enn h eute im digitalen V id eo d ie B ild feld er herein-

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segeln, so ist d iese B esch lenn igun g der B ew egu n g eine F olge
davon. H ier h at sich erstm als deutlich gezeigt, w as in der
Ü berblen d u n g, im Ü b e r la g e m zweier R â u m e nur an gedeutet
wird, nàm lich daB der R a u m der K in em atograp h ie un d des
elektronischen B ild e s nicht iso to p u n d isochron ist, so n d e m
p o lyto p u n d polychron. D e r elektronische R a u m ist ein sp a ­
tial u n d tem p o ral vielschichtiger R au m , den n ach d er Ü b e r­
blen du n g d ie K ü n stler der M atrix im p ilm zu erforschen
began n en , in dem sie den Sp u ren der M alerei eines d e Chirico
u n d M agritte, der F o to g rafie eines E l Lissitzky, R od t-
schenko, M oholy-N agy, H erbert B a y e r etc. folgten.
D e n nâchsten Schritt gingen die M eister d es optical printing,
w elche den projizierten F ilm w ieder abfilm ten, ab er dabei
nicht nur den F ilm a u f einen schon lau fen d en F ilm projizier­
ten, so n d e m bei dieser P rojektion die M ôglichkeit ausnütz-
ten, d as B ild fo rm at d es projizierten F ilm s zu verkleinern, zu
v e râ n d e m u n d zu bew egen, versch iedene Filter v or den Pro-
je k to r zu halten u n d d ie P rojektionsgeschw indigkeit extrem
zu ste u e m (S k ip o d er S te p Printing).
P au l W inklers F ilm e w ie «S y d n ey H arb o u r B rid g e » (1 9 7 7 )
o d e r H en ry Je sio n k a s «R esu rrected F ie ld s» (1 9 8 4 ) dem on-
strieren durch ihre m axim ale A usn ützun g der E n e k te des
w iederholten optischen D rucken s, w ie sehr die optische
D ru ck b an k d as feh len d e G h e d zw ischen F ilm u n d digitalem
V id eo ist.
N ach D oppelbelich tun g, Ü berblen d u n g, Ü b e rlag e ran g ver-
w an delt sich der k in em atograph ische R au m durch M atrix,
«m attin g » u n d « m a sq u e » endgültig in einen vielschichtigen
u n d p leom o rp h en R au m , w ie er durch die bew egliche, belie-
b ig skah erbare W indow -Technik im digitalen V id eo trium p-
hiert, w o sich Schichten a u f Schichten lag e m .
S tein a V asu lk a hat in d em T ap e fu r die V ideo-Installation
« T h e W est» den M ulti-Schichtenraum d es digitalen V ideo
raffiniert m it der K eying-T echnik gem ischt, die eine W eiter-
entw icklung der W indow -Technik ist. Z u e rst h at sie durch
eine sich bew egen de K u g e l Hinter- u n d V ordergrund inei-
n an d er geblendet, dann hat sie (fast unsichtbar) in die offene
K u gelsch ale an dere L an d sch aften eingeblendet, an ders als
die natürlichen gegenüberliegenden. S ie h at dann auch in die

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realer Wahmehmungsraum malerischer Raum

H orizo n te d er L a n d sch aft elektronisch an dere H im m el so


eingekeyt, dafî die künstliche, elektronisch erzeugte L a n d ­
sch aft fa st natürlich erscheint. D a rü b e r h inaus h at sie die
R à u m e als elektronische Schichten überein an der geschoben ,
w ie es auch W oody V asu lk a in seiner V îd e o -O p er « T h e C o m ­
m issio n » (1 9 8 3 ) u n d in seinem O p u s «T h e A r t o f M em o ry »
(1 9 8 6 -8 7 ) in ü b erau s raffinierter un d exzessiver W eise tut.
D ie digitale W indow -Technik, w o je d e flàch ige R au m d arstel-
lung, w o je d e s R au m b ild beliebig bew egt, verform t,
sp h ârisch gedreht, gekrü m m t, rotiert, verkleinert u n d ver-
grôGert w erden kan n , ist d er vorlàu fige H ôh ep u n k t dieser
Entw icklung.
Ü berb len d u n g, Ü b erlag eru n g , Schichtung, d ie m it Techni-
ken d es A b sch n eid en s, d e s K a p p e n s u n d der A usschnittbil-
d u n g w ie K e y u n d M a sk e konvergieren u n d d a b e i die ràum li-
che u n d zeitliche E in h eit au ffàch em , zersplittern, gehoren
zur polychronen u n d p o lyto p en T ropik d es elektronischen
B ild es. A u ch d ie ed le K la sse d er D igitaltricks u n d -effekte

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wie R o tatio n , M osaik , Freeze, Skip B ew egun g, Texture M ap -
ping, S h a p e s (T ran sform ation in beliebige 3-dim ensionale
F orm en ), B ild perspektivisch quetschen, verschieben oder
kip p en , squ eeze o d er strecken, v erklein em , vergrôBern, K ey-
m ate, M ask-K ey, K ey-Loch , W ip e-E ffek te (W ischer in allen
F o rm en ) etc., etc., au s den neuen W underkam m ern und
cam erae o bscu rae A m p e x A D O , Q uantel E n co re, Paint B o x ,
Q uantel M irage, H arry, A b e k a s, Pixar, gehoren zur Polytro-
p ik d es Polychronischen u n d - topischen, w elche die
B esch leu n igu n g d es B ild e s ausm ach en . D ie B esch leunigung
entsteht nicht durch den schnellen Schnitt, denn d a s elektro-
n ische B ild h at eher d ie T endenz, Schnitt u n d M o n tag e zu
yerm eiden, so n d e m indem eben die genannte Polytropik des
P leom o rp h en , Polychronen u n d -topen entw ickelt wird. D e r
W ah m ehm ungsraum (R ealzeit, R ealrau m ) allein ist ja isoto-
p isch u n d -chronisch. D e r m ed iale R a u m u n d in sbeson dere
der digitale R a u m ist polym orph. D a s elektronische B ü d ist
d ah er p er se besch leun igtes B ild , weil es als P rod u kt von Tele-
Tachyonik, T ech n o-Z eit u n d Techno- R a u m zw angslàufig
polychronische Z e it u n d p olytopisch en R a u m kennt. D a wir
ab er w issen, daB d er T ech n o -R au m ein tem poralisierter
R a u m ist, w ird die Z e it zum hauptsâchlichen G estaltu n gsm o-
m ent. W ood y V asu lk a schrieb daher in « E in e Sy n tax binârer
B ild e r» (A fterim age, R och ester 1 9 7 8 ): « A u f d iese W eise
erhâlt die Z e it eine n eu e kom position elle B d eu tu n g, eine
m ak ro-ko m p ositio n elle B ed eu tu n g, w o die K on trolle über
die Sch affu n g eines B ild e s in kurzen u n d sehr kurzen Z eitràu-
m en au sgeü b t w erden kann. D ie se r U m stan d allein schon
m ach t es dringlich, je n e s «H a n d w e rk » zu definieren, in wel-
chem der Z eitb egriff dom in iert.«
In d em d er R a u m im beschleunigten elektronischen M edium
d as M om en t der Z e it gewinnt, erfolgen je d o ch einige R elati-
vierun gen u n d M obilisierun gen bisher kon stan ter G roBen.
D ie G rô B e d er D in ge selbst w urde relativ, nicht n u r in sgesam t
im K on text verkleiner- u n d vergrôBerbar, so n d e m auch
u n abh àn gig voneinander. D ie se relative u n d v om natürlichen
M aB u n abh ân gige G ro B e d er D in ge, d iese beliebige Skalie-
run g, m ach t auch d ie P ositionierung der O b jek te u n abh àn ­
gig, beliebig, frei flottierend, nicht nur im K on text, so n d e m

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auch lo sge lô st von einander. D ie O b jek te der W elt verw an-
deln sich im n eu en p ictoralen R a u m zu frei flottierenden Z ei-
chen von belieb iger P ro p ortio n un d Skalierun g, d.h. ihre
GrôJSe zu sich selbst u n d zuein an der wird relativ un d variabel.
D ie se relative, belieb ige P roportion ierun g un d Skalieru n g
k an n je d o c h nicht nur einzefne O b jek te erfassen , so n d e m
auch ihren K on text. Ich kan n also digital gan ze F eld er von
O b jek ten v erklein em o d e r v ergro B em o d er verschieben.
D ie se w erden dann zu bew eglichen B ild ern in bew egten B il-
dern (elektronisch e C o llag e ). Ich k an n ab er auch d ie O b jek te
selbst als B ild e r au ffasse n u n d ihre blofîen K on tu ren als B ild-
rahm en fü r n eu e O b jek te u n d B ild e r benützen (M ask en - und
K eyin g-T ech n ik). D urch d iese vielfâltigen V erfahren wird
der b islan g ein dim en sion ale pictoriale R a u m selbst viel-
schichtig u n d m ultidim en sion al. In d er polychronen T echno-
Z eit u n d im tem poralisierten polyto p en T ech n o -R au m (d e s
elektronischen B ild e s) wird es dah er «unerlàBlich, d as dra-
m atisch e M om en t der U m w an d lu n g v o n E n ergieereign issen
in d er Z e it in einen bin àren C o d e zu erk en n en .» (W. V asu lk a,
ibid). In d er C h ron ok ratie d es elektronischen B ild e s «h a t d as
Schw ergew icht sich hin zu einem E rk en n en eines Z e it/E n e r -
g ie-O b jek tes un d sein es program m ierbaren B au stein s - der
W ellenform - v erlag ert» (W. V asu lk a, D id actic V ideo: Or-
gan ization al M o d e ls o f the E lectro n ic A g e , A fte rim age N o .4 ,
O k t.1 9 7 5 ). D a s digitale B ild ist entkôrperlicht un d entm ate-
riahsiert, w ie die digitale T ech n o-Z eit nicht m ehr an den
R a u m u n d d essen B ew egu n g g ebu n d en ist: W ellenform statt
B au stein . In einem M ed iu m , d a s R au m durch Z e it darstellt
un d Z e it durch einen bin âren digitalen C o d e , herrscht die
B esch leu n igu n g d er B efreiun g, im G e g e n satz zum p h otogra-
phischen A rre st (d e r B ild e r), der w ie d er A u fp rall eines
A u to s an einen B a u m w irkt. F o to g rafie u n d M alerei arretie-
ren, V id eo u n d digitale K u n st akzelerieren. D a s elektroni­
sche B ild ist ein H ero ld w ie d er L ârm , denn «W echsel ist in
L à rm eingeschrieben schneller als er die G esellsch aft trans-
fo rm iert» (Ja c q u e s A ttah , B ru its, 1977). D a ra n kan n m an
nicht nur erkennen, w ie K u ltu r die K u n st dom estiziert, son-
dern v or allem , w ie d ie bild en d e K u n st zum eist die alte O rd-
n u n g verteidigt, kon serviert, zelebriert, in u n serem F alle alte

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M od elle von R au m , Z e it u n d R ew egung. Im M om en t, w o das
G ehen , Steh en un d Sitzen sam t seinen P aram etern wie
D au er, K on stan z, K on tin uitàt seine historische F unktion und
B ed eu tu n g verloren haben, ist es die K unst, w elche d iese all-
tâglichen T àtigkeiten zu K u n stform en deklariert (w ahrsch-
einlich desw egen, w eil m an ailes, w as ausstirbt, zur K u n st
erklàren will) un d bed eutun gsvoll, ja w eihevoll zu auBeror-
dentlichen E reign issen stilisiert.
D ie F re u d e der M u seen an der Z eleb rieru n g d es bloBen
G eh en s, Sitzens un d Steh ens, w ie es die W erke von A b ram o -
v ic /U la y , R ich ard L o n g , G ilb ert & G eo rge’s L iv in g Scu lptu ­
res, R o b e rt W ilson, H am ish F u lto n etc. schlichtweg sind, ist
ein beklem m en der, weil einfaltiger R ü ck zu g aus der gegen-
w àrtigen G eschw indigkeit d er G eschichte, au s der B esch leu-
nigung der tele-technetronischen G esellsch aft, in der un d
von d er wir aile leben. W egen d ieses A ufbew ahrens obsoleter
L eb en s-, E rleb en s-, un d E rken n tn isform en in der H ochkul-
tur ist die M assenkultur, z.B . in der F ra g e der G eschw indig­
keit, der beschleunigten Z eit, oft fortschritthcher; z.B . R ock -
m usik (S p e e d , L à rm , D ru g s) o d e r Film , die proletarische
K un stform , die noch im m er vom K u nstbetrieb ausgesch los-
sene, visuelle K un stform , d as M assen m ed iu m , d as ein
M ed iu m d er G eschw indigkeit ist, weil es ein urban es
M ed iu m ist, o d e rM u sik v id eo s. « B ig T im e » (1 9 8 7 ) v o n Peter
G ab riel ist künstlerisch besser, zeit- u n d m edien gem âB er als
die von W ulf H erzogen rath gefôrderte deutsche H ausm ütter-
chen-Y ideokunst.
D ie p le o to p e u n d -chrone Polytropik der M edien ku n st und
b eso n d ers d es elektronischen B ü d e s ist auch desw egen
künstlerisch so intéressant, w eil in keinem bisherigen K unst-
m ed iu m die soziale, tech n olo gisch eu n d âsthetische Entw ick-
lung* au f m ehreren E b e n e n so verflochten verlaufen ist. Paral-
lelen zw ischen den technischen, sozialen un d àsthetischen
Strategien reichen von d er P roduktionstechnik (sieh e M o n ­
tag e ) bis in die T erm inologie. D a s Schichtenbilden (L ay -
ering) ist nicht nur ein âsthetisches V erfahren, so n d e m auch
ein technisches bei der Intégration von Schaltkreisen im Sili-
zium transistor. W ie ph otograph isch e V erfahren im elektro­
nischen B ild àsthetisch V erw endung finden, so auch in der
M ikroelektronik technologisch, z.b. die P h otoàtzu n g des
Sch altkreises a u f d en L a c k der Silizium scheibe m it einer fei-
n en M ask e in d er D u n kelkam m er. D ie erste elektronische
B ild rô h re (1 9 2 3 ) v o n V .K .Z w o ry k in hieB K in e sk o p so wie
früh er einer der ersten Film projektoren v o n T .A . E d iso n
K in e to sk o p hieB. D ie se gegen seitige In terdepend en z ist eben
logisch, d a in d er technetronischen G esellsch aft so ziale Ver-
ân d eru n gen w ie auch àsthetische Innovationen direkt von
d er technischen E n tw icklung abhàngen . R eizvoll ist nur die
v erblü ffen d e E x ak th e it der Sp iegelu n gen u n d W iederholun-
gen u n d d as stân d ige R ecycling, auch d er A rch âo lo g ie der
T echn o-K unst. D ie se r gem ein sam e h istorische R a u m der
E n tw icklung v on T ech n o-K u n st u n d -G esellsch aft seit m ehr
als h undert Jah ren , der m it B ew egu n gsan aly sen u n d -m aschi-
nen b egan n u n d v o rlàu fig in der elektronischen E n tkôrperli-
chung, Im m aterialisierun g un d F em ü b ertrag u n g besteht,
wird a u f v ollen dete W eise durch die visuelle À hnlichkeit
zw eier A rb eiten dem on striert, die b e id e au f E lektrizitàt
rekurrieren. E .J.M arey s A ufzeichn ung d er M uskelbew egung
eines durch elektrischen Strom gereizten F roschbein es
(1 8 6 8 ) u n d W oody V asu lk as elektronische T ran sform atio-
nen eines G esich tes m it einem R u tt-E tra S can P ro cessor
(1 9 7 4 ). M it H ilfe eines digitalen Sp eich ers (R ah m en pu ffers,
F ram eb u ffers), in d em die Intensitàtsw erte d es B ild e s in
M atrixfo rm - m an erinnere sich an die film ische M atrix -
abgespeich ert sind, d.h. als Scan lin ien daten in Sequ en zen
bin ârer Z iffe m , w erden O b jek te in steu erbare L in ien ver-
w an delt, die durch den D isp lay C on troller zum M on itor
geleitet w erden, w o d ie scan lines (gelenkten, gestreuten Z ei-
len ) au s P ixels (P un kten ) zu sam m en gesetzt w erden. D e r von
R u tt u n d E tr a entw ickelte S can P ro cesso r ist also ein G é rât,
d as O b jek te in E ch tzeit in elektronisch steuerbare (S c an )
L in ien verw andelt, ein E ch tzeit-Scan - K onverter.
In d iesen B ild e m d es gem ein sam en historischen R au m e s
erbhcken wir d ie V ision d er T elegesellschaft, daB a u f die
F e m ü b e rtrag u n g d er B ild er, d er Stim m en u n d der Schrift
auch d ie F e m ü b e rtrag u n g (aïs eine A r t E ch tzeit-Scan - K on -
vertierun g) d er K ô r p e r folgt, z.B . durch Sim u l-R o bo ter. D ie
k lassisch e V erd opp elu n gsm asch in erie von T on u n d B ild

122
( ;

(G ram m o p h o n , M agn eto ph o n , R a d io u n d T élévision)


w ürde auch den K ô rp e r verdoppeln . D urch die fortgeschrit-
tene Tele- T echn ologie w ürde schlieBlich auch der K ôrp er,
die letzte B a stio n d es R ealen , zum D o u b le w erden. D ie A uf-
lôsu n g d er Identitât (d e s Su bjek ts, d es R au m e s un d der Z e it)
in eine T ele-Identitàt geschieht heute schon in A n sàtzen bei
F em seh - L iv e-Ü b ertragu n gen . Z u H a u se zu sein u n d gleich-
zeitig beim S p iel zu sein o d er au f dem R a se n zu spielen und
gleichzeitig in M illionen W ohnungen (a u f dem B üd sch irm ),
bed eutet, daB ein O rt (S ta d io n ) sich in einer Z e it in viele O rte
(B ildsch irm e in M illionen W ohnungen a u f der gan zen W elt)
zersp litte rt D e r O rt ist also nicht wichtig, m an kan n überall
sein, u m am S p iel live (gleichzeitig) teilzunehm en. E g a l wo
du bist, k an n st du dich einklinken. W ichtig ist nicht d as Wo,
son d ern d as W ann, d as Jetzt. «P u ttin g A llsp a c e in a N uts-
h ell» h at Ja m e s Jo y c e d iese Instantzeit, d iese Jetztzeit
genannt. A b e r auch die A k tu a l-Z e it kan n au fgen om m en un d
gespeich ert w erden, sod aB d u zu einer an deren Z e it d as Sp iel
beo b ach ten kannst. D ie gespeich erte Z e it erm ôglicht dir also
auch den beliebigen zeitlichen E in stieg in d as G eschehen.
D ie se gebo rgte Z e it lô st nicht nur total die B a n d e zum R au m ,
son d ern auch zur C h ronologie, w odurch die E in heit der Z eit
selbst sich aufzulôsen beginnt. D a dadurch die E rleben sfo r-
m en des M ensch en w eit ü b er den natürlichen Bereich hinaus-
gehen, erhalten die L iv e T V -Ü bertragu n gen fü r die M assen
d iese religiôsen O bertôn e.
D e r M en sch wird zum E n g e l m it der M acht des Fliegen s, m it
d er M ach t der Z eit, m it d er M ach t ü b er d ie Z eit, m it der
M ach t, Z e it zu bo rgen u n d Z e it zu verleihen, Z e it zu stoppen
u n d zu toten. T ote Z e it am E n d e der beschleunigten Z e it?
Luzifer, ein E n g e l der Z e it? W ird die M enschheit eines T ages
ihre eigen e ato m are A u slô sch u n g o d er E lek tro ku tio n als
L iv e- U b ertragu n g im F e m se h e n beob ach ten ?
M ach t u n d M ythos d er B ild e r leben eigenthch n ur m ehr im
beschleunigten elektronischen B ild weiter. Im künstlichen
an droiden B ild arbeitet d er M ensch w eiter an seiner R ück-
kehr ins P arad ies, seitdem er, gefallener E n g e l, d arau s ver-
trieben w urde. D a s gibt dem künstlichen C o m pu terb ild die
A u ra d es Luziferischen o d er Prom etheischen wie einst dem

123
künstlichen M enschen. A ls A la n T uring 1936 in seiner
A rb e it « O n co m p u tab le n u m b ers» (ü b er berechen bare Z ah -
len ) die G ru n d lagen fu r den C o m p u ter legte, h at er die
A rb e it v o n M ary W. Shelleys F ran ken stein , einen künstli­
chen M ensch en zu schaffen, fortgesetzt. D e r C o m p u ter wird
j a d esw egen U n iversalm asch in e genannt, w eil er im Prinzip
je d e an d ere M asch in e sim ulieren u n d im itieren kann , d.h.
auch d as, w as am M ensch en u n d seinem G eh irn m echanisch
ist. A b e r d a wir n och g ar nicht gen au w issen, w as «m e ch a­
n isch » bed eu tet, k an n d as sehr viel sein, zum B e isp ie l auch,
daB ein C o m p u te r als letztes G lie d d er V erdoppelun gstech -
n o lo g ie auch d as G eh irn v erdoppelt, sim uliert, im itiert un d
daB d erart d a s m enschliche G eh irn durch T ele-T ran sporta-
tion an versch ieden en O rten gleichzeitig an w esen d sein u n d
arbeiten k an n (nâm lich in F orm von C om puter-T erm inals).
D ie m echanische T ele-Identitàt durch einen R o b o te r k an n
v ia tim e sharing auch zu einer m entalen T ele-Identitàt wer-
den . D ie A u flô su n g d er Identitàt k an n in der tele-technotro-
nischen Z ivilisation nicht m ehr au fgeh alten w erden. N e u e
Id en titâtsform en w erden auftauchen, glücklicherw eise.
D en n d ie alten Iden titàten h aben ohnelun nur m olek u lare
K atastro p h e n in F am ilie, G esellsch aft u n d zw ischen d en V ô l-
k e m erzeugt.
Ist d er C o m p u te r eine U niversalm asch ine, ist auch d âs C om -
p u terbild ein U n iversalbild, d as aile O b jek te u n d B ild er
sim uheren kann , sow ohl die existenten wie auch die nicht-
existenten. Sich ein B ild m ach en v o n dem , w as d a ist, m a g ein
M o to r sein, w arum B ild e r gem acht w erden. D ie U n iversal-
bildm asch in e wird auch B ild e r v o n d em m ach en, w as nicht d a
ist, w as nicht sichtbar ist, d as so ziale U nbew uBte. S o w ie der
C o m p u te r bereits D in g e vollbringt, die von H im u n d H an d
d e s M en sch en nicht fertiggebrach t w erden kôn nen , so auch
d as com pu tergestü tzte bzw. -erzeu gte B ild . D a s elektroni-
sche an d ro id e B ild w ird G ed an k en sim ulieren w ie der C o m ­
puter. W ir bràu ch en W erkzeuge, u m W erkzeuge herzustel-
len, M ensch en, u m M en sch en zu erzeugen, A u to m aten , um
A u to m aten zu entw erfen, schliefilich auch B ilder, u m B ild er
herzustellen.
A n a lo g ie als 1:1 R elatio n k orrespon diert m it R e a l-R a u m

124
; N

‘v J

u n d -Z eit. D igitalogie als p o lym orph e T ran sform ations-


R elatio n (vom M aB stab bis zur Scanlinie) korrespon diert m it
T ech n o-Z eit un d -R au m . D ie pictoriale R eprésen tatio n
t durch codierte B ild e r o p eriert w egen der relativen A u to n o ­
m ie durch die D igitalo gie m it einer in tem en L o g ik . D ie se
interne L o g ik der B ild er, w elche die m edien spezifische
G ram m atik d er S p ezialeffek te u n d digitalen T ropen entfal-
tet, ersetzt grosso m o d o d ie n arrative R h eto rik von Schnitt,
M on tage, D é co u p ag e . D ie visuelle G eschw indigkeit der frei
flottierenden B ilder, m ehrere B ild er pro K a d e r (w o früher
nur ein B ild pro tau sen d e K a d e r w ar), w elche den Inhalt, die
B o tsch a ft der B ild e r aufladen, ü b erlad en (sem iotische
B esch leu n igu n g), k an n n ur durch d iese internale L o g ik arre-
tiert u n d interpretiert w erden. F em seh b ild er bew egen sich
schnell, «nicht- linguistische Inform ation bew egt sich mit
L ich tgesch w in digkeit», schreibt N eil Postm an . N e u e M edien
h aben « d ie M acht, durch die B esch leunigung alter M uster
n eu e M u ster zu liefern », sag t M arsh all M cL u h an . D e r R au m
d es Bew uB tseins m uB durch diese n eu e B ild lo gik geform t
w erden, will er nicht an d er visuellen G eschw indigkeit der
n eu en B ildkultur ohnm âchtig abprallen.
A n s der gem ein sam en W urzel, der m enschlichen Fàhigkeit
zur Sym bolisation, h aben sich Sp rach e u n d T echn ologie ent-
w ickelt, die in d er technischen B ild sp rach e, in der Polytropik
der E lektron ik-K ultur kulm iniert, die vom künstlichen
G eh irn zu den künstlichen B ild e m reicht. W erkzeug-Tech-
n olo gie ist d er Schlüssel zur m enschlichen E volu tion . W ir
brauch en die T echn ologie zum Ü b erleb en ; je gedràn gter der
R a u m u n d je grôBer d ie B ev ô lkeru n g w ird, desto notw endi-
ger wird die Überlagerung und Simulation von R àu m en , Z ei-
ten u n d K ô rp ern , d am it eben m ehrere O bj ekte un d Subj ekte
| * an einem O rt gleichzeitig anw esend sein kônnen. D ie Tech-
! n olo gie m uB sich desh alb zur T ele-T echnologie weiterentwik-
! kehi, die W erkzeuge zu T eleoperatoren u n d T elefaktoren, die
G esellsch aft zur tele-technotronischen Z ivilisation. E b e n so
I m ü ssen sich d ie W erkzeuge der K u n st weiterentw ickeln, will
| sie zu den Ü berleben sstrategien gehoren. D ie Steinw erk-
I zeu ge - w esenthcher B estan d teil d es m enschlichen Subsi-
stenzverhaltens - zeigen die enge Intégration von Technolo-

125
Pu ç*
gie u n d Ü b e rle b e n an. In d er kom plexen, hierarchisch gewik-
kelten, ràum lich-zeitlich ü berlagerten G esellsch aft von heute
m ü ssen die W erkzeuge kom plexer sein, eb en so die der
K unst. H âtte es seinerzeit sch on eine K ulturpolitik w ie heute
gegeb en , h âtten die M en sch en allerdings d ie D in osau rier
subventioniert u n d künstlich am L e b e n erhalten w ie heute
gan ze K u n stbetriebe, von d er Stein bildh auerei bis zur O per.
E s gibt n otw en dige V erluste. E in e v eràn d erte W erkzeug-
K un st, w elche die F âh igk eiten der M ensch en zur A b strak tio n
un d Sym bolisation vorantreibt, wie z .B . die Polytropik von
Polychrom e u n d -topie, ist d ie einzig m enschliche K unst.
D en n d ie elektronische R au m zeit, die elektronische T o p o lo ­
gie ist die zukünftige U m w elt der m enschlichen E volu tion .
D ie (p oly trop isch e) Entw icklung der W erkzeuge un d (binà-
ren) S p rach en sind u n d b ed in gen die F àh igk eit d es M ensch en
zur überleben sn otw en d igen A b strak tio n u n d Sym bolisation.

126
9 C jL
Vr)
g
CHRONOKRATIE
« D ie R ealitàt der Z e it ist ersetzt w orden durch R ek lam e
fur Z e it.»
(G u y D eb o rd , 1967)

W enn in einem O rt sich nichts àndert, w enn V erhàltnisse


gleich bleiben, heiBt es, die Z e it steht still, u n d es ist bezeich-
n en derw eise in den D ô rfe m , w o wir den Stillstan d der Z eit
verm uten un d suchen, u m sich v o m T em p o der S ta d t zu erho-
len. Steh -Z eit heiBt euphem istisch so viel wie A rb eitslosig-
keit, also Z eit, in der nicht produziert u n d nichts verdient
wird. Steh -Z eit ist d a s G egen teil von P roduktionszeit, pro-
duktiver Z eit. W o die Z eit still steht, bew egt sich nichts,
geschieht nichts. S o seh r sind Z e it u n d Produktivitât identisch
gew orden in einer G esellsch aft, w o aile Leb en sb ereich e von
der B esch leu n igu n g erfaBt sind, daB es eine unproduktive
steh en d e Z e it gar nicht geben darf. S ie fâllt der Z en su r der
Z eit zum O pfer. U n p ro d u k tiv e Z e it w ird a u f dem W ege der
U m w egren tabilitàt w ieder produktiv gem acht, in dem sie zur
E rh olun gszeit, zur R écréation T im e wird, zur notw endigen
P au se, w o die K raft getankt wird, die m an in d er P rod u ktion s­
zeit ausgibt. S o sehr steht un sere Z eit unter dem D ik tat der
A rb eit, der Produktivitât, daB auch die un produktive Z eit
eigentlich der Produktivitât dient, als A u fb au - u n d E r h o ­
lungszeit T eil der P roduktion szeit wird. A ile s ist P ro d u k ­
tionszeit o d er gar keine Z eit. Z e it wird reine Produktionszeit.
Freizeit ist also eine bloB e U nterbrechung, L eerstelle, ein
stroboskopisch er E ffe k t in d er industrialisierten W ahm eh-
m ung d es ôkonom ischen T achyskops. Freizeit ist v or allem
nicht Freiheit, Freiheit von A rb eit, so n d e m ein strukturelles,
system im m anentes K orrelat der A rbeitszeit. N u r w enn F rei­
zeit nicht in K orrelation zur A rb eitszeit steht, als M üBiggang,
dem on striert sie B efreiu n g von A rb eit, weil sie bew eist un d
zur Sch au stellt, daB ohnehin gen ügen d G e ld vorhanden ist,
auch ohne zu arbeiten, daB sch on so viel G e ld d a ist, daB nicht
m ehr gearbeitet w erden m uB bzw. das an gehâufte G e ld selbst
fu r einen arbeitet. F ü r d iese m üBige K la sse «d e r feinen
L e u te » (T h o rsten V eblen ) ist Z eit reine Freizeit. Surfbrett,

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